die geschichte der basler trommel 0

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Die Geschichte der Basler Trommel «Basler kommen mit Trommeln zur Welt». Dieser Titel schmückte einst den Erzählband einer längst verstorbenen Basler Schriftstellerin. Das Buch erschien 1970 und die Behauptung, die im erwähnten Titel aufgestellt wird, hat an Wahrheitsgehalt bis heute nichts eingebüsst. Aktuell ist in Basel rund ein Drittel aller in der Schweiz registrierten Tambouren aktiv, das sind rund 2'500 an der Zahl. Zu hören und zu sehen sind sie allesamt am grossen Umzug der Basler Fasnacht, der in Basel Cortège genannt wird. Tausende von Schaulustigen säumen jeweils den Strassenrand, und dieser Strassenrand und die vorbeitrommelnden Grössen versprühen den medizinisch nicht erklärbaren Trommelvirus an anfällige junge Menschen, die sich mit offenen Ohren und Augen dem rassigen Trommelklang hingeben. Nachts träumen diese Mädchen und Knaben, denen dieser Sound noch im Schlaf nachklingt, von der eigenen glänzenden Trommel, und sie wünschen sich von den Eltern sehnlichst, endlich in die Trommelschule einer Fasnachtsgesellschaft eintreten zu dürfen, in der die Kunst des Trommelns unterrichtet wird. Unterdessen ist die Trommel nämlich nicht nur Männersache, sondern immer mehr Mädchen und Frauen wollen die Trommel schlagen, obwohl die Schulung bis zur Marschreife für die Teilnahme an der Basler Fasnacht etwa drei Jahre dauert. Von den Wurzeln bis heute Die älteste erhaltene Trommel nach Basler Bauart stammt aus dem Jahre 1571 und ist im Basler Museum für Musik ausgestellt. Das schweizerische Brauchtum und kirchliche Feste wie beispielsweise die Fasnacht, das Zunftleben und öffentliche Anlässe mit Tanz, Spiel und Unterhaltung wurden meistens von Trommelklängen begleitet. Das trifft auch heute noch in Basel zu. Heiratet ein Angehöriger oder eine Angehörige einer Fasnachtsgesellschaft, kommen die Basler Trommeln zum Einsatz. Auch bei städtischen Festen wird die Trommel lustvoll geschlagen, denn ein Anlass ohne Basler Trommeln ist kein fröhlicher Anlass! Das Basler Trommeln hat seine Wurzeln im eidgenössischen Ordonanztrommeln, fand aber im Austausch mit französischen Militärtambouren und durch andere Einflüsse zu seiner eigenen, typisch baslerischen Art. In der Basler Umgangssprache wird die Trommel auch «Kessel» oder «Kübel» genannt, der Tambour heisst «Ruesser» (kommt von russen) und dem Trommeln sagen die Basler «ruesse». Die Basler Trommel ist seilgespannt, es gibt keine Masse nach Zoll, sie ist eine typische Marschtrommel und quadratisch, das heisst sie ist gleich hoch wie ihr Durchmesser. Unterdessen gibt es die sogenannte «Werktagstrommel», die aus Aluminium besteht und sehr leicht ist. Die «Festtagstrommel» hingegen besteht aus Holz und ist je nachdem individuell bemalt und kommt bei feierlichen und gesellschaftlich wichtigen Anlässen zum ehrwürdigen Einsatz. Der Trommelbau Eine gute Trommel überlebt den Tambour, der sie schlägt. Deshalb existiert eigentlich kein «Trommel-Markt» und schon gar keine entsprechenden Absatzprognosen. Man kann den Trommelbau auf keiner Kunstgewerbeschule erlernen, oder aber Vater Zufall hilft mit. Das lebende Beispiel heisst Stefan Freiermuth und ist 24 Jahre jung. Er ist 300prozentiger Tambour, mit allen Noten und Schlegeln imprägniert und war schon Jungtambouren- Schweizer Meister und auch schon drei Mal Trommelkönig am offiziellen Preistrommeln und pfeifen, das vor der Basler Fasnacht stattfindet. Mit dem Trommelvirus wurde er bereits im Alter von drei Jahren infiziert. «In unserer Verwandtschaft gab es einen Onkel, der die Trommelkunst beherrschte. Er hat mir den Virus übertragen, so dass ich schon mit acht Jahren einem renommierten Tambourenverein angehörte. In diesem Verein», so

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  • Die Geschichte der Basler Trommel Basler kommen mit Trommeln zur Welt. Dieser Titel schmckte einst den Erzhlband einer lngst verstorbenen Basler Schriftstellerin. Das Buch erschien 1970 und die Behauptung, die im erwhnten Titel aufgestellt wird, hat an Wahrheitsgehalt bis heute nichts eingebsst. Aktuell ist in Basel rund ein Drittel aller in der Schweiz registrierten Tambouren aktiv, das sind rund 2'500 an der Zahl. Zu hren und zu sehen sind sie allesamt am grossen Umzug der Basler Fasnacht, der in Basel Cortge genannt wird. Tausende von Schaulustigen sumen jeweils den Strassenrand, und dieser Strassenrand und die vorbeitrommelnden Grssen versprhen den medizinisch nicht erklrbaren Trommelvirus an anfllige junge Menschen, die sich mit offenen Ohren und Augen dem rassigen Trommelklang hingeben. Nachts trumen diese Mdchen und Knaben, denen dieser Sound noch im Schlaf nachklingt, von der eigenen glnzenden Trommel, und sie wnschen sich von den Eltern sehnlichst, endlich in die Trommelschule einer Fasnachtsgesellschaft eintreten zu drfen, in der die Kunst des Trommelns unterrichtet wird. Unterdessen ist die Trommel nmlich nicht nur Mnnersache, sondern immer mehr Mdchen und Frauen wollen die Trommel schlagen, obwohl die Schulung bis zur Marschreife fr die Teilnahme an der Basler Fasnacht etwa drei Jahre dauert. Von den Wurzeln bis heute Die lteste erhaltene Trommel nach Basler Bauart stammt aus dem Jahre 1571 und ist im Basler Museum fr Musik ausgestellt. Das schweizerische Brauchtum und kirchliche Feste wie beispielsweise die Fasnacht, das Zunftleben und ffentliche Anlsse mit Tanz, Spiel und Unterhaltung wurden meistens von Trommelklngen begleitet. Das trifft auch heute noch in Basel zu. Heiratet ein Angehriger oder eine Angehrige einer Fasnachtsgesellschaft, kommen die Basler Trommeln zum Einsatz. Auch bei stdtischen Festen wird die Trommel lustvoll geschlagen, denn ein Anlass ohne Basler Trommeln ist kein frhlicher Anlass! Das Basler Trommeln hat seine Wurzeln im eidgenssischen Ordonanztrommeln, fand aber im Austausch mit franzsischen Militrtambouren und durch andere Einflsse zu seiner eigenen, typisch baslerischen Art. In der Basler Umgangssprache wird die Trommel auch Kessel oder Kbel genannt, der Tambour heisst Ruesser (kommt von russen) und dem Trommeln sagen die Basler ruesse. Die Basler Trommel ist seilgespannt, es gibt keine Masse nach Zoll, sie ist eine typische Marschtrommel und quadratisch, das heisst sie ist gleich hoch wie ihr Durchmesser. Unterdessen gibt es die sogenannte Werktagstrommel, die aus Aluminium besteht und sehr leicht ist. Die Festtagstrommel hingegen besteht aus Holz und ist je nachdem individuell bemalt und kommt bei feierlichen und gesellschaftlich wichtigen Anlssen zum ehrwrdigen Einsatz. Der Trommelbau Eine gute Trommel berlebt den Tambour, der sie schlgt. Deshalb existiert eigentlich kein Trommel-Markt und schon gar keine entsprechenden Absatzprognosen. Man kann den Trommelbau auf keiner Kunstgewerbeschule erlernen, oder aber Vater Zufall hilft mit. Das lebende Beispiel heisst Stefan Freiermuth und ist 24 Jahre jung. Er ist 300prozentiger Tambour, mit allen Noten und Schlegeln imprgniert und war schon Jungtambouren-Schweizer Meister und auch schon drei Mal Trommelknig am offiziellen Preistrommeln und pfeifen, das vor der Basler Fasnacht stattfindet. Mit dem Trommelvirus wurde er bereits im Alter von drei Jahren infiziert. In unserer Verwandtschaft gab es einen Onkel, der die Trommelkunst beherrschte. Er hat mir den Virus bertragen, so dass ich schon mit acht Jahren einem renommierten Tambourenverein angehrte. In diesem Verein, so

  • Stefan, waren alles Wahnsinnige, die mich angetrieben haben; sie alle sind hundertprozentig mit der Trommel zur Welt gekommen. Stefan hat Mbelschreiner gelernt, war aber bereits Trommelinstruktor bei Nachwuchsabteilungen von Basler Fasnachtsgesellschaften und in sogenannten Jugendcamps des Schweizerischen Tambouren-Verbands. Im 4. Ausbildungsjahr seiner Lehre als Mbelschreiner lernte er als hufiger Kunde bei der renommierten und schweizweit grssten Trommelbau-Werkstatt Schlebach AG den damaligen Trommelbauer kennen, der ihn als sein Nachfolger erkannte und ihn in die Trommelbau-Kunst einfhrte. Es gibt kein Ausbildungslehrgang, da der Trommelmarkt wie schon erwhnt sehr klein ist. Unterdessen ist Stefan dank seines schweizweiten Engagements zum gefragten Botschafter seines Fachs und Nachfolger des jetzigen Geschftsfhrers geworden. Trommeln nach Rom und Madrid Die kunstvoll gefertigten Trommeln aus Basel gefiel dem Corps der Schweizer Garde in Rom, sogar ex Papst Benedikt XVI hatte gndig Gefallen gefunden an den wappengeschmckten Holztrommeln. Auch der neue Pontifex Maximus Franziskus verfgt bereits ber ein Corps, das seine Basler Wappentrommeln schlgt, was er fr seine Reformen sicherlich bestens gebrauchen kann... Ausserdem haben sich anlsslich der Musikmesse in Frankfurt vor zwei Jahren Interessenten aus dem spanischen Knigshaus ber die Qualitt und die knstlerische Ausgestaltung der Basler Trommeln begeistert gezeigt. Unterdessen sind zehn Trommeln fr das Knigshaus gefertigt worden und werden demnchst am kniglichen Hof in Madrid zum ersten Mal zu hren und zu sehen sein. Basler kommen nicht nur mit Trommeln zur Welt Es ist eine rhrselige und stets beeindruckende Zeremonie, wenn an einem Anlass verstorbene Mitglieder mit dem Trommelschlag auf einer abgespannten Trommel verabschiedet werden. Das Saallicht wird abgedunkelt, die Teilnehmer stehen andchtig mit gefalteten Hnden da Basler gehen auch mit Trommelklang von dieser Welt... 30.9.13 fs