die grätzelzelle als unterrichtsgegenstand stephan stuckenschneider karlsruhe, 26.09.2009
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Die Grätzelzelle als Unterrichtsgegenstand
Stephan Stuckenschneider
Karlsruhe, 26.09.2009
Gliederung
1. Einleitung
2. Fachwissenschaftlicher Aspekt zur Grätzelzelle2.1 Aufbau der Grätzelzelle2.2 Funktion der Grätzelzelle
3. Die Grätzelzelle als Unterrichtsgegenstand3.1 Herstellung der Grätzelzelle3.2 Planung der Experimente3.3 Ausgewählte Experimente3.4 Weiterführende Experimente3.5 Bewertung der Grätzelzelle
4. Potential der Experimente4.1 Aufbau der Lernkompetenz 4.2 Weitere Potentiale
5. Potential der Bionik für den Technikunterricht
6. Literatur
1. Einleitung
Ziel der allgemein bildenden Schulen:
Ziel / Beitrag des Technikunterrichts:
Wie kann der
Technikunterricht diesem entgegenwirken?
Kinder in intellektueller, emotionaler und physischer Hinsicht auf die von
Natur, Gesellschaft und Technik geprägte Welt vorzubereiten.
Schaffung einer Orientierungs- und Lebenshilfe, im Sinne einer
humanistischen Bildung, zur theoretischen Durchdringung und praktischen Bewältigung
einer von Technik geprägten Welt.
Nachhaltige Lernprozesse
PISA:„Schwierigkeiten bei der Anwendung von Wissen“
2. Definition - Grätzelzelle
- Erfinder: Michael Grätzel (1991 patentiert)
- Bionische Entwicklung im Bereich der Photovoltaik die der Verfahrensbionik zugeordnet ist
Farbstoffsolarzelle basierend auf dem Prinzip der pflanz.
Photosynthese
Ausgangspunkt für die Entwicklung
der Grätzelzelle
Lichtabsorption im
Chloroplast
Chemische Energie
(Glucose)
Ladungstrennungund Elektronentransport
2.1 Aufbau der Grätzelzelle
• 2 TCO-Glasplatten (transparent conductive oxide)
• Nanokristalline Titandioxid-Schicht
• Farbstoff
• Iod-Kaliumiodid-Lösung (Elektrolyt)
• Katalysator (Graphit) Abb.1: Aufbau der Grätzelzelle[vgl. Duden Paetec]
2.2 Funktion der Grätzelzelle
• Elektronenanregung durch Lichteinfall im Farbstoff
• Energetische Anhebung des Elektrons
• Elektronenfluss von der Anode zur Kathode
• Redox - Reaktion im Elektrolyt durch eintreffende Elektronen
Ausgangszustand
Abb.2: Funktion der Grätzelzelle[vgl. Universität Bayreuth]
3. Die Grätzelzelle als Unterrichtsgegenstand
3.1 Herstellung der Grätzelzellea. Herstellung der Photoelektrode
Abb.3.: AbgeklebteTCO-Platte [eigenes Foto]
Abb.4: Aufbringen derTitandioxidlösung [eigenes Foto]
Abb.5: Verteilen derTitandioxidlösung [eigenes Foto]
Abb.6: Sintern der Titandioxidlösung[eigenes Foto]
(1) Bestimmung der elektrisch leitfähigen Seite der TCO-Glasplatte
(2) Elektrisch leitfähige Seite der Glasplatte am Rand abkleben
(3) Auftragen und Verteilen der Titandioxid-Lösung
(4) Sinterung der Titandioxidlösung
3.1 Herstellung der Grätzelzelle
(5) Sensibilisierung der TiO2 Schicht
Abb.7: Hibiskusblüten[eigenes Foto]
Abb.8: Hibiskustee[eigenes Foto]
Abb.9: Hibiskusteesensibilisierte Photoelektrode [eigenes Foto]
1. Vorbereitung der Farbstofflösung (Hibiskusfarbstoff)
2. Einfärben der Titandioxidschicht
3. Abspülen des überflüssigen Farbstoffes und Trocknung
b. Herstellung der Gegenelektrode(1) Bestimmung der elektrisch
leitfähigen Seite
3.1 Herstellung der Grätzelzelle
Abb.10: Gegenelektrode[eigenes Foto]
Abb.11: Fertige Elektroden[eigenes Foto]
Abb.12: Auftragen desElektrolyten [eigenes Foto]
Abb.13: Fertige Grätzelzelle[eigenes Foto]
c. Zusammenbau der beiden Elektroden
(2) Auftragen der Graphitschicht (B-Minen Bleistift)
(1) Auftragen der Elektrolytlösung (1-2 Tropfen)
(2) Photoelektrode und Gegenelektrode versetzt aufeinander legen und fixieren
3.2 Planung der Experimente
a. Berücksichtigung des experi-mentellen Algorithmus:
(1) Aufgabe mit Fragestellung(2) Versuchsvorbereitung(3) Versuchsaufbau(4) Durchführung und Auswertung(5) Erkenntnis
Saxler (1992): Systematische Schritte für ein entdeckendes Lernen
Meyer (2007): Ganzheitlicher und schülerzentrierter Unterricht
Abb.14: Arbeitsblattbeispiel [eigener Entwurf]
3.2 Planung der Experimente
b. Materialen und Hilfsmittel:
Führungsstange
Ablagefläche
230 V Stromversorgung mit Dimmvorrichtung
- Grätzelzellen - Multimeter - Luxmeter - Krokodilklemmen
- Versuchsapparatur
Höhenverstellbarer 150W Halogenstrahler
Abb.15: Versuchsapparatur[eigenes Foto]
Abb.16: Unterschiedliche Grätzelzellen [eigenes Foto]
Abb.17: Multimeter[eigenes Foto]
Abb.18: Luxmeter[eigenes Foto]
Abb.19: Krokodilklemmen[eigenes Foto]
3.3 Ausgewählte Experimente
a. Experiment I: Verhalten einer Grätzelzelle bei zunehmender Beleuchtungsstärke
Aufgabe: Wie verändern sich Leerlaufspannung (U0) und Kurzschlussstromstärke (IK) bei
zunehmender Beleuchtungsstärke?
1. Materialien u. Hilfsmittel: - 1 Grätzelzelle (Hibiskusteefarbstoff-
sensibilisierung)
- 1 Digitalmultimeter mit Anschlusskabel
- 1 Luxmeter
- 2 Krokodilklemmen
- Halogenstrahler mit Dimmvorrichtung
Abb.20: Aufbau Versuch I[eigenes Foto]
2. Versuchsaufbau
3.3 Ausgewählte Experimente
3. Durchführung und Auswertung:Messung von Spannung in mV Stromstärke in µA unter zunehmender
Beleuchtungsstärke [ca. 0 – 5000 Lux (in 200 Lux Schritten)]
a. Leerlaufspannung U0 in Abhängigkeit b. Kurzschlussstromstärke IK in Abhäng-
von der Beleuchtungsstärke E: igkeit von der Beleuchtungsstärke E:
Abb.21: Leerlaufspannung als Funktion von der Beleuchtungsstärke [eigene Darstellung]
Abb.22: Kurzschlussstromstärke als Funktion von der Beleuchtungsstärke [eigene Darstellung]
Leerlaufspannung U0 in Abhänigkeit von der Beleuchtungsstärke E
0
50
100
150
200
250
300
350
020
040
060
080
010
0012
0014
0016
0018
0020
0022
0024
0026
0028
0030
0032
0034
0036
0038
0040
0042
0044
0046
0048
0050
00
E in Lux
U0 in mVKurzschlussstromstärke IK in Abhänigkeit von der
Beleuchtungsstärke E
020406080
100120140160180
020
040
060
080
010
0012
0014
0016
0018
0020
0022
0024
0026
0028
0030
0032
0034
0036
0038
0040
0042
0044
0046
0048
0050
00
E in Lux
IK in µA
3.3 Ausgewählte Experimente
4. Ergebnis:
- Leerlaufspannung
nicht linear von der Beleuchtungsstärke abhängig
starker Anstieg bei geringer Beleuchtungsstärke auf hohe mV Bereiche, danach nur noch geringe ansteigende Spannung
- Kurzschlussstrom
lineare Abhängigkeit zur Beleuchtungsstärke
3.3 Ausgewählte Experimente
b. Experiment II: Reihen- und Parallelschaltung von Grätzelzellen
Aufgabe: Wie wirkt sich Parallel- und Reihenschaltung auf Spannung , Stromstärke und
Leistung aus?
1. Materialien u. Hilfsmittel: - 3 Grätzelzellen (Hibiskusteefarbstoff-
sensibilisierung)
- 1 Digitalmultimeter mit Anschlusskabel
- 1 Luxmeter
- 6 Krokodilklemmen
- Halogenstrahler
Abb.23: Aufbau Versuch II[eigenes Foto]
2. Versuchsaufbau
3.3 Ausgewählte Experimente
3. Durchführung und Auswertung:Bei einer Beleuchtungsstärke von 8000 Lux schrittweise als Parallelschaltung und
Reihenschaltung.
Vor jedem neuen Zuschalten Spannung in mV und Stromstärke in µA messen und die Leistung in µW berechnen.
a. Spannungs- und Stromstärke-verhalten bei der Parallelschaltung:
b. Spannungs- und Stromstärke-verhalten bei der Reihenschaltung:
ParallelschaltungU = f(z)I = f(z)
0
500
1000
1500
2000
2500
1 2 3 Zellenzahl (z)
U in mV I in µA
ReihenschaltungU = f(z)I = f(z)
0
200
400
600
800
1000
1200
1 2 3 Zellenzahl (z)
U in mV I in µA
Abb.24: Parallelschaltung[eigene Darstellung]
Abb.25: Reihenschaltung[eigene Darstellung]
3.3 Ausgewählte Experimente
4. Ergebnis
1. Spannung und Stromstärke ändern sich je nach Verschaltung
- Parallelschaltung geringfügiger Anstieg der Spannung & linearer Anstieg der Stromstärke
in Abhängigkeit zur Zellenanzahl
- Reihenschaltung geringfügiger Anstieg der Stromstärke & linearer Anstieg der Spannung
in Abhängigkeit zur Zellenanzahl
2. Leistung bleibt identisch
3.3 Ausgewählte Experimente
c. Experiment III: Betreibung eines elektronischen Gerätes mit Grätzelzellen
Aufgabe: Wie viele Grätzelzellen werden benötigt, um einen mit einer 1,5 V Batterie
betriebenen Taschenrechner zu betreiben? Wie groß müssen Spannung und Beleuchtungsstärke mindestens sein, um eine
optimale Funktion zu erhalten?
1. Materialien u. Hilfsmittel: - Grätzelzellen (Hibiskusteefarb- stoffsensibilisierung)- 1 Digitalmultimeter mit Anschlusskabel- 1 Luxmeter- Krokodilklemmen- Halogenstrahler- Präparierter 1,5 V Taschenrechner
2. Versuchsaufbau
Abb.26: Aufbau Versuch III[eigenes Foto]
3.3 Ausgewählte Experimente
2. Versuchsaufbau
1. Ermittlung der benötigten Schaltung:
Reihenschaltung (Addition der Spannung)
2. Rechnerische Bestimmung der benötigten Grätzelzellen:
3. Zeichnung der Schaltung aus Grätzelzellen, Taschenrechner und
Multimeter (als Spannungsmesser):
geg: - V ges = 1500 mV Lös: Vges = z . VGZ
- VGZ = 380 mV 1500 mV = z . 380 mV z = 3,9
ges: - Anzahl der GZ (z)
3.3 Ausgewählte Experimente
3. Durchführung und Auswertung:Stufenweise Absenkung der Halogenstrahlers in 5-cm-Schritten.
Spannung U und Beleuchtungsstärke E messen.
Taschenrechnerfunktion beurteilen (-keine Funktion-, -schwach-, -gut-, -optimal-).
Messwerttabelle mit Bewertung:
4. Ergebnis:Eine Schaltung mit 4 Grätzelzellen reicht aus, wenn eine Beleuchtungsstärke von 3341Lux vorliegt, die eine Spannung von 1356 mV erzeugt.
Abb.27: Protokoll zu Versuch III[eigene Darstellung]
3.4 Weiterführende Experimente
(1) Zusammenhang zwischen Farbstoff und Leistung
(2) Vergleich der Leistung von Grätzelzellen und Siliziumzellen
(3) Experiment zur Lebensdauer der Grätzelzelle
Abb.28: Farbstoffausbleichungnach 2 Tagen [eigenes Foto]
Abb.29: Farbstoffausbleichungnach 4 Tagen [eigenes Foto]
Abb.30: Farbstoffausbleichungnach 5 Tagen [eigenes Foto]
3.5 Bewertung der Grätzelzelle
Unterrichtsverfahren „Bewertung technischer Sachverhalte“ (vgl. Henseler): Aufstellen von relevanten Bewertungskriterien Bewertung des technischen Sachverhaltes
1. Bewertung der Grätzelzelle im Vergleich zur Siliziumsolarzelle:
(1) - geringerer Wirkungsgrad- niedrigere Lebensdauer unzureichende Marktreife der Grätzelzelle
(2) - Schwachstellenausgleich durch zukünftige Forschung
erforderlich
Bewertungs-kriterien
Grätzelzelle Silizium-solarzelle
Günstige Herstellung + -Energiearme Herstellung + -Wirkungsgrad - +Flexible Bauform + -Lebensdauer - +
Abb.31: Bewertungstabelle[eigene Darstellung]
2. Auswertung
4. Potential der Experimente
4.1. Aufbau der Lernkompetenz(1) Benötigte Sach- und Handlungskompetenz für die Experimente
(2) Aufbau der Lernkompetenz (Bsp.: Spannung messen können)
Sachkompetenz: - Kenntnis von Begriffen: Spannung, Stromstärke, LeistungHandlungskompetenz: - Zweckgemäße Geräte zum Prüfen und Messen auswählen und anwenden
Verbindung des Wissens mit einem zielgerichteten Handeln
Abb.32: Schema zum Aufbau der Lernkompetenz[verändert nach: Lethmate nach Klinger]
4. Potential der Experimente
4.2 Weitere Potentiale
Umgang mit technischen Geräten
(Multimeter, Luxmeter etc.)
Umgang mit Messwerten
(sachbezogenes Rechnen, graphische Darstellung, Interpretation)
Deutung der gewonnenen Erkenntnisse
(v.a. die Bewertung von Technik)
5. Potential der Bionik für den Technikunterricht
Die Berücksichtigung bionischer Themen im Technikunterricht ermöglicht:
Einbringung von modernen / naturinspirierten Technologien in den
Technikunterricht
Sensibilisierung der Schüler mit zukünftigen Technologien
-> entdeckendes Lernen (experimentelle Methode)
-> Bewertung von Technologien
-> Entwicklungstrends herausarbeiten (zukünftige Nutzung)
Möglichkeiten für einen fächerverbindenden Unterricht
-> Stärkung der Fachidentität
Leitzielerfüllung erfordert eine stetige Anpassung des Technikunterrichts an aktuelle Themenfelder der Technik.
Potential für einen handlungs- und anwendungsorientierten Unterricht, der mit den Strategien und Methoden des Technikunterrichts eine Auseinandersetzung
der Schüler mit zukünftigen Technologien ermöglicht.- Leitzielorientierung -
6. Literatur
Duden Paetec (2007): Bionik. Erfinderwerkstatt Natur, Berlin
Henseler, K. u. G. Höpken (1996): Methodik des Technikunterrichts, Bad Heilbrunn
Lethmate, J.: Experimentelle Lehrformen und Scientific Literacy, in: Praxis Geographie 11 (2006), S. 4 – 11
Meyer, H. (2007): Unterrichtsmethoden. II: Praxisband, Berlin
Saxler, J. (1992): Problemorientiertes und Entdeckendes Lernen in der Physik, Essen
Internetquellen:
Universität Bayreuth (o.J): Online unter: http://www.old.uni-bayreuth.de/departments/didaktikchemie/cnat/kunststoffe/solarzelle_l.htm