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1 Walter-Jörg Langbein Die Magie der Weisen Kulte und Riten Überarbeitete und ergänzte Fassung des 1997 in der Reihe „Geheimnisvolle Welten“ erschienenen Bandes „Das Reich der Magie – Kulte und Riten“ Ancient Booklet – eBook Ancient Mail Verlag Werner Betz Europaring 57, D-64521 Groß-Gerau Tel.: 0 61 52/5 43 75, Fax: 0 61 52/94 91 82 www.ancientmail.de Email: [email protected] Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-944198-52-1

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    Walter-Jörg Langbein

    Die Magie der Weisen Kulte und Riten Überarbeitete und ergänzte Fassung des 1997 in der Reihe „Geheimnisvolle Welten“ erschienenen Bandes „Das Reich der Magie – Kulte und Riten“ Ancient Booklet – eBook Ancient Mail Verlag Werner Betz Europaring 57, D-64521 Groß-Gerau Tel.: 0 61 52/5 43 75, Fax: 0 61 52/94 91 82 www.ancientmail.de Email: [email protected] Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-944198-52-1

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    Ich widme dieses Buch Sylvia B., Ursula Prem und g.c.roth

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    „Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will, bedarf der höchsten Kunst:

    Magie der Weisen." Johann Wolfgang von Goethe,

    Faust II/Mephisto Inhalt Vorwort: 2012 und Magie 1.) Die Magie der Azteken Smog, Wissenschaft und Magie Die Azteken, die Straße der Toten und unser Sonnensystem Magische Ursprünge Magie und Priestertum 2.) Das Geheimnis der Tiermenschen Aztekische Magier und afrikanische Zauberer Magie und Verbrechen Werwölfe in Europa Unsichtbare Angreifer 3.) Voodoo – Magie mit der Kraft der Toten Tempel, Trommeln, Totengeister, Trancezustände Voodoo-Ketzer und Todeszauber Voodoo auf der Osterinsel 4.) Magie im Reich der Pharaonen Voodoo bei den Hyksos Visionen von der Zukunft Magische Medizin Magische Reisen ins Jenseits

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    5.) Magisches Indien Falscher Zauber Soma, das magische Manna Indiens Magische Kraft und Indiens Götter Geist siegt über Materie Houngan-Man und die indische Magie des Prana-Atems 6.) Die magische Welt der Kabbala Ursprünge Die zehn magischen Sphären Ein Kabbala-Ritual im 20. Jahrhundert 7.) Magier des Mittelalters Paracelsus – Mediziner und Magier Athanasius Kircher – Planeten und Amulette Astrologische Vorschriften en Détail Agrippa von Nettesheim – Anwalt der Hexen 8.) Magie der Neuzeit: Swedenborgs Jenseitskontakte Außerkörperliche Erfahrungen Himmel und Hölle Nachwort: Vom Zauber der Magie Anhang

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    „Alles, was die Wissenschaftler … mit Hilfe einer unbekannten Kunst vollbringen, wird Magie genannt … Denn Technologie wird immer als Magie bezeichnet, bevor sie verstanden wird, und nach einer gewissen Zeit entwickelt sie sich zu einer normalen Wissenschaft.“ Tommaso Campanella, Dominikaner, eigentlich Giovanni Domenico, 1568-1639

    Vorwort: 2012 und Magie

    Wir leben im dritten Jahrtausend nach Christus. Der angeblich von den Mayas für den 21.12.2012 prophezeite Weltuntergang ist ausgeblie-ben. Unsere Erde wurde nicht durch einen mysteriösen Planeten zerstört. Auch kippte die Erdachse nicht. Und die Sonne sandte keine Monster-strahlen... Die Apokalypse, vor sich viele fürchteten... sie blieb aus.

    Dabei haben die Mayas für den ominösen 21.12.2012 gar keinen Welt-

    untergang vorhergesehen... aber glauben wollten das viele Zeitgenossen. Morbide Horrorvorstellungen aus einem Gemisch von Aberglauben und vermeintlicher Wissenschaft faszinieren heute nach wie vor... wie schon seit Ewigkeiten.

    Auch Martin Luther prognostizierte mehrfach den angeblich unmittel-

    bar bevorstehenden „Weltuntergang“, schob immer neue Termine nach... Sein Weggefährte Melanchton war von Astrologie begeistert... Wissen-schaft oder Aberglauben?

    Wir sind im dritten Jahrtausend nach Christus angekommen. Aber ha-

    ben wir uns vom „Aberglauben“ verabschiedet? Nicht alles, was als „Aberglaube“ belächelt wird, ist Humbug! Und nicht alles, was als „Wis-senschaft“ daher kommt... ist kein Aberglaube.

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    In früheren Jahrhunderten glaubten die Menschen an „Hexen“ und

    führten einen blutigen Krieg gegen angeblich vom Teufel Besessene. Gläubige Christen zahlten bereitwillig in die Kassen der Kirchen, um liebe Verwandte aus dem „Fegefeuer“ zu befreien, oder um selbst erst gar nicht in diese heiße Hölle zu gelangen. Heidnische Talismane werden verab-scheut, aber der Heilige Christophorus baumelt am Rückspiegel im Auto und soll vor Unfällen schützen...

    Zeitschriften mit Millionenauflage drucken Horoskope, die von fast al-

    len gelesen werden. Dabei glaubt doch angeblich niemand an diesen „Hokuspopus“.

    Manche Anhänger magischer Praktiken gehen auch heute noch oft

    leichtsinnig unkalkulierbare Risiken ein. Wie schon vor unzähligen Jahr-hunderten etwa bei den Mayas und Azteken werden Drogen konsumiert, die angeblich das Bewusstsein erweitern. Was Jahrzehnte im Verborgenen genossen wurde, wird heute – im Jahr des ausgebliebenen Weltunter-gangs – öffentlich konsumiert.

    Der „Spitzkegelige Kahlkopf“ ist in unterschiedlichsten Variationen zu

    kaufen: frisch oder getrocknet, eingelegt in Tequila oder als Pulver für Suppen. Roh genossen löst der Fruchtkörper des Pilzes, so berichtet „Der Spiegel“ (Nr.44/ 1996, S. 222), „Wahnvorstellungen wie in einem LSD-Rausch hervor, grotesk verzerrte Formen und ein Gefühl der Bewusstseinserweiterung“.

    Vom Genuss des Pilzes ist abzuraten Er ist alles andere als ungefähr-

    lich, warnt „Der Spiegel“: „Die Wirkungen der magischen Pilze sind unkalku-lierbar. Manche von ihnen können zehnmal mehr Psilocybin enthalten als andere und den Benutzer durch Überdosis vergiften. Und selbst bei einer Normalration können psychisch labile Menschen auf einen Horrortrip geraten und dabei die Schwelle zum bleibenden Wahn, zur Psychose, überschreiten.“

    Magie hat schon – im 20. wie im 21. Jahrhundert – wahrhaft monströ-

    se Formen angenommen. So stießen Polizeibeamte in Amsterdam im Spätherbst 1996 bei der Untersuchung eines Vergewaltigungsfalls auf eine geheime Gruppe, die blutige Magie-Rituale praktizierte. In der Wohnung eines 45-Jährigen fanden sie vier wie Mumien einbalsamierte Babyleichen,

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    die bei geheimen Ritualen benützt worden sein sollen. Mehrere Verdäch-tige wurden festgenommen.

    In einer Welt, die sich verstärkt wieder der Magie zuwendet, wird in

    zunehmendem Maße auch der Glaube an okkulte Kräfte von Betrügern genutzt. So ergaunerte anno 1996 ein Team von drei Betrügern in Johan-nesburg große Geldbeträge. Sie verkauften, wie Fortean Times (Ausgabe Dezember 1996, S. 8) berichtet, geschwärztes Papier für teures Geld. An-geblich würde es sich, so man ein magisches Ritual zelebriere, in echte US-Dollarnoten verwandeln.

    Erleben wir heute, zu Beginn des dritten Jahrtausends, eine Renais-

    sance der Magie? Die französischen Autoren Louis Pauwels und Jacques Bergier veröffentlichten zu Beginn der 60-er Jahre des 20. Jahrhunderts ein umfangreiches Werk, das sofort weltweit zum Bestseller wurde: „Auf-bruch ins dritte Jahrtausend“. Worum es den beiden Autoren ging, ver-deutlicht der französische Originaltitel ihres Werkes: „Le Matin des Magiciens“, zu Deutsch „Der Morgen der Magier“. Pauwels und Bergier waren der Ansicht, dass die moderne Wissenschaft am Ende ihrer Mög-lichkeiten angelangt sei. Jacques Bergier sagte 1975 in Zürich zum Verfas-ser: „Am Wendepunkt zum dritten Jahrtausend wird das Interesse an alten ma-gischen Praktiken wieder erwachen!“

    Kehrt die Magie in unseren Alltag zurück? Ist unsere Welt zu techno-

    logisch, zu unpersönlich, zu berechenbar geworden? Fehlt uns das Ge-heimnisvolle, das Mystische, für das es im Zeitalter der Gentechnologie und der Raumfahrt keinen Platz mehr zu geben schien? Magie mag aus der aufgeklärten Welt Europas weitestgehend verdrängt worden sein. In anderen Regionen wird sie nach wie vor praktiziert: In Südafrika sagen Priesterinnen wie Uyitshigitshi in Trance zukünftige Ereignisse voraus. Zulu-Magier deuten anhand von Orakelhilfsmitteln die Zukunft. Magier aus Simbabwe nutzen zu diesem Zweck Zauberknochen. Auf Haiti tanzen sich – vermutlich just in diesem Augenblick – Anhänger des Voodoo-Kults in Trance. Womöglich werden gerade jetzt in Brasilien Frauen nach altem Xango-Ritus in die Reihen der Magiekundigen aufgenommen. Sie werden als „Töchter der Heiligen“ bezeichnet. Dabei werden Opferhand-lungen vollzogen.

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    Der Begriff des Magischen ist schon Jahrtausende alt. Bereits Giovanni della Porta (1535-1615), Philosoph und Verfasser zahlreicher wissenschaft-licher Abhandlungen, hat seine Ursprünge zurückverfolgt. Schon im Al-ten Persien bezeichnete man Zauberer als Magos. Sie galten als Wissende, waren in die Lehre des Ahura Mazda eingeweiht. Als erster Magier wird Zarathustra angesehen. Wann genau der große Weise lebte, ist umstritten. Unterschiedlichen Gelehrten zufolge lebte er bereits um 1.000 v. Chr. oder erst vierhundert Jahre später. Im Zentrum seiner Lehre stand der Kampf zweier Mächte. Ahura Mazda, das absolut Gute, und Angra Mainyu, das vollkommen Böse, kämpften ständig gegeneinander. Der Mensch muss sich entscheiden, ob er sich der guten oder der bösen Macht zuwenden möchte.

    Die persischen Magier waren hoch angesehene Persönlichkeiten. Man

    war davon überzeugt, dass sie ausschließlich zum Wohle der Menschen arbeiteten. Nach den heiligen Schriften des Awestas durchwachten sie die Nächte, suchten nach der „Weisheit, die den Menschen furchtlos und freudi-gen Herzens an der Todesbrücke stehen lässt“.

    Wie haben wir uns die Magos der Perser vorzustellen? Es scheint sich

    bei ihnen, das lassen einige Äußerungen Herodots vermuten, um Priester gehandelt zu haben. Sie vollzogen heilige Rituale, in deren Zentrum das magische Feuer stand. Als Magier wurden auch die babylonischen Pries-ter und Astrologen von den Griechen bezeichnet.

    Vermutlich handelte es sich bei jenen „Weisen aus dem Morgenland“,

    die nach Matthäus (Kapitel 2, Vers 1) nach Jerusalem kamen, um dem „neugeborenen König der Juden“ ihre Aufwartung zu machen, um Stern-deuter aus Babylon. Tatsächlich war Babylon, von Jerusalem aus gesehen, das „Morgenland“. Es war das Heimatland der wissenschaftlichen Astro-nomie. So nimmt es nicht Wunder, dass die Herren einem Stern folgten. Die Bibel weiß nicht, wie die Besucher aus dem Morgenland hießen. Kein Hinweis findet sich auch im Buch der Bücher auf die Zahl der Männer, die den Messias suchten. Der Volksglaube freilich kennt ihre Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. In frommen, naiven Darstellungen wer-den sie als Könige mit goldenen Kronen dargestellt. Caspar soll ein Neger gewesen sein.

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    Jedes Neujahr werden ihre Initialen über Türschwellen geschrieben: C + M + B. Freilich hat man inzwischen den alten Brauch umgedeutet. C + M + B stehe für „Christus Mansionem Beneficat“ – „Christus segne dieses Haus“.

    Die Vorstellung von den drei „Magiern“ oder „Königen“ aus dem

    Morgenland ist schon sehr alt. Anno 330 n. Chr. wurde auf Befehl von Kaiser Konstantin an der Außenwand der „Geburtskirche“ in Bethlehem eine bildliche Darstellung der drei Männer angebracht. Perserkönig Chosroes fiel 614 n. Chr. in Jerusalem ein. Er sah in der Darstellung der drei Männer Perser, verschonte deshalb die Kirche.

    Rund 500 Jahre später wurden die drei Magier im Kölner Dom verehrt.

    Seit 1164 bewahrt man in einem kostbaren Schrein Reliquien auf: angeb-lich ihre Gebeine. Als 1980 man den reich verzierten Sarkophag öffnete, stellte man fest, dass da tatsächlich drei Menschen in kostbaren Gewän-dern zur letzten Ruhe gebettet worden waren. Der Stoff war im Orient gewebt worden – vor mindestens 1800 Jahren.

    Die Heiligen Drei Könige heute. (Foto: Walter-Jörg Langbein)

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    Magie wurde einst weltweit betrieben, vermutlich seit der Mensch denken kann. Die Arbeitskollegen der babylonischen Magier waren in Rom als Sapientes, in Ägypten als Sacerdoten, in Griechenland als Philosophes, in Indien als Brachmanen oder Gymnosophistas bekannt. Bei den Assyrern wurden sie als Chaldeos, bei den Kelten als Drydas und Semnothen bezeichnet. Magie wurde allem Anschein schon vor ungezähl-ten Jahrtausenden weltweit praktiziert.

    Der Volkskundler Eduard Spranger setzte sich intensiv mit den über-

    lieferten Vorstellungen von Magie, wie sie bei zahlreichen Naturvölkern weit verbreitet sind, auseinander. Er kam zur Überzeugung, dass magi-sche Praktiken bereits weltweit ausgeübt wurden, noch bevor es Religio-nen als festgeprägte Vorstellungen gab. Er stellte fest (Die Magie der See-le, Tübingen 1947, S. 67): „Der primitive Mensch will sich gegenüber der Welt erhalten; er glaubt Mittel zu besitzen, durch die er sich die verborgenen Mächte, die sein Dasein unheimlich umgeben, gefügig machen kann.“

    Die vielleicht ältesten magisch-religiösen Texte entstanden im Raum

    Babylon. Demnach gab es am Anbeginn der Zeiten, lange bevor die ersten Menschen erschaffen worden waren, nur Abzu und Tiamat. Aus ihnen gingen die Götter Lahmu und Lahamu hervor, die die Götterkinder An und Enki zeugten. Abzu ärgerte sich über ihren munteren Kinderlärm, wollte wütend die Kleinen vernichten. Sie hätten wohl beide ein trauriges Ende genommen, hätte Enki nicht die Kunst der Magie beherrscht: Er verzauberte ihn. Abzu wurde in einen Zauberschlaf versetzt und getötet.

    Tiamat, Abzus Partnerin, sann auf Rache und kreierte zwölf Ungeheu-

    er. Als scheinbar unbesiegbare „Kampfmaschinen“ sollten sie Enki ver-nichten. Tiamat stattete Sohn Kingu mit den magischen Tafeln aus, wollte ihn zum Götterchef machen. An und Enki nahmen die Herausforderung an, es gelang ihnen aber nicht, einen Sieg für die Götter zu erringen.

    Marduk, ein Sohn Enkis, erklärte sich schließlich bereit, für die Götter

    in den Kampf zu ziehen. Er stellte aber eine Bedingung: Die Himmlischen mussten ihn als Obergott anerkennen. Das wurde akzeptiert. Mit Hilfe seines magischen Pfeils gelang es Marduk, Tiamat zu zerfetzen. Die zwölf Ungeheuer wurden von Marduk gefesselt und unschädlich gemacht.

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    Erst nachdem wieder Ordnung herrschte, erhielt die Muttergöttin den Auftrag, Menschen aus Lehm zu gestalten. Sie waren letztlich nur als Sklaven gedacht, die die oft willkürlichen Befehle der Götter auszuführen hatten. Was aber die Himmlischen genau wollten, das war oft nur schwer auszumachen. So entstand die Priesterkaste, deren Vertreter die Aufgabe hatten, zwischen Himmel und Erde zu vermitteln. Magische Mittel und Methoden standen ihnen recht bald zur Verfügung: Sie beschworen Geis-ter, blickten in die Zukunft, interpretierten Träume und befragten Plane-ten und Sterne.

    Ihre Macht wurde dank der Angst der Menschen immer größer: Kein

    Laie wusste so recht, ob denn eine Handlung gottgefällig war oder ob sie den Grimm der Himmlischen herausfordern würde. Die Priester standen gern hilfreich zur Seite. Zu faktisch jedem noch so privaten Lebensbereich gab es magische Praktiken, die jede Einzelheit so regelten, dass die Götter mit dem Tun der Menschen einfach einverstanden sein mussten. Die Ma-gie hatte also eine zentrale, vordergründige Bedeutung: Sie diente dem Menschen dazu, sein Leben nach den oft willkürlichen Wunschvorstel-lungen der Himmlischen auszurichten. Schließlich wollte niemand plötz-lich dem Zorn der Götter ausgeliefert sein. Die Menschen erhofften sich keine Zaubertricks, mit denen ihnen geholfen werden könnte. Sie hätten es nicht gewagt, mit Hilfe von Magie Wirklichkeit zu verändern. Sie nutz-ten priesterliche Magie zunächst nur aus einem einzigen Grund: Man wollte sicher sein können, mit seinem Tun und Lassen die Götter nicht zu verärgern.

    Die Chinesen gingen schon einen kleinen Schritt weiter: Sie wollten

    sich nicht mehr damit begnügen, durch magische Praktiken herauszufin-den, wie eine Verärgerung der Götter zu vermeiden sei. Sie trachteten danach mit Hilfe von Magie, Himmel und Erde miteinander in harmoni-schen Einklang zu bringen.

    Derlei Praktiken hält Völkerkundler Eduard Spranger für sinnlos (Die

    Magie der Seele, Tübingen 1947, S 72): „dass durch die Zauberhandlungen der Zweck erreicht werden kann, erscheint uns als ausgeschlossen. Auch der Primitive muss dies schließlich bemerkt haben.“ Warum wurde dann aber trotzdem Magie über Jahrtausende hinweg weiter betrieben, wenn „die Primitiven“ doch erkennen mussten, dass all ihr oft mühseliges Treiben

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    zu keinerlei nennenswertem Erfolg führte? Nach Spranger wollte der Magier vor Jahrtausenden gar nicht wirklich äußerliche Wirkung erzielen. Er habe vielmehr auf die eigene Seele beeinflussen wollen.

    Schon Francis Baron Verulam Bacon (1561-1626) warnte vor der Hal-

    tung, die nur das offensichtlich Sichtbare als wirklich akzeptiert und Übersinnliches, Magisches als unmöglich leugnet: „Man muss in diesen Dingen vorsichtig sein, denn es geschieht dem Menschen leicht, dass er sich irrt, und wir befinden uns hier vor zwei Arten von Irrtümern: die einen leugnen alles, was außerordentlich ist, und die anderen lassen die Vernunft beiseite und verfal-len der Magie.“ Vieles, was als Magie deklariert werde, sei zwar Humbug, es könne aber keinen Zweifel geben, dass echte Magie existiere. Mit aber-gläubischem Zauber habe das dann aber nichts zu tun, es gehe dann vielmehr um uralte „Geheimnisse der Weisen“.

    Ganz ähnlich dachte Ad. E. Jensen (1899-1965) rund 400 Jahre später.

    Der Professor für Ethnologie, Direktor des Frobenius-Instituts und des Völkerkunde-Museums in Frankfurt am Main ging davon aus, dass es tatsächlich so etwas wie „echte Magie“ gab und gibt. Magier seien durch-aus zu konkreter Veränderung von Realität in der Lage, betonte Ad. E. Jensen. Er bekundete (Mythos und Kult bei Naturvölkern, München 1992, S. 321), dass Magier „nach dem Glauben der Eingeborenen Krankheit und Tod verursachen“ können – durch Beeinflussung der geistigen Aspekte der Wirklichkeit. Jensen weiter: „Mit denselben Mitteln können sie Krankheiten heilen oder das im Geistigen schon vorgezeichnete zukünftige Geschehen oder die der Erfahrung nicht zugängliche Wahrheit ergründen. Es besteht kein Zweifel, dass der Mensch tatsächlich solche Fähigkeiten besitzt.“

    Die Menschheitsgeschichte ist in weit stärkerem Maße von Magie ge-

    prägt als das die Lektüre wissenschaftlicher Werke über die Historie un-seres Planeten ahnen lässt. Das vorliegende Werk soll wesentliche magi-sche Strömungen vorstellen. Wer es liest, nimmt an einer magischen Reise durch Raum und Zeit teil, stets auf den Spuren des Okkulten. Wir begeg-nen den Azteken und ihren Magiern, lernen den Sinn ihrer Menschen-opfer kennen. Uns begegnen die geheimnisvollen Tiermenschen Afrikas und ihren Verwandten in Europa, den Werwölfen. Wir erfahren wichtige Details über den mörderischen Voodoo-Zauber Haitis. Schon die alten Ägypter praktizierten ganz ähnliche Riten, um Feinde mit Hilfe von Ma-

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    gie zu vernichten. Magisch waren auch die Jenseitsvorstellung der alten Ägypter. Nur mit Hilfe von geheimnisvollen Zauberformeln konnte der Pharao eine Höllenwelt, die ihn nach seinem Tode vom himmlischen Jen-seits trennte, überwinden. In Indien begegnen wir den Yogi-Magiern. Sie scheinen Naturgesetze aufheben zu können. Europa erweist sich als Land mit großer magischer Vergangenheit. Hier entstand die Lehre der Kabbala mit ihren präzisen Vorschriften für Jenseitskontakte zur magischen Erfül-lung von Wünschen. Hier wirkten die großen Magier Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, Athanasius Kircher und Emmanuel von Swedenborg.

    Das vorliegende Werk basiert auf langjährigen Studien des Autors. Es

    ist aber auch das Ergebnis von Forschungsreisen des Autors zu den ge-heimnisvollsten Orten unserer Welt: von Indien bis zur Osterinsel. Es enthält Beschreibungen magischer Zeremonien, an denen der Autor selbst teilnahm.

    Zu Beginn des dritten Jahrtausends erlebt die Magie eine Renaissance.

    Die Grenzen zwischen Wissenschaft, Aberglaube und Magie verschwim-men. Moderne Physik ist manchmal von Esoterik nicht mehr zu unter-scheiden.

    Das ominöse Jahr 2012 ist vergangen, der Weltuntergang blieb aus.

    Wir wenden uns anderen faszinierenden Themen zu... In den nächsten Jahren wird wohl mehr denn je über okkulte Praktiken diskutiert werden. Wer mitreden können will, benötigt konkrete Fakten. Die will das vorlie-gende Werk wertneutral vermitteln. Es soll die Ablehnung der Ahnungs-losen allem Magischen gegenüber infrage stellen.

    Als vermeintlich moderne, aufgeklärte Menschen begegnen wir dem

    Magischen schnell widerwillig. Warum? Gabrielle Roth begründet: „Wir wollen keine Magie. Wir wollen alles sicher, voraussagbar, sogar langweilig ha-ben, und das ist der Grund, warum wir uns mechanisch auf der Stufe des Ober-flächlichen bewegen.“ (Roth, Gabrielle: Totem – Gelebter Schamanismus, München 2000, S. 127)

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    1.) Die Magie der Azteken „Wanderer, du bist in der durchsichtigsten Region der Lüfte angekommen!“

    fabulierte der mexikanische Nationaldichter Alfonso Reyes voller Stolz über die einst so klare Luft von Mexico City. Noch vor wenigen Jahrzehn-ten wurden die hymnischen Worte des Dichters ankommenden Touristen entgegengehalten. Heute verzichtet man auf diesen poetischen Gruß. Heute sind es auch nur noch in den seltensten Fällen Wanderer, die nach Mexikocity kommen.

    Smog, Wissenschaft und Magie Mexico Stadt... Man wird nicht mehr von klarer Luft, sondern sticki-

    gem Smog begrüßt. In einer Höhe von 2480 Metern leben im Hochtal von Anahuac anno 1997 nach Christus rund 25 Millionen Menschen. Zur Jahr-tausendwende werden es nach vorsichtigen Schätzungen der UNO 40 Millionen sein. Die meisten werden dann in gigantischen Elendsvierteln hausen. Schon heute sterben jährlich etwa 100.000 Menschen an der gifti-gen Luft. Es ist nur noch eine Frage der Zeit: Irgendwann werden Auto-maten aufgestellt, an denen – gegen Bezahlung – saubere Atemluft „ge-tankt“ werden kann.

    Für Jacques Bergier stellt die von Umweltgiften verseuchte Riesen-

    metropole dem wissenschaftlichen Denken, so wie es etwa von den Uni-versitäten am Übergang zum dritten Jahrtausend gelehrt wird, ein Ar-mutszeugnis aus. Der Wissenschaftspublizist im Gespräch mit dem Au-tor: „Auch heutige Wissenschaftler streben nach Erweiterung von Wissen. Sie begehen dabei zwei massive Fehler. Erstens glauben sie nur, dass Erkenntnisse nur auf den bekannten, von der reinen Vernunft geprägten Wegen erlangt wer-den können. Zweitens können sie sich nicht vorstellen, dass beispielsweise Ver-treter früher Kulturen auch andere Wege zum Wissen kannten.“ Damit meinte Jacques Bergier, wie er auf Anfrage erklärte, die Möglichkeit der Magie.

    Gibt es nun Hinweise in der Geschichte Mexikos, die auf magische

    Erkenntnisgewinnung hindeutet?

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    Umstritten ist, wann die Geschichte Mexikos begann. Sie könnte älter sein als das den meisten Wissenschaftlern unserer Tage lieb ist. So ent-deckte der amerikanische Archäologe Byron Cummings 1922 im heutigen Stadtgebiet von Mexico City bei Cuilcuilco eine Pyramide. Das unschein-bare Bauwerk müsste eigentlich die Welt der Wissenschaft dazu zwingen, ihr Lehrgebäude grundlegend zu renovieren. Sie ist nämlich mit an Si-cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weit älter als gewöhnlich ange-nommen wird. Archäologen weisen noch heute daraufhin, dass besagte Pyramide dem Baustil nach von den Olmeken beeinflusst worden sei. Sie kann aber kaum erst im vierten vorchristlichen Jahrhundert entstanden sein.

    Cuilcuilco heute. (Foto: Walter-Jörg Langbein)