41
4.2 Hermanstadt
ewige Erinnerung an die Revolutionshelden proklamiert.20 Rechts vom Kreuz
wurde eine marmorne Tafel angebracht, auf der die Namen der ruhmreichen
Soldaten (wie auch eines zivilen Angestellten der Akademie) zu lesen sind, de-
nen das Denkmal gewidmet ist. Bemerkenswert ist ein Detail dieser Inschrift.
Sie enthält neben den Namen auch den militärischen Rang der Soldaten: alle
wurden nach ihrem Tod zu Unteroffizieren ernannt.
Dieses Denkmal ist typisch für eine bestimmte Kategorie von Monumenten
der Revolution, denn es weist deren beide zentrale Motive auf: die Inschrift,
die den Toten ewigen Ruhm und unvergängliche Ehre verheißt sowie das
Kreuz, das auf das religiöse Verständnis ihres Sterbens im Sinne eines Opfers
verweist. Unterstützend kommt bei diesem Monument die goldene Farbe der
Inschrift hinzu, die den edlen und erhabenen Aspekt des Sterbens für die Frei-
heit und für die Heimat unterstreicht. Dieselbe Wirkung erzeugen der weiße
Marmor und die Stufen, die zum Denkmal hinführen. Dass den Helden der
Revolution ewiger Ruhm zuteil werden soll, drückt der Bildhauer mit einem
Symbol aus der Natur aus: goldene Eichenblätter, die auf den ersten Blick als
bloße Zierleiste am Fuße des Denkmales gedeutet werden könnten. Die Eiche
steht auf Grund ihrer langen Lebensdauer (bis zu 30 Generationen) für Ewig-
keit und Unvergänglichkeit.
4.2.1 Gedenktafel Piaţa Mare
Ganz anders wird im Zentrum Hermannstadts an die Revolution erinnert. Auf
dem Hauptplatz der Stadt, dem Großen Ring (Piaţa Mare) sucht man lange, bis
man auf eine unauffällige, ja beinahe unsichtbare Platte stößt, die den Toten
der Revolution gewidmet ist. Ohne vorheriges Wissen um die Existenz dieser
Gedenktafel ist es nur dem Zufall zu verdanken, sollte man über sie stolpern.
Denn die relativ kleine Metalltafel ist in den Boden eingelassen und unter-
scheidet sich auch farblich kaum von den sie umgebenden Pflastersteinen.
Findet man sie doch, kann man darauf lesen: „Zum Gedenken derer, die im
20 Die Inschrift lautet: „Vesnica pomenire/ eroilor revolutiei/ decembrie 1989“.
42
4.2 Hermanstadt
Dezember 1989 für Freiheit und Wahrheit gefallen sind“.21
Die Art, in der diese Gedenktafel in den Platz integriert ist, ohne sich auf den
ersten Blick aufzudrängen, erinnert an das Konzept der Stolpersteine. Diese
werden in Deutschland zum Andenken an die Opfer des Holocaust in den Bo-
den vor den Häusern der jeweiligen Personen eingelassen. Durch ihre leise,
unauffällige Form des Gedenkens entspricht die Gedenkplatte am ehesten der
rumänischen Mentalität. Sie fügt sich einerseits wie selbstverständlich in den
Alltag und den Lebensraum der Menschen ein, andererseits tritt sie dennoch
ins Bewusstsein, wenn man darüber stolpert.22
Die Konflikte und Unzufriedenheiten, die sich in Hermannstadt anlässlich
der jährlichen Gedenkfeiern zur Revolution ergeben,23 lassen sich auf ein
Grundproblem der Erinnerung an die Toten der Revolution zurückführen.
Dies hängt vor allem mit einem Element zusammen, das bei einem Großteil
der Monumente auftaucht: der namentlichen Aufzählung derjenigen Toten,
21IIm Original: „În amintirea celor căzuţi În decembrie 1989 pentru libertate si adevăr“.22 Für diesen Hinweis danke ich Lidia Suciu.23 So hatte sich z.B. einer der Revolutionärsverbände Hermannstadts beklagt, dass der Bürgermeister der Stadt nur die beiden Denkmäler auf der Straße der Revolution zur Kranzniederlegung aufgesucht hatte. Siehe dazu Asociaţia Răniţii Revoluţiei 22 Decembrie 1989 Sibiu 2008.
Abb. 11 Detail Gedenktafel Foto: Ulrike NehlsAbb. 10 Gedenktafel „Piaţa Mare“ Foto: Ulrike Nehls
43
4.2 Hermannstadt | 4.3 Klausenburg
denen sie gewidmet sind. Mihaela Grancea weist in ihrem Aufsatz darauf hin,
dass die hierbei oft pauschal gebrauchten Bezeichnungen „erou“ bzw. „erou
martir“ eine nicht zulässige Unschärfe darstellen. Denn sie erlauben keine
Unterscheidung zwischen denjenigen, die als Demonstranten erschossen wur-
den und jenen, die Opfer „‚verirrter Kugeln’ wurden, als sie ‚zur Arbeit’ gingen
oder vom Fenster aus den Tumult der Demonstranten betrachteten“ (Grancea
2007: 52).24 Im Falle Hermannstadts erhält dieses Problem besondere Brisanz,
da hier explizit auch Angehöriger von Miliz, Armee und Securitate gedacht
wird, die ebenfalls als Märtyrer der Revolution bezeichnet werden.
4.3 Klausenburg
Klausenburg war eine derjenigen Städte, in denen in den letzten Tagen Jah-
res 1989 auf Demonstrierende geschossen wurde25, wenige Stunden nachdem
sie am 21. Dezember – dem Aufruf der Temesvárer folgend – auf die Straßen
gegangen waren. Infolge dieses Versuches, die Übertragung des Revolutions-
gedankens im Keim zu ersticken, starben 25 Menschen (Deletant 2006: 243).
Für die vorliegende Arbeit ist Cluj wegen des Denkmales auf der Piaţa Unirii
(dt.: Platz der Vereinigung) interessant, die sich von vielen anderen Denkmä-
lern der Revolution in anderen Städten Rumäniens unterscheidet.
4.3.1 Gedenktafeln
Den räumlichen Kontext, in dem sich die „Stâlpi împuşcaţi“ (dt.: erschossene
Pfeiler) befinden, bestimmen u.a. zwei andere Formen der Erinnerung an die
Revolution. Schräg gegenüber der „Stâlpi împuşcaţi“ ist an der Buchhandlung
der Universität eine Gedenktafel angebracht. Diese stammt vom 21. Dezem-
ber 1996 und ist 14 Menschen gewidmet, die am 21. Dezember 1989 auf der
24 Im Original: „[...] au fost atinşi de ‚gloanţe rătăcite‘ În timp ce mergeau ‚la muncă‘ sau priveau de la fereastră ‚rumoarea‘ manifestanţilor“.25 Dazu gehörten noch Temesvár, Bukarest, Hermannstadt, Kutschir (Cugir), Karansebesch (Caransebeş )und Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureş).
44
4.3 Klausenburg
Piaţa Unirii starben. Die schwarze Marmor-
platte, in die ein Metallkreuz eingearbeitet
ist, wurde – für den Passanten praktisch
unsichtbar – an einen Eckpfeiler des Gebäu-
des befestigt. Unterhalb der Inschrift „Hier
fielen am 21. Dezember 1989 die Märtyrer-
helden:“ sind Name und Alter der Getöteten
zu lesen.
Ebenso unauffällig ist eine weitere Ge-
denktafel, die von der nationalistischen
Uniunea Vatra Românească (dt.: Rumäni-
sche Heimstätte) gestiftet wurde und die
oberhalb der Augenhöhe an einem Eckhaus
des Platzes angebracht wurde. Ihre Inschrift
lautet: „Ewige Ehrung unserer Helden/ 22.
Dezember 1989/ Uniunea Vatra Românească“.
4.3.2 „Stâlpi împuşcaţi“
Obwohl die „Stâlpi împuşcaţi“ allein schon auf Grund ihrer Dimensionen für
den Passanten sichtbarer sind als die erwähnten Gedenktafeln, sind sie kein
auf den ersten Blick auffallendes Element des Platzes. Dies liegt einerseits
an ihrer Position – die Pfeiler wurden an einer Ecke des Platzes aufgestellt –,
andererseits am Material, das der Bildhauer Liviu Mocan für sein Denkmal
gewählt hat. Denn die sieben bronzenen Pfeiler heben sich farblich kaum von
ihrer Umgebung ab. Auch reichen ihre knapp 2,50 m nicht, um sie die umlie-
genden Gebäude überragen zu lassen.
Was an den Pfeilern, die die Helden der Revolution darstellen, dennoch
auffällt, ist ihre Oberfläche. Unebenheiten suggerieren Wunden und Narben,
größere Vertiefungen erinnern an Einschusslöcher. Liviu Mocan selbst nimmt
eine zweifache Deutung der Pfeiler vor: Zum einen sollen sie zum Ausdruck
bringen, dass die Toten der Revolution zu den Pfeilern einer neuen Gesell-
schaftsordnung wurden. Zum anderen stellt Mocan hier die Toten der Revo-
lution als Aufrechte dar, die – obwohl erschossen – nicht gefallen, sondern
Abb. 12 Gedenktafel „Piaţa Unirii“ Foto: Ulrike Nehls
45
4.3 Klausenburg
aufrecht zwischen den Lebenden geblieben
sind, für sie immer noch präsent (Jurnalul
scrierii iubirii 2007).
Damit geht auch Liviu Mocan, ähnlich
wie die Autoren der Denkmäler in Te-
mesvár, mit dem rumänischen Geist des
Totengedenkens konform. Es gelingt ihm,
Trauer und Schmerz über den Tod so vie-
ler Menschen durch sein Denkmal sichtbar
zu machen und ihrem Sterben gleichzeitig
Würde und Sinn zu verleihen. Dies ge-
schieht wiederum durch die Verknüpfung
mit christlichem Gedankengut. Neben
den Pfeilern ist nämlich eine Platte in den
Boden eingelassen, auf der die Namen der
Erschossenen zu lesen sind. In den unte-
ren Teil der Platte hat Mo-
can einen Ausspruch Jesu
Christi eingraviert, der im
Johannesevangelium 15,13
nachzulesen ist: „Größere
Liebe hat niemand als die,
daß er sein Leben hingibt
für seine Freunde.“ Mittels
der so suggerierten Analogie
zwischen Jesus Christus und
den Toten der Revolution
wird deren Sterben als Opfer
gedeutet, das Vielen ein neues Leben ermöglicht hat.
Abb. 13 „Stâlpi împuşcaţi“ Foto: Anita Muntean
Abb. 14 Detail „Stâlpi împuşcaţi“ Foto: Anita Muntean
Abb. 15 Bodentafel „Stâlpi împuşcaţi“ Foto: Ulrike Nehls
46
4.4 Bukarest
4.4 Bukarest
4.4.1 Der Platz der Revolution
Die Piaţa Revoluţiei (dt.: Platz der Revolution), ist zweifelsohne der für Rumä-nien wichtigste Ort der Erinnerung an die Geschehnisse des Dezembers 1989. Seinen heutigen Namen trägt er erst seit dem 12. Januar 1990, als er durch die FSN umbenannt wurde (Iliescu 2005); davor hieß er Piaţa Palatului (Platz des Palastes). Auf diesem Platz hatte Ceauşescu 1968 eine Rede gehalten, in der er die Invasion der Tschechoslowakei öffentlich verurteilte und somit nicht nur bei der eigenen Bevölkerung, sondern auch auf internationalem Parkett Ansehen gewann. In Anlehnung an diesen früheren Erfolg sollte auch am 21. Dezember hier – in einer als Huldigung für Ceauşescu inszenierten Großversammlung – die aufgebrachte Bevölkerung wieder „auf Kurs“ gebracht werden. Es wurde die letzte Rede des verhassten Diktators und gleichzeitig der Startpunkt der Revolution in Bukarest. Auf diesem geschichtsträchtigen Platz, der sich zwischen dem ehemaligen
Königspalast (heute Nationales Kunstmuseum) und dem Gebäude des Innen-
ministeriums (vormals Sitz des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei
Rumäniens) erstreckt, befinden sich gleich mehrere Denkmäler. Zwei davon
sind bedeutenden rumänischen Politikern gewidmet. Einer von ihnen ist Iuliu
Maniu, langjähriger Vorsitzender der Nationalen Bauernpartei und ehema-
liger Ministerpräsident. Er fiel der ersten Säuberungswelle der rumänischen
Kommunisten zum Opfer und starb 1951 in Gefangenschaft. Ebenso steht auf
diesem Platz die Büste Corneliu Coposus, einst Sekretär Iuliu Manius und nach
1989 Anführer der antikommunistischen Opposition.
In unmittelbarer Nähe zu diesen Denkmälern, die den Kampf gegen den Kom-
munismus thematisieren, finden sich drei Monumente zu Ehren der Revolution
von 1989. Das jüngste Denkmal überschattet inzwischen die anderen beiden
in Größe und Bekanntheitsgrad. Dennoch kommt diesen allein schon durch
den Aufstellungsort eine besondere Bedeutung zu. Daher wird skizzenhaft auf
die zwei kleineren Denkmäler eingegangen, bevor eine detaillierte Analyse des
zugleich neuesten und bedeutendsten Monuments der rumänischen Revolu-
tion erfolgt.
47
4.4 Bukarest
4.4.2 Skulptur und „Pyramide“26
In westlicher Verlängerung des Platzes
befindet sich etwas versteckt die erste
Erinnerung an den Dezember 1989. In ei-
nem kleinen Park vor der Kirche Biserica
Creţulescu steht eine Plastik des Bildhau-
ers Ion Nicodim, „ die erste und politisch
neutralste aller Skulpturen“ auf diesem
Platz (Cârneci 2005).27
Den Hauptteil bildet ein kniender, gespal-
tener und kopfloser Körper, dessen Arme
sich in scheinbar trotzender Haltung mit
geballten Fäusten abstützten. Die Fäuste
finden allerdings keinen Halt, denn sie
greifen in die Luft. Die Schultern dieses
Körpers sind mit einem weiteren Armpaar
verschmolzen, dessen Fäuste in identischer Haltung nach unten weisen. An die
Schulterblätter des zweiten Armpaares setzen zwei Beine an, die sich gespreizt
in die Luft strecken. Es scheint, als seien zwei Körper ineinander verschmolzen,
so dass von dem einen nur noch Arme und Beine zu sehen sind. Der gespaltene,
gebrochene Körper und die Brüche im zweiten Beinpaar suggerieren allerdings
auch einen heftigen, zerstörenden Zusammenstoß. So als seien die beiden Kör-
per mit großer Wucht aufeinander geprallt. Auf den Kontext der Arbeit weist
lediglich die schlichte Inschrift auf dem Sockel hin: „Dezember 89“.
Diese Skulptur reiht sich in die Gruppe jener Monumente ein, die den Schmerz
über den Verlust zum Ausdruck bringen wollen und damit an die stark vom
orthodoxen Glauben geprägte rumänische Mentalität anknüpfen.
26 Trotz wiederholten Nachfragens bei den zuständigen Stellen in Bukarest waren bis zu diesem Zeit-punkt keine Informationen zu diesen Denkmäler zu bekommen. Die folgenden Betrachtungen basie-ren daher größtenteils auf eigenen Beobachtungen vor Ort.27 Im Original: „prima si cea mai neutra politic din toate [sculpturile].“
Abb. 16 Skulptur vor der Creţulescu-Kirche Foto: Ulrike Nehls
48
4.4 Bukarest
Unmittelbar vor dem Sitz des Innenministeriums steht eine aus Marmorplat-
ten gestaltete, abgeflachte Pyramide. Die Oberfläche ist allerdings gebrochen,
denn von der Basis aus windet sich ein Spalt bis fast in die Spitze, in den Blu-
men gepflanzt wurden. Rechts davon wurde ein Kreuz eingraviert, unter dem
zu lesen ist: „Ruhm unseren Märtyrern Dezember 1989“ („Glorie Martirilor
Nostri Decembrie 1989).
4.4.3 Memorialul Renaşterii
„Primär auf visuelle Wahrnehmung orientiert, verschlüsseln Denkmäler ihre
Botschaft in symbolischer Weise. Sie arbeiten mit Elementen und Zeichen, die
gelesen und verstanden werden müssen“ (Speitkamp 2000: 161).28 Im Falle
des Memorialul Renaşterii – Glorie Eternă Eroilor şi Revoluţiei Române din
Decembrie 1989 (dt.: Denkmal der Wiedergeburt – Ewiger Ruhm den Helden
und der rumänischen Revolution des Dezember 1989“) in Bukarest liefen die
Vorstellungen des Designers Alexandru Ghilduş und die der rumänischen Be-
völkerung scheinbar auseinander. Anders sind die vielen, meist spöttischen
Umbenennungen des Denkmals auf dem Platz der Revolution kaum zu erklä-
28 Zur „Sprachfähigkeit“ von Denkmälern siehe auch Reusse 1995: 295. Reusse geht hier auf die Schwierigkeiten ein, die für den Betrachter bei der Interpretation eines ungegenständlichen, also nicht figürlichen Denkmals auftreten können, vor allem mit zunehmendem Abstand vom Kontext seiner Errichtung.
Abb. 17 Denkmal vor dem Gebäude des Innenministeriums Foto: Ulrike Nehls
49
4.4 Bukarest
ren. Die harmlosesten bezeichnen es als „Olive auf Zahnstocher“, „Gehirn am
Stiel“ oder „aufgespießte Kartoffel“ (Manega 2005).
Ghilduş selbst sagt zu dem von ihm entworfenen Denkmal:
„Ich glaube sehr an meine Arbeit. Sie wird zu einem Symbol wer-den. Ich habe einen Ort der Meditation geschaffen, an den die Eltern oder Verwandten der Märtyrer kommen können um sich an sie zu erinnern oder um Blumen niederzulegen“ (zitiert nach
Manega 2005).29
Das Denkmal besteht aus vier Elementen: der Siegespyramide (Piramida Iz-
bânzii), der Mauer der Erinnerung (Zidul Amintirii), dem Weg des Sieges (Ca-
lea Biruinţei) und dem Platz der Sammlung (Piaţa Reculegerii). Aus Richtung
des Denkmals für Iuliu Maniu kommend, läuft man über den aus Holzstücken
gelegten Weg des Sieges auf die Siegespyramide zu. Der Weg ist auf beiden
Seiten von Bänken gesäumt, die den Besucher zum Verweilen einladen. Der
Weg als Element des Denkmales besteht aus insgesamt vier solchen Pfaden,
29 Im Original: „cred foarte mult in lucrarea mea. Va deveni un simbol. Sau un reper turistic. Eu am creat un spatiu de meditatie, unde vor putea veni parintii sau rudele martirilor pentru a-i evoca sau pentru a depune flori.”
Abb. 18 Piaţa Revoluţiei – „Memorialul Renaşterii“ Foto: Ulrike Nehls
50
4.4 Bukarest
die aus den vier Himmelsrichtungen auf die Sie-
gespyramide zulaufen. Auf einem für Besucher ge-
stalteten Faltblatt werden sie interpretiert als die
sich kreuzenden Wege, die von den Revolutionären
zurückgelegt wurden (Cristea o.J.).30
Geht man weiter, kommt man an die Mauer der
Erinnerung (Abb. 20), die aus zwei gewölbten, 1,70
Meter hohen Elementen besteht, in die Messing-
platten eingelassen sind. Darauf sind die Namen
der „1058 Helden der Revolution” eingraviert.
Steht man zwischen den beiden Mauerteilen, fällt
der Blick auf das Hauptelement des Denkmalkom-
plexes, die Siegespyramide. Diese ragt 25 Meter in die
Höhe und wird von zwei weiteren Elementen bestimmt: der Krone im oberen
Teil und einer Statuengruppe am Fuße. Hierzu liest der interessierte Besucher
im Faltblatt:
„Am Fuße der Siegespyramide, der senkrechten Säule, um die he-rum der Denkmalverband kreist, befindet sich eine Statuengrup-pe, die Kraft durch Solidarität darstellt, den Mut zur Veränderung sowie den Wunsch nach Freiheit. Im oberen Bereich wird die Pyra-mide von der Krone ergänzt, die dem Opfer huldigt und den Geist jener sammelt, die gestorben sind und deren Erinnerung uns nie-
mals verlassen darf.”31
Die Statuengruppe stellt in stilisierter, abstrakter Form die an der Revolution
Beteiligten dar, wenig oberhalb ist ein weiteres Element angebracht: ein über-
dimensionaler Fingerabdruck. Auch dieser symbolisiert den einzelnen Revolu-
30 „[…] sugerează drumurile încrucişate, pornite din cele patru puncte cardinale, parcurse de revoluţionari.” Cristea o.J. Die im Folgenden verwendeten Zitate aus dem Faltblatt zum Denkmal wurden dem o.g. Artikel entnommen.31 Im Original: „Piramida Izbânzii, coloana verticală în jurul căreia gravitează ansamblul, are la bază un grup statuar care semnifică puterea prin solidaritate, curajul schimbării şi dorinţa de libertate. La nivel superior, Piramida este însoţită de Coroana care omagiază jertfa şi adună spiritul celor care au murit şi a căror amintire nu trebuie să ne părăsească niciodată.“
Abb. 19 „Memorialul Renaşterii“ Foto: Ulrike Nehls
51
4.4 Bukarest
tionär und den von ihm hinterlasse-
nen „Abdruck”.32 Rund um den Platz der Sammlung,
der den Raum um die Siegespyrami-
de ausmacht, stehen den Besuchern
mehrere Bänke zur Verfügung, von
denen aus sie den gesamten Komplex
überblicken und auf sich wirken las-
sen können.
Die Pyramide, an der sich hauptsächlich die Kritik entzündete, wurde von
Ghilduş selbst als Obelisk bezeichnet. Damit nimmt er die Bedeutung, die
sowohl Pyramide als auch Obelisk in der Formensprache des Denkmals zu-
kommt, für sein Werk in Anspruch. Denn diese beiden geometrischen Primär-
formen werden seit jeher eingesetzt, um Unvergänglichkeit und Zeitlosigkeit
zu suggerieren (Reusse 1995: 45ff). Diesen Eindruck vermittelt der gesamte
Denkmalkomplex auf mehrfache Weise. Marmor – das überwiegende Material
– wird häufig zur Gestaltung von Grab-
mälern, aber auch von Monumenten
und anderen Kunstwerken verwendet
und gilt allgemein als edles, repräsen-
tatives Gestein. Hinzu kommt das
Element der Krone, das auf zweifa-
che Weise als Symbol für Ehre und
Unendlichkeit gedeutet werden kann
(Cristea o.J.): Zum einen liegt ihr die
christliche Bildsprache zu Grunde, in
der die Krone jedem Gläubigen am Ende seines Lebens als Belohnung auf den
32 Hier findet sich bereits ein Beispiel für die o.g. Hinweise Felix Reusses auf Interpretationsschwierig-keiten angesichts eines ungegenständlichen Denkmales. Denn ohne Erklärung des Autors wäre dieser Fingerabdruck nicht als solcher erkennbar und wurde auch von Kommentatoren und Kritikern oft nicht richtig interpretiert.
Abb 20. Mauer der Erinnerung Foto: Ulrike Nehls
Abb. 21 Statuengruppe Foto: Ulrike Nehls
52
4.4 Bukarest
Kopf gestzt wird.33 Zum anderen ist auch eine Interpretation im Sinne der gän-
gigen Metaphorik des Kreises möglich, der Unendlichkeit symbolisiert.
Durch seine Ausmaße, vor allem aber durch die Formensprache und Höhe
der Siegespyramide, wird der Anspruch des Monumentes unterstrichen, un-
ermessliche Dankbarkeit und ewigen Ruhm für die Helden der Revolution
auszudrücken.
Entstehungsgeschichte
Der Grundstein für die heftigen Diskussionen, die dieses Denkmal ausgelöst
hat, wurde bereits in seinen Anfängen gelegt. Im Laufe der Zeit ist Ghilduş Werk
zum „Monument der nationalen Zwietracht“34 geworden. Manche gehen weiter
und bezeichnen es als „Beleidigung“ (Bercea 2005).35 Begonnen hatte die Geschichte des Denkmals im Dezember 2003 mit einer
Ausschreibung des Kultusministeriums, die allem Anschein nach nicht ausrei-
chend in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. Als einziges Dokument
wird eine kurze Anzeige im Curierul Naţional (dt.: Nationalkurier) vom 9. Janu-
ar 2004 angeführt, das neben der Presseerklärung des Ministeriums den künf-
tigen Standort sowie den Stichtag zur Einreichung von Entwürfen nannte. Über
die bis dahin eingereichten 15 Vorschläge sollte eine Jury entscheiden, die vom
damaligen Kultusminister Răzvan Theodorescu ernannt wurde und in der zwei
Bildhauer, ein Architekt, ein Vertreter des Staatssekretariater für die Belange
der Revolutionäre sowie ein Repräsentant des Kultusministeriums vertreten
waren. Allerdings scheint diese nur pro forma aufgestellt worden zu sein, denn
eine Mitarbeiterin des Kultusministeriums berichtete später, der Präsident Ion
Iliescu selbst habe eines Abends die Entwürfe besichtigt und denjenigen ausge-
wählt, der ihm am besten gefiel. Angeblich habe er geäußert: „Dieses Denkmal
gehört mir und ich bin derjenige, der es aussucht!“ (Manega 2005)36 Der Jury
33 Der Hinweis darauf findet sich an mehreren Stellen im Neuen Testament, am deutlichsten vielleicht in 2. Timotheus 4, 8: „[…] fortan liegt mir bereit der Siegeskranz der Gerechtigkeit, den der Herr, der gerechte Richter, mir <als Belohnung> geben wird an jenem Tag […]“.34 So der Titel des o.g. Artikels von Julia M. Cristea in der Zeitschrift eines deutsch-rumänischen Vereins.35 So Maria Bercea in ihrem Artikel in der Zeitschrift „22“. Die folgenden Informationen zur Geschich-te des Denkmals sind, wenn nicht anders angegeben, der Ausgabe 806 vom 16. – 22. August 2005 entnommen, die mehrere Artikeln und Interwievs dem Bukarester Denkmal widmete.36 Im Original: „Acest monument este al meu si eu sunt cel care-l alege!“.
53
4.4 Bukarest
sei lediglich die Aufgabe zugefallen, die Entscheidung Iliescus im Nachhinein
zu bestätigen. Anscheinend trifft dies auch für die Wahl des Ortes zu, denn
Theodorescu erklärte später, er sei auf Grund des „Gedränges“ auf der Piaţa
Revoluţiei gegen diesen Platz gewesen (Manega 2005).37
Im März 2004 wurde der Sieger des Wettbewerbes bekannt gegeben. Da-
raufhin setzte das Kultusministerium die für das Projekt bereitzustellende
Summe fest (56 Milliarden Lei, was ca. 1,6 Millionen Euro entspricht) und
nahm den Designer Ghilduş unter Vertrag, der das Denkmal bis Ende des Jah-
res fertig stellen sollte. Nach Wunsch Theodorescus sollte es von demjenigen
eingeweiht werden, „der eine wichtige Rolle während der Revolution gespielt
hat, dem Präsidenten Iliescu“ (Manega 2005).38 Dazu kam es indes nicht,
denn der damalige Oberbürgermeister Bukarests war nicht bereit, den Bau
freizugeben. Es folgte ein Schlagabtausch, in dem Bauherren und Designer die
Bürgermeisterämter der Stadt der Sabotage bezichtigten und die zuständigen
Stellen die Verantwortung zwischen sich hin und her schoben, bis schließlich
doch die Erlaubnis zum Baubeginn erteilt wurde. So wurde am 15. Dezember,
dem eigentlichen Termin für die Fertigstellung des Denkmales, lediglich der
zukünftige Ort des Monuments eingeweiht. Anwesend waren unter anderem
Ion Iliescu, der damalige Oberbürgermeister Traian Băsescu und ein hoher Ver-
treter der Orthodoxen Kirche.
Im März 2005 begannen schließlich die Arbeiten am Denkmal, das am
5. September desselben Jahres offiziell eingeweiht werden konnte. (Zuvor, am
1. August, wurde es der Presse in Anwesenheit des Designers Ghilduş vorge-
stellt.) In seiner zu diesem Anlass gehaltenen Rede am „wichtigsten Denkmal,
das zu Ehren der Rumänischen Revolution errichtet wurde” (Manega 2005)39, bezeichnete Iliescu das Monument als lang gehegten Wunsch der Teilnehmer
der Revolution. Erneut nahm er die Gelegenheit wahr, den volksrevolutionä-
ren Charakter der Wende in Rumänien zu betonen und hob dabei die heraus-
ragende Bedeutung der Arbeiterschaft hervor, die sowohl in Temesvár, als
37 Allerdings bestätigt er in einem am 13.07.2005 in der Zeitung Adevarul erschienen Artikel den Aufstellungsort als einzig möglichen, weil symbolischen Ort der Revolution.38 Im Original: „[...] cel care a avut un rol important in Revolutie, presedintele Iliescu”.39 Im Original: „[...[ principalul monument edificat în onoarea Revoluţiei Române”.
54
4.4 Bukarest
auch in Bukarest in großer Zahl auf die Straßen gegangen war. Gleichzeitig
betonte Iliescu aber auch die Leistungen seiner Front der Nationalen Rettung,
deren Kommuniqué vom 22. Dezember er als „programmatisches Dokument
der Rumänischen Revolution“ (Iliescu 2005) stilisierte.
Rezeption
Der Verlauf eines Pressetermins am
Denkmal ließ bereits vor der offiziel-
len Einweihung erahnen, wie Ghilduş’
Werk von der Bevölkerung rezipiert
werden sollte. Einige Bukarester
demonstrierten vor dem Denkmal;
sie hielten Plakate hoch, auf denen
anklagend zu lesen war: „15 Jahre
Pfahlspitzen, kein Schuldiger“ (Ber-
cea 2005). Es handelt sich hierbei
um ein nur schwer wiederzugeben-
des Wortspiel. „ţeapă“ bezeichnet
im Rumänischen einen Pfahl, eine
Pfahlspitze. Damit bezogen sich die
Demonstranten auf die Gestalt des Denkmals, dessen Hauptelement ein nach
oben hin spitz zulaufender Pfahl ist. Gleichzeitig gibt es im Rumänischen aber
auch die umgangssprachliche Redewendung „a lua ţeapa“, was soviel bedeutet
wie reingelegt werden. Die Demonstranten spielten also eigentlich auf eine
Grundfrustration der rumänischen Bevölkerung hin, die sich daraus ergibt,
dass die Schuldigen für die Schießereien der Revolution noch immer nicht be-
langt wurden.
Seitdem es aufgestellt wurde, reißen die handgreiflichen oder rhetorischen
Angriffe gegen das Denkmal nicht ab. Nachdem es mehrere Male mit Graffiti
besprüht wurde, ist rund um die Uhr eine Überwachungskamera auf das Mo-
nument gerichtet. Doch auch diese Maßnahme konnte den Kritikern keinen
Einhalt gebieten, denn sie verlegten ihre teilweise sehr spöttischen Graffitis auf
Abb. 22 Grafitti in Nähe des Denkmales Foto: Martin Jung
55
4.4 Bukarest
umliegende Gebäude und Laternenmasten (siehe Abb. 22).40 Dabei richtet sich
der Unmut der Sprayer nicht nur gegen das Denkmal an sich, sondern auch
gegen dessen Initiator Ion Iliescu. Dies lässt darauf schließen, dass das Monu-
ment von vielen mit dem ehemaligen Präsidenten in Verbindung gebracht wird.
Dabei stört anscheinend am meisten die Tatsache, dass er noch immer ver-
sucht, seine eigene Sicht der Revolution zu festigen und als allgemein gültig zu
deklarieren.41 Gleichzeitig dient das Denkmal noch immer seiner Legitimation,
beinhaltet seine Lesart der Wende doch seine eigene Rolle als Retter der Nation
und Überbringer der Demokratie. Dazu schrieb der Journalist N.C. Munteanu:
„Der Pfahl auf dem Platz der Revolution scheint jedoch auch eine andere Bedeutung zu haben, die wichtiger als alle anderen erscheint. Es ist der Schlusspfahl, mit dem Ion Iliescu seine Präsidentenbiogra-phie beendet hat. Beim Ansehen des drohenden Pfahles sollen wir uns, seinem Wunsch nach, nicht nur an die Revolution erinnern, sondern auch an ihn“ (Munteanu 2005).42
Am deutlichsten artikulierte sich die Ablehnung der Öffentlichkeit in den Presse-
artikeln, die die Einweihung des Denkmals begleiteten. Glaubt man Julia Maria
Cristea, konnte man in jenen Tagen ein bis dahin nicht vorgekommenes Phänomen
beobachten. „[…] die ganze rumänische Presse war in einer gemeinsamen Front
vereint […], aber nicht zum Guten, sondern nur um anzugreifen, zu verspotten, zu
vernichten, zu zerstören, zu schmähen, mit Steinen zu werfen…“ (Cristea o.J.).43 Selbst seriöse Zeitschriften wie Revista 22 oder Dilema veche (dt.: Das alte
Dilemma) ließen nicht viel Gutes am Werk des Bukarester Designers Ghilduş.
40 Der Schriftzug auf diesem Laternenmast enthält ein Wortspiel, denn aus „monumentul eroilor“ (dt.: Denkmal der Helden) wird durch Einfügen eines Buchstaben „monumentul erorilor“ (dt.: Denkmal der Irrtümer). 41 Iliescu hat seit 1989 eine Reihe von Büchern veröffentlicht, in denen er seine Interpretation der ru-mänischen Wende darstellt, u.a. Revoluţie şi reformă (1993), Bucureşti: Editura redacţiei publicaţiilor pentru străinătate; Revoluţia trăită (1995), Bucureşti: Editura redacţiei publicaţiilor pentru străinătate und Revoluţia Română (2001).42 Im Original: „Insa teapa din Piata Revolutiei pare a avea si o alta semnificatie, parca mai importanta ca toate. Este teapa finala cu care Ion Iliescu si-a incheiat biografia de presedinte. Privind teapa amen-intatoare, a vrut sa ne amintim nu doar de Revolutie, ci si de el.”.43 Im Original: „[…] întreaga presă română a fost unită într-un front unitar (lucru absolut nemaiîntâl-nit), dar nu la bine ci doar ca să conteste, să batjocorească, să desfinţeze, să distrugă, să blameze, să arunce cu pietre...”.