0berlandesgericht Dresden 2. Strafsenat Aktenzeichen: 2 VAs 4/02 1 AR 30/01 StA Leipzig AR 475/01 GenStA Dresden
Beschluss
vom 19. Mai 2003 in der Antragssache des
Antragsteller g e g e n den Freistaat Sachsen Antragsgegner
wegen Löschung von Verfahrensdaten aus dem staatsanwalt- schaftlichen Verfahrensregister
1. Der Bescheid der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 21. Januar 2002 wird - soweit er die Ab-lehnung der Löschung der Personen- und Ver-fahrensdaten für die Verfahren 302 Js 6391/99 und 805 Js 9052/99 enthält - aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft Leipzig wird insoweit verpflichtet, den Antragsteller unter Beach-tung der Rechtsauffassung des Oberlandesge-richts neu zu bescheiden.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebühren-frei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Löschung von Daten aus dem
Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft Leipzig.
Im Verfahrensregister der Staatsanwaltschaft Leipzig werden
bezüglich des Antragstellers (als Beschuldigter) folgende
Daten gespeichert:
302 Js 6391/99 wegen Verstoßes gegen das Versammlungs-
gesetz, Tatzeit 28.11.1998, bei der Staatsanwaltschaft
erledigt 2001 durch Beantragung eines Strafbefehls und
bei Gericht erledigt durch Ablehnung der Eröffnung des
Hauptverfahrens,
805 Js 9052/99 wegen Missbrauchs von Titeln, Berufsbe-
zeichnungen und Abzeichen, Tatzeit 11.02.1999, 1999
umgetragen in das Js-Register 800 mit dem neuen Akten-
zeichen 800 Js 9052/99, Verfahrensstatus: erledigt
1999 durch Einstellungsverfügung gemäß § 170 Abs. 2
StPO mangels Tatverdachts,
507 Js 36796/99 wegen Trunkenheit im Verkehr, Tatzeit
16.07.1999, Verfahrensstatus: bei der Staatsanwalt-
schaft Leipzig erledigt mit Beantragung eines Strafbe-
fehls und bei Gericht erledigt durch Ur-
teil/Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 31 bis 90
Tagessätzen.
Mit Schreiben vom 06. Oktober 2001 begehrte der Antragstel-
ler bei der Staatsanwaltschaft Leipzig die Löschung der Da-
ten zu den Verfahren 302 Js 6391/99 und 805 Js 9052/99 und
die Berichtigung der Eintragung zum Verfahren
507 Js 36796/99 dahin, dass der Tatvorwurf fahrlässige
Trunkenheit im Verkehr laute.
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Die Staatsanwaltschaft Leipzig lehnte mit Bescheid vom
21. Januar 2002 eine Löschung der gespeicherten Daten ab,
ohne eine Entscheidung über den Berichtigungsantrag zu
treffen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag des An-
tragstellers vom 30. Januar 2002, der auf § 23 Abs. 2 des
Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG)
gestützt wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den
Antrag als unbegründet zu verwerfen.
Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Leipzig mit Be-
scheid vom 08. Februar 2002 die vom Antragsteller begehrte
Berichtigung antragsgemäß vorgenommen, Der Antragsteller
hat daraufhin "den Rechtsstreit" insoweit für erledigt er-
klärt.
II.
1. Der mittlerweile lediglich noch auf das Löschungsbe-
gehren gerichtete, im Übrigen durch den Bescheid der
Staatsanwaltschaft Leipzig vom 08. Februar 2002 ge-
genstandslos gewordene Antrag vom 30. Januar 2002 ist
gemäß §§ 23 Abs. 1, 24 Abs. 1, 26 Abs. 1 EGGVG zuläs-
sig. Insbesondere macht der Antragsteller geltend,
durch den Bescheid der Staatsanwaltschaft Leipzig vom
21. Januar 2002 in seinen Rechten - hier in seinem
Recht auf Löschung von Verfahrensdaten aus der staats-
anwaltschaftlichen Datei gemäß aus § 489 Abs. 2 StPO -
verletzt zu sein (§ 24 Abs. 1 EGGVG).
Dass es sich bei der Vorschrift des § 489 Abs. 2 StPO
um ein subjektives Recht des Antragstellers auf Lö-
schung personenbezogener Daten handelt, lässt sich
zwar dem Wortlaut der Vorschrift nicht ohne Weiteres
entnehmen. Es ergibt sich aber aus einer Gesamtschau
der keine abschließende Regelung datenschutzrechtlich
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motivierter Bestimmungen enthaltenden Regelungen des
Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 (vgl. hierzu
Brodersen, NJW 2000, 2536, 2537) und des mit einer
Verpflichtung korrespondierenden Löschungsanspruchs
des Betroffenen aus § 20 Abs. 2 Bundesdatenschutzge-
setz (BDSG) (vgl. dazu etwa Mallmann in Simitis, Kom-
mentar zum BDSG 5. Aufl., Rdn. 35 zu § 20) sowie dem
bereits dem Wortlaut nach als subjektives Recht aus-
gestalteten Löschungsanspruch des Betroffenen aus den
§§ 5, 19 des Sächsischen Datenschutzgesetzes
(SächsDSG).
2. Der Antrag des Antragstellers hat auch in der Sache
(vorläufig) Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurück-
verweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft Leip-
zig.
Ein Anspruch des Antragstellers auf Löschung der bei
der Staatsanwaltschaft Leipzig in den Verfahren
302 Js 6391/99 und 805 Js 9052/99 gespeicherten Daten
kann sich aus § 489 Abs. 2 StPO ergeben. Nach dieser
Vorschrift sind personenbezogene Daten in staatsan-
waltschaftlichen Dateien zu löschen, wenn ihre Spei-
cherung unzulässig ist oder sich aus Anlass einer Ein-
zelfallbearbeitung ergibt, dass die Kenntnis der Daten
für die in den §§ 483, 484, 485 StPO jeweils bezeich-
neten Zwecke nicht mehr erforderlich ist.
Dass die Speicherung der Daten des Antragstellers in
der staatsanwaltschaftlichen Datei unzulässig wäre,
ist nicht ersichtlich. Ob hingegen die Kenntnis der
Daten für die in den §§ 483 bis 485 StPO jeweils be-
zeichneten Zwecke nicht mehr erforderlich ist, vermag
der Senat zurzeit nicht zu beurteilen. Insoweit liegt
derzeit keine Spruchreife vor, so dass eine Entschei-
dung des Senats in der Sache zurzeit nicht ergehen
kann. Denn Voraussetzung hierzu ist nach der o.g. Vor-
schrift, dass die Staatsanwaltschaft Leipzig eine Ein-
zelfallbearbeitung zur Prüfung der Erforderlichkeit
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der weiteren Datenspeicherung durchführt. § 489 Abs. 2
StPO enthält zwar dem Wortlaut nach wiederum keinen
Hinweis darauf, wann die speichernde Stelle eine Ein-
zelfallbearbeitung durchzuführen hat. Der Senat ist
jedoch angesichts des mit der Verpflichtung korrespon-
dierenden Löschungsanspruchs des Betroffenen der An-
sicht, dass die Staatsanwaltschaft jedenfalls dann ei-
ne Einzelfallbearbeitung vorzunehmen hat, wenn der Be-
troffene - wie hier - einen konkreten Löschungsantrag
an sie richtet.
Eine derartige Einzelfallbearbeitung hat die Staatsan-
waltschaft Leipzig jedoch - bislang - nicht vorgenom-
men. Den Anforderungen des § 489 Abs. 2 StPO wird ihr
die Löschung ablehnender Bescheid vom 21. Januar 2002
jedenfalls nicht gerecht. Hierin wird - lediglich all-
gemein - dargelegt, auf welcher Grundlage und mit wel-
cher Dauer eine Speicherung von Personen- und Verfah-
rensdaten bei der Staatsanwaltschaft Leipzig erfolgt.
Etwas anderes, nämlich insbesondere ein Eingehen auf
die konkreten Tatvorwürfe und die Erforderlichkeit von
Speicherungsumfang und -dauer angesichts der gegen den
Antragsteller konkret geführten Ermittlungsverfahren
ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme der Gene-
ralstaatsanwaltschaft Dresden vom 13. März 2002. Auch
hierin werden letztlich nur allgemein gehaltene Erwä-
gungen zu Aufbewahrungsbestimmungen in den Fällen ei-
ner Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO
und im Falle der Ablehnung der Eröffnung des Hauptver-
fahrens angestellt.
In Ermangelung dieser an sich gebotenen Einzelfallbe-
arbeitung liegt zurzeit keine Spruchreife vor, die ei-
ne Entscheidung des Senats in der Sache ermöglichen
würde.
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3. Die Staatsanwaltschaft Leipzig wird bei der noch
durchzuführenden Einzelfallbearbeitung des Löschungs-
antrages nach Auffassung des Senats folgendes zu be-
achten haben:
Zwar ergibt sich die Art der zu verarbeitenden Daten
und ihre Speicherungsdauer zunächst aus der aufgrund
von § 490 StPO erlassenen Errichtungsanordnung der
Staatsanwaltschaft Leipzig vom 27. November 2001. Der
Maßstab der Erforderlichkeit der (weiteren) Speiche-
rung der Daten muss aber letztlich dem aus dem von dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Volkszählungsur-
teil (BVerfGE 65, 1 ff.) entwickelten Recht auf infor-
mationelle Selbstbestimmung gerecht werden. Darüber
hinaus darf aufgrund des sogenannten Zweckbindungs-
grundsatzes - es muss ein unmittelbarer Zusammenhang
zwischen Speicherung und konkretem Verwendungszweck
bestehen - die speichernde Stelle nur die Daten spei-
chern, die für ihre Aufgabenerfüllung geeignet und er-
forderlich sind (vgl. zu der im Hinblick auf das Er-
forderlichkeitserfordernis entsprechend ausgestalteten
Vorschrift des § 20 BDSG im Übrigen Bergmann, Möhrle,
Herb, Datenschutzrecht, Rdn. 44 zu § 20 BDSG).
Aus den Kommentierungen zur - insoweit - ähnlich aus-
gestalteten Vorschrift des § 14 BDSG ergibt sich, dass
bei der Speicherung von Daten ein strenger Maßstab an-
zulegen ist. Die Speicherung und Veränderung personen-
bezogener Daten ist nur dann erforderlich, wenn die
Aufgabe sonst nicht, nicht vollständig oder nicht in
rechtmäßiger Weise erfüllt werden kann. Dass die Daten
zur Erfüllung der Aufgabe geeignet und zweckmäßig
sind, ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedin-
gung (Bergmann, Möhrle, Herb, a.a.O. Rdn. 26; Mallmann
a.a.O., Rdn. 15 zu § 14). Angesichts des Umstandes,
dass die datenschutzrechtlich motivierten Regelungen
im Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 insbesondere
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
15. Dezember 1983 zum Volkszählungsgesetz Rechnung
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tragen sollten (BT-Dr 14/1494), müssen nach Ansicht
des Senats bei der Prüfung der Erforderlichkeit i.S.v.
§ 489 Abs. 2 StPO die oben dargelegten, vom Bundesver-
fassungsgericht entwickelten Maßstäbe herangezogen
werden. Hierbei weist der Senat insbesondere darauf
hin, dass wesentliche Aspekte oder Bestimmungsfaktoren
für die Erforderlichkeit der Speicherung der Datenum-
fang und der Zeitaspekt sind (so auch Mallmann a.a.O.
Rdn. 16 zu § 20 m.w.N.; vgl. im Übrigen auch BVerfG,
Strafverteidiger 2002, 577, 578).
b) Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht aufge-
stellten Maßstäbe unterliegt die nach § 490 Satz 1
StPO von der Staatsanwaltschaft Leipzig erlassene Er-
richtungsanordnung insbesondere folgenden Bedenken:
Zum einen sind Art und Umfang der gespeicherten Daten
sowie die Speicherdauer stets gleich geregelt, unab-
hängig davon, ob eine Speicherung der Daten auf der
Grundlage der §§ 483, 484 oder des § 485 StPO erfolgt.
Auch wenn eine derartige Mischform der Datenspeiche-
rung durch die ausdifferenzierte Regelung der StPO
nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. Brodersen
a.a.O. Seite 2541), hält der Senat insbesondere die
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für über-
zeugend, wonach eine weitere Speicherung von Daten
dann unzulässig sein kann, wenn nichts dafür spricht,
dass die Eintragung in Zukunft auch praktische Bedeu-
tung hat und deshalb ausgeschlossen werden kann, dass
die vorhandenen Daten die Arbeit der zuständigen Be-
hörde noch fördern können.
Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden,
dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
einer (weiteren) Speicherung personenbezogener Daten
aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in einer po-
lizeilichen Personalauskunftsdatei zum Zwecke der vor-
beugenden Verbrechensbekämpfung dann entgegensteht,
wenn nichts dafür spricht, dass der Betroffene erneut
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einschlägig oder ähnlich strafrechtlich in Erscheinung
treten wird und deshalb ausgeschlossen ist, dass die
vorhandenen Daten die Arbeit einer Behörde fördern
können (Mallmann, a.a.O., Rdn. 42 zu § 20 mit einge-
henden Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts).
Bedenken unterliegt insbesondere auch, dass die Er-
richtungsanordnung der Staatsanwaltschaft Leipzig ent-
gegen § 490 Nr. 7 StPO keine Prüffristen vorsieht und
damit den Mindestanforderungen des § 490 StPO an Er-
richtungsanordnungen für automatisierte Dateien nicht
gerecht wird.
4. Eine Kostenentscheidung war mangels Entscheidung in
der Sache nicht veranlasst. Von der Anordnung einer
(teilweise) Erstattung der außergerichtlichen Kosten
des Antragstellers im Hinblick auf den mittlerweile
erledigten Berichtigungsantrag war abzusehen, da für
eine derartige Bestimmung gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1
EGGVG begründete Erfolgsaussichten nicht genügen; er-
forderlich wäre ein offensichtlich fehlerhaftes oder
gar willkürliches Verhalten der Justizbehörde (Kissel
in Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Aufl. Rdn. 5 zu
§ 31 EGGVG m.w.N.). Dies ist indes hier nicht der
Fall. Drath Schlüter-Staats Poth Vorsitzender Richter Richter am Richter am am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Landgericht RiOLG Schlüter-Staats ist urlaubsbedingt an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert