die herz-hirn-connection: wie emotionen, denken und stress unser herz beeinflussen

1
Akupunktur German Journal of Acupuncture & Related Techniques Deutsche Zeitschrift für DZA Buchbesprechungen | Book and Media Reviews Dr. Knut Sroka Arzt für Allgemeinmedizin [email protected] www.herzinfarkt-alternativen.de www.heartattacknew.com Inhalt Dieses kleinformatige Buch wagt den großen Ritt durch die Psychosomatik der Herz- Kreislauferkrankungen. In der psycho- kardiologischen Literatur umfassend bewandert, spannt der Autor den thematischen Bogen von Angina pectoris und Herzinfarkt über Hypertonie, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen hin zu Herzphobie, Angst- und Panikstörungen sowie zum Ein- fluss der Depression auf die verschiedenen kardialen Störungen. Ein ausführlicher Anfangsteil informiert über anatomische, phy- siologische, speziell neurophysiologische und psychosomatische Grundlagen der Psychokardiologie. Dies Buch richtet sich gleichermaßen an Laien und Fachleute, interessierte Patienten und Ärzte, denen die Leib-Seele- Zusammenhänge wichtig sind. Es ist sehr prägnant und äußerst anschaulich geschrieben. Eine Fundgrube für alle, die sich mit dem von Herzkatheter und Stent dominierten kardiologischen Betrieb nicht abfinden wollen. Hier finden sie vieles auf den Punkt gebracht, was sie „eigentlich immer schon wussten“, dass seelisches Erleben entscheidenden Einfluss auf die verschiede- nen Aspekte der Herzkrankheiten hat. Meine Meinung Als ich ziemlich auf den ersten Seiten las, dass „der Vagusnerv die Hauptverbindung vom Gehirn zum Herz“ darstellt, wollte ich innerlich schon jubeln. Doch das Jubeln verging mir recht bald, weil durchgehend im ganzen Buch eben nicht die Bedeu- tung des Parasympathikus/Vagus erkannt wird, sondern ständig auf die pathologischen Auswirkungen des Sympathikus abge- hoben wird. Damit bewegt sich Rüegg voll und ganz auf der herrschenden Linie der Psychokardiologen und übersieht, wie die Kollegen, die entscheidende Bedeutung abgeschwächter und blockierter parasympathischer Impulse in der Pathologie der Herzerkrankungen. An einer Stelle spricht Rüegg von „der bei Herzerkrankungen ominösen autonomen Dysfunktion“, gekenn- zeichnet durch verminderte parasympathische Aktivität. Alles Johann Caspar Rüegg Die Herz-Hirn-Connection Wie Emotionen, Denken und Stress unser Herz beeinflussen Schattauer, Stuttgart 2012, 204 Seiten, ISBN/EAN: 978-3-7945-2882-0, € 19,95 richtig, nur nicht ominös! Dem Autor ist dann auch an dieser Stelle – wie ständig im Buch – eine gesteigerte sympathische Aktivität viel wichtiger. Warum insistiere ich auf dem Vagus bzw. Parasympathikus im Rahmen eines solchen Buches? Analysen der „Herzfrequenz-Va- riabilität“ haben in den Neunzigern zutage gebracht, dass speziell die kardiale Vagus-Aktivität eng mit der Emotionalität und dem Beziehungsleben verbunden ist. Emotionale Ausdrucksfähigkeit und lebendige Sozialkontakte sind starke Stimulatoren der vaga- len Herzaktivität. HRV-Analysen zeigten, wie stark der Vagus akut auf Berührung, auf Sex und Liebe reagiert. Chronische Unterdrü- ckung von Gefühlen, soziale Isolation und Depression blockieren die parasympathische Herztätigkeit. Mehr hierzu bei [1–3]. Zugegeben, die wichtige pathogenetische Bedeutung chronisch geschwächter und blockierter parasympathischer Impulse bei den heute dominierenden Herzkrankheiten – ischämisch, myogene Herz- insuffizienz, ventrikuläre Rhythmusstörungen – wird noch nicht von allzu vielen Menschen geteilt. Der Sympathikus jedenfalls wird deut- lich überschätzt. Gerade Herzinfarkt-Patienten sind solche, die nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind, gerade bei ihnen besteht kein erhöhter Sympathikus-Tonus. In der HRV-Analyse konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl der Angina-pectoris-Anfälle durch akute Blockaden der Vagusaktivität ausgelöst wird, sympathische Aktivi- tätssteigerungen sind dabei zumeist Fehlanzeige. Warum dies Beharren auf Stress und Sympathikus? Die Psycho- kardiologie hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt als feste Größe etabliert, allerdings stets an der kurzen Leine der univer- sitären Kardiologen. Mit Stress als Auslösefaktor kann der offi- zielle Betrieb gut leben, davon bleibt der Alltag mit all seinen mechanistischen Prozeduren unberührt. Wenn eine Größe wie der Vagus ursächlich ins Spiel käme, könnte sich das ändern. Die Vagusaktivität hat nichts mit der Koronarsklerose zu tun. „Vegetativ harmonisierende“ Maßnahmen wie auch die Aku- punktur, die dem darniederliegenden Parasympathikus auf die Beine helfen und auch Zuwendung und Liebe würden dann als ursächlich greifende Maßnahmen in der Therapie von Herz- krankheiten ihren Platz finden. Auch Herr Rüegg würde das be- grüßen. Und es könnte passieren, dass die in ihrem Nutzen weit überschätzte High-tech-Maschine ein wenig ins Stocken gerät. Literatur 1. Sroka K. Herzinfarkt – Aufbruch zu neuen Ufern. Dt Ztschr f Akup. 2012, 55; 2:10–14 2. Sroka K. Herzinfarkt vermeiden. Psychosozial Verlag, Gießen 2003 3. http://www.heartattacknew.com, http://www.herzinfarkt-alternativen.de

Upload: knut

Post on 30-Dec-2016

213 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

AkupunkturG e r m a n J o u r n a l o f A c u p u n c t u r e & R e l a t e d T e c h n i q u e s

D e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f ü r

DZABuchbesprechungen | Book and Media Reviews

Dr. Knut SrokaArzt für [email protected]

www.herzinfarkt-alternativen.dewww.heartattacknew.com

InhaltDieses kleinformatige Buch wagt den großen Ritt durch die Psychosomatik der Herz- Kreislauferkrankungen. In der psycho-kardiologischen Literatur umfassend bewandert, spannt der Autor den thematischen Bogen von Angina pectoris und Herzinfarkt über Hypertonie, Herzinsuffi zienz und Herzrhythmusstörungen hin zu Herzphobie, Angst- und Panikstörungen sowie zum Ein-fl uss der Depression auf die verschiedenen kardialen Störungen. Ein ausführlicher Anfangsteil informiert über anatomische, phy-siologische, speziell neurophysiologische und psychosomatische Grundlagen der Psychokardiologie.Dies Buch richtet sich gleichermaßen an Laien und Fachleute, interessierte Patienten und Ärzte, denen die Leib-Seele- Zusammenhänge wichtig sind. Es ist sehr prägnant und äußerst anschaulich geschrieben. Eine Fundgrube für alle, die sich mit dem von Herzkatheter und Stent dominierten kardiologischen Betrieb nicht abfi nden wollen. Hier fi nden sie vieles auf den Punkt gebracht, was sie „eigentlich immer schon wussten“, dass seelisches Erleben entscheidenden Einfl uss auf die verschiede-nen Aspekte der Herzkrankheiten hat.

Meine MeinungAls ich ziemlich auf den ersten Seiten las, dass „der Vagusnerv die Hauptverbindung vom Gehirn zum Herz“ darstellt, wollte ich innerlich schon jubeln. Doch das Jubeln verging mir recht bald, weil durchgehend im ganzen Buch eben nicht die Bedeu-tung des Parasympathikus/Vagus erkannt wird, sondern ständig auf die pathologischen Auswirkungen des Sympathikus abge-hoben wird. Damit bewegt sich Rüegg voll und ganz auf der herrschenden Linie der Psychokardiologen und übersieht, wie die Kollegen, die entscheidende Bedeutung abgeschwächter und blockierter parasympathischer Impulse in der Pathologie der Herzerkrankungen. An einer Stelle spricht Rüegg von „der bei Herzerkrankungen ominösen autonomen Dysfunktion“, gekenn-zeichnet durch verminderte parasympathische Aktivität. Alles

Johann Caspar Rüegg

Die Herz-Hirn-ConnectionWie Emotionen, Denken und Stress

unser Herz beeinflussen

Schattauer, Stuttgart 2012, 204 Seiten, ISBN/EAN: 978-3-7945-2882-0, € 19,95

richtig, nur nicht ominös! Dem Autor ist dann auch an dieser Stelle – wie ständig im Buch – eine gesteigerte sympathische Aktivität viel wichtiger.Warum insistiere ich auf dem Vagus bzw. Parasympathikus im Rahmen eines solchen Buches? Analysen der „Herzfrequenz-Va-riabilität“ haben in den Neunzigern zutage gebracht, dass speziell die kardiale Vagus-Aktivität eng mit der Emotionalität und dem Beziehungsleben verbunden ist. Emotionale Ausdrucksfähigkeit und lebendige Sozialkontakte sind starke Stimulatoren der vaga-len Herzaktivität. HRV-Analysen zeigten, wie stark der Vagus akut auf Berührung, auf Sex und Liebe reagiert. Chronische Unterdrü-ckung von Gefühlen, soziale Isolation und Depression blockieren die parasympathische Herztätigkeit. Mehr hierzu bei [1–3].Zugegeben, die wichtige pathogenetische Bedeutung chronisch geschwächter und blockierter parasympathischer Impulse bei den heute dominierenden Herzkrankheiten – ischämisch, myogene Herz-insuffi zienz, ventrikuläre Rhythmusstörungen – wird noch nicht von allzu vielen Menschen geteilt. Der Sympathikus jedenfalls wird deut-lich überschätzt. Gerade Herzinfarkt-Patienten sind solche, die nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen sind, gerade bei ihnen besteht kein erhöhter Sympathikus-Tonus. In der HRV-Analyse konnte gezeigt werden, dass die Mehrzahl der Angina-pectoris-Anfälle durch akute Blockaden der Vagusaktivität ausgelöst wird, sympathische Aktivi-tätssteigerungen sind dabei zumeist Fehlanzeige.Warum dies Beharren auf Stress und Sympathikus? Die Psycho-kardiologie hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt als feste Größe etabliert, allerdings stets an der kurzen Leine der univer-sitären Kardiologen. Mit Stress als Auslösefaktor kann der offi -zielle Betrieb gut leben, davon bleibt der Alltag mit all seinen mechanistischen Prozeduren unberührt. Wenn eine Größe wie der Vagus ursächlich ins Spiel käme, könnte sich das ändern. Die Vagusaktivität hat nichts mit der Koronarsklerose zu tun. „Vegetativ harmonisierende“ Maßnahmen wie auch die Aku-punktur, die dem darniederliegenden Parasympathikus auf die Beine helfen und auch Zuwendung und Liebe würden dann als ursächlich greifende Maßnahmen in der Therapie von Herz-krankheiten ihren Platz fi nden. Auch Herr Rüegg würde das be-grüßen. Und es könnte passieren, dass die in ihrem Nutzen weit überschätzte High-tech-Maschine ein wenig ins Stocken gerät.

Literatur 1. Sroka K. Herzinfarkt – Aufbruch zu neuen Ufern. Dt Ztschr f Akup. 2012, 55;

2:10–14 2. Sroka K. Herzinfarkt vermeiden. Psychosozial Verlag, Gießen 2003 3. http://www.heartattacknew.com, http://www.herzinfarkt-alternativen.de