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1 Die Qualität der Lernortkooperation Felix Rauner, Dorothea Piening A + B Forschungsberichte Forschungsnetzwerk Arbeit und Bildung Hrsg.: Universität Bremen FG Berufsbildungsforschung (i:BB) KIT – Karlsruher Institut für Technologie Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Institut für Physik/Technische Bildung Pädagogische Hochschule Weingarten Professur für Technikdidaktik

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Die Qualität der Lernortkooperation

Felix Rauner, Dorothea Piening

A + B

Forschungsberichte

Forschungsnetzwerk Arbeit und Bildung

Hrsg.:

Universität Bremen

FG Berufsbildungsforschung (i:BB)

KIT – Karlsruher Institut für Technologie

Institut für Berufspädagogik und

Allgemeine Pädagogik

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Institut für Physik/Technische Bildung

Pädagogische Hochschule Weingarten

Professur für Technikdidaktik

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3

Die Qualität der Lernortkooperation

A+B Forschungsberichte Nr. 20/2015

Bremen, Karlsruhe, Oldenburg, Weingarten: A+B Forschungsnetzwerk

In den A+B Forschungsberichten werden aktuelle Forschungsberichte aus der Arbeits- und Bildungs-forschung veröffentlicht. Arbeit und Bildung verweist auf die vorberufliche und die berufliche Bildung sowie auf die berufliche Weiterbildung. Diese Form der online-Publikation erlaubt es, Forschungser-gebnisse zu einem frühen Zeitpunkt zugänglich zu machen. Jeder Forschungsbericht durchläuft ein internes Reviewverfahren. Die Reihe A+B Forschungs-berichte ist auch offen für externe Autoren, die dem Forschungsnetzwerk durch ihre Forschungsarbei-ten verbunden sind. Die Verantwortung für den Inhalt der Beiträge liegt bei den Autoren. A+B Forschungsberichte is a series where topical results of the current research on labour and edu-cation are being published. Labour and education refers to pre-vocational education, vocational edu-cation and training as well as continuing vocational education. In order to assure a high degree of topicality, A+B Forschungsberichte is published online. Quality is guaranteed by an internal review process involving several researchers. A+B Forschungsberichte offers a platform also for external researchers, who are linked to the Forschungsnetzwerk via their own research in the field of labour and education. The authors are responsible for the content of their contributions.

A + B Forschungsberichte erscheinen online unter: www.ibb.uni-bremen.de www.ibap.kit.edu www.uni-oldenburg.de www.ph-weingarten.de

ISSN 1867-9277

Redaktion: apl. Prof. Dr. Walter Jungmann

Kontakt: [email protected]

Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik

KIT – Karlsruher Institut für Technologie

(Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft)

© 2015, A+B Forschungsnetzwerk

Universität Bremen

FG Berufsbildungsforschung

(i:BB)

Leobener Straße/NW 2

28359 Bremen

Tel. +49 421 218-4634

E-Mail: rauner@uni-

bremen.de

KIT – Karlsruher Institut für

Technologie

Institut für Berufspädagogik

und Allgemeine Pädagogik

Hertzstr. 16

76187 Karlsruhe

Tel.: +49 721 608-43690

Fax: +49 721 608-46104

E-Mail: [email protected]

Universität Oldenburg

Institut für Physik

/Technische Bildung

Ammerländer Heerstr. 114-

118 – 26111 Oldenburg

Tel.: +49 441 798-2966

Fax: +49 441 798-2967

E-Mail: peter.roeben@uni-

oldenburg.de

Pädagogische Hochschule

Weingarten

Professur Technikdidaktik

Kirchplatz 2

88250 Weingarten

Tel.: +49 751 501-8273

Fax: +49 751 501-8200

E-Mail: haasler@ph-

weingarten.de

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A+B Forschungsberichte Nr. 20/2015

Zusammenfassung

Die Lernortkooperation gilt in der dualen Berufsausbildung als eine wesentliche Voraussetzung für die

Realisierung einer hohen Ausbildungsqualität. Im Rahmen des KOMET Projektes NRW wurde die

Lernortkooperation als ein Merkmal der Attraktivität und Qualität der Berufe und der Berufsausbildung

sowie als eine Determinante der Entwicklung beruflicher Kompetenz und beruflichen Engagements

untersucht. Diese Fragestellung stand auch im Vordergrund einer Befragung von über 3000 Auszu-

bildenden aus über 70 Berufen in Sachsen sowie in KOMET-Projekten im Bereich der Pflegeausbil-

dung in Deutschland und der Schweiz. Als eine auffällige Schwäche der Lernortkooperation gelten

aus der Sicht der Befragten ihre strukturellen Merkmale. Auf der Grundlage der Analyseergebnisse

werden Perspektiven für eine verbesserte Lernortkooperation vorgeschlagen. Die deutlich höhere

Qualität der Lernortkooperation im Bereich der Pflegeausbildung gilt dabei als ein Beispiel guter Pra-

xis.

Abstract

The cooperation between learning locations is a fundamental condition for the realization of a high

quality of apprenticeship in vocational education and training. In the course of the COMET project

NRW, the cooperation between learning locations as a characteristic of the appeal and the quality of

occupations and vocational training as well as a determinant of the development of professional com-

petence and professional commitment has been analyzed. This question was also of prime im-

portance for the interview of more than 3000 apprentices from more than 70 occupations in Sachsen

and in COMET projects in the field of care training in Germany and Switzerland. From the point of

view of the interviewees, a striking weakness of cooperation between learning locations are its struc-

tural characteristics. Based on the results of the analysis, we propose perspectives for an improved

cooperation between learning locations. The significantly higher quality of cooperation between learn-

ing locations in the field of care training is seen as a “best practice” example.

5

Inhalt

Einleitung ................................................................................................................................................................. 6

1. Methodisches Vorgehen .............................................................................................................................. 8

2. Ergebnisse .................................................................................................................................................. 12

3. Diskussion der Ergebnisse .......................................................................................................................... 24

4. Perspektiven ............................................................................................................................................... 26

Literatur ................................................................................................................................................................. 30

6

Einleitung

In diesem Forschungsbericht wird auf der Grundlage empirischer Erhebungen bei über 3000 sächsi-

schen Auszubildenden in einer großen Breite von Berufen sowie über 1000 Auszubildenden (NRW) in

fünf gewerblich-technischen, zwei kaufmännischen Berufen, einer Gruppe von Auszubildenden für

den Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) sowie über 500 Studierende in fachschulischen

(dualen) Bildungsgängen für Pflegeberufe die inhaltliche und strukturelle Qualität der Lernortkoopera-

tion analysiert. Diese Analyse ist Teil von Untersuchungen zur Qualität der Ausbildung in dualen be-

ruflichen Bildungsgängen auf dem Niveau der beruflichen Erstausbildung sowie der höheren Berufs-

ausbildung an (höheren) Fachschulen der Schweiz und Deutschland (Fischer, Rauner, Zhao 2015).

Die Bedeutung, die dieser Untersuchung zukommt, ergibt sich aus einer großen Zahl von Erhebun-

gen der letzten Jahrzehnte zur Situation der Lernortkooperation in der dualen Berufsausbildung

(Pätzold, Walden 1995) und zahlreichen Modellversuchen, in denen Methoden zur Verbesserung der

Lernortkooperation erprobt wurden (Holz, Rauner, Walden 1998; Euler 2003). Die Frage, die sich im

Zusammenhang mit der aktuellen Qualitätsdiskussion und -forschung stellt, ist, ob von den umfang-

reichen Aktivitäten der Berufsbildungsforschung und der Berufsbildungsplanung eine nachhaltige

Wirkung auf die Verbesserung der Lernortkooperation ausging?

Die bildungsplanerische, bildungspolitische und berufspädagogisch-didaktische Diskussion über die

Lernortkooperation sowie eine große Zahl einschlägiger empirischer Erhebungen und Modellversuche

wurde in zahlreichen Veröffentlichungen seit den 1970er Jahren dokumentiert. Auf dieser Grundlage

kann der Verlauf dieser Diskussion skizziert werden. Dabei geht es vor allem um den Wandel des

Verständnisses im Zusammenspiel zwischen der betrieblichen Berufsausbildung und dem Lernen in

beruflichen Schulen.

Eigentlich war mit der Feststellung des Deutschen Ausschlusses für das Erziehungs- und Bildungs-

wesens zur Lernortkooperation die Richtung zu ihrer Ausgestaltung vorgegeben: „Der Erfolg des dua-

len Ausbildungssystems hängt davon ab, dass seine Träger, die Ausbildungsbetriebe und die berufli-

chen Schulen, zusammenwirken“ (1966, 503). Die berufspädagogische und berufsbildungspolitische

Diskussion zeigt jedoch in den 1980er Jahren – und zum Teil darüber hinaus – eine kontroverse Dis-

kussion über die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den beiden Lernorten. Die Spannweite

der Vorschläge und Positionen reichen von

einem Konkurrenzverhältnis;

So fordert zum Beispiel Kutscha: „Die Preisgabe der Dualität ist (….) geradezu die

Voraussetzung dafür, dass sich das berufliche Ausbildungssystem (…..) entfalten kann“

(Kutscha 1992,74). Horst von Hassel, der Bildungssenator Bremens, begründete bei einer

Diskussion im Rahmen der Hochschultage Berufliche Bildung (1980) das Reformprojekt der

Integration gymnasialer und beruflicher Bildung auf der Ebene der Sekundarstufe II mit dem

Argument, dass die Betriebe keinen Bildungsauftrag hätten und daher nur eine integrierte

Sekundarstufe II über ein Kompensationspotenzial verfüge, mit dem die

Dequalifizierungseffekte der betrieblichen Ausbildung kompensieren werden könnten (Krüger,

Rauner 1982,145).

über ein dualistisches Modell im Sinne einer mehr oder weniger schroff auseinanderfallen und

Zweiheit (Zabeck 1996,74);

Diese Position vertreten in den 1980er Jahren zahlreiche Berufspädagogen. Die

„Systemdualität“ wird vor allem begründet mit den grundverschiedenen gesetzlichen

Grundlagen für die Formulierung der (Aus)Bildungsziele Für die betriebliche Ausbildung gilt

das Berufsbildungsgesetz, das nach den Vorgaben der Verfassung zur Kulturhoheit der

Länder keinen Bildungsauftrag enthalte. Die schulische Berufsbildung ist nach den

7

Bildungsgesetzen der Bundesländer geregelt und orientiert sich mit ihren allgemeinen

Bildungszielen an denen der Allgemeinbildung. Diese institutionellen grundgesetzlich

determinierten Rahmenbedingungen bewirkten nach Euler und Twardy, dass die duale

Berufsausbildung im Sinne zweier nebeneinander stehender autonomer Systeme strukturiert

sei und diese Systemdualität nach wie vor eine Barriere für eine effektive Lernortkooperation

darstelle ( Euler, Twardy 1992,204).

Im Gegensatz zur Situation in Deutschland hat die Schweiz durch eine Verfassungsreform

(1999) die Gesamtzuständigkeit für die berufliche Bildung dem Gesamtstaat übertragen.

Zugleich wurden die Gestaltungsspielräume auf kantonaler Ebene vergrößert. Eine

Untersuchung zeigt, dass sich dies positiv auf die Qualität der Lernortkooperation auswirkt

(Rauner, Piening, Bachmann 2015)..

bis zum Modell der dual-kooperativen Berufsbildung (Rauner 1998).

Als Grundlage für dieses Modell wurde das Konzept der integrierten Berufsbildungspläne

entwickelt (Heidegger, Rauner 1996). Dieses Modell geht aus von der in der KMK-

Vereinbarungen zur Berufsschule (1991) verankerten Leitideen: „Befähigung zur Mitgestaltung

der Arbeitswelt und der Gesellschaft in sozialer und ökonomischer Verantwortung“ (KMK

1991). Diese Leitidee hat ihren Niederschlag auch in der Vereinbarung der KMK zur

Einführung von Lernfeldern bei der Strukturierung von Rahmenlehrplänen gefunden (KMK

1996/1999). Die für die berufliche Kompetenzentwicklung „bedeutsamen Arbeitssituationen“

wurden damit zum Dreh-und Angelpunkt für eine berufliche Bildung mit einem ambitionierten

Bildungsziel, mit dem zugleich die Realität der Arbeitswelt erfasst wird. Diese konsensstiftende

Leitidee beruflicher Bildung induziert seither programmatisch die Etablierung einer neuen

Qualität der Lernortkooperation. Ob diese auch die Realität der Lernortkooperation positiv

verändert, ist Gegenstand dieses Berichtes Untersuchung

Auf der Ebene der Berufsbildungsplanung lässt sich eine gewisse Kontinuität in der Bewertung der

Lernortkooperation seit der programmatischen Formulierung des Deutschen Ausschlusses (s. o.) er-

kennen. So hat zum Beispiel das Kultusministerium NRW mehrfach in der Form von Erlassen die

Kooperation der Berufsschulen mit den Ausbildungsbetrieben geregelt (KM NRW 1989). Das Ministe-

rium hat dabei frühzeitig einen Zusammenhang zur Qualitätssicherung bei Neuordnungsverfahren

hergestellt: Betriebe müssen danach berufs- und nicht betriebsspezifisch ausbilden. Dabei wird die

Kooperation der Berufsschulen mit den Ausbildungsbetrieben sowie den zuständigen Stellen festge-

schrieben. Dies gilt auch für die KMK und die Bund Länder Kommission für Bildungsplanung (BLK).

So hat die KMK (1997) vereinbart: „Die Kooperation der Lernorte ist eine wesentliche Voraussetzung

für die Steigerung der Leistungsfähigkeit des dualen Systems“.

Die BLK sowie der BMBF haben darüber hinaus zahlreiche Modellversuche und Modellversuchspro-

gramme zur Lernortkooperation gefördert (Holz, Rauner, Walden 1989; Euler 2003).

Empirische Untersuchungen zur Lernortkooperation auf der Grundlage von Befragungen der Auszu-

bildenden sowie ihrer Lehrer und Ausbilder

Die kontroverse Diskussion über die Bedeutung und Organisation der Lernortkooperation (s. o.) hat

ihren Niederschlag auch in Befragungen des BIBB gefunden. Bei einer Befragung von 3300 Auszu-

bildenden (1992) stimmten nur 8 % der Aussage zu: „Die Ausbildung im Betrieb und der Unterricht in

der Berufsschule sind inhaltlich gut aufeinander abgestimmt“. 42 % der Befragten gaben an, „dass sie

eine gute Abstimmung zwischen Schule und Betrieb vermissen“ (Walden, Brandes 1995,129 f). Bei

einer vergleichbaren Untersuchung äußerten sich 58 % der Auszubildenden kritisch zur „fehlenden

Lernortkooperation“ (Feller 1998, 370). Bei einer Befragung von Lehrern und Ausbildern zur Häufig-

8

keit der Kontaktaufnahme, ergab sich, dass über die Hälfte der Betriebe keine oder nur sehr sporadi-

sche Kontakte zur Berufsschule pflegen. Die Ausbilder, die Kontakte zu Lehrern aufnehmen, tun dies

nach einer Untersuchung des BIBB in der Regel wegen organisatorischer und vor allem disziplinari-

sche Probleme mit den Auszubildenden (Berger, Walden 1995,421 ff).

Aus diesen Befragungsergebnissen leitete das BIBB Anfang der 1990 er Jahre die Empfehlung ab,

Modellversuche zur Erprobung neuer Formen der Lernortkooperation zu erproben, da die vielfältigen

Apelle zur Verbesserung der Lernoperation nicht ausreichten. Erprobt werden sollte „deshalb die Ein-

richtung regionaler Kooperationsinstitutionen“ (ebd. 142). In ihrer Begründung weisen Walden und

Brandes auf „institutionelle Hindernisse der Lernortkooperation“ hin, die sich aus der Verfasstheit des

dualen Systems als einem System zweier nebeneinander etablierten autonomen Systeme ergeben

(ebd. 134).

Das formale Abstimmungsverfahren zwischen Bund und Ländern bei der Entwicklung neuer Berufe

und Ausbildungsordnungen ändere daran wenig, so Benner(1984), ebenfalls aus der Sicht des BIBB.

Als Fazit aus den BIBB-Untersuchungen stellen Walden und Brandes fest: „dass sich aus der Kon-

struktion des dualen Systems und dem weitgehenden Eigenleben der Systeme Schule und Betrieb

institutionelle Barrieren für die Lernortkooperation ergeben“, wenn dies auch kein deterministischer

Zusammenhang sei (ebd. 137).

Die Lernortkooperation als Gegenstand der Berufsbildungsforschung

Die Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AGBFN) repräsentiert die deutsche Berufs-

bildungsforschung. Sie hat sich mit ihrer Konferenz im Februar 2007 mit dem Stand der Forschung zu

den „elementaren Aspekten von Qualität beruflicher Bildung“ in drei Themenfeldern befasst: (1) den

begrifflichen und (2) konzeptuellen Grundlagen sowie (3) den Perspektiven für die Berufsbildungsfor-

schung (Münk, Weiß 2009, 5ff). Sichtet man die dazu vorgelegten Tagungsbeiträge, dann stößt man

auf einen überraschenden Befund. Die Qualität der Lernortkooperation wird in keinem der Beiträge

als eine Dimension der Qualitätssicherung und-Entwicklung in den Fragestellungen, Theorien und

Methoden sowie den Ergebnissen der Qualitätsforschung als einem Feld der Berufsbildungsfor-

schung aufgenommen (s. v. a. die Beiträge von Nikolaus, Bolinger/Münk, und Mirbach mit ihren Bei-

trägen zum Forschungsstand und den begrifflichen Grundlagen (In. Münk, Weiß 2009).

1. Methodisches Vorgehen

Die Ausbildungsqualität wird regelmäßig in den KOMET-Projekten im Rahmen der Kontexterhebun-

gen erfasst (vgl. Fischer, Rauner, Zhao 2015). Untersuchungen der Zusammenhänge, die zwischen

der Entwicklung beruflicher Kompetenz, beruflicher Identität und beruflichem Engagement sowie der

Qualität der Berufsausbildung bestehen, bilden den Rahmen für das Forschungsdesign der Kompe-

tenzdiagnostik. Darüber hinaus bieten die Daten einer umfangreichen Untersuchung zur Attraktivität

der dualen Berufsausbildung in mehr als 70 Berufen sowie zum Identifikationspotenzial dieser Berufe

die Grundlage für die Untersuchung zum Stellenwert der Lernortkooperation als einem zentralen Fak-

tor der Ausbildungsqualität.

Aus den insgesamt zur Verfügung stehenden Items für die Befragung zur Ausbildungsqualität wurden

Tab. 1 und 2).

9

Skala Items Cronb. Alpha

Geschäfts- prozess- orientierung

Die Azubis lernen unterschiedlichste Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche anderer Mitarbeiter ken-nen.

α= .83

Mir ist klar, wie die jeweilige Abteilung, in der ich tätig bin, in den Gesamtbetrieb einzuordnen ist.

Ich habe einen Überblick darüber, was in anderen Abteilungen getan wird.

Ich bin darüber informiert, mit welchen Aufgaben meine Arbeitskollegen betraut sind.

Mir ist die Einbettung meiner Aufgabe in die Arbeitsorganisation meiner Abteilung klar.

Mir ist die Einbettung meiner Aufgaben in die betrieblichen Abläufe klar.

Außer meinen Kernaufgaben lerne ich auch die übrigen Prozesse im Betrieb kennen.

Ausbildungs qualität

Die Azubis sind mit Aufgaben und Problemen betraut, die letztlich auch für den Gesamtbetrieb bedeutsam sind.

α= .79

Den Azubis werden verantwortungsvolle Aufgaben übertragen.

Die mir übertragenen Aufgaben sind auf meine Kenntnisse und Fähigkeiten im betreffenden Aufgabenbereich zugeschnitten.

In meinen Arbeitsaufgaben kann ich anwenden, was ich im betreffenden Arbeitsbereich gelernt habe.

Um die Arbeitsaufgaben gut durchzuführen, muss ich eine Menge unterschiedlicher Dinge be-achten.

Ausbildungs- begleitung

Von meinem Ausbilder kann ich viel lernen.

α= .77

Mit meinem Ausbilder spreche ich regelmäßig über meinen Ausbildungsverlauf.

Wenn ich selbst Aufgaben bearbeite, erhalte ich fachmännische Unterstützung und Rückmel-dung, wenn nötig.

Es gibt regelmäßige Besprechungen im Betrieb, wie Auszubildende mit der Ausbildung zurecht-kommen.

Tab. 1: Skalen der betrieblichen Ausbildungsqualität

Der berufspädagogische Aspekt der Geschäftsprozessorientierung in der Ausbildung besteht darin,

dass die Auszubildenden erfahren und lernen, welche Bedeutung ihre Tätigkeit für das Unternehmen

und für die Kunden hat. Dies begründet ein tieferes Verständnis ihrer Tätigkeiten als auch einen Zu-

wachs beruflicher Identität, eine darauf basierende Leistungsbereitschaft sowie ein Qualitäts- und

Verantwortungsbewusstsein.

Die Skala Ausbildungsqualität umfasst die für den Ausbildungserfolg relevanten Items. Dazu zählen

Items, die sich auf die Verantwortung bei der Wahrnehmung von Arbeitsaufgaben, den Zusammen-

hang zwischen den Qualifikationsanforderungen im Arbeitsalltag sowie auf die Ausbildung in der gan-

zen Breite der im Berufsbild festgelegten beruflichen Handlungsfelder beziehen. Die Korrelation mit

den Werten der Kompetenzausprägung, der Entwicklung beruflicher und betrieblicher Identität und

der Leistungsbereitschaft zeigt, welche Items sich in besonderer Weise für diese Skalen eignen.

Die Ausbildungsbegleitung umfasst in erster Linie die Tätigkeiten der Ausbilder – aber auch die Zu-

sammenarbeit mit anderen Auszubildenden und Fachkräften der betrieblichen Praxisgemeinschaft.

Die Qualität der Ausbildungsbegleitung strahlt auf alle anderen Elemente der betrieblichen Ausbil-

dungsqualität aus. Wird die Ausbildungsbegleitung als unzureichend erlebt, dann bewerten die Be-

fragten in der Regel den Lernort Schule und die Lehrer als einen Ort, der die Schwächen der betrieb-

lichen Ausbildung ausgleicht.

Komplementär zu diesen drei Qualitätsskalen der betrieblichen Ausbildung wird mit den Skalen

Lernklima Schule,

Unterrichtsqualität,

und Lehrerbewertung

10

die Ausbildungsqualität des Lernens in der Berufsschule erfasst (Tab. 2).

Skala Items Cronb. Alpha

Lern- klima

Die Mitschüler stören häufig im Unterricht. (rekodiert)

α= .71 Mitschüler nehmen wenig Rücksicht auf andere Schülerinnen/Schüler.

Was wir im Unterricht machen, finde ich meistens interessant.

Schüler schwänzen öfters die Schule.

Ich fühle mich in meiner Schule wohl.

Lehrer- bewertung

Unsere Lehrer berücksichtigen die Interessen der Schüler im Unterricht

α= .84 Unsere Lehrer gestalten den Unterricht interessant.

Unsere Lehrer nehmen die Schüler ernst.

Unsere Lehrer haben einen guten Überblick über die betriebliche Realität.

Unsere Lehrer kooperieren mit Ausbildern und Meistern aus unserem Betrieb.

Unsere Lehrer kennen sich im Fach wirklich gut aus.

Unterrichts- qualität

Unsere Lehrer kümmern sich auch um einzelne Schüler.

α= .83 Unsere Lehrer sprechen sich in der Unterrichtsplanung und -durchführung miteinander ab.

Unsere Lehrer können auch schwierige Themen verständlich vermitteln.

Unsere Lehrer geben uns die Möglichkeit, Probleme selbstständig zu lösen und beraten uns dabei.

Tab. 2: Skalen der schulischen Ausbildungsqualität (s. dazu ausführlich PIENING et al. 2014)

Das Lernklima der Berufsschule ist – komplementär zum betrieblichen Lernklima – eine grundlegende

Voraussetzung für ein mehr oder weniger erfolgreiches Lernen in der Schule.

Die Schlüsselgröße für die Qualität des schulischen Lernens sind die Lehrkräfte. Dies zeigen die em-

pirischen Daten der KOMET-Projekte in Übereinstimmung mit dem Stand der einschlägigen For-

schung. Eine Stärke der Skala liegt darin, dass differenziert werden kann zwischen Items, mit denen

die Praxis- und die Fachkompetenz der Lehrer bewertet werden kann. Für zahlreiche Berufe kommt

diesen Items eine besonders hohe Bedeutung zu, da das gute Bestehen der Prüfung und damit das

Erreichen der Berufsfähigkeit der Maßstab ist, an dem die Lernenden ihre Lehrer und Ausbilder be-

werten. Da die Auszubildenden/Studierenden deutlich unterscheiden zwischen der berufsbezogenen

und der fachbezogenen Kompetenz ihrer Lehrer, werden diese Items bei der Analyse der Lernort-

kooperation berücksichtigt.

Die Skala zur Unterrichtsqualität umfasst fünf Items, die v. a. auf die methodische Qualität des Unter-

richts und die Kooperation der Lehrer untereinander zielen.

Zur Bewertung der Qualität der Lernortkooperation durch die Auszubildenden/Studierenden wurden

Items entwickelt, mit denen die inhaltliche und die strukturelle Qualität der Lernortkooperation erfasst

werden kann (Tab. 3).

11

Skala Items Cronb.

Alpha

Lernort-

kooperation

(Struktur)

Mein Ausbildungsbetrieb und die Berufsschule stimmen die Ausbildung miteinander ab.

α= .64 Zwischen unserem Betrieb und der berufsbildenden Schule werden gemeinsame Projekte

durchgeführt.

Der Ausbildungsbetrieb ist mit der Arbeit der Schule zufrieden.

Mein Betrieb räumt dem Besuch der Berufsschule einen hohen Stellenwert ein.

Lernort-

kooperation

(Inhalte)

Das Lernen in der Berufsschule und im Betrieb passt gut zusammen.

α= .89 Der Berufsschulunterricht orientiert sich an der betrieblichen Praxis.

Der Berufsschulunterricht hilft mir, die Aufgaben und Probleme der betrieblichen Arbeit zu

lösen.

Die Inhalte, die ich in der Berufsschule lerne, kann ich in der Arbeit anwenden.

Die Arbeiten, die ich im Betrieb durchführe, werden auch in der Berufsschule behandelt.

Tab. 3: Items zur differenzierten Bewertung der Lernortkooperation

Das Qualitätsdiagramm zur Darstellung der Ausbildungsqualität

Mit dem Qualitätsdiagramm (s. Abb. 1) gelingt eine Vereinfachung und Veranschaulichung der Aus-

bildungsqualität. 57 Einzelitems lassen sich auf diese Weise auf acht Qualitätskriterien reduzieren.

Damit erhöht sich der Aussagewert der Analyseergebnisse in mehrfacher Hinsicht.

Diese Darstellungsform der Bewertung der Qualität der dualen Berufsbildung durch die Auszubilden-

den erlaubt es, auf einen Blick die Stärken und Schwächen der Ausbildungsqualität in den verschie-

denen Berufen und der Lernorten zu veranschaulichen (PIENING u. a. 2014). An der Größe der Fläche

des Diagrammes lässt sich das Niveau der Ausbildungsqualität und an der Homogenität der Quali-

tätsausprägung die Qualität der Lernortkooperation sowie die Präferenz, die die Auszubildenden für

die beiden Lernorte haben, ablesen.

Die Skalen sind in dem Qualitätsdiagramm so angeordnet, dass der oberen Hälfte des Diagramms

die drei zentralen Skalen zur Bewertung der betrieblichen Ausbildung und die drei Skalen zur Bewer-

tung des Lernens in der Schule der unteren Hälfte zugeordnet sind.

Abb. 1: Beispiel eines durchschnittlichen und eines berufsspezifischen Qualitätsdiagramms

Die beiden Kriterien zur Lernortkooperation verbinden die Diagrammehälften miteinander. Mit diesem

Qualitätsdiagramm lassen sich die Daten zur Lernortkooperation in einer komprimierten Form auf

eine besonders anschauliche Weise darstellen. Man sieht „auf einen Blick“, wie die beiden Lernorte

12

von den Auszubildenden in Bezug auf die strukturellen und inhaltlichen Merkmale der Lernortkoope-

ration bewertet werden.

Die Dimensionen zur Bewertung der Lernortkooperation fordern dazu heraus, vier Fragen nachzuge-

hen:

1. Welches sind die strukturellen und inhaltlichen Ursachen für die unterschiedliche

Ausprägung der Lernort Kooperation?

2. Über welche Möglichkeiten verfügen die Ausbilder und Lehrer, die spezifischen

Ausbildungspotentiale der Lernorte in die gemeinsame Ausbildung einzubringen?

3. Wo ist es notwendig und Erfolg versprechend Innovationen zur Verbesserung der

Lernortkooperation gemeinsam anzupacken?

4. Welche bildungsplanerischen und rechtlichen Regelungen sind erforderlich, um die

Lernortkooperation verbindlich zu regeln?

5. Wie können die angestrebten Veränderungen überprüft werden?

Bei der Analyse der Lernortkooperation ist zu berücksichtigen, dass die Ausbildungsqualität an bei-

den Lernorten einen mehr oder weniger ausgeprägten Einfluss auf die Qualität der Lernortkooperati-

on hat.

Einzelne Items der sechs Skalen zum Erfassen der Ausbildungsqualität haben daher ebenfalls einen

unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zur Analyse der Lernortkooperation: so zum Beispiel die Items

1. Das Lernen in der Berufsschule und dem Betrieb passt gut zusammen

2. Mein Betrieb räumt dem Besuch der Berufsschule einen hohen Stellenwert ein Unsere

3. Was sich in der Berufsschule lerne, ist für meinen Beruf wichtig

4. Die Inhalte, die ich in der Berufsschule lerne, kann ich in der Arbeit anwenden

5. Im Betrieb lerne ich viel mehr als in der Berufsschule.

2. Ergebnisse

Die Bedeutung der Studie ergibt sich auch aus den charakteristischen Abweichungen der berufsspe-

zifischen Profile zum Durchschnittsprofil der jeweiligen Studie. Dies kann an zwei auffälligen Profilen

verdeutlicht werden (Abb.2).

Die Pferdewirt-Auszubildenden bewerten ihre Ausbildung in Bezug auf alle Qualitätskriterien als

überdurchschnittlich hoch. Dies gilt gleichermaßen für die betriebliche und die schulische Ausbildung.

Die insgesamt überdurchschnittlich positive Bewertung der Ausbildung an beiden Lernorten wirkt sich

ganz offensichtlich auf die überdurchschnittliche Bewertung der inhaltlichen Ausgestaltung der Lern-

ortkooperation aus. Dieses Beispiel bestätigt ebenfalls die Schwäche der strukturellen Dimension der

Lernortkooperation.

Das Beispiel Fachlagerist repräsentiert die Gruppe der Berufe mit einem unterentwickelten Identifika-

tionspotenzial. Dies betrifft auch andere zweijährige Ausbildungsberufe. Diese Auszubildenden haben

zu ihrer Ausbildung eine indifferente Einstellung. Abzulesen ist dies an allen Qualitätskriterien. Eine

Verstärkung erfährt die durchgängige Gleichgültigkeit gegenüber der Ausbildung durch das Erleben

des schulischen Lernklimas als besonders negativ. Insofern verfügen diese Auszubildenden auch

nicht über eine spezifische Sensibilität in Bezug auf die Lernortkooperation. Diese wird ganz offen-

sichtlich in ihrer Bedeutung für die Qualität der Ausbildung nicht erkannt.

,

13

Abb. 2: Qualitätsprofile der Ausbildungsberufe Pferdewirt/-in und Fachlagerist/-in

14

Qualitätsdiagramme KOMET NRW 2014

Die Qualitätsdiagramme zu den acht Ausbildungsberufen (KOMET NRW) basieren auf der

Befragung von 1180 Auszubildenden des zweiten und dritten Ausbildungsjahres aus acht

Berufen.

KOMET NRW: Gewerblich-Technische Berufe

Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik

(n=62)

Elektroniker/ in für Betriebstechnik (n=46)

KFZ-Mechatroniker/-in (n=229)

Industriemechaniker/-in (n=259)

Tischler/-in (n=48)

15

KOMET NRW: Kaufmännische und Medizinsche Berufe

Industriekaufmann/-frau (n=67)

Qualitätsprofil Kaufmann/-frau Speditions- und

Logistikdienstleistung (n=91)

Medizinische/-r Fachangestellte/-r (n=142)

Abb. 3: Qualitätsprofile der Berufe der am KOMET (NRW)- Projekt beteiligten Berufe

Die Qualitätsdiagramme der beiden gewerblich-technischen Industrieberufe Elektroniker/-in

(Betriebstechnik) und Industriemechaniker/-in unterscheiden sich deutlich von den kaufmän-

nischen Berufen (Industriekaufmann/-frau und Speditionskaufmann/-frau). Bei beiden ge-

werblich-technischen Industrieberufen fällt die Bewertung der Lernortkooperation besonders

kritisch aus. Sowohl die strukturelle als auch die inhaltliche Qualität der Lernortkooperation

werden negativ bewertet. Bei einer dualen Berufsausbildung, bei der einer der beiden Lern-

orte deutlich mehr zur Ausbildungsqualität beiträgt, liegt aus der Sicht der Auszubildenden

ein Mangel im Zusammenspiel zwischen den beiden Lernorten vor. Der schwächere Partner

wird als Ursache für die Mängel in der Lernortkooperation angesehen.

Für die beiden kaufmännischen Berufe ergibt sich ein deutlich anderes Bild. Auffällig ist zu-

nächst, dass die betriebliche Ausbildungsqualität ähnlich positiv bewertet wird wie von den

Auszubildenden der gewerblich-technischen Industrieberufe. Im Unterschied zu diesen be-

werten die Auszubildenden der beiden kaufmännischen Berufe den Lernort Schule nahezu

ebenso positiv wie den Lernort Betrieb. Seinen Niederschlag findet dies in der leicht über-

16

durchschnittlichen Bewertung der inhaltlichen Dimension der Lernortkooperation. Die Auszu-

bildenden unterscheiden hier zwischen der inhaltlichen und der strukturellen Dimension der

Lernortkooperation. Letztere wird als deutlich problematischer eigestuft.

Die Auszubildenden der handwerklichen Berufe Tischler/-in und Kfz-Mechatroniker/-in Elekt-

roniker für Energie- und Gebäudetechnik sowie die MFA bewerten die Qualität ihrer Ausbil-

dung ähnlich positiv wie die SPK-Auszubildenden. Die betriebliche Ausbildung wird leicht

positiver bewertet als die schulische. Weniger positiv als von den Auszubildenden der ge-

werblich-technischen Industrieberufe wird die Ausbildungsbegleitung (durch die Ausbilder)

bewertet.

Das Qualitätsdiagramm der Kfz-Mechatroniker zeigt, dass die Auszubildenden die betriebli-

che Ausbildung ebenso wie die Auszubildenden der anderen Berufe geringfügig positiver als

die schulische Berufsausbildung bewerten, allerdings auf einem etwas niedrigeren Niveau.

Auch sie differenzieren deutlich zwischen der inhaltlichen und strukturellen Dimension der

Lernortkooperation.

Für alle acht Berufe gilt, dass die am schwächsten ausgeprägten Qualitätskriterien die Lern-

ortkooperation betreffen. Die Werte für die Struktur der Lernortkooperation liegen für alle

acht Berufe unter dem Durchschnittswert von 3,0. Für die inhaltliche Dimension der Lernort-

kooperation liegen die Werte im Durchschnitt geringfügig darüber.

Besonders kritisch wird die Struktur der Lernortkooperation von den Elektronikern (Betriebs-

technik), Industriemechanikern, Industriekaufleuten und den Tischlern bewertet.

Die inhaltliche Dimension der Lernortkooperation wird besonders kritisch bewertet von den

Elektronikern (Betriebstechnik) und Industriemechanikern und als indifferent von den Auszu-

bildenden der beiden kaufmännischen Ausbildungsberufe.

Lernortkooperation (Einzelitems) aus der Sicht gewerblich-technischer Handwerksberufe

(Tischler/-innen, Kfz-Mechatroniker/-innen, Elektroniker/-innen, Fachrichtung Gebäude- und

Energietechnik)

Dass das schulische und betriebliche Lernen zusammenpasst, gibt nur ein Drittel der Auszu-

bildenden an (Abb. 4). Es fällt jedoch auf, dass sich ein großer Anteil der Auszubildenden zu

den Fragen der Lernortkooperation – auch hier im deutlichen Gegensatz zu den Industriebe-

rufen – indifferent verhält.

17

Abb. 4: Verteilung zur Aussage „Das Lernen in der Berufsschule und im Betrieb passt gut zusammen.“

Die Einstellung der Auszubildenden wird ganz offensichtlich auch durch die indifferente Ein-

stellung der Betriebe zur Berufsschule geprägt. Nur 43 % der Tischler-Auszubildenden glau-

ben, dass ihre Betriebe dem Besuch der Berufsschule einen hohen Stellenwert beimessen

(Abb. 5).

Abb. 5: Verteilung zur Aussage „Mein Betrieb räumt dem Besuch der Berufsschule einen hohen Stellenwert ein.“

Auch die Tischler-Auszubildenden unterscheiden deutlich zwischen dem Lernen in der Be-

rufsschule für den Beruf (Abb. 6) und dem Lernen für die betriebliche Praxis (Abb. 7). Bei der

Frage, wie wichtig das in der Berufsschule Gelernte für den Beruf ist, fällt die Bewertung der

Tischler/-innen ebenso positiv aus wie beim Handwerksberuf der Elektroniker/-in für Gebäu-

de- und Energietechnik (MWTischler = 3,7 zu MWEEG = 3,8). Demgegenüber gewichten die

Auszubildenden den Stellenwert des berufsschulischen Lernens für die betriebliche Praxis

mit einem Mittelwert von 3,2 deutlich geringer.

18

Abb. 6: Verteilung zur Aussage „Was ich in der Berufsschule lerne, ist für meinen Beruf wichtig.“

Abb. 7: Verteilung zur Aussage „Die Inhalte, die ich in der Berufsschule lerne, kann ich in der Arbeit anwenden.“

Zudem positioniert sich ein Drittel der Auszubildenden indifferent gegenüber der Aussage

„Der Berufsschulunterricht und die alltägliche Arbeit im Betrieb haben nichts miteinander zu

tun“ (Abb. 8).

19

Abb. 8: Verteilung zur Aussage „Der Berufsschulunterricht und meine alltägliche Arbeit im Betrieb haben nichts

miteinander zu tun.“

Die Probleme einer unzureichenden Qualität der Lernortkooperation, die nahezu durchgän-

gig für alle Berufe gelten, werden in handwerklichen Berufen dadurch verstärkt, dass die

kleinen und sehr kleinen Betriebe nicht über die personellen Ressourcen verfügen, sich an

der Gestaltung und Organisation der Zusammenarbeit mit der Berufsschule aktiv zu beteili-

gen. Auf der Ebene der Innungen bietet sich die Einrichtung von gemeinsamen „Berufsfach-

konferenzen“ bzw. Bildungsgangkonferenzen an.

Beim Abwägen zwischen dem Stellenwert des schulischen und betrieblichen Lernens ge-

wichten die Auszubildenden dieser Berufe das Lernen im Betrieb etwas höher (MW = 3,36).

Auffällig hoch ist der hohe Anteil der Indifferenten (45 %; Abb. 9). Die Auszubildenden zum/-r

KFZ-Mechatroniker/-in bewerten im deutlichen Gegensatz zu den Tischler-Auszubildenden

die betriebliche Ausbildung deutlich positiver (MW=3,52).

Abb. 9: Verteilung der Aussage „Im Betrieb lerne ich viel mehr als in der Berufsschule.“

20

Die Ausbildungsqualität der Berufsschule

Die angehenden Tischler/-innen bewerten die Berufsschule als einen Lernort, an dem sie

sich – vertiefend – berufliches Fachwissen aneignen können. Das „Lern- und Arbeitsklima“

erleben sie in der Tendenz positiv (Abb. 10).

Abb. 10: Verteilung der Frage: „An unserer Berufsschule herrscht ein gutes Arbeits-/Lernklima.“

Kompetenz der Lehrer

Die Fachkompetenz der Lehrer/-innen wird indifferent eingeschätzt – jedoch positiver als in

den anderen gewerblich-technischen Industrieberufen. Dass die Lehrer/-innen die betriebli-

che Realität des Tischlerhandwerkers kennen, bejahen 40 % der Auszubildenden (Abb. 11).

Abb. 11: Verteilung zur Aussage „Unsere Lehrer/-innen haben einen guten Überblick über die betriebliche Reali-

tät."

21

Mehr als die Hälfte der Befragten (56 %) sind der Auffassung, dass sich ihre Lehrer/-innen

„im Fach gut auskennen“ (Abb. 12).

Abb. 12: Verteilung zur Aussage „Unsere Lehrer/-innen kennen sich im Fach wirklich gut aus.“

Hier bestätigt sich erneut das Phänomen, dass die Auszubildenden bei der Bewertung der

Lehrerkompetenz deutlich differenzieren zwischen berufsbezogenen und fachbezogenen

Kompetenzen. Das mit der Einführung des Lernfeldkonzepts verfolgte Ziel eines Perspektiv-

wechsels von einer an Fächern orientierten zu einem an „bedeutsamen Arbeitssituationen

orientierten Lernen“ ist demnach noch nicht Realität im didaktischen Handeln der Lehrer/-

innen.

Abb. 13: Verteilung zur Aussage „Unsere Lehrer/-innen geben uns die Möglichkeit Probleme selbständig zu lösen

und beraten uns dabei.“

22

Lernortkooperation bei der Ausbildung für die Krankenpflege

In einer Studie über die Einflussfaktoren auf die Entwicklung beruflicher Identität und berufli-

chen Engagements bei der Ausbildung von Fachkräften für die Krankenpflege untersucht

Renate Fischer (2013) auch den Faktor Lernortkooperation. Sie kommt zu dem Ergebnis,

dass sich die Bewertung der Qualität der Lernort Kooperation durch die Fachschulstudieren-

den von der der Auszubildenden in den BBiG-Berufen deutlich unterscheidet (Abb. 14).

Abb. 14: „Das Lernen in Schule und Praxis passt gut zusammen“ (n=467)

In der Gesamtbetrachtung wird die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Praxis positiv

bewertet: So haben 75% der Studierenden eher oder vollkommen den Eindruck, dass die

Lehrpersonen mit Praxisanleitern und Pflegedienstleitungen im Krankenhaus kooperieren –

auf nur 5% der Befragten trifft diese Aussage nicht zu. Gut die Hälfte (55%) der Befragten

geben an, ihre Praxiseinsatzorte und die Schule stimmten die Ausbildung eher oder voll-

kommen miteinander ab (Abb. 15). Nur 14% der Befragten sind der Ansicht, dass das Ler-

nen in Schule und Praxis nicht gut zusammen passt.

23

Abb. 15:“Meine Praxiseinsatzorte und die Schule stimmen die Ausbildung miteinander ab“; Vergleich der Auszu-

bildenden im Pflegebereich (n=467) mit einer Gesamterhebung Berufsausbildung in Bremerhaven (n=1560)

Die dreijährige Pflegeausbildung an den Höheren Fachschulen der Schweiz

Das Fachschulstudium ist dual organisiert. Abb. 20 zeigt das durchschnittliche Qualitätsprofil

dieses Bildungsganges.

Abb. 16: Durchschnittliches Qualitätsprofil KOMET Pflegeausbildung Schweiz 2014

Vergleicht man die Qualitätsprofile der höheren Fachschulen Pflegeausbildung in der

Schweiz mit den Ergebnissen der Kontextanalysen anderer dualer Bildungsgänge (zum Bei-

spiel Deutschlands) dann fällt auf, dass die Qualität der Lernortkooperation in der Schweiz

deutlich positiver bewertet wird.

Diese deutlich positivere Bewertung der Lernortkooperation durch die Fachschulstudieren-

den der Pflegeausbildung lassen sich vor allem auf einen Faktor zurückführen: die Steue-

rung des dualen Studiums an den Fachschulen in Deutschland und der Schweiz „aus einer

Hand“. Die Gesamtverantwortung für die Organisation und Koordination der theoretischen

und der praktischen Ausbildung liegt nach Paragraph 4 des deutschen Krankenpflegegeset-

zes bei den Fachschulen. Die Zuständigkeit für die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für

24

die Berufe in der Krankenpflege sind in einer Verordnung des zuständigen Bundesministeri-

ums geregelt. In der Praxis verfügen die Fachschulen über einen großen Gestaltungsspiel-

raum bei der Umsetzung der Ausbildungsordnungen in eine inhaltlich und strukturell gelun-

gene Lernortkooperation (Fischer 2013, Kapitel 2.2.5). Eine vergleichbare Situation ist gege-

ben bei der Ausbildung von Pflegefachkräften an den höheren Fachschulen der Schweiz.

3. Diskussion der Ergebnisse

Diese Beispiele stützen die These, dass die Sensibilität der Auszubildenden in Bezug auf die

strukturelle Qualität der Lernortkooperation mit zunehmender Ausbildungszufriedenheit zu-

nimmt. Die Schwächen der strukturellen Lernortkooperation werden von den Auszubildenden

eher erkannt, wenn sie über ein hohes Kompetenzniveau verfügen und die Ausbildungsquali-

tät insgesamt (sehr) positiv bewerten. Die überdurchschnittlich positive Bewertung der Lern-

ortkooperation durch die Fachschulstudierenden der deutschen und Schweizer Fachschulen

ist insofern bemerkenswert, da die Studierenden nach einer Einschätzung der Lehrkräfte

über eine ausgeprägte Kritikfähigkeit verfügen (Rauner, Piening, Bachmann 2015).

Als zentrale Barriere für eine Verbesserung der Lernortkooperation in der nach dem Berufs-

bildungsgesetz geregelten dualen Berufsausbildung gilt die Steuerung der betrieblichen Be-

rufsausbildung auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes – einerseits – sowie die Steu-

erung der schulischen Berufsausbildung auf der Grundlage der Bildungsgesetze der Länder

andererseits. Bereits bei der Formulierung des Bildungsauftrages sind die Bestimmungen

der Bildungsgesetze der Länder mit den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes nicht auf

einen Nenner zu bringen. Auf der Grundlage der Bildungsgesetze der Länder hat die KMK

1991 als Bildungsauftrag für die beruflichen Schulen festgelegt: die Befähigung zur Mitge-

staltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft in sozialer und ökologischer Verantwortung

(KMK 1991). Dieser ambitionierte Bildungsauftrag zeichnet die berufsbildenden Schulen mit

ihren nach Lernfeldern strukturierten Rahmenlehrplänen aus. Nach der Verfassung können

auf Bundesebene keine Bildungsgesetze erlassen werden. Daher ist das „Berufsbildungsge-

setz“ kein Bildungsgesetz, sondern ein Gesetz der Wirtschaftsverfassung. Ein Bildungsauf-

trag kann daher in diesem Gesetz auch nicht verankert werden. Das BBiG bestimmt ledig-

lich, dass in der Berufsausbildung die für die Ausübung beruflicher Tätigkeiten notwendigen

beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln seien. Dabei komme es

auch darauf an, die erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (§1 (3)). Von den Aus-

bildungs- und Prüfungsordnungen hängt es daher vor allem ab, welche Qualität die Berufs-

ausbildung in einzelnen Berufen aufweist. Die Berufsforschung zeigt, dass die Qualität und

Attraktivität der über 300 Ausbildungsberufe höchst unterschiedlich ausfällt (vgl. Rauner,

Frenzel, Piening, Bachmann 2015). Im Rahmen der Lernortkooperation wird der Berufsschu-

le von Seiten der Bundesländer auch eine kompensatorische Funktion zugeschrieben. Ihr

obliegt es danach, mit ihrem anspruchsvollen Bildungsauftrag die Berufsausbildung auch in

wenig attraktiven Berufen mit einem niedrigen Identifikationspotenzial aufzuwerten. Ohne

eine Modernisierung dieser Berufsbilder ist dies jedoch kaum möglich.

Zu den strukturellen Schwierigkeiten der Lernortkooperation zählen auch die Prüfungsrege-

lungen, die die Mitwirkung der Berufsschule als Institution an den Abschlussprüfungen ein-

schränkt. Lehrer werden als Prüfer in die Prüfungskommissionen berufen. Dies ist im Be-

rufsbildungsgesetz und nicht in den Schulgesetzen der Länder geregelt. In der Prüfungspra-

25

xis hat sich die Zusammenarbeit zwischen Ausbildern und Lehrern in den Prüfungskommis-

sionen zu einem informellen Instrument der Lernortkooperation entwickelt, das sein Potenzial

je nach Beruf und Region unterschiedlich entfaltet. Ein darüber hinaus reichender Schritt der

Einführung einer Abschlussprüfung an Berufsschulen wurde nur von Baden-Württemberg

vollzogen. Daraus hat sich schließlich eine zwischen dem Kultusministerium und den Kam-

mern vereinbarte Beteiligung der Berufsschulen an den Abschlussprüfungen entwickelt. Für

die Qualität der Lernortkooperation hat sich dies nachweislich als sehr positiv erwiesen (s.

u.). Die in NRW eingeführte Regelung zur Durchführung von Bildungsgangkonferenzen stellt

den Versuch dar, die „didaktische Jahresplanung“ berufsbezogen zwischen Lehrern und

Ausbildern abzustimmen. Die in diesem Bericht dokumentierten Ergebnisse zur Lernortko-

operation stützen die Hypothese, dass die Ausgestaltung der didaktischen Jahresplanung zu

einem wirksamen Instrument der Lernkooperation auf der Grundlage des KOMET-

Instrumentariums zu einer neuen Qualität beitragen könnte.

Auszubildende unterschätzen die Bedeutung des Lernortes Berufsschule

Im A + B Forschungsbericht Nr. 17 des IBB zum Lernort Berufsschule konnte gezeigt wer-

den, dass die Auszubildenden das Lernen in der Berufsschule in seiner Bedeutung für ihre

berufliche Entwicklung systematisch unterschätzen. Die Ursache dieses Phänomens basiert

auf einem Dilemma. Die in allen Rahmenlehrplänen verankerte Leitidee der Befähigung zur

Mitgestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft in sozialer und ökologischer Verantwor-

tung liegt dem 1996 eingeführten Lernfeldkonzept zu Grunde (KMK 1996 1999). Die Begrün-

dung dieser Leitidee kann sich nicht nur auf bildungstheoretische Argumente stützen, son-

dern vor allem auch auf das betriebswirtschaftliche Konzept der partizipativen betrieblichen

Organisationsentwicklung und die Einführung flacher betrieblicher Organisationsstrukturen.

Beides gilt als Grundlage für die Realisierung einer hohen Arbeitsproduktivität und betriebli-

chen Entwicklungsdynamik. Daher genügt es nicht, Auszubildenden lediglich handlungslei-

tendes Regelwissen zu vermitteln, sondern darüber hinaus berufliches Wissen auf den Ni-

veaus des handlungserklärenden und -reflektierenden Arbeitsprozesswissens. Darauf basiert

die Möglichkeit, Verantwortung sowie Aufgaben der Qualitätssicherung auf die Ebene der

Facharbeit zu verlagern. Berufliche Kompetenz auf diesem Wissensniveau wird jedoch – in

der Regel – nicht in der betrieblichen, sondern in der berufsschulischen Bildung vermittelt.

Das Dilemma besteht nun darin, dass Auszubildende in ihrer großen Mehrheit zwar die Be-

deutung des handlungsleitenden Wissens in ihrer betrieblichen Ausbildung unmittelbar erle-

ben und daher wertschätzen. Die Bedeutung des darauf aufbauenden Arbeitsprozesswis-

sens im Prozess der schulischen Berufsbildung erleben sie selten unmittelbar in der berufli-

chen Praxis. Sie müssen sich die Bedeutung dieser höheren Wissensniveaus gedanklich

und reflektierend erschließen. Dies gelingt ganz offensichtlich nur einem Teil der Auszubil-

denden – und auch nur dann, wenn die schulische Berufsbildung dieses Wissensniveau er-

reicht. Die große Heterogenität des Kompetenzniveaus zwischen den schulischen Klassen

desselben Berufes zeigt, dass es nicht immer gelingt, berufliche Kompetenz auf dem Niveau

des handlungsreflektierenden Wissens zu vermitteln – und damit auch das Lernfeldkonzept

umfassend umzusetzen. Wenn es gelingt, das KOMET-Kompetenzmodell didaktisch erfolg-

reich zu implementieren, dann erkennen die Auszubildenden auch den Stellenwert des schu-

lischen Lernens. Der Lernort Schule wird dann als ebenso wichtig für ihre Berufsausbildung

eingeschätzt wie die betriebliche Ausbildung. Entsprechend positiv fällt dann auch die Be-

wertung der inhaltlichen Dimension der Lernortkooperation aus.

26

4. Perspektiven

Die Methoden des KOMET-Projektes erlauben es, die Qualität der Lernortkooperation be-

rufs- und lerngruppenspezifisch detailliert zu erfassen und daraus Schlussfolgerungen abzu-

leiten für die Gestaltung und Organisation der beruflichen Bildung an beiden Lernorten. Da-

bei kommt der Auswertung und Reflexionen der KOMET-Test- und Kontextdaten durch die

Lehrer/Ausbilder-Teams eine große Bedeutung zu.

1. Bewertung der inhaltlichen und strukturellen Qualität der Lernortkooperation

Wenn es zum Beispiel in der betrieblichen Ausbildung nur unzureichend gelingt, den Auszu-

bildenden von Beginn ihrer Ausbildung an zu vermitteln, wie sich ihre Tätigkeiten (beim Ler-

nen im Arbeitsprozess) in die betrieblichen Geschäftsprozesse einfügen, dann besteht kaum

die Möglichkeit, im schulischen Lernen eine an den betrieblichen Geschäftsprozessen orien-

tierte Didaktik – und damit das Lernfeldkonzept – effektiv umzusetzen. Die Vermittlung von

Zusammenhangswissen ist ohne eine Geschäftsorientierung in der betrieblichen Ausbildung

kaum möglich und eine auf Qualitäts- und Verantwortungsbewusstsein zielende Berufsaus-

bildung würde dann erschwert. Daher ist die Einbettung der Ausbildung in die betrieblichen

Geschäftsprozesse - so, dass dies von den Auszubildenden auch erlebt wird – von grundle-

gender didaktischer Bedeutung für das Gelingen der Lernortkooperation. Dies setzt jedoch

voraus, dass das schulische Lernen an den reflektierten Arbeitserfahrungen der Auszubil-

denden anknüpft.

2. Das Schulklima

Wenn das Schulklima als negativ erlebt wird, dann hat dies gravierender Auswirkungen auf

die berufliche Kompetenzentwicklung (Abb. 17 und Abb. 18). Für die Industriemechaniker

stellt sich zum Beispiel der Faktor „Störungen des Unterrichts durch Mitschüler“ als ein ein-

flussreicher Qualitätsaspekt heraus. Während die Risikoschüler (Auszubildende, die beim

Test über das Niveau der nominellen Kompetenz nicht hinausgelangen) sowie die Schüler

mit einem niedrigen und sehr niedrigen Kompetenzniveau die „Störung durch Mitschüler/-

innen“ nicht wahrnehmen, empfinden die leistungsstarken Schüler/-innen die Unterrichtsstö-

rungen durch Mitschüler als ein Problem.

27

Abb. 17: „An unserer Schule nehmen Mitschüler/-innen wenig Rücksicht auf andere Schülerinnen/Schüler.“

Abb. 18: Einfluss des schulischen Lernmilieus auf die Kompetenzentwicklung

Die Qualitätsdiagramme der industriellen gewerblich-technischen Berufsausbildung legen

die Interpretation nahe, dass das Schulklima sich auf die Lernortkooperation auswirkt und

damit auch die Kompetenzentwicklung beeinträchtigt.

Für Analysen weiterer Zusammenhänge bieten die vorliegenden Daten den lokalen Leh-

rer/Ausbilder-AGs vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung der Lernortkooperation.

3. Bildungsgangkonferenz (Berufsfachkonferenz) und didaktische Jahresplanung

An den Bildungsgang- bzw. Berufsfachkonferenzen nehmen die an der Ausbildung für einen

spezifischen Beruf (an einem Berufskolleg) beteiligten Lehrer und Ausbilder teil. Für Berufe

28

mit geringen Ausbildungszahlen bieten sich auch regionale Arbeitsgemeinschaften an. In der

Praxis lassen sich vor allem im Handwerk die für die Ausbildung verantwortlichen Meister oft

durch Ausbildungsbeauftragte (Gesellen) vertreten. Die lokalen Mitglieder von Prüfungs-

kommissionen bieten sich als Kristallisationspunkte für die Einführung und Organisation die-

ser Form der Lernortkooperation an.

Zu den Aufgaben dieser Konferenzen gehören vor allem:

Inhaltliche und organisatorische Abstimmung zwischen schulischem, betrieblichem

und überbetrieblichem Lernen zur Vermeidung von Doppelungen, zur

wechselseitigen Ergänzung der Ausbildung und zur optimalen Nutzung vorhandener

Ausbildungsressourcen,

Planung, Durchführung und (Selbst)Evaluation lernortübergreifender Projekte. Dafür

bietet sich das KOMET Kompetenz- und Messmodell an.

Beratung und Abstimmung bei der Einführung und Umsetzung neuer oder

modernisierter Berufsbilder, Ausbildungsordnungen, Ausbildungsrahmenpläne und

Rahmenlehrpläne,

Beratung und Abstimmung bei der Einführung und Umsetzung neuer Prüfungsformen

und Prüfungsordnungen.

Um die Kompetenzen und Erfahrungen von Lehrkräften und Ausbildern für die Steuerung

und Organisation der beruflichen Bildung zu nutzen, können die Bildungsgang-

/Berufsfachkonferenzen an die für die Berufsbildung zuständigen Institutionen und Gremien

Empfehlungen und Anregungen formulieren, auf Probleme hinweisen und Innovationen an-

regen. Diese können z.B. darauf abzielen

Ausbildungshemmnisse, Defizite und Probleme bei der Umsetzung von

Ausbildungsordnungen zu benennen,

Innovationen bei der Ausgestaltung des Prüfungswesens anzuregen,

weitere Ausbildungsbetriebe zu gewinnen oder auf Potenziale zur Gründung von

Ausbildungspartnerschaften hinzuweisen.

Eine schulrechtliche Verankerung dieser Form der Lernortkooperation hat Nordrhein-

Westfalen mit der didaktischen Jahresplanung eingeführt. Wenn die Methoden des KOMET-

Projektes zum Gegenstand der didaktischen Jahresplanung werden, verfügt diese Form der

Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Ausbildern über das Potenzial, die Qualität der

Lernortkooperation sowohl strukturell als auch inhaltlich zu erhöhen.

4. Beteiligung der Berufsschulen an den Abschlussprüfungen

Wie sich die Einführung einer Abschlussprüfung an Berufsschulen und die Beteiligung an

den Abschlussprüfungen auf die Qualität der Lernortkooperation und die Qualität der Ausbil-

dung auswirken, wurde erstmalig im Rahmen einer umfangreichen Evaluationsstudie zur

Einführung der IT-Berufe untersucht (Petersen, Wehmeier 2001):

Baden-Württemberg führt an Berufsschulen Abschlussprüfungen durch landesspezifische

Prüfungen durch, die zugleich als Teil der BBiG-Abschlussprüfungen gewertet werden. Die

rechtliche Grundlage bildet eine Vereinbarung des Kultusministeriums mit den Kammerorga-

nisationen des Landes.

29

Die Mitwirkung der Berufsschulen Baden-Württembergs an den Abschlussprüfungen wirkte

sich bei der Einführung der IT-Berufe wie folgt aus:

Das neue IT- Prüfungskonzept mit den „ganzheitlichen Aufgaben“ wurde bundesweit

von 40 % der Auszubildenden als „prüfungsgerecht“ bewertet. In Baden-Württemberg

lag dieser Anteil bei 60 %.

Die Ausbildungsbetriebe Baden-Württembergs begrüßten zu 80% das neue

Prüfungskonzept, gegenüber 65 % auf Bundesebene.

Bei der Frage nach der Übereinstimmung der Prüfungs- und Ausbildungsinhalte fielen

die Bewertungen der Auszubildenden Baden-Württembergs eindeutig positiver aus.

Nur knapp 20 % der Auszubildenden bewerteten die Übereinstimmung der Prüfungs-

und Ausbildungsinhalte als „zu gering“, 80 % als ausgewogen und gut. Von den

Auszubildenden der anderen Bundesländer bewerten 60% die Übereinstimmung als

„zu gering“ und 40 % als angemessen und gut. „Vor allem die bessere

Übereinstimmung der Prüfungs- und Ausbildungsinhalte in Baden-Württemberg und

die insgesamt schlechte in den anderen Bundesländern hat seine Begründung ganz

offensichtlich auch in der Gestaltung und den Inhalten der unterschiedlichen

Prüfungsaufgaben“ (ebd.173).

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich eine lernortübergreifenden Prüfungspraxis positiv auf die

Lernortkooperation auswirkt.

Zur Gestaltung und Durchführung von kompetenzorientierten Prüfungen nach dem KOMET-

Kompetenzmodell hat das IBB eine Machbarkeitsstudie vorgelegt (Rauner 2015). Es wird

vorgeschlagen, den schriftlichen Teil der Prüfung auf der Grundlage von Prüfungsaufgaben

nach dem KOMET-Textformat durchzuführen und die „praktische Prüfung“: die betrieblichen

Projekte bzw. Aufträge, aufzuwerten. Danach findet die Planung und Vorbereitung der be-

trieblichen Aufträge unter Aufsicht statt. Die dabei erarbeiteten konzeptionellen (planerisch

vorbereitenden) Lösungsvorschläge sowie die geplante Vorgehensweise werden detailliert

begründet. Dieser Prüfungsteil wird dann von den Prüfern nach dem etablierten Ratingver-

fahren (KOMET) bewertet. Nach der Durchführung der Projekte und dem Fachgespräch er-

gänzen und korrigieren die Prüferh ihre Bewertungen (Rating). Auf der Grundlage dieses

Verfahrens kann eine hohe Genauigkeit und Vergleichbarkeit bei der Bewertung der Prü-

fungsleistungen erreicht werden. Damit würden zugleich die Leitidee der Gestaltungskompe-

tenz sowie das Lernfeldkonzept Eingang in eine lernortübergreifende Prüfungs- und Ausbil-

dungspraxis finden.

30

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dung. Bd. 6. Hrsg.: Berufsförderungswerk Hamburg. S. 71- 86

32

Bislang erschienen in der Reihe A+B:

A+B 01/2008 Heinemann, Lars; Rauner Felix: „Identität und Engagement: Konstruktion eines Instruments zur Beschreibung der Entwicklung beruflichen Engagements und beruflicher Identität“

A+B 02/2009 Rauner, Felix; Heinemann, Lars; Haasler, Bernd: „Messen beruflicher Kompe-tenz und beruflichen Engagements“

A+B 03/2009 Fischer, Martin: „Über das Verhältnis von Wissen und Handeln in der Berufli-chen Arbeit und Ausbildung“

A+B 04/2009 Maurer, Andrea; Rauner, Felix; Piening, Dorothea: „Lernen im Arbeitsprozess – ein nicht ausgeschöpftes Potenzial dualer Berufsausbildung“

A+B 05/2010 Xu, Han: „Umsetzung der Lernfeldkonzepte zwischen Wunsch und Wirklichkeit – eine empirische Studie in den Berufsfeldern Elektro- und Metalltechnik“

A+B 06/2010 Hauschildt, Ursel; Piening, Dorothea; Rauner, Felix: „Lösung von Ausbildungs-verträgen aus der Sicht von Auszubildenden und Betrieben“

A+B 07/2010 Rauner, Felix: „Demarkationen zwischen beruflicher und akademischer Bildung und wie man sie überwinden kann“

A+B 08/2010 Haasler, Bernd; Eckebrecht, Jochen: „Fertigungsoptimierung und Personalent-wicklung sind untrennbar“ – Eine explorative Studie arbeitswissenschaftlicher Beratungs- und Forschungspraxis“

A+B 09/2012 Rauner, Felix; Maurer, Andrea; Piening, Dorothea: „Lernen in Geschäftspro-zessen“

A+B 10/2012 Rauner, Felix: „Multiple Kompetenz: „Die Fähigkeit der holistischen Lösung beruflicher Aufgaben“

A+B 11/2012 Rauner, Felix : „Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern“

A+B 12/2014 Rauner, Felix: „Überprüfen beruflicher Handlungskompetenz. Zum Zusammen-hang von Prüfen und Kompetenzdiagnostik“

A+B 13/2014 Langemeyer, Ines; Rohrdantz-Herrmann, Ines: „Forschungsorientiertes Lehren – eine Bestandsaufnahme am KIT“

A+B 14/2014 Rauner, Felix; Piening, Dorothea: „Heterogenität der Kompetenzausprägung in der beruflichen Bildung“

A+B 15/2014 Fischer, Martin; Huber, Kerstin; Mann, Eva; Röben, Peter: „Informelles Lernen und dessen Anerkennung aus der Lernendenperspektive – Ergebnisse eines Projekts zur Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in Baden-Württemberg“

A+B 16/2015 Rauner, Felix; Piening, Dorothea: „Kontextanalysen im KOMET-Forschungs-projekt: Erfassen der Testmotivation”

A+B 17/2015 Rauner, Felix; Piening, Dorothea; Frenzel, Jenny: „Der Lernort Schule als De-terminante beruflicher Kompetenzentwicklung“ (i. E.)

A+B 18/2014 Rauner, Felix; Piening, Dorothea; Zhou, Yingyi: „Stagnation der Kompetenz-entwicklung – und wie sie überwunden werden kann“ (i. E.)

A+B 19/2015 Rauner, Felix; Piening, Dorothea; Scholz, Thomas: „Denken und Handeln in Lernfeldern. Die Leitidee beruflicher Bildung – Befähigung zur Mitgestaltung der Arbeitswelt – wird konkret.“ (i.E.)