discounter am scheideweg - gfkps.com · der „aldi-Äquator” verläuft vom niederrhein quer...
TRANSCRIPT
Eine Gemeinschaftsstudie von GfK Panel Services Deutschland und der Unternehmensberatung Accenture
Discounter am Scheideweg Wie kaufen Kunden künftig ein?
GfK PANEL SERVICES DEUTSCHLAND
Die GfK ist eines der größten Marktforschungs-
unternehmen der Welt und beschäftigt rund
9.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus
über 100 Ländern liefern 115 operative Unter-
nehmen das Wissen zu Märkten und Branchen,
das die Kunden aus Industrie, Handel, Medien
und dem Dienstleistungsbereich für ihre Ent-
scheidungen brauchen.
GfK Panel Services Deutschland ist Teil des
internationalen Haushaltspanel-Netzwerks
Europanel, mit dem die GfK Gruppe und ihre
Partnerinstitute in mittlerweile 27 europä-
ischen Ländern Marktstrukturen und Markt-
veränderungen sowie die Konsum- und Nach-
fragegewohnheiten der Verbraucher beobach-
ten und analysieren. Kunden sind nahezu alle
führenden Unternehmen der Markenartikel-
industrie in Europa auf dem Sektor der Fast
Moving Consumer Goods sowie der deutsche
Lebensmitteleinzelhandel und andere Distribu-
tionskanäle für FMCG.
Basis der kontinuierlichen Marktbeobachtung
von GfK Panel Services sind das 20.000er Haus-
haltspanel ConsumerScan, das 25.000er Indivi-
dualpanel ConsumerScan sowie verschiedene
Spezialpanels (z.B. Baby-, Blumen-Panel etc.).
ACCENTURE DEUTSCHLAND GMBH
Accenture ist ein weltweit tätiger Manage-
mentberatungs-, Technologie- und Outsour-
cing-Dienstleister. Als führender Business
Innovation Partner unterstützt Accenture
Unternehmen dabei, Innovationen umzusetzen,
Geschäftsprozesse und -modelle zu optimieren
und so Leistungsfähigkeit, Kundennutzen und
Unternehmenswert zu steigern. Im Geschäfts-
jahr 2006/07 erzielte das Unternehmen mit
178.000 Mitarbeitern in 49 Ländern 19,7 Mrd.
US-Dollar Umsatz. Bei Accenture in Deutsch-
land, Österreich und der Schweiz arbeiten
derzeit mehr als fünftausend Mitarbeiter.
Die erfolgreichen Kundenbeziehungen von
Accenture zeigen sich in langjährigen Partner-
schaften: Mit 85 der Top 100 Kunden besteht
die Zusammenarbeit bereits mehr als zehn
Jahre. Weltweit arbeitet das Unternehmen mit
den größten Industriekonzernen und Regie-
rungsbehörden zusammen, darunter sind
94 Unternehmen der Fortune Global 100 und
mehr als zwei Drittel der Fortune Global 500.
Umfangreiches Branchenwissen, profundes
Know-how über die Geschäftsprozesse, inter-
nationale Teams und hohe Umsetzungskom-
petenz zeichnen Accenture aus. So können
stets die richtigen Mitarbeiter, Fähigkeiten und
Technologien bereitgestellt werden, um die
Leistung der Kunden zu optimieren.
Die deutsche Retail-Industrie steht seit vie-
len Jahren vor großen Herausforderungen:
Anspruchsvolle Verbraucher, intensiver Wett-
bewerb, hohe Wachstumserwartungen und
die Globalisierung machen den Kampf um den
Kunden immer schwieriger. Im Handelsbereich
unterstützt Accenture mit zukunftsweisenden
Konzepten, Prozessen und Technologien Unter-
nehmen dabei, High Performer zu werden, die
ihre Kunden schneller, kostengünstiger und mit
einem einzigartigen Erlebniswert bedienen.
Inhalt 1
VORWORT 2
DISCOUNTER – EINE DEUTSCHE ERFOLGSGESCHICHTE 4
Die Discounter sind das Erfolgsformat schlechthin der letzten Jahr-
zehnte im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Ausgestattet mit
diesem Sieger-Gen, haben sie sich auch im Ausland erfolgreich eta-
bliert. Eine kurze Geschichte des langen Erfolgsweges von der ersten
Aldi-Filiale bis heute…
DISCOUNTER AM SCHEIDEWEG – IST DAS WACHSTUM ZU ENDE? 12
Auch unter wirtschaftlich guten Rahmenbedingungen sind die Dis-
counter 2007 in Deutschland weiter gewachsen. Doch bei genauerem
Hinsehen zeigen sich erste Kratzer am Erfolgsmodell Discount, und
das ausgerechnet im Stammland und vor allem bei Marktführer Aldi.
Bisherige Wachstumsfaktoren und künftige Wachstumshemmnisse…
PROGNOSE 2020 – GEWINNER UND VERLIERER 20
Die deutsche Bevölkerung wird in den nächsten Jahren insgesamt
deutlich älter, die Zahl der Ruhestands-Haushalte steigt stetig an. Doch
gerade in der konsumfreudigen und vergleichsweise wohlhabenden
älteren Mittelschicht sind die Discounter relativ schwach. Wer gewinnt
und wer verliert in diesem ‚Gesellschaftsspiel‘…
ZUKÜNFTIGE WACHSTUMSTREIBER IN LEH UND DISCOUNT 30
Alles dreht sich um die Konsumenten? Nein: Alles dreht sich um
den (einzelnen) Kunden. Customer Centricity ist der Schlüssel zu der
immer heftiger umworbenen Spezies des marken- und einkaufsstät-
tentreuen Konsumenten: Wer hat die kreativsten Ideen, wer die über-
zeugendste Strategie? Und welche Anbieter gewinnen den Wettlauf
um die besten Köpfe und Talente…
Fazit 43
Vorwort2
Erfolgs-Geschichte
Lebensmittel sind in Deutschland während der
letzten Monate massiv teurer geworden. Den-
noch sind sie immer noch deutlich billiger als in
den meisten anderen europäischen Ländern.
Dies gilt erst recht, wenn man nicht die nomi-
nalen Preise betrachtet, sondern die relativen:
Für ihre Ernährung müssen die deutschen
Verbraucher heute nicht mal ein Siebtel ihres
durchschnittlichen Einkommens aufwenden.
Dies verdanken sie in erster Linie den Dis-
countern, jener deutschen Sonderform des
Verbrauchsgüterhandels, der so sehr ein
Exportschlager ist, wie er andererseits großen
ausländischen Handelsketten den Sprung nach
Deutschland erschwert. Allerdings hat diese
„protektionistische” Barriere nicht verhindert,
dass der Wettbewerb in Deutschland selbst
umso vehementer war und ist.
So gab es 1970 in Deutschland noch gut
165.000 LEH-Geschäfte, heute sind es gerade
einmal rund 50.000. Auch die Gewichte unter
den Vetriebsschienen haben sich verschoben.
Gehörten 1970 noch fast alle Einkaufsstätten
zur Gruppe des so genannten Traditionellen
LEH, so ist dieser Geschäftstyp heute auf einen
Anteil von gerade einmal rund 30 Prozent
geschrumpft.
Die Discounter, damals mit knapp 2.000 Läden
bzw. gut einem Prozent Marktanteil ein gera-
dezu exotischer Vertriebskanal, verfügen heute
über fast 20 Prozent aller LEH-Verkaufsstellen
und sind mit einem Umsatzanteil von zusam-
men 43 Prozent die dominierende Vertriebs-
schiene im deutschen Verbrauchsgüterhandel.
Erfolgs-Faktoren
Doch genau an diesem Punkt zeigen sich die
ersten Kratzer in einer bislang eher makel-
losen Erfolgsbilanz. Die Zukunft der Discounter
in Deutschland lässt sich nicht mehr einfach
durch Fortschreibung vergangener Zeitreihen
prognostizieren. Sie stoßen vielmehr gerade
wegen ihrer Erfolge zunehmend an Grenzen
ihres nationalen Wachstums.
u Zwar haben die Discounter insgesamt trotz
aller negativen Vorzeichen auch 2007 wieder
einen Umsatzzuwachs von 3,5 Prozent erzielt
und damit ihren wertmäßigen Marktanteil
weiter ausgebaut. Erstmalig musste jedoch Aldi
einen Umsatzrückgang von 1,5 Prozent ge-
genüber dem Vorjahr hinnehmen. Darin erste
Anzeichen für eine Schubumkehr zu sehen,
wäre sicher verfehlt, aber es ist ein mehr als
deutliches Zeichen dafür, dass auch für die
Discounter die Früchte künftig höher hängen.
u Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass
„traditionelle“ Wachstumstreiber immer mehr
an Kraft verlieren. So bringen Neueröffnungen
den Discountern nicht mehr den gewünschten
Effekt; die Flächenproduktivität geht zurück.
Zudem haben die Discounter durch ihre mas-
sive Flächenexpansion ihr Kundenpotenzial na-
hezu ausgeschöpft. Jeder Haushalt in Deutsch-
land kann im Durchschnitt innerhalb von zehn
Minuten drei verschiedene Discounter mit dem
Auto erreichen.
u Hinzu kommt, dass die Discounter zu-
nehmend ihre relative Alleinstellung bei den
Handelsmarken verlieren. Alle Marktteilneh-
mer, nicht mehr nur die Discounter, bieten über
ein wachsendes Eigenmarken-Sortiment gute
Einstiegspreislagen, so dass eine Profilierung
der Discounter allein über den Preis nicht mehr
ausreicht. Zudem werben auch Super- und
Hypermärkte in Zeitungsbeilagen und Wochen-
angeboten mit preisaggressiven Angeboten.
Wolfgang Twardawa
Division Manager
GfK Panel Services
„Die Discounter haben die
letzten zehn Jahre über
das Handelsgeschehen
in Deutschland nicht nur
dominiert, sondern nach
Belieben kontrolliert. Ihr
einziges, von den Wettbe-
werbern nicht zu kontern-
des Argument war dabei
der Preis. Jetzt haben sie
sich an die Spitze der Preis-
erhöhungen gesetzt und
damit dieses Argument zur
Disposition gestellt. Auch
wenn der Preisabstand zu
den Vollsortimentern gleich
bleibt, so ändert sich doch
die Wahrnehmung durch
die Verbraucher.“
3
Erfolgs-Hindernisse
Während die Discounter im Ausland weiter
kräftig wachsen, haben sie in ihrem Stammland
Deutschland mit nachlassender Nachfrage-
dynamik, inneren Wachstumshemmnissen und
aktiver wie aggressiver werdenden Wettbe-
werbern zu kämpfen.
Nach einer jahrzehntelangen, einzigartigen
Erfolgsgeschichte stehen die Discounter heute
am Scheideweg. Können sie sich weiter auf ihre
traditionellen Stärken und die Überzeugungs-
kraft ihres Konzepts verlassen? Oder müssen
sie selbst Fundamente ihres Erfolgsmodells in
Frage stellen, um ihren Anteil an der Nachfrage
nach Fast Moving Consumer Goods in Deutsch-
land weiter zu steigern? – Es geht auch um die
Frage: Wieviel ursprünglicher Discounter steckt
noch in Aldi & Co, und was bringt der Weg
„back to the roots“?
Accenture und GfK haben die Erfolgsaussichten
der Discounter in zwei Szenarien bewertet.
Diese können nicht nur als zwei alternative
Modelle für die Discounter gelesen werden,
sondern genauso als Entwicklungsoptionen für
die Vollsortimenter und den Fachhandel mit
Gütern des täglichen Bedarfs. Welches Konzept
gehört am Ende des nächsten Jahrzehnts zu
den Gewinnern, wer zu den Verlierern?
Für Discounter und Vollsortimenter ist nach
dieser Analyse klar: Beide brauchen eine
„Agenda 2020“. Denn nur eine schonungslose
Analyse ihrer eigenen Chancen und Risiken
sowie des Wettbewerbs, ein kraftvoller
Kreativitätsschub und eine umfassende
Innovationsoffensive können sie fit machen
für die kommenden Herausforderungen.
Dr. Gerhard Hausruckinger
Dirk Dreisbach
Wolfgang Twardawa
Gerhard Hausruckinger
Geschäftsführer
Accenture GmbH
„Sowohl für die Discounter
als auch für die Vollsorti-
menter des LEH heißt das
Schlüsselwort der Zukunft:
Customer Centricity. Damit
ist nicht die gute alte
Kundenpflege gemeint,
sondern die komplette
Ausrichtung aller strategi-
schen Überlegungen und
praktischen Umsetzungen
an den Wünschen
und Bedürfnissen der
einzelnen Kunden.“
Dirk Dreisbach
Senior Manager
Accenture GmbH
„Unser multivariables
Prognosemodell entwirft
für die Discounter zwei
Szenarien: weiteres
Wachstum oder Markt-
anteilsverluste. Um die
Wachstumskarte zu ziehen,
müssen sie es schaffen,
ihre im Durchschnitt jünge-
re Klientel auch im Alter an
sich zu binden. Das gelingt
den Discountern bislang
noch nicht in ausreichen-
dem Maße.“
Discounter – eine deutsche Erfolgsgeschichte4
e=mc2, Kraft = Masse x Geschwindigkeit,
Tempo = Weg : Zeit – man muss die richtige
Formel nicht erfinden, um sie erfolgreich
anzuwenden. Die Erfolgsformel der Gebrüder
Karl und Theo Albrecht lautet seit mehr als
einem halben Jahrhundert: niedrigster Preis
x größte Menge + höchste Effizienz = optimale
Wertschöpfung. Damit haben sie einen der
größten Einzelhandelskonzerne auf dem
Globus geformt, die Handelslandschaft der
weltweit drittgrößten Volkswirtschaft umge-
krempelt und das Konsumverhalten von
Millionen Verbrauchern geprägt. Sie sind
Keimzelle, Wegbereiter und Motor einer
bewundernswerten Erfolgsgeschichte. Und
deshalb beginnt jede Story über die Discoun-
ter unausweichlich mit Aldi.
1946 übernehmen die Brüder Karl und Theo
Albrecht den kleinen Lebensmittelladen von der
Mutter, einen echten „Tante Emma-Laden”, ge-
rade einmal so groß wie ein Wohnzimmer. Doch
bald schon ziehen sie in einen größeren Laden
um, und vier Jahre später bestehen bereits 13
Geschäfte traditioneller Prägung. Als die Brüder
1961 das Unternehmen aufteilen, erwirtschaften
sie in 300 Läden rund 90 Mio. DM Umsatz. Theo
Albrecht übernimmt den Norden, Karl den Süden.
Der „Aldi-Äquator” verläuft vom Niederrhein
quer durch Hessen bis zur damaligen Zonen-
grenze. Schon jetzt zeigt sich aber, dass die
Brüder Größeres im Sinn haben: Der Osten
soll später einmal zu Aldi-Nord gehören; die
strategische Landkarte von Aldi-Süd erstreckt
sich unter anderem nach Österreich, wo die
Filialen unter dem Namen Hofer firmieren. Der
Süd-Aldi wird sich später um den angelsäch-
sischen Raum kümmern, neben den USA (seit
1976) also auch um die „Nordländer” England
(1989) und Irland (1998); der Nord-Aldi nimmt
zum Ausgleich Südeuropa ins Visier, beispiels-
weise Frankreich (1988) und Spanien (2002).
Discounter – eine deutsche Erfolgsgeschichte
40er Jahre 50er Jahre 60er Jahre 70er Jahre
Discounter decken dieGrundbedürfnisse der
Menschen an Gütern des täglichen Bedarfs
Discounter bieten sehr niedrige Preise auf Basis
hoher Einkaufsvolumina und entsprechender Rabatte
1961: Trennung inAldi-Nord/Aldi Süd
Albrecht-Filiale 1958 in Essen
60er Jahre: Markteintritt Norma
1973: Lidl eröffnet erste Filiale & Gründung von Penny
1962: Eröffnung der ersten Aldi-Filiale
nach heutigem Maßstab
1972: Markteintritt
Plus
1968: Beginn der internationalen Expansion
(Hofer in Österreich)
1974: Wegfall der „Preis-bindung der zweiten Hand“
1945: Kriegsende 1961: Mauerbau 1973: Ölkrise 1979: Ölkrise
1962: Kubakrise1964 – 1974: Vietnam-Krieg1948: Währungsreform
1949: Gründung derBundesrepublik Deutschland
1946: Die Albrecht-Brüder nehmen ihre
Geschäftstätigkeit auf
Standardisierte Filialen
5
„Hochstapelei” – Die erste echte Aldi-Filiale
In den 60er Jahren stehen jedoch zunächst
andere Entscheidungen an. Erstes strategisches
Opfer: die damals im Handel übliche Rabattmar-
ke. Statt den gesetzlich erlaubten Nachlass von
drei Prozent in Märkchen zu vergüten, zieht Aldi
den Rabatt gleich vom Preis ab. Das Sortiment
wird radikal verkleinert, auf engstem Raum und
unter Verzicht auf jegliche „atmosphärische”
Ladengestaltung einfach an der Wand lang
hochgestapelt. Man spart sich die teure Reklame
und streicht alles, was hohe Kosten verursacht,
aus dem Angebot, zum Beispiel Frischwaren.
So eröffnet 1962 die erste Aldi-Filiale nach heu-
tigem Maßstab. Der Firmenname Aldi steht für
Albrecht Discount (engl. discount = Preisnach-
lass, Rabatt), und ein besseres Jahr hätte man
sich für die Einführung des Discounthandels
kaum aussuchen können.
Der vom Wirtschaftswunder angeheizte
Konsum droht die Konjunktur zu überhitzen.
Die Preise steigen um durchschnittlich drei
Prozent; das ist der stärkste Anstieg seit 1951.
Das Bruttosozialprodukt wächst dagegen
„nur” noch um real vier Prozent, nach acht im
Jahr 1960. Dies alles veranlasst den damaligen
Wirtschaftsminister Ludwig Erhard zu seinem
dramatischen Maßhalte-Appell an Gewerk-
schaften, Arbeitgeber und Verbraucher. In
Zeiten einer heraufziehenden Wirtschaftskrise
sind die Billigangebote von Aldi ein flammen-
des Signal. Auch für die Wettbewerber.
Während Aldi bereits mit der Expansion ins
europäische Ausland beginnt, schwenken in
Deutschland weitere Anbieter auf die Erfolgs-
spur Discount ein. 1972 eröffnet Tengelmann
die ersten Plus-Filialen. Das Konzept entspricht
dem Discount-Prinzip (eingeschränktes Sorti-
ment, einfache Warenpräsentation), doch die
Produktpalette ist größer und es gibt mehr
Markenartikel im Angebot als bei Aldi.
Gleiches gilt in eingeschränktem Maße für
Penny (Rewe-Gruppe, Markteintritt 1973)
und in etwas höherem Umfang für Netto
(Edeka-Gruppe, Markteintritt 1984).
80er Jahre 90er Jahre 2000 +
Discounter verbreitern ihre Sortimente, expandieren global und steigen ins Non-Food Geschäft ein
1984: MarkteintrittNetto
1993: Beginn der Sortimentsausweitungauf Non-Food Artikel
2005: Ausweitung des Online-Angebots, Handys, Foto
1998: Erster Aldi-PCim Angebot
2007: Aldi bietet Reisen von TUI an
1989: Fall der Mauer 2001: 11. September
1991: Auflösung der Sowjetunion 2002: Euro-Einführung2003: Irak-Krieg
Ausbau von Großflächen
Stichwort:
Preisbindung der
zweiten Hand
Bis in die frühen 70er Jahre
galt für Nahrungsmittel und
Getränke die „Preisbindung
der zweiten Hand“, die es
dem Handel untersagte, seine
Preise selbst festzulegen.
Aldi wurde wegen seiner
Discountangebote von der
Markenartikelindustrie nicht
beliefert. Deshalb war man
gezwungen, eigene Marken,
so genannte Handelsmarken,
zu verkaufen. Als die
gesetztliche Preisbindung
1974 fiel, konnten die
Discounter auch Hersteller-
marken billig verkaufen. Dies
war das Startsignal für den
Markteintritt weiterer
Discountanbieter wie Lidl,
Penny und Plus.
Discounter – eine deutsche Erfolgsgeschichte6
Relativ spät tritt der heute größte Konkurrent
von Aldi in den Markt ein. Dieter Schwarz
eröffnet 1973 den ersten Lidl-Markt. Das
Sortiment ist von Beginn an untypisch breit für
einen Discounter, doch ansonsten entspricht es
den üblichen Kriterien.
Der Schick des Einfachen – Aldi wird Kult
Das Hauptargument für die Verbraucher, im
Discount einzukaufen, ist der discount, der
Rabatt, der sich in niedrigen Preisen und einem
deutlichen Preisabstand zu den Vollsortimen-
tern des Lebensmittelhandels ausdrückt. Er ist
heute weit größer als die drei Prozent, die Karl
und Theo Albrecht anfangs aus dem Verzicht
auf die Rabattmarken herausschlagen.
Ihre niedrigen Preise führen den Discountern
von Beginn an immer neue Kunden zu. Zwar
lässt sich die Mittelschicht anfänglich noch vom
Schmuddelimage der Discounter abhalten, aber
je öfter und tiefer wirtschaftliche Krisen das
Sicherheitsgefühl der gesellschaftlichen Mitte
erschüttern, desto größer und nachhaltiger wird
der Zustrom selbst besser situierter Kreise in den
Discount. Lange bevor der hybride Konsument
erfunden wird, kann man ihn gut gekleidet im
Auto mit üppiger Motorisierung bei Aldi vor-
fahren sehen. Mit den Jahren wird es geradezu
schick, Aldi-Kunde zu sein. Aldi wird Kult in
gewissen Kreisen. Schließlich kann man, muss
aber nicht dort einkaufen.
Auch die Discounter selbst müssen einkaufen,
und wie ihre Kunden, sind auch sie darauf aus,
dies möglichst billig zu tun. Der Weg dahin
führt über hohe Stückzahlen, die ihnen einen
entsprechenden discount, einen hohen Nach-
lass, bei ihren Lieferanten sichert.
In ihrem Standardsortiment führen die
Discounter anfangs rund 250 verschiedene
Artikel, heute sind es ca. 800 bis 1.000 und
etwa 2.000 bei Lidl. Hinzu kommen rund
100 Food-Saisonartikel, die für gewisse Zeit
das klassische Sortiment ergänzen. Zu Beginn
der neunziger Jahre bauen die Discounter
zudem neben dem ständigen Sortiment aus
Lebensmitteln und Getränken ein Nonfood-
Angebot auf. Aldi erzielt damit zeitweise rund
ein Fünftel seines gesamten Umsatzes. Etwas
mehr als 2.000 dieser Aktionsartikel bieten die
Discounter übers Jahr verteilt für kurze Zeit
an, die einen (Aldi, Lidl) mehr, andere weniger.
Diese Angebote locken Kunden zu den Dis-
countern, die sie ohne solche Offerten nur
schwer erreichen würden. Wer hat nicht schon
mal etwas für den Garten bei Aldi eingekauft,
oder Utensilien für die Küche bei Lidl – auch
ohne zusätzlich noch Lebensmittel in den
Einkaufswagen zu packen. Als Aldi 1998
erstmals einen PC anbietet, drängelt die
Kundschaft bereits in der Nacht vor den Läden,
um nur ja einen der begehrten Computer zu
erwischen. Dabei kosten die Geräte sogar mehr
als die günstigsten Fachhandelsangebote,
bieten dafür aber hohe Leistung und opulente
Ausstattung, inklusive Drei-Jahres-Garantie.
Solche spektakulären Schnäppchen sorgen bei
den Verbrauchern für hohe Aufmerksamkeit.
Das kommt auch dem Food-Segment zugute.
So müssen die Discounter bis in die 90er Jahre
7
hinein kaum Geld für Werbung ausgeben. Vor
allem aber bringt der Verzicht auf komfortable
Ausstattung und Verschönerung der Läden
immense Kostenvorteile gegenüber den
Vollsortimentern. Sie können es sich leisten,
weil die Verbraucher ihnen vieles durchgehen
lassen, was sie ihrem „normalen” Lebensmit-
telhändler nie verzeihen würden. Kein Rewe,
Edeka oder Tengelmann könnte sich eine so
spartanische, ja, triste Einkaufsatmosphäre
erlauben. Die Kunden würden in Scharen
davonlaufen.
Die Discounter, allen voran Aldi und Lidl, sind
in hohem Maße standardisiert. Das gilt für
die Sortimente, für die Platzierung, aber auch
für die innere Organisationsstruktur. Egal in
welche Filiale der Aldi-Kunde geht, er findet
seine Standardprodukte stets zuverlässig vor;
sie stehen überall am gleichen Platz und ko-
sten immer dasselbe – und fast immer weniger
als in den klassischen Geschäften des Lebens-
mitteleinzelhandels, jedenfalls soweit es die
Regalpreise anbelangt. Auch die Produktqua-
lität ist durchweg hoch. Fast regelmäßig tau-
chen Discounterprodukte im oberen Segment
einschlägiger Produkttests auf. Lieferanten,
die nicht ebenfalls zuverlässig hohe Qualität
liefern, droht die Auslistung.Die Verbraucher
honorieren dies alles mit hoher Kundentreue.
Immer wieder haben die Discounter ihr Preis-
niveau leicht erhöht, und zwar in der Regel
dann, wenn es Wirtschaft und Verbrauchern
gut geht. In schwierigeren Zeiten punkten sie
dagegen mit konstant niedrigen Preisen und
gewinnen dadurch laufend neue Kunden
hinzu. So wachsen sie in guten wie in schlech-
ten Zeiten. Und Aldi erweist sich immer wieder
als Meister in diesem Metier, wie die ausge-
buffte Strategie rund um die Euro-Bargeldein-
führung zeigt. Aldi hatte die Vollsortimenter,
aber auch die Konkurrenten in der eigenen
Vertriebsschiene, damals mit einer massiven
Anzeigenkampagne ausgekontert, in der man
versprach, man werde keinen einzigen Artikel
teurer verkaufen als vor der Euro-Einführung.
„Klassische” Erfolgsfaktorender Discounter
u Sortiment
¡ Kleiner und überschaubarer
Produktumfang im Standard-
sortiment; zunächst ca. 250 Artikel,
heute 800 - 1.000
¡ 2.000 - 2.500 Aktionsartikel pro Jahr;
zeitlich begrenztes Angebot
¡ Rund 100 Food-Saisonartikel
pro Jahr (z.B. Apfelwein)
Æ Ermöglicht niedrige Preise
u Produktqualität
¡ Hohe Qualitätsstandards
¡ Gute Rankings bei Verbraucher-
organisationen, beispielsweise
Stiftung Warentest
Æ Steigendes Verbrauchervertrauen
u Verbraucherwahrnehmung
¡ Geringe Komplexität für den
Verbraucher
¡ Hohe Kontinuität, vor allem
bei Muss- bzw. Grundprodukten
¡ Überall gleiche Artikel mit gleicher
Platzierung zum gleichen Preis
Æ Hohe Kundentreue durch Konstanz
u Organisation
¡ Hohe Standardisierung der Filialen
in Ladenlayout und Warenangebot
¡ Sehr schlanke und dezentrale
Organisation
¡ Ständige Optimierung selbst
kleinster Details (z.B. Abläufe,
Kundenlaufwege)
Æ Ermöglicht effizientes Wachstum
Discounter – eine deutsche Erfolgsgeschichte8
Aldi mit den meisten Filialen – aber die Konkurrenten holen auf
Bereits bei der Teilung des bis dahin gemein-
sam betriebenen Geschäfts im Jahr 1961,
verfügten Karl und Theo Albrecht jeder über
rund 150 Einzelhandelsfilialen. Damals, im Jahr
des Mauerbaus, nahmen auch die Aldi-Brüder
eine territoriale Teilung vor, die jedem einen
etwa gleich großen Teil der Bundesrepublik zu-
wies. Niemand konnte zu dieser Zeit absehen,
dass knapp 30 Jahre später einem von ihnen,
nämlich Aldi-Nord, die ehemalige DDR zufallen
würde: ein Gebiet mit rund 17 Mio. zusätz-
lichen Verbrauchern.
Aldi-Nord hat seit dem Mauerfall die höhere
Anzahl an Filialen unter den beiden Aldi-Un-
ternehmen, die hier in der Folge aber immer
zusammen betrachtet werden. Zwar werden
die Unternehmen rechtlich, organisatorisch
und betriebswirtschaftlich völlig selbstän-
dig geführt, aber nach wie vor gibt es eine
Reihe gemeinsamer Projekte, vor allem beim
Einkauf.
Mit seinen 4.200 Filialen stößt Aldi inzwischen
aber an Grenzen. Was dies bedeutet, wird
im folgenden Kapitel beleuchtet. Hier nur
soviel: Das Filialnetz ist, vor allem in West-
deutschland, so dicht, dass es unwirtschaft-
lich wäre, weitere Filialen hineinzuweben.
In Ostdeutschland ist die Geschäftsdichte
von Aldi dünner, aber hier ist teils auch die
Bevölkerungsdichte gering. Aldi hält sich also
verständlicherweise mit weiteren Geschäfts-
eröffnungen zurück.
Anders Lidl, Plus und Netto. Die Verfolger
haben im vergangenen Jahr zahlreiche neue
Filialen eröffnet. Vor allem Netto hat prozen-
tual gesehen kräftig zugelegt; der zur Edeka-
Gruppe gehörende Discounter gehört mit
jetzt 1.200 Filialen allerdings zu den kleineren
Akteuren. Kaum anzunehmen ist, dass die
derzeit noch 2.900 Plus-Filialen nach der noch
nicht genehmigten Fusion mit Netto alle
erhalten bleiben. Bleibt als hartnäckigster Aldi-
Verfolger noch Lidl (2.900 Filialen), für den das
Aufschließen zu Aldi höhere Priorität zu haben
scheint als die Profitabilität einzelner Filialen.
LEH Discounter ‘07: UmsatzVÄ zum Vorjahr in %
Aldi
Lidl
Plus
Penny
Netto
Norma
-1,5%
+9,9%
±0%
+1,6%
+15,6%
+3,3%
27,0
13,3
6,7
6,2
3,7
3,1
Umsatz [Mrd. ]1 VÄ Vorjahr 2
1 FMCG inkl. Nonfood, 2 nur FMCGQuelle: GfK ConsumerScan
LEH Discounter ‘07: FilialenVÄ zum Vorjahr in %
Aldi
Lidl
Plus
Penny
Netto
Norma
±0%
+3,6%
+3,6%
±0%
+9,1%
±0%
4.200
2.900
2.900
2.000
1.200
1.200
Anzahl Filialen VÄ Vorjahr
Quelle: GfK ConsumerScan
9
Aldi beim Umsatz weit voraus – aber Dämpfer im Jahr 2007
Was den Umsatz betrifft, ist Aldi der Kon-
kurrenz nach wie vor weit voraus. Aldi allein
steuert in Deutschland 27 Mrd. Euro bzw. rund
45 Prozent zum Gesamtumsatz der Discounter
bei. Der nächstplatzierte im Umsatzranking der
Discounter, Lidl, kommt gerade einmal auf die
Hälfte des Aldi-Umsatzes. Doch die Schwaben
haben in den letzten beiden Jahren mächtig
aufgeholt, und zwar einerseits aus eigener
Kraft, andererseits aber auch, weil Aldi im ge-
samten Jahr 2007 erkennbar schwächelte.
Zwar ist Aldi weiterhin unangefochtener
Marktführer, doch büßte das Unternehmen im
Vergleich zu 2006 anderthalb Prozent seines
Umsatzes ein. Schlechter ist nur die Bilanz von
Plus; der Umsatz des Discounters stagnierte,
obwohl rund 100 Filialen neu hinzukamen.
Penny dagegen wuchs bei gleicher Filialzahl
um 1,6 Prozent. Die Umsätze von Netto stiegen
gegenüber dem Vorjahr gar um ein Siebtel,
doch lag der Grund dafür vor allem in dem
ebenfalls überproportionalen Filialwachstum.
Der eigentliche Sieger des vergangenen
Jahres heißt deshalb Lidl. Die Schwaben haben
zahlreiche neue Filialen eröffnet bzw. vorhan-
dene Geschäfte erweitert und sich dadurch
Umsatz „erkauft“. Aber das beeindruckende
Wertwachstum von rund zehn Prozent ist auch
ein Resultat des im Vergleich zu Aldi ausgewo-
generen Sortimentsmixes.
So hat Lidl 2007 fast ein Viertel seines Umsatzes
mit Herstellermarken verdient, Aldi dagegen
gerade einmal knapp zwölf Prozent. Das
Markensegment hat zudem fast doppelt so
stark zum Wachstum von Lidl beigetragen
(+22,6%) wie die Gesamtheit des Angebots
(+10,2%) dieses Discounters. Während Lidl bei
allen Sortimentsbestandteilen wuchs, konnte
Aldi nur bei der Frische und mit seinen Mehr-
wert-Handelsmarken zulegen. Besonders bitter:
In seinem Kernsegment, den Preiseinstiegs-
Handelsmarken (Anteil ca. 64%), büßte Aldi
gegenüber dem Vorjahr 3,5 Prozent Umsatz ein.
Das Markenangebot führt Lidl offenbar eine
finanzstärkere Klientel zu als dem Konkur-
renten Aldi. Dieser leidet überproportional
unter den von ihm selbst forcierten Preiserhö-
hungen für Lebensmittel, weil seine Klientel
sich stärker einschränken muss als die der ande-
ren Discounter. Aus den Käuferreichweiten der
beiden Discounter ergibt sich für Lidl zudem
die bessere Ausgangsposition für die Zukunft,
denn das „Exklusiv“-Segment von Lidl ist vom
Profil her weitgehend identisch mit den
Markenkäufern des schwäbischen Discounters.
Profil über Marke und PremiumKäuferreichweiten in %
Umsatzanteile an FMCG Gesamt 2007 in %
VÄ Wert 2007 : 2006 in %ALDI LIDL
Quelle: GfK ConsumerScan
11,59,7
63,4
15,4
- 2,2+ 2,3
- 3,5
+ 7,0
- 1,3
+ 22,6+ 8,4
+ 4,7
+ 12,0
+ 10,2
23,8
12,2
47,1
16,9
93% Käuferreichweite vonAldi und Lidl gemeinsam
bei Aldi und Lidl
Herstellermarke
16%
exklusiv bei Aldi
darunter…
FMCG gesamt FMCG gesamt
70%
exklusiv bei Lidl
7%
Preiseinstiegs-Handelsmarken
Mehrwert-Handelsmarken
Frische (Obst, Gemüse, Kartoffeln,Fleisch, Geflügel)
Discounter – eine deutsche Erfolgsgeschichte10
Très bon – Aldi mit der höchsten Bonsumme bei Food & Nonfood
Trotz dieser Schwierigkeiten, hat Aldi auch
2007 wieder mehr aus seinen einzelnen
Kunden herausgeholt als die anderen Discoun-
ter. Auf den Aldi-Kassenbons steht im Durch-
schnitt die Summe von 22 Euro, das sind zwei
Euro mehr als auf einem Lidl-Bon und sogar
vier Euro mehr als im Durchschnitt aller
Discounter (einschl. Aldi selbst). Der Unter-
schied zu Plus und Penny beträgt etwas mehr
als 30 Prozent. Anders gesagt. Aldi-Kunden
lassen bei jedem Einkauf ein Drittel mehr Geld
im Laden als Plus- oder Penny-Kunden.
Auch beim Aktionsgeschäft mit Nonfood
ist Aldi erfolgreicher als die Wettbewerber
innerhalb der Vertriebsschiene. Im Durch-
schnitt geben Aldi-Kunden für Nonfood pro
Einkauf 4,60 Euro aus, Lidl-Kunden 1,20 Euro
weniger (- 35%). Die anderen Discounter
liegen hier etwa auf gleicher Höhe; ihr
Abstand gegenüber Aldi ist mit rund 45
Prozent aber immens.
Sicher gibt es eine ganze Reihe von Gründen
für den höheren allgemeinen Durchschnittsbon
bei Aldi. Ein Grund ist der relativ hohe Non-
food-Anteil an den Gesamteinkäufen, ein
anderer die unterschiedliche Lage der Ge-
schäfte. So wird Aldi mehr als andere Discoun-
ter mit dem Auto angefahren, was es den
Kunden ermöglicht, größere Mengen einzu-
kaufen und bequem nach Hause zu bringen.
Laut GfK gaben die Haushalte, die im ver-
gangenen Jahr mit dem Pkw zu Aldi fuhren,
gut 15 Prozent ihrer Gesamtausgaben für
FMCG bei Aldi aus, die unmotorisierten
Kunden dagegen nur 12 Prozent. Auch bei Lidl
und Netto waren motorisierte Kunden
überproportional vertreten, während bei
anderen Discountern relativ mehr Umsatz auf
Kunden ohne Pkw entfiel. Penny und Plus
findet man eben häufiger im Stadtzentrum,
Aldi und Lidl dagegen öfter in Randlagen
oder gleich auf der grünen Wiese.
Nonfoodeinkäufe bei Discountern1
4,6-1,20 = 35%
3,4
2,6 2,6 2,5 2,5
Bonsumme Nonfood [ ]
1 Differenz Bonbeträge gesamt vs. Bonbeträge FMCGQuelle: GfK ConsumerScan
LEH Discounter ‘07: ø-Bon NonfoodLEH Discounter ‘07: ø-Bon Gesamt
Aldi
Lidl
Netto
Norma
Plus
Penny
22
20
16
16
15
15
Bonsumme [ ] ø 18
1 BonbeträgeQuelle: GfK ConsumerScan
Gesamteinkäufe bei Discountern1
11
Wir sind Aldi – Erfolgsformat Discount
Das unten stehende Chart zeigt, wie rasant sich
die Discounter in den letzten Jahren entwickelt
haben. Die Euro-Bargeldeinführung im Januar
2002 hat ihnen einen zusätzlichen Schub
versetzt. Allein in diesem Jahr nahmen sie den
übrigen LEH-Vertriebskanälen (inkl. Drogerie-
märkte) mehr als drei Prozentpunkte ihres
Marktanteils ab. Dies ging vor allem zu Lasten
der kleinen und mittleren Supermärkte.
Zur Jahrtausendwende kamen die Vollsorti-
menter (Super- und Verbrauchermärkte) noch
auf einen Marktanteil von über 60 Prozent am
LEH, heute sind es gerade noch 48 Prozent. Der
Wertanteil der Discounter stieg parallel dazu
von 32 Prozent im Jahr 2002 auf 43 Prozent im
Jahr 2007, ein Plus von elf Prozentpunkten.
Derzeit trennen die Discounter nur noch fünf
Prozentpunkte von den Vollsortimentern, und
wenn die Entwicklung so weitergeht, würde die
Billigschiene bald an den Wettbewerbern
vorbeiziehen.
Doch wird es zwangsläufig dahin kommen?
Gibt es vielleicht Anzeichen dafür, dass auch
die Discounter das Gewicht der Größe zu
spüren bekommen und langsam träger wer-
den? Wo lauern Wachstumshindernisse und
wie sind sie zu bewerten? – Diesen Fragen wird
im Folgenden nachgegangen.
LEH Discounter ‘07: Steigender Umsatzanteil im GesamtmarktWertmäßige Marktanteile der einzelnen LEH-Vertriebsschienen in %
Discounter
Supermärkte(bis 1.499 m2)
Verbrauchermärkte(ab 1.500 m2)
Drogeriemärkte
32,1
35,8 34,3 31,8 30,1 28,7 26,3 24,6 24,3
24,6 24,3 23,6 23,6 23,6 24,6 24,4 24,0
7,5 7,7 7,8 7,9 8,0 8,2 8,5 8,5
33,7 36,8 38,4 39,7 40,9 42,5 43,2
Gesamt [Mrd. ]
[% von Gesamt]1
129,2 133,5 134,7 136,7 136,6 136,6 140,2 142,7
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2
1 nach Handelspanelsystematik, Daten Food + Nonfood für Discounter, Supermärkte, Verbrauchermärkte (inkl. SB-Warenhäuser), Drogeriemärkte. Nicht enthalten sind: Fachhandel, Kauf- und Warenhäuser. 2 Kalkulation auf Basis GfK ConsumerScan, Bonsumme FMCGQuelle: GfK ConsumerScan
Discounter am Scheideweg – Ist das Wachstum am Ende?12
Trotz einer lebhaften
Konjunktur in den
letzten beiden Jahren,
hat sich das Konsum-
klima in Deutschland
kaum verbessert. Im Gegenteil: Höhere Bela-
stungen, zum Beispiel für die Gesundheit und
die Rente, für Energie und Dienstleistungen,
haben nicht nur die „gefühlte Inflation“ ange-
heizt und den finanziellen Spielraum der Haus-
halte zunehmend eingeschränkt. Viele kaufen
heute fast ausschließlich bei den Discountern
ein – nicht, weil sie dies unbedingt wollen, son-
dern weil sie gar nicht anders können.
Gerade deshalb stehen die Discounter aber
heute an einem Scheideweg: Ihr Kundenpo-
tenzial ist nahezu ausgeschöpft und im einst
lukrativen Nonfood-Bereich ist das Angebot,
nicht zuletzt durch Wettbewerber wie Tchibo
und die Fülle von Online-Anbietern, inflationär
gewachsen. Dies alles zeigt: Die Hindernisse
auf dem Wachstumspfad der Discounter
werden höher.
Zu Beginn dieses Jahrzehnts hat die schleppende
Konjunktur in Deutschland den Discountern
geholfen, ihre Marktposition auszubauen. Bei
Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von
1,2 Prozent (2001) bis minus 0,2 Prozent (2003)
wollte keine rechte Konsumstimmung bei den
Verbrauchern aufkommen. Folglich schrumpften
auch die Wachstumsraten des Lebensmittelein-
zelhandels zusammen; zwischen 2003 und 2005
gab es für den LEH überhaupt kein Wachstum.
Dies gilt freilich nicht für alle Vertriebsschienen.
Anders als die Vollsortimenter, die von 2000 bis
heute rund 12 Prozentpunkte ihres wertmäßigen
Marktanteils einbüßten, bauten die Discounter
ihren Anteil um ca. elf Prozentpunkte aus.
Dennoch ist das Wachstum der Discounter in
den letzten Jahren flacher geworden. Die
Gründe dafür liegen auf der Nachfrage- wie
auf der Angebotsseite. Es sind Trends und
Entwicklungen, die sich in den kommenden
Jahren als Wachstumshindernisse erweisen
können, wenngleich nicht müssen.
Discounter am Scheideweg –Ist das Wachstum am Ende?
Perspektive 2020: Hindernisse auf dem Discounter-WachstumspfadMögliche Wachstumshindernisse auf Angebots- und Nachfrageseite
Hin
der
nis
se a
uf
der
Nac
hfr
ages
eite
Hin
dern
isse auf d
er An
geb
otsseite
Spürbar verlangsamtes Marktanteilswachstumim Lebensmittelbereich, dem Kerngeschäft derDiscounter
Eingeschränktes Nachfragepotenzial
u
Rückläufige Marktentwicklung bei Nonfood-Aktionsartikeln seit 2005
u
Aldi 2007 erstmals mit Umsatzrückgangu
Filialwachstum verlangsamt sich. Attraktive Standorte immer schwieriger zu finden
Hohe Marktdurchdringung
u
Hohe Filialdichte erreicht. RückläufigeFlächenproduktivität pro Filiale
u
Hohe Bedarfsdeckung: 98% aller deutschenHaushalte kaufen bei Discountern ein
u
Rückläufige Preisorientierung – wachsendeQualitätsorientierung: Der Preis bleibt wichtig,tritt jedoch, vor allem bei den finanziell gutsituierten Verbrauchersegmenten, weiter in den Hintergrund
Veränderte Verbrauchereinstellungen
Die Discounter haben durch Erweiterung ihresStandardsortiments (z.B. Frische) und die Aufnahme von Aktionsartikeln ein immer breiteres Angebot aufgebaut
Verwässerung des Discountmodells
u
Die Discounter waren im Jahr 2007 erstmalsSpeerspitze bei Preiserhöhungen
u
u
Quelle: gemäß GfK ConsumerScan
13
Food & Getränke – erste Anzeichen von Sättigung
Trotz der für die Billiganbieter günstigen wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen hat sich das
Marktanteilswachstum (Wert) der Discounter
in ihrem Kernbereich, bei Nahrungsmitteln,
Getränken und Drogeriewaren, in den letzten
Jahren spürbar verlangsamt. Im Jahr der Euro-
Bargeldeinführung betrug es hohe 3,5 Prozent;
damals düpierten die Discounter den übrigen
LEH mit einer für sie beispiellosen Kommunika-
tionsoffensive, in der sie versprachen: Bei uns
wird kein einziger Artikel teurer.
Das galt freilich nur für das Jahr der Wäh-
rungsumstellung. In den Folgejahren sind die
Durchschnittspreise bei den Discountern ebenso
gestiegen wie in anderen Vertriebsschienen,
teils infolge von Sortimentsumstellungen (hö-
herwertige Artikel), teils durch „echte” Preiser-
höhungen. Parallel unternahmen die Vollsorti-
menter enorme Anstrengungen, das durch die
(T)euro-Diskussion ramponierte Image durch
Preisaktionen wieder zu verbessern – mit Erfolg.
Zahlreiche Kunden, die zuvor zu den Discoun-
tern abgewandert waren, kehrten zurück.
Zwar wachsen die Food-Umsätze der Discounter
nach wie vor stärker als die der anderen Ver-
triebskanäle, aber eben nicht mehr so stark wie
Anfang des Jahrzehnts. Dadurch gehen auch die
wertmäßigen Marktanteilszugewinne in diesem
Kernbereich zurück; im vergangenen Jahr lag
das Wachstum bei weniger als einem Prozent.
Die starke Expansion von Lidl hat zudem den
Wettbewerb innerhalb der Discounterschie-
ne verstärkt. Das bringt inzwischen selbst
den Marktführer in Not. Aldi konnte seinen
Marktanteil bei Food in den letzten Jahren
nur marginal steigern und verlor 2007 erstmals
Marktanteile an Lidl und die restlichen Dis-
counter. Lidl dagegen wächst weiter nachhal-
tig, zunehmend zwar auf Kosten der anderen
Discounter, aber wegen seines erfolgreichen
Sortiments an (preislich) attraktiven Hersteller-
marken auch zu Lasten der Vollsortimenter.
LEH Discounter ‘07: Gebremstes Wachstum bei FMCGMarktanteilsentwicklung FMCG1 (ohne Nonfood)
27,6
10,611,0
11,1 11,8 12,1 12,012,4
5,66,6 7,6 7,5 8,5 9,2 10,0
11,4 13,5 14,4 14,4 14,8 15,2 14,8
31,133,1 33,8
35,4 36,437,2
[% von Gesamt]
+ 3,5+ 2,0
+ 0,7 + 1,6+ 1,0 + 0,8
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Restliche LEH Discounter VÄ vs. Vorjahr in %-Punkten
1 FMCG-Daten ohne Nonfood nach GfK ConsumerScan. Enthalten sind Discounter, Supermärkte, Verbrauchermärkte, Drogeriemärkte, Fachhandel,SB-Warenhäuser, Kauf- und Warenhäuser. FMCG = Lebensmittel, Getränke und DrogeriewarenQuelle: GfK ConsumerScan
Discounter am Scheideweg – Ist das Wachstum am Ende?14
Nonfood – schwierige Marktbedingungen
Mit dem Verkauf von Fernsehern, Computern,
Gartengeräten und Haushaltswaren haben die
Discounter in den letzten beiden Jahrzehnten
gut verdient. Nonfood-Artikel waren sogar
lange der entscheidende Wachstumsmotor für
die Billiganbieter. Nonfood steuert noch heute
rund 20 Prozent zum Gesamtumsatz von Aldi
bei, doch das Geschäft mit der Aktionsware
läuft nicht mehr so rund wie früher. Für Lidl ist
das Segment nur scheinbar von geringerer Be-
deutung. Der Discounter hat erst in den letzten
Jahren Nonfood ins Sortiment genommen und
sieht sich bereits nach kurzer Zeit mit enorm
schwierigen Marktbedingungen konfrontiert.
Die Inflation des Nonfood-Aktionsgeschäfts
– nicht nur bei den Discountern, sondern auch
bei den Versendern wie zum Beispiel Tchibo
– hat dazu geführt, dass die Ausstattung der
Haushalte inzwischen so gut wie komplett ist
und die Nachfrage nicht nur stagniert, sondern
teilweise zurückgeht. Für die Discounter wird
es folglich immer schwerer, die „richtigen”
Aktionsartikel zu finden, und immer öfter
bleiben die Produkte im Laden liegen. Hinzu
kommen hausgemachte Qualitätsprobleme.
Die hohe Nachfrage der Discounter nach
Aktionsware hat die Hersteller so sehr unter
Druck gesetzt, dass zuletzt vermehrt Produkti-
onsfehler auftraten. Das hat dem Image der
Discounter geschadet, die zwar billig, aber
nicht schlecht sein wollen.
In Zahlen ausgedrückt: Der Anteil der Dis-
counter am gesamten Nonfood-Handel ist seit
2005 um einen halben Prozentpunkt zurück-
gegangen; das entspricht einem Wertverlust
von immerhin knapp 800 Mio. Euro. Auch die
Erweiterung des Nonfood-Sortiments, der Ver-
kauf von Mobiltelefonen und Telefonverträ-
gen sowie Reisen, hat den Trend nicht drehen
können. Nonfood ist als Wachstumssegment
der Discounter offenbar ausgereizt.
LEH Discounter ‘07: Rückläufige Marktbedeutung bei NonfoodMarktanteilsentwicklung Nonfood1 LEH Discounter
1 Elektro, Textil, Hartwaren, sonstige AktionswareQuelle: GfK ConsumerScope
1,3
0,8 0,9 1,00,9
0,9
1,1
0,7 0.8 0.80,7
1,82,3
1,1
2,43,1 3,2 3,2 3,2 3,0
1,0
0.7
2,9
[in % von Gesamt]
1998 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
2,7
3,4 3,5
4,44,7
4,9 5,04,64,6
Restliche LEH Discounter VÄ vs. Vorjahr
15
Geiz ist nicht mehr geil – Verbraucher suchen Qualität
Geiz ist (nicht mehr) geil. Die Verbraucher, die
sich lange von dem griffigen Slogan haben
anstecken lassen, merken mehr und mehr, dass
der Preis nicht das einzige Kriterium für einen
geglückten Kauf darstellt, sondern ein Pro-
dukt auch etwas leisten, gut schmecken, lange
halten – kurz: etwas taugen muss. Inzwischen
ist sogar der Urheber von seinem Slogan ab-
gerückt und versucht, seine Klientel mit etwas
höherwertigen Argumenten zu locken.
Reiz ist geil! – So könnte der neue Slogan lau-
ten, auf den immer mehr Verbraucher fliegen.
Obwohl immer noch eine größere Zahl von
Konsumenten beim Einkauf eher auf den Preis
achtet als auf die Qualität, gewinnt die Quali-
tätsorientierung wieder an Bedeutung.
Der Vorrang für Qualität ist natürlich umso
stärker, je besser die finanziellen Möglich-
keiten der Verbraucher sind. In der Gruppe der
gut situierten Haushalte (27% von Gesamt)
gilt für 58 Prozent der Primat der Qualität; in
der Gruppe der Haushalte, die sich fast nichts
leisten können (25%) jedoch ist für drei Viertel
der Preis das alles entscheidende Kriterium.
Dies sind in erster Linie die Stammkunden der
Discounter.
Auf Markenebene sind die Unterschiede noch
deutlicher. Unter den Käufern von Premium-
marken, das sind knapp 20 Prozent der Ver-
braucher, liegt die Qualitätsorientierung bei
75 Prozent. Im Gegensatz dazu achten mehr
als 75% der Handelsmarkenkäufer (39% aller
Verbraucher) primär auf den Preis. Während
Premium-Käufer drei Viertel ihres Bedarfs in
den Geschäften der Vollsortimenter decken,
vornehmlich in Super- und Verbrauchermärk-
ten, erwerben Handelsmarkenkäufer fast 60
Prozent aller Güter des täglichen Bedarfs bei
den Discountern. Eine Verfestigung dieses
Kaufverhaltens kann den Discountern nicht
gleichgültig sein.
In den letzten Jahren war es ihnen gelungen,
vermehrt auch die finanziell besser ausge-
statteten Haushalte in ihre Filialen zu locken,
nicht zuletzt dank des höherwertigen Sorti-
ments der Discounter. Daneben spielt auch
bei diesen Haushalten Sparsamkeit eine
gewisse Rolle. Nicht zu vergessen die psycho-
logische Komponente: Wenn alle Geiz geil
finden, dann kann man sich dem nicht völlig
entziehen.
Seit der Reiz den Geiz wieder zurückdrängt,
verschieben sich vor allem die Einkaufskrite-
rien dieser besser gestellten Haushalte. Sie
könnten dem Discount auf längere Sicht wie-
der verloren gehen. Für die Vollsortimenter
ist es jedenfalls eine lohnende Aufgabe, sich
stärker um diese zahlungskräftige Kundschaft
zu kümmern.
Rückkehr zur QualitätVeränderung der Verbrauchereinstellungen
44
56
41
59
44
56
46
54
47
53
24
76
50
50
63
37
2001 2003 2005 2006* 2007*
Qualitätsorientierung:„Ich achte beim Einkaufenvor allem auf Qualität“
27%
kön
nen
sic
hfa
st a
lles
leis
ten
48%
kom
men
im G
roß
enu
nd
Gan
zen
zu
rech
t
25%
kön
nen
sic
h f
ast
nic
hts
meh
r le
iste
n
Du
rch
sch
nit
tal
ler
Hau
shal
te, d
avo
n…
Preisorientierung:„Ich achte beim Einkaufenvor allem auf den Preis“
[in % von Gesamt]
Quelle: GfK Trendsensor Konsum; * 2006 und 2007 GfK ConsumerScan
Discounter am Scheideweg – Ist das Wachstum am Ende?16
Nichts geht mehr? – Grenzen des Wachstums
Wachstum, Wachstum und nochmal Wachstum
– so lautet das Credo einer globalisierten Welt-
wirtschaft. Wer nicht wächst, wird geschluckt,
und wer den einverleibten Brocken nicht ver-
dauen kann, ist als nächster dran.
Das Schauspiel ist so neu nicht auf der Bühne.
Seit den frühen 1970er Jahren herrscht im Han-
del mit Gütern des täglichen Bedarfs ein reges
Schlucken und Verdrängen. Zuerst verzehrten
die „gefräßigen” Supermärkte den heimeligen
Laden von Tante Emma, aber schon bald wur-
den sie ihrerseits von den größeren Verbrau-
chermärkten aus dem Markt gedrängt. Jahr für
Jahr schlossen rund zweieinhalbtausend dieser
kleineren Läden die Tür für immer, oder sie
kamen in andere Hände. Nicht selten hat auch
das die Agonie nur verlängert.
Die Discounter haben diese Marktbereinigung
zwar nicht aktiv, aber allein schon durch ihr
schieres Wachstum gefördert. 1970 gab es
knapp 2.000 Discountgeschäfte, ein rundes
Drittel davon gehörte Aldi. Bis heute ist die An-
zahl der Discounterfilialen in Deutschland auf
rund 16.400 gestiegen, der Aldi-Anteil daran
allerdings auf gut ein Viertel gesunken. Die
anderen Discounter haben – zumindest was die
Zahl der Filialen betrifft – gegenüber Aldi also
mächtig aufgeholt.
Mit dieser stürmischen Ausbreitung rücken
nun aber auch für die Discounter die Grenzen
des Wachstums näher. Aldi hat in Deutschland
zwischen 1998 und 2007 im Schnitt rund hun-
dert neue Filialen pro Jahr eröffnet, und das,
obwohl das Unternehmen bereits damals über
gut 3.000 Filialen verfügte und nahezu flä-
chendeckend präsent war. Doch seit 2006 hat
sich die Zahl der Aldi-Verkaufsstellen nur noch
marginal verändert. Das Outlet-Wachstum des
Vertriebskanals Discount insgesamt wird aktu-
ell ausschließlich von den anderen Discountern
getragen und hier vor allem von Lidl, der sich
trotz ebenfalls hoher Filialdichte immer noch
kräftig ausbreitet. Das Filialwachstum insge-
samt stagniert dagegen bei zwei Prozent.
LEH Discounter ‘07: FilialwachstumEntwicklung Verkaufsstellen Discounter
4,1
14,8
Sonstige DiscounterAldi
15,1 15,4
4,2 4,2
10,7 10,9 11,2
2005 – 2007 [in Tsd.]
2005 2006 20072005 2006 2007
Quelle: Trade Dimensions
+ 2% + 2%
LEH Discounter ‘07: Ø jährlichesOutletwachstum
Quelle: Trade Dimensions
Aldi
Lidl
Plus
Netto
Norma
Penny
2,1
3,9
1,2
4,9
1,5
-1,6
2003 – 2007 [in %]
17
Während Lidl noch überall in Deutschland
neue, zusätzliche Geschäfte eröffnet, be-
schränkt sich Aldi auf den Austausch alter
gegen neue, kleinerer gegen größere Filialen.
Das liegt auch daran, dass zumal die großen
Discounter kaum noch attraktive Flächen
finden, die sich mit der gewohnt hohen
Wirtschaftlichkeit betreiben lassen. Selbst die
Vergrößerung bestehender Outlets bringt oft
nicht mehr viel zusätzliche Kundschaft und
kaum noch wachsende Umsätze.
Die Flächenproduktivität ist bei nahezu allen
Discountern in den letzten vier Jahren gesun-
ken. Bei Aldi-Nord ging sie in diesem Zeitraum
um fast 15 Prozent zurück; Lidl erlöste 2007
rund zehn Prozent weniger pro Quadratmeter
Fläche als noch 2003. Lediglich Penny konnte
den Umsatz pro Einheit steigern – durch das
Schließen von Filialen!
Fazit: Für die einst aggressiv expandierenden
Discounter lohnt sich die Eröffnung neuer
Filialen immer weniger.
Discounter als Nahversorger – Alle(s) erreicht?
Die Discounter sind dort angekommen, wo sie
immer hinwollten: 98 Prozent aller Haushalte
in Deutschland kaufen mindestens einmal im
Jahr bei einem Discounter ein. Die restlichen
zwei Prozent können sie gut verschmerzen, zu-
mal selbst das intensivste Werben diese harten
Verweigerer nicht weich machen dürfte.
Für die Discounter, vor allem aber für Aldi,
könnte der Aufstieg deshalb bald zu Ende sein.
Das Wachstum der Billiganbieter beruhte in
der Vergangenheit nämlich nicht nur darauf,
dass die Verbraucher zu ihnen kamen, sondern
auch, dass sie selbst dahin gingen, wo die Ver-
braucher waren – jene Verbraucher, die sie bis
dahin noch nicht erreichten.
Heute ist es für jeden Haushalt in Deutsch-
land nur noch ein Katzensprung zu einer
Discounterfiliale. Neun von zehn Haushalten
erreichen innerhalb von nur zehn Minuten
(mit dem Auto) mindestens einen Discounter,
LEH Discounter ‘07: FlächenproduktivitätVergleich der Umsätze je m2 in den Jahren 2003 und 2007
7.800
6.650
4.102 4.050
5.4214.880
2.2091.860
2.265 2.125
3.157 2.891 2.845 3.080
[in pro m2] 2003 2007
Quelle: Trade Dimensions
Discounter am Scheideweg – Ist das Wachstum am Ende?18
drei Viertel der Haushalte können in zehn
Minuten drei verschiedene, ein Drittel sogar
fünf verschiedene Discounter ansteuern. Im
Durchschnitt erreicht jeder deutsche Haushalt
3,5 verschiedene Discounter in höchstens zehn
Minuten.
Die flächendeckende Erreichbarkeit hilft
vor allem den Haushalten, die aus wirtschaft-
lichen Gründen einen relevanten Teil ihres
Bedarfs an Fast Moving Consumer Goods bei
den Discountern einkaufen (müssen). Die
Hälfte der Haushalte in Deutschland kauft
regelmäßig bei den Discountern ein. Diese
Haushalte decken 65 Prozent ihres gesamt-
en Bedarfs an FMCG im Discount. Aber auch
diejenigen Haushalte, die nur sporadisch bei
den Discountern einkaufen, erwerben dort
immerhin ein Viertel ihres Bedarfs an Food,
Getränken und Drogeriewaren.
Für die Discountschiene ist das ein riesiger
Erfolg. Sie haben sich innerhalb relativ kurzer
Zeit von einem Nischenanbieter mit überschau-
barem Sortiment zum Nahversorger entwickelt,
der im Prinzip alle deutschen Haushalte er-
reicht und in der die Hälfte der Verbraucher
heute das meiste von dem kauft, das sie zum
Leben brauchen.
Doch gerade darin liegt die Gefahr für die
Discounter: Es gibt sowohl bei der Filialdichte
als auch bei der Haushaltsausschöpfung kaum
noch Spielraum. Die Erschließung komplett
neuer Kundenschichten ist nicht mehr möglich;
das Potenzial beschränkt sich im Prinzip auf
jene 47 Prozent der Haushalte, die bislang nur
einen vergleichsweise geringen Teil ihrer le-
bensnotwendigen Besorgungen beim Discoun-
ter tätigen.
Eine stärker auf diese Zielgruppe zugeschnitte-
nes Angebot mit höherwertigen und teureren
Produkten auf der einen Seite und mit Billigar-
tikeln für die Kernklientel auf der anderen, ist
unter einem Dach aber kaum zu machen. Die
Discounter sind an einem Punkt angekommen,
wo sie sich etwas Neues einfallen lassen müs-
sen. Und dieses Neue muss mehr sein als nur
oberflächliche Kosmetik.
LEH Discounter ‘07: ErreichbarkeitErreichbarkeit mit dem Auto
Quelle: GfK ConsumerScan
91,2
ø 3,5 Discounter erreichbar für jeden HH in 10 Min.
83,9
73,7
57,7
32,8
13,3
% der Haushalte, die innerhalb von 10 Minutenx verschiedene Discounter erreichen können
1 2 3 4 5 mehr als 6
LEH Discounter ‘07: BedarfsdeckungEinkaufsverhalten privater HH bei Discountern
Quelle: GfK ConsumerScan
98 51
47
65%Bedarfsdeckung
im Discount
[in % aller Haushalte]
24%Bedarfsdeckung
im Discount
HH die beiDiscountern
kaufen
Regelm.Discounter-
kauf
SporadischerDiscounter-
kauf
Stichwort:
Einkaufsstättenwechsel
Nach Untersuchungen der
GfK in ihrem Haushaltspa-
nel ConsumerScan ändern
jedes Jahr rund zehn Prozent
aller Haushalte ihre bisherige
Einkaufsstättenpräferenz für
die Discounter. Das heißt: Ein
Zehntel der sporadischen Dis-
counterkäufer wird zu regel-
mäßigen Discounterkäufern,
aber jeder zehnte bis dahin
regelmäßige Discounterkunde
kehrt Aldi & Co. als Stammkun-
de den Rücken und kauft nur
noch sporadisch im Discount
ein. Für die Vollsortimenter
heißt dies: Durch effizientere
Kundenbindung der eigenen
Klientel können diese Wande-
rungsbilanz relativ einfach zu
ihren Gunsten verändern.
19
Recht und billig – Discounter erhöhen Preise
Hummer vom Feinkosthändler und Schampus
von Aldi – so wird gerne der hybride Konsu-
ment beschrieben, ein gut betuchter Verbrau-
cher, der Wert auf Qualität legt, aber zum
fairen Preis. Aldi hat in den letzten Jahren
zahlreiche Artikel für diese kaufkräftige Kund-
schaft ins Angebot aufgenommen und das Sor-
timent auch an anderer Stelle um so genannte
Mehrwerthandelsmarken ergänzt.
Dies hat die Kundenstruktur der Discounter
verändert. Sie erreichen mit ihrem FMCG-
Angebot heute nicht mehr nur Verbraucher,
die aufs Geld schauen müssen oder die sich
den Einkauf an anderer Stelle überhaupt nicht
leisten können, sondern auch ein Drittel der
finanziell besser situierten Haushalte. Da-
durch ist das durchschnittliche Preisniveau der
Discounter schleichend gestiegen, freilich ohne
dass die Preiseinstiegs-Handelsmarken für die
„klassischen” Discounterkunden deshalb aus
dem Sortiment verschwunden wären.
Seit Mai letzten Jahres sind die Durchschnitt-
spreise bei den Discounter deutlich ange-
stiegen, und zwar in jedem einzelnen Monat
kräftiger als bei den Vollsortimentern. Nach
der Milchpreisrunde, die Mitte 2007 einsetzte,
sind die Discounterpreise sogar regelrecht
explodiert. Im November lagen sie um neun,
im Dezember um fast zehn und im Januar 2008
sogar um gut elf Prozent über den jeweiligen
Preisniveaus des Vorjahres. Damit haben sich
die Discounter zwar erstmals als Antreiber
einer massiven Preiswelle erwiesen, aber den-
noch bleibt der Preisabstand zu den anderen
Anbietern gleich.
Auf der anderen Seite haben die Vollsortimenter
ihre lange vernachlässigten Eigenmarken aus-
geweitet und ausdifferenziert. Sie führen heute
deutlich mehr Handelsmarken auf Discounter-
niveau, bieten aber zum Beispiel auch eigene
Bio-Labels mit ausgedehnten Produktranges an.
Diese Entwicklungen sind aber nicht der
alleinige Grund, warum auf die Discounter
schwierige Zeiten zukommen könnten. In den
nächsten Jahren werden sich die Familien-
Lebenswelten in Deutschland spürbar verän-
dern. Und dies betrifft vor allem die klassischen
Rekrutierungsfelder der Discounter.
LEH Discounter ‘07: KundenstrukturMarktanteile nach Einkommenssituation der HH
42
4
40
14
37
4
41
18
32
4
42
22
[in %] Discounter Drogeriemärkte
25 % können sich fast nichts
mehr leisten
48 % kommen im Großen und Ganzen zurecht
27 % können sich fast
alles leisten
Vollsortimenter Restliche*
* inkl. Handwerk und DirektvertriebQuelle: GfK ConsumerScan, FMCG ohne Frische
Preisindex FMCG 2007 (ohne Frische)Preisveränderung zum jeweiligen Vorjahresmonat in %
Quelle: GfK ConsumerScan, Haushaltsindex Bezahlte Preise
Vollsortimenter
Discounter
11,29,9
9,27,7
5,6
3,03,9
02 0301 04 05 06 07 08 09 10 11 12 012007 2008
Prognose 2020 – Gewinner und Verlierer20
Deutschland im Wandel: In der einst dominie-
renden Industrie wird heute gerade noch ein
Viertel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaf-
tet, im stetig wachsenden Dienstleistungs-
sektor arbeiten bereits fast drei Viertel aller
Beschäftigten. Auf die aktive Bevölkerung
kommen in den nächsten Jahrzehnten hö-
here Belastungen zu: Finanzierten früher drei
Erwerbstätige einen Rentner, so muss künftig
ein Beschäftiger zwei Rentner versorgen.
Die veränderten Lebens- und Arbeitsbedin-
gungen schlagen sich in verändertem Konsum-
und Einkaufsverhalten nieder. Neue Lebens-
stile, dazu Zeit- und Budgetrestriktionen
werden auch die Nachfrage der Verbraucher
nach Gütern des täglichen Bedarfs verändern.
Welche Absatzkanäle können davon profitie-
ren, welche verlieren? Eine Prognose für das
Jahr 2020 macht die verschiedenen Optionen
deutlich.
Das multivariable Prognosemodell von Accen-
ture und GfK basiert auf der Entwicklung der
Familien-Lebenswelten. Das ist eine Segmen-
tierung der deutschen Gesellschaft aufgrund
individueller und Familien-Biografien. Viele
hundert verhaltensrelevante Variablen sind in
die Charakterisierung der 14 Familien-Lebens-
welten eingegangen. Sie bestimmen überwie-
gend das Kauf-, Konsum- und Medienverhalten
der Verbraucher.
Die Familien-Lebenswelten verändern sich
sowohl quantitativ als auch qualitativ. Wenn
weniger Kinder geboren werden, dann zieht
sich dieses Faktum im Laufe der Jahrzehnte
durch alle Lebenswelten hindurch. Bis zum Jahr
2020 werden die geburtenschwachen Jahrgänge
(ab ca. 1970) zu einem zahlenmäßigen Rück-
gang vor allem in den Lebenswelten der Familie
führen. Andererseits werden die Ruhestands-
Lebenswelten durch das Eindringen der gebur-
tenstarken Generation der 1960er Jahre größer.
Prognose 2020– Gewinner und Verlierer
Lebenswelt wird größer
Lebenswelt bleibt ähnlich groß
Lebenswelt wird kleiner
Veränderung der Familien-Lebenswelten
Ausbildung Berufsleben Ruhestand
Junge Familien, Mittelschicht,ggf. mit Kindern
Ältere Familien, Mittelschicht,ggf. k. Kindern (mehr)
Junge Familien, Arbeiterschicht,ggf. mit Kindern
Ältere Familien, Arbeiterschicht,ggf. k. Kindern (mehr)
Arbeitslose/ Working Poor
Arbeitslose/ Working Poor
Studierende/ Auszubildende(eigener Haushalt)
Aufsteiger,Singles,DINKS
BerufstätigeAlleinlebende
AlleinstehendeÄltere,Mittelschicht
AlleinstehendeÄltere,Arbeiterschicht
Empty Nest-Familien,Mittelschicht
Empty Nest-Familien,Arbeiterschicht
Rentner-Familien,Mittelschicht
Rentner-Familien, Arbeiterschicht
2007: 6% – 2020: 5%
2007: 7% – 2020: 6%
2007: 7% – 2020: 6%
2007: 7% – 2020: 6%
2007: 8% – 2020: 8%
2007: 3% – 2020: 3% 2007: 11% – 2020: 10% 2007: 7% – 2020: 7%
2007: 9% – 2020: 10%
2007: 6% – 2020: 7%
2007: 5% – 2020: 6%
2007: 4% – 2020: 4%
2007: 11% – 2020: 13%
2007: 9% – 2020: 10%
%-Angaben = Anteil an allen deutschen Haushalten Quelle: GfK Panel Services Consumer Research
21
Neben der demografischen Verschiebung
wandeln sich die einzelnen Lebenswelten auch
qualitativ. Derzeit sind die Zeitungen voll mit
Beiträgen über die Studentengeneration der
’68er. Das ist jetzt vierzig Jahre her, und diese
Generation kommt so langsam ins Rentenalter.
Mit ein bisschen Fantasie kann man sich leicht
ausmalen, wie sich diese Rentner von den
Rentnern aus der Kriegsgeneration unterschei-
den, nicht nur in den gesellschaftlichen und
politischen Einstellungen, sondern auch im
Konsum- und Kaufverhalten.
Ein weiterer Faktor, der den Konsum der „äl-
teren” Lebenswelten in den kommenden Deka-
den verändern wird, ist die Tatsache, dass diese
Verbrauchergruppen über ein deutlich höheres
Vermögen verfügen als derzeit. In den näch-
sten fünf Jahren werden nach Berechnungen
der Dresdner Bank in Deutschland rund eine
Billion Euro vererbt, in den fünf Jahren danach
bereits 1,3 Billionen. – Was bedeutet dies alles
für die künftige Entwicklung der Discounter?
Discounter: Stark bei jungen Familien
Das Einkaufsverhalten der jüngeren und der äl-
teren Lebenswelten unterscheidet sich deutlich
voneinander, und zwar relativ unabhängig vom
Einkommen. Anders gesagt: Das biologische
Alter zieht eine entscheidende Trennlinie bei
der Auswahl der Einkaufsstätten.
Die Bedeutung der Discounter als Einkaufsstät-
te nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab.
Jüngere Menschen und Familien mit Kindern
geben signifikant mehr Geld im Discount aus
als Ältere. Den höchsten Ausgabenanteil
erzielen die Discounter bei Studierenden und
Auszubildenden, bei Arbeitslosen und Gering-
verdienern sowie bei jungen Familien aus der
Arbeiterschicht. In diesen Lebenswelten ist das
vergleichsweise geringe Einkommen entschei-
dend für den Einkauf im Discount. Wenn die
Kinder aus dem Haus sind oder der Haushalts-
vorstand in Rente ist, verlieren die Discounter
dagegen auch bei Arbeiterfamilien spürbar an
Familien-Lebenswelten: Einkaufsverhalten im Lebensmittelhandel
Quelle: GfK ConsumerScan * AS = Arbeiterschicht; MS = Mittelschicht
Ausgabenanteil für Fast Moving Consumer Goods nach Vertriebsschienen
Discounter Drogeriemärkte FachhandelSB-Warenhäuser Supermärkte Verbrauchermärkte
43,2
6,65,723,5
15,4
4,5
36,9
6,4
9,4
24,7
14,5
6,0
44,7 36,0 43,7 40,2 41,7 39,2 36,2 32,6 35,2 31,4 34,7 32,6
4,9
4,46,0
6,8 3,6 3,9 3,7 3,8 3,2 3,4 4,4 4,8
9,3
15,98,2 10,4 11,8 15,3 15,5 18,4 19,1 22,5 18,7 21,3
22,4 18,3 24,4 23,6 22,5 20,6 21,0 20,6 18,1 18,3 14,3 11,8
11,916,0
11,1 11,9 13,4 13,0 14,8 14,2 16,3 15,420,2 21,8
4,9 5,0 5,5 5,6 6,0 6,7 7,4 6,2 6,5 6,1 6,17,1
2007 [in %]
Studier./Auszubild.
Aufsteiger, Singles,DINKS
Arbeitslose,Working
Poor
Berufstät.Allein-
lebende
Junge Familien
AS*
JungeFamilien
MS*
ÄltereFamilien
AS
ÄltereFamilien
MS
Empty Nest-Familien
AS
Empty Nest-Familien
MS
Rentner-Familien
AS
Rentner-Familien
MS
Allein-stehendeÄltere AS
Allein-stehendeÄltere MS
Prognose 2020 – Gewinner und Verlierer22
Bedeutung, in erster Linie wohl deshalb, weil
sich die finanzielle Situation mit dem Auszug
der Kinder entspannt.
Je älter die Verbraucher werden, desto seltener
und desto weniger kaufen sie bei den Discoun-
tern ein. Hier fehlt ihnen eine wichtige Kompo-
nente des Einkaufens im Alter: der soziale Kon-
takt. Bereits in den Empty-Nest-Familien nimmt
die Bedeutung der Discounter als Einkaufsstätte
deutlich ab, und er wird umso geringer, je älter
die Verbraucher werden. Ältere Mittelschicht-
Familien decken ihren Bedarf an FMCG zu weni-
ger als einem Drittel bei den Discountern.
Umgekehrt werden die Vollsortimenter und
der Fachhandel für die älteren Familienlebens-
welten immer wichtiger. Einerseits können sie
es sich eher leisten, im Fachhandel einzukau-
fen, andererseits fällt ihnen der Einkauf in den
wohnortnahen Supermärkten leichter als in
den Geschäften der Discounter am Stadtrand
oder in den großen SB-Warenhäusern.
Aldi: Vorsprung bei den Älteren
Betrachtet man ausschließlich die Discounter,
so hat Aldi in (fast) allen Lebenswelten die
Nase vor Lidl. Dies gilt vor allem für die älteren
Lebenswelten. Heutige Rentnerfamilien sind
mit Aldi groß geworden; noch bis in die siebzi-
ger Jahre hinein dominierte Aldi das Bild vom
Discounter durch die deutlich höhere Zahl seiner
Läden. Für viele Angehörige dieser Lebens-
welten ist Aldi noch heute das Synonym für Dis-
count – selbst dann, wenn sie bei Lidl einkaufen.
Lidl ist erst in den letzten gut zehn Jahren so
richtig in Fahrt gekommen und hat sich vor allem
in den Jahrgängen eingeprägt, die nicht mit
Aldi aufgewachsen sind. Zudem bietet Lidl mehr
Herstellermarken an als Aldi und punktet oft
mit niedrigeren Preisen. Bei den Arbeitslosen/
Working Poor ist Lidl (unabhängig vom Alter)
deshalb bereits führend. Basis dafür ist, dass Lidl
inzwischen ebenfalls über die stattliche Zahl von
mehr als 3.000 Filialen verfügt.
Familien-Lebenswelten: Einkaufsverhalten im DiscountAusgabenanteil für Fast Moving Consumer Goods bei verschiedenen Discountern
Aldi Lidl Plus Penny Norma/Netto/Andere Discounter gesamt
14,3
12,7
43,3
6,9
5,1
4,3
13,1
36,8
10,7
4,9
4,1
4,0
13,2 16,116,4
16,116,7
13,5
13,515,1
14,614,5
13,8
44,6 36,0 43,7 40,2 41,8 39,1 36,3 32,5 35,2 31,4 34,8 32,6
13,3
13,2
13,6
12,512,1
10,7 10,28,6 8,5
7,57,2 6,05,4
9,9
3,53,3
3,03,3 3,3
3,02,8
2,24,4 3,55,1 4,5
3,94,1
3,64,4
3,4 3,72,7 3,3 2,3 3,6 3,4
7,6 6,44,4
6,2 5,0 5,6 4,7 5,5 4,8 5,1 5,94,5
2007 [in %]
Studier./Auszubild.
Aufsteiger, Singles,DINKS
Arbeitslose,Working
Poor
Berufstät.Allein-
lebende
Junge Familien
AS*
JungeFamilien
MS*
ÄltereFamilien
AS
ÄltereFamilien
MS
Empty NestFamilien
AS
Empty Nest-Familien
MS
Rentner-Familien
AS
Rentner-Familien
MS
Allein-stehendeÄltere AS
Allein-stehendeÄltere MS
Quelle: GfK ConsumerScan * AS = Arbeiterschicht; MS = Mittelschicht
23
Die übrigen Discounter kommen vor allem bei
den jüngeren Zielgruppen sowie bei den Ar-
beitslosen/Working Poor auf höhere wertmä-
ßige Marktanteile. Das könnte unter anderem
daran liegen, dass diese Discounter im Ge-
gensatz zu Aldi und Lidl zumeist in zentralen
Lagen angesiedelt sind, die man leicht auch
ohne Auto erreicht.
In den Lebenswelten der Berufstätigen und der
Familien sind die restlichen Discounter schwä-
cher, bei den alleinstehenden Älteren dagegen
stärker vertreten, als es ihrem durchschnitt-
lichen Marktanteil entspricht. Ein Grund dafür
könnte sein, dass diese Discounter zahlreiche
Herstellermarken zu günstigen Preisen füh-
ren. Der Preis spielt in den mit Empty-Nestern
beginnenden Lebenswelten bekanntlich nicht
mehr eine so dominierende Rolle.
Die alternde Gesellschaft – Herausforderung für den Discount
Je älter die Verbraucher werden, desto geringer
wird ihre Bedarfsdeckung über die Discoun-
ter. In den nächsten Jahren werden aber, wie
zuvor gezeigt, gerade die älteren Lebenswelten
zahlenmäßig größer. Dies führt zu einer Ver-
schiebung des Konsum- und Einkaufsverhaltens
zu Lasten der Discounter und zugunsten der
Vollsortimenter und des Fachhandels.
Gruppiert man die Lebenswelten einmal
nicht nach Lebensphasen, sondern nach
Einkaufspräferenzen im Discount, zeigt sich
eine für die Discounter nicht gerade beruhi-
gende Perspektive. Es fällt auf, dass diejeni-
gen Lebenswelten, die heute weniger als
35 Prozent ihres Bedarfs an FMCG über den
Discount decken, in den vergangenen zwölf
Jahren um zwei Prozentpunkte gewachsen
sind. Dagegen ging die Zahl der Haushalte in
den Lebenswelten, die mehr als 40 Prozent
ihres FMCG-Bedarfs über den Discount
decken, im gleichen Zeitraum um einen
Prozentpunkt zurück.
Die skizzierte Entwicklung wird in den kom-
menden 13 Jahren deutlich an Tempo gewin-
nen. Im Prognosejahr 2020 liegt die Zahl Haus-
halte in den Discount-affinen Lebenswelten
nur noch bei 28 Prozent; die Discounter-fer-
nen Lebenswelten nehmen dagegen zahlen-
mäßig um fünf Prozentpunkte auf insgesamt
45 Prozent zu.
Die heutige Kernzielgruppe für die Discounter
wird also kleiner. Was bedeutet das nun für
die Marktanteilsentwicklung der Nachfrage
und der Verbraucherausgaben im LEH – und
für die Discounter selbst?
Familien-Lebenswelten: Discounterbasis bröckelt
4,0
9,0
4,0
7,0
8,0
9,0
5,0
7,0
6,0
11,0
8,0
12,0
5,0
5,0
8,0
7,0
3,0
7,0
6,0
9,0
6,0
9,0
5,0
11,0
7,0
11,0
4,0
7,0
8,0
6,0
3,0
6,0
5,0
10,0
7,0
10,0
5,0
13,0
6,0
10,0
4,0
7,0
[in %]1 Lebenswelten, welche 2007 mehr als 40% im Discount gekauft haben
1995Jahr 2007 2020
32% 31% 28%
38% 40%45%
Lebenswelten, welche 2007 weniger als 35% im Discount gekauft haben
Arbeitslose/Working Poor
Junge Familien AS
Studier./Auszubildende
Ältere Familien AS
Junge Familien MS
Ältere Familien MS
Aufsteiger, Singles, DINKS
Empty-Nest Familien AS
Berufstätige Alleinlebende
Rentner Familien AS
Alleinstehende Ältere AS
Alleinstehende Ältere MS
Empty Nest Familien MS
Rentner-Familien MS
Quelle: GfK ConsumerScan
1 Anteil an allen deutschen Haushalten
Anteile der Lebenswelten nach Bedarfsdeckung im Discount
Prognose 2020 – Gewinner und Verlierer24
Schwerpunkte des Konsums – LEH profitiert vom Bevölkerungswandel
Seit Jahren kämpfen Vollsortimenter und
Discounter verbissen um die Gunst der Ver-
braucher. Dabei ist ihnen natürlich jeder Kunde
willkommen, aber nicht jeder gibt gleich
viel Geld in dem einen oder in den anderen
Vertriebskanälen aus. Dabei wäre es für jeden
Anbieter gut zu wissen, welche Verbraucher-
gruppe wieviel zum Umsatz des eigenen Ver-
triebskanals beiträgt. Denn dadurch ließen sich
Sortimente, Aktionen und Services noch besser
auf die Kunden abstimmen.
Im Folgenden wird versucht zu bestimmen,
welche Lebenswelten für den LEH insgesamt
und für die Discounter insbesondere von
herausragender Bedeutung sind, und zwar für
das Basisjahr 2007 sowie für das Prognosejahr
2020. Dabei zeigt sich, dass den älteren Ziel-
gruppen eine Schlüsselrolle zukommt.
Der Beitrag der einzelnen Lebenswelten zu
den Gesamtausgaben im LEH (inkl. Discounter)
hängt einerseits von der absoluten Größe, also
von der Zahl der Haushalte in der jeweiligen
Lebenswelt ab, andererseits von den relativen
Ausgaben der Haushalte im Verhältnis zur
Grundgesamtheit einer Lebenswelt.
Zum Beispiel: Aufsteiger / Singles / DINKS.
Dabei handelt es sich um eine große Lebens-
welt, mit einem Anteil von fast elf Prozent an
allen Haushalten. Allerdings stehen die meisten
Angehörigen dieser Lebenswelt noch ziemlich
zu Beginn ihrer Berufslaufbahn mit entspre-
chend „entwicklungsfähigen” Einkommen.
Auch sind die Bedürfnisse in dieser Zielgruppe
sehr speziell: Man braucht viel Geld für die
Freizeit, für Kleidung, für die Einrichtung und
für „repräsentative” Dinge. Die Haushalte
dieser Lebenswelt sind klein (z.B. Singles), und
ein großer Teil der Ernährung findet außer
Haus statt. Entsprechend gering ist in dieser
Lebenswelt deshalb der relative Anteil der Aus-
Quelle: GfK ConsumerScan
Familien-Lebenswelten: Einkaufsverhalten im LebensmittelhandelAusgabenanteil für Fast Moving Consumer Goods im Lebensmitteleinzelhandel (inkl. Drogeriemarkt)
Anteil der Lebenswelten an Gesamthaushalten 2007Ausgabenanteil an Gesamtausgaben für FMCG in LEH+DM 2007
1,6
10,9
7,2 7,56,6 7,0
4,7
7,17,9
5,46,3 6,8
8,7
7,2
10,0
4,4 4,8 5,26,3
8,610,1
11,7
15,3
6,2
4,1
9,2
6,2
2,8
[in %]
Studier./Auszubild.
Aufsteiger, Singles,DINKS
Arbeitslose,Working
Poor
Berufstät.Allein-
lebende
Junge Familien
AS
JungeFamilien
MS
ÄltereFamilien
AS
ÄltereFamilien
MS
Empty NestFamilien
AS
Empty Nest-Familien
MS
Rentner-Familien
AS
Rentner-Familien
MS
Allein-stehendeÄltere AS
Allein-stehendeÄltere MS
2007
25
gaben im LEH: Elf Prozent der Haushalte steuern
gerade einmal gut sieben Prozent der Ausgaben
bei. Eine ähnlich große Diskrepanz zwischen
der Größe der Lebenswelt und den anteiligen
Ausgaben im LEH findet man naturgemäß in
allen „alleinstehenden“ Lebenswelten, seien die
Haushalte nun berufstätig oder älter.
Zum Beispiel: Rentnerfamilien Mittelschicht.
Diese Lebenswelt ist unwesentlich größer als
die der Aufsteiger / Singles / DINKS, aber ihr
Beitrag zu den Gesamtausgaben im LEH ist
mehr als doppelt so hoch. Die Haushalte sind im
Durchschnitt etwas größer als die genannten
Referenzhaushalte, vor allem aber verfügen
sie über deutlich mehr Geld, das sie immer
bereitwilliger ausgeben. Dies gilt bis zu einem
gewissen Grade auch für die Rentnerfamilien
der Arbeiterschicht; auch ihr Ausgabenanteil
im LEH ist proportional größer als die Grund-
gesamtheit der Haushalte. Bei den Empty-Nest-
Familien denkt dagegen so mancher noch mehr
an Vorsorge denn an Konsum.
In den kommenden Jahren wird sich der
Schwerpunkt der Konsumausgaben im LEH
spürbar verlagern. Vor allem Familien werden
weniger Geld für Güter des täglichen Bedarfs
im LEH ausgeben, weil diese Lebenswelten
zahlenmäßig kleiner werden. Bei den jungen
Familien der Mittelschicht liegt der rechnerische
Rückgang der Ausgabenanteile im LEH bei 1,1
Prozentpunkten, bei den älteren Mittelschicht-
Familien bei 1,4 Prozentpunkten.
Dagegen werden die „älteren“ Lebenswelten
zahlenmäßig größer. So wird es 2020 deutlich
mehr Rentner-Familien der Mittelschicht geben
als heute. Der Anteil dieser Lebenswelt an den
FMCG-Ausgaben im LEH steigt allein dadurch
um fast drei Prozentpunkte. Bei den Rentner-
familien der Arbeiterschicht fällt der Ausga-
benanstieg flacher aus, da die Ausgaben dieser
Lebenswelt im LEH relativ geringer sind.
Was bedeutet dies nun für die Entwicklung der
unterschiedlichen Einzelhandelsformate?
Quelle: GfK ConsumerScan
Familien-Lebenswelten: Einkaufsverhalten im LebensmittelhandelAusgabenanteil für Fast Moving Consumer Goods im Lebensmitteleinzelhandel (inkl. Drogeriemarkt)
Anteil der Lebenswelten an Gesamthaushalten 2020Ausgabenanteil an Gesamtausgaben für FMCG in LEH+DM 2020
1,6
10,0
6,58,0
6,6 7,0
4,76,0
6,8
5,0 5,36,0
7,56,0
8,6
4,04,8 5,0
6,3
10,011,2
13,0
18,0
7,0
4,8
10,0
6,9
3,0
[in %]
Studier./Auszubild.
Aufsteiger, Singles,DINKS
Arbeitslose,Working
Poor
Berufstät.Allein-
lebende
Junge Familien
AS
JungeFamilien
MS
ÄltereFamilien
AS
ÄltereFamilien
MS
Empty NestFamilien
AS
Empty Nest-Familien
MS
Rentner-Familien
AS
Rentner-Familien
MS
Allein-stehendeÄltere AS
Allein-stehendeÄltere MS
2020Veränderung in %-Punkten 2020 : 2007
- 0,7 - 1,1 + 1,1 + 2,7 + 0,7 + 0,7- 1,0 - 1,2 - 1,4± 0 ± 0 ± 0 ± 0 ± 0
Prognose 2020 – Gewinner und Verlierer26
Schwerpunkte des Konsums – Die Basis der Discounter schrumpft
Jüngere und ältere Familien steuern heute
deutlich mehr zum Umsatz der Discounter bei
als es dem Anteil der Haushalte in der jewei-
ligen Lebenswelt eigentlich entspricht. Die
Gründe dafür liegen auf der Hand: Familien
mit Kindern haben einerseits überdurchschnitt-
lich hohe Ausgaben für FMCG, müssen aber
gerade deshalb das Geld zusammenhalten.
Diese Lebenswelten haben überproportional
zum stürmischen Wachstum der Discounter in
den vergangenen Jahren beigetragen.
Die Veränderung der Lebenswelten in ihrer
quantitativen Zusammensetzung bringt nun
für die Discounter ein paar unerfreuliche Ent-
wicklungen mit sich. Die Familienlebenswelten
der jungen und älteren Familien – im oben
stehenden Chart im vierten Quadranten (unten
rechts) abgetragen – werden bis 2020 deutlich
kleiner. Damit geht auch ihr Anteil an den
Gesamtausgaben im LEH zurück. Die Billigan-
bieter, die heute von der Discountfixierung ge-
rade dieser Lebenswelten überdurchschnittlich
profitieren, sind von deren Rückgang ebenfalls
überproportional betroffen. Sie büßen gegen-
über 2007 in den betreffenden Lebenswelten
mehr als fünf Prozentpunkte ihres wertmä-
ßigen Marktanteils ein.
Zwar profitieren die Discounter künftig auch
vom rein zahlenmäßigen Wachstum anderer
Lebenswelten, aber lange nicht in dem Maße
wie die Wettbewerber. Dies gilt speziell für
die beiden Rentner-Lebenswelten. Was den
Konsum und das Einkaufsverhalten betrifft,
machen die aktiven und gut situierten Ru-
heständler in den kommenden Jahren den
entscheidenden Unterschied aus.
Die Rentner-Familien der Mittelschicht werden
zum Ende des nächsten Jahrzehnts die domi-
nierende Lebenswelt sein. Insgesamt stellen
die Lebenswelten jenseits des Arbeitslebens im
Jahr 2020 bereits 40 Prozent aller Haushalte in
Vollsortimenter profitieren von der alternden Gesellschaft
unterproportional
Stärke des Formats in der Lebenswelt [%]2
Entw
ickl
un
g L
eben
swel
t 20
20 v
s. 2
007
[%]
überproportional
15
20
15
10
5
0
-5
-10
-15
-20
-25
Alleinst. Ältere AS
AlleinstehendeÄltere MS
Rentner-Familien AS
Rentner-Familien MS
Arbeitslose/Working-Poor Empty Nest-Familien AS
Empty Nest-Familien MS
Berufstätige Alleinlebende
Aufsteiger / Singles / DINKS
Ältere Familien MS
Ältere Familien ASStud./Auszubildende
Junge Familien MS
JungeFamilien AS
1 Berechnungen für FMCG auf Basis GfK ConsumerScan 2007 und Prognose 20202 Umsatzanteil Lebenswelt im Format vs. Umsatzanteil Lebenswelt im Gesamtmarkt
Entwicklung der Handelsformate in den einzelnen Familien-Lebenswelten1
-25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25
LEH ohne Discount Umsatzanteil der Lebensweltam Gesamtmarkt FMCG 2020
Die typischen „Discounter-Lebenswelten” schrumpfen
unterproportional vertreten
Stärke des Formats pro Lebenswelt [%]2
Entw
ickl
un
g L
eben
swel
t 20
20 v
s. 2
007
[%]
Umsatzanteil der Lebensweltam Gesamtmarkt FMCG 2020
überproportional vertreten
15
20
15
10
5
0
-5
-10
-15
-20
-25
Alleinstehnde Ältere AS
AlleinstehendeÄltere MS
Rentner-Familien AS
Rentner-Familien MS
Arbeitslose/ Working-PoorEmpty Nest-
Familien AS
Empty Nest-Familien MS
Berufstätige Alleinlebende
Aufsteiger/Singles/DINKS
Ältere Familien MS
Ältere Familien AS
Stud./Auszu-bildende
JungeFamilien MS
JungeFamilien AS
Entwicklung der Handelsformate in den einzelnen Familien-Lebenswelten1
-25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25
Discounter
1 Berechnungen für FMCG auf Basis GfK ConsumerScan 2007 und Prognose 20202 Umsatzanteil Lebenswelt im Format vs. Umsatzanteil Lebenswelt im Gesamtmarkt
27
Deutschland. Diese Lebenswelten haben den
Schwerpunkt ihres Einkaufsverhalten aber nicht
im Discount, sondern bei den Vollsortimentern,
wie das unten stehende Chart auf der gegen-
überliegenden Seite veranschaulicht (zweiter
Quadrant, oben rechts).
Die mittleren, Discounter-affinen Jahrgän-
ge verlieren aber nicht nur zahlenmäßig an
Bedeutung. Anders als die Rentnerfamilien,
deren finanzielle Basis sich stetig verbessert,
müssen sie, nicht zuletzt wegen steigender
Aufwendungen für die Altersvorsorge, weiter-
hin mit einem knappen verfügbaren Einkom-
men kalkulieren.
Die quantitativen und qualitativen Verän-
derungen der Lebenswelten führen jedoch
nicht nur zwischen den konkurrierenden
Vertriebskanälen, sondern auch im Verhältnis
der Discounter untereinander zu spürbaren
Marktanteilsveränderungen. Weder Aldi noch
Lidl sind in den wachsenden älteren Lebens-
welten stark vertreten. Im direkten Vergleich
ist Lidl aber noch etwas schwächer. Anderer-
seits kaufen vor allem die Angehörigen der
finanziell eher schwächeren Lebenswelten
überproportional bei Lidl ein: junge und
ältere Familien, Berufseinsteiger und Singles,
Studierende und Auszubildende sowie Ar-
beitslose und Geringverdiener. Dadurch, dass
Lidl hier seine Position ausbaut, während Aldi
in den älteren Lebenswelten an Bedeutung
verliert, könnte sich die Balance innerhalb der
Discounterschiene weiter zugunsten von Lidl
verschieben. Die Position von Aldi als Markt-
führer scheint langfristig gefährdet.
Accenture und GfK haben die Perspektiven
der unterschiedlichen LEH-Formate einerseits
und die Aussichten einzelner Discounter in
einem multivariable Prognosemodell be-
rechnet. Es gibt Aufschluss darüber, wie sich
Vollsortimenter und Discounter, Aldi und Lidl
unter verschiedenen, realistischen Annahmen
in den nächsten Jahren entwickeln werden.
Multivariables Prognosemodell
Um die Entwicklung im LEH und speziell
bei den Discountern vorherzusehen, hat
Accenture auf Basis von GfK ConsumerScan
ein Multivariables Prognosemodell ent-
wickelt. Durch die Verbindung mit soziode-
mografischen Daten kann das Modell die
künftigen Marktanteile aller relevanten
Akteure im deutschen LEH in verschie-
denen Szenarien berechnen.
Berücksichtigte Einflussfaktoren:
u Soziodemographische Entwicklung
¡ Anteilsmäßige Zusammensetzung
und Entwicklung der Haushalte in
Deutschland nach Lebenswelten
¡ Ausgabenanteile der Lebenswelten
im deutschen LEH
u Marktsituation im LEH
¡ Marktanteile aller Formate im LEH
in den verschiedenen Lebenswelten
¡ Marktanteile der Akteure im LEH in
den verschiedenen Lebenswelten
Prognostizierte Ergebnisse:
u Zukünftige Marktanteile aller wesent-
lichen Akteure im deutschen LEH
(Discounter und übriger LEH)
Simulierte Szenarien:
u Szenario 1: Unveränderte Einkaufs-
stättenpräferenz der Lebenswelten
¡ Veränderte soziodemographische
Zusammensetzung der Bevölkerung
¡ Marktanteile der Formate und
Handelsunternehmen in den
Lebenswelten bleiben gleich
u Szenario 2: Discounter binden Familien
im Lebenszyklus
¡ Veränderte soziodemographische
Zusammensetzung der Bevölkerung
¡ Discounter binden Familien im
Lebenszyklus und steigern so
ihren Marktanteil bei den älteren
Haushalten
Prognose 2020 – Gewinner und Verlierer28
Szenario 1: Verluste durch Bevölkerungswandel
In diesem Szenario wird vorausgesetzt, dass die
Einkaufsstättenpräferenzen der unterschied-
lichen Lebenswelten künftig gleich bleiben,
und dass sich somit die Umsatzanteile der
Lebenswelten am Gesamtmarkt für FMCG
durch die demografische Entwichlung quasi
„naturgegeben“ verschieben.
In diesem Fall kommen den Discountern im
Verlauf der nächsten Jahre relevante Anteile
ihrer jetzigen Klientel abhanden. Der wertmä-
ßige Marktanteil der Discounter bei Fast Moving
Consumer Goods (ohne Nonfood) sinkt in
diesem Szenario bis 2020 von derzeit 37,3 auf
dann 36,6 Prozent. Das entspricht einem
Marktanteilsverlust von 1,6 Prozent.
Lidl trifft die Entwicklung am stärksten, weil der
schwäbische Discounter in den älteren Lebens-
welten am schwächsten ist. Aldi ist dagegen
aufgrund seiner homogeneren Verbreitung in
allen Lebenswelten nicht so stark betroffen.
Szenario 2: Gewinne durch Verhaltensänderung
In diesem Szenario wird davon ausgegangen,
dass es den Discountern gelingt, ihre jetzige
Klientel auch künftig an sich zu binden. Dies
führt dazu, dass sich die Einkaufspräferenzen
innerhalb der einzelnen Lebenswelten ver-
schieben.
In diesem Fall profitieren die Discounter von
ihrer relativen Stärke in den geburtenstarken
Jahrgängen, die in den nächsten Jahren
sukzessive ins Rentenalter kommen und den
Discountern treu bleiben. Die Discounter
wachsen demnach in den nächsten Jahren
zwar langsamer, aber stetig. Ihr wertmäßiger
Marktanteil an FMCG steigt bis 2020 um
8,9 Prozent auf 40,5 Prozent.
Lidl wäre in diesem Fall der große Gewinner,
weil der Discounter bei Familien- und jüngeren
Haushalten überdurchschnittlich vertreten ist.
Aldi könnte aber dank seiner ausgeglichenen
Kundenstruktur ebenfalls weiter wachsen.
LEH Discounter: Szenario 1VÄ der Marktanteile (Wert) für FMCG bis 2020
14,8
10,0
3,53,6
5,3
14,7
9,7
3,43,5
5,3
[in %]
2007 VÄ in % 2020
Aldi Lidl PlusPenny Andere
Quelle: GfK ConsumerScan 2007, Prognose 2020 GfK Lebenswelten, Prognose 2020
37,2 36,6
-0,7
-3,0
-2,9-2,8
0,0
-1,6
LEH Discounter: Szenario 2VÄ der Marktanteile (Wert) für FMCG bis 2020
14,8
10,0
3,53,6
5,3
15,7
11,8
3,63,9
5,4
[in %]
2007 VÄ in % 2020
Aldi Lidl PlusPenny Andere
Quelle: GfK ConsumerScan 2007, Prognose 2020 GfK Lebenswelten, Prognose 2020
37,240,5
+6,1
+18,0
+2,9+8,3
+1,9
+8,9
29
Auch in dem für die Discounter positiven Sze-
nario 2 werden die hohen Wachstumsraten der
vergangenen Jahre nicht mehr erreicht. Das
durchschnittliche jährliche Wachstum der Dis-
counter liegt in diesem Modell bei 0,7 Prozent.
In den Jahren 2001 bis 2007 waren sie noch um
knapp sechs Prozent pro Jahr gewachsen. Der
durchschnittliche jährliche Marktanteilsverlust
von 0,1 Prozent, der sich im ersten Szenario
ergibt, scheint zwar auf den ersten Blick nicht
dramatisch, wäre aber für die erfolgsver-
wöhnten Discounter ein herber Rückschlag.
Beide Szenarien zeigen, dass die Zeiten für
die Discounter härter werden. Einem deutlich
abgeschwächten Wachstum steht im Extrem-
fall sogar ein Abrutschen des wertmäßigen
Marktanteils gegenüber. Das Potenzial der
Discounter liegt aus heutiger Sicht bei gut 40
Prozent Marktanteil im Jahr 2020, das Risiko ist
dagegen ungleich höher. Denn ein Rückgang
des Marktanteils um nur 0,6 Prozentpunkte,
wie im Szenario 1 unterstellt, summiert sich bis
zum Jahr 2020 zu einer Marktanteilslücke von
rund vier Prozentpunkten. Und das entspricht
bei einem angenommenen Wachstum des LEH
von durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr ei-
ner Differenz von dann rund sieben Milliarden
Euro. Das sind immerhin zwölf Prozent des
heutigen Gesamtumsastzes der Discounter.
Für die Vollsortimenter und den Fachhandel
enthalten die beiden Szenarien reziproke
Perspektiven: Im ersten Szenario gewinnen sie
allein durch die quantitative Veränderung der
Lebenswelten Marktanteile hinzu. Insbesonde-
re der Fachhandel profitiert von der Zunahme
der zahlungskräftigeren, konsumfreudigeren
und qualitätsorientierteren Rentnerhaushalte
der Mittelschicht. Im zweiten Szenario setzt sich
dagegen der Bedeutungsverlust insbesondere
von Super- und Verbrauchermärkten fort.
Im folgenden Kapitel wird gezeigt, welche Mit-
tel und Wege den Marktteilnehmern zu Gebote
stehen, die Entwicklung der mengen- wie wert-
mäßigen Nachfrage nach Gütern des täglichen
Bedarfs zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Prognose 2020: Fazit
u Infolge des demografischen Wandels, der
eine Verschiebung der Ausgaben im LEH
mit sich bringt, müssen die Discounter
damit rechnen, in Zukunft Marktanteile
an die Vollsortimenter des LEH und den
Fachhandel zu verlieren.
u Dies gilt insbesondere für die Discounter,
die überdurchschnittlich stark auf die
jüngeren Lebenswelten ausgerichtet sind,
Lidl und Penny.
u Sollte es den Discountern jedoch gelin-
gen, heutige Kunden beim Übertritt in
ältere Lebenswelten an sich zu binden,
können sie weiter wachsen.
u Doch auch im für die Discounter positiven
Szenario sind die Wachstumsraten
deutlich geringer als in den letzten Jahren.
LEH Discounter: Modell 2020Marktanteile (Wert) der Discounter bei FMCG
1 Enthalten im Gesamtmarkt sind Discounter, Super-märkte, Verbrauchermärkte, Drogeriemärkte, Fachhandel, SB-Warenhäuser, Kauf- & WarenhäuserQuelle: GfK ConsumerScan
27,6
37,2
36,6
40,5Szenario 2:Discounter bindenFamilien imLebenszyklus
Szenario 1:UnveränderteEinkaufsstätten-präferenzen derLebenswelten
Marktanteile in % von FMCG gesamt1
Wachstum in %-Punkten des jeweiligen Basismarktanteils
2001 2007 2020
+9,6+3,3
- 0,6
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount30
Der Handel verfügt heute
über eine enorme Fülle an
Daten zur Kundenanalyse,
die er unter anderem durch
zahlreiche Loyalitätspro-
gramme gewinnt. Er weiß,
wann und wie seine Kunden
einkaufen, was sie kaufen
und wofür sie sich interessie-
ren – und das bis auf die
Ebene einzelner Geschäfte.
Doch allzu selten nutzt der Handel diese
Informationen bislang, um Sortimente und
Services optimal auf spezielle Kundenbedürf-
nisse zuzuschneidern. Er handelt nach wie vor
nach der Devise: ‚Wir bieten, was die Kunden
haben wollen‘, statt sich zu fragen: Was
möchten meine Kunden künftig haben?
Welche Trends zeichnen sich künftig ab?
Vorausdenken, Bedürfnisse wecken und
maßgeschneiderte Angebote machen
– das unterscheidet künftig exzellente
Unternehmen von den „nur“ guten.
Customer Centricity – Alles, was Kunden wollen…
In Sachen Kundenmanagement kann der
Handel mit Fast Moving Consumer Goods viel
vom Online-Handel lernen. Top-Anbieter wie
Amazon bedienen nicht nur Kundenwünsche,
sondern leiten aus Ist-Daten künftige Kaufent-
scheidungen ab. Solche Unternehmen nutzen
die persönlichen Kaufbiografien ihrer Kunden,
um sie an das Unternehmen zu binden.
Neben den individuellen wandeln sich aber auch
die kollektiven Bedürfnisse der Konsumenten.
Basis für deren künftige Neuorientierung sind
auch die veränderten gesellschaftlichen Rah-
menbedingungen. Sie werden nicht nur die Sor-
timentsplanung und das Marketing des Handels
massiv beeinflussen, sondern ganze Geschäfts-
modelle auf den Prüfstand bringen.
Im Folgenden werden einige major trends
beschrieben, die in den nächsten zwei Dekaden
den Konsum und das Einkaufsverhalten der Ver-
braucher verändern und bestimmen werden.
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount
Customer Centricity: Neue Wege zum KundenWelche Trends bestimmen die Zukunft – und wie kann man sie nutzen?
Neuorientierungen der Konsumenten unter veränderten Rahmenbedingungen…
… basierend auf operativer Exzellenz und effektivem Talentmanagement
… erfordern neue Kundenstrategien und Innovationen …
… Sortiments- undService-Innovationen
zum Beispiel:
u Regionalität + Biou Interaktion am POS
u Convenience-Formateu Rückkehr Harddiscount
u Mass-Media to Me-Mediau Neue Dialogformen
… Format- und Filial-Innovationen
zum Beispiel:
… Marketing-Innovationen
zum Beispiel:
Polarisierungvon reichund arm
NeueFamilien-Modelle
Wandelder
Arbeit
Urbanisierungund
Verödung
Berücksichti-gung vonMigranten
AlterndeGesell-schaft
31
Die Altersstruktur der deutschen Gesellschaft
wird sich in den kommenden zwei Jahrzehnten
massiv verändern. Ab etwa 2010 dringen die
geburtenstärkeren Sechzigerjahrgänge, deren
Kulminationspunkt der Geburtsjahrgang 1964
ist, sukzessive ins Rentenalter vor. Allein bis
2020 steigt die Zahl der Rentnerhaushalte an
den Gesamthaushalten auf vierzig Prozent. Fast
25 Mio. Menschen werden dann älter als 60 Jah-
re sein; die Zahl der Frauen ist in dieser Gruppe
um fast 2,5 Mio. größer als die der Männer.
Die finanzielle Ausstattung dieser sogenann-
ten Generation Silber wird parallel zu ihrem
zahlenmäßigen Wachstum in den kommenden
Jahren immer besser. Das liegt einerseits an
Renten und Pensionen, die aufgrund der teils
sprunghaften Lohnsteigerungen der Vergan-
genheit in Zukunft höher liegen als heute;
daran ändert auch die „deckelnde” Rentenfor-
mel nichts. Schon heute verfügt die Genera-
tion Silber über eine ebenso starke Kaufkraft
wie die „werbe-relevante” Zielgruppe der bis
49-Jährigen.
Das Geldvermögen der älteren Generation
steigt nicht zuletzt auch dank immer höherer
Erbschaften stetig an. Im Durchschnitt verfügen
die Haushalte 60+ bereits heute über 32 Tsd.
Euro Geldvermögen. Zudem wohnt mehr als die
Hälfte der entsprechenden Haushalte im eige-
nen Haus bzw. in der eigenen Wohnung und
muss folglich keine Miete zahlen.
Der „Nachfolger“ der Generation Silber, die
heutigen Best Ager, sind finanziell noch besser
ausgestattet. Zwar werden sie mit Eintritt ins
Rentenalter weniger verdienen als heute, ihr
Vermögen ist aber schon jetzt doppelt so hoch
wie das der aktuellen Generation Silber, und
auch der Eigenheimanteil ist höher. So kommt
den älteren Lebenswelten, vor allem der Gene-
ration Silber, nicht nur zahlenmäßig eine stark
wachsende Bedeutung zu. Sie gehören auch zu
den qualitäts- und genussorientierten Verbrau-
chern. Diese Anforderungen zu bedienen, ist
bisher nicht gerade die Stärke der Discounter.
u Ältere Konsumenten legen beim Einkauf
von FMCG, wie generell, Wert auf Gesundheit,
Sicherheit, Convenience und Qualität, aber
auch auf sozialen Kontakt und Kommunika-
tion. Der Preis spielt für sie nicht die dominie-
rende Rolle.
u Die Generation Silber geht deutlich öfter
zum Einkaufen als selbst die größeren Familien
mit Kindern. Zwei Drittel von ihnen liebt dabei
die persönliche Einkaufsatmosphäre in Super-
märkten. Zumal sie dort ein Sortiment vorfin-
den, das ihnen gefällt.
u Die Zahl der Premiumkäufer ist in der
Generation Silber deutlich höher als in den an-
deren Käufersegmenten; 65 Prozent von ihnen
geben generell Herstellermarken den Vorzug.
Die Handelsmarken-Käufer in diesem Segment
rekrutieren sich nahezu ausschließlich aus der
Gruppe der finanziell schwachen Haushalte.
Einkaufsverhalten der „Generation Silber”
Quelle: GfK ConsumerScan
15
14
27
41
20
16
23
35
10
26
Jüngere(bis 49 J.)
Best Ager(50 – 59 J.)
GenerationSilver
(60 J.+)
Markenwahl der Generation Silberbei Gütern des täglichen Bedarfs
PremiumkäuferPromotionkäufer
MarkenkäuferHandelsmarkenkäufer
45
29
Alternde Gesellschaft
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount32
Zwar sind die Herren immer noch in der Mehr-
heit, wenn Kabinette oder Vorstände zusam-
menkommen, aber sie sind zumeist nicht mehr
unter sich. Die Berufstätigkeit von Frauen hat in
den letzten drei Jahrzehnten deutlich zugenom-
men. 1974 waren in der alten Bundesrepublik
nur ein gutes Drittel aller sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigten Frauen, in den kommen-
den Jahren wird sich die Quote der 50-Prozent-
Marke immer weiter annähern.
Berufstätige Frauen (und Männer) kaufen an-
ders ein als nicht berufstätige. Dies gilt für ihre
Produkt-, aber auch für ihre Einkaufsstätten-
präferenz. Convenience steht hier hoch im Kurs,
dies zeigt der Erfolg des LEH mit seinen frischen
Salaten und Snacks. Die Discounter hinken hier
noch hinterher, sind aufgrund der Lage ihrer Fili-
alen teils aber auch in der schlechteren Position.
Weiterhin verschwimmen die Grenzen zwischen
Haushalt und Beruf immer weiter und immer
schneller. „Home Work“, Berufsarbeit zu Hause,
macht die Verbraucher flexibler und verändert
ihre Konsumbedürfnisse.
Kirche, Küche, Kinder – zum Dreiklang des
traditionellen Frauenmodells hat sich ein
Viertes hinzugesellt: Karriere. Eine Folge: Die
Haushalte sind heute im Durchschnitt deu-
lich kleiner, und sie bleiben länger Klein- und
Kleinsthaushalte. Die Zahl der Ein- und Zwei-
personenhaushalte war im Jahr 2005 um fast
20 Prozentpunkte höher als 1970. Selbst gegen-
über dem Jahr 2000 nahmen sie innerhalb von
fünf Jahren um rund zwei Prozentpunkte zu.
Zwar werden diese Haushalte künftig nicht
mehr so stark wachsen, aber sie werden das
Konsum- und Einkaufsverhalten in seiner Ge-
samtheit deutlich verändern. Dazu trägt auch
die wachsende Zahl der Patchwork-Familien
bei, Single- oder Paarhaushalte mit (Schei-
dungs-)Kindern auf Zeit.
Der starke Anstieg der älteren Bevölkerung,
verbunden mit deutlich veränderten Einstel-
lungen und Lebensentwürfen wird neue For-
men des Zusammenlebens im Alter hervorbrin-
gen, von der Alters-Wohngemeinschaft bis hin
zu großen Mehr-Generationen-Haushalten.
FrauenerwerbstätigkeitAnteil der Frauen an allen Beschäftigten1 in %
Quelle: Statistisches Bundesamt, Stat. Jahrbuch 2007
1 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen2 altes Bundesgebiet
19742 19802 19902 2000 2006
38,6
41,0
44,145,3
37,5
HaushaltsgrößenAnteil der jeweiligen Haushaltsformate in %
Quelle: Statistisches Bundesamt, Stat. Jahrbuch 2007
Privathaushalte mit Personen:1altes Bundesgebiet, 2Deutschland Gesamt
1 2 3 4 5+
19701 19912 1995 2000 2005
25,1
27,1
19,6
15,2
12,9
33,6
30,8
17,1
13,5
5,0
34,9
32,1
15,8
12,4
4,7
36,1
33,4
14,7
11,5
4,4
37,5
33,9
14,0
10,8
3,9
Wandel der Arbeit Neue Familienmodelle
33
Die sozialen Unterschiede in Deutschland
nehmen zu, mit einschneidenden Folgen für
die Sozialkassen, für das Steuersystem, für die
öffentlichen Haushalte. Vor allem aber für die
betroffenen Privathaushalte.
Schon heute sagen in Deutschland 25 Prozent
aller Haushalte von sich, dass sie mit dem ihnen
zur Verfügung stehenden Geld (aus Einkom-
men und/oder Transferleistungen) vorne und
hinten nicht auskommen. Diese Haushaltsgrup-
pe ist in den letzten Jahren stetig gewachsen,
und zwar gespeist aus der Mitte der Gesell-
schaft, also den Haushalten, die finanziell
(noch) im Großen und Ganzen zurecht kommen.
Seit die Preise für Lebensmittel ab Mitte des
vergangenen Jahres teils deutlich steigen,
haben vor allem die finanziell schwächeren
Haushalte, aber auch die besser verdienenden
ihre Mengennachfrage mehr oder weniger
reduziert, und das nicht nur in den Waren-
gruppen, in denen die Preise besonders stark
gestiegen sind. Schon die tatsächliche Inflati-
on ist laut Statistischem Bundesamt in einzel-
nen Konsumbereichen (Kraftstoffe, Heizöl,
Lebensmittel, insb. Milch und Milchprodukte)
beträchtlich, die „gefühlte” noch viel stärker.
Laut Prognose von GfK und Accenture wird sie
noch weiter zunehmen.
Das gilt auch für die Polarisierung der Sorti-
mente im Bereich der Fast Moving Consumer
Goods. Bereits in den letzten Jahren waren
die wertmäßigen Marktanteile von Premium-
und Handelsmarken stetig gestiegen, wäh-
rend die Marken aus der zweiten und dritten
Reihe massiv an Boden verloren. Die soziale
Polarisierung wird auch die Markenpräfe-
renzen und damit die Verteilung von Herstel-
lermarken und Private Labels im Lebensmittel-
handel verändern. Die komplette Range der
Artikel, vom Top- bis zum Preiseinstiegspro-
dukt, wird davon betroffen sein.
Polarisierung ist auch ein Trend im Wettbewerb
zwischen Stadt und Land. Die Menschen zieht
es mehr und mehr in die Städte, der Arbeit
hinterher. Vor allem im Osten veröden dage-
gen ganze Landstriche. Aber auch traditionelle
Industriehochburgen wie das Ruhrgebiet und
das Sachsendreieck zwischen Dresden, Leipzig
und Magdeburg sind davon betroffen.
Während der LEH in strukturschwachen Ge-
bieten durch die Abwanderung Kundschaft
verliert, kommt es in den Metropolregionen
zum scharfen Wettbewerb um attraktive und
bezahlbare Standorte. Spürbare Verschie-
bungen in den einzelnen Filialnetzen dürften
die Folge sein.
In den Ballungsgebieten verändern sich zudem
die Nachfrage- und Einkaufsgewohnheiten. So
verlangt die urbane Kundschaft zunehmend
nach bedürfnisgerechten Öffnungszeiten rund
um die Uhr (24/7), nach speziellen Conveni-
ence-Stores oder Zusatzleistungen wie Fax-/
Kopierservice, Postdiensten oder Lottoservice.
Soziale PolarisierungAnteil der jeweiligen Haushaltsgruppe in %
GfK ConsumerScan
…die sich fast nichts
leisten können
…die im Großenund Ganzen
zurecht kommen
…die sich fast alles
leisten können
Haushalte…
26 4727
23 4730
Haushaltsverteilung
Ausgabenverteilung FMCG
u
u
Wachsende Polarisierung
Urbanisierung und Verödung
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount34
Migranten stellen einen großen Teil unserer Ge-
sellschaft. 7,3 Mio. Menschen in unserem Land
sind Ausländer, hinzu kommen rund acht Mio.
Deutsche mit Migrationshintergrund. Das sind
15 Mio. Verbraucher, von denen viele allerdings
noch das meiste, was sie zum Leben brauchen,
in ihrem „Heimatland” einkaufen: in kleinen
türkischen, griechischen, asiatischen Lebensmit-
telläden, die zugleich als „Treffpunkt” dienen.
Gerade die türkisch-stämmige Bevölkerung
ist eine kaufkräftige Zielgruppe. Hier schlum-
mern unausgeschöpfte Potenziale für den LEH.
Allerdings gilt es, die speziellen Gewohnheiten
dieser Klientel zu berücksichtigen. Gezieltes
Ethno-Marketing könnte ein Ansatz sein, kurz:
eine „deutsche Strategie in fremder Sprache“.
Chancen im geografisch engen Umfeld
Migranten leben „konzentriert”, vor allem in
Städten, und selbst hier vorzugsweise in spezi-
ellen Bezirken. Der Ausländeranteil an der
Gesamtbevölkerung beträgt 8,8 Prozent; in
Frankfurt liegt er bei rund 27, in München bei
ca. 23 Prozent. Aber selbst innerhalb dieser
Städte ist die Streuung enorm. So gibt es Ge-
biete mit gerade einmal einem Prozent und an-
dere mit mehr als 35 Prozent Ausländeranteil.
Ausländer pflegen, selbst wenn sie schon lange
in Deutschland leben, ihre eigene Kultur in
Familien und sozialen Zirkeln. Dazu gehört auch
der kleine Lebensmittelladen, der nicht nur Ge-
schäft, sondern auch Treffpunkt ist. Hier Fuß zu
fassen, ist eine Herausforderung für den LEH.
Junge Haushalte, große Haushalte
Die ausländischen Haushalte im GfK-Panel sind
deutlich jünger und größer als die deutschen.
Vor allem in den berufstätigen Altersklassen
gibt es überproportional viele junge Auslän-
derhaushalte. In über der Hälfte aller tür-
kischen Haushalte in Deutschland leben vier
Personen und mehr – mit überproportional
hoher, wenngleich spezieller Nachfrage.
Aufgeschlossen und werbeaffin
Ausländerhaushalte sind offener für Wer-
bung als ihre deutschen Pendants. Dies be-
trifft sowohl Print- als auch Online-Werbung.
Entgegen der landläufigen Meinung sind sie
durchaus innovations- und probierfreudig.
82 Prozent „probieren gerne neue Produkte
aus”; in deutschen Haushalten liegt die Quote
nur bei 62 Prozent. Ein zielgerichtetes, aktives
Marketing hilft, Potenziale in dieser Zielgruppe
zu erschließen.
Ausländische LebensweltenAltersgruppen
58
16
27
20
25
17
24
18
11
24
4
[in % aller Bürger in Deutschland] Deutsche
bis 24 J. 24 – 34 J. 35 – 44 J. 45 – 54 J. 55 – 64 J. > 65 J.
Quelle: GfK
Ausländer
Ausländische LebensweltenHohe Affinität zu Werbung und Technik
Zustimmung[in % aller Haushalte]
Deutsche
4 u.m.-Personen-HH
Quelle: GfK
Werbung„Werbung in Zeitung/Zeitschrift finde ichnützlich.”
Internet„Ich surfe gerneim Internet.”
Neuprodukte„Ich probiere gerneneue Produkte.”
TechnikBesitzstand Handy
Ausländer
33 30
62
76
52 48
8290
Berücksichtigung von Migranten
35
Was kann der Handel tun? – Umfassende Innovations-Offensive
Um künftig Wachstum zu generieren, müssen
die Discounter, aber nicht nur sie, die Kunden
noch stärker ins Zentrum ihres Angebots und
ihres Handelns rücken. Es entstehen immer
mehr und immer deutlicher abgegrenzte
Interessengruppen, die mit einem allgemeinen
und gleichmachenden Marketing kaum noch
erreichbar sein werden.
Differenzierung ist ein Gebot der Zukunft: in
den Sortimenten, in der Kundenansprache, in
der Warenpräsentation und im Service. So wol-
len junge, gebildete, dynamische Zielgruppen
ein Höchstmaß an Eigenständigkeit und Ent-
scheidungsfreiheit (vor dem Regal, aber auch
zwischen Shop und Internet), während ältere
Zielgruppen weniger Komplexität, dafür aber
mehr Service am Point of Sale erwarten.
Convenience und Wellness
Convenience, Wellness und Genuss , das sind
die Trends der letzten Jahre in den FMCG-
Sortimenten. Sie werden dies – flankiert von
anderen, zeit- und zeitgeistbezogenen Trends –
auch in den nächsten Jahren bleiben.
Zwischen 2002 und 2007 sind die Ausgaben für
FMCG insgesamt um lediglich sechs Prozent-
punkte gestiegen. Für Convenience-Produkte
wendeten die Verbraucher dagegen 34 Prozent
mehr auf. Auch die Discounter haben diesen
Trends erkannt und bieten seit einigen Jahren
Tiefkühlkost sowie Frischeprodukte an. Den-
noch sind beide Sortimente nach wie vor eher
eine Domäne der Vollsortimenter.
Ähnliches gilt für den Bereich Gesundheit/
Wellness. Alle Discounter haben inzwischen
ein eigenes Label für Drogerieprodukte wie
beispielsweise Cremes. Und das Segment „Bio”
wird vor allem von den Discountern forciert.
Wachstumssegmente sind auch functional
food und functional drinks, also Produkte mit
Zusatznutzen. Sie punkten unter anderem mit
Vitamin- und anderen Nährstoffzugaben. Popu-
läre Beispiele sind Red Bull, Bionade und Yakult.
Regional und biologisch
In Zeiten der Globalisierung gewinnt die Region
an Bedeutung, unter anderem wegen der
Klima-Implikationen. In den meisten Lebens-
welten gibt es bereits heute eine beachtliche
Zielgruppe für regional und biologisch erzeugte
Produkte. Zwar bieten auch die Discounter
zahlreiche Bio-Eigenmarken an, aber die
Kombination mit „regional” ist eher selten.
Welche Bedeutung die Themen Klima und
Umwelt (und damit auch Regionalität) für die
Verbraucher haben, zeigt eine GfK-Studie von
2007. Darin rangiert der Vorsatz, künftig mehr
regionale Produkte zu kaufen, auf einem der
vorderen Plätze.
Sortiments- und Service-Innovationen
Wachstumsmärkte: Convenience / Wellness / Enjoyment
100102
110
106
104
102 102
108
112
120
113
118
131
105 106
116 115
123125
139
134
2002 2003 2004 2005 2006 2007
Convenience
Gesundheit/Wellness
Genuss
FMCG gesamt
Quelle: GfK ConsumerScan
Index: Ausgaben 2002 = 100
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount36
Wachstum der Eigenmarken
Handels- oder Eigenmarken sind in Deutsch-
land derzeit noch eine Domäne der Discounter,
sie verkaufen 80 Prozent aller Eigenmarken in
Deutschland. Die Sortimente von Aldi bestehen
fast ausschließlich aus Eigenmarken.
Das ist zum Beispiel in England ganz anders;
dort gehören Handelsmarken zum Standard-
sortiment des Lebensmittelhandels. Folge: In
Großbritannien wird bei 82 Prozent aller Shop-
pingtrips auch zumindest eine Handelsmarke
gekauft. In Deutschland liegt der Anteil der
Einkäufe, bei denen eine Eigenmarke des Han-
dels gekauft wird, dagegen nur bei 55 Prozent.
Doch auch hier ist der Erfolg der Handelsmarken
beeindruckend. Sie sind quasi Huckepack auf
der Erfolgswelle der Discounter zum wertmäßig
größten Markensegment aufgestiegen. Ihr An-
teil am Gesamtangebot des LEH beträgt derzeit
rund 38 Prozent; der mengenmäßige Anteil ist
natürlich viel größer. Der überproportionale
Anstieg der Mehrwert-Handelsmarken, die
preislich über den Preiseinstiegs-Handelsmarken
positioniert sind, zeigt zudem, dass das Konzept
dehnbar und noch lange nicht ausgereizt ist.
Die Bedeutung der Handelsmarken wird hier-
zulande in den nächsten Jahren weiter zuneh-
men, und zwar unabhängig vom Wachstum der
Discounter. 2010 werden im Bereich der FMCG
voraussichtlich 85 Mrd. Euro mit Handelsmar-
ken umgesetzt. Das ist mehr als die Hälfte des
gesamten LEH-Umsatzes. Davon entfällt ein
größerer Teil als heute auf die Vollsortimenter,
die mit Eigenmarken ihre Sortimente preislich
weiter aufspreizen und an die Bedürfnisse un-
terschiedlicher Kundengruppen anpassen.
Ziel des Handels ist es, dass die Handelsmarken
selbst als „Marke“ wahrgenommen werden;
so soll mit der neuen Rewe sogar ein ganzes
Handelsunternehmen zur Marke aufgebaut
werden. Über seine Handelsmarken erlangt
der Handel zudem Kenntnisse über die Kosten-
strukturen auch der Herstellermarken. Diese
Transparenz über die Kosten führt zu einem
enormen Machtzuwachs des Handels bei den
Einkaufsverhandlungen mit der Industrie.
Private Labels als WachstumstreiberVoraussichtliches Wachstum bis 2010
Quelle: Institute of grocery distribution, 2006
D
F
CH
GB
[in Mrd. , Wachstumsrate in %]2005 2010
8564
8559
1613
9172
277EmergingMarkets
+32%
+44%
+27%
+26%
+322%
Erfolgsfaktor EigenmarkenEigenmarken im europäischen Vergleich
GB
F
CH
D
ES
FIN
I
Anteil an Einkaufstrips, bei denen auch mindestensein Eigenmarken-Produkt gekauft wurde [in %]
82
73
70
55
54
34
26
Quelle: Accenture, 2006
37
Ursache für den Wandel der Geschäftsformate
des Handels sind die veränderten Lebens- und
Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher. In
den städtischen Ballungszentren ist dieser
Wandel schon weiter als auf dem Land, und im
Ausland ist er weiter vorangeschritten als in
Deutschland. Der Blick über die Grenzen zeigt,
was auf Handel und Verbraucher hierzulande
zukommt.
… zum Beispiel: Premium Stores
Für den wohlhabenderen Teil der Gesellschaft
wird es in wachsendem Maße Premium-Stores
geben. Diese Shops unterscheiden sich von
den gängigen Feinkostgeschäften durch ein
breiteres Sortiment, wie heute schon bei den
süddeutschen Anbietern Dallmayr und Käfer. Sie
ziehen Kaufkraft aus dem LEH ab, es sei denn,
die großen Einzelhändler treten selbst als Betrei-
ber solcher Premium Stores auf.
… zum Beispiel: Convenience Shops
In diesem „Laden um die Ecke“ steht die
Bequemlichkeit des Einkaufens im Vordergrund,
mit Öffnungszeiten rund um die Uhr an sieben
Tagen der Woche. Kunden dieser Convenience
Shops erwarten kein umfassendes, dafür aber
ein wechselndes Sortiment, mit speziellen
Angeboten zum Frühstück, Salaten und Snacks
zu Mittag und Ready-to-eat-Produkten am
Abend. Solche Convenience-Shops betreibt die
amerikanisch-japanische 7-Eleven-Kette in rund
20 Ländern weltweit äußerst erfolgreich, in
Europa vor allem in Skandinavien.
… zum Beispiel: Harddiscount
Als Reaktion auf die wachsenden finanziellen
Schwierigkeiten zahlreicher Haushalte könnte es
zu einer Rückkehr des Harddiscounts kommen,
der ein Basisspektrum an Artikeln für solche
Zielgruppen anbietet, denen selbst die heutigen
Discounter zu teuer geworden sind. Dieser neue
Harddiscount zeichnet sich aus durch absolute
Best-Preis-Fixierung, ein Basissortiment
(ca. 400 - 600 Artikel) mit dem Allernötigsten,
100 Prozent Eigenmarkenanteil, den Verzicht
auf jegliche Ladengestaltung, Warenpräsen-
tation ausschließlich in Transport- und Umver-
packungen (Shelf-Ready-Packaging) und den
Verzicht auf jeglichen Service.
Die Frage ist natürlich, wie Aldi und Lidl auf ein
solches Konzept reagieren. Sie werden kaum
selbst die Betreiber sein, weil sie sich dadurch
in ihren bestehenden Läden den Ruf als Preis-
führer untergraben. Andererseits besitzen die
beiden führenden Discounter so große Einkaufs-
und Marktmacht, dass sie einem Konzept un-
terhalb des bestehenden Discounts das (Über-)
Leben sehr schwer machen können.
Das „back to the roots“ des Discounts ist jeden-
falls eine der spannendsten Fragen (ob, wie,
wer?) der künftigen LEH-Entwicklung.
Format- und Filial-Innovationen
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount38
Im Zuge der gesellschaftlichen und technolo-
gischen Veränderungen wandeln sich auch die
Kauf- und Konsumgewohnheiten mit bislang
nicht gekannter Dynamik. Erst wenige Jahre ist
es her, dass Amazon und eBay das Einkaufsver-
halten der Deutschen revolutionierten. 3,2,1 …
meins! gilt mittlerweile für fast alle frei handel-
baren Waren und Dienstleistungen. In einigen
Branchen – z.B. der Reiseindustrie – hat das
Internet gar zu einer Verdrängung des bis dato
dominierenden Stationärhandels geführt.
Auch bei der Informationsbeschaffung gehen
die Verbraucher neue Wege: Sind höherwertige
Anschaffungen geplant, suchen Kunden nicht
mehr den Fachhandel auf, um sich zu informie-
ren, vielmehr „besuchen“ sie einschlägige Foren
und führen Preisvergleiche auf Suchmaschinen
wie geizhals.de oder ciao.de durch.
Der Siegeszug des Internet und die weitere
Ausbreitung der Mobilfunktechnologien wer-
den zunehmend auch das Marketing im
Lebensmittelhandel und damit auch im
Discount verändern. Einige, für die nähere
Zukunft sehr nachhaltige Entwicklungen sind
nachfolgend dargestellt.
u Von Mass Media zu Me Media
Zur Kundenansprache werden bislang im LEH
fast ausschließlich Formen des „Massenmarke-
ting“ verwendet. Fernsehspots, Wurfsen-
dungen und Beilagen richten sich bei Rewe
& Co. nicht an einen bestimmten, fest einge-
grenzten Kundenkreis, sondern an ein mög-
lichst breites Spektrum von potentiellen Konsu-
menten. Auf den Discountbereich übertragen,
kann man auch vereinfacht sagen: Wenn Aldi
informiert, dann nicht den einzelnen Konsu-
menten - sondern ganz Deutschland!
Die Ära der „klassischen Kommunikations-
und Werbemedien“ steht jedoch vor ihrem
Ende. Mit Ausnahme von „Wetten dass….?“
und sportlichen Großereignissen gelingt es
nur noch wenigen Formaten „jung“ und „alt“
sowie „arm“ und „reich“ vor dem Bildschirm zu
vereinen. Die Mediennutzung wird zunehmend
fragmentierter; die Grenzen zwischen Internet
und Fernsehen verschwimmen. Mit dem Handy
ist zudem ein weiterer Kommunikationskanal
hinzugekommen, dem auch hinsichtlich der
Mediennutzung eine immer größere Bedeu-
tung zukommt.
Bereits jetzt beklagen die Marketingabtei-
lungen der großen Handelsunternehmen, dass
die bewährten Formen der Kundenansprache
nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielen.
Eine hohe Anzahl gesendeter Spots, sei es im
Radio oder im TV, garantiert nicht mehr ables-
bar höhere Filialumsätze in den Folgetagen.
In den Printmedien sorgen eine Überflutung
an Beilagen und eine geringere „Leseintensi-
tät“ der Konsumenten für eine Zunahme der
gefürchteten „Streuverluste“.
Marketing-Innovationen
Neue Formen des Kundendialogs
Quelle: GfK
TraditionalMedia goesinteractive
TV movingonline
PoSInteraction
MobileMarketing
AmbientMedia
ViralMarketing
Web 2.0/3DVirtual
Advertising
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3
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8
39
Mit der Weiterentwicklung der aktuellen
Technologien wird es jedoch in zunehmendem
Maße möglich sein, Kunden direkter anzuspre-
chen und damit Streuverluste zu vermeiden.
Auf Basis vorhandener Kundendaten wer-
den Werbebotschaften für die jeweiligen
Zielgruppen „maßgeschneidert“. So werden
Schnäppchenjäger mit den aktuellen Angebo-
ten; Weinliebhaber mit den Testergebnissen
des geführten Riesling- oder Spätburgun-
dersortiments versorgt. Dass Kunden dabei
persönlich mit ihrem Namen angesprochen
werden, braucht nicht mehr explizit hervorge-
hoben zu werden.
Der Übergang von Mass- zu Me-Media wird
aber nicht nur das wer und was, sondern in
erster Linie auch das wann, wo und wie ver-
ändern. Man kann sich gut vorstellen, welche
Vorteile sich bieten, wenn Hausfrauen vormit-
tags einen „Vorschlags-Einkaufszettel“ über
ihr Handy erhalten oder an Berufstätige noch
kurz vor Arbeitsschluss und der Fahrt nach
Hause ein Newsletter mit neuesten Angebo-
ten per Mail versendet wird.
Bereits jetzt ist es zudem möglich, den geo-
grafischen Standort registrierter Handynutzer
zu bestimmen: Nähern sich diese Kunden ei-
ner Filiale, werden ausgewählte Angebote per
SMS verschickt – Routenführung inklusive!
u Multi-Channel Retailing
Die neuesten Technologien erreichen ihren
maximalen Wirkungsgrad jedoch nur dann,
wenn sie in ein Multi-Channel Konzept ein-
gebettet sind. Denn das Informationsverhal-
ten der Kunden ist heute schon mehrgleisig:
Durch die Fernsehwerbung oder Printmedien
aufmerksam geworden, genügt ein Blick ins
Internet, um sich noch fehlende Informati-
onen zu beschaffen. Dennoch werden die
einzelnen Kanäle im LEH viel zu häufig noch
unabhängig voneinander „optimiert“.
So bieten die Homepages der großen Han-
delskonzerne heute zwar schon einen grafisch
ansprechenden Auftritt und eine Reihe sinn-
voller Funktionalitäten, die Vernetzung des
Internets mit den weiteren Kommunikations-,
vor allem aber mit den Absatzkanälen steckt
jedoch noch in den Kinderschuhen.
Im Rahmen des Multi Channels wird sich das
Zusammenspiel von Printmedien, Internet,
TV und Radio, Handy und letztendlich den
Filialen immer weiter verbessern. Bald wird es
für Kunden möglich sein, einen in einer Zei-
tungsbeilage beworbenen Artikel per „Click
and Reserve“-Funktionalität auf der Internet-
seite zu reservieren und am darauf folgenden
Tag – nachdem die Verfügbarkeit per SMS
oder durch den Anruf über ein Call Center
bestätigt wurde – in der für ihn nächsten
Filiale abzuholen. Ein Anstehen noch weit
vor Ladenöffnung, um beispielsweise einen
der begehrten Aldi PCs zu bekommen, würde
dann entfallen.
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount40
Mit dem Einsatz von Scannerkassen bei Aldi
ist eine der letzten Bastionen im Kampf gegen
eine zunehmende Technisierung des Handels
gefallen. Nach jahrelangem Wettstreit muss-
ten sich „die schnellsten Finger Deutschlands“
an den Kassen von Albrechts Discounterkette
den Scannersystemen geschlagen geben. Zu
häufig erwiesen sich die neuen Techniken
bei Testkäufen als schneller, genauer und
damit letztendlich auch als wirtschaftlicher.
Die Glaubensfrage „Mensch oder Maschine“
war damit auch im Lebensmitteleinzelhandel
entschieden.
Beim Einsatz neuer Technologien ist der Han-
del anderswo aber teils deutlich weiter als in
Deutschland, wie Studien und Projekte von
Accenture weltweit belegen. So differenzieren
sich erfolgreiche Unternehmen im internatio-
nalen Lebensmittelhandel, wie z.B. Tesco und
Wal-Mart, zunehmend durch ihren analy-
tischen Vorsprung im Vergleich zum Wettbe-
werb. Der Einsatz modernster Technologien er-
möglicht es ihnen, ihre profitabelsten Kunden
zu identifizieren, Produktinnovationen gezielt
zu entwickeln, ihre Supply-Chain effizient zu
steuern, Preise quantitativ zu optimieren und
zentrale wirtschaftliche Erfolgstreiber gezielt
zu steuern.
u Tesco gelingt es beispielsweise durch die
Nutzung von Kundendaten bei Kampagnen
eine zehnmal höhere Reaktionsrate zu erzielen
als der Branchendurchschnitt.
u Das Data-Warehouse von Wal-Mart inte-
griert Daten aus sämtlichen Bereichen entlang
der gesamten Handelsprozesskette in einer ein-
heitlichen Plattform, die umfassende Analysen
von Zusammenhängen erlaubt. Wissen wird hier
zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
u Eine High Performance Retailing Studie von
Accenture in den USA zeigt, dass 65 Prozent der
erfolgreichen Handelsunternehmen über umfas-
sende analytische Hilfsmittel zur Entscheidungs-
unterstützung verfügen, während weniger
erfolgreiche Händler solche Instrumente nur zu
23 Prozent einsetzen.
Ein Instrument, das wohl alle großen Einzel-
handelsfilialisten gerne nutzen würden, und
das sich seit Jahren im fortschreitenden Prozess
der Erprobung befindet, ist die Radiotechno-
logie zur Steuerung eines ganzen Bündels von
Einzelhandelsprozessen, kurz: RFID. Als nächstes
könnte dann die Einführung biometrischer Ver-
fahren den Einzelhandel revolutionieren.
Operative Exzellenzund Talentmanagement
41
u RFID – das neue Zauberwort
RFID ist das neue Zauberwort, wenn es derzeit
um Innovationen in der Einzelhandelslogistik
geht. Und tatsächlich lassen sich mit Einsatz
von RFID Technologien erhebliche Verbesse-
rungspotentiale in der Steuerung des Waren-
flusses erzielen. Planmengen können detail-
lierter festgelegt und Anlieferungstermine
genauer bestimmt werden; Lagerhaltung
und Warenverräumung werden effizienter.
Durch eine exaktere Bestandsführung können
zudem Überbestände und somit Abschriften
vermindert werden. Erhebliche Erleichte-
rungen ergeben sich auch bei Inventur und
Preisauszeichnung.
RFID wird aber auch zu einem Wandel der
Einkaufsprozesse in den Filialen führen.
„Mitdenkende Einkaufswagen“ ermöglichen
es den Kunden, voreingestellte Einkaufszettel
abzurufen. Scannersysteme geben jederzeit
einen Überblick über die zusammengestellten
Waren. Zur Bezahlung ist nur noch das Pas-
sieren einer Schranke mit dem vollbeladenen
Einkaufswagen nötig. Ja, selbst „sprechende
Einkaufsassistenten“, die auf aktuelle Ange-
bote an dem Regal hinwiesen, an dem sich
der Kunde gerade befindet, sind längst keine
Utopie mehr.
Für den Discountbereich sind die Einsatzfelder
von RFID derzeit noch begrenzt. Zu schlank
sind die Logistikstrukturen und zu übersicht-
lich die Artikelanzahl. Logistisch aufholen
werden jedoch Supermarktketten und Ver-
brauchermärkte mit ihren vielschichtigen und
umfangreichen Sortimenten. Voraussetzung
dafür ist jedoch, dass die Kosten für den
Einsatz von RFID weiter sinken und die noch
bestehenden Systemunsicherheiten beseitigt
werden.
u Biometrie – bezahlen per Fingerabdruck
Wer häufiger in die Vereinigten Staaten reist,
kennt die Prozedur: Neben den üblichen
Einreiseformalitäten müssen USA-Reisende
die Erfassung der Fingerabdrücke und einen
Scan der Gesichtskonturen über sich ergehen
lassen. Mit dieser Erfassung der biometrischen
Daten erhofft sich die amerikanische Regie-
rung eine schnellere Erkennung und Ermitt-
lung terrorverdächtiger Personen.
Biometrische Verfah-
ren werden zukünf-
tig jedoch nicht nur
bei der Einreise und
der Personenfahn-
dung eingesetzt,
auch im Lebens-
mitteleinzelhandel
bietet sich eine Reihe
von pragmatischen
Einsatzfeldern.
In Verbindung mit
neuen Kassensyste-
men wird in nicht
allzu ferner Zukunft
die Bezahlung per
Fingerabdruck Re-
alität. Displays und
In-Store Monitore
erkennen Geschlecht,
Alter und ethnische
Herkunft der Kunden
und wechseln ziel-
gruppengerecht ihre
Werbebotschaften.
Geben Kunden
ihr Einverständnis – z.B. im Rahmen eines
Loyalitätsprogramms – so werden sie künftig
bereits bei Betreten des Ladens per Video-
erfassung erkannt und durch einen Mitarbei-
tet persönlich begrüßt – und dies nicht nur in
ihrer „Stammfiliale“!
Zukünftige Wachstumstreiber in LEH & Discount42
u Wanted: Der Handelsmanager der Zukunft
Eine typische Karriere im LEH beginnt im
Regelfall am Point of Sale. Hat man sich inner-
halb einer Filiale bzw. eines Marktes bewährt,
folgt als nächster Schritt die Übernahme eines
Bezirks oder der Wechsel in eine Zentralfunk-
tion. Der Primat der „Erfahrung an der Kun-
denfront“ gilt ohne Ausnahme und so finden
sich auch Hochschulabsolventen nach meh-
reren Jahren akademischer Ausbildung als
zukünftige Bereichsleiter bei Aldi oder Lidl
beim Verräumen von Milchkartons oder beim
Kassieren an der Kasse wieder.
Nicht wenige der heute erfolgreichen Handels-
manager haben ihre Karriere gar als Lehrling
in einem Handelsunternehmen begonnen und
sind dann Stufe für Stufe die Erfolgsleiter em-
porgestiegen. Pragmatismus, hohe Einsatzbe-
reitschaft und ein „gutes Bauchgefühl“ für das,
was Kunden wünschen, waren die Garanten
für ein schnelles Weiterkommen. Gelang dann
noch die Verknüpfung dieser Attribute mit der
Fähigkeit, Mitarbeiter zu führen, stand einer
steilen Karriere nichts mehr im Wege.
Im Zuge der dynamischen Veränderungen
werden die Anforderungen an die Handels-
manager jedoch zunehmend komplexer. In
Zeiten schnell wechselnder Sortimente, knap-
per Margen und geringer Kostenspielräume
rücken analytische Fähigkeiten immer mehr
in den Vordergrund. Bei Vollsortimentern
müssen Marktleiter die Verfügbarkeit von bis
zu 80.000 Artikeln sicherstellen, den Einsatz
von externen Dienstleistern steuern und meh-
rere hundert Mitarbeiter während Öffnungs-
zeiten von 08:00 Uhr bis 22:00 Uhr koordinie-
ren. Ohne technische Unterstützung und ein
tiefes Systemverständnis sind diese Aufgaben
nicht mehr zu bewältigen.
Die Technisierung – aber speziell auch die
immer schneller fortschreitende Internatio-
nalisierung – hinterlassen deutliche Spuren
hinsichtlich der Qualifizierung zukünftiger
Führungskräfte. Zwar erwarten Aldi und Lidl
von ihrem Managementnachwuchs auch wei-
terhin primär einen guten Universitätsabschluss
und die Bereitschaft, Personalverantwortung
zu übernehmen, Fremdsprachen-Zertifikate,
Praktika im Ausland und hohe analytische
Fähigkeiten werden jedoch mit immer
größerem Wohlwollen betrachtet.
Mit Blick auf die Wachstumsraten außerhalb
der deutschen Grenzen wird der Trend zu
Internationalisierung und Technisierung in
den nächsten Jahren weiter zunehmen. Schon
jetzt zeichnet sich dies bei den beiden großen
Discountketten ab: strebt man bei Aldi oder
Lidl eine attraktive Zentralfunktion oder den
Posten eines Prokuristen in einer der Regional-
gesellschaften an, ist ein vorheriger Einsatz im
Ausland nahezu Pflicht.
Fraglich bleibt damit schließlich auch, wie
lange „deutsch“ noch die Sprache der Discoun-
ter bleiben wird. Derzeit berichten bei Aldi die
meist noch deutschen Länderverantwortlichen
in ihrer Muttersprache an den Verwaltungs-
rat. Bei anderen großen Händlern wurde der
„switch“ zu Englisch schon vollzogen. Gut
vorstellbar, dass sich auch Discounter von ihren
Traditionen als klassische Einzelhändler lösen
und sich mehr und mehr als multinationale
Konzerne verstehen. Spätestens dann hat die
„Wachablösung“ in den Führungsspitzen und
damit die Suche nach den besten Köpfen bzw.
der „War for Talent“ im LEH begonnen.
43
Fazit: Die Zukunft des Handels in Deutschland
Der Verbrauchsgüterhandel in Deutschland
unterscheidet sich von dem anderer europä-
ischer Länder vor allem durch die Marktmacht
der Discounter. Sie bewirkt, dass sich die groß-
en europäischen Handelskonzerne wie Carre-
four oder Tesco bislang hier nicht engagieren
und selbst der amerikanische Handelsriese Wal-
Mart, größter Lebensmittelfilialist der Welt,
nach ein paar erfolglosen Jahren die Segel
streichen musste. – Deutschland, das Land der
wehrhaften „Gallier”, denen die Zauberformel
„einfach-billig-massenhaft” übernatürliche
Kräfte im globalen Wettbewerb verleiht?
Einfach, in Sortiment und Präsentation, sind
die Discounter immer noch, und dank des stür-
mischen Wachstums der letzten Jahre können
Sie beim Einkauf jetzt noch mehr Masse in die
Waagschale werfen. Aber billig sind sie nicht
mehr. Selbst der gleichbleibend große Abstand
zu den anderen Formaten des LEH kann nicht
verschleiern, dass sich die Discounter derzeit als
die größten Nutznießer einer von den Erzeu-
gern angestoßenen Preisoffensive in Stellung
bringen.
Sie reagieren damit auf Wachstumsrestrikti-
onen, die der stürmische Aufstieg zwangs-
läufig mit sich gebracht hat. Und so werden
die Karten im deutschen LEH in den nächsten
Jahren neu gemischt. Mit am Tisch sitzen
dabei auch Player, die, weil neu in der Runde,
schwer einzuschätzen sind: ausgebuffte Profis
aus dem Ausland, kreative Akteure mit neuen
Ideen und Strategien sowie im Hintergrund das
Publikum, die Verbraucher, der sprichwörtliche
„zwölfte Mann“, der, wie im Fußball, schon so
manches Spiel entschieden hat.
So lassen sich die entscheidenden Wegscheiden
für die unterschiedlichen Handelsformate in
etwa so skizzieren:
Für die Discounter gilt: Das scheinbar unbe-
grenzte Wachstum auf Basis der „klassischen“
Erfolgsfaktoren hat seinen Zenit erreicht. Dich-
te und Profitabilität des Filialnetzes erscheinen
ebenso ausgereizt wie die bekannt großen
Einkaufsvolumina mit den entsprechenden Ra-
batten. Jetzt sind ganz neue Ansätze gefragt,
um nicht am Ende ähnlichen komplexitäts-
bedingten Problemen gegenüberzustehen wie
die „normalen“ Supermärkte mit ihren Voll-
sortimenten. Kurz: Die Discounter müssen sich
neu erfinden, sonst erfinden am Ende andere
den „neuen“ Discounter!
Die klassischen Einzelhandelsgeschäfte pro-
fitieren in den nächsten Jahren von der wach-
senden Schar älterer Verbraucher. Doch diese
Verbraucher sind anspruchsvoller, qualitäts- und
serviceorientierter als die älteren Kunden von
heute. Der Handel muss, wie auch die Herstel-
ler, die neue Generation Silber ins Zentrum
eines eigenständigen Marketings stellen, mit
entsprechenden Sortimenten, Marken und
Services. Es ist anzunehmen, dass die Discounter
die zahlungskräftige Kundschaft nicht einfach
ziehen lassen und sich mit der jungen und der
finanzschwachen Klientel begnügen. Der Kampf
ums Geld der Generation Silber hat gerade erst
begonnen!
Wenn die Kunden „leben“ wollen, kann der
Handel nicht schlafen. Neue Arbeits- und
Lebensbedingungen bringen neue Wünsche
und Bedürfnisse hervor, auch und gerade beim
Einkaufen. Neue Handelsformate offerieren
rund um die Uhr ihr bedarfsgerechtes Ange-
bot, vom Frühstücksbuffet bis zum nächtlichen
Snack. Wer wird diese Formate betreiben? Die
Discounter wohl kaum, der deutsche Einzel-
handel vielleicht, ganz sicher aber die smarten
und flexiblen Händler aus den Nachbarländern.
Wenn der Handel nicht wachsam ist, wird er
von den Eindringlingen überrumpelt!
Fazit
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