die phänomenologische forschungsmethode
TRANSCRIPT
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Die Phänomenologische Forschungsmethode
Eine Fallstudie im Prä-/Postvergleich
Abschlussarbeit
für die fachspezifische Ausbildung in Existenzanalyse
Oktober 2013
eingereicht von Birgit Hinteregger und Mag. Elisabeth Netzer
eingereicht bei Dr. Silvia Längle und DDr. Alfried Längle
Angenommen am ____________________von_________________
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Zusammenfassung
Die Phänomenologie ist in der Existenzanalyse zentral als Haltung und Methode, da sie sich im
Besonderen durch eine Offenheit und Hingewandtheit für das was sich zeigt, für das Wesen, für
die Person, auszeichnet.
In der vorliegenden Arbeit zur qualitativen Forschung und Forschungsmethodik haben wir diese
phänomenologische Methode auf ein Interview mit einer Suchtpatientin, bestehend aus Prä-
und Postvergleich, sowie auf ein Interview mit einer Person aus der Normalpopulation
angewandt.
Die Zusammenführung der Ergebnisse mit der Theorie der Existenzanalyse (PEA,
Grundmotivationen), die kritische Reflexion des Forschungsprozesses, der Vergleich von Prä-
und Postinterview, der Vergleich der beiden Fälle miteinander, sowie der existenzanalytischen
Therapie mit Suchtpatienten sind Inhalt dieser Forschungsarbeit.
Schlüsselwörter: Phänomenologie, Existenzanalyse, Qualitative Forschungsmethode,
Grundmotivationen, PEA, Person, Sucht,
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ABSTRACT
Phenomenology is a crucial part of existential analysis and is characterized by an open minded
and very personable approach towards the person and it`s character.
Our thesis, which is based on qualitative research, approaches the matter through an interview
with both, an addictive and a healthful person.
The results where compared to each other based on the existential analysis theory (PEA,
fundamental motivations). Critical reflection of the scientific process, analysis of the situation
before and after the interview and the application of the analysis on addicted persons are the
topics of our research.
Keywords: Phenomenology, existential analysis, qualitative research, fundamental motivations,
PEA, person, addiction
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung……………………………………………………………………………………………………………………….6
2 Qualitative Forschung……………………………………………………………………………………………………..7
2.1 Warum qualitative Forschung……………………………………………………………………………………7
2.2 Geschichte der qualitativen Forschung……………………………………………………………………..7
2.3 Zentrale Prinzipien qualitativer Sozialforschung………………………………………………………..8
2.3.1 Offenheit ………………………………………………………………………………………..……………………..8
2.3.2 Forschung als Kommunikation……………………………………………………………………………….9
2.3.3 Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand………………………………………………..9
2.3.4 Reflexivität von Gegenstand und Analyse………………………………………………………………9
2.3.5 Explikation……………………………………………………………………………………………………….…….9
2.3.6 Flexibilität …………………………………………………..…………………………………………….…..…….10
3 Philosophische Grundlagen - wissenschaftstheoretische Basis…………………………………….10
3.1 Definition "Phänomenologie" …………………………………………………………………..……………10
3.2 Bedeutung der Phänomenologie in der Existenzanalyse …………………………………………12
3.3 Phänomenologische Haltung ………………………………………………………………………………….13
3.4 Neurologische Grundlagen …………………………………………………………………………..…………14
3.5 Vorgehensweise in der phänomenologischen Analyse …………………………………………..15
4 Fallstudien ……………………………………………………………………………………………………………………15
4.1 Fragestellung ………………………………………………………………………………………………………….19
4.2 Untersuchungsmaterial ……………………………………………….…………………………………………19
5 Fallstudien ……………………………………………………………………….………………………………………….20
5.1 Anfangsinterview Frau R. ……………………………………………………………………………………….20
5
5.2 Abschlussinterview Frau R. ………………………………………………………………………………….31
6 Prä-/Postvergleich ……………………………………………………………………………………………………..43
6.1 Vergleich anhand der Wesensschau …………………………………………………………………….43
6.2 Reflexion anhand der Grundmotivationen ……………………………………………………………44
7 Kontrollinterview ………………………………………………………………………………………………………..45
8 Vergleich zwischen klinischen und Kontrollinterview ………………………………………………….55
9 Schlussfolgerungen ……………………………………………………………………………………………………..55
Literaturverzeichnis …………………………………………………………………………………………………………………57
Anhang …………………………………………………………………………………………………………………………………….59
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1. Einleitung
"Mitempfindung. - Um den anderen zu verstehen, das heißt um sein Gefühl in uns nachzubilden,
gehen wir zwar häufig auf den Grund seines so und so bestimmten Gefühls zurück und fragen
zum Beispiel: warum ist er betrübt? - um dann aus demselben Grunde selber betrübt zu
werden; aber viel gewöhnlicher ist es, dies zu unterlassen und das Gefühl nach den Wirkungen,
die es am andern übt und zeigt, in uns zu erzeugen, indem wir den Ausdruck seiner Augen,
seiner Stimme, seines Ganges, seiner Haltung … an unserem Leibe nachbilden (…). Dann
entsteht in uns ein ähnliches Gefühl, infolge einer alten Assoziation von Bewegung und
Empfindung, welche darauf eingedrillt ist, rückwärts oder vorwärts zu laufen. In dieser
Geschicklichkeit, die Gefühle des andern zu verstehen, haben wir es sehr weit gebracht, und fast
unwillkürlich sind wir in Gegenwart eines Menschen immer in der Übung dieser
Geschicklichkeit." (Nietzsche; 1881, zit. nach Spitzer; 2010, 43).
Die Sicht des Anderen, seine Individualität und Einzigartigkeit nicht als Störgröße im
Forschungsprozess zu betrachten, sondern als Quelle der Erkenntnis und Möglichkeit einer
wirklichen Begegnung ist das Faszinierende und gleichzeitig Herausfordernde der qualitativen
Forschung bzw. der phänomenologischen Methode und Haltung. "Phänomenologie ist
Wahrnehmung" (Längle; 2007) - diese besondere Form der Wahrnehmung durch das
Zurückstellen allen Vorwissens ermöglicht einen Zugang zur Person, der von Respekt und
Wertschätzung gekennzeichnet ist. Und gerade diese Form der Wahrnehmung spricht mich an,
führt mich aber immer wieder auch an meine Grenzen. Durch die Teilnahme an diesem
Forschungsprojekt erhofften wir uns, dass unser "Mut", nicht immer gleich "zu wissen und zu
handeln", sondern dem Anderen unvoreingenommen und dadurch auch respektvoller zu
begegnen, ihn wirklich zu sehen, noch mehr gestärkt wird. Die vielen Stunden des Austausches
in der Kleingruppe haben bei mir zu einem wesentlich klareren Bild der phänomenologischen
Methode, Haltung bzw. des phänomenologischen Weges geführt und sich auch positiv auf die
Arbeit mit Klienten ausgewirkt.
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2. Qualitative Forschung
2.1 Warum qualitative Forschung
Um zu einem besseren Verständnis von sozialen Wirklichkeiten zu gelangen bzw. um auf
Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen zu können hat die
qualitative Forschung den Anspruch an sich erhoben, Lebenswelten aus der Sicht der
handelnden Menschen zu beschreiben. Gerade das Fremde, von der Norm Abweichende und
das Unerwartete dienen als Erkenntnisquelle und gleichzeitig als Spiegel, der das Unbekannte
im Bekannten und ebenso das Bekannte im Unbekannten als Differenz erkennbar macht und
damit erweiterte Möglichkeiten von Erkenntnis eröffnet. (Flick; 2012, 14). Dadurch wird sie in
ihrer Zugangsweise zu den zu untersuchenden Phänomenen wesentlich offener und ist auch
deutlich näher dran als andere Forschungsstrategien. Qualitative Methoden ergeben dadurch
ein wesentlich konkreteres und plastischeres Bild der zu untersuchenden Phänomene, als dies
mit einer standardisierten Befragung erreicht werden kann. Gerade diese Offenheit für die
verschiedensten Erfahrungswelten, ihre innere Verfasstheit usw. stellt den zentralen
Ausgangspunkt für gegenstandbegründete Theorienbildung dar. (ebd.; 17).
2.2 Geschichte der qualitativen Forschung
Bereits seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts sind qualitative und quantitative
Methoden als zwei getrennte Traditionen wahrnehmbar, und seit diesem Zeitpunkt ist das
Verhältnis zwischen ihnen spannungsreich, und von wechselseitiger Abgrenzung und Kritik
gekennzeichnet.
In den 70er Jahren erlebte die qualitative Forschung in der deutschsprachigen Diskussion eine
Renaissance und findet seither eine immer stärkere Verbreitung, was in den 1980er Jahren dazu
führte, dass sich in den Sozialwissenschaften das Unbehagen gegenüber den vorherrschenden
quantitativen Methoden noch weiter verstärkte, da mit diesen Methoden das soziale Feld in
seiner Vielfalt nur eingeschränkt und ausschnitthaft erfasst und komplexe Strukturen
vereinfacht und reduziert dargestellt werden. (Lamnek; 2005, 4).
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Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist vor allem die Ausdifferenzierung und Konsolidierung von
speziellen Anwendungsbereichen qualitativer Methoden zu verzeichnen. Solche Entwicklungen
lassen sich für die qualitative Medienforschung, die Psychologie, die Entwicklungspsychologie,
die Gesundheits- und Pflegeforschung aber auch für die Grounded Therory usw. beobachten.
(Flick; 2012, 27).
Allerdings ist die Beziehung zwischen den beiden Traditionen z. T. noch immer durch
Abschottung, Verteufelung oder einfach auch Missverständnisse gekennzeichnet. Kelle sieht
zwei verschiedene Entwicklungen dieser Auseinandersetzung, nämlich …
"…einerseits eine offensiv-konfrontative Form, die von manchen Autoren ironisch als
"Paradigmenkrieg" bezeichnet wird, und andererseits die Form des gegenseitigen Aus-dem-Weg-
Gehens, wobei gegenseitige Einflusssphären abgegrenzt werden, in denen man ungestört
voneinander Forschungsziele, Methoden und Kriterien für gute Forschung entwickeln kann."
(Kelle; 2008, 14).
Flick hingegen sieht in seinen Betrachtungen durchaus auch einen Trend zur Verknüpfung der
beiden Forschungsansätze in der sogenannten Mixed-Methodology-Bewegung, dessen weiterer
Verlauf noch genauer beobachtet werden muss. (Flick; 2012, 27).
2.3 Zentrale Prinzipien qualitativer Sozialforschung
Durch die kritische Auseinandersetzung mit konventionellen Verfahren haben sich verschiedene
Prinzipien herausentwickelt, die als Programmatik qualitativer Sozialforschung kurz dargestellt
werden.
2.3.1 Offenheit
Das Prinzip der Offenheit ergibt sich aus dem Unbehagen gegenüber standardisierten
Erhebungsinstrumenten, aufgrund derer wesentliche Informationen durch methodische
Filtersysteme ausgesiebt werden. Die qualitative Forschung spricht sich dagegen für einen
möglichst weiten Wahrnehmungsfilter aus, der in der Lage ist, auch unerwartete und dadurch
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instruktive Informationen aufzunehmen. "Offenheit bedeutet in dieser Präzisierung, nicht
vorweg das untersuchte Feld mit fixen Hypothesen zu überziehen, es bedeutet, offen für das
möglicherweise Neue zu sein und zu bleiben…" (zit. n. Lamnek; 2010, 20). Qualitative
Sozialforschung versteht sich daher als Hypothesen generierendes Verfahren.
2.3.2 Forschung als Kommunikation
Im qualitativen Ansatz wird Forschung vor allem als Kommunikation und Interaktion zwischen
Forscher und zu Erforschendem verstanden. Der Einfluss dieser Interaktionsbeziehung ist daher
nicht als Störgröße des Forschungsprozesses zu betrachten, sondern als konstitutiver
Bestandteil.
2.3.3 Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand
Den Forschungsprozess als Kommunikationsprozess zu betrachten bedeutet, die Prozessualität
sowohl dem Forschungsakt als auch dem Forschungsgegenstand zu unterstellen. Die sozialen
Akteure konstituieren durch Deutungs- und Handlungsmuster ihre gemeinsame soziale
Wirklichkeit und eben diese Muster sollen daher dokumentiert, rekonstruiert und erklärt
werden.
2.3.4 Reflexivität von Gegenstand und Analyse
Da menschlichem Verhalten (sowohl verbalem als auch nonverbalem) eine bestimmte
Reflexivität unterstellt wird, ist die Bedeutung jedes Verhaltens kontextgebunden und nur durch
den Rekurs auf den sozialen und symbolischen Kontext seines Auftretens verständlich.
2.3.5 Explikation
Explikation bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Schritte des
Untersuchungsprozesses so weit wie möglich offen dargelegt werden, d.h. es sollen die Regeln
dargestellt werden, mit Hilfe derer die Daten umgeformt und interpretiert werden. Da es sich
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bei diesem Regelwissen oft um ein implizites sowohl auf Seiten des Anwenders als auch des
Forschers handelt, ist diese Forderung allerdings kaum vollständig zu erfüllen.
2.3.6 Flexibilität
Flexible Erhebungsverfahren ermöglichen es dem Forscher, sich dem Untersuchungsgegenstand
immer wieder anzupassen und die erzielten Erkenntnisfortschritte in den nächsten
Untersuchungsschritt einfließen zu lassen. Aufgrund dieser Flexibilität werden qualitative
Methoden häufig auch als weiche Methoden mit weniger Gültigkeit bezeichnet. (Lamnek; 2010
19 ff.).
3. Philosophische Grundlagen - wissenschaftstheoretische Basis
Zu den philosophischen Grundlagen der qualitativen Forschung zählen vor allem die
Phänomenologie, Hermeneutik und der Symbolische Interaktionismus, wobei die
Phänomenologie die wissenschaftstheoretische Basis darstellt. Als zentrales Element der
Existenzanalyse, sowohl als Wissenschaft, Methode als auch Haltung soll sie daher im
folgenden Abschnitt kurz dargestellt werden.
3.1 Definition "Phänomenologie"
Phänomenologie, eine philosophische Bewegung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts
entstanden ist, bedeutet wörtlich übersetzt "die Wissenschaft von den Phänomenen". Der
Ausdruck Phänomenologie beinhaltet zwei Bestandstücke, nämlich "Phänomen" und "Logos",
die beide auf griechische Termini zurückgehen. Unter Phänomen wird nach Heidegger das "Sich-
an ihm-selbst-zeigende", das Offenbare verstanden, also das, was von sich selbst her erscheint
und Phänomene somit als die Gesamtheit dessen, was ans Licht gebracht werden kann bzw. zu
Tage liegt. (Heidegger, 2006, 38). Das "Wie" des Erscheinens sagt uns somit etwas über das
Wesen des "Was" (Längle; 2008, 61).
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Der Terminus "Logos" ist ein vieldeutiger Begriff und kann sowohl als Vernunft, Sinn als auch
Beziehung, Verhältnis und schlichtes Sehenlassen von etwas, vernehmen lassen des Seienden
übersetzt werden.
Phänomenologie lässt sich somit definieren als: "…das was sich zeigt, so wie es sich von ihm
selbst her zeigt, von ihm selbst her sehen lassen." (Heidegger; 2006, 34). Womit nichts anderes
zum Ausdruck kommt als die Maxime: "Zu den Sachen selbst!" (s.o.; 34).
Die Phänomenologie als Methode oder Haltung versucht somit systematisch zum Wesen der
Dinge bzw. Menschen vorzustoßen, das Eigentliche, Wesentliche, das Einmalige und Einzigartige
eines Menschen in der konkreten Begegnung zu erfassen, nicht das was er an sich wäre oder
sein sollte. Phänomenologie ist somit nicht Abstraktion, nicht generalisierend auch nicht
allgemein, sondern Konkretion, individualisierend und persönlich. (Längle; 2008,61).
Thema und Inhalt der Phänomenologie ist die Wahrnehmung, denn erst sie bietet uns den
Gegenstand, den Menschen direkt dar, zeigt ihn uns in "eigener Person" und macht die Welt,
wie sie uns erscheint zur "einzig wirklichen Welt" (Zahavi; 2007). "Möchte man die wirkliche
Beschaffenheit eines Gegenstandes erfassen, sollte man die Weise, auf die er erscheint oder
sich manifestiert, ins Auge fassen - sei es nun in der Sinneserfahrung oder in der
wissenschaftlichen Analyse. Die eigentliche Wesensart des Gegenstandes ist also nicht irgendwo
hinter den Phänomenen verborgen, sondern entfaltet sich gerade in ihnen." (Zahavi; 2007, 15).
Aus diesen Ausführungen wird auch gleichzeitig ersichtlich, warum für Phänomenologen die
"Erste-Person-Perspektive" eine zentrale Bedeutung hat. Sie treten damit in Opposition zum
Objektivismus, der das Subjekt in der Wissenschaft zu eliminieren versuchte. Der Gedanke
hinter dieser Perspektive ist nämlich, dass jeder erscheinende Gegenstand immer ein
Erscheinen von etwas für jemanden darstellt und man zwangsläufig das Subjekt miteinbeziehen
muss, dem es erscheint. Die Phänomenologie macht uns also auf das Erscheinen eines
Gegenstandes aufmerksam und bringt uns gleichzeitig das subjektive Korrelat seiner
Erscheinung zu Bewusstsein. Das Subjekt lässt sich nur durch seine Beziehung zur Welt
verstehen und die Welt kann nur dadurch Sinn erhalten, indem sie einem Subjekt erscheint und
von ihm verstanden wird. Damit wird ein Objektivismus abgelehnt der davon ausgeht, dass ein
Verständnis der Welt und Wirklichkeit unter völligem Absehen von Subjektivität erlangt werden
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könnte. (Zahavi; 2007, 17 ff.). Um es mit Merleau-Ponty zu sagen, "…ist die Welt unabtrennbar
vom Subjekt, wie das Subjekt von der Welt". (Merleau-Ponty; 1966, 498).
3.2 Bedeutung der Phänomenologie in der Existenzanalyse
Das Menschenbild der Existenzanalyse beruht auf der abendländischen Tradition und umfasst
die Einheit von Leib, Seele und Geist. Die geistige Dimension entspricht dabei der Person des
Menschen, die sein Wesen darstellt und die Grundlage für den authentischen Selbst- und
Fremdbezug bildet. (Längle; 2008, 46). Nach Frankl ist sie das Freie im Menschen, das nicht
Festgelegte sowie die Möglichkeit, wie man sein kann. Sie ist einmalig und einzigartig und daher
das Besondere im Menschen, das nicht im Allgemeinen steht. Auch kann die Person nie
losgelöst von allem anderen gesehen werden, sondern immer in einem Wechselverhältnis mit
dem Anderen, von dem sie sich einerseits abgrenzt aber gleichzeitig auch bezieht. (Lernskript
Existenzanalyse; 2009,67 ff).
Die Herausforderung an den Therapeuten ist es nun, im Gespräch diese Person zu sehen, ihr zu
begegnen. Will der Therapeut der Person in der Arbeit zu ihrer wesensgemäßen Entfaltung
verhelfen, was auch als "erfüllte Existenz" bezeichnet werden kann, dann ist dies nur dadurch
möglich, dass ihr mit Offenheit, Vorurteilslosigkeit und Absichtslosigkeit begegnet wird. Und
gerade diese Aspekte sind das zentrale Thema der Phänomenologie. Müssen Inhalte wie Liebe,
Werte, Selbstsein, Wille, Vertrauen bearbeitet werden bzw. bei fehlender Klarheit im Fühlen, in
der Erkenntnis, im Entscheiden oder der Orientierung, da ist die Phänomenologie das Mittel der
Wahl, denn die Phänomenologie "…lässt den anderen frei, versucht ihn in seinem Wesen zu
sehen, bemächtigt sich seiner nicht." (Längle; 2007, 19). Im Folgenden wird die konkrete
Vorgehensweise in der phänomenologischen Haltung dargestellt.
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3.3 Phänomenologische Haltung
Nach Heidegger (2005) ist Phänomenologie in erster Linie eine Haltung, ein Weg und weniger
eine Methode. Eine Haltung der Offenheit und Voraussetzungslosigkeit in der Hingabe an den
Anschauungsgehalt. Die konkrete Vorgehensweise beinhaltet 3 Schritte die erforderlich sind,
um sich dem Phänomen des Menschseins zuwenden zu können.
1. Schritt - Reduktion
Unter Reduktion versteht Heidegger (Längle; 2007, 23 ff) das Verlassen der alltäglichen
Erwartungen, Einstellungen und Vorurteile um sich ganz auf das konzentrieren zu können, was
sich vom Gegenstand her zeigt, was in einer schlichten Sachlichkeit und Anspruchslosigkeit zu
sehen ist.
2. Schritt - Konstruktion
Bei der Konstruktion als Kernstück der Methode geht es um die Bildung einer "Gestalt". Die
einzelnen Elemente, Fakten werden integriert auf dem Hintergrund des eigenen Wesens. Es
wird das geistige Band sichtbar, das die Elemente verbindet. Dies ist auch gleichzeitig der
kreative und freie Moment in der Phänomenologie. "Sich in der Konstruktion auf das begrenzt
halten, was sich zeigt, erhellt alles, was wir nicht wissen. Dadurch ergibt sich ein Raum, in
welchem sich das Wesen entfalten kann…" (Lernskriptum EA; 2007, 77).
3. Schritt - Destruktion
Im letzten Schritt geht es darum, alle Sicherheit sowie Theorien, Stimmungen, Vorverständnisse
in der Wahrnehmung abzubauen und die gewonnenen Sicherheiten auch weiterhin kritisch zu
hinterfragen und unthematisierte Verständnisse zu erhellen.
Für die Praxis ergibt sich daraus folgende Vorgehensweise, entsprechend der Personalen
Existenzanalyse (vgl. Längle; 2007):
1. Was zeigt sich spontan?
Inhalt dieses ersten Schrittes ist es den Patienten beschreiben zu lassen, um was es ihm geht.
Dies wird als Deskription bezeichnet. Der Therapeut hat dabei die Aufgabe nicht nur auf die
Schilderung der Person zu achten, sondern auch darauf, wie es der Patient sagt und was sich
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dabei von ihm zeigt. Dies geschieht in einer Haltung die gekennzeichnet ist durch
Einklammerung alles Vorwissens, aller Erwartungen und Beurteilungen. Man bezieht sich
darauf, was einem erscheint ohne Festschreibungen zu machen. Dieser erste Schritt dient dem
Heben des phänomenalen Gehalts und entspricht PEA 1.
2. Konstruktion - wie ist es?
In diesem Schritt werden die einzelnen Fakten wie Erscheinung, Einzelinhalte,
Einzelphänomene während des Sprechens usw. miteinander in Beziehung gesetzt und ihre
Wirkung auf das eigene Wesen betrachtet. Dadurch wird ein Gesamtbild konstruiert, das dem
anderen vorgelegt und so zur Komplettierung gebracht wird. Durch die phänomenologische
Tiefenschau wird das, was erscheint auf seine Grundzüge hin analysiert, aus der Enge der
Einzelerscheinungen herausgeholt und durch die Erweiterung am eigenen Wesen in einen
größeren Verstehenshorizont gebracht. Der zweite Schritt umfasst die Komposition des
phänomenalen Gehalts (PEA 1) mit dem tieferen Verstehen (PEA 2).
3. Destruktion - ist es so?
In diesem Schritt geht es darum, sich selbst und das Erschaute immer wieder kritisch zu
hinterfragen und nie als sicher gegeben hinzunehmen. "Die phänomenologische Schau kommt
nie an ein Ende, besitzt die Wahrheit nicht, sondern befindet sich immer auf der Suche und in
einem Prozess der Annäherung an sie." (Längle; 2007, 24). Die Hervorbringung des eigenen
Ausdrucks in der steten dialogischen Angemessenheit zum Geschauten entspricht den Schritten
PEA2 und PEA 3.
3.4 Neurologische Grundlagen
Wie bereits dargestellt ist es ein zentraler Aspekt der phänomenologischen Arbeit, der Person in
Offenheit, ohne Absichten und Vorurteile zu begegnen, in ihren Schilderungen mitzuschwingen
und so zum Wesentlichen vorzustoßen. Der Wahrnehmende bzw. Therapeut muss für diesen
Prozess die Fähigkeit zur Resonanz, also zum Fühlen und Mitfühlen, mitbringen. Seit der
Entdeckung der Spiegelneuronen von einer Gruppe Neurophysiologen rund um Giacomo
Rizzolatti 1996 scheint nun auch das neurologische Korrelat für Resonanz und Spiegelung bzw.
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empathische Leistungen gefunden worden zu sein. Sowohl in der Medizin als auch in der
Psychotherapie sind die Spiegelnervenzellen ein wirksames Mittel zur Heilung, da es ohne sie
keine Intuition und keine Empathie gäbe, spontanes Verstehen oder auch Vertrauen wären
undenkbar. Resonanz bedeutet, dass etwas zum Schwingen oder Erklingen gebracht wird. Das
heißt also, dass es ein System braucht, das den Austausch von inneren Vorstellungen und
Gefühlen ermöglicht und zusätzlich die ausgetauschten Vorstellungen im Empfänger zum
Schwingen bzw. Erklingen bringen kann. Wie sich in zahlreichen Studien herausgestellt hat sind
eben diese Spiegelneuronen das neurobiologische Format, das diese Austausch- und
Resonanzvorgänge erst ermöglicht. (Bauer; 2006, 7 ff).
Ursprünglich ging man davon aus, dass die Interpretation von Handlungen anderer Personen
eine kognitive Aufgabe sei, die auf zahlreichen logisch-deduktiven Operationen beruht. Die
Gesamtheit dieser Operationen wird als "Theory of Mind" bezeichnet. Dabei wird davon
ausgegangen, dass spezifische Hirnareale aktiviert werden, um diese Operationen ausführen zu
können. Die Entdeckung der Spiegelneuronen erlaubt nun eine alternative Interpretation zur
"Theory of Mind", nämlich dass Handlungen anderer dadurch verstanden werden, indem sie
innerlich simuliert werden. Intensive Forschungsarbeiten in den folgenden Jahren konnten
zusätzlich nachweisen, dass nicht nur das Verständnis der Handlungen anderer, sondern auch
das Verständnis der Emotionen ihrer Nachahmung bedarf. "Die sozialen Stimuli können auch auf
der Grundlage der expliziten kognitiven Verarbeitung ihrer wahrgenommenen Aspekte
verstanden werden. Allerdings fehlt dieser zweiten Art des Verstehens, die objektiver, …,
erfolgt, die Erfahrungsresonanz, die normalerweise unsere Beziehungsaufnahme mit anderen
Menschen kennzeichnet." (Spitze; 2010, 53).
3.5 Vorgehensweise in der phänomenologischen Analyse
Anhand des Leitfadens "Phänomenologische Forschung in der EA" (Längle S.; 2012/13) sowie
dem Symposium 2007 (Längle S.; 2007) soll nun die genaue Vorgehensweise dargestellt werden.
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Erste Phase: Beobachtungsebene
Ziel dieser ersten Phase ist das Suchen des Materials für die phänomenologische Schau. Dies
geschieht auf zwei Ebenen, nämlich deskriptiv das "Was" erfassend und das "Wie" erfassend
durch die Beschreibung des Ausdrucks.
1. Schritt - Deskription mit Epoche
In diesem ersten Schritt wird das Material ein erstes Mal abgehört bzw. die Transkription
gelesen. Man wendet sich der Person zu und nimmt die Fakten losgelöst von einer
mitgebrachten theoretischen Welt, also ohne Vorannahme, Vorurteile und theoretischem
Wissen (Epoche') entgegen. Die Fakten in der Aussage werden ganz offen aufgenommen und in
eine natürliche Strukturierung in Einzelaussagen bzw. Sinneinheiten gebracht. Dabei weisen
Substantiva und Verben auf Sachverhalten und Inhalte hin. (Entspricht PEA 1 - Entgegennehmen
der Inhalte als Fakten).
2. Schritt - Beschreibung der Ausdruckweise
Die Antworten werden ein zweites Mal abgehört bzw. die Transkription gelesen. In diesem
Schritt geht es nun um die Ausdrucksweise des Befragten, darum wie er seine Inhalte
beschreibt. In jeder Antwort werden nicht nur sachliche, sondern auch emotionale Inhalte
transportiert. Ergiebig erweist sich dabei die Modalität der Verben, Füllwörter, Zwischenwörter,
Grammatik usw.. Weiters der Gesprächsverlauf und die Dynamik des Gesprächs, ob die Person
mit der Frage etwas anfangen kann, sich eher auf die Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft
bezieht.
Die mit Schritt 1 und 2 erhaltenen Fakten werden ohne Interpretation einfach hingenommen.
3. Schritt - Heben des Eindrucks
Drittes Abhören der Antworten bzw. Lesen der Transkription mit der Ausrichtung darauf, wie es
auf mich wirkt als Zuhörenden. Nach der anfänglichen Öffnung für die Außenwahrnehmung (1.
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und 2. Schritt) setzen wir uns nun mit der Innenwahrnehmung auseinander. In einer frei
schwebenden Aufmerksamkeit schauen wir auf das, was in uns "zu sprechen" beginnt, welche
Bilder entstehen, wie lebhaft oder konkret der Text ist usw. Dieser Schritt entspricht PEA1, dem
Heben des Erlebens als emotionaler Eindruck.
Zweite Phase: Erkenntnisebene
Hier geht es darum, das Wahrgenommene in mir kritisch und kreativ zu bearbeiten und zu
schauen, wie das Gegenüber in mir zum Leben kommt.
4. Schritt - Phänomenologische Wahrnehmung
Das nochmalige Abhören der Antworten bzw. Lesen der Transkription dient der Erhebung
dessen, was mich vom anderen erreicht bzw. was es mir sagt. Es wird eine weitere
Zurückstellung von Vorerfahrungen und Verfassungen vorgenommen (zweite Epoche'). Wir
treten dem anderen in einer offenen Schau gegenüber. Bei der Analyse muss auf die Anbindung
an die äußere Realität, die innere Realität sowie auf die Authentizität geachtet werden. Dieser
Schritt entspricht PEA1, dem Heben des Phänomenalen Gehalts.
5. Schritt - Wesensschau (Eidetische Reduktion)
Hier geht es darum, von der gegebenen Aussage zur Person, die sich in ihr manifestiert,
vorzudringen. Es braucht nun ein Verweilen und hinhören, was mir das Interview sagt um zum
Wesen der Person zu gelangen. "Die Aufmerksamkeit des Forschers gilt letztlich nicht der
Aussage selbst und ihrer Richtigkeit oder was man als Forscher davon hält, sondern dem Wesen,
das hinter der Mitteilung steht." (Längle, S., 2007, 57).
Die Eidetische Reduktion versucht das Wesentliche eines gegebenen Phänomens dadurch
heraus zu analysieren, indem das vorgegebene Phänomen durch Reflexionsarbeit frei variiert
wird, bis das Invariante sichtbar wird. Resultat dieses Prozesses ist ein lebendiges, ihrem Wesen
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entsprechendes Bild der befragten Person, eine "wesentliche Aussage". Dieser Schritt entspricht
PEA2 , dem Verstehen.
6. Schritt - kritische Überprüfung
In diesem Schritt wird im Sinne des hermeneutischen Zirkels überprüft, ob sich der
hinterlassene Eindruck im Text tatsächlich wiederfinden lässt. Man setzt sich nochmals mit den
Formulierungen des Interviews auseinander und wägt die Stimmigkeit zwischen Aussage und
Person ab. Dies entspricht PEA2, das Verstehen überprüfen.
Dritte Phase: Schlussfolgerungen
7. Schritt - Integration
Es soll nun das sichtbar Gewordene mit der theoretischen Struktur zusammengeführt werden,
was den vorläufigen Abschluss im Forschungsprozess bildet. Diese Zusammenführung soll jene
Persönlichkeitszüge sichtbar machen, die sich in den Antworten auf die Interviewfragen von der
Person in Bezug auf PEA und Grundmotivationen zeigen. Dieser Schritt entspricht PEA2,
Stellungnahme und Urteil.
8. Schritt - Grundlage für weiteres Handeln
Neben der aus dem Forschungsprozess gewonnen Theorieevaluation, wird auch eine
Antizipation auf einen Therapieprozess (Indikation, Vorgehensweise) möglich. Dieser Schritt
entspricht PEA3, dem Handeln.
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4. Fallstudien
4.1 Fragestellung
Für das Projekt "Phänomenologische Forschung bei Suchtpatienten" wurde das offene Interview
gewählt, dessen Auswertung den Schritten der phänomenologischen Methode entspricht.
Dieser Zugang stellt die theoretische Offenheit sowie den psychotherapeutischen bzw.
beraterischen Kontext in den Mittelpunkt der Arbeitsweise. Die gestellten Fragen basieren auf
dem Hintergrund der existenzanalytischen Anthropologie, insbesondere auf der Personalen
Existenzanalyse und den Grundmotivationen (vgl. Längle, 2007). Forschungsanliegen ist, welche
Gestalt, Form oder Art der Personalität bzw. Existentialität sich bei Suchtpatienten in einem
prä/post-Vergleich nach einer stationären Langzeittherapie erheben lassen. Die Fragestellung
lautet: "Welche Sichtweise lässt sich bei den befragten Personen (klinische und im Vergleich
nicht-klinische Gruppe) als Antwort auf die Grundfrage (Was ist für Sie ein gutes Leben?) und
die Fragen zu den GM finden." (Längle S.; 2012/13, 3).
Es stellen sich für dieses Projekt zwei Forschungsthesen:
1. Eine inhaltliche Beforschung einer sachlichen Frage.
2. Es wird untersucht, ob die phänomenologische Aufarbeitung ein taugliches
Forschungsinstrument darstellt.
4.2 Untersuchungsmaterial
Das Untersuchungsmaterial des Forschungsprojektes besteht insgesamt aus drei Interviews,
einem Anfangsinterview mit einer Patientin der Therapiestation "Carina" in Feldkirch,
Vorarlberg. Weiters einem Interview mit dieser Patientin nach dem stationären Aufenthalt,
sowie einem Interview mit einer Person aus der Normalbevölkerung. Die Interviews mit der
Patientin der Therapiestation wurden von einer existenzanalytisch ausgebildeten
Psychotherapeutin durchgeführt. Das nichtklinische Interview wurde von Frau Hinteregger
erhoben.
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Die Therapiestation "Carina" (Rauch, 2004, 61 ff) ist eine Einrichtung zur langfristigen
stationären Entwöhnungsbehandlung und Rehabilitation von substanzabhängigen Personen mit
komorbiden psychischen Störungen ab dem 16. Lebensjahr. Die Therapiedauer beträgt
zwischen 4 und 8 Monaten und baut auf mehreren Säulen auf:
* Soziotherapie und Sozialarbeit
* Psychotherapie in Einzel- und Gruppenarbeit
* Mal-, Tanz- und Bewegungstherapie in Einzel- und Gruppenarbeit
* Lauf- und Bewegungsgruppen
* Medizinische Betreuung und Versorgung
Auf eine anfängliche Eingewöhnungszeit, die dazu dient, einen näheren Einblick in die Therapie
zu geben, folgen drei Therapieabschnitte mit dem Ziel eines dreifachen "Ja" zu einem
abstinenten Leben, zur Verantwortung und zu einem sinn- und wertvollen Leben.
5. Fallstudie
5.1. Anfangsinterview Frau P.
1. Frage: Was bedeutet für Dich ein gutes Leben?
Also ein gutes Leben bedeutet für mich auf alle Fälle dass mei Tochter Larissa bei mir lebt.
Deine Tochter?
Ja, mh
Und dass ich einfach wieder einen geregelten Tagesablauf hab.
I will auf alle Fälle wieder arbeiten gehen.
Also I will a meine Ausbildung als Diplom-Krankenschwester fertig machen. Und I will auf alle
Fälle in dem Beruf arbeiten. Und I will einfach geregelten Tagesablauf haben.
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Und I will so viel wie möglich mit Menschn beinander san, die I gern mag. Und I will (.) so wenig
wie möglich Kontakt mit Menschen die I nit mag (.) oder die I nit respektieren kann (.).
Ja schön wär dann a no wenn I eines Tages mei Haus im Grünen bauen könnt und dort auch
mitten in der Natur wohnen könnt. Zamm mit meiner Tocher (.).
Und des wär eigentlich a schönes Leben für mi.
Du hast a ganz klare Vorstellung?
ja
Phänomenologische Analyse
1. Schritt: Deskription
Hat eine Antwort
sachliche Aufzählungen (Tochter bei ihr, Tagesstrukturen, Arbeit, Ausbildung, Kontakt
mit Menschen, Haus bauen)
Klare Vorstellung (auf alle Fälle, i will)
Formuliert Inhalte (Arbeit, Ausbildung, Kontakte) die sie will für ein gutes Leben
Hat was verloren, was sie wieder will (wieder Tagesablauf, wieder arbeiten), gibt keinen
Aufschluss darüber, wie sie es verloren hat
Bezug ausschließlich auf die Zukunft
Emotional mehr greifbar, wenn sie über ihr Haus spricht (schön wär)
Vom Wollen ins Mögen (mit welchen Menschen Kontakt haben möchte)
Was-Tun wird schon beschrieben (Ausbildung fertig machen, arbeiten), beinhaltet aber
nicht, wie sie es tut
Tochter hat hohen Stellenwert, steht am Beginn und am Ende
Schön wäre, wenn ich … könnte (Haus, Natur, zusammen mit Tochter)
Schließt die Antwort mit dem wirklich eigenen ab - doppelt verstärkt (eigentlich, mi)
Das Eigentliche wäre ein schönes Leben
Fasst zusammen und schließt
22
Sie kommt vor (i will)
2. Schritt: Beschreibung der Ausdrucksweise
Kein Innehalten
Antwortet spontan
Kaum Variation in der Stimme
Wenig fassbar (wenig Adjektive)
Aufzählend
Emotional wenig unterlegt
Heruntergeleiert
Passiv
Keine Spannung spürbar
Zweimal spricht sie von Mögen (beschreibt genauer) ein bisschen mehr Emotion spürbar
Betritt die Beziehungsebene ( mit Menschen Kontakt)
Unlebendig, wie emotional unbeteiligt
Sie transportiert keine Bilder (durch wenig Adjektive)
Auf alle Fälle, also unbedingt… (Tochter, wieder arbeiten und zwar als
Krankenschwester) = fordernd
So viel wie möglich … so wenig wie möglich… = definiert Bedingungen = fordernd
Kognitiv - emotional klafft es auseinander (will - aber Kraft nicht spürbar)
Wechselt in der Antwort vom guten Leben zum schönen Leben
Des wäre …hat es jetzt nicht, ebenso wie die Aufzählungen auf die Zukunft verweisen
Eigentlich - im Grunde, aber ist nicht an das Jetzt angeknüpft, wie dorthin gelangen
3. Schritt: Heben des Eindrucks
Beziehungslos
Die Frau ist nicht greifbar - weil nicht spürbar
Sie kommt wie nicht vor als Person, obwohl sie immer “i” sagt
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Nüchtern
Wie unbeteiligt
Langweilig
flach
Wenig Kraft
Kein Konkretisieren
Sie will, aber es kommt nicht heraus, dass sie was dafür tun müsste
Verweilen fehlt (große Themen mit einem Satz abgehandelt)
Keine Pausen, um zu konkretisieren, verstehbar zu machen
Undifferenziert (schön wär dann a no - alles oder einiges davon gehört zum schönen,
nicht zum guten Leben) das Leben ist gut wenn es schön ist, will nur vom Schönen, das
andere, unangenehme draußen halten
Warum und wozu das alles, was ist der Wert dahinter
Ausweichen von unangenehmen Situationen
Gewollt - nicht gefühlt
Sozial erwünscht, wie einstudiert
Es kommen viele Fragen auf
Was berührt, ist unser Unberührtsein von ihr
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4. Schritt: Phänomenologische Wahrnehmung
Beziehungslos = einseitig, sie stellt keinen Bezug her zu ihrem Umfeld, zu ihrer
Lebenssituation, zu sich selbst
Sie kommt wie nicht vor als Person, obwohl sie immer “i” sagt = sie wird nicht sichtbar,
nicht ihr Eindruck, nicht ihr Erleben,
Nüchtern = ohne Beiwerk
Wie unbeteiligt
(Langweilig = wertend, darum scheidet es aus)
Flach = sowohl verbal, als auch von der Sprachmelodie und der Wortwahl
Also: Die Frau ist nicht greifbar - weil nicht spürbar, sie sagt nichts über ihr Erleben, wirkt
wie unbeteiligt
Wenig Kraft = die Art und Weise, wie sie es sagt
Sie will, aber es kommt nicht heraus, dass sie was dafür tun müsste = tun wird schon
verbalisiert, jedoch kraftlos,
Also: Die Frau wirkt kraftlos.
Verweilen fehlt = große Themen mit einem Satz abgehandelt
Kein Konkretisieren = keine Beschreibung
Also: Die Frau lässt sich nicht ein
Gewollt nicht gefühlt = selbst das Wollen ist nicht kraftvoll
Also: Die Frau zählt Werte auf, schwingt mit den Werten nicht mit
Ausweichen von unangenehmen Situationen
Undifferenziert (schön wär dann a no - alles oder einiges davon gehört zum schönen,
nicht zum guten Leben) = das Leben ist gut wenn es schön ist, will nur vom Schönen, das
andere, unangenehme draußen halten = schön bedeutet angenehm, dass es sich positiv
25
anfühlt, wunschgemäß
Also: Frau P. will ein gutes Leben, das eigentlich ein schönes Leben sein sollte.
Warum und wozu das alles - was ist der Wert dahinter = kommt nicht heraus
Extreme (so viel wie möglich - so wenig wie möglich) = fehlende Mitte, nicht selbst
wenn sie die Wahl hat, wählt sie die Extreme
(Sozial erwünscht, wie einstudiert = interpretiert, wir wissen nichts, darum fällt dies
weg)
Es kommen viele Fragen auf = weil so wenig gesagt wurde
Was berührt, ist unser Unberührt sein von ihr = sie erreicht uns nicht
Also: Gutes Leben ist für sie eigentlich ein schönes Leben. Dabei ist sie nicht spürbar, sie
sagt nichts über ihr Erleben, wirkt wie unbeteiligt, kraftlos, sie erreicht uns nicht.
5. Schritt: Wesensschau
a) Verstehen des Satzes
Ein gutes Leben ist für sie eigentlich ein Leben, das schön ist und alles enthält, was sie will.
Durch das Aufzählen dessen was sie will (Tagesablauf, Arbeit, Ausbildung, Kontakte, Haus
bauen, mit Tochter sein), wechselt sie unmittelbar vom guten zum schönen Leben.
b) Welche Person kommt durch, was zeigt sich von ihr?
P. begegnet uns als Person, die scheinbar Alltägliches will. Sie zeigt sich vordergründig über das,
was sie will. Was sie selbst mitbringt oder dazu beiträgt, kann nicht erschlossen werden. Obwohl
das Wollen sehr im Vordergrund steht ist das Hinstreben zu den genannten Werten nicht
spürbar. Sie wirft im Gegenüber viele Fragen auf. Sie fordert vom Leben und lässt sich nicht vom
Leben anfragen. Sie wird nicht als Gestaltende wahrgenommen, sondern als Wollende. Sie will
Unangenehmem aus dem Weg gehen. Sie ist nicht im Dialog mit sich und nicht im Dialog mit der
Welt.
6. Schritt: Kritische Überprüfung
Sie nennt einen zentralen Wert für ein gutes Leben (Tochter). Das Wollen nimmt mehr Raum
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ein, hat aber nicht die Bedeutung für ein gutes Leben, sondern für ein schönes Leben.
7. Schritt: Integration
1. GM: Sucht Halt durch Tagesstruktur, Arbeit
2. GM: Eine Frau ohne inneren und äußeren Dialog, (verweilt nicht, schwingt emotional nicht
mit) fehlende Bezogenheit, will Unangenehmes vermeiden
3. GM: sie ist als Person nicht fassbar
4. GM: Durch das verhaftet Sein im Wollen, lässt sie sich von der Situation nicht anfragen, da sie
sie nicht erfasst
8. Schritt: Grundlage für weiteres Handeln
Arbeit am HALT, RAUM
Unangenehmes aushalten lernen
Arbeiten an der Selbst und Fremdwahrnehmung
Aufbauen eines inneren Dialoges
Verweilen lernen
Sich einlassen, sich anfragen lassen
2. Frage: Worauf kannst Du Dich verlassen in Deinem Leben?
I kann mi auf mi selber verlassen (.) solang ka Alkohol im Spiel is da kann I mi auf mich selber
verlassen.
Also I kann mi auf mei Intelligenz verlassen. I kann mi drauf verlassen dass wenn mi was
interessiert dass I`s auch lernen kann (.).
I kann mi auf mei G`fühl auf mei Liebe zu meiner Tochter verlassen. Weil es macht mir schon
Freud wenn I ihr nur zuaschau. Ganz egal was sie grad macht. Ob sie am Mala is. Am Spiela is
oder am Singa is (.) Es is einfach so a herziges Ding (.) herziges Menschlein ein kleines.
Wie als ist sie?
4 Jahre (.)
27
mh
Ja und sonst kann I mi eigentlich (.) net auf (.)
I kann mi no relativ guat auf meine Geschwister verlassen (.) Also I bin jetzt a paar mal ziemlich
am Boden glegn (.) und meine Geschwister waren eigentlich de die mi am Schopf packt haben
und mir a wirklich gholfen haben (.)
Also des is (.) I woas net, ob`s endlos wär. Irgendwann würden meine Gschwister amal sagen
stop Paula jetzt haben wir dir so oft gholfen und immer is wieder des Gleiche (.) oder der Alkohol
is dir dann einfach wieder lieber als wir ……..
Phänomenologische Analyse
1. Schritt: Deskription
Sie hat sofort eine Antwort verfügbar
Spricht flüssig
Die eigene Person betreffend macht sie differenziertere Aussagen als bei der
Beantwortung der 1.Frage (bzgl. ihrer Intelligenz, dass sie lernen kann, wenn es sie
interessiert)
Kann sich dezidiert auf ihre Intelligenz verlassen
Sie kann sich auf sich verlassen, aber eingeschränkt: auf Abstinenzzeiten eingeschränkt
Auf sich selber Verlassen können wird durch Wiederholung verstärkt
Im emotionalen Bereich führt sie die Verlässlichkeit ihres Gefühls der Liebe zu ihrer
Tochter an, macht aber keine Aussage bzgl. ängstlichen, traurigen, negativen Emotionen,
also Belastungssituationen
Begründet ihr Gefühl durch Freude beim Zuschauen (weil sie einfach so a herziges Ding
ist)
Es gibt keine Benennung für Beziehungsaufnahme zu ihrer Tochter
28
Macht nur noch eine weitere Angabe auf was sie sich verlassen kann (Geschwister)
Das Ausmaß des sich auf ihre Geschwister Verlassenkönnens relativiert sie und es gibt
ihrerseits eine vermutete zeitliche Einschränkung deren Hilfe
Hat Annahmen über das Verhalten ihrer Geschwister bei wiederholtem Alkoholkonsum
Beschreibt die Hilfe der Geschwister mit einer Redewendung
Widerspruch bzgl. Geschwisterhilfe: einerseits waren sie bisher die eigentliche Hilfe,
andererseits (i woas net, ob`s endlos wär) könnten die Alkoholeinbrüche den
Geschwistern auch mal genug sein.
Sie benennt sich wiederholende Verhaltensweisen (z.B. a paar mal ziemlich am Boden
glegn)
Jedes "sich Verlassenkönnen" wird mit einer Grenze beschrieben:
* I selber - solang kein Alkohol im Spiel
* Intelligenz - wenn mi was interessiert
* Liebe - aus dem positiv affiziert sein beschrieben, unter Belastung zumindest
nicht erwähnt
* Geschwister - relativ gut, es konnte ihnen auch mal ihr Alkoholkonsum genug
sein
2. Schritt: Beschreibung der Ausdrucksweise
Antwortet spontan
Kein Innehalten
Wenig fassbar, kaum Adjektive
Flache Ausdrucksweise, was den Tonfall angeht
Karge Sprache
Äußerungen in Bezug auf Alkohol macht sie ohne besonderes Gewicht, belanglos, locker
Spricht über Liebe, ist dabei aber kaum spürbar, obwohl sie herzig sagt
29
Benennt Liebe in Verbindung mit Freude am Zuschauen
Emotional insgesamt wenig unterlegt
Transportiert wenig Bilder
Stockt bei Aufzählung auf wen oder was sie sich noch verlassen kann
Spricht ohne emotionales Mitschwingen von wiederholten, schwereren Rückschlägen
Sie nimmt Grenzen bei ihren Geschwistern an, über ihre eigenen macht sie keine
Aussagen.
3. Schritt: Heben des Eindrucks
Bedauernswert, so wenig zu haben auf dass sie sich verlassen kann, sowohl bei sich, als
auch im Außen
Traurig
Erschüttert
Ärgerlich, die Tochter ist nicht dazu da, dass sie Dich erfreut,
Genervt, weil sie die Tochter zur Freudenquelle funktionalisiert
Jämmerlich in ihrer Art des Existenzvollzuges
Sie wachrütteln wollen “ergreif endlich Deine Verantwortung”
He schau hin, in welcher Welt lebst du
Frage: Wo bist Du eigentlich als P.
ermüdend
Gelangweilt
4. Schritt: Phänomenologische Wahrnehmung
(Bedauernswert, so wenig zu haben auf dass sie sich verlassen kann, sowohl bei sich, als
30
auch im Außen = wertend)
(Traurig = wertend)
(Erschütternd = wertend)
Also: Weil P. für uns nicht spürbar ist, springen starke Gefühle an, die sie als arm,
hilfsbedürftig, aber auch fordernd, passiv, verantwortungslos usw. sehen.
(Ärgerlich, die Tochter ist nicht dazu da, dass sie Dich erfreut = interpretiert)
(Genervt, weil sie die Tochter zur Freudenquelle funktionalisiert = Unterstellung)
(Jämmerlich in ihrer Art des Existenzvollzuges = wertend, auf Grund unseres diffusen
Gefühls dazu)
Also: Auch hier versuchen wir durch unsere Gefühle, ihr für uns spürbares Vakuum
aufzufüllen.
Sie wachrütteln wollen “ergreif Deine Verantwortung” = der Versuch, sie zur
Wahrnehmung zu bringen
He schau hin, in welcher Welt lebst du = sie ins Hier und Jetzt zu bringen
Frage: Wo bist Du eigentlich als P. = Sie ist als Person ist nicht spürbar
Also: Eine Frau, die nicht da ist, nicht spürbar, nicht fassbar, es kommt zu keiner
Begegnung.
(Ermüdend = wertend, sagt: Du strengst uns an)
(Gelangweilt = wertend, es gibt keine Facetten, keine Nuancen)
Also: Eine Frau mit wenig Gestalt. Da wir versuchen aus dem Wenigen etwas zu machen,
wird es ermüdend und langweilig.
5. Schritt: Wesensschau
a) Verstehen des Satzes
Für sie gibt es nichts beständig Verlässliches auf das sie zurückgreifen und worauf sie bauen
könnte, da sie ihre eigenen Grenzen nicht aufgreift und die der anderen selbst in den Raum
stellt, und dadurch die Unverlässlichkeit selbst verstärkt.
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b) Welche Person kommt durch, was zeigt sich von ihr?
P. erscheint uns als Person, die einen fraglichen Bezug zu ihrem Alkoholproblem und den daraus
resultierenden Schwierigkeiten hat, und dadurch weder auf ihre Ressourcen zurückgreifen
noch sich auf sich selbst verlassen kann. Der Halt in ihr ist brüchig und es fehlt ihr die
Gewissheit, dass sie sich unbegrenzt auf andere verlassen kann.
6. Schritt: Kritische Überprüfung
Es gibt nichts letztlich Verlässliches, da die daran geknüpften Bedingungen nicht gegeben sind.
7. Schritt: Integration
1. GM: Fehlen von Schutz und Halt, Raum nimmt der Alkohol ein, ohne genügend verbalisiert zu
werden, reduzierte Wahrnehmung
2. GM: Eine Frau ohne beständige Beziehung zu sich oder anderen
3. GM: Fehlender Selbstbezug, verzerrtes Selbstbild, Abspalten ihrer Problematik
4. GM: keine erkennbare Perspektive
8. Schritt: Grundlage für weiteres Handeln
In erster Linie Arbeit an der 1. GM, Wahrnehmung, was gibt Halt, auf was kann ich mich
verlassen.
5.2. Abschlussinterview mit Frau P.
Frage 1: Was bedeutet für Dich ein gutes Leben?
A gutes Leben war für mi (.) also eben (.) ah I möchte ja gern wieder im Gesundheitswesen
arbeiten. Und da hab I mi ja bei der Caritas beworben. Und da hätt I gerne die Landwirtschule
gmacht in G.. Des wär mir mal was ganz was wichtiges. An wichtiger Faktor für mi.
No wichtiger war natürlich dass mei Kind bei mir wär. Aber des is jetzt momentan ein Ding was I
mir wünschen kann aber sonst nix, oder. Des wär amol gut aber.
32
Dann wär`s guat wenn I mit meim Rückn nit immer wieder solche Probleme hab. Wie der
Südwind war des war auch a Faktor warum I rückfällig war. Da hab I Rückenschmerzen ghabt.
Aber I nimm sonst net Schmerzmittel. Da wird mir immer schlecht drauf oder. Da hab I
Schmerzmittel gnomma und hab trotzdem Mühe ghabt zum Laufen. Des is a ganz was wichtiges.
Des kommt immer wieder, wenn Fön is oder wenn wia der Südwind war. Oder wenn I nit aufpass
und mi irgendwie verdreh oder verlupf. Na ha I elendige Rückenschmerzen und des beeinflusst
mi a brutal (.). Oder weil dann hab I (.).Schmerzmittel will I nit nehmen wegen am Magen. Und
aber die Schmerzen sind dann chronisch da oder ständig da (.) Und jetzt sind`s so dass I`s aushalt
oder. Aber es gibt dann wieder Tag da halt I`s eben ned aus.
Fällt Dir noch was ein, was wichtig wär?
Ja eben des mit mein Hobby. Dass I mit meiner Malerei da einfach mi verbessern kann. Also I mal
unheimlich gern. Da bin I a wie viel ruhiger oder. Und da möchte I einfach des verbessern
können (.)
Und was is no?
Es wär a schon mal irgendwie a Partner interessant. Aber da muass I zuerst zu mir selber wieder
a bessere Einstellung haben. So lang I mein Körper so nit akzeptier. Wie der is geht`s mit am
Mann überhaupt nix. Da lauft nixi (.) Da is nix los wei I`s nit vertrag wenn mi jemand berührt.
Dann kann I des nit haben oder. Des wär natürlich a no was Schönes. Wenn I jemand hat. A net
amoal bei mir wohnen muass oder so. 2, 3 x in der Woche trifft man sich und hatt`s einfach fein
miteinander. Unternimmt was. Des wär schön. Aber momentan geht`s nit wenn I so a schlechtes
Körpergfühl hab oder mh.
Und mei Haus hätt I gern. I hab ja a Grundstück. I möchte gern mei Haus bauen. Aber jetzt is des
natürlich a wie beim Kinderwunsch. Wenn I koa Geld hab kann I`s Haus nit bauen. Wenn I nit
stabil bin und nit mei Leben in Griff kriag konn I`s Kind nit haben oder.
Phänomenologische Analyse
1. Schritt: Deskription
Hat sofort Antworten
33
Zählt auf (Arbeit, Kind bei ihr, Rückenschmerzen, Partnerschaft, Körperakzeptanz,
Hobby)
Drückt Wünsche aus (Arbeit, Kind bei ihr, Rückenschmerzen beseitigen, Partnerschaft,
Körper mehr akzeptieren, Hobby)
Kommt als Person manchmal vor
Führt mehrere Werte an, die für sie wichtig sind und setzt dabei Prioritäten (am
allerwichtigsten wäre das Kind, dann die Ausbildung, weiters Partnerschaft usw.)
An die Realität angebunden (Kind: muß i stabil sein und mein Leben in Griff kriag, Haus:
koa Geld, koa Haus)
Hat schon Schritte gesetzt: Bewerbung
Weiß mehr was getan werden müsste
Selbstwahrnehmung sowohl emotional, als auch physisch spürbar
Benennt konkret Zusammenhänge in allen angeführten Themen (Kind, Partnerschaft,
Haus, Körper)
Erkennt womit sie Probleme hat (Bedingungen um Tochter zu bekommen sind nicht
erfüllt, koa Geld koa Haus, Körperakzeptanz)
Gibt Beeinträchtigungen an, die ein gutes Leben noch verhindern (Instabilität, kein Geld,
Schmerzen, Nichtakzeptanz ihres Körpers
Bringt Ihre Probleme mit sich in Verbindung (Instabilität - Tochter nicht zurück, kein Geld
- kein Haus, keine Körperakzeptanz - keine Partnerschaft)
Kann konkret benennen, was ihr jetzt schon gut tut (Malerei)
Spricht Verluste an ( wieder a bessere Einstellung zu sich haben, wieder im
Gesundheitswesen arbeiten)
Spricht einen Rückfall an (Alkohol) und begründet ihn (Schmerzen wegen Föhn, hält sie
nicht aus)
Das gute Leben liegt noch in der Zukunft
2. Schritt: Beschreibung der Ausdrucksweise
Spricht schnell
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Grammatikalisch fehlerhaft
Antwort entwickelt sich während des Sprechens durch Nachfrage gestützt
Das Negative nimmt mehr Raum ein
Beim Positiven (Malen) verweilt sie nur kurz
Das gute Leben liegt bis auf das Malen in der Zukunft und wird mit weniger
eindrücklichen Adjektiven formuliert
Was jetzt da ist, ist überwiegend problematisch
Erkennt ihre Bedingungen für ihr gutes Leben (wenn i stabil bin, wenn mit dem Rücken
weniger Probleme da sind)
Verwirrend was die Erklärung bzgl. Rückenschmerzen, Rückfall, Schmerzmittel betrifft -
wirft Fragen auf
Spürbarer, lebendiger
Eindrückliche Adjektive (brutal, elendig, chronisch, ständig, unheimlich) wobei die
Stimme wenig mitschwingt
Sich rückversichernd (öfters oder am Satzende)
ausführlichere Beschreibung einzelner Probleme (Rückenschmerzen, Körperakzeptanz
und Partnerschaft)
mehr in Bezug mit der jetzigen Situation (ein Ding was I mir wünschen kann aber sonst
nix usw.)
problembezogener, Zusammenhänge erkennend
3. Schritt: Heben des Eindrucks
Spricht sehr schnell
35
Es gibt keine Pausen, es gibt kein Verweilen und Hinspüren
Hat die Bedingungen für ihr gutes Leben kognitiv erfasst, aber emotional erfasst sie diese
noch nicht
Gesagt, aber nicht gefühlt
Macht traurig, weil so wenig da ist, so wenig Basis
Die Frage stellt sich, auf was könnte sie aufbauen
Bedrückend, weil derzeit keine Perspektiven gegeben sind
Kann Befindlichkeiten, ihren Körper betreffend, schon genauer schildern
Wirkt bemüht
Hinterlässt keinen bleibenden Eindruck, wir müssen sie immer wieder suchen, wir ringen
darum, sie zu finden
Verunsichert - fragt nach (oder)
Inwiefern spricht sie da wirklich von sich als Person , die Ausdrucksweise klafft
stückweise auseinander, Wiedergabe ohne innere Bezugnahme
den Schmerzen ausgeliefert, machtlos
wie überwältigt von belastenden äußeren Einflüssen
nicht standhalten, aushalten können - Flucht, Betäubung durch Alkohol
hat Rechtfertigung zum Trinken gefunden
4. Schritt: Phänomenologische Wahrnehmung
Spricht sehr schnell = hohe Sprechgeschwindigkeit
Es gibt keine Pausen, es gibt kein Verweilen und Hinspüren
Hat die Bedingungen für ihr gutes Leben kognitiv erfasst, aber emotional erfasst sie diese
noch nicht = zählt Wechselwirkungen auf, emotional schwingt nichts mit
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Gesagt, aber nicht gefühlt
Also: Eine Frau, die Realitäten erkennt, davon aber nicht berührt wirkt.
Macht traurig, weil so wenig da ist, so wenig Basis = Grundlegendes wie Kind, Haus,
Beruf, Partnerschaft, Gesundheit fehlt
Die Frage stellt sich, auf was könnte sie aufbauen
Bedrückend, weil derzeit keine Perspektiven gegeben sind = es gibt keinen Hinweis, wie
sie dazu kommt
Also: Ein karges, Problem beladenes Leben, mit wenig Ankermöglichkeiten.
Kann Befindlichkeiten, ihren Körper betreffend, schon genauer schildern = beschreibt
Schmerzen und fehlende Körperakzeptanz
Wirkt bemüht = erkennbar an der Art wie sie aufzählt, was ihr wichtig ist
Hinterlässt keinen bleibenden Eindruck, wir müssen sie immer wieder suchen, wir ringen
darum, sie zu finden = Durch das Sprechtempo und nicht verweilen, können wir die
Inhalte nicht ergreifen
Verunsichert - fragt nach (oder) = sucht Rückversicherung
Inwiefern spricht sie da wirklich von sich als Person, die Ausdrucksweise klafft
stückweise auseinander, Wiedergabe ohne innere Bezugnahme = wenn sie z.B. von den
Schmerzen spricht, drückt sie sich einfach aus, andere Themen werden mit
Fachausdrücken erklärt
Also: P. wirkt in ihren Bemühungen verunsichert, weil die eigene Stellungnahme
größtenteils fehlt.
den Schmerzen ausgeliefert, machtlos = bei Südwind Rückenschmerzen, an manchen
Tagen eben nicht auszuhalten
wie überwältigt von belastenden äußeren Einflüssen = Rückenschmerzen sind elend und
beeinflussen sie brutal
37
nicht standhalten, aushalten können - Flucht, Betäubung durch Alkohol =
Rückenschmerzen nicht aushalten, dann Rückfall
hat Rechtfertigung zum Trinken gefunden = elendige Schmerzen, die sie brutal
beeinflussen
Also: P. ist eine Person, die eine Erklärung für sich gefunden hat, warum sie trinkt. Die
belastende, unangenehme Situationen kaum erträgt.
5. Schritt: Wesensschau
a) Verstehen des Satzes
Ein gutes Leben wäre für P. wenn für sie wichtige Werte erfüllt wären. Sie erkennt, dass diese an
- derzeit im Grunde unerreichbare - Bedingungen geknüpft sind, aber ihre derzeitige
Lebenssituation birgt kaum etwas von einem guten Leben.
b) Welche Person kommt durch, was zeigt sich von ihr?
P. begegnet uns als Person, die deutlich Werte benennt (Arbeit im Gesundheitswesen, Kind bei
sich, keine Rückenschmerzen, Partnerschaft, Malerei verbessern, besseres Körpergefühl, Haus
im Grünen). Sie benennt auch, was es von ihr an Dazutun braucht. Sie kommt jedoch nicht ins
Handeln. Es ist keine Entschiedenheit spürbar. Ansatzweise ist sie im Dialog mit sich. Durch das
nicht Aushaltenkönnen von schwierigen Situationen bleibt die wesentliche Problematik
erhalten.
6. Schritt: Kritische Überprüfung
Ihr wichtige Werte benennt sie ( Arbeit, Kind, Gesundheit, Partnerschaft, Haus, Hobby), erkennt
auch, dass es dazu Bedingungen gibt (Stabilität, Geld, Körperakzeptanz, Schmerzfreiheit), dass
sie etwas tun muss (Stabilität, Akzeptanz, Geld, Jobbewerbung).
Keine Werte sind erfüllt.
Es gibt keinen Hinweis auf Handeln.
Keine Entschiedenheit (trotz scheinbaren Erkennens, fehlt was sie schon dafür tut).
7. Schritt: Integration
38
1.GM: Fehlen der Sicherheit, des Halts
2. GM: Fehlen der tieferen Beziehung zu sich
3. GM: Negatives Selbstbild bzgl. der Körperlichkeit, als Person nicht fassbar
4. GM: Das Angezogensein durch die von ihr genannten Werten fehlt
Auf der Basis der PEA fehlen die Entschiedenheit und das Handeln
8. Schritt: Grundlage für weiteres Handeln:
Unangenehmes aushalten lernen
Arbeit an der Klärung zur Motivation zum Entzug
Arbeit an der Eigenverantwortung
Werteüberprüfung
Arbeiten an der Selbst- und Fremdwahrnehmung
Aufbauen eines inneren Dialoges
Unangenehmes aushalten lernen
Verweilen lernen
Sich einlassen, sich anfragen lassen
2. Frage: Worauf kannst Du Dich verlassen? Worauf kannst Du in Deinem Leben
bauen?
Dass immer wieder irgendjemand is wenn I solche Durchhänger hab die mi dann einfach
auffangen. Des hab I eigentlich jetzt die letzten (.) seit I in Maria Ebene war (.) vorher nit. Aber
seit I in Maria Ebene war so erfahren. Irgendjemand (.) Es geht oft schon a paar Tag. Aber
irgendjemand kommt dann und fangt mi wieder auf oder. Wia gestern. Ja des war. Frau P. war.
Die H. war oder. Die hat heut wieder angrufen und aufbaut und hat gsagt bewirb di bei der
Lebenshilfe. Nit bei der Lebenshilfe sondern beim Mobilen Hilfsdienst. Vielleicht kannst da
stundenweise oder so irgendwie arbeiten. Und da baut mi de wieder auf. De hat a gestern
gschaut dass I nix kauf nach am Kind oder. Dass I ja kein Alkohol erwisch. Hat mi hoamgfahrn.
Hom no gredet dahoam. Es sind dann immer Leit da di mi auffangen. Seit 2005 erfahr I des so.
39
Vorher hab I da niemand ghabt (.) J seit dem des war mei erster Entzug erst so in
Suchtbetreuung. Und seitdem is wer da. Und heut war I so froh dass I da aufigehn hab kenna.
Weil I woaß I wüsst dann net wenn I dahoam blieben war was I toan hätt. I war so froh. I bin
schon 10 Minuten zfrüh zum Bus gonga. Normal bi I ja immer z`spät. I kann am normal
nochirenna oder. Joja dass I wieder irgendwie (.) Leut da hab di mir da zuhören und des a
irgendwia verstänga.
I hab schon so liabe Nachbarn. De sagen immer komm doch aufi
Phänomenologische Analyse
1. Schritt: Deskription
Gibt gleich Antwort
Hat Antworten
Spricht flüssig
Grammatikalisch unkorrekt
Inhaltlich fragmentarisch
Beschreibt konkret wie die Hilfe war
Sie hat erfahren, sie wird auf aufgefangen (z.B. von der H.)
Seit 2005 hat sie irgendjemand, auch wenn es dauert, davor hat sie niemand gehabt (der
sie auffängt, zuhört)
Sie kann sich selbst nicht einschätzen, nicht auf sich verlassen, bezogen auf ihr Handeln
(wüsste nicht, was sie getan hätte) = unsicherer Boden bei sich
Seit sie in Suchtbetreuung ist, ist immer wer da
Nennt die Suchtbetreuung, nennt die Nachbarn
Froh dass zur Maria Ebene gehen konnte
Gab Zeiten wo niemand da war
Vertraut sich selbst in Bezug auf Alkoholkonsum nicht
Braucht jemand, der sie vom Alkohol fernhält
Braucht Menschen die sie sehen
40
Einladende Nachbarn
Beschreibt das Tun der Anderen (aufgefangen, angerufen, aufgebaut), ohne auf das
eigene Erleben näher einzugehen
Punktuell (heute) beschreibt sie ein positives Gefühl (froh sein)
Ihre bisherige Normalität ist das zu spät sein
Sie handelt indem sie früher auf den Bus geht
Es gibt ein vor dem Entzug, es gibt ein seit dem Entzug, die Veränderung sind die Leute,
die aktiv da sind (auffangen, mit ihr reden)
Ihr ganzes derzeitiges Leben wird durch die Suchtthematik bestimmt
Sie hat etwas außerhalb ihrer früheren Norm gemacht (früher zu spät zum Bus
gegangen, jetzt zu früh), da das Hinaufgehen wichtig für sie ist.
2. Schritt: Beschreibung der Ausdrucksweise
Sprachlich wenig zusammenhängend,
Bruchstückhafter Satzbau
Wenig Adjektive
Es sprudelt aus ihr heraus
Kein Innehalten
Kein verweilen
Emotional schwingt sie mehr mit (Stimme)
Benennt eine Emotion (so froh)
Manchmal kommt ein tiefes Berührtsein durch (war so froh, dass i da aufigehn hab
kenna)
Unbestimmt, keine Anbindung an konkrete Personen, an ein konkretes Wie
(irgendjemand, irgendwie)
Nicht konkret - es passiert
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Das Eigentliche ist das Aufgefangen werden, wie bleibt unbestimmt
Kommt von der Distanziertheit in die Nähe (erst Fr. P., zu H.)
3. Schritt: Heben des Eindrucks
Möchte entlastet werden
Möchte getragen werden
Vor sich selbst beschützt werden
Aktivität kommt durchgängig von außen
Ihr aktiver Teil ist das Erkennen, dass ihr irgendjemand hilft, die Nachbarn
Sie ist so brüchig wie sie spricht
Verzweifelt
fatalistisch
Dahin treibend
haltlos
hilflos
Konsumierend
Funktionalisierend
Die Ausdrucksweise ist verheerend
4. Schritt: Phänomenologische Wahrnehmung
Hat erlebt, dass sie entlastet wurde = jemand der zuhörte und sie verstand
Hat erlebt, dass sie getragen wurde = jemand der sie aufgefangen hat
Hat erlebt, dass sie vor sich selbst beschützt wurde = dass sie keinen Alkohol erwischt
Also: Sie erweckt den Eindruck einer Person mit kindlichen Bedürfnissen, die umsorgt sein
42
möchte bzw. umsorgt werden muss.
Aktivität kommt durchgängig von außen = sie auffangen, redet mit ihr, fährt sie nach
Hause
Ihr aktiver Teil ist das Erkennen, dass ihr irgendjemand hilft, die Nachbarn = stellt fest,
dass es immer irgendjemand gibt
Also: Sie ist so froh, dass immer jemand da ist für sie. Sie erlebt das seit einigen Jahren.
(So ist so brüchig wie sie spricht = Interpretation)
Verzweifelt = in der Stimme stellenweise hörbar
Fatalistisch = irgendjemand kommt dann und fangt mi wieder auf
Dahin treibend, = es ist kein Streben auf ein Ziel hin spürbar
Also: Sie nimmt ihr Leben nicht in die Hand, in die eigene Verantwortung. Sie ist sehr
ausgeliefert, trotz bzw. in der Hilfe.
Haltlos = jemand fängt sie auf
Hilflos = Hilfe kommt von jemand
Also: Eine Frau mit praktisch keinem eigenen HALT.
Konsumierend = sie bringt sich nicht dazu in Beziehung
Funktionalisierend = die Person, die hilft, die zuhört, versteht ist austauschbar
Also: Eine Frau, die nicht in Beziehung steht mit sich, oder mit den Personen mit welchen
sie Kontakt hat.
(Die Ausdrucksweise ist verheerend = wertend)
5. Schritt: Wesensschau
a) Verstehen des Satzes
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Sie verlässt sich darauf, dass immer irgendjemand irgendetwas für sie tut. Was ihre eigene
Person betrifft, besteht eine tiefe Verunsicherung und wenig Perspektive. Durch das Erfahren
von aufgefangen sein, von Schutz und Raum wirken ihre Lebensumstände aushaltbarer. Sie baut
keine persönliche Beziehung zu den unterstützenden Personen auf (irgendjemand, irgendwer).
b) welche Person kommt durch, was zeigt sich von ihr
Es zeigt sich eine zutiefst verunsicherte Person, die scheinbar nicht weiß und spürt was es von
ihr braucht , um selbstbestimmt leben zu können Sie ist nicht aktiv, kann nicht auf innere
Ressourcen zurückgreifen, was der ganzen Person ein hohes Maß an Instabilität verleiht.
6. Schritt: Kritische Überprüfung
Sie verlässt sich darauf, dass immer irgendjemand, irgendetwas für sie tut (irgendjemand der
sie auffängt, aufbaut, sie versteht, ihr zuhört, sie anruft, sie hindert).
Was ihre eigene Person betrifft, besteht eine tiefe Verunsicherung (i wüsst net, was i tan hätt).
7.Schritt.: Integration
1.GM: hat Schutz, Raum, Halt von außen, jedoch nicht in ihr
2.GM: fehlende Beziehung zu sich, in der Beziehung zu anderen ist sie in der nehmenden
Position
3.GM: Es dominiert die Uneinschätzbarkeit und Unzuverlässigkeit die eigene Person betreffend
4.GM: sie hat den Sinn der Abstinenz noch nicht für sich
8.Schritt: Grundlage für weiteres Handeln
Abklären der Therapiemotivation
Entschiedenheit abfragen
Was ist der Sinn für sie an der Abstinenz
6. Prä-/Postvergleich
6.1 Vergleich anhand der Wesensschau
44
Als Person ist sie nach wie vor kaum spürbar.
Sie erkennt, dass Werte an Bedingungen geknüpft sind, die sie in ihrem Tun anfragen,
dass das Leben an sie Forderungen stellt.
Sie hat eine klarere Sicht speziellen Problemen gegenüber (Körperakzeptanz, Umgang
mit Schmerz) entwickelt. Wird dadurch aber in ihrer Brüchigkeit spürbarer.
Sie erfasst, dass sie sich eigentlich nicht auf sich verlassen kann.
Die anfänglich personenbezogene Hilfe (Geschwister) verändert sich, indem die helfende
Person austauschbar wird (irgendjemand), was den Kriterien des Suchtverhaltens
entspricht.
Die Entschiedenheit zur Abstinenz wird in beiden Interviews nicht sichtbar. Die
Suchtproblematik scheint sie nicht erkennbar erfasst zu haben. Im Prä-Interview wird
das Thema "Alkohol" von P. kaum berührt. Im Post-Interview beschreibt sie einen Teil
der Suchtfalle etwas konkreter, die Gründe jedoch liegen in ihrer Wahrnehmung im
Außen.
6.2 Reflexion anhand der Grundmotivationen
1. Grundmotivation
Punktuell kommt Halt von außen, aber substantieller Halt fehlt. Auf den scheinbaren Halt in
sich, den sie im Erstinterview noch benannte, scheint sie sich nun nicht mehr verlassen zu
können.
2. Grundmotivation
Verändert hat sich, dass sie erkennt, dass das Hinstreben zu den Werten an Bedingungen
geknüpft ist. Sie ist näher an der Realität und lässt Fakten gelten. Das Verweilen und sich
Einstimmen auf die Werte ist in beiden Interviews jedoch nicht spürbar. Auch nach dem
Therapieaufenthalt ist weder ein äußerer noch ein innerer Dialog erkennbar.
3. Grundmotivation
45
Die Person scheint in beiden Interviews nicht durch.
4. Grundmotivation
Hat sie den Sinn der Abstinenz erkannt?
7. Kontrollinterview
1. Frage: Was ist für dich ein gutes Leben?
Ein gutes Leben ist als allererstes die Abwesenheit von materiellem Mangel ja. Also das erste
was mir dazu einfällt ist natürlich ausreichend Ressourcen, dass ma leba ka. Kann Luxus aber,
aber nicht jeden Tag darüber nachdenken müssen, wie zahl ich meine Miete, woher krieg ich
mein Essen. Der zweite Aspekt, also sofort danach fällt mir natürlich ein, dass für mich zu einem
guten Leben Zufriedenheit gehört. Natürlich ist ma zfrieda, wenn ma materiell gesättigt ist, aber
auch Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, die ich im Leben hab, ob des jetzt Berufstätigkeit ist,
ob des Beziehungen sind, ob des äh Entwicklung meiner Tochter ist, also da gibt es viele Aspekte.
Aber Zufriedenheit ist ein ganz wichtiger am Punkt, um damit i des Gfühl hon, ich habe ein gutes
Leben. Und das dritte, das i ganz sicher weiß, (starke Betonung) weil i des also in fremden
Ländern oft erleb ist, dass ich mich nicht wirklich gut fühlen kann und zufrieden fühlen kann,
wenn rund um mich herum am viele Menschen leben, die diese Dinge nicht haben. Also die nicht
genug zum Leben haben, die uf dar Straß schlafa müasan, die betteln müssen, die in bitterer
Armut leben, die äh ka berufliche Perspektiven hon, die unglücklich sind, die krank sind. Also
wenn des sozusagen mein Alltagsbild dominiert, denn losst sofort meine eigene Zufriedenheit
noch und des, dieses innere Bewusstsein, ich hätte ein gutes Leben, also es isch scho o abhängig
von der Umgebung.
Also die 3 Aspekte, tät i säga sind jetzt amol des Wichtigste nachher könnt man ins Detail go,
oder.
46
Phänomenologische Analyse
1. Schritt: Deskription
sie kann Inhalte klar benennen und ist sich ganz sicher (natürlich)
sehr strukturiert
sie unterteilt in 3 Aspekte (materielle Sicherheit, Zufriedenheit, der Bezug zur Welt) und
beschreibt diese detailliert
sie beschreibt verschiedene Ebenen (materielle, emotionale Ebenen)
Sie bezieht sich auf persönliche Erfahrungen
sie bezieht sich auf eigene Gefühle
sie wechselt in der Beschreibung vom Allgemeinen zum Persönlichen (man, ich)
sie setzt Prioritäten: zuerst Abwesenheit von materiellem Mangel, dann Zufriedenheit
mit Möglichkeiten in ihrem Leben und Bezug zur Welt
sie will sich mit den basalen Bedingungen des Lebens (Essen, Wohnung) nicht laufend
auseinandersetzen müssen
stellt mit Sicherheit fest, wann man zufrieden ist (natürlich ist ma zfrieda)
Zufriedenheit mit verschiedensten Aspekten als ganz wichtiger Punkt für ihr Gefühl eines
guten Lebens
Zufriedenheit bedeutet für sie unter anderem, sich nicht jeden Tag mit fehlenden
Ressourcen auseinandersetzen zu müssen
diese Zufriedenheit wird z. T. von äußeren Umständen beeinflusst (wenn um mich
herum viele Menschen leben, die es nicht haben)
Wahrnehmung von Mangel in der Umwelt schränkt ihr eigenes Gefühl von Zufriedenheit
ein
um sich wirklich gut fühlen zu können, darf ein gewisses Maß an Mangel nicht
überschritten werden (bittere Armut, mangelnde berufliche Perspektive, unglücklich
sein, keine Wohnung haben)
sie hat viele Beispiele
sie benennt Werte (materielle Zufriedenheit, Ressourcen, Möglichkeiten)
sie spricht auch von grundlegenden Dingen (natürlich), die jede Person (man) haben
47
sollte
sie benennt große Themen, könnte diese noch detaillierter ausführen, unterlässt dies
aber
steht in Beziehung mit sich und der Welt
2. Schritt: Beschreibung der Ausdrucksweise
flüssig und strukturiert
kräftige Stimme
bestimmt und sicher in ihren Aussagen
belegt die 3 Punkte mit einem Bezug, wie es ihr dann damit geht
beschreibt die Bedeutung für ihre eigene Person
sie schwingt darin emotional mit
man kann gut mit ihren Inhalten mitgehen, es "fließt dahin"
die Antwort kommt spontan (also das erste was mir dazu einfällt … sofort danach fällt
mir natürlich ein;)
verstärkt erste eigene Aussagen (durch ja)
sie transportiert Bilder, indem sie erläuternde Beispiele anführt
verwendet verschiedene Adjektive, dadurch werden die Bilder vorstellbar (z.B.
ausreichend, sicher, wichtiger, wirklich gut, zufrieden, bittere, unglücklich, krank)
sie wechselt zwischen Dialekt und Hochdeutsch
die Aussagen sind klar und verständlich
* sie steht klar dazu
* sind durch Erfahrungen belegt und begründet
3. Schritt: Heben des Eindrucks
lebendig
kraftvoll bis dominant
bestimmt
48
mitfühlend
bezogen
aufmerksam gegenüber der Umwelt
berührbar, nicht abgestumpft
Zufriedenheit als innere Ruhe, Gleichgewicht
Wunsch nach Ruhe
nicht so angestrengt sein wollen
gewisse Dinge stehen mir jetzt einfach zu
mit gewissen Bedingungen möchte ich mich nicht mehr auseinandersetzen müssen
gewisse Offenheit bis zu klaren, selbstbestimmten Grenzen
selbstbestimmt
sehr selbstbewusst
authentisch
eine Frau, die mitten in einem erfüllten Leben steht
sie weiß, was sie will und was sie braucht
4. Schritt: Phänomenologische Wahrnehmung
lebendig = aufgrund der Flüssigkeit der Sprache, wie sie schwingt, betont
kraftvoll bis (dominant) = durch ihre Präsenz und Ausdrucksweise. Dominant ist wertend
und wird entfernt
bestimmt = durch die verstärkenden Füllwörter wie natürlich, ja und die
Stimmvariationen
Also: Eine vitale, energievolle Frau.
49
mitfühlend = wenn sie von Armut und Mangel spricht, ist ein emotionales Mitschwingen
spürbar bis zur Betroffenheit
bezogen = für sie beinhaltet ein gutes Leben, dass auch andere Menschen ein solches
haben (wenn andere betteln müssen, krank sind, unglücklich sind, wird sie davon
beeinflusst)
aufmerksam gegenüber der Umwelt = siehe oben
berührbar, nicht abgestumpft = Armut usw. beeinträchtigt sie
Also: Eine Frau, die sich von den Lebensumständen anderer berühren lässt.
Zufriedenheit als innere Ruhe, Gleichgewicht = nicht jeden Tag darüber nachdenken
müssen, weil ausreichend da ist
nicht so angestrengt sein wollen = nicht jeden Tag darüber nachdenken müssen
(Wunsch nach Ruhe = interpretiert)
Also: Die Bedingungen sollten für A. so weit stimmen, dass sie sich nicht zum Nachdenken
darüber gezwungen fühlt.
(gewisse Dinge stehen mir jetzt einfach zu = interpretiert)
(mit gewissen Bedingungen möchte ich mich nicht mehr auseinandersetzen müssen =
interpretiert)
gewisse Offenheit bis zu klaren, selbstbestimmten Grenzen = führt Inhalte klar aus, geht
aber nicht weiter ins Detail, obwohl sie es könnte
sich auf sich selbst verlassen = sagt: "dass i ganz sicher weiß…"
sehr selbstbewusst = ist im Dialog mit sich, spürt wann sie unzufrieden ist, zufrieden,
weiß wann es ihr gut geht, wann nicht. Da ist sie sich dann ganz sicher.
(authentisch = interpretieren)
Also: Eine Frau mit einer wahrnehmbaren inneren Festigkeit.
50
(eine Frau, die mitten in einem erfüllten Leben steht = Interpretation aufgrund der Fülle
an Beispielen)
sie weiß, was sie will und was sie braucht = kann klar benennen, was sie für ein gutes
Leben braucht
5. Schritt: Wesensschau
a) Verstehen des Satzes
A. ist eine Frau die klar benennen kann, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sie ihr
Leben als gut empfindet. Zufriedenheit ist eine wesentliche Voraussetzung für ein gutes Leben.
Durch die Beeinflussbarkeit von Mangelzuständen im Außen wird A. in ihrem Erleben von
Zufriedenheit unfrei.
b) Welche Person kommt durch - was zeigt sich von ihr?
A. zeigt sich klar im Verständnis und im Empfinden, was ihr ein gutes Leben ermöglicht und
spürt was sie braucht; die materielle Basis eröffnet ihr Raum im Leben, Zufriedenheit, vor allem
mit den eigenen Möglichkeiten, macht es erlebbar (emotionaler Raum). Es hängt auch von der
Umgebung ab, ob es den anderen auch gut geht, sonst könnte es ihr verloren gehen. Sie lässt
sich von ihrem Umfeld also insofern beeindrucken, als es ihr ihren Raum für gutes Leben auch
nehmen könnte.
6. Schritt: Kritische Überprüfung
Ihre klare Haltung kommt durch Verstärkungen und Füllwörter wie natürlich, ja zum Ausdruck.
Für das gute Leben zählt sie zahlreiche Aspekte auf (materielle Ressourcen, Möglichkeiten,
Zufriedenheit, Entwicklung usw.).Ihr Berührt werden von der Welt wird sichtbar durch ihre
Bezugnahme auf Leid, Betteln, Krankheit usw..
7. Schritt: Integration
1. GM: Sie benennt klar, was ihr Raum im Leben gibt, und wo die Bedrohung dafür liegt.
2. GM: Sie bezieht ihre Aussagen auf sich und die Welt, sie ist beziehungsvoll in beide
Richtungen. Sie ist in Fühlung mit sich, aber die Einfühlung in andere kann sie auch von sich
51
wegdrängen.
3. GM: Eine Person, die weiß was sie will und braucht. Eine Person, die aus ihrer
Lebenserfahrung schöpfen kann.
4. GM: Ihr Leben steht in einem größeren Kontext.
2. Frage: Worauf kannst du dich verlassen in deinem Leben? Also ich muss jetzt gestehen, ich verlass mi auf relativ viel jo. Es isch net nur so, dass i glob, dass
jede Tag d´ Sunna wieder uf got. (lacht) sondern ich verlass mich auf mich selber, also auf
meine eigenen Erfahrungen. I verlass mi natürlich ein stückweit auf meine Mitarbeiter, auf
meinen Arbeitgeber. I verlass mich darauf, das des was meine Freunde sagen zu einem hohen
Grad der Wahrheit entspricht. I bin ein ziemlich gutgläubiger Mensch, also i verlass mi uf
irrsinnig viel, ja. Also wenn des mit verlassen überhaupt gemeint ist. Also sozusagen vertrauen
jo, im Sinne von Vertrauen. I hon a relativ gutes Grundvertrauen, i vertrau mir selber, i vertrau
den Menschen in meiner Umgebung, i vertrau eigentlich auch den öffentlichen Institutionen, also
hier jo. Also i merk o immer, wenn ich in einem anderen Land bin, wo des net so
selbstverständlich ist, wie sehr ich eigentlich darauf vertraue, dass die Gasrechnung stimmt. I
rechne net noch, höchstens es würde mir was ungewöhnlich vorkommen oder so jo, äm dass
wenn i an Brief kriag, wo din stoht, morgen wird um 8 Uhr das Wasser abgedreht, des glob i, jo.
Also ich verlass mich auf des was sozusagen von offiziellen Stellen gesagt wird, äm, es gibt a
paar so Kleinigkeiten, die o mit persönlichen Erfahrungen zusammenhängen, wo i mi net
verlassen würde, aber des isch jo nicht die Frage. Die Frage ist ja worauf ich mich verlasse. Sonst
bin i eigentlich an ziemlich gutgläubiger Mensch, i verlass mi eigentlich auf ziemlich viel jo, i
verlass mi o druf, dass d Lüt schto blieben, wenn die Ampel rot ist, oder dass ma am
Zebrastreifen nicht niedergefahren wird, obwohl ich es immer wieder lese, aber i merk, dass ich
mich schon noch drauf verlasse oder, so mit am klina Sicherheitsblick, bliebt er o wirklich schto,
vor allem der Fahrradfahrer, (lacht) aber sonst verlass ich mich auf vieles. Dass des halbwegs
stimmt, was in dr Zittig stot (lacht). Gut danke. Wenn du mi so frogscht, merk ich erst auf wie
vieles ich mich verlasse.
52
Phänomenologische Analyse
1. Schritt: Deskription
sie hat gleich eine Antwort
sie verlässt sich auf vieles, z. B. Mitarbeiter, Freunde, sich selbst, Ordnung, Institutionen
sie verlässt sich auf sich und andere
sie benennt "Vertrauen haben" als Basis für verlassen können
beschreibt detailliert, beispielhaft z. B. dass jeden Tag die Sonne auf geht, die
Gasrechnung stimmt, die Radfahrer stehen bleiben
beim Beantworten der Frage entsteht ein Bewusstwerden, wie gut sie in ihrem Leben
aufgehoben ist
verstärkt durch Wiederholung
sie kommt als Person vor
sie sagt etwas über sich als Person aus (gutmütig, gutgläubig)
sie kann bei der Frage bleiben und holt sich auch wieder zurück (aber des ist jetzt nit die
Frage)
sie spricht von persönlichen Erfahrungen
sie verlässt sich auf sich selbst, relativiert manches andere
sie schränkt das Vertrauen in manche Bereiche ein durch relativ, ein Stück weit,
eigentlich
sie macht etwas sichtbar (muss gestehen)
sie bezieht sich ganz auf sich bei der Beantwortung der Frage
2. Schritt: Beschreibung der Ausdrucksweise
sie schwingt emotional mit
sie spricht flüssig
sie transportiert Bilder
sie antwortet spontan
ausführlich
kräftig, bestimmt
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baut im Antworten weiter aus, präzisiert, wägt ab usw.
sicher
3. Schritt: Heben des Eindrucks
lebendig
kraftvoll
bestimmt
überrascht über die Fülle der Antwort
erfreut über die Antwort
nachdenklich
sich selbst korrigierend
die letzte Kontrolle behält sie
sie gibt Persönliches preis
sie entblößt sich
ein bisschen schamerfüllt
4. Schritt: Phänomenologische Wahrnehmung
lebendig = flüssige Sprechweise, Stimmlage, sprachlicher Ausdruck
kraftvoll = Ausdrucksweise
bestimmt = sie hat keine Zweifel
Also: eine vitale, energievolle Frau.
überrascht über die Fülle der Antwort = drückt sie aus (i merk erst auf wie vieles i mi
verlass)
erfreut über die Antwort = durch ihr Lachen während dem Beantworten
nachdenklich = im Vergleich mit anderen Ländern
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Also: Eine Frau, die authentisch wahrnehmbar, spürbar ist bei der Beantwortung der Frage.
sich selbst korrigierend = führt sich zur Frage zurück.
die letzte Kontrolle behält sie = sie wirft nochmals einen Blick darauf (Radfahrer,
Gasrechnung)
Also: Eine Frau, die sich nicht ganz aus der Hand gibt.
sie gibt Persönliches preis = gutgläubig, muss gestehen
sie entblößt sich = muss gestehen, dass
(ein bisschen schamerfüllt = Interpretation)
Also: Eine Frau, die zu sich steht.
5. Schritt: Wesensschau
a) Verstehen des Satzes
A. hat verschiedenes in ihrem Leben, auf das sie sich verlässt, wie sich selbst, Menschen, dass
sie Sonne aufgeht usw. Sie nimmt sich selbst als gutgläubig und vertrauend wahr, aber doch mit
Augenmaß einschätzend.
b) Welche Person kommt durch, was zeigt sich von ihr?
A. verlässt sich auf sich selbst, da sie auf ihre Erfahrungen zurückgreifen kann. Sie ist eine
Person, die die Welt um sich herum wahrnimmt, erkennt, beurteilt und auch schätzt. Sie hat
sich und das Außen im Blick. Sie wählt selbstbestimmt, wem oder was sie vertraut, wobei
Strukturen im Vordergrund stehen.
6. Schritt: Kritische Überprüfung
Sie verlässt sich auf sich selbst (auf meine eigenen Erfahrungen). Sie bemerkt, dass es in
anderen Ländern deutliche Abweichungen gibt. Sie verlässt sich auf auf anderes in
eingeschränkter Form.
7. Schritt: Integration
1. GM: Sicherheit in sich und in der Welt
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2. GM: ist bezogen auf sich und die Umwelt
3. GM: kann auch bei Unsicherheiten zu sich stehen
4. GM: durch das Vertrauen und die Verlässlichkeit kann sie sich mit ihrem eigenen Leben in der
Welt gut bewegen.
8. Vergleich zwischen klinischem und Kotrollinterview
A. ist eine Person, die Halt und Verlässlichkeit in ihrem Leben hat. Sie steht in Beziehung mit sich
und ihrer Mitwelt. Sie weiß, was ein gutes Leben ist und hat eine klare Haltung dazu. Sie weiß
was es an Bedingungen braucht und lebt ihr Leben sehr selbstbestimmt.
Demgegenüber zeigt sich R. unsicher, mit wenig Halt und Verlässlichkeit in ihrem Leben. Die
Beziehung zu sich und ihrer Welt ist instabil, deutlich wird die mangelnde Voraussetzung dafür
durch anfangs fehlende bzw. später eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit. Das gute Leben
existiert als Wunschdenken, findet jedoch keine Verankerung in der Realität. Der Zugang zur
Welt und zu sich ist anspruchsorientiert. Die Selbstbestimmtheit fehlt. Letztlich ist R. eine
Person, mit massiven Defiziten in allen 4 Grundmotivationen.
9. Schlussfolgerungen
Nehmen wir die existenzanalytische Theorie zur Suchtentwicklung als Grundlage unserer
Betrachtungen, so können bei R. sowohl die existentiellen Haltungen als auch Mangelsyndrome
beobachtet werden.
Passivierung durch Wunschhaltung: ich möchte a Haus, mei Tochter, Beruf usw. Dabei ist
jedoch keine Aktivität um dies zu erreichen zu erkennen.
Leidvermeidung: möchte eigentlich ein schönes Leben
Sinnmangel: obwohl das Wollen sehr im Vordergrund steht, ist das Hinstreben zu den
56
Werten nicht spürbar.
Unwahrhaftigkeit und Inauthentizität: sie steht nicht wirklich zum Suchtverhalten (wenn
der Alkohol nit grad im Spiel is…)
Betrachtet man die Vorgehensweise in der existenzanalytischen Suchttherapie, so zeigt sich für
uns bei R. das fehlende Problemverständnis für ihre Suchterkrankung, als auch die nicht
erkennbare Entschiedenheit zur Abstinenz. Für uns ergibt sich daraus für die weitere
Vorgehensweise, dass die oben genannten Punkte nochmals deutlich angefragt und bearbeitet
werden müssten.
57
Literaturverzeichnis
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Geheimnis der Spiegelneuronen. Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag
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Heidegger M. (2005) Die Grundprobleme der Phänomenologie. Frankfurt am Main:
Vittorio Klostermann GmbH
Heidegger M. (2006) Sein und Zeit. Tübingen: Max Niemeyer Verlag
Kelle U. (2008) Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der
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methodologische Konzepte. Wiesbaden: VS Verlag
Lamnek S. (2010) Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz Psychologie
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Längle A. (2007) Das Bewegende spüren. Phänomenologie in der
existenzanalytischen Praxis. Existenzanalyse 224, 2, 17 - 29
Längle A. (2007) Lernskriptum zur Existenzanalyse (Logotherapie). Die
Grundbedingung der Existenz: Sein-Können in der Welt oder die 1.
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Längle A. (2008) Existenzanalyse und Daseinsanalyse. Wien: Facultas Verlags- und
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Längle A. (2009) Lernskriptum zur Existenzanalyse (Logotherapie). Dritte
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Längle S. (2007) Phänomenologische Forschung in der Existenzanalyse.
Existenzanalyse, 24/2, 54 - 61
58
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Merleau-Ponty M. (1966) Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin: de
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Rauch J. (2004) Therapiestation Carina. Stiftung Mario Ebene - Zentrum für
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Spitzer M. (2010) Hirnforschung für Neu(ro)gierige. Braintertainment 2.0.
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Zahavi D. (2007) Phänomenologie für Einsteiger. Paderborn: Wilhelm Fink GmbH &
Co. Verlags-KG
59
Anhang
Tanskript Anfangsinterview
Transkript Abschlussinterview
Transkript Kontrollinterview
P. - ANFANGSINTERVIEW
OK, P., oder?
Ja
1. Frage: Was bedeutet für dich ein gutes Leben?
Also ein gutes Leben bedeutet für mich auf alle Fälle dass mei Tochter Larissa bei mir lebt.
Deine Tochter?
Ja, mh
Und dass ich einfach wieder einen geregelten Tagesablauf hab.
I will auf alle Fälle wieder arbeiten gehen.
Also I will a meine Ausbildung als Diplom-Krankenschwester fertig machen. Und I will auf alle
Fälle in dem Beruf arbeiten. Und I will einfach geregelten Tagesablauf haben.
Und I will so viel wie möglich mit Menschn beinanders an, die I gern mag. Und I will (.) so wenig
wie möglich Kontakt mit Menschen die I nit mag (.) oder die I nit respektieren kann (.).
Ja schön wär dann a no wenn I eines Tages mei Haus im Grünen bauen könnt und dort auch
mitten in der Natur wohnen könnt. Zamm mit meiner Tocher (.).
Und des wär eigentlich a schönes Leben für mi.
Du hast a ganz klare Vorstellung?
Ja
60
2. Frage: Und worauf kannst du dich verlassen in deinem Leben?
I kann mi auf mi selber verlassen (.) solang ka Alkohol im Spiel is da kann I mi auf mich selber
verlassen.
Also I kann mi auf mei Intelligenz verlassen. I kann mi drauf verlassen dass wenn mi was
interessiert dass I`s auch lernen kann (.).
I kann mi auf mei G`fühl auf mei Liebe zu meiner Tochter verlassen. Weil es macht mir schon
Freud wenn I ihr nur zuaschau. Ganz egal was sie grad macht. Ob sie am Mala is. Am Spiela is
oder am Singais (.) Es is einfach so a herziges Ding (.) herziges Menschlein ein kleines.
Wie als ist sie?
4 Jahre (.)
mh
Ja und sonst kann I mi eigentlich (.) net auf (.)
I kann mi no relativ guat auf meine Geschwister verlassen (.) Also I bin jetzt a paar mal ziemlich
am Boden glegn (.) und meine Geschwister waren eigentlich de die mi am Schopf packt haben
und mir a wirklich gholfen haben (.)
Also des is (.) I woas net, ob`s endlos wär. Irgendwann würden meine Gschwister amal sagen
stop Paula jetzt haben wir dir so oft gholfen und immer is wieder des Gleiche (.) oder der
Alkohol is dir dann einfach wieder lieber als wir ……..
P. - ABSCHLUSSINTERVIEW
Frage 1: Was bedeutet für dich ein gutes Leben?
A gutes Leben war für mi (.) also eben (.) ah I möchte ja gern wieder im Gesundheitswesen
arbeiten. Und da hab I mi ja bei der Caritas beworben. Und da hätt I gerne die Landwirtschule
gmacht in G. Des wär mir mal was ganz was wichtiges. An wichtiger Faktor für mi.
61
No wichtiger war natürlich dass mei Kind bei mir wär. Aber des is jetzt momentan ein Ding was I
mir wünschen kann aber sonst nix, oder. Des wär amol gut aber.
Dann wär`s guat wenn I mit meim Rückn nit immer wieder solche Probleme hab. Wie der
Südwind war des war auch a Faktor warum I rückfällig war. Da hab I Rückenschmerzen ghabt.
Aber I nimm sonst net Schmerzmittel. Da wird mir immer schlecht drauf oder. Da hab I
Schmerzmittel gnomma und hab trotzdem Mühe ghabt zum Laufen. Des is a ganz was wichtiges.
Des kommt immer wieder, wenn Fön is oder wenn wia der Südwind war. Oder wenn I nit
aufpass und mi irgendwie verdreh oder verlupf. Na ha I elendige Rückenschmerzen und des
beeinflusst mi a brutal (.). Oder weil dann hab I (.).Schmerzmittel will I nit nehmen wegen am
Magen. Und aber die Schmerzen sind dann chronisch da oder ständig da (.) Und jetzt sind`s so
dass I`s aushalt oder. Aber es gibt dann wieder Tag da halt I`s eben ned aus.
Fällt Ihnen noch was ein, was wichtig wär?
Ja eben des mit mein Hobby. Dass I mit meiner Malerei da einfach mi verbessern kann. Also I
mal unheimlich gern. Da bin I a wie viel ruhiger oder. Und da möchte I einfach des verbessern
können (.)
Und was is no?
Es wär a schon mal irgendwie a Partner interessant. Aber da muass I zuerst zu mir selber wieder
a bessere Einstellung haben. So lang I mein Körper so nit akzeptier. Wie der is geht`s mit am
Mann überhaupt nix. Da lauft nixi (.) Da is nix los wei I`s nit vertrag wenn mi jemand berührt.
Dann kann I des nit haben oder. Des wär natürlich a no was Schönes. Wenn I jemand hat. A net
amoal bei mir wohnen muaß oder so. 2 3 x in der Woche trifft man sich und hatt`s einfach fein
miteinander. Unternimmt was. Des wär schön. Aber momentan geht`s nit wenn I so a schlechtes
Körpergfühl hab oder mh.
Und mei Haus hätt I gern. I hab ja a Grundstück. I möchte gern mei Haus bauen. Aber jetzt is des
natürlich a wie beim Kinderwunsch. Wenn I koa Geld hab kann I`s Haus nit bauen. Wenn I nit
stabil bin und nit mei Leben in Griff kriag konn I`s Kind nit haben oder.
62
Frage 2: Worauf kanns du dich verlassen?
Worauf kannst du in deinem Leben bauen?
Dass immer wieder irgendjemand is wenn I solche Durchhänger hab die mi dann einfach
auffangen. Des hab I eigentlich jetzt die letzten (.) seit I in Maria Ebene war (.) vorher nit. Aber
seit I in Maria Ebene war so erfahren. Irgendjemand (.) Es geht oft schon a paar Tag. Aber
irgendjemand kommt dann und fangt mi wieder auf oder. Wia gestern. Ja des war. Frau P. war.
Die H. war oder. Die hat heut wieder angrufen und aufbaut und hat gsagt bewirb di bei der
Lebenshilfe. Nit bei der Lebenshilfe sondern beim Mobilen Hilfsdienst. Vielleicht kannst da
stundenweise oder so irgendwie arbeiten. Und da baut mi de wieder auf. De hat a gestern
gschaut dass I nix kauf nach am Kind oder. Dass I ja kein Alkohol erwisch. Hat mi hoamgfahrn.
Hom no gredet dahoam. Es sind dann immer Leit da di mi auffangen. Seit 2005 erfahr I des so.
Vorher hab I da niemand ghabt (.) J seit dem des war mei erster Entzug erst so in
Suchtbetreuung. Und seitdem is wer da. Und heut war I so froh dass I da aufigehn hab kenna.
Weil I woaß I wüsst dann net wenn I dahoam blieben war was I toan hätt. I war so froh. I bin
schon 10 Minuten zfrüh zum Bus gonga. Normal bi I ja immer z`spät. I kann am normal
nochirenna oder. Joja dass I wieder irgendwie (.) Leut da hab di mir da zuhören und des a
irgendwia verstänga.
I hab schon so liabe Nachbarn. De sagen immer komm doch aufi
Was ist dir das Wichtigste im Leben?
S`wichtigste im Leba isch mir mei Kind (..) des schon.
Bist du zufrieden mit deinem Leben?
(.) wenn sie wieder da war und mir geht`s nit so guat. Und dann wia gestern am Abend. Des isch
für mi dann schlimm oder. Wenn sie Wieder geht, immer wieder geht sie weck. Des isch
schlimm. Wenn I sie wieder hergeben muaß.
Mit meinem Leben momentan(.) ja halt momentan muaß´I`s wieder in Griff kriagen.
63
Bist du zufrieden mit dir?
Mit mir selber?
Mhm
(.) absolut nit. Ja grad wegen dem Rückfall. I hab mar dacht jetzt nach 7 Monat. I war mir so
sicher dass I`s schaff (.) oder. Und nacha durch Leichtsinn und was a nit Übermut trinkst beim
Ausgehn 2 - 3 G`spritzte. Und nachher hat sie des eben gsteigert.
Bis zum Rausch bis zum Hoamkommen. Den nächsten Tag dann geht`s bei mir voll los. I kann`s
net tuan. I kann nit kontrolliert trinken.
Die Erfahrung hast jetzt wieder gemacht?
Ja I kann net (.). Des geht a paar Mal guat. Des geht a 2 - 3 x guat. Trink I 2 G`spritzte und 3 und
dann nix mehr und dann is Schluss. Aber des 4. Mal oder so bin I dann voll zua. Dann sauf I am
nächsten Tag weiter. Ja dann isch`s vorbei.
Wie möchtest du dein Leben in der Zukunft gestalten?
Eben des Berufliche und des mit`m Hobby. Und`s Kind und mei Haus. Des möchte I alles no
erreichen (.) Und wenn I dann wieder so an Durchhänger hab dann denk I wieder I schaff gar nix.
Und wenn`s mir guat geht dann denk I mir I kann des alls kriagn. Bei mir ist des eben so
schwankend. I schwank extrem. Oder amal voller Hoffnung und dann wieder mein Gott I brauch
a ….. I brauch nix. I schaff nix. So ungefähr.
Was hat dir in der Carina gut getan?
Was hat mir guat tan? Dass Leut de um mi uma warn. I brauch des. I bin in aner großen Familie
aufgwachs. I hab 6 G`schwister. I war immer im Dienstleistungsberuf. Und wenn I alleinig
dahoam bin. A paar Tag. Des is für mi des Ärgste. Des Ärgste. Dann bin I so echt
rückfallgefährdet ja. Dann fangt`s a. Dann tuat mar s`Kreuz so weah, geht`s mar so net guat.
Deshalb geh I a net aus`m Haus. Und nachher geh I aber aus`m Haus und kauf mir was zum
Saufn.
64
Die Gemeinschaft hat dir gutgetan?
Ja dass immer Leute da waren.
Fällt dir sonst noch was ein?
Es war schon guat dass so strukturiert war. Im Nachhinein war`s scho guat.
Im Nachhinein tät`sch saga es war guat?
Mh.
(.) Und natürlich die Einzelgespräche. Die hab`n bei mir zwar a Weile gfehlt. Weil I halt. I was a
net. Des war halt wieder mal mei Dickschädl ga. I will jetzt jemand anders. In Hannes will I
hab`n. Und den muaß I kriagen. Des isch mei Dickschädl verstehst?
Des isch lehrreich oder?
Ja schon. Aber des war jetzt nit so persönlich auf di grichtet. Aber des isch bei mir so oder. Denk
I mir. Ja beim Hannes. Wenn I mit dem red oder wenn die Gruppe isch. Jedes mal machts
irgendwo klick. Irgendwo komm I drauf aha da isch wieder a Störung an mir oder da (.) muaß I
umdenken lerna oder. Und des war halt bei dir nur 1x oder 2x. Und dann hab I in Hannes
unbedingt wolla. Weil I hann des wolla dass des wenigstens 1x in der Wocher oder so auch
wieder klick macht richtig. I wollt ja da was lernen. I bin ja kumma. Aber..
Du hast das Gefühl gehabt, Einzel und Gruppe tut dir gut, oder?
Ja doch es war jetzt schon doch die Frauengruppe (.) vorher. Im letzten Monat waren`s nimmer
guat die Frauengruppen. Weil da hab I immer voll a was abkriagt. Aber vorher waren`s guat.
…….. andere Mitglieder. Des war nit koa Streiterei und gar nix oder. Und koa bösartigs Zeug. Da
isch so viel Bösartigs komme, woast. Nit was den Tatsachen entspricht, sondern einfach bös.
Guat, danke Paula!
65
Kontrollinterview A.
1. Frage: Was ist für dich ein gutes Leben? Ein gutes Leben ist als allererstes die Abwesenheit von materiellem Mangel ja. Also das erste
was mir dazu einfällt ist natürlich ausreichend Ressourcen, dass ma leba ka. Kann Luxus aber,
aber nicht jeden Tag darüber nachdenken müssen, wie zahl ich meine Miete, woher krieg ich
mein Essen. Der zweite Aspekt, also sofort danach fällt mir natürlich ein, dass für mich zu einem
guten Leben Zufriedenheit gehört. Natürlich ist ma zfrieda, wenn ma materiell gesättigt ist, aber
auch Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, die ich im Leben hab, ob des jetzt Berufstätigkeit ist,
ob des Beziehungen sind, ob des äh Entwicklung meiner Tochter ist, also da gibt es viele
Aspekte. Aber Zufriedenheit ist ein ganz wichtiger am Punkt, um damit i des Gfühl hon, ich habe
ein gutes Leben. Und das dritte, das i ganz sicher weiß, (starke Betonung) weil i des also in
fremden Ländern oft erleb ist, dass ich mich nicht wirklich gut fühlen kann und zufrieden fühlen
kann, wenn rund um mich herum am viele Menschen leben, die diese Dinge nicht haben. Also
die nicht genug zum Leben haben, die uf dar Straß schlafa müasan, die betteln müssen, die in
bitterer Armut leben, die äh ka berufliche Perspektiven hon, die unglücklich sind, die krank sind.
Also wenn des sozusagen mein Alltagsbild dominiert, denn losst sofort meine eigene
Zufriedenheit noch und des, dieses innere Bewusstsein, ich hätte ein gutes Leben, also es isch
scho o abhängig von der Umgebung.
Also die 3 Aspekte, tät i säga sind jetzt amol des Wichtigste nachher könnt man ins Detail go,
oder.
2. Frage: Worauf kannst du Dich verlassen in Deinem Leben?
Also ich muss jetzt gestehen, ich verlass mi auf relativ viel jo. Es isch net nur so, dass i glob, dass
jede Tag d´ Sunna wieder uf got. (lacht) sondern ich verlass mich auf mich selber, also auf
meine eigenen Erfahrungen. I verlass mi natürlich ein stückweit auf meine Mitarbeiter, auf
meinen Arbeitgeber. I verlass mich darauf, das des was meine Freunde sagen zu einem hohen
Grad der Wahrheit entspricht. I bin ein ziemlich gutgläubiger Mensch, also i verlass mi uf
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irrsinnig viel, ja. Also wenn des mit verlassen überhaupt gemeint ist. Also sozusagen vertrauen
jo, im Sinne von Vertrauen. I hon a relativ gutes Grundvertrauen, i vertrau mir selber, i vertrau
den Menschen in meiner Umgebung, i vertrau eigentlich auch den öffentlichen Institutionen,
also hier jo. Also i merk o immer, wenn ich in einem anderen Land bin, wo des net so
selbstverständlich ist, wie sehr ich eigentlich darauf vertraue, dass die Gasrechnung stimmt. I
rechne net noch, höchstens es würde mir was ungewöhnlich vorkommen oder so jo, äm dass
wenn i an Brief kriag, wo din stoht, morgen wird um 8 Uhr das Wasser abgedreht, des glob i, jo.
Also ich verlass mich auf des was sozusagen von offiziellen Stellen gesagt wird, äm, es gibt a
paar so Kleinigkeiten, die o mit persönlichen Erfahrungen zusammenhängen, wo i mi net
verlassen würde, aber des isch jo nicht die Frage. Die Frage ist ja worauf ich mich verlasse.
Sonst bin i eigentlich an ziemlich gutgläubiger Mensch, i verlass mi eigentlich auf ziemlich viel jo,
i verlass mi o druf, dass d Lüt schto blieben, wenn die Ampel rot ist, oder dass ma am
Zebrastreifen nicht niedergefahren wird, obwohl ich es immer wieder lese, aber i merk, dass ich
mich schon noch drauf verlasse oder, so mit am klina Sicherheitsblick, bliebt er o wirklich schto,
vor allem der Fahrradfahrer, (lacht) aber sonst verlass ich mich auf vieles. Dass des halbwegs
stimmt, was in dr Zittig stot (lacht). Gut danke. Wenn du mi so frogscht, merk ich erst auf wie
vieles ich mich verlasse.