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01
WGM-STEUERNEWS
MAI 2017
02.Juni 2017
Inhalt
STEUERRECHT ................................................................................................................................................. 4
ENTSCHEIDUNGEN .......................................................................................................................................... 4
1. Wann kann ein PC-gestütztes Kassensystem als nicht manipulierbar angesehen werden? .................. 4
2. Schadensersatz des Arbeitgebers wegen Mobbings, Diskriminierung oder sexueller Belästigung
steuerfrei........................................................................................................................................................... 4
3. Zum Zollwert und zur Erstattung von Zöllen bei angepassten Verrechnungspreisen ............................. 4
4. Warenlieferungen in und aus Konsignationslagern ................................................................................... 5
5. Recht auf Vorsteuerabzug – Reverse-Charge-Verfahren .......................................................................... 5
6. Anspruch auf Besteuerung durch das örtlich zuständige Finanzamt § 14
Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG, § 27 S. 2 AO, § 26 S. 2 AO, § 367 Abs. 1 AO, § 41 Abs. 1 und 2 FGO 6
7. Zum Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b EStG ............................................................ 6
VERWALTUNG/GESETZGEBUNG .................................................................................................................... 7
8. Internationale Leitlinie für die Mehrwertbesteuerung ................................................................................ 7
9. Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher
Vorschriften ...................................................................................................................................................... 7
10. Zustimmung zum Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz ....................................................................... 8
11. Steuerschätzung vom Mai 2017 ............................................................................................................... 8
AUFSÄTZE ........................................................................................................................................................ 9
12. Steuerliches internes Kontrollsystem – Eine große Chance für einen Cooperative-Compliance-
Ansatz ............................................................................................................................................................... 9
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104 13. Effektive Durchsetzung des Unionsrechts im MwSt-Recht: Euro Tyre, Italmoda, Barlis 06 und die
Folgen ............................................................................................................................................................... 9
ARBEITSRECHT .............................................................................................................................................. 10
ENTSCHEIDUNGEN ........................................................................................................................................ 10
1. Häusliches Arbeitszimmer eines Selbstständigen .................................................................................. 10
2. Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Anerkennungstarifvertrag ............................................................ 10
3. Zweckbefristung eines Arbeitsvertrags wegen Schließung einer Betriebsstätte .................................. 10
4. Betriebsrentenanpassung – aktive latente Steuern ................................................................................. 11
5. Mitbestimmungsrecht bei der Anrechnung einer zweistufigen Tariferhöhung ..................................... 11
6. Zwangsgeld oder Zwangshaft bei polemischem Arbeitszeugnis ........................................................... 11
7. Kein Recht zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei Einsicht in die Personalakte ............................ 12
8. Regelungskompetenz der Betriebsparteien für auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenzen
Bindung der Betriebsparteien an das Gebot des Vertrauensschutzes ....................................................... 12
9. Mitbestimmungsrecht bei Anmelden und Betreiben einer Facebookseite ............................................ 12
10. Referenzzeitraum bei der Ermittlung der Arbeitszeit ohne ausdrückliche Vereinbarung
- Keine Berücksichtigung von hypothetischen Krankheitszeiten ............................................................... 13
11. Gewerkschaftliche Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl - Unterschriften zweier
Gewerkschaftsbeauftragter zwingende Voraussetzung für die Verwendung des Namens der
Gewerkschaft im Wahlvorschlag .................................................................................................................. 13
12. Besonderer Erfüllungseinwand des Arbeitgebers bei Lohnsteuerabzug - Keine
Nachberechnung für mehrere Jahre und über mehrere Monate ................................................................ 14
13. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergang .......................................... 14
14. Mitbestimmungsrecht bei betrieblicher Lohngestaltung ...................................................................... 14
15. AGB-Kontrolle bei Abweichung von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden
Vertragstypik .................................................................................................................................................. 15
16. Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde – Aussetzungsbeschluss des
Landesarbeitsgerichts im Beschlussverfahren ............................................................................................ 15
17. Druckkündigung nach außerdienstlicher Straftat .................................................................................. 16
18. Überstundenabgeltung: Auf die Vertragsgestaltung kommt es an! ..................................................... 16
19. Massenentlassung: Erweiterung des Entlassungsbegriffs um Personen in Elternzeit ....................... 16
20. Keine Haftung für Löhne der Arbeiter eines Subunternehmers ............................................................ 16
21. EuGH-Schlussanträge: Deutsches Mitbestimmungsgesetz mit dem Unionsrecht vereinbar ............. 17
22. Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen Stellung eines Strafantrags ................................. 18
23. Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines vorübergehenden Bedarfs
an der Arbeitsleistung ................................................................................................................................... 18
24. Auslegung der Geltungsbereichsbestimmungen von Tarifverträgen ................................................... 19
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104 25. Anzahl der Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage .............. 19
AUFSÄTZE ...................................................................................................................................................... 20
26. BB-Rechtsprechungsreport zur betrieblichen Altersversorgung 2016/2017 ....................................... 20
27. Bundestag beschließt das neue Mutterschutzgesetz ........................................................................... 20
28. Neues zur Massenentlassungsanzeige: Mehr administrativer Aufwand und Risiken
für Arbeitgeber! .............................................................................................................................................. 21
29. Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden des Arbeitnehmers bei
(vorsätzlicher) Schädigung durch Arbeitskollegen, Vorgesetzte und Organmitglieder ............................. 21
30. Die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers und ihre arbeitsrechtlichen Implikationen ............................ 21
31. Entgelttransparenzgesetz gebilligt ......................................................................................................... 22
BILANZRECHT UND BETRIEBSWIRTSCHAFT .............................................................................................. 22
AUFSÄTZE ...................................................................................................................................................... 22
2. ErbSt-Reform 2016: Belastungswirkungen und Gestaltungsansätze bei der
Unternehmensnachfolge ............................................................................................................................... 22
WIRTSCHAFTSRECHT ................................................................................................................................... 23
ENTSCHEIDUNGEN ........................................................................................................................................ 23
1. Fernüberwachungsvertrag – unwirksame Laufzeitklausel – “Aushandeln” von AGB ........................... 23
2. Pflicht des Geschäftsführers zur Handelsregisteranmeldung nach Insolvenzeröffnung ..................... 23
VERWALTUNG/GESETZGEBUNG .................................................................................................................. 24
3. Bundestag novelliert das Datenschutzrecht ............................................................................................ 24
AUFSÄTZE ...................................................................................................................................................... 24
4. Das deutsche Kartellrecht in der Reform: Überblick über die 9. GWB-Novelle ....................................... 24
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104 STEUERRECHT
ENTSCHEIDUNGEN
1. Wann kann ein PC-gestütztes Kassensystem als nicht manipulierbar angesehen werden?
LEITSÄTZE DER REDAKTION
Bei der Nutzung programmierbarer elektronischer Kassensysteme stellt das Fehlen der Program-
mierprotokolle einen gewichtigen formellen Kassenführungsmangel dar, der jedenfalls bei bargeldin-
tensiven Betrieben zu Hinzuschätzungen berechtigt. Zu diesen Unterlagen gehören neben den An-
weisungen zur Kassenprogrammierung insbesondere diejenigen Programmierprotokolle, die nach-
trägliche Änderungen dokumentieren. Das Fehlen dieser Organisationsunterlagen bei einem elektro-
nischen Kassensystem steht dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei Registrierkassen bzw. dem
Fehlen von Auszählungsprotokollen bei einer offenen Ladenkasse gleich. Diese Grundsätze sind auf
PC-Kassensysteme gleichermaßen anzuwenden wie auf elektronische Registrierkassen, da PC-
Systeme mindestens ebenso manipulationsanfällig sind wie elektronische Registrierkassen.
FG Münster, Urteil vom 29.3.2017 –7 K 3675/13 E,G,U
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/steuerrecht/urteile/Wann-kann-ein-PC-gestuetztes-Kassensystem-als-nicht-manipulierbar-angesehen-werden-32596
2. Schadensersatz des Arbeitgebers wegen Mobbings, Diskriminierung oder sexueller Belästigung
steuerfrei
Eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 1 AGG, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer wegen Diskri-
minierung zahlen muss, ist auch dann steuerfrei (also kein Arbeitslohn), wenn der Arbeitgeber die
behauptete Benachteiligung bestritten und sich lediglich in einem gerichtlichen Vergleich zur Zah-
lung bereit erklärt hat. Denn dabei handelt es sich um den Ausgleich immaterieller Schäden i. S. des
§ 15 Abs. 2 AGG.
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.3.2017 – 5 K 1594/14
Weitere Informationen: https://justiz.rlp.de/de/service-informationen/aktuelles/detail/news/detail/News/mit-urteil-vom-21-maerz-2017-5-k-159414-hat-das-finanzgericht-rheinland-pfalz-fg-entschieden-d/
3. Zum Zollwert und zur Erstattung von Zöllen bei angepassten Verrechnungspreisen
AMTLICHE LEITSÄTZE
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden gem. Art. 267 des Vertrages über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Lassen es die Vorschriften der Art. 28ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.
Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die
Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November
2000 (ABl. L 311, S. 17) geänderten Fassung zu, einen vereinbarten Verrechnungspreis, der sich aus
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104 einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und einer pauschalen Berichti-
gung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammensetzt, unter Anwendung eines Aufteilungs-
schlüssels als Zollwert zu Grunde zu legen, und zwar unabhängig davon, ob am Ende des Abrech-
nungszeitraums eine Nachbelastung oder eine Gutschrift an den Beteiligten erfolgt?
2. wenn ja:
Kann der Zollwert anhand vereinfachter Ansätze geprüft bzw. festgesetzt werden, wenn die Auswir-
kungen nachträglicher Verrechnungspreisanpassungen (sowohl nach oben als auch nach unten)
anzuerkennen sind?
B. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorabentscheidungsfragen ausge-
setzt.
FG München , Beschluss 15.9.2016 , 14 K 1974/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/steuerrecht/urteile/Zum-Zollwert-und-zur-Erstattung-von-Zoellen-bei-angepassten-Verrechnungspreisen-32590
4. Warenlieferungen in und aus Konsignationslagern
Bei einem Konsignationslager bleibt der Lieferer (Konsignant) zivilrechtlicher Eigentümer der im La-
ger befindlichen Ware. Erst wenn der Abnehmer (Konsignatar) die Ware entnimmt, geht das Eigen-
tum an dieser vom Konsignanten auf den Konsignatar über.
Liefert ein im Drittlands- oder Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer Waren aus dem Dritt-
land oder dem Gemeinschaftsgebiet in ein von ihm in Deutschland unterhaltenes Konsignationsla-
ger, aus dem der inländische Abnehmer Waren bei Bedarf entnimmt, verschafft er grds. erst im Zeit-
punkt der Warenentnahme aus dem Konsignationslager die Verfügungsmacht i.S.d. §3 Abs.1 UStG
an den Abnehmer. Gleichzeitig verwirklicht er nach § 3 Abs. 6 UStG eine im Inland steuerbare und
steuerpflichtige Lieferung (vgl. 3.12 Abs.6 UStAE).
OFD Frankfurt/M.,Verfügung vom 23.02.2017 – S 7100a A-004-St 110
Weitere Informationen: http://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/689919/
5. Recht auf Vorsteuerabzug – Reverse-Charge-Verfahren
1. Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem in ihrer durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli
2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auf die Lieferung von Grundstücken an-
wendbar ist, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden.
2. Die Vorschriften der Richtlinie 2006/112 in ihrer durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung
sowie die Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit sind dahin
auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfah-
ren fraglichen dem Erwerber eines Gegenstands für die Mehrwertsteuer, die er aufgrund einer nach
der gewöhnlichen Mehrwertsteuerregelung ausgestellten Rechnung rechtsgrundlos an den Verkäu-
fer gezahlt hat, obwohl der betreffende Umsatz der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-
Charge-Verfahren) unterlag, das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, wenn der Verkäufer diese
Steuer an das Finanzamt abgeführt hat. Die genannten Grundsätze erfordern allerdings, dass der
Erwerber seinen Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer
unmittelbar gegen die Steuerverwaltung geltend machen kann, soweit die Rückzahlung durch den
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104 Verkäufer an den Erwerber unmöglich oder übermäßig schwierig wird, insbesondere im Fall der Zah-
lungsunfähigkeit des Verkäufers.
3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass in
einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen die nationalen Steuerbehörden gegen einen
Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand erworben hat, dessen Lieferung dem Reverse-Charge-
Verfahren unterliegt, eine Geldbuße in Höhe von 50 % des von ihm an die Steuerverwaltung zu ent-
richtenden Mehrwertsteuerbetrags verhängen, wenn der Steuerverwaltung keine Steuereinnahmen
entgangen sind und keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen, was zu prüfen Sa-
che des vorlegenden Gerichts ist.
EuGH, Urteil vom 26.4.2017 – C-564/15, Farkas
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/steuerrecht/urteile/Recht-auf-Vorsteuerabzug--Reverse-Charge-Verfahren--32640
6. Anspruch auf Besteuerung durch das örtlich zuständige Finanzamt § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG,
§ 27 S. 2 AO, § 26 S. 2 AO, § 367 Abs. 1 AO, § 41 Abs. 1 und 2 FGO
AMTLICHE LEITSÄTZE
1. Ein aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG abgeleiteter öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung
einer Steuernummer besteht nur, wenn der Unternehmer glaubhaft machen kann, dass er ernsthaft
beabsichtigt, zukünftig Umsätze i. S. des UStG auszuführen. Die drohende Verurteilung in einem
schwebenden Prozess, eine berichtigte Rechnung akzeptieren zu müssen und ein sich daraus erge-
bender Vorsteuererstattungsanspruch begründen keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Ertei-
lung einer Steuernummer.
2. Aus § 27 Satz 2 AO folgt ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Tätigwerden des örtlich zustän-
digen FA für alle künftig zu erlassenden Verwaltungsakte. Wird von Anfang an ein örtlich unzustän-
diges FA tätig, scheidet eine Anwendung von § 26 Satz 2 AO aus.
3. Für die Geltendmachung des Anspruchs auf Besteuerung durch das örtlich zuständige FA für alle
künftig zu erlassenden Verwaltungsakte ist die allgemeine Feststellungsklage die zulässige Klage-
art.
FG Saarbrücken, Urteil vom 15.2.2017 – 2 K 1149/14
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/steuerrecht/urteile/Anspruc-au-Besteuerun-durc-da-oertlic-zustaendig-Finanzam--1-Abs-4-S-1-Nr-2-USt--2-S-2-A--2-S-2-A--36-Abs-1-A--4-Abs-1-un-2-FG-32644
7. Zum Vorliegen eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b EStG
1. Für die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG ist Voraussetzung, dass
auf ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen wird. Das bloße Auf-
greifen einer bekannten Gestaltungsidee führt nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstun-
dungsmodells.
2. Das vorgefertigte Konzept muss von einer vom Stpfl. verschiedenen Person (Anbieter/Initiator)
erstellt worden sein. Charakteristisch ist insoweit die Passivität des Investors/Anlegers.
3. Setzt der Investor/Anleger eine von ihm selbst oder dem in seinem Auftrag tätigen Berater entwi-
ckelte oder modifizierte und individuell angepasste Investition um, liegt kein vorgefertigtes Konzept
vor.
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104 4. Beruhen Investitionen nicht auf einem vorgefertigten Konzept, sondern auf einer individuellen Ge-
staltung, so sind sie weder von § 15b EStG erfasst noch als vom Gesetz missbilligte Gestaltung
i.S.d. § 42 Abs. 1 AO zur Vermeidung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG anzu-
sehen.
BFH, Urteil vom 17.01.2017 – VIII R 7/13
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/steuerrecht/nachrichten/Zum-Vorliegen-eines-Steuerstundungsmodells-i.-S.-des--15b-EStG-32713
VERWALTUNG/GESETZGEBUNG
8. Internationale Leitlinie für die Mehrwertbesteuerung
Die Mehrwertsteuer (die in einigen OECD-Ländern auch als Goods and Services Tax – GST – bzw.
Güter- und Dienstleistungsteuer bekannt ist) ist weltweit zu einer sehr wichtigen Einnahmequelle der
Staaten geworden. In etwa 165 Staaten wurde 2016, zum Zeitpunkt der Fertigstellung der internatio-
nalen Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung, eine Mehrwertsteuer erhoben, mehr als doppelt so
vielen Staaten wie noch vor 25 Jahren. Während die Mehrwertsteuer weltweit immer stärkere Ver-
breitung fand, expandierte auch der internationale Waren- und Dienstleistungshandel rasch in einer
zunehmend globalisierten Wirtschaft. Eine Folge dieser Entwicklungen ist die stärkere Interaktion
zwischen den Mehrwertsteuersystemen, wobei ohne eine internationale Koordinierung der Mehr-
wertbesteuerung die Risiken der Doppelbesteuerung und unbeabsichtigten Nichtbesteuerung wach-
sen. Mit den internationalen Leitlinien für die Mehrwertbesteuerung liegt nun ein Katalog internatio-
nal vereinbarter Standards und empfohlener Konzepte zur Bewältigung der Probleme vor, die aus der
unkoordinierten Anwendung der nationalen Mehrwertsteuersysteme im Kontext des internationalen
Handels erwachsen. Diese Leitlinien richten das Augenmerk besonders auf den Handel mit Dienst-
leistungen und immateriellen Werten, der die Gestaltung und Umsetzung der Mehrwertsteuersyste-
me weltweit vor zunehmend wichtige Herausforderungen stellt. Sie enthalten insbesondere die emp-
fohlenen Prinzipien und Mechanismen zur Bewältigung der mit der Erhebung der Mehrwertsteuer auf
den grenzüberschreitenden Verkauf digitaler Produkte verbundenen Herausforderungen, die im Kon-
text des OECD/G20-Projekts zu Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Projekt) identifi-
ziert wurden. Die vorliegenden Leitlinien wurden im Rahmen einer Empfehlung des Rats der OECD im
September 2016 angenommen.
9. Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschrif-
ten
Der Deutsche Bundestag hat am 27. April 2017 in 2./3. Lesung das Gesetz zur Bekämpfung der
Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämp-
fungsgesetz – StUmGBG) beschlossen. Mit dem Gesetz sollen die Möglichkeiten der Finanzbehör-
den zur Fest-stellung von Steuerumgehungen mittels der Gründung und Nutzung von – meist im
Ausland angesiedelten – Briefkastenfirmen verbessert werden. Ziel ist es, „beherrschende“ Ge-
schäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Personengesellschaften, Körperschaften, Per-
sonenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territo-
rien, die nicht Mitglieder der EU oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, transparent zu
machen. Darüber hinaus sind weitere Rechtsänderungen aufgenommen worden.
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Weitere Informationen: WGM-Homepage / Steuern 12.05.2017 – D1 – Beschlussempfehlung_und_Bericht_zum_Gesetz_zur_Steuerumgehungbekämpfung
10. Zustimmung zum Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz
Der Bundesrat hat am 12.5.2017 dem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz seine Zustimmung er-
teilt. Damit können insbesondere kleinere Betriebe mit zwei bis drei Mitarbeitern und Handwerker in
Kürze von den beschlossenen Erleichterungen profitieren. Die wichtigsten Regelungen:
Wegfall der Aufbewahrungspflicht für Lieferscheine;
Anhebung der Betragsgrenze für eine quartalsweise Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen
von 4000 auf 5000 Euro;
Erhöhung des Schwellenwerts für umsatzsteuerliche Kleinbetragsrechnungen von 150 auf
250 Euro;
Vereinfachte Fälligkeitsregelung für Sozialversicherungsbeiträge;
Erhöhung zu den Aufzeichnungspflichten für GWG von 150 auf 250 Euro;
Erhöhter Grenzwert von 72 Euro Tageslohn für die Lohnsteuerpauschalierung.
Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung rückwirkend zum 1.1.2017 in Kraft treten.
11. Steuerschätzung vom Mai 2017
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Ergebnisse des AK Steuerschätzungen, der vom 9. bis
11. Mai 2017 in Bad Muskau tagte, veröffentlicht.
Wesentliche Ergebnisse der Steuerschätzung:
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Ergebnisse des AK Steuerschätzungen, der vom 9. bis
11. Mai 2017 in Bad Muskau tagte, veröffentlicht.
Wesentliche Ergebnisse der Steuerschätzung:
Die gesamten Steuereinnahmen 2017 werden von 706 Milliarden Euro (2016) auf 732 Milli-
arden Euro (2017) steigen. Dies ist ein Zuwachs von 3,8 Prozent. Die Entwicklung der Steu-
ereinnahmen 2017 im Vergleich zu 2016 fällt auf den einzelnen staatlichen Ebenen unter-
schiedlich aus: Der Bund wird in diesem Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 308 Milliarden
Euro (+6,6 Prozent) verzeichnen, die Länder 294,8 Milliarden Euro (+2,1 Prozent) und die
Gemeinden 103,7 Milliarden Euro (+5,0 Prozent).
Gegenüber der vorangegangenen Steuerschätzung (November 2016) wurden die gesamten
Steuereinnahmen für 2017 um 7,9 Milliarden Euro nach oben korrigiert. Für den Bund fallen
die Steuereinnahmen um 2,4 Milliarden Euro höher aus, als noch im November 2016 ange-
nommen.
Für die Länder beträgt das zusätzliche Steuerplus 6,5 Milliarden Euro, für die Gemeinden 2,5
Milliarden Euro. Die Abführungen an die EU reduzieren sich um 3,6 Milliarden Euro.
Für 2018 erwartet die Steuerschätzung einen Anstieg der gesamten Steuereinnahmen um
3,4 Prozent auf 757 Milliarden Euro. Auch in den folgenden Jahren werden weiter steigende
Steuereinnahmen prognostiziert. Dabei wird jedoch auf Seiten des Bundes ein geringerer
Zuwachs erwartet, als noch im November 2016 geschätzt. Die Abweichung gegen-über der
Novemberschätzung beträgt für das Jahr 2018 -4,2 Milliarden Euro. Begründet wurde dies
mit der Übernahme von Integrationskosten durch den Bund zur Entlastung der Bundesländer.
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104 Der Steuerschätzung wurden die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Frühjahrsprojektion der Bun-
desregierung zugrunde gelegt. Die Bundesregierung erwartet demnach einen Anstieg des realen BIP
in diesem Jahr um 1,5 Pro-zent und 2018 um 1,6 Prozent. Weiterhin erfolgt die Steuerschätzung auf
Grundlage der derzeitigen Rechts-lage. Das bedeutet, dass insbesondere die Neuordnung der Bund-
Länder-Finanzbeziehungen ab 2019 noch nicht in der Steuerschätzung berücksichtigt ist. Die Ergeb-
nisse der Steuerschätzung machen deutlich, dass finanzieller Spielraum für steuerliche Entlastungen
besteht, ohne die Erfolge der Haushaltskonsolidierung in Frage zu stellen.
Weitere Informationen: WGM-Homepage / Steuern 12.05.2017 – D3 – Steuerschätzung_Mai_2017
AUFSÄTZE
12. Steuerliches internes Kontrollsystem – Eine große Chance für einen Cooperative-Compliance-Ansatz Mit dem Anwendungserlass zu § 153 AO und der Erwähnung eines steuerlichen innerbetrieblichen Kontrollsystems (Steuer-IKS) als mögliches Indiz gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertig-keit hat das BMF bzw. die Finanzverwaltung einen wertvollen Beitrag zur Haftungsminimierung für Unternehmen und deren Leitungspersonen sowie zur Schadensbegrenzung einer überschießenden Gesetzgebung im Steuerstrafrecht geleistet. Wie ein solches Steuer-IKS aber aussehen soll, bleibt (mit guten Gründen) offen und ist seitdem Gegenstand intensiver Diskussionen. Beleuchtet wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Unter-nehmen und Finanzverwaltung. Hieraus werden gewisse Mindestanforderungen im Hinblick auf die so wichtige indizielle Wirkung gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit entwickelt.
Weitere Informationen: Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
13. Effektive Durchsetzung des Unionsrechts im MwSt-Recht: Euro Tyre, Italmoda, Barlis 06 und
die Folgen
Umsatzsteuerrecht ist harmonisiertes Unionsrecht. Dessen Umsetzung in das nationale Recht wird
dann fraglich, wenn der EuGH das Unionsrecht innovativ auslegt oder fortbildet. So verhält es sich
mit Blick auf die formellen Anforderungen bei den Steuerbefreiungen im innergemeinschaftlichen
Warenverkehr und beim Vorsteuerabzug. Hinzukommen tatbestandliche Ergänzungen im materiellen
Vorsteuerabzugsrecht. Es werden Grundsätze zur Vereinfachung der Rechtsanwendung erarbeitet.
Die effektive Durchsetzung des Unionsrechts garantiert der Mitgliedstaat, indem er Richtlinien der EU
in das nationale Recht umsetzt. Geschieht das nicht rechtzeitig oder nicht richtig, kann sich der Stpfl.
auf die ihm günstige, unbedingte und hinreichend genaue Richtlinie unmittelbar berufen. 1 Ferner ist
es Aufgabe der nationalen Gerichte, die allesamt auch europäische Gerichte sind, das nationale
Recht unter Berücksichtigung des Unionsrechts auszulegen und ggf. fortzuentwickeln. In den fol-
genden Ausführungen sollen drei Aspekte hervorgehoben werden, in denen die Umsetzung des Uni-
onsrechts mindestens Verständnisprobleme aufwirft. Es sind dies die sog. Formalvoraussetzungen
bei Steuerbefreiungen im innergemeinschaftlichen Verkehr und beim Vorsteuerabzug sowie die Tat-
bestandsergänzungen im Recht auf Vorsteuerabzug.
Weitere Informationen: Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
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ARBEITSRECHT
ENTSCHEIDUNGEN
1. Häusliches Arbeitszimmer eines Selbstständigen
Der BFH hat entschieden, dass nicht jeder nur in den Abendstunden oder an Wochenenden nutzbare
Schreibtischarbeitsplatz in einem Praxisraum zwangsläufig als ein „anderer Arbeitsplatz“ i.S.d. §4
Abs.5 Satz1 Nr.6b EStG zur Verfügung steht. Anhaltspunkte für die Zumutbarkeit können sich so-
wohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage und Ausstattung etc.) als auch
aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung der Nutzung der Betriebsräume, Verfüg-
barkeit des Arbeitsplatzes, zumutbare Möglichkeit der Einrichtung eines außerhäuslichen Arbeits-
platzes) ergeben.
BFH, Urteil vom 22.02.2017 – III R 9/16
Weitere Informationen: https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&nr=34525
2. Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Anerkennungstarifvertrag
Enthält ein Arbeitsvertrag eine – dynamische – Bezugnahmeklausel auf einen Anerkennungstarifver-
trag, der dynamisch auf einen Verbandstarifvertrag verweist, endet die dynamische Anwendung des
Verbandstarifvertrags für das Arbeitsverhältnis, sobald der Anerkennungstarifvertrag nur noch
nachwirkt.
BAG, Urteil vom 22.3.2017 – 4 AZR 462/16
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Arbeitsvertragliche-Bezugnahme-auf-Anerkennungstarifvertrag--32610
3. Zweckbefristung eines Arbeitsvertrags wegen Schließung einer Betriebsstätte
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Vor der schriftlichen Unterrichtung der Zweckerreichung nach § 15 Abs. 2 TzBfG ist kein Raum für
eine Befristungskontrollklage. Ein auf die Unwirksamkeit der Zweckbefristung gerichtetes Klagebe-
gehren ist bis dahin als allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO auszulegen. Geht die Been-
digungsmitteilung während der Tatsacheninstanzen zu, ist die Klage von diesem Zeitpunkt an re-
gelmäßig als Bedingungskontrollklage zu verstehen. Erfolgt die Unterrichtung erst im Laufe des Re-
visionsverfahrens, steht einem entsprechenden Antragsverständnis entgegen, dass damit eine unzu-
lässige Klageänderung in der Revisionsinstanz verbunden wäre. Der Erfolg der Klage hinge nicht nur
von der Wirksamkeit der Befristungsabrede, sondern außerdem von der Feststellung der Zwecker-
reichung sowie der Unterrichtung ab und würde daher zu einer Erweiterung des Prüfprogramms füh-
ren.
2. Die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an
der Arbeitsleistung kann sich u. a. daraus ergeben, dass sich der Arbeitskräftebedarf künftig auf-
grund von Abwicklungsarbeiten bis zur Betriebsschließung verringert. Maßgebend sind dabei die
Verhältnisse in dem Betrieb, für den der Arbeitnehmer befristet eingestellt ist. § 14 Abs. 1 Satz 2
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104 Nr. 1 TzBfG ist weder arbeitgeber- noch betriebsorganisationsbezogen, sondern betriebstätigkeits-
bezogen auszulegen. Eine bei Vertragsabschluss bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in
einem anderen Betrieb des Unternehmens steht der Wirksamkeit der Befristung danach nicht entge-
gen.
3. Beabsichtigt der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss, seine betriebliche Tätigkeit nach einer räumli-
chen und/oder organisatorischen Änderung fortzuführen, und besteht der betriebliche Bedarf an der
vertraglichen Arbeitsleistung des befristet eingestellten Arbeitnehmers dort fort, sind die Vorausset-
zungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nur dann erfüllt, wenn bereits bei Vertragsschluss fest-
steht, dass die vertragliche Tätigkeit für den befristet beschäftigten Arbeitnehmer an dem neuen
Standort nicht mehr anfällt oder ihm diese nicht zugewiesen werden könnte.
BAG, Urteil vom 21.3.2017 – 7 AZR 222/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Zweckbefristung-eines-Arbeitsvertrags-wegen-Schliessung-einer-Betriebsstaette-32612
4. Betriebsrentenanpassung – aktive latente Steuern
AMTLICHER LEITSATZ
Für die Beurteilung der künftigen wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens im Rahmen einer nach
§ 16 Abs. 1 BetrAVG anzustellenden Prognose sind die in der Bilanz ausgewiesenen aktiven latenten
Steuern i. S. v. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht geeignet.
BAG, Urteil vom 21.2.2017 – 3 AZR 455/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Betriebsrentenanpassung--aktive-latente-Steuern-32613
5. Mitbestimmungsrecht bei der Anrechnung einer zweistufigen Tariferhöhung
ORIENTIERUNGSSÄTZE
Nimmt ein Arbeitgeber bei einer zweistufigen Erhöhung der Tarifentgelte eine vollständige und
gleichmäßige Anrechnung der ersten Stufe auf die übertariflichen Zulagen der Arbeitnehmer vor und
sieht er bei der zweiten Stufe von einer Anrechnung ab, steht dem Betriebsrat hierbei ein Mitbestim-
mungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu, wenn dieses Vorgehen auf einem einheitlichen Ge-
samtkonzept beruht. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über die Anrech-
nung der ersten Stufe bereits sein Verhalten bei der zweiten Stufe geplant hat. Ob eine einheitliche
Konzeption des Arbeitgebers vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
BAG, Beschluss vom 24.1.2017 – 1 ABR 6/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Mitbestimmungsrecht-bei-der-Anrechnung-einer-zweistufigen-Tariferhoehung-32614
6. Zwangsgeld oder Zwangshaft bei polemischem Arbeitszeugnis
AMTLICHE LEITSÄTZE
1. Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist bei erhobenem Erfüllungseinwand hin-
sichtlich der titulierten Verpflichtung zur Zeugniserteilung (nur) zu prüfen, ob den formellen und in-
haltlichen Mindestanforderungen an ein Arbeitszeugnis genügt ist.
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104 2. Eine polemische und ironisch formulierte Leistungsbeurteilung genügt diesen Mindestanforde-
rungen nicht. Ein derartiges “Zeugnis” erfüllt den titulierten Anspruch zur Erteilung eines qualifizier-
ten Arbeitszeugnisses nicht.
LAG Köln, Beschluss vom 14.2.2017 – 12 Ta 17/17
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Zwangsgeld-oder-Zwangshaft-bei-polemischem-Arbeitszeugnis-32615
7. Kein Recht zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei Einsicht in die Personalakte
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG), das als Teil
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedem Grundrechtsinhaber gewährleistet, grundsätzlich
selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, strahlt im Sin-
ne objektiver Normgeltung auf die Anwendung und Auslegung privatrechtlicher Normen aus.
2. Jedenfalls in den Fällen, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaubt, Kopien der in der
Personalakte befindlichen Schriftstücke zu fertigen, hat dieser nicht das Recht, zur Einsichtnahme in
die Personalakte einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
BAG , Beschluss vom 12.7.2016 , 9 AZR 791/14
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Kein-Recht-zur-Hinzuziehung-eines-Rechtsanwalts-bei-Einsicht-in-die-Personalakte-31010
8. Regelungskompetenz der Betriebsparteien für auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenzen
Bindung der Betriebsparteien an das Gebot des Vertrauensschutzes
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Betriebsparteien sind berechtigt, eine Altersgrenze für die Befristung von Arbeitsverhältnissen zu
regeln, die auf das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt.
2. Eine solche Betriebsvereinbarung muss aus Gründen des Vertrauensschutzes Übergangsregelun-
gen für die bei Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung bereits rentennahen Arbeitnehmer vorsehen.
BAG, Urteil vom 21.02.2017 – 1 AZR 292/15
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=19256
9. Mitbestimmungsrecht bei Anmelden und Betreiben einer Facebookseite
ORIENTIERUNGSSÄTZE
Eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über
die Funktion "Besucher-Beiträge" Postings zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeit-
nehmer einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer iSd. §
87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Die Bereitstellung der Funktion "Besucher-Beiträge" unterliegt
der Mitbestimmung des Betriebsrats.
1. Eine Beteiligung von Betriebsverfassungsorganen im Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG
ist nur geboten, wenn sie als Inhaber des streitigen Anspruchs oder Rechts ernsthaft in Betracht
kommen. Bei der Mitbestimmung über eine Entscheidung eines herrschenden Unternehmens eines
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104 Konzerns, die denknotwendig unternehmensübergreifend getroffen wird, scheidet daher eine Betrof-
fenheit der örtlichen Betriebsräte oder bestehender Gesamtbetriebsräte iSd. § 83 Abs. 3 ArbGG aus.
2. Regelungszweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist es, Arbeitnehmer vor einer Verletzung ihres Per-
sönlichkeitsrechts mittels Einsatzes technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht
durch schützenswerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt oder unverhältnismäßig sind.
3. Die Freischaltung der Funktion "Besucher-Beiträge" auf einer vom Arbeitgeber betriebenen Face-
bookseite ermöglicht eine Überwachung des Verhaltens und der Leistung der von ihm beschäftigten
Arbeitnehmer durch eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese betriebliche
Maßnahme unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats.
4. Für eine Überwachung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist es nicht erforderlich, dass die Daten über
das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern von der technischen Einrichtung selbst - "auto-
matisch" - erhoben werden. Deren manuelle Eingabe ist ausreichend, wenn diese Daten anschlie-
ßend gespeichert werden und auf sie zugegriffen werden kann.
BAG, Beschluss vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=19255
10. Referenzzeitraum bei der Ermittlung der Arbeitszeit ohne ausdrückliche Vereinbarung - Keine
Berücksichtigung von hypothetischen Krankheitszeiten
Das BAG hatte erneut über die Ermittlung der vertraglichen Arbeitszeit bei Fehlen entsprechender
Abreden zu entscheiden. Der hierbei maßgebliche Referenzzeitraum ist für jeden Einzelfall anhand
der konkreten Begebenheiten festzulegen. Krankheitstage können im Rahmen der Berechnung nur
berücksichtigt werden, wenn diese konkret angefallen und vorgetragen worden sind.
BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 419/15
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=19051
11. Gewerkschaftliche Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl - Unterschriften zweier Gewerk-
schaftsbeauftragter zwingende Voraussetzung für die Verwendung des Namens der Gewerkschaft
im Wahlvorschlag
Gegenstand der Entscheidung des BAG war die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wahlvor-
schlag die Bezeichnung einer Gewerkschaft führen darf. Das BAG setzte seine ständige Rechtspre-
chung fort und entschied, dass eine fehlende Unterzeichnung der Vorschlagsliste durch zwei Ge-
werkschaftsbeauftragte i.S.d. §14 Abs.5BetrVG einen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt, der
geeignet sei, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Insbesondere könne eine schriftliche Autorisierung
das Erfordernis der unmittelbaren Unterzeichnung nicht ersetzen. Ein entsprechender Verstoß be-
rechtigt demnach zur Anfechtung der Betriebsratswahl.
BAG, Beschluss vom 26.10.2016 – 7 ABR 4/15
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=19135
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104 12. Besonderer Erfüllungseinwand des Arbeitgebers bei Lohnsteuerabzug - Keine Nachberechnung
für mehrere Jahre und über mehrere Monate
Immer wieder treten besondere Probleme hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers
auf, wenn die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung von Lohnsteuer oder Sozialversiche-
rungsbeiträgen erst nachträglich festgestellt wird und der Arbeitgeber dann Steuern und Sozialversi-
cherungsbeiträge nachträglich vom Arbeitslohn einbehält und abführt. Das BAG zeigt jüngst enge
Grenzen auf, wann eine nachträgliche Korrektur mit besonderer Erfüllungswirkung für den Arbeitge-
ber überhaupt noch möglich ist – nämlich nur im abzurechnenden Kalendermonat und ggf. als Kor-
rektur für den Vormonat.
BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 266/16
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=19131
13. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergang
TENOR
Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschrif-
ten der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von
Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen in Verbindung mit Art. 16 der Char-
ta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass sich im Fall eines Betriebs-
übergangs die Fortgeltung der sich für den Veräußerer aus einem Arbeitsvertrag ergebenden Rechte
und Pflichten auf die zwischen dem Veräußerer und dem Arbeitnehmer privatautonom vereinbarte
Klausel erstreckt, wonach sich ihr Arbeitsverhältnis nicht nur nach dem zum Zeitpunkt des Über-
gangs geltenden Kollektivvertrag, sondern auch nach den diesen nach dem Übergang ergänzenden,
ändernden und ersetzenden Kollektivverträgen richtet, sofern das nationale Recht sowohl einver-
nehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht.
EuGH, Urteil vom 27.4.2017 – C-680/15 u. C-681/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Wahrung-von-Anspruechen-der-Arbeitnehmer-bei-Unternehmensuebergang-32650
14. Mitbestimmungsrecht bei betrieblicher Lohngestaltung
ORIENTIERUNGSSÄTZE
Vereinbart der nicht tarifgebundene Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die jeweils für eine leistungs-
abhängige Gehaltsanpassung maßgeblichen vH-Sätze, um die das Gehalt der Arbeitnehmer mindes-
tens und höchstens ansteigt, unterliegt die Entscheidung, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsberei-
che hiervon ausnehmen zu wollen, der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Heraus-
nahme der Arbeitnehmer hat zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen
der Arbeitnehmer des Betriebs zueinander ändert.
BAG, Beschluss vom 21.2.2017 – I ABR 12/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Mitbestimmungsrecht-bei-betrieblicher-Lohngestaltung-32651
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104 15. AGB-Kontrolle bei Abweichung von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragsty-
pik
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Weicht der Arbeitgeber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei der Zusage von Leistungen der
betrieblichen Altersversorgung von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabsi-
cherung ab, ist die Einschränkung nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unein-
geschränkt auf ihre Angemessenheit zu kontrollieren. Die Höhe der zugesagten Versorgung ist nicht
kontrollfähig.
2. Die Hinterbliebenenversorgung soll das mit dem Todesfall bestehende typische Versorgungsinte-
resse des Arbeitnehmers absichern. Sie soll eine Kategorie von Personen, die in einem abgrenzbaren
Näheverhältnis zum Versorgungsberechtigten steht, absichern. Sagt der Arbeitgeber für eine be-
stimmte Kategorie von Hinterbliebenen eine Versorgung zu, unterliegt die Einschränkung des danach
erfassten Personenkreises der vollen Angemessenheitskontrolle.
3. Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, nach der lediglich die Ehefrau die Hinterbliebenen-
versorgung erhalten soll, mit der die Ehe zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage be-
steht, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Damit stellt der Arbeitgeber während des be-
stehenden Arbeitsverhältnisses auf einen rein zufällig gewählten Zeitpunkt des Bestehens der Ehe
ab. Dafür besteht kein berechtigtes Interesse.
4. Wurde die Versorgungszusage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes – also
vor dem 1.1.2002 – erteilt, ist ausnahmsweise eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Eine
auf den Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage abstellende Klausel ist dahingehend auszu-
legen, dass die Ehe bereits während des Arbeitsverhältnisses bestanden haben muss, damit eine
Hinterbliebenenversorgung gewährt wird.
BAG, Urteil vom 21.2.2017 – 3 AZR 297/15
Weitere Informationen:
http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/AGB-Kontrolle-bei-Abweichung-von-der-sich-aus-rechtlichen-Vorgaben-ergebenden-Vertragstypik--32655
16. Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde – Aussetzungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts
im Beschlussverfahren
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Lässt das Landesarbeitsgericht gegen einen Aussetzungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 Satz 1 Ar-
bGG die Rechtsbeschwerde zu, ist diese trotz der gesetzlichen Regelung des § 90 Abs. 3 ArbGG, die
ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse und Verfügungen des Landesarbeitsgerichts ausschließt, statt-
haft. Soweit der Gesetzgeber bei der Neukonzeption des Beschwerderechts der §§ 567 ff. ZPO durch
das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 anders als für das Urteilsverfahren durch Aufhe-
bung des § 70 ArbGG a. F. im Beschlussverfahren § 90 Abs. 3 ArbGG nicht angepasst hat, handelt es
sich um ein Redaktionsversehen.
2. Aus einem Aussetzungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG muss sich ergeben, für welchen
Zeitpunkt eine der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften festgestellt werden soll so-
wie weiterhin, aus welchen Gründen sich vernünftige Zweifel am Vorliegen der jeweiligen Eigen-
schaft ergeben sollen und die Entscheidung allein von ihrem Vorliegen abhängt.
3. Wird die Wahl der Arbeitnehmervertreter zu einem Aufsichtsrat nach § 22 Abs. 1 MitbestG von
mehreren Anfechtungsberechtigten i. S. d. § 22 Abs. 2 MitbestG angefochten, kann über die identi-
schen Anträge aufgrund der bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft gemäß § 62 Abs. 1
ZPO nur einheitlich entschieden werden. Infolge der erforderlichen einheitlichen Sachentscheidung
kann die Klärung der Anfechtungsberechtigung für einzelne Antragsteller nicht dahinstehen.
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104 BAG, Urteil vom 22.3.2017 – 1 AZB 55/16
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Statthaftigkeit-einer-Rechtsbeschwerde--Aussetzungsbeschluss-des-Landesarbeitsgerichts-im-Beschlussverfahren-32656
17. Druckkündigung nach außerdienstlicher Straftat
AMTLICHER LEITSATZ
Verweigern Beschäftigte die Arbeit, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsver-
langen nicht nachkommt, ist eine Kündigung des Betroffenen nicht als sog. “echte” Druckkündigung
sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Druck und die dadurch drohenden wirtschaftlichen
Nachteile nicht zumindest dadurch abzuwehren versucht, dass er die Beschäftigten auf die Rechts-
widrigkeit der Arbeitsniederlegung hinweist und für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche
Maßnahmen in Aussicht stellt.
BAG , Urteil vom 15.12.2016 , 2 AZR 431/15
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Druckkuendigung-nach-ausserdienstlicher-Straftat-32648
18. Überstundenabgeltung: Auf die Vertragsgestaltung kommt es an!
Das BAG hat sich erneut mit den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bei der Geltend-
machung von Überstundenvergütung beschäftigt. Kern der Entscheidung war die Frage, wie detail-
liert ein Arbeitnehmer seine angeblich abgeleistete Arbeitszeit dokumentieren und im Prozess vor-
bringen muss und welcher Zeitraum bei der Einordnung von geleisteter Arbeit als Überstunden zu
betrachten ist. Das BAG hat zudem noch einmal klargestellt, dass die Arbeitszeit im Sinne des Ar-
beitszeitgesetzes (ArbZG) nicht mit der vergütungspflichtigen Arbeitszeit gleichzusetzen ist. Die
Entscheidung verdeutlicht die Bedeutsamkeit der arbeitsvertraglichen Regelungen für die Beurtei-
lung des Anspruchs auf Bezahlung von Überstunden.
BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16
Weitere Informationen: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=19176
19. Massenentlassung: Erweiterung des Entlassungsbegriffs um Personen in Elternzeit
Bei Arbeitnehmern in Elternzeit ist Entlassung i.S.d. § 17 KSchG bereits der Eingang des Antrags auf
Zustimmung zur Kündigung bei der zuständigen Behörde.
BAG, Urteil vom 26.01.2017 – 6 AZR 442/16
Weitere Informationen: http://www.bag-urteil.com/26-01-2017-6-azr-442-16
20. Keine Haftung für Löhne der Arbeiter eines Subunternehmers
Der Bauherr der „Mall of Berlin“ muss nicht für Lohnforderungen der Arbeitnehmer eines Subunter-
nehmers haften, weil er nicht als Bauträger anzusehen ist, entschied das ArbG Berlin in einem aktuel-
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104 len Streitfall. Das ArbG Berlin hat mit Urteil vom 03.05.2017 (14 Ca 14814/16) die Lohnklage eines
Bauarbeiters abgewiesen, der im Jahr 2014 als Bauhelfer für einen Subunternehmer bei der Errich-
tung des Gebäudes der „Mall of Berlin“ tätig war. Der Kläger hatte zunächst seinen Arbeitgeber
(Subunternehmer) vor dem ArbG Berlin auf Zahlung des Mindestlohns verklagt und gewonnen. Der
Versuch, das Geld bei dem Subunternehmer einzutreiben, scheiterte jedoch. Der Bauhelfer wollte nun
den Bauherrn des Bauprojekts am Leipziger Platz als Bürgen für die ausgebliebenen Lohnzahlungen
in Anspruch nehmen.
Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) und dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) haftet ein
vom Bauherrn mit der Errichtung eines Bauvorhabens beauftragter Generalunternehmer auch dann,
wenn ein Subunternehmer die Löhne seiner Arbeiter nicht bezahlt hat. In dem vorliegenden Fall be-
steht jedoch die Besonderheit, dass der Generalunternehmer Insolvenz angemeldet hat, sodass sich
nunmehr die Frage stellt, ob auch der eigentliche Bauherr, die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG,
neben dem Arbeitgeber und dem insolventen Generalunternehmer als Bürge für die nicht gezahlten
Löhne haftet. Das wäre nach der Rücksprache des BAG dann der Fall, wenn der Bauherr zugleich als
„Bauträger“ anzusehen wäre. Diese Voraussetzung war nach Ansicht des Klägers erfüllt, weil der
Bauherr des Gebäudes der „Mall of Berlin“ von vornherein beabsichtigte, das Gebäude als Einkaufs-
zentrum zu nutzen und die darin befindlichen Geschäftsräume zu vermieten. Dem ist das ArbG nicht
gefolgt. Bauträger i.S.d. AEntG ist nur derjenige, der baut, um das errichtete Gebäude gewinnbrin-
gend zu veräußern. Wer hingegen ein Bauwerk errichtet, um durch den Bau eigenen gewerblichen
Zwecken (z.B. Vermietung des Gebäudes) zu dienen, ist zwar „Bauherr“, aber nicht „Bauträger“. Inso-
fern schied eine Haftung des Bauherren vorliegend aus. Gegen das Urteil des ArbG ist die Berufung
zulässig.
ArbG Berlin, Urteil vom 03.05.2017 - 14 Ca 14814/16
Weitere Informationen: https://community.beck.de/2017/05/11/arbg-berlin-keine-haftung-des-bauherrn-der-mall-of-berlin-fuer-lohnforderungen-der-arbeitnehmer-eines
21. EuGH-Schlussanträge: Deutsches Mitbestimmungsgesetz mit dem Unionsrecht vereinbar
Nach Ansicht von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ist das deutsche Mitbestimmungsgesetz mit
dem Unionsrecht vereinbar. Es verstoße weder gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch gegen
das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, dass nur die im
Inland beschäftigten Arbeitnehmer die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wählen könnten und in
den Aufsichtsrat wählbar seien. Die TUI AG, eine deutsche Aktiengesellschaft, steht an der Spitze
des weltweit tätigen Tourismuskonzerns TUI. Der Konzern beschäftigt in Deutschland über 10 000
Personen und in den übrigen Mitgliedstaaten der Union fast 40 000 Personen. Herr Konrad Erzber-
ger, einer der Anteilseigner der TUI AG, wendet sich vor den deutschen Gerichten gegen die Zusam-
mensetzung des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft, dessen Mitglieder nach dem deutschen Mitbe-
stimmungsgesetz jeweils zur Hälfte von den Anteilseignern und den Arbeitnehmern bestimmt wer-
den. Herr Erzberger macht geltend, dass der Aufsichtsrat der TUI AG nur aus Mitgliedern bestehen
dürfe, die die Anteilseigner bestimmt hätten. Das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der Ar-
beitnehmer verletze nämlich das Unionsrecht; indem es vorsehe, dass nur die in Deutschland be-
schäftigten Arbeitnehmer des Konzerns die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wählen könnten
und in den Aufsichtsrat wählbar seien, verstoße es gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das
allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. In diesem Zusammen-
hang hat das Kammergericht Berlin (Deutschland) beschlossen, den Gerichtshof zur Vereinbarkeit
des deutschen Mitbestimmungsgesetzes mit dem Unionsrecht zu befragen. In seinen Schlussanträ-
gen kommt Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe zu dem Ergebnis, dass eine Regelung wie die
in Rede stehende weder gegen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer noch gegen das allgemeine Ver-
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104 bot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verstoße. Die deutsche Mitbestim-
mungsregelung könne zwar nicht ohne Weiteres als Bestandteil der nationalen Identität eingeordnet
werden, doch bestehe kein Zweifel daran, dass sie ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Ar-
beitsmarkts und – allgemeiner – der deutschen Sozialordnung sei. Es sei anzuerkennen, dass die
außerhalb Deutschlands beschäftigten Arbeitnehmer nicht in den persönlichen Anwendungsbereich
dieser Regelung einbezogen werden könnten, ohne dass ihre grundlegenden Merkmale geändert
werden müssten. Eine solche Erweiterung der deutschen Regelung würde nämlich voraussetzen,
dass die Verantwortlichkeit für die Organisation und die Durchführung der Wahlen von den Arbeit-
nehmern und den Gesellschaften des Konzerns auf die Leitung der deutschen Muttergesellschaft
übertragen werden müssten, was den Grundsätzen zuwiderliefe, auf denen die Regelung beruhe.
GA Saugmandsgaard \Oe, Schlussanträge vom 4.5.2017 – C-566/15, Erzberger
Weitere Informationen: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2017-05/cp170043de.pdf
22. Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen Stellung eines Strafantrags
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch einen Arbeitnehmer wegen eines vermeintlich
strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers oder seiner Repräsentanten stellt als Wahrnehmung staats-
bürgerlicher Rechte – soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gemacht
werden – im Regelfall keine eine Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung dar. Dies kann u. a.
dann anders zu beurteilen sein, wenn trotz richtiger Darstellung des angezeigten objektiven Sach-
verhalts für das Vorliegen der nach dem Straftatbestand erforderlichen Absicht keine Anhaltspunkte
bestehen und die Strafanzeige sich deshalb als leichtfertig und unangemessen erweist.
2. Eine unverhältnismäßige, die vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2
BGB verletzende Reaktion kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer einen Strafantrag stellt,
weil er sich selbst als durch eine Straftat verletzt fühlt. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der
Vorwurf, es sei durch ein bestimmtes Verhalten ein Straftatbestand verwirklicht worden, völlig halt-
los ist. Die Pflichtverletzung ist in einem solchen Fall schuldhaft und damit vorwerfbar, wenn dem
Arbeitnehmer die Haltlosigkeit des Vorwurfs erkennbar war.
BAG, Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 42/16
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Ordentliche-verhaltensbedingte-Kuendigung-wegen-Stellung-eines-Strafantrags-32734
23. Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines vorübergehenden Bedarfs an
der Arbeitsleistung
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Ein vo-
rübergehender Beschäftigungsbedarf kann u. a. durch einen zeitweiligen Anstieg des Arbeitsvolu-
mens im Bereich der Daueraufgaben des Arbeitgebers entstehen.
2. Der Sachgrund des nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung wird nicht allein dadurch
in Frage gestellt, dass der vom Arbeitgeber prognostizierte Bedarf an der Arbeitsleistung noch über
das Vertragsende hinaus andauert und erst später wegfällt. Der Arbeitgeber kann frei darüber ent-
scheiden, ob er den Zeitraum des von ihm prognostizierten zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs ganz
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104 oder nur teilweise durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen abdeckt. Aus der Vertrags-
laufzeit darf sich jedoch nicht ergeben, dass der Sachgrund tatsächlich nicht besteht oder nur vor-
geschoben ist.
3. Die Wirksamkeit einer Befristung wegen eines vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung
setzt voraus, dass der Arbeitnehmer gerade zur Deckung des Mehrbedarfs eingestellt wird. Der Ar-
beitgeber darf einen zeitweiligen Mehrbedarf an Arbeitskräften nicht zum Anlass nehmen, beliebig
viele Arbeitnehmer einzustellen. Vielmehr muss sich die Zahl der befristet eingestellten Arbeitneh-
mer im Rahmen des prognostizierten Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht überschreiten.
4. Der Arbeitgeber hat die Ursächlichkeit des vorübergehenden Mehrbedarfs für die befristete Ein-
stellung des Arbeitnehmers darzulegen. Dies erfordert jedoch nicht die namentliche Benennung der
zur Deckung des Mehrbedarfs befristet eingestellten Arbeitnehmer.
BAG, Urteil vom 14.12.2016 – 7 AZR 688/14
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Wirksamkeit-der-Befristung-eines-Arbeitsvertrags-wegen-eines-voruebergehenden-Bedarfs-an-der-Arbeitsleistung-32735
24. Auslegung der Geltungsbereichsbestimmungen von Tarifverträgen
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. Ob sich eine dem Wortlaut nach mitgliedschaftsbezogene Geltungsbereichsbestimmung eines
Tarifvertrags (“. . . gilt für die Mitglieder der Gewerkschaft XY. . .” oder “. . . gilt für die Mitglieder des
Arbeitgeberverbandes XY . . .”) darauf beschränkt, auf die ohnehin in § 3 Abs. 1 TVG geregelte Tarif-
gebundenheit der Verbands- und Gewerkschaftsmitglieder hinzuweisen, oder ob sie tatsächlich eine
konstitutive Regelung darstellt, ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln.
2. Dabei kann angesichts der sehr weitreichenden Folgen einer konstitutiven Beschränkung und der
typischerweise bestehenden Interessenlage der Tarifvertragsparteien ohne deutliche Anhaltspunkte
im Tarifvertrag regelmäßig nicht angenommen werden, dass über einen bloßen Hinweis auf die ge-
setzlichen Voraussetzungen einer Tarifgebundenheit hinaus eine eigenständige Regelung des tarif-
vertraglichen Geltungsbereichs erfolgen sollte.
3. Im Gegensatz zu den Tarifverträgen BMTV 2009, BERT und BETV 2011 enthält der BETV 2012
eine Geltungsbereichsbestimmung, die nicht nur auf die Mitglieder des tarifschließenden Arbeitge-
berverbandes, sondern lediglich auf einen abgrenzbaren Teil dieser Mitglieder beschränkt ist.
4. Diese qualitative und quantitative Einschränkung des Geltungsbereichs des BETV 2012 führt dazu,
dass hinsichtlich der von diesem nicht erfasste Mitglieder des Arbeitgeberverbandes der “Vorgän-
gertarifvertrag” BETV 2011 mit seiner deklaratorischen Geltungsbereichsbestimmung (vgl. oben
Nr. 2) normativ weiter gilt. Im Übrigen würde durch die ansonsten eintretende Nachwirkung gem. § 4
Abs. 5 TVG dieselbe Rechtswirkung eintreten.
BAG, Urteil vom 16.11.2016 – 4 AZR 697/14
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/urteile/Auslegung-der-Geltungsbereichsbestimmungen-von-Tarifvertraegen-32786
25. Anzahl der Urlaubstage bei unterjähriger Veränderung der Anzahl der Wochenarbeitstage
ORIENTIERUNGSSÄTZE
1. § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD a. F. ordnet die Umrechnung von Urlaubsansprüchen für den Fall an, dass
der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung abweichend vom tariflich vorgesehenen Normalfall nicht in
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104 der Fünftagewoche leistet. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Gleichwertigkeit der Urlaubs-
dauer unabhängig von der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage sicherzustellen.
2. Der für die Berechnung maßgebliche Zeitpunkt ist der, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
Urlaub gewährt.
3. Ändert sich die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht, bevor der Arbeitnehmer den gesamten Urlaub
in Anspruch genommen hat, ist der verbleibende Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung des be-
reits vom Arbeitgeber gewährten Urlaubs zu berechnen. Dabei ist die Anzahl der zum Zeitpunkt des
Wechsels noch nicht genommenen Urlaubstage mit dem Quotienten zu multiplizieren, der sich aus
der Anzahl der Wochenarbeitstage unter dem neuen Arbeitszeitregime (Divident) und der Anzahl der
Wochenarbeitstage unter dem alten Arbeitszeitregime (Divisor) ergibt.
4. Soweit infolge des § 26 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 TVöD a. F., dem zufolge Bruchteile von weniger als
einem halben Urlaubstag unberücksichtigt bleiben, geringfügige Abweichungen zulasten eines teil-
zeitbeschäftigten Arbeitnehmers auftreten, handelt es sich um unbedenkliche Randunschärfen, die
darin begründet sind, dass die Tarifvertragsparteien den Urlaubsanspruch entsprechend dem Tage-
sprinzip in ganzen Tagen berechnet sehen wollen. § 4 Abs. 1 TzBfG wird dadurch nicht verletzt.
BAG, Urteil vom 14.3.2017 – 9 AZR 7/16
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/arbeitsrecht/nachrichten/Insolvenzkuendigung-vor-Dienstantritt-32766
AUFSÄTZE
26. BB-Rechtsprechungsreport zur betrieblichen Altersversorgung 2016/2017
Der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat durch seine Rechtsprechung im aktuellen Be-
richtszeitraum (April 2016 bis März 2017) viele Aspekte zum Rechtsgebiet der betrieblichen Alters-
versorgung vertieft und weiterentwickelt. Wie in den letzten Jahren hat sich das BAG wieder mit Fra-
gen der Gleichbehandlung bzw. Diskriminierung (Teilzeitbeschäftigte, Ausschluss von Mitarbeitern
mit individueller Zusage aus kollektivem Versorgungswerk) beschäftigt. Erstmals befasst hat sich
das BAG mit den inhaltlichen Anforderungen an die Gestaltung beitragsorientierter Direktzusagen
sowie an das Verlangen des Arbeitgebers bei der sog. versicherungsvertraglichen Lösung (§ 2 Abs. 2
S. 3 BetrAVG). Seine Rechtsprechung zu den Änderungsmöglichkeiten von Versorgungszusagen auf
einzelvertraglicher Grundlage mit kollektivem Bezug hat es konsequent weitergeführt.
Weitere Informationen Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
27. Bundestag beschließt das neue Mutterschutzgesetz
Das neue Mutterschutzgesetz sollte eigentlich bereits zum 01.01.2017 in Kraft treten, nachdem das
Bundeskabinett es am 04.05.2016 beschlossen und die erste Beratung im Bundestag am
06.07.2016 stattgefunden hat. Nach einigen erheblichen Verzögerungen gab der Familienausschuss
dem Gesetzentwurf in geänderter Fassung am 29.03.2017 grünes Licht. Es werden die Änderungen
beleuchtet, die der Ausschuss vor der Gesetzesverabschiedung vorgenommen hat.
Weitere Informationen Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
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28. Neues zur Massenentlassungsanzeige: Mehr administrativer Aufwand und Risiken für Arbeit-
geber!
Die Bundesagentur für Arbeit hat Ende November 2016 ein neues Formular für die Massenentlas-
sungsanzeige herausgegeben. Durch die Änderungen werden insbesondere größere Unternehmen
vor eine nur mit viel administrativem Aufwand lösbare Aufgabe gestellt. Das neue Formular verlangt
die Einordnung der Beschäftigten in 1286 Berufsklassen statt wie bisher in 144 Berufsgruppen. Auch
hat es die Bundesagentur für Arbeit versäumt, begriffliche Ungenauigkeiten des Vorgängerformulars
zu beseitigen. Im Gegenteil hat sie noch mehr Unklarheit gestiftet. Das neue Formular weicht
dadurch in gravierender Weise von der gesetzlichen Regelung des § 17 KSchG ab. Da Fehler in der
Massenentlassungsanzeige grundsätzlich die Unwirksamkeit einer Kündigung zur Folge haben kön-
nen, ist das Thema von erheblicher Praxisrelevanz.
Weitere Informationen Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
29. Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden des Arbeitnehmers bei (vorsätzlicher) Schädi-
gung durch Arbeitskollegen, Vorgesetzte und Organmitglieder
Erleidet ein Arbeitnehmer bei seiner beruflichen Tätigkeit einen Personenschaden, hat er nach zivil-
rechtlichen Grundsätzen oftmals einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Arbeitgeber. Handelt
es sich bei dem schadensbegründenden Ereignis indes um einen Versicherungsfall, wird der Arbeit-
geber gem. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII grds. von der Haftung für einen von ihm verursachten Per-
sonenschaden befreit. Was ist jedoch, wenn der Arbeitgeber den Schaden nicht selbst verursacht,
sondern ein Kollege, ein Vorgesetzter oder ein Organmitglied den Arbeitnehmer schädigt? Und was
gilt, wenn die genannten Personen vorsätzlich handeln? Der Beitrag greift diese bislang kaum beach-
teten Fragen auf und untersucht die Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden, die durch Kol-
legen, Vorgesetzte oder Mitglieder eines vertretungsberechtigten Organs verursacht werden.
Weitere Informationen Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
30. Die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers und ihre arbeitsrechtlichen Implikationen
Gegenstand dieses Beitrags ist es, die speziellen sowie allgemeinen Vorgaben über die Zuverlässig-
keit von Arbeitnehmern zu skizzieren und ihre Implikationen für das Arbeitsverhältnis zu untersu-
chen. Dies gilt sowohl für die Zuverlässigkeitsüberprüfung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses, als
auch für arbeitsrechtliche Maßnahmen im laufenden Arbeitsverhältnis, falls sich begründete Zweifel
an der Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers ergeben. Vor dem Hintergrund sich verschärfender gesetz-
licher Anforderungen an die Integrität der in bestimmten Unternehmensbereichen eingesetzten Mit-
arbeiter, wird dieser Themenkomplex – insbesondere im banken- und versicherungsrechtlichen Be-
reich – in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen.
Weitere Informationen Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
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104 31. Entgelttransparenzgesetz gebilligt
Der Bundesrat hat am 12.5.2017 einen Gesetzesbeschluss des Bundestages zur Beseitigung der
Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern gebilligt. Danach erhalten Beschäftigte in Betrie-
ben mit mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern künftig einen Auskunftsanspruch zu ihren
Entgeltstrukturen. Dieser ermöglicht Beschäftigten, die nicht nach Tarif bezahlt werden, die Kriterien
zur Festlegung ihres Lohnes, die Kriterien einer vergleichbaren Tätigkeit und die Entlohnung der ver-
gleichbaren Tätigkeit zu erfragen. Tarifgebundene Betriebe müssen bei Geltendmachung des Aus-
kunftsanspruchs den relevanten Tarifvertrag nennen. Der Auskunftsanspruch soll die Durchsetzung
der Lohngleichheit erleichtern. Darüber hinaus fordert das Gesetz private Unternehmen mit mehr als
500 Beschäftigten auf, die Löhne auf Entgeltgleichheit regelmäßig zu überprüfen. Zugleich werden
die Unternehmen verpflichtet, in ihren Lageberichten über den Stand der Gleichstellung zu informie-
ren.
BILANZRECHT UND BETRIEBSWIRTSCHAFT
AUFSÄTZE
1. Erfolgsfaktoren eines exzellenten Aufsichtsrats
Der Aufsichtsrat hat sich zu einem Führungsorgan der Unternehmung entwickelt, das über die reine
Kontrollaufgabe im klassischen Sinne hinaus mittlerweile auch in zentrale unternehmerische Ent-
scheidungsprozesse eingebunden ist. Vor diesem Hintergrund ist der Roundtable des Berlin Center
of Corporate Governance (BCCG) der Frage nach den zehn wichtigsten Erfolgsfaktoren einer exzel-
lenten Aufsicht nachgegangen. Die aus den Einschätzungen der Praxisvertreter im BCCG-Roundtable
entwickelten Leitlinien eines leistungsstarken Aufsichtsrats bieten Anregungen sowohl für die Eva-
luation der praktischen Aufsichtsratsarbeit auf Unternehmensebene als auch die Beurteilung des
geltenden Regulierungsrahmens für den Aufsichtsrat.
Weitere Informationen: Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
2. ErbSt-Reform 2016: Belastungswirkungen und Gestaltungsansätze bei der Unternehmensnach-
folge
Durch die Neuerungen im Bereich der Unternehmensübertragungen im Rahmen der ErbSt-Reform
2016 ist das ErbSt-Recht nicht nur deutlich komplexer geworden, sondern es wurde auch erheblich
verkompliziert. Das neue Recht ist wesentlich gestaltungsanfälliger als die bislang geltende ErbSt. In
bestimmten Konstellationen bietet es Anreize, begünstigtes Betriebsvermögen in nicht-begünstigtes
Vermögen umzuwandeln, was kaum zum viel beschworenen „Schutz von Arbeitsplätzen“ beitragen
dürfte. Das ErbSt-Recht musste 2016 wieder einmal aufgrund der Rücksprache des BVerfG refor-
miert worden. Die erst 2009 erfolgte grundlegende Reform der ErbSt, die selbst wiederum von der
Rücksprache des BVerfG initiiert war, wurde vom BVerfG am 17.12.2014 in wesentlichen Punkten als
nicht verfassungskonform eingestuft. Während die der ErbSt-Reform 2009 vorangegangene Rück-
sprache des BVerfG die gleichheitswidrige Bewertung zwischen und innerhalb der Vermögensarten
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104 beanstandete 2, monierte das Gericht diesmal die seit 2009 geltenden Begünstigungsnormen für
Betriebsvermögen.
Weitere Informationen: Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.
WIRTSCHAFTSRECHT
ENTSCHEIDUNGEN
1. Fernüberwachungsvertrag – unwirksame Laufzeitklausel – “Aushandeln” von AGB
NICHT AMTLICHE LEITSÄTZE
1. Überwiegen in einem Fernüberwachungsvertrag die dienstvertraglichen Elemente, findet – jeden-
falls soweit es um die Frage der Kündigungsrechte geht – Dienstvertragsrecht Anwendung.
2. Allein der Umstand, dass dem Kunden in einem vorgedruckten Vertragsformular mehrere Laufzeit-
längen alternativ angeboten werden, hat nicht zur Folge, dass die dann angekreuzte Variante ausge-
handelt ist.
3. Wird der Geschäftskunde durch eine Vertragslaufzeit von 72 Monaten in seiner wirtschaftlichen
Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit erheblich eingeschränkt und hat er keine Möglichkeit, nach
angemessener Zeit zu einem günstigeren oder im Service besseren Konkurrenzunternehmen zu
wechseln oder auf einen geänderten Bedarf zu reagieren, benachteiligt ihn eine lange Laufzeitklausel
unangemessen.
OLG Karlsruhe , Urteil vom 24.3.2017 , 4 U 88/16, Rev. eingelegt (Az. BGH III ZR 126/17)
Weitere Informationen: http://betriebs-berater.ruw.de/wirtschaftsrecht/urteile/Fernueberwachungsvertrag--unwirksame-Laufzeitklausel--Aushandeln-von-AGB-32646
2. Pflicht des Geschäftsführers zur Handelsregisteranmeldung nach Insolvenzeröffnung
Auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer haftungsbeschränkten
UG hat der Geschäftsführer der Gesellschaft eine Änderung der Vertretungsverhältnisse oder der
Geschäftsanschrift der Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden. Unterlässt er die Anmeldung,
kann eine Zwangsgeldfestsetzung gerechtfertigt sein.
OLG Hamm, Beschluss vom 09.03.2017 – 27 W 175/16
Weitere Informationen: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2017/27_W_175_16_Beschluss_20170309.html
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VERWALTUNG/GESETZGEBUNG
3. Bundestag novelliert das Datenschutzrecht
Der Bundestag hat am 27.04.2017 das Datenschutzrecht novelliert. Den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung zur Anpassung des Datenschutzrechts an die EU-Verordnung 2016/679 und zur Umset-
zung der EU-Richtlinie 2016/680 (BT-Drucks. 18/11325, 18/11655, 18/11822 Nr.10) nahm er auf
Empfehlung des Innenausschusses (BT-Drucks. 18/12084, 18/12144) gegen das Votum der Opposi-
tion an. Lt. Bundesregierung ist die Reform notwendig, da Deutschland sein Datenschutzrecht bis
Mai 2018 an das geänderte Datenschutzrecht der EU anpassen müsse. Kernstück sei die Neustruk-
turierung des Bundesdatenschutzgesetzes. Es ergänze die neue europäische Datenschutz-
Grundverordnung, die unmittelbar in Deutschland gilt. Mit der Novellierung würden Gestaltungsspiel-
räume genutzt, die die europäische Verordnung den Mitgliedstaaten einräumt, heißt in der Vorlage
weiter. Daneben würden wesentliche Teile der Datenschutz-Richtlinie „Polizei und Justiz“ umgesetzt.
Weitere Änderungen beträfen eine Vielzahl von Gesetzen, die aus der Ablösung des bisherigen Bun-
desdatenschutzgesetzes resultierten. Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) sprach
von einer datenschutzrechtlichen Zäsur in Europa. Dank der EU-Datenschutzgrundverordnung wür-
den künftig in allen Mitgliedstaaten einheitliche Datenschutzstandards gelten. Unternehmen mit
niedrigen Datenschutzstandards könnten sich nun nicht mehr gezielt dort ansiedeln, wo niedrige
Standards akzeptiert würden. „Das schafft Rechtssicherheit für alle“, sagte der Minister. Bei dem
Umsetzungsgesetz, so de Maizière weiter, habe sich die Bundesregierung „eins zu eins“ an die euro-
parechtlichen Vorgaben gehalten. Dort, wo der europäische Gesetzgeber Gestaltungsspielraum ge-
lassen habe, werde davon „in verantwortlicher und selbstbewusster Weise“ Gebrauch gemacht. So
habe die Bundesregierung z.B. darauf verzichtet, die Altersgrenze für die Einwilligung eines Kindes
unter 16 Jahre abzusenken, was europarechtlich möglich gewesen wäre.
AUFSÄTZE
4. Das deutsche Kartellrecht in der Reform: Überblick über die 9. GWB-Novelle
Die 9. GWB-Novelle ist am 9.3.2017 in der Fassung der Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft
und Energie verabschiedet worden und wird vermutlich im Mai in Kraft treten. Im Vordergrund der
Novellierungen steht die – bereits etwas verspätete – Umsetzung der EU-
Kartellschadensersatzrichtlinie (“Schadensersatz-RL”), die der deutsche Gesetzgeber zum Anlass
genommen hat, das Kartellrecht auch in anderen Bereichen zu reformieren. So ist das Kartellrecht
zum einen an die Fortschritte der digitalen Ökonomie angepasst und zum anderen im bußgeldrecht-
lichen Bereich verschärft worden. Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über die neuen
rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie orientiert sich im Wesentlichen an der Struktur des reformier-
ten Kartellgesetzes.
Weitere Informationen: Der vollständige Artikel kann in der WGM-Geschäftsstelle abgerufen werden.