20.-22. September 201370mm-Filmfestival
9. Todd-Ao
SCHAUBURG
www.70mm-festival.de
70mm FilmFestival 2013
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HerzlicH willkommen beim 9. Todd-Ao FesTivAl in der scHAuburg in karlsruhe! Das internationale 70mm-Filmfestival, wo Filme im GROSS-
FORMAT so vorgeführt werden, wie es ursprünglich gedacht
war: IN 70MM auf der GEKRÜMMTEN Leinwand. Hier ist
alles größer, besser, strahlender, intensiver, schärfer und
frischer, mit einem größeren AHA-Effekt als bei allen
anderen Vorführungen, die Sie sonst im Kino erleben
können.
Sind Sie bereit? Lassen Sie uns die fünf Töne spielen: „d‘, e‘, c‘,
c, g“ - so beginnt John Williams Konzert für UFOs in dem Film
„Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (OT: „Close Encoun-
ters of the Third Kind“) von Steven Spielberg aus dem Jahr
1977. Der Film spielt im mittleren Westen der USA und handelt
von ganz normalen Bürgern, die mit außergewöhnlichen
Umständen konfrontiert werden. Ein menschliches Drama, in
das wir als Publikum hineingezogen werden können. Wir können
lachen oder weinen, und genau das macht einen guten Film aus.
Die Story ist mal gut und mal weniger gut. Es lässt sich nicht
immer einfach vorhersagen, ob sich ein Film als Top oder als
Flop erweisen wird, aber eines ist sicher: wir zeigen unsere Filme
unabhängig davon, einfach weil sie in 70mm gedreht wurden.
Gemeinsam mit Jean Reno und Jean-Marc Barr begeben wir
uns auf eine magische Reise in die Tiefen des Mittelmeeres, und
das in sattem Dolby Stereo-Ton. Wir lauschen den fröhlichen
Walzern von Johann Strauss in einem fast vergessenen Film -
war er ein Flop? Wir erleben hautnah die Propaganda aus der
Zeit des Kalten Krieges / Eisernen Vorhangs in dem teuersten, je
gedrehten DDR-Dokumentarfilm, der in DEFA 70 aufgenommen
wurde. Und wir reisen mit Charlton Heston in Ultra Panavision
nach „Khartoum“! Wenn es Ihnen in Afrika zu heiß ist, fliegen Sie
in „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ (OT: „Chitty Chitty Bang Bang“)
nach Vulgaria und besuchen Sie „Baron Bomburst“ auf seinem
Hof (gefilmt auf Schloss Neuschwanstein). Und wenn Sie gerne
tanzen, dann können Sie von Stanley Donen und seinem
heiteren Team von Freestyle-Tänzern und -Tänzerinnen lernen,
wie man eine Scheune baut - und das Ganze in Begleitung von
sieben blutjungen Hollywood-Schauspielerinnen vor einem
farbenfrohen Hintergrund in Ansco Color und CinemaScope.
Betrachten Sie die Wunder ganz ohne Brille! War DEFA 70
wirklich der größte Fehler der Filmindustrie in der ehemaligen
DDR? Treffen Sie Ihr eigenes Urteil über Orpheus und Goya in
prächtigem Orwo Color.
Leben Sie Ihre Träume! Werden Sie für einen Abend zum
Eroberer, Sklaven oder Gladiator! „Ich bin Spartacus!“ - Da
bleibt kein Auge trocken, wenn eine der berühmtesten Zeilen der
Filmgeschichte erklingt, musikalisch wundervoll untermalt von
Dimitri Tiomkin. Alle einzigartigen Momente des Wochenendes
in sattem Stereo-Ton.
Die Vorführung von 70mm-Filmen verlangt Fachwissen und
Kompetenz. Die schweren 70mm-Filmrollen und das empfindli-
che Filmmaterial werden von den Filmvorführern gekonnt
behandelt. Seit der Entstehung des Kinos vor mehr als 100
Jahren arbeiten Filmvorführer unermüdlich im Hintergrund und
sorgen für SCHARFE Bilder und einen perfekten Sound. In den
letzten Jahren wurden viele Filmvorführer im Zuge der schritt-
weisen Umstellung auf digitale Projektionstechniken in kommer-
ziellen Kinos entlassen. Bei uns in der Schauburg sind jedoch
noch erfahrene Filmvorführer tätig, die über das notwendige
Fachwissen und handwerkliche Können verfügen, um jede
70mm-Vorführung zu einem unvergesslichen Erlebnis zu
machen. Und darauf sind wir stolz.
...Und jetzt: „Gong“, Projektor starten, Vorhang auf, Beleuchtung
dimmen, Blende auf, Scharfstellen, Soundcheck.....Film ab.........
Auf ein weiteres unvergessliches Wochenende in der Schauburg!
Thomas HauerslevHerbert Born
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70mm is in Focus!scHAuburg‘s 9. Todd-Ao 70mm FesTivAl, karlsruhe, germany Written by: Thomas Hauerslev
Welcome to the 9th Todd-AO festival at the Schauburg
Cinerama in Karlsruhe. The international 70mm Film Festi-
val, which celebrates LARGE format films as they were
meant to be seen: IN 70MM on the CURVED screen. Our
festival is where everything is larger, better, brighter, richer,
sharper and crisper and has more WOW! than anything else
you can see in cinemas.
Are you ready? Let‘s play the five tones. „Re, Mi, Do, Do, So“
- so begins John William‘s concert for UFOs seen in Steven
Spielberg‘s „Close Encounters of the Third Kind“ from 1977. A
story set in middle America about ordinary people, exposed to
extraordinary circumstances. Human drama where we ñ the
audience - can be involved. We can laugh, or cry, that‘s what
drives a good film. Sometimes the story works well, and
sometimes it doesnít. It is not always easy to predict if a film will
be a hit or a flop, but one thing is for sure, we show our films
regardless, because they are in 70mm.
We‘ll all go on a magical journey to explore the deep blue waters
of the Mediterranean with Jean Reno and Jean-Marc Barr in
blazing Dolby Stereo. Listen to the wonderful gay waltzes by
Johann Strauss in a film which is nearly forgotten - was it a flop?
Be exposed to genuine Cold War / Iron Curtain propaganda in
DDR‘s most expensive documentary ever filmed in DEFA 70mm.
Go to Khartoum with Charlton Heston and see what happened
in Ultra Panavision! If the African heat is too much for you, fly
with Chitty Chitty Bang Bang to Vulgaria and visit „Baron
Bomburst“ and his court - filmed locally at Neuschwanstein
Castle. If you like dancing, Stanley Donen and his merry team of
free-styling dancers will teach you how to build a barn - set
against seven Hollywood virgins and nicely painted back-
grounds in Anscocolor and CinemaScope. See the wonders
without glasses! Was DEFA 70 really the biggest mistake of the
former East German film industry? Judge for yourself with
Orpheus and Goya in glorious Orwocolor. Live out your dreams.
Be an emperor, slave or gladiator for the evening. „I‘m Sparta-
cus!“ - There is not a dry eye in the house when one of film
historyís most famous lines is spoken to Dimitri Tiomkin‘s
beautiful music. All unique weekend moments in full stereopho-
nic sound.
Presenting 70mm is not done without human expertise or skills.
The heavy 70mm reels and delicate film material is masterfully
handled by the projectionist. Since the birth of the cinema more
than 100 years ago, projectionists have been working tirelessly
behind the scenes, making sure the pictures are IN FOCUS and
the sound is perfect. In recent years the projectionist is largely
made redundant in commercial cinemas, as digital projector
technology gradually has been introduced for projection. But at
the Schauburg we proudly still have our own skilled Projectio-
nists with the necessary knowledge and craftsmanship to make
every 70mm performance unforgettable.
Öand now, „Gong“, start projector, cue curtain, dim the lights,
open dowser, focus, check sound.....the show is running.........
another unforgettable weekend at the Schauburg!
Herbert Born &
Thomas Hauerslev
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der grosse wAlzerDer musikalische Beitrag von Johann Strauss (Sohn)
zur Filmgeschichte wäre wohl eine größere Abhand-
lung wert. Imdb.com listet über hundert Kino- und
Fernsehfilme sowie Fernsehserien auf, in denen die
Musik des Walzerkönigs erklingt. Das liegt natürlich
daran, dass seine Musik immer noch überaus
populär ist und einen großen Wiedererkennungswert
hat, zum anderen aber auch, dass schon ein paar
Walzertakte genügen, um eine ganz eigene Welt
heraufzubeschwören, die der untergegangenen
K-u-k. Monarchie, der Metropole Wien, wie sie
einmal war in der vermeintlich guten alten Zeit der
großen Bälle, in denen sich der Adel Europas die
Hand reichte. Es ist bezeichnend, dass von den
zahlreichen Filmeinsätzen der Walzer-Evergreens
einer besonders im Gedächtnis geblieben ist, weil er
im größtmöglichsten Kontrast zu dem steht, was
gerade im Bild zu sehen ist . Stanley Kubrick läßt in
„2001“ (1968) das Raumschiff zum Walzer „An der
schönen blauen Donau“ durchs All „tanzen“. So
markant diese Szene auch war, es ist doch eher
unwahrscheinlich, dass sich Andrew L. Stone
(1902-1999), Regisseur, Drehbuchautor und Produ-
zent in einer Person, nun ausgerechnet dadurch
inspirieren ließ, einen Film über das Leben von
Johann Strauss zu drehen. Andererseits mutet es
aber auch unverständlich an, dass Stone sich nach
dem Mißerfolg von „Song of Norway“(1970), der mit
dichterischer Freiheit und Gesang und Tanz erzählten
Geschichte des norwegischen Komponisten Edward
Grieg, noch einmal auf das Abenteuer eines Musiker-
porträts im Breitwandformat eingelassen hat.
Tatsächlich ist „The Great Waltz“(1972) wie sein
Vorgänger eine gewagte, aber selten geglückte
Mixtur aus Kostümfilm und Musical, bei dem auch
relativ bald der Anspruch die Wahrheit über den
porträtierten Musiker zu erzählen auf der Strecke
bleibt und stattdessen die schiere Hollywood-
schmonzette ihr Haupt erhebt; was übrigens „The
Great Waltz“ wenig von seinem gleichnamigen
Vorgänger aus dem Jahr 1938 unterscheidet, da
muß sich Johann Strauss zwischen zwei (fiktiven)
Frauen entscheiden, zwischen seiner lieben Ehefrau
Poldi und der ruchlosen Clara, die zugleich die
Dauergeliebte eines reichen Adeligen ist. Für Clara
stand wohl Jette Treffz Pate, die im richtigen Leben
und auch in Stones Film die erste Frau von Strauss
war. In Stones Film ist sie geradezu eine Lichtge-
stalt, dargestellt von der Sopranistin Mary Costa, die
ihre Stimme schon Dornröschen in dem Disneyfilm
„Sleeping Beauty“(1959) geliehen hat und ihre
Gesangparts natürlich ohne Hilfe eines Stimmdoub-
les bewältigt. Gesungen wird im Film übrigens auf
Englisch, was ebenso wie die in die englischer
Sprache gehaltenen Plakate, Inschriften („South
Station“ steht groß über den Bahnhof) und Briefstel-
len dem deutschsprachigen Publikum doch recht
komisch vorgekommen sein muß, immerhin geht es
um ein bedeutendes Kapitel deutsch-österreichi-
scher Musikgeschichte, die Handlung spielt in Wien,
das, wo es geht, fotogen ins Bild gerückt wird, und
zudem erhalten in der deutschen Synchronfassung
fast alle Akteure einen leichten Wiener Akzent,
inklusive Hauptdarsteller Horst Buchholz, der sich
selbst synchronisiert hat. Stone verschweigt nicht
das langjährige Verhältnis der Treffz mit dem Grafen
Tedesco, dargestellt von dem ergrauten italienischen
Charmeur Rossano Brazzi, sehr wohl aber, dass sie
mit ihm zwei Kinder zusammen hatte, was die Zahl
ihrer unehelichen Kinder insgesamt auf sieben
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erhöht. Auch wenn es damals noch kein Wikipedia
gab, hätte sich Stone durch die reichlich vorhandene
Literatur über den Strauss-Clan davon überzeugen
können, dass keines der Kinder Karl hieß und in
kriminelle Machenschaften verwickelt war. So aber
spinnt er eine Geschichte zusammen um den Sohn
aus einer früheren Verbindung, den Jette Johann
beharrlich verschweigt, während der hochverschul-
dete Hallodri seine Mama erpresst, die hinter dem
Rücken ihres Gatten hohe Summen abzweigt, um
sein Schweigen zu erkaufen. Der dramaturgische
Aufhänger für den zweiten Teil des Films ist einfach
nur hanebüchen und fadenscheinig, weit mehr an die
Fakten hält sich der Auftakt, wo es um die Rivalität
zwischen dem schon etablierten Vater Johann
Strauss und seinem aufstrebenden Sohn geht, der
von der verbitterten Mutter Anna nach allen Kräften
unterstützt wird. Allein schon aus Rache gegenüber
dem notorischen untreuen Ehemann. Da es gibt ein
paar bemerkenswerte Szenen: Der alte Johann
Strauss, der selbst eifersüchtig über seine junge
Geliebte Emilie Trampusch wacht, läßt seine Tanzka-
pelle in schneller Folge ein paar gängige Tänze der
Zeit durchexerzieren, mit dem Ziel Emilie und einer
ihrer Verehrer möglich weit auf Distanz zu halten,
was aber nicht klappt, und einmal verfolgt der junge
Johann mit seiner Mitmusikern einen widerspensti-
gen Konzertveranstalter und musiziert in rasender
Kutschenfahrt durch Wiens enge Gassen, was das
Zeug hält, um ihn von der Qualität seiner Musik zu
überzeugen. Der damals 38jährige Horst Buchholz,
dessen internationale Karriere auf dem absteigenden
Ast war, macht als junger Johann keine ganz
glückliche Figur. Auch mag man ihm, wenn man ihn
Geige spielen sieht, nicht recht abnehmen, dass er
sich in der Vorbereitung auf den Film eingehend mit
dem Instrument beschäftigt hat. Dass er auf der
Tonspur von einem Geigenvirtuosen gedoubelt wird,
versteht sich von selbst. Immer wieder befremdlich
ist das Nebeneinander von historischer Belehrung
durch einen Erzähler, zwischendurch aufscheinender
Faktentreue (auch nach Ansicht der Historiker war es
Jette, die ihren Mann gedrängt hat mit „Der Fleder-
maus“ ins Operettenfach einzusteigen), seifiger
Romanze, relativ realitätsgetreuen Konzert- und
Tanzaufnahmen, wobei hierbei das Panavision-For-
mat zur vollen Geltung kommt, und Passagen, die
im Stil eines Musicals wie „Oklahoma“ oder „The
Sound of Music“choreographiert und gefilmt
wurden. Wenn auf einmal die Gäste eines Weinkellers
das Trinklied „Six Drinks“ anstimmen und zwischen
den Tischen und Bänken und Weinfässern zu tanzen
beginnen, dann hat das etwas unfreiwillig Komisches
an sich. Der überlange Film
klingt aus mit der Aneinan-
derreihung von verschiede-
nen Szenen, in denen sich
wohl die wiedergefundenene
Harmonie des Paares
spiegeln soll, einige hat man
schon vorher gesehen und
andere sind wohl zunächst
unter den Schneidetisch
gefallen und wurden später
doch noch drangeklebt. Das
sieht alles ein wenig nach
Resteverwertung aus und
spiegelt wohl auch die Ratlosigkeit von Andrew L.
Stone wieder, der danach keinen Film mehr drehte.
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: The Great Waltz / USA 1972
Aufgenommen in Panavision® Anamorphic (1:2.35) (35mm
Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Deutsche Fassung / 135 Minuten / Erstaufführungskopie
Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: 01.11.1972
Deutsche Erstaufführung: 19.04.1973
Produktion: Andrew L. Stone
Regie: Andrew L. Stone
Buch: Andrew L. Stone
Kamera: David Boulton
Musik: Johann Strauß, Johann Strauß jr., Joseph Strauß,
Jacques Offenbach
Schnitt: Ernest Walker
Darsteller: Horst Buchholz (Johann Strauß jr.), Rossano
Brazzi (Baron Tedesco), Nigel Patrick (Johann Strauß jr.),
Mary Costa (Jetty Treffs), Yvonne Mitchell (Anna Strauß)
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goyA „Als Hofmaler Karls IV. von Spanien ist Don Francis-
co de Goya Lucientes zu Ansehen und Wohlstand
gekommen. Seine Gemälde zieren die Galerien der
Schlösser. In leidenschaftlicher Liebe fühlt er sich zu
der Herzogin Alba hingezogen, und gleichzeitig haßt
er die hochnäsige Aristokratin in ihr. Er glaubt an den
König und die Kirche, genießt seine Stellung bei
Hofe. Doch er ist durch und durch Spanier und liebt
das Volk. Dieser Widerspruch bringt ihn auf den
‚argen Weg der Erkenntnis‘. Sein Mitarbeiter und
Freund Esteve führt ihn zu den wahren Patrioten des
Landes. In einer Madrider Taverne begegnet er der
Sängerin Maria Rosario, später muß er miterleben,
wie sie von der Inquisition verurteilt wird. Von dem
Lied, das Maria als Beweis ihrer Schuld vortragen
muß, ist er tief erschüttert. Je weiter er in das Leben
des Volkes eindringt, daraus Motive für seine Kunst
schöpft, desto größer wird seine innere Pein ange-
sichts der Zustände im Land. Seine Kunst wird zum
adäquaten Ausdruck der revolutionären Bewegung
des Volkes. So gerät er selbst in die Fänge der
Inquisition. Aber er schwört der Wahrheit seiner
Bilder nicht ab und wählt das Exil.“
So fasst der Filmhistoriker F. B. Habel die Handlung
des Filmepos „Goya“(1971) von Konrad Wolf in
seinem „Großen Lexikon der DEFA-Spielfilme“
zusammen, zitiert danach ein paar wohlmeinende
Kritiken und geht mit ein paar Sätzen auf die lange
Entwicklungsgeschichte des Films ein, die bei
näherem Hinsehen fast interessanter ist das fertige
Werk. Die ganze Vorgeschichte erzählen Wolfgang
Jacobsen und Rolf Aurich in ihrer Konrad Wolf-Bio-
graphie „Der Sonnensucher“ . 1963 schloß die
DEFA, die staatliche Filmproduktionsgesellschaft der
DDR, einen Vertrag über die Verfilmungsrechte des
Romans „Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis“
von Lion Feuchtwanger mit Marta Feuchtwanger, der
Witwe des Autors, ab. Das Goya-Projekt erhält am
15.Dezember 1967 das Plazet durch das ZK der
SED. Der „Goya“-Film sollte zusammen mit einer im
Anschluß geplanten Verfilmung des Romans „Henri
Quatre“ unter der Regie von Kurt Maetzig nach
außen hin demonstrieren, dass die DDR die einzige
Wahrerin der „großen humanistischen demokrati-
schen Kultur- und Kunstleistungen der Vergangen-
heit“ ist und dem angeblichen “Mißbrauch dieses
Erbes, der zunehmend auf dem kapitalistischen
Filmmarkt festzustellen ist“, entgegenwirken. Das ZK
folgte damit der Initiative des DEFA-Chefdramaturgs
Klaus Wischnewski, der in Abstimmung mit Wolf das
auf Eis gelegte Vorhaben wieder flott machte unter
Hinweis auf die Erschließung bislang für die DEFA
unterschlossene Länder und Märkte, wodurch unter
anderem verhindert werden könnte, „daß wichtige
Werke unseres literarischen Erbes … für Westmark
an schlechte westdeutsche Regisseure vergeben
werden“. Als nicht namentlich genannter Watschen-
mann mußte wohl Rolf Thiele herhalten, der gerade
zwei Thomas Mann-Verfilmungen („Tonio Kröger“ ,
„Wälsungenblut“) vorgelegt hatte, über deren Qualität
sich sehr wohl streiten läßt. Im Vorfeld hatte es
Kontakte mit allen möglichen westlichen Partnern in
Paris, München, Hamburg und Madrid gegeben, die
folgenlos blieben, weiter gediehen die Verhandlungen
mit der Firma CCC des West-Berliner Filmmoguls
Artur „Atze“ Brauner. Dessen Garantieforderungen
und Verleihansprüche sollten mit Dienstleistungen,
also Studiokapazitäten in Babelsberg, kompensiert
werden. Als sich aber herausstellte, dass Brauner
plante, einen „Nibelungen“-Film zu drehen, was er ja
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dann auch tat, zog der Leiter der Hauptverwaltung
(HV) Film seine Genehmigung zurück. Befürchtet
wurde ein eventueller Mißbrauch des „Nibelungen“-
Films von „revanchistischen“ Kräften in West-
deutschland, dem die DEFA natürlich keinen Vor-
schub leisten wollte. Danach lief alles darauf hinaus,
dass der Film nur mit Schauspielern aus der DDR
und den sozialistischen Bruderländern sowie mit
geringeren Schauwerten zu realisieren war. Unver-
drossen modelte Angel Wagenstein, der bulgarische
Romancier und Drehbuchautor.(Jahrgang 1922 und
immer noch lebend) , der der deutschen Sprache
durchaus mächtig war, den Feuchtwanger-Roman
zu einem Drehbuch um. Der SED-Funktionär und
ehemalige Leiter der HV Film Anton Ackermann, der
als Projektgutachter hinzugegezogen wurde,
bescheinigte dem Skript seine propagandistische
Nutzbarkeit, Goya erscheint ihm als „ein Künstler,
dem seine Kunst politische Waffe ist, auch wenn er
das selbst gar nicht weiß.“ Dass Konrad Wolf, der ja
Bruder des allmächtigen Geheimdienstchefs Markus
Wolf und nebenbei auch noch Präsident der Akade-
mie der Künste der DDR war, mit der Darstellung des
Ringens eines Künstlers um seine künstlerische
Freiheit keinen Anstoß erregte in den Ländern hinter
den Eisernem Vorhang verrät allein schon die
Auszeichnung mit mehreren National- und Kunstprei-
sen der DDR und mit dem Spezialpreis der Jury bei
den Moskauer Filmfestspielen. Weniger groß war die
Begeisterung bei der westlichen Filmkritik. Der Film,
der in Leningrad, Dubrovnik, Jalta, Serbien und
Bulgarien gedreht wurde, hat ein paar eindrucksvolle
Szenen und Bildfolgen, die von Goyas berühmten
Illustrationen, die „Caprichos“ und die „Desastres de
la guerra“ zitieren, aber auch einige Längen und
Schwerfälligkeiten. Streiten kann man sich auch über
die zurückhaltende Darstellung der Titelfigur durch
den Litauer Donatas Banionis, der ein Jahr später als
Kris Kelvin in Tarkowskis ungewöhnlichen Science
Fiction-Film „Solaris“ eine überzeugendere Figur
machte. Konrad Wolf selbst, war wie Jacobsen und
Aurich feststellen, enttäuscht über die lauen Reaktio-
nen auf seinen Film: „Weder in DDR selbst, ge-
schweige denn im westlichen Ausland erreicht der
Film das Publikum, erst recht nicht die ´revolutionäre‘
Wirkung, die man ihm zugetraut, besser: zugemutet
hatte.“
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Goya / DDR/UdSSR 1969/70
Aufgenommen in DEFA 70® (1:2.2) (70mm Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Deutsche Originalfassung / 136 Min. / Erstaufführungskopie von 1971
Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: Juli 1971 (Moskau)
Deutsche Erstaufführung: 16.09.1971 (DDR) / 14.09.1973 (BRD)
Regie: Konrad Wolf
Buch: Angel Wagenstein, Konrad Wolf
Buchvorlage: Lion Feuchtwanger (Roman „Goya oder Der arge
Weg der Erkenntnis“)
Kamera: Werner Bergmann, Konstantin Ryshow
Musik: Kara Karajew, Faradsh Karajew, Paco Ibáñez
Schnitt: Alexandra Borowskaja
Darsteller: Donatas Banionis (Goya), Fred Düren (Esteve), Olivera
Katarina (Herzogin Alba), Tatjana Lolowa (Königin Maria Luisa),
Rolf Hoppe (Karl IV.), Mieczyslaw Voit (Großinquisitor)
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kHArToum Kein Darsteller in der Filmgeschichte war wohl derart
spezialisiert auf überlebensgroße Rollen wie Charlton
Heston (1923-2008). Mit seinen athletisch durchgebil-
deten, 1,90 großen Körper und seinen wie gemeißelt
wirkenden Gesichtszügen verkörperte er biblische
Gestalten wie Moses in den „Zehn Geboten“(1956)
und Johannes den Täufer in „Die größte Geschichte
aller Zeiten“(1965) , einen fiktiven israelistischen
Fürsten, der irgendwie auch in die Geschichte des
Messias verwickelt ist, in „Ben Hur“ (1959) , einen
der größten Künstler aller Zeiten in „Michelangelo –
Inferno und Ektase“(1965) und den spanischen
Nationalhelden in „El Cid“(1961). Aber keine seiner
Figuren stand derart auf verlorenem Posten wie
General Charles George Gordon in „Khartoum“(1966).
Führt der Cid die christlichen Streiter noch aufrecht
als Leichnam auf dem Pferd sitzend zum Sieg über
die maurischen Truppen, so ist Pascha Gordon am
Ende des Kampfes gegen die muslimischen Heer-
scharen zwar ebenfalls tot, aber alles andere als
siegreich. Dass der Kopf Gordons auch noch auf
einer Stange aufgespießt wird, mag zwar Assoziatio-
nen an das Schicksal von Johannes den Täufer
wecken, aber der starb zumindest in der Gewißheit
einem größeren Heilsbringer, nämlich Jesus, den Weg
bereitet zu haben. Aber was ist eigentlich die Moral
von der Geschicht´ bei „Khartoum“? Für welches heh-
re Ziel soll Gordon denn nun eigentlich gestorben
sein? . Die Ratlosigkeit des Zuschauers versucht der
Film mit einem Kommentar aus dem Off aufzufangen,
der allerdings mehr Fragen aufwirft als er Antworten
gibt: „Die Armee kam zwei Tage zu spät. Zwei Tage.
Und 15 Jahre mußten die Sudanesen den Preis dafür
bezahlen. Mit Hunger und Elend. Die Engländer mit
der Schande und vielen Kriegen. Wenige Tage nach
dem Tod von Gordon starb auch der Mahdi. Die
Todesursache bleibt geheimnisvoll. Gordon wurde in
seinem geliebten Sudan zur Ruhe gebettet. Wir
wissen nicht, wie lange sein Andenken lebendig
bleiben wird. Aber eines wissen wir: Eine Welt, in der
kein Platz ist für Menschen wie Gordon, ist eine Welt,
die wieder in Staub versinken wird.“ Es waren sicher
nicht diese vor falschem Pathos triefenden Schlußzei-
len, die Drehbuchautor Robert Ardrey zu einer
Oscar-Nominierung verholfen haben, übrigens der
einzigen, die für das britische Monumentalepos unter
der Regie von Basil Dearden heraussprang. Bis dahin
bemüht sich der Film, der ganz offenkundig auf der
Erfolgswelle von „Lawrence von Arabien“ zu schwim-
men versucht, ganz redlich, wenn auch mit einigen
unvermeidlichen Freiheiten gegenüber den histori-
schen Tatsachen, das Dilemma der Kolonialmacht
Großbritannien im Sudan-Konflikt darzustellen, auch
wenn einige Kritiker bemängelten, dass die durchaus
verständliche Zurückhaltung von Premierminister
Gladstone (Ralph Richardson) hinsichtlich eines
Engagements britischen Truppen im Sudan-Konflikt
nicht gegnügend herausgearbeitet werde. So
erscheint General Charles George Gordon, der
gewissermaßen in aller Stille nach Khartoum kom-
mandiert wird, als Opfer einer politischen Ränke-
spiels. Gordon soll für die Evakuierung der Ägypter
sorgen, die bislang die Herren im Sudan waren, nun
aber durch die Heerscharen des Mahdi Muhammad
Ahmad in schwere Bedrängnis geraten sind. Der
Mahdi, der Name bedeutet „der von Gott gesandte“,
hat im Namen Allahs und seines Propheten Moham-
med bereits eine 10 000 Mann starke Armee unter
britscher Führung geschlagen und schickt sich nun
an Khartoum zu erobern und die in seinen Augen
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ungläubigen Ägypter, die es mit dem Islam nicht
genau nehmen, zu vernichten – und natürlich auch
die Briten. Das sagt der Mahdi Gordon ganz unver-
blümt ins Gesicht, als der ihn in seinem Lager
aufsucht, um die Übergabe Khartoums und die
Evakuierung der Ägypter auszuhandeln. Ausgerech-
net der englische Schauspielheros Laurence Olivier
gab diesen fanatischen Gotteskrieger - unter
besonderen Umständen, wie sie Donald Spoto in
seiner Olivier-Biografie schildert. Da Oliviers Frau
Joan Plowright gerade eine schwere Schwanger-
schaft durchlitt, wollte Olivier seine Szenen nicht wie
vorgesehen quasi an den Originalschauplätzen im
Nahen Osten drehen. „Darum nutzte der Regisseur
die Errungenschaften der modernen Kameratechnik
und filmte Oliviers Szenen in Pinewood. Olivier
verwendete noch einmal seine mühsam aufzutragen-
de dunkle Othello-Maske, vergrößerte die Form der
Augenlider und der Nase und nahm einen sorgfältig
einstudierten sudanesischen Akzent an. Olivier
zeichnete mit seinem Moslem das Bild eines furchter-
regenden, ungefilterten Fanatismus“. Das Urteil von
Spoto mochten nicht alle teilen: Oliviers Darstellung
wirkt gerade im Vergleich zu Hestons eher zurückhal-
tender, aber effektiver Mimik übertrieben theatralisch.
Der Hollywoodmime dagegen überzeugt als Soldat,
der sich unbedingt seinem militärischen Ehrenkodex
und den Menschen, die er zu beschützen hat,
verpflichtet fühlt – bis zum bitteren Ende. Wenn man
sich heute noch an General Gordon, der in Wirklich-
keit ein ziemlich kleiner Mann war, erinnert, dann
eben in der imposanten Gestalt von Charlton Heston.
Der Film, der in Ultra Panavision aufgenommen
wurde, bietet daneben noch grandiose Kampf- und
Massenszenen, imponierende Wüstenpanoramen,
einen hörenswerten Score von Frank Cordell und
einige kluge Dialogsätze. Aber im Vergleich mit
„Lawrence von Arabien“ stand er wie sein Held auf
verlorenem Posten, zumindest beim Rennen um die
Publikumsgunst.
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Khartoum / USA / Großbritannien 1965
Aufgenommen in Ultra Panavision® 70 (1:2.76) (65mm
Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.76) / 6-Kanal DTS Digitalton
Roadshow-Präsentation mit Pause
Englische Originalfassung / 134 Min. / Neue Kopie
Welturaufführung: 09.06.1966 (London)
Deutsche Erstaufführung: 22.09.1966
Produktion: Julian Blaustein
Regie: Basil Dearden
Buch: Robert Ardrey
Kamera: Edward Scaife, Harry Waxman
Musik: Frank Cordell
Schnitt: Fergus McDonell
Darsteller: Charlton Heston (General Charles Gordon),
Laurence Olivier (Mahdi), Richard Johnson (Colonel
J.D.H. Stewart), Ralph Richardson (Pemierminister
Gladstone), Alexander Knox (Sir Evelyn Baring)
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eine brAuT Für sieben brüderEs ist eine alte Geschichte – und wie bei vielen alten
Geschichten ist es nicht ganz sicher, dass sie sich
auch tatsächlich so zugetragen hat. Sagen wir mal:
Im Falle des Raubes der Sabinerinnen ist es eher
unwahrscheinlich. Nach der Gründungsmythologie
der Stadt Rom kam Romulus auf die Idee dem akuten
Frauenmangel in seiner jungen Stadt mit List und
Gewalt abzuhelfen. Die Bewohner umliegender
Siedlungen wurden zu einem friedlichen Kampfspiel
eingeladen, die arglosen Nachbarn kamen mit ihrem
familiären Anhang und erlebten ihr blaues Wunder.
Die schwerbewaffneten Römer fielen über sie her und
schnappten sich ihre unverheirateten Töchter,
darunter vor allem die Jungfrauen der Sabiner. Die
waren selbstverständlich sauer und sannen auf
Rache, die sie dann allerdings erst mit einiger
zeitlicher Verzögerung ins Werk zu setzen versucht.
Sie kamen zurück in kriegerischer Absicht, doch die
Sabinerinnen, die sich offenbar in ihre Rolle als
Römerinnen eingelebt hatten, stellten sich schützend
vor ihre Männer und die mittlerweile mit ihnen
gezeugten Kinder. Die Römer und die Sabiner
verbrüderten sich und gingen gemeinsam daran, Rom
noch größer und mächtiger zu machen. Die Ge-
schichte inspirierte das österreichische Brüderpaar
Franz und Paul von Schönthan, die die Sache
offenbar nicht ganz ernst nahmen, zur Komödie „Der
Raub der Sabinerinnen“(1879), einen Bühnenklassiker
der leichten Muse, der auch noch von Robert A.
Stemmle (1936) und Kurt Hoffmann (1954) in die
Kinos gebracht wurde, der amerikanische Schriftstel-
ler Stephen Vincent Benet machte daraus eine
Kurzgeschichte und verpflanzte die Handlung in einen
offenbar noch recht wilden Westen. Zehn Jahre nach
Benets frühen Tod diente seine Geschichte als
Vorlage für das MGM-Filmmusical „Seven Brides for
Seven Brothers“ , das im deutschen Sprachraum
komischerweise den Titel „Eine Braut für sieben
Brüder“ verpasst bekam. Unter der Regie von Stanley
Donen vereinigte diese musikalische Filmkomödie
rustikale Komik mit absoluter Künstlichkeit der
Kulissen und Dekors, die zugleich ländliche Abge-
schiedenheit und Hinterwäldlertum vorgaukelten.
Adam (Howard Keel), der erste von sieben Brüdern,
deren Vornamen in alphabetischer Reihenfolge der
Bibel entnommen sind, Benjamin, Caleb, Daniel,
Ephraim, Franziskus und Gideon, lacht sich bei einem
Ausflug ins Tal die schöne Milly (Jane Powell) an, die
ihn auch prompt heiratet. Als er sie mit auf seine
Hütte in den Bergen nimmt, stellt sie überrascht fest,
dass sich Adam in Gesellschaft von sechs Brüdern
befindet, allesamt kräftig gebaut, rothaarig, unbe-
weibt und relativ unzivilisiert. Milly geht daran den
unbehobelten Gesellen Manieren beizubringen und
auch die Anfangsgründe des Tanzens. Das Erlernte
können sie bei einem Richtfest im Dorf anwenden
und tatsächlich gelingt es den sechs unbeweibten
Brüdern sechs holde Frauen zu becircen. Doch da die
schon Verehrer haben, die die Sache mit wachsen-
dem Argwohn betrachten, artet das Richtfest bald in
eine handfeste Schlägerei aus. Die Brüder werden
aus dem Dorf geworfen. Sie ziehen sich in die Berge
zurück. Doch als der Winter kommt, ist die Sehnsucht
nach den Frauen immer noch da. Die Geschichte vom
70mm FilmFestival 2013
11
Raub der Sabinerinnen bringt sie auf die Idee, es den
Römern nachzumachen. Sie entführen die Damen
ihres Herzens. Das ist noch das Ende der Geschichte,
bei der natürlich nach weiteren Verwicklungen jeder
Topf seinen Deckel findet. In nur 48 Tagen wurde der
Film abgedreht, der von MGM als B-Picture konzipiert
war. Umso überraschender war der Erfolg beim
Publikum und bei der Kritik, fünf Oscar-Nominierun-
gen gab es und einen Oscar für die beste Filmmusik
für Saul Chaplin und Adolph Deutsch. Seltsamer
wurden die schmissigen Songs von Gene de Paul
und Johny Mercer nicht einmal mit einer Nominierung
bedacht. Einen großen Anteil am Erfolg des Films
hatten auch die unkonventionellen Choreographien
von Michael Kidd, der eine Scheune in eine veritable
Tanzbühne verwandelte, auf der auch die drei
Nichttänzer unter den Brüder-Darstellern, darunter
auch der gelernte Turner Russ Tamblyn, eine glänzen-
de Figur machten. In der „MGM Story“(1979)
konstatiert John Douglas Eames dem quietschfidelen
Breitwand-Spaß frischen Wind und Vitalität ins
erschlaffte Filmmusical-Genre gebracht zu haben,
das nicht zuletzt dank Stanley Donen in den 50er-
Jahren eine glänzende Renaissance erleben sollte.
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Seven Brides For Seven Brothers / USA 1954
Aufgenommen in CinemaScope® (1:2.55) (35mm Negativfilm)
und Breitwand (1:1.77) (35mm Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Deutsche Fassung / 104 Minuten / Erstaufführungskopie
Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: 22.07.1954
Deutsche Erstaufführung: 26.08.1955 (35mm) / 1968 (70mm)
Produktion: Jack Cummings
Regie: Stanley Donen
Buch: Albert Hackett, Frances Goodrich, Dorothy Kingsley
Buchvorlage: Stephen Vincent Benet (Erzählung “The Sobbin’ Women”)
Kamera: George J. Folsey jr.
Musik: Gene De Paul
Schnitt: Ralph E. Winters
Darsteller: Howard Keel (Adam), Jeff Richards (Benjamin), Russ Tamblyn
(Gideon), Tommy Rall (Frank), Marc Platt (Daniel), Matt Mattox (Caleb),
Jacques d’Amboise (Ephraim), Jane Powell (Milly), Julie Newmeyer
(Dorcas), Nancy Kilgas (Alice), Betty Carr (Sarah), Virginia Gibson (Liza),
Ruta Kilmonis (Ruth), Norma Dogget (Martha), Ian Wolfe (Pfarrer Elcott),
Howard Petrie (Pete Perkins)
Auszeichnungen: Oscar® 1955Beste Musik: Musical: Saul Chaplin, Adolph Deutsch
70mm FilmFestival 2013
12
du bisT min Der Dokumentarfilm in der Deutschen Demokrati-
schen Republik diente in seinen Anfängen vor allem
der Selbstvergewisserung und Legimitation des
ersten sozialistischen Staates auf deutschen Boden.
Entsprechend propagandistisch und schematisch
gerieten dann auch diese Filme , sie stellten die
vermeintlichen Vorzüge des neuen Systems heraus,
priesen die Errungenschaften der Sowjetunion und
stellten die Bundesrepublik Deutschland als Hort des
Faschismus dar. Die Filme von Annelie (1925-2012)
und Andrew Thorndike (1909-1979) bebildern das
Geschichtsverständnis des Kommunismus sowjetrus-
sischer Prägung, der mit der SED in der DDR an die
Macht gekommen, dabei griffen sie ganz überwie-
gend auf vorgefundenes Material zurück, dass sie
dann entsprechend montierten und kommentierten,
wobei Andrew Thorndike auch auf selbstgefilmtes
Material zurückgreifen konnte, seit 1949 arbeitete er
für die Wochenschau der DEFA. Thorndike, der Sohn
eines mächtigen Mannes im Konzern des national-
konservatischen Zeitungszaren Alfred Hugenberg,
hatte bereits in jungen Jahren als Werbe- und
Kulturfilmer für die UFA gearbeitet, ehe er zur
Wehrmacht eingezogen wurde. In sowjetischer
Gefangenschaft wurde er Mitglied des Nationalkomi-
tees „Freies Deutschland“, einer von der Sowjetunion
gelenkten Kaderschmiede für viele Intellektuelle, die
später in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)
und der daraus entstehenden DDR das geistige
Klima prägten. In seinem ersten Film „Der Weg nach
oben“(1950), den Thorndike noch ohne seine spätere
Dauerpartnerin Annelie drehte, wird der Gründungs-
tag der DDR, der 7. Oktober 1949, als „Der glück-
lichste Tag der deutschen Geschichte“ bezeichnet
und zugleich untermalt von der Musik aus Wagners
„Meistersingern“ suggeriert, dass die DDR-Regierung
im Grunde für alle Deutschen spreche. Dass sich
Westdeutschland noch in den Klauen der alten
Mächte aus Militär und Großindustrie befände,
suggerierte das groß angelegte Epos „Du und
mancher Kamerad“(1954-1956), bei dem er erstmals
mit seiner Frau Annelie, die er 1952 geheiratet hatte,
zusammenarbeitete. 50 Jahre deutscher Geschichte
ließen sie dabei Revue passieren, wobei sie bei der
Darstellung von Reden des Kaisers oder der Abstim-
mung über die Kriegskredite 1914 zum Mittel der
filmischen Nachstellung griffen, das mittlerweile als
reenactement im historischen Dokumentationen gang
und gäbe ist. Ein weit größerer Sündenfall ist aber,
dass sie den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt
1939 ebenso auslassen wie das Wirken Stalins,
nachdem man sich kurz zuvor noch eifrig am Perso-
nenkult um den sowjetrussischen Diktator beteiligt
hatte. „Der Publikumserfolg dieses Werkes war
außergewöhnlich und übertraf bei weitem den eines
guten Spielfilms. Es wurde in über 50 Ländern der
Erde gezeigt, nur in Westdeutschland war seine
öffentliche Aufführung verboten“, schreibt der
DDR-Filmhistoriker Horst Knietzsch in „Film – gestern
und heute“(1967). Auch die folgenden Thorndike-
Filme wurden dem Publikum in der Bundesrepublik
vorenthalten. Ob es sich überhaupt dafür interessiert
hätte, steht auf einem anderen Blatt. In den Kurzfil-
men „Urlaub auf Sylt“ (1957) und „Unternehmen
70mm FilmFestival 2013
13
Teutonenschwert“(1958) stellten die Thorndikes am
Beispiel des ehemaligen SS-Führers Reinefarth, der
Bürgermeister auf Sylt geworden war, beziehungswei-
se des Hitler-Generals Speidel, der nun für die NATO
arbeitete, das Fortwirken faschistischer und revan-
chistischer Kräfte in der BRD dar und malten das
Schreckensbild eines kommenden Krieges an die
Wand. Wilhelm Roth, dessen Artikel über den
DEFA-Dokumentarfilm im Band „Film in der
DDR“(1977) der verdienstvollen Reihe Film des
Hanser-Verlags die meisten Informationen entnom-
men sind, überzeugte die personifizierte Geschichts-
darstellung nicht: „Beide Filme spannen Netze aus
Indizien und Analogien, aber die unwiderlegbare
Konkretion bei beiden Personen gelingt ihnen nicht.“
Dagegen lobt er an dem zweiteiligen Geschichtepos
„Das russische Wunder“(1959-1963), eine verklären-
de Bilanz von sechzig Jahren russischer Geschichte,
den „geradezu sinfonischen Aufbau“. Es sei „kein
dokumentarischer, sondern ein synthetischer Film,
der in essayistischer Form eine Autorenmeinung
ausdrückt, für deren Formulierung er allerdings
dokumentarisches Material benützt.“ Das trifft wohl
auch für den Thorndike-Film „Du bist min“(1968/69)
zu, dessen plattdeutsch anmutender Titel die
Handschrift der in Pommern gebürtigen Annelie
Thorndike trägt. „Ein deutsches Tagebuch“ lautet der
Untertitel des Films, der ursprünglich wohl ein
Hommage an das ganze Deutschland sein sollte,
zumindest an seine landschaftlichen Schönheiten und
seine kulturellen Schätze. Bereits im Sommer 1966
als das Projekt noch den Arbeitstitel „Wundervolles
Deutschland“ trug, drehte der westdeutsche Kamera-
mann Gerhard Fromm im Auftrag der Thorndikes in
Hameln, im Weser Bergland, in Hamburg und in
Helgoland, dazu machte er noch Luftaufnahmen vom
Rheintal. Nur ganz wenig von diesem Filmmaterial hat
Eingang in den fertigen Film gefunden-Die Vermutung
von Fromm, dass diese Tatsache einem Politikwech-
sel geschuldet ist, liegt auf der Hand. Offenbar war
die gesamtdeutsche Perspektive für die DDR, die
nach internationaler Anerkennung als eigenständiger
Staat strebte, obsolet geworden. Die ursprünglich
beabsichtigen Titel „Germania und ihre Kinder“ bzw.
„Die Deutschen“ wurden nicht genehmigt. Auch der
fertige Film, der mit beträchtlichen Aufwand in 70mm
gedreht wurde, fiel offenbar in Ungnade. Obwohl er
bereits im Sommer 1968 fertiggestellt war, wurde er
nach mehreren Kürzungen und Veränderungen erst
ein Jahr später unter dem Titel „Du bist min – Ein
deutsches Tagebuch“ gezeigt. So berichtet es der
Filmvorführer Ingolf Vonau, der Annelie Thorndike, die
nach der Wende zurückgezogen auf der Insel
Usedom lebte, kurz vor ihrem Tod interviewte, in
seinem Artikel „Looking for DEFA 70“ (www.in70mm.
com) . Wie sehr Annelie Thorndike an ihrem Lieblings-
projekt hing, zeigte sich daran, dass sie sich hartnä-
ckig widersetzte, als „Du bist min“ auf der Berlinale in
einer 35mm-Version gezeigt werden sollte. Für sie
kam nur eine Aufführung in 70mm in Frage, in dem
Format, dessen Einsatz bei der DEFA einst Andrew
Thorndike mit seiner Überzeugungskraft und seinen
guten Verbindungen zur Staatsführung vorangetrie-
ben hatte. „Du bist min“ ist die schillerndste und auch
publikumsscheueste Hervorbringung dieses kaum
bekannten Kapitels der DEFA-Filmgeschichte.
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Du bist min / DDR 1969
Aufgenommen in DEFA 70® (1:2.20) (70mm Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Deutsche Originalfassung / 111 Minuten / Erstaufführungskopie
Welturaufführung: 05.09.1969
Deutsche Erstaufführung: 05.09.1969
Produktion: Horst Hartwig, Heinz-Joachim Lange, Alfred Grosser
Regie: Annelie Thorndike (künstler. Oberleitung), Andrew Thorndike
(künstler. Oberleitung), Michael Englberger, Hans-Joachim Funk,
Manfred Krause
Buch: Annelie Thorndike
Kamera: Ernst Oeltze, Hermann Ihde, Christian Lehmann, Siegfried
Mogel, Siegfried Oschatz, Günter Ost, Alexander Westlin
Musik: Hans-Dieter Hosalla
Schnitt: Christa Bramann
70mm FilmFestival 2013
14
im rAuscH der TieFe Der Franzose Jacques Mayol und der Italiener Enzo
Maiorca waren Dauerrivalen im Kampf um die
Weltrekorde im Tauchen ohne Sauerstoffgerät,
mittlerweile auch bekannt als Apnoe-Tauchen, wobei
Apnoe für Atemstillstand steht. Es ist der Atemstill-
stand, den die Taucher willentlich herbeiführen, um in
Tiefe des Meeres abtauchen und auch wieder heil
aufzutauchen zu können. Es ist, wie man sich leicht
vorstellen kann, ein lebensgefährliches Unterfangen,
bei dem nicht nur die Lunge, sondern der ganze
Körper einem ungeheuren Druck ausgesetzt ist.
Immer mal wieder kommt es im exklusiven Kreis der
Apnoe-Taucher zu schweren, manchmal auch
tödlichen Unfällen. Dennoch oder gerade deswegen
geht vom freien Tauchen eine ungeheure Faszination
aus, im Zeitalter der technischen Hilfsmittel und
Prothesen ist es eine besondere Herausforderung
sich ungeschützt mit kaum mehr als seinem eigenen
Körper dem übermächtigen Element zu stellen und
die absolute Grenze des eigenen Leistungsvermö-
gens auszuloten. Mit seinem Spielfilm „Im Rausch der
Tiefe“ (1988) hat der französische Filmemacher Luc
Besson unter anderem dafür gesorgt, dass Jacques
Mayol und Enzo Maiorca, die damals schon den Zenit
ihrer Karriere überschritten hatten, junge Nachfolger
gefunden haben, die Suggestivkraft, mit der Luc
Besson und sein Kameramann Carlo Varini, vor allem
in den Unterwassersequenzen den Rausch der Tiefe
vermittelt haben, hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die
Synthesizer-Musik von Eric Serra hat auch noch ihren
Teil dazu beigetragen, dass die archaisch anmutende
Sportart auf einmal ganz und gar modern erschien,
quasi als der Prototyp der danach so in Mode
kommenden Extremsportarten, daran änderte auch
der melancholische Unterton von Luc Bessons
Filmerzählung nicht, die unverkennbar, wie schon die
Vornamen der Protagonisten verraten, an die wahre
Geschichte der beiden Tauchheroen angelehnt ist,
sich allerdings gegenüber der Realität einige Freihei-
ten herausnimmt. „Die Jungen Jacques und Enzo
wachsen auf derselben kleinen griechischen Insel auf.
Beide interessieren sich für das Tauchen, doch
während die Kinder im Dorf sich bei Enzo einschmei-
cheln, ist Jacques ein Außenseiter, dessen einziger
Halt an Land sein Vater, ein Schwammtaucher ist. Als
dieser bei einem Tauchgang ums Leben kommt,
bricht für Jacques eine Welt zusammen. Er verlässt
die Insel und erst nach Jahren kreuzen sich Jacques
und Enzos Wege wieder. Jacques hat seine außerge-
wöhnlichen Tauchkünste in den Dienst der Wissen-
schaft gestellt. Enzo ist aktueller Rekordhalter im
Apnoetauchen und möchte bei der nächsten Welt-
meisterschaft in Taormina gegen seinen Jugend-
freund antreten. Jacques nimmt die Herausforderung
an und reist nach Italien, wo er unter anderm die
kecke Versicherungsagentin Johanna aus New York
wiedertrifft, die er bei einem Tauchgang in Peru
kennengelernt hatte. Das Wetttauchen vor der Küste
Siziliens wird zu einem packenden Duell der beiden
Jugendfreude. Ein späterer Weltrekordversuch in
Griechenland endet tödlich für Enzo. Von diesem
Schicksalsschlag traumatisiert, startet Jacques einen
nächtlichen Tauchgang und verschwindet in den
Tiefen des Meeres.“(wikipedia)
70mm FilmFestival 2013
15
Die Darsteller Jean-Marc Barr (Jaques) und Jean
Reno (Enzo) gingen bei den Dreharbeiten an die
Grenzen ihres körperlichen Leistungsvermögen, ein
Double bei den Tauchszenen lehnten sie ab. Für den
hünenhaften Jean Reno, der in Frankreich kein
Unbekannter mehr war, markierte dieser Auftritt den
Beginn einer späten (Reno war bereits 40), aber umso
nachhaltigeren internationalen Karriere, die wesent-
lich von Luc Besson befördert wurde, der Reno auch
noch in „Nikita“ (1990) und „Leon -Der Profi“ (1994)
groß herausbrachte. Dem eigenwilligen Jean-Marc
Barr war hingegen kein Starruhm beschieden. 1991
hat er noch einen großen Auftritt in Lars von Triers
morbider Deutschland-Fantasie „Europa“, in der
seine Figur ironischerweise den Tod durch Ertrinken
stirbt, danach folgten eher obskure Filmwerke, zum
Teil unter eigener Regie. Während Jacques Mayol als
technischer Berater das Filmprojekt unterstützte, hielt
Enzo Maiorca auf Distanz. Er sorgte sogar dafür, dass
der Film in Italien nicht aufgeführt wurde, weil Besson
seine Mutter als fette Sizilianerin darstellte, in
Wirklichkeit war sie eine noble Signora aus Florenz
(siehe www.spiegel.de/spiegel/print/d-25604156.
html) . Auch passte ihm das todestrunkene Finale
nicht, Enzo stirbt, Jaques folgt einem Delphin ins
ewige Blau. Ein solches Ende entsprach wohl eher
dem Naturell von Jacques Mayol, der sich 2001 von
Depressionen geplagt in seinem Haus auf Elba
erhängte.
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Le Grand Bleu / F 1987
Aufgenommen in CinemaScope® (1:2.35) (35mm
Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Dolby Stereo
(A) Magnetton
Deutsche Fassung / 118 Minuten / Erstaufführungskopie
Welturaufführung: 11.05.1988
Deutsche Erstaufführung: 22.09.1988
Produktion: Patrice Ledoux
Regie: Luc Besson
Buch: Luc Besson, Robert Garland, Marilyn Goldin
Kamera: Carlo Varini
Musik: Eric Serra
Schnitt: Olivier Mauffroy
Darsteller: Rosanna Arquette (Johana Cross), Jean-
Marc Barr (Jacques Mayol), Jean Reno (Enzo
Molinari), Paul Shenar (Dr. Laurence), Jean Bouise
(Onkel Louis)
70mm FilmFestival 2013
16
spArTAcus „Spartakus, ein Thraker, Führer im dritten Sklaven-
krieg, entfloh 73 vor Christus mit 70 Genossen aus
einer Gladiatorenschule in Capua. Mit vielen zugelau-
fenen Sklaven besetzte er einen Teil Süditaliens und
drang mit 60 000 Mann das Land verheerend, nach
Oberitalien vor. Crassus drängte Spartakus nach
Süditalien zurück, in der Entscheidungsschlacht in
Lukanien 71 v. Chr wurde er geschlagen und im
Kampf getötet.“ So wird in einem schmucklosen
Lexikon-Eintrag in dürren Worten das Leben und
Wirken des Sklaven, der die einzige damalige
Weltmacht Rom herausforderte, wiedergegeben.
Geschichte wird, wie man aus gutem Grunde sagt,
von den Siegern geschrieben und so sind nur wenige
Fakten über Leben und Wirken des Spartakus an die
Nachwelt gekommen, aber das wenige hat ausge-
reicht aus ihm eine legendäre Gestalt im Kampf
gegen Unterdrückung und Ausbeutung zu machen,
wie zum Beispiel die Gründung des Spartakusbundes
durch die Revolutionäre Karl Liebknecht und Rosa
Luxemburg im Jahr 1917 beweist. Fasziniert von der
historischen Figur war auch der amerikanische
Schriftsteller Howard Melvin Fast (1914-2003) , der in
seinem Roman „Spartacus“ den Sklavenführer ganz
im Sinne von Karl Marx als Prototyp eines Kommu-
nisten darstellt. Der überaus produktive Autor, der als
Sohn jüdischer Einwanderer die Schattenseiten der
amerikanischen Gesellschaft kennengelernt hatte,
bekannte sich damals zum Kommunismus sowjetrus-
sischer Prägung, was ihm eine Anhörung vor dem
Mc-Carthy-Ausschuss, drei Monate Haft und einen
Platz auf der Schwarzen Liste einbrachte. So mußte
er, der sich bereits als Bestseller-Autor etabliert hatte,
„Spartacus“ 1951 als sein eigener Verleger auf den
Markt bringen. Noch härter traf es seinen Gesin-
nungsgenossen Dalton Trumbo (1905-1976): Der
Romancier und Drehbuchautor verbrachte 11 Monate
im Knast, weil er vor dem Ausschuss für antiamerika-
nische Umtriebe die Aussage verweigert hatte.
Danach schrieb er seine Drehbücher unter Pseudony-
men und war damit äußerst erfolgreich. Sowohl für
„Roman Holiday“(1953) wie auch für „The Brave
One“(1956) gab es einen Oscar für das beste
Drehbuch bzw. die beste Story, die er nur leider, weil
70mm FilmFestival 2013
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er incognito bleiben mußte, nicht für sich entgegen-
nehmen konnte. Aus dem Dunkel, in das ihn der
antikommunistische Zeitgeist verbannt hatte, trat er
wieder heraus mit seinem Skript für die Verfilmung
des historischen Romans von Howard Fast. Den
Befreiungsschlag möglich machte nach eigener
Darstellung der Hollywoodstar Kirk Douglas, der das
Filmprojekt mitproduzierte, natürlich mit ihm in der
Titelrolle. Die Schwarze Liste hatte ihren Schrecken
verloren. Die Arbeit am Skript war ein Wettlauf mit der
Zeit, denn Douglas wußte, wie er in seiner Autobio-
grafie schreibt, dass United Artists ein ähnliches
Projekt plante und bereits die Fühler nach möglichen
Hauptdarstellern ausstreckte. Douglas gelang es mit
Trumbos Drehbuch Laurence Olivier, Charles Laugh-
ton und Peter Ustinov zu ködern und die mögliche
Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. (Seine
Vorstellung nach sollten die arroganten Römer von
Briten verkörpert werden und die Sklaven von
US-Amerikanern verkörpert werden). Nicht nach
Wunsch lief es für ihn mit der Besetzung des Regie-
stuhls. Der eigentliche Produzent Edward Lewis vom
Universal-Studio, dessen Anteil am Entstehen des
Films und damit auch an Trumbos Comeback
Douglas auch in seinem bislang letzten Buch mit dem
bezeichnenden Titel „I Am Spartacus!“ beharrlich
verschweigt, war es wohl der Anthony Mann zu dem
Job verhalf. Doch der vor allem als Westernregisseur
bekannte Mann geriet schon nach einer Drehwoche
in Spanien mit dem Star Douglas aneinander und
warf das Handtuch. Kirk Douglas selbst sorgte für
schnellen Ersatz, indem er Stanley Kubrick, den er
seit „Wege zum Ruhm“(1957) kannte und schätzte,
Filminfo:Originaltitel: Spartacus / USA 1959/60
Aufgenommen in Super Technirama®70 (1:2.35)
(35mm Negativfilm, 8-Perf horizontal)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Dolby Stereo (A) Magnetton
Englischsprachige Originalfassung / 197 Minuten / Rekonstruierte Fassung von 1991
Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: 06.10.1960
Deutsche Erstaufführung: 16.12.1960 / 1991 (Rekonstruierte Fassung)
Produktion: Edward Lewis
Regie: Stanley Kubrick
Buch: Dalton Trumbo
Buchvorlage: Howard Fast (Roman)
Kamera: Russell Metty, Clifford Stine
Musik: Alex North
Schnitt: Robert Lawrence, Robert Schulte, Fred A. Chulack
Darsteller: Kirk Douglas (Spartacus), Laurence Olivier (Marcus L. Crassus),
Jean Simmons (Varinia), Charles Laughton (Gracchus), Peter Ustinov
(Lentulus Batiatus), Tony Curtis (Antonius), John Gavin (Julius Cäsar), Nina
Foch (Helena Glabrus), Herbert Lom (Tigranes), John Ireland (Crixus), John
Dall (Glabrus), Charles McGraw (Marcellus), Joanna Barnes (Claudia
Marius), Woody Strode (Draba), John Hoyt (Caius)
Auszeichnungen: Oscar 1961 Beste Ausstattung: Farbe:
Russell A. Gausman, Alexander
Golitzen, Julia Heron, Eric Orbom
Beste Kamera: Farbe: Russell Metty
Beste Kostüme: Farbe: Bill Thomas Valles
Bester Nebendarsteller: Peter Ustinov
70mm FilmFestival 2013
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die Sache schmackhaft machte. Der war zwar vom
Skript nicht besonders angetan, brauchte aber
nachdem die Zusammenarbeit mit Marlon Brando an
dessen Lieblingsobjekt „One Eyed Jacks“(das Brando
schließlich selbst als Regisseur realisierte) krachend
gescheitert war, wieder Boden unter den Füßen im
Filmbusiness. Er hat im Nachhinein kaum ein gutes
Haar an dem Film gelassen, der doch im Endeffekt
ein großer Erfolg wurde und ihm ermöglichte in den
kommenden Jahren „echte“ Kubrick-Filme zu
drehen. Die Fortschrittsgläubigkeit, die aus dem
Skript und der Romanvorlage der beiden Altlinken
spricht dürfte ihm ebenso widerstrebt haben wie die
etwas süßliche Liebesgeschichte zwischen Spartacus
und Varinia (Jean Simmons), die mit den historischen
Fakten rein gar nichts, aber dafür viel mit den
Konventionen der Traumfabrik zu tun hat. Trotz aller
Vorbehalte gelingen Kubrick viele eindrucksvolle
Momente wie die eleganten Kranfahrten, mit denen
das zwischen sportlichem Training und mörderischem
Wettkampf changierende Geschehen in der Gladiato-
renschule eingefangen wird oder die etwa siebenmi-
nütige Schlachtenszene, in der Kubrick das Super
Technirama®70-Verfahren, das er später ebenfalls
bespöttelte, nutzt, um nicht nur die Topographie der
Schlacht, sondern auch die Verschiedenheit der
beiden Kriegsparteien optisch herauszuarbeiten:
Freie, als Individuen kenntliche Ex-Sklaven auf der
einen Seite, eine seelenlose, durchstrukturierte
Militärmaschinerie auf der anderen Seite (siehe
„Stanley Kubrick“, Reihe Film Hanser Verlag).
Berühmt-berüchtigt ist eine Szene, in der der
bisexuelle Crassus (Laurence Olivier) in einem
schlüpfrigen Dialog seinen Untergebenen Antonius
(Tony Curtis) zu verführen versucht. Diese Szene
wurde gleich nach der Uraufführung entfernt und erst
in der 1991 erschienenen restaurierten Fassung
wieder hinzugefügt. Es gäbe noch viele (Hintergrund)-
Geschichten zu erzählen und Details zu erläutern um
diesem Film, in dem eben doch einiges mehr steckt
als in den Breitwand-Epen, die noch folgen sollten,
unter anderem „El Cid“ (1961) und „Der Untergang
des römischen Reiches“ (1964), beide unter der
Regie von Anthony Mann, der dann doch noch zeigte,
dass er – entgegen der Meinung von Kirk Douglas -
sehr wohl mit historischen Sujets, großem Budget
und umfangreicher Statisterie umgehen konnte. Aber
ganz gewiß wäre mit ihm als Regisseur „Spartacus“
kein besserer Film geworden.
Autor: Dr. Peter Kohl
70mm FilmFestival 2013
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dp70: A sTory oF THe Todd-Ao projecTorWritten by: Thomas Hauerslev
The birth of the DP70 projector dates back to
October 1952 and the development of the Todd-AO
process. Michael Todd, not satisfied with technical
limitations of Cinerama, formed a company with the
purpose to develop a new wide screen process which
was named Todd-AO. For Todd-AO a new projector
was required. In September 1953 Magna Theatre
Corporation approached Philips Cinema's Chief
Designer Mr. Jan Jacob Kotte in Eindhoven, Holland,
who built the new multi purpose projector, suitable for
all 70mm and 35mm formats, in only nine months. It
was a revolutionary projector and so versatile it could
show any film format except horizontal double frame
VistaVision. Jan Kotte worked day and night with his
colleagues and even went as far as installing a
home-office with a large drawing board, which was
unheard of in 1953.
All projector mechanisms were made in Holland in a
series of one hundred at a time. Other projector parts
like spool boxes were also made in the United States
by American Optical Company. In the fall of 1954, the
first prototypes were sent to the US, and they were
installed in Todd-AO's test cinemas in Southbridge,
Buffalo and in California. The first batch of machines,
numbered 601 to 700, were sent to equip the first
40-50 cinemas for the North American premiere of
'Oklahoma!' in October 1955. Some of the first
machines were even marked „Property of the Michael
Todd Company, Inc“.
Usually there were two machines in a projection
room. A left and a right projector, but in some cases
three and four machines were needed, like at the
Rivoli, which had two projection rooms – upstairs and
downstairs, each equipped with three machines. The
DP70 was used for all Todd-AO presentations in the
years to come, and by Oscar Night, in March 1963,
there were 525 DP70 installations in 39 countries. Not
only cinemas had the DP70. Studios like 20th
Century-Fox, MGM, Warner Bros and Paramount
Pictures in Hollywood had the DP70 in their main
screening rooms. Film museums in Amsterdam, Oslo,
Stockholm, Paris, Bradford, and Hollywood also have
the DP70 installed for 70mm presentations.
70mm FilmFestival 2013
20
The DP70 was truly a remarkable 70mm projector,
and on Monday April 8, 1963 Fred Pfeiff, technical
manager of Norelco, received a Class 2 Oscar plaque
on behalf of the Philips company. Philips originally
named the new machine the EL4000/01 in their
catalogue, but it quickly became the DP70. The „DP“
is short for „Double Projector“ and the „70“ meant it
was designed specifically as a 70mm projector. In the
United States it simply became the „Todd-AO
Projector, Catalogue # 3070“. Later the name was
changed to „Universal 70/35“ and finally from 1963, it
became the „Norelco AAII“. „AA“ was short for
'Academy Award' and 'II' meant 'Version 2' because
of the many new changes and improvements. Jan
Kotte nicknamed the projector the „Dollar Princess“
because he knew Philips made a considerable
amount of money developing it for Magna Theatre
Corporation.
All through the 1960s and until recently, the DP70
was faithfully projecting movies in many prestige
cinemas all over the world. It is not known precisely
how many machines were made, but Kinoton
estimates at least 1500. When 70mm cinemas started
to close, many machines were scrapped and sold as
old iron, and there were even stories about some
Australian machines ending their life as boat anchors
in Sydney Harbour. Many machines were transferred
to other cinemas and some even went to private
collectors.
Today, when most cinemas have converted to digital
presentations, there is less need for the DP70 – or
any other film projector – and most of the machines
are now redundant, with notable exceptions such as
the Schauburg, and other 70mm venues. The DP70
was the Rolls-Royce of 70mm projectors, an outstan-
ding machine, easy to work with, gentle to film and a
beautiful piece of 1950s art, and probably the most
successful part of the Todd-AO process.
70mm FilmFestival 2013
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dp70: die gescHicHTe des Todd-Ao projekTorsDie Entstehungsgeschichte des DP70-Projektors
beginnt im Oktober 1952 mit der Entwicklung des
Todd-AO-Verfahrens. Michael Todd ärgerte sich über die
technischen Grenzen des Cinerama-Filmformats und
gründete ein eigenes Unternehmen, um ein neues
Breitwandformat zu entwickeln, das auf den Namen
Todd-AO getauft wurde. Für dieses Verfahren benötigte
man allerdings einen neuen Projektor. Im September
1953 nahm die Magna Theatre Corporation mit dem
Chefentwickelter von Philips Cinema, Herrn Jan Jacob
Kotte, in Eindhoven in den Niederlanden Kontakt auf. Er
konstruierte in nur neun Monaten den neuen Mehr-
zweck-Projektor, der für sämtliche 70mm- und 35mm-
Filmformate geeignet war. Dieser Projektor war absolut
revolutionär und so vielseitig, dass er alle Filmformate
außer Double Frame VistaVision projizieren konnte. Jan
Kotte arbeitete mit seinen Kollegen Tag und Nacht daran
und richtete sich sogar zu Hause ein Arbeitszimmer mit
einem großen Zeichenbrett ein, was 1953 noch ein
absolutes Unding war.
Die gesamte Mechanik für den Projektor wurde in
Holland in Serien von je einhundert Stück gefertigt. Die
übrigen Bauteile wie etwa die Spulenkästen wurden von
der American Optical Company ebenfalls in den USA
hergestellt. Im Herbst 1954 wurden die ersten Prototy-
pen in den USA ausgeliefert und in Todd-AO-Testkinos
in Southbridge, Buffalo sowie in Kalifornien aufgestellt.
Für die Nordamerika-Premiere von „Oklahoma!“ im
Oktober 1955 wurden die ersten 40-50 Kinos mit den
Projektoren der Seriennummer 601 bis 700 ausgerüstet.
Einige der ersten Anlagen trugen sogar noch die
Aufschrift „Eigentum der Michael Todd Company Inc.“.
Üblicherweise befanden sich in einem Vorführraum zwei
Projektoren, ein linker und ein rechter Projektor. Manch-
mal wurden jedoch auch drei oder vier Geräte benötigt,
wie beispielsweise im Rivoli, das über eine obere und
eine untere Vorführkabine verfügte, die mit jeweils drei
Projektoren ausgestattet wurden. In den darauffolgen-
den Jahren wurde der DP70-Projektor für sämtliche
Todd-AO-Vorführungen eingesetzt; bis zur Oskar-Verlei-
hung im März 1963 wurden insgesamt 525 DP70 in 39
Ländern aufgestellt. Aber nicht nur Kinos wurden mit
dem DP70-Projektor ausgestattet. Auch Filmstudios wie
20th Century-Fox, MGM, Warner Bros. und Paramount
Pictures in Hollywood verfügten über einen DP70 in
ihren Hauptvorführräumen. Und sogar Filmmuseen in
Amsterdam, Oslo, Stockholm, Paris, Bradford und
Hollywood besitzen einen DP70-Projektor für 70mm-
Filmvorführungen.
Der DP70 war ein wirklich außergewöhnlicher 70mm-
Projektor. Am Montag, dem 8. April 1963 nahm Fred
Pfeiff, technischer Leiter von Norelco, den Oscar für
Wissenschaft und Entwicklung im Namen von Philips
entgegen. Die ursprüngliche Bezeichnung des neuen
Projektors im Katalog von Philips lautete EL4000/01,
doch schon bald bürgerte sich der Name DP70 ein.
„DP“ war die Abkürzung von „Double Projector“ und die
„70“ war auf die Entwicklung speziell als 70mm-Projek-
tor zurückzuführen. In den USA wurde er einfach zum
„Todd-AO-Projektor, Katalognummer 3070“. Später
wurde die Bezeichnung in „Universal 70/35“ und
schließlich im Jahr 1963 in „Norelco AAII“ geändert.
“AA” war die Abkürzung von „Academy Award“ und „II“
stand für 'Modell 2', da man zahlreiche Änderungen und
Verbesserungen vorgenommen hatte. Jan Kotte gab
dem Projektor den Spitznamen „Dollar Princess“, weil er
wusste, dass Philips an dessen Entwicklung für die
Magna Theatre Corporation gut verdient hat.
In den gesamten 1960er Jahren und bis heute projiziert
der DP70 in vielen erstklassigen Kinos weltweit zuver-
lässig Filme auf die Leinwand. Es ist allerdings nicht
genau bekannt, wie viele Projektoren gebaut wurden;
Kinoton schätzt die Anzahl auf mindestens 1.500 Stück.
Als die ersten 70mm-Kinos geschlossen wurden,
wanderten viele von ihnen auf den Schrott und wurden
als Alteisen verkauft. Es gibt sogar Gerüchte über einige
australische Projektoren, die im Hafen von Sydney als
Schiffsanker geendet sein sollen. Viele Anlagen wurden
in andere Kinos verlegt und einige landeten sogar bei
privaten Sammlern.
Heute haben die meisten Kinos auf digitale Vorführver-
fahren umgestellt und der DP70 wird - wie auch alle
anderen Filmprojektoren - nur noch selten benötigt. In
den meisten Kinos haben sie nun ausgedient, es gibt
jedoch ein paar rühmliche Ausnahmen wie etwa die
Schauburg oder andere 70mm-Kinos. Der DP70 war der
Rolls-Royce unter den 70mm-Projektoren, ein hervorra-
gendes Gerät, einfach in der Bedienung und schonend
zur Filmrolle, ein echtes Kunstwerk der 1950er Jahre
und wahrscheinlich der erfolgreichste Teil des Todd-AO-
Verfahrens.
Autor: Thomas Hauerslev
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orpHeus in der unTerwelT „Orpheus, Musikprofessor zu Theben, ist glücklich,
als seine untreue Frau Eurydike von Pluto in die
Unterwelt entführt wird. Kann er sich doch nun in aller
Ruhe seinen eigenen Schäferstündchen hingeben.
Doch Jacques Offenbach persönlich zwingt ihn,
Euridyke von den Göttern zurückzufordern, da er
sonst auf seine Liebesgespielinnen verzichten muß.
Gemeinsam begeben sie sich zum Olymp, wo sie
eine desolate Göttergesellschaft vorfinden. Pluto, der
zufällig erscheint, leugnet die Entführung und lädt alle
in die Unterwelt ein. Die versteckte und von Höllen-
hund Styx, einst Prinz von Arkadien, bewachte
Eurydike langweilt sich. In Gestalt einer Fliege dringt
Göttervater Jupiter zu ihr vor und befreit sie. Orpheus
hat sie wieder, was ihm gar nicht recht ist. Zu seinem
Glück Pluto auch nicht. Der kann Eurydikes Rückkehr
im letzten Moment noch verhindern.“ Wie sich allein
schon aus der Inhaltsangabe dieser Operetten-Adap-
tation im „Großen Lexikon der DEFA-Spielfilme“
ersehen läßt, kommt dieser DEFA-Film ganz ohne
politische Untertöne aus. Nichts als vergnügliche
Unterhaltung hatte der Regisseur Horst Bonnet
(1931-2006) bei der Filmversion der Operette im Sinn,
die er schon zuvor mit großen Erfolg auf mehrere
Theaterbühnen der DDR gebracht hatte. Auch von
der Filmversion zeigte sich die zeitgenössische
Filmkritik recht angetan, wie ein Artikel im „Eulenspie-
gel“ (13/1974) beweist: „Was Offenbach zum perfek-
ten Musikfilmmacher fehlte, fügten Bonnet und sein
erstklassiges Team hinzu: herrliche Farben (…),
zeitbezogene, zum Teil kabarettistische Dialoge,
sparsame Kostüme, prunkvolle Dekorationen und
moderne musikalische Arrangements. Es ist, als solle
jahrelange Unfähigkeit beziehungsweise Abstinenz
bei der Musikfilmproduktion mit einem Schlage
vergessen gemacht werden. Waren wir je prüde?
Bonnets bombastische Busenschau beweist das
Gegenteil“, stellte die Filmkritikerin und Kabarettistin
Renate Holland-Moritz amüsiert fest. Der besondere
Kunstgriff von Horst Bonnet besteht darin, Jacques
Offenbach persönlich aufzutreten zu lassen, er nimmt
die Rolle der „Öffentlichen Meinung“ ein. Mit Gerry
Wolff (1920 – 2005) stand ihm dabei ein Mime zur
Verfügung, der auch der Sangeskunst mächtig war.
Wolff, einer der gefragtesten Nebendarsteller der
DEFA, hatte sich auch als Chanson-Interpret in der
DDR einen Namen gemacht. Nach der Wende trat er
vor allem in populären Fernsehserien immer wieder in
Erscheinung, wenn auch nie in der Hauptrolle.
Nahezu bruchlos konnte der Charakterdarsteller Rolf
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Hoppe nach der Wende seine Karriere fortsetzen, Sin-
gen gehört allerdings nicht in sein Repertoire. So
mußte er sich als Jupiter die Gesangstimme des
Opernsängers Siegfried Vogel leihen. Die Koloratur-
sopranistin Ingrid Czerny vom Ensemble der Komi-
schen Oper Berlin lieh ihre Stimme der Eurydike-
Darstellerin Dorit Gäbler, Orpheus-Darsteller
Wolfgang Greese wird gesanglich vom Tenor Horst
Hiestermann gedoubelt. Filmisch ist Regisseur Horst
Bonnet nach seinem zweiten Kinofilm nicht mehr in
Erscheinung getreten, er war eben mehr ein Mann der
Bühne als des Filmstudios, auch sein Filmdebüt, der
Kurzfilm „Salon Pitzelberger“(1964) war bezeichnen-
derweise die Adaptation eines Einakters von Jacques
Offenbach. Zwischen seinen beiden Beiträgen zur
DEFA-Filmgeschichte war Horst Bonnet 11 Monate in
Haft, weil er aus seiner Sympathie für den Prager
Frühling und seinem Unmut über dessen brutale
Niederschlagung keinen Hehl machte. Wer will mag in
seine Operettenbearbeitung wegen der Darstellung
der Launen der Götter so etwas wie eine satirische
Spitze gegen die sich ebenfalls allmächtig gebärden-
den SED-Oberen herauslesen, Bonnet selbst aber
dürfte es fern gelegen haben, sich noch einmal in die
Nesseln zu setzen. Die Filmoperette, die 1974 in die
Kinos kam, war der letzte DEFA-Film, der im 70mm-
Verfahren gedreht wurde, das vor allem in den
Tanzszenen in ganzer Pracht und Breite zur Geltung
kommt. „Beim Can.Can wurde die 70mm-Kamera
wirklich ‚entfesselt‘, die Zuschauer gerieten in einen
Sog aus Musik und Bewegung“, notiert der DEFA-
Filmexperte Ralf Schenk rückblickend und lobt in
seinem Artikel für den film-dienst (19/1997) neben der
eleganten Kameraarbeit von Otto Hanisch auch noch
die farbenprächtigen Dekorationen nach Entwürfen
von Alfred Hirschmeier. „Orpheus in der Unterwelt“
ist so etwas wie ein Schwanengesang einer kaum
noch bekannten Episode in der Geschichte der DEFA,
die mit dem großen Filmformat wohl auch die engen
Grenzen ihres Wirkungskreises überwinden wollte. Es
ist, wenn man so will, ein beschwingter Schwanen-
gesang in Dur, der auch heute noch Laune macht.
Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Orpheus in der Unterwelt / DDR 1974
Aufgenommen in DEFA 70® (1:2.20) (70mm Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Deutsche Originalfassung / 88 Minuten / Erstaufführungskopie
Welturaufführung: 07.02.1974
Deutsche Erstaufführung: 07.02.1974
Produktion: Helmut Klein
Regie: Horst Bonnet
Buch: Horst Bonnet
Buchvorlage: Héctor Crémieux (gleichnamige Operette),
Jacques Offenbach (gleichnamige Operette)
Kamera: Otto Hanisch
Musik: Jacques Offenbach
Schnitt: Thea Richter
Darsteller: Wolfgang Greese (Orpheus), Dorit Gäbler
(Eurydike), Rolf Hoppe (Jupiter), Lisa Macheiner (Juno),
Fred Düren (Styx), Achim Wichert (Pluto)
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TscHiTTy TscHiTTy bÄng bÄngNachdem Gert Fröbe bereits mit den Produzenten
Harry Saltzmann und Albert Broccoli zusammengear-
beitet hatte (er war der bislang beste Bond-Böse-
wicht Auric Goldfinger und der Einzige, der dem Film
seinen Namen gab!) lag es nah, dass man ihn für den
Baron Bomburst in Chitty wieder fragen würde. Kurz
nach Vertragunterzeichnung bei der Royal Premiere
von DIE TOLLKÜHNEN MÄNNER IN IHREN FLIE-
GENDEN KISTEN wurde er von der Queen gefragt,
was er als nächstes spielen würde. Fröbe antwortete:
„Einen Baron“. Darauf die Queen: „Einen guten oder
einen bösen?“ Fröbe: „Einen deutschen!“ Pause.
Dann ein nachdenklich gehauchtes „Aha!“. Vielleicht
dachte sie an die enge Verwandtschaft der Königli-
chen Familie mit deutschen Adelshäusern?*
So hatte der ehemalige Zwickauer Theatermaler in
den 60er Jahren eine steile Karriere im internationa-
len Film. Sein Baron Bomburst, der ständig versucht,
sich seiner Frau zu entledigen und die Kinder aus
seinem Reich in den Untergrund verbannt, ist einer
der Höhepunkte des Films.
Sein Handlanger, der Kinderfänger, ist dagegen
wirklich böse und ein äußerst unangenehmer und
düsterer Charakter, perfekt gespielt von Sir Robert
Helpman. Er spielte in den Filmen von Powell &
Pressburger DIE ROTEN SCHUHE und HOFFMANNS
ERZÄHLUNGEN und war der böse Prinz Tuan in
Nicolas Rays 55 TAGE IN PEKING. „Sir Bobby“ war
Theater- und Filmschauspieler, Choreograf, Tänzer
und Regisseur. Er lebte seine Homosexualität schon
in der 40er Jahren ungewöhnlich offen.
Ein Ausnahmeschauspieler, der in CHITTY den
Kindern wirklich Angst einjagt!
In weiteren wichtigen Nebenrollen sind zu sehen: Der
britische Komiker Benny Hill (mit deutschem Akzent),
Lionel Jeffries, überdreht wie immer als Opa Potts.
Desmond Llewelyn, „M“ aus den Bond-Filmen ist
dabei, ebenso James Robertson Justice, der
Gelegenheitsschauspieler mit dem bewegten Leben:
Er promovierte in Bonn, kämpfte als überzeugter
Sozialist im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco
und hatte seinen Einstand als Schauspieler in einem
Stück von Peter Ustinov, mit dem ihn eine lebenslan-
ge Freundschaft verband. Barbara Windsor, die
berühmt-berüchtigte Blondine aus den „Carry-On“-
Filmen (Vorbild für den Typ Ingrid Steeger in Klimbim)
spielt die Freundin des armes Mannes, der Carata-
cus Haarschneidemaschine ausprobiert. Und eines
der Kinder, die im Untergrund leben, ist Phil Collins.
Genau hinsehen!
Die Hauptrollen sind besetzt mit dem Star aus dem
Welterfolg MARY POPPINS, Dick van Dyke, der hier
seinen kuriosen Cockney-Akzent etwas verbessert
hat. Er ist ein symphatischer Caractacus Potts mit
eigenständigen Charakterzügen und kein Abklatsch
von Bert, dem Schornsteinfeger (Seine Erfindungen
sind herrlich skurill und bizarr, sie wurden geschaffen
von Rowland Emett).
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Leider ist die Heroine Sally Ann Howes keine Julie
Andrews, ihr fehlt jegliche Ausstrahlung und sie ist
einer der Schwachpunkte des Films.
Das Drehbuch, nach der Romanvorlage von Bond-
Autor Ian Fleming, stammt von Roald Dahl.
Er schrieb die Drehbücher zu MAN LEBT NUR
ZWEIMAL, DAS HAUS DER SCHATTEN und der
Erstverfilmung von CHARLIE UND DIE SCHOKOLA-
DENFABRIK. Von ihm stammen die, ebenfalls
verfilmten, Kinderbücher JAMES UND DER RIESEN-
PFIRSICH, HEXEN HEXEN, MATILDA und DER
PHANTASTISCHE MR. FOX.
Ken Adam, der die meisten Bond-Film-Dekorationen
gestaltete, konnte sich in CHITTY austoben: Bemer-
kenswert die Bonbonfabrik von Lord Scrumptious
(übersetzt sowohl fabelhaft als auch knusprig!) und
der Ballraum in Vulgarien, in dem die überalterte High
Society nach einem gemächlichen Walzer tanzt, ist,
zusammen mit den herrlichen Kostümen von Joan
Bridge und Elizabeth Haffenden („Ben-Hur“), eine
wunderbare Mischung aus Fellini und „Tanz der
Vampire“!
Doch der wahre Star des Films ist natürlich Chitty:
Ein herrlicher, für den Film gebauter Oldtimer, der
noch heute existiert : 2012 wechselte dieses Original
den Besitzer- für stolze 850.000 Dollar!
Gekauft hat ihn „Herr der Ringe“-Regisseur Peter
Jackson! Vielleicht fliegen die Hobbits im dritten Teil
damit nach Mittelerde…
Wie bereits im Film ist der Wagen zugelassen auf
GEN11.
GEN11 steht so schon im Buch von Ian Fleming: Gen
steht für das lateinische Genii (mystische Schutz-
geister, ähnlich dem arabischen Dschinn). Chitty hat
einen Ford 3000 V6 Motor und Jackson freut sich auf
seine erste Ausfahrt: „Chitty kann fliegen, sie konnte
es und sie wird es wieder!“ (Aus dem englischen
Originaltext ergibt sich, dass Chitty weiblich ist. „She
can fly!“)
Es gab insgesamt 5 Chittys für den Film, entworfen
von Ken Adam und Rowland Emett, einmal das
Original, dann eine etwas kleinere beweglichere
Version und drei Modelle. Später gab es noch
lizensierte Nachbauten (GEN22) von Fans, einer
davon wechselte gerade in England den Besitzer für
500.000 Pfund!
Für die Bühnenfassung wurde dann erneut ein Chitty
gebaut: Mit Kosten von 750.000 britischen Pfund das
bisher teuerste Bühnenrequisit aller Zeiten!
Filminfo:Originaltitel: Chitty Chitty Bang Bang / GB 1968
Aufgenommen in Super Panavision® 70 (1:2.20) (65mm Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Englischsprachige Originalfassung / 144 Minuten / Erstaufführungskopie
Roadshow-Präsentation mit Pause
Welturaufführung: 16.12.1968
Deutsche Erstaufführung: 14.03.1969
Produktion: Albert R. Broccoli
Regie: Ken Hughes
Buch: Roald Dahl, Ken Hughes
Buchvorlage: Ian Fleming (Roman)
Kamera: Christopher Challis
Musik: Richard M. Sherman, Robert B. Sherman
Schnitt: John Shirley
Darsteller: Dick van Dyke (Caractacus Potts), Sally Ann Howes (Truly
Scrumptious), Lionel Jeffries (Großvater Potts), Gert Fröbe (Baron
Bomburst), Robert Helpmann , Barbara Windsor (Blondine), Benny Hill
(Toymaker), James Robertson Justice (Lord Scrumptious), Anna Quayle
(Baronin Bomburst), Heather Ripley (Jemina), Adrian Hall (Jeremy),
Davy Kaye (Admiral), Alexander Doré (erster Spion), Bernard Spear
(zweiter Spion), Stanley Unwin , Peter Arne , Desmond Llewelyn ,
Victor Maddern
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Die Außenaufnahmen in 70mm Super Panavision
fanden in Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl und
auf Schloß Neuschwanstein statt, an der Kamera
stand der 70mm-erprobte Christopher Challis (DIE
TOLLKÜHNEN MÄNNER). In den Pinewood-Studios
wurden die Innenaufnahmen gedreht.
Die Kritik reagierte verhalten bis vernichtend.
Beispiele: „Diese zweieinhalb Stunden überzuckerter
Schrulligkeiten dürften selbst dem Unempfindlichs-
ten den Magen umdrehen.“ Schrieb das Monthly Film
Bulletin.
Oder: „Ein weiterer musikalischer Rohrkrepierer im
Gefolge von ‚The Sound of Music‘ und ‚Mary
Poppins‘.“ Befanden Ronald M. Hahn, Volker
Jansen, Norbert Stresau: Lexikon des Fantasy-Films.
Heute urteilt man da schon etwas differenzierter:
„Dieses überlange und unerhört teure Märchen-Musi-
cal teilte zusammen mit dem zwei Jahre zuvor
entstandenen „Doctor Doolittle“ [sic!] das Schicksal,
an den Kinokassen einen fürchterlichen Reinfall zu
erleben, was aus heutiger Sicht eigentlich nicht ganz
verständlich ist, denn Tschitti Tschitti Bang Bang ist
eine in jeder Hinsicht amüsante und liebevoll
gestaltete Fantasy-Geschichte voller skurriler Einfälle
und perfekter Trickaufnahmen. (...) bonbonfarbenes
Musical, das außer dem titelgebenden Song Chitty
Chitty Bang Bang nur wenige schmissige Melodien
enthält (...).“ - -jg- in: Das große TV Spielfilm Filmlexi-
kon. Digitale-Bibliothek- Sonderband (CD-ROM-
Ausgabe)
Nicht nur das DOCTOR DOLITTLE mal wieder falsch
geschrieben ist- die Beurteilung der Musik kann ich
nicht nachvollziehen. Womit wir bei der wichtigsten
Komponente des Films angelangt wären:
+THE BOYS
Die Sherman-Brothers
Robert Bernard Sherman (*19.12.1925 in New York
City, +5.3.2012 in London) und dessen Bruder
Richard Morton Sherman (*12.6.1928 in New York
City). Ihr Vater, Al Sherman, war ebenfalls ein
bekannter Songschreiber von Tin Pan Alley und
stammte, wie George Gershwin und Aaron Copland,
von russisch-jüdischen Emigranten ab. (Gewisse
Elemente der russisch-jüdischen Folklore finden sich
in ihren Songs, wie z.B. „Feed The Birds“ (dem
Lieblingslied von Disney, welches auch auf dessen
Beerdigung gespielt wurde) oder
„Chim,Chim,Cheree“- einem positiven, lebensbeja-
henden Lied in Moll!).
Seit 1961 arbeiteten die Beiden („The Boys“) für Walt
Disney, ihr erster Filmsong war „THE PARENT
TRAP“, gefolgt von „WINNIE POOH“ , „MERLIN UND
MIM“ und ihrem ersten, durchschlagenden Erfolg,
der mit 2 Oscars ausgezeichnet wurde: MARY
POPPINS. Lieder wie „Chim,Chim,Cheree“, „A
Spoonful Of Sugar“ oder „Feed The Birds“ wurden zu
Evergreens, ganz zu schweigen von „Supercalifragili-
sticexpialidocious“. 2004 wurde aus dem Filmmusi-
cal dann auch ein Bühnenmusical, zunächst in
London, dann am Broadway, wieder mit durchschla-
gendem Erfolg!
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Auch legendär ihre Songs im DSCHUNGELBUCH,
u.a.: „Trust In Me“, „I Wanna Be Like You“, „Colonel
Hathi´s Parade“.
Der 3 Jahre ältere Robert meldete sich mit 17 Jahren
freiwillig zur Armee weil er „Deutsche töten“ wollte.
Von seinen Kriegserlebnissen (ein zerschossenes
Knie, die Befreiung von Dachau und der Anblick des
Grauens, Zerstörung und Tod) hat er sich nie befreien
können. Er war der Ruhigere der beiden Brüder, der
Introvertierte. Er arbeitete ständig an seinem großen
amerikanischen Roman, der vor einigen Jahren doch
noch einen Verleger fand: MOOSE. Er widmete sich
der Malerei, hatte zahlreiche Ausstellungen. Dass die
teils melancholische Musik zu „Zuckermanns Farm“
(Charlotte´s Web) zu seiner Liebsten gehört, wundert
da nicht.
Richard war der Optimist und Lebenskünstler- Ro-
bert sparsam und knauserig, Richard gab es mit
vollen Händen aus. Er war der Extrovertierte, der
Showman. In allen Features ist er der, der redet und
mit Inbrunst (meist falsch) singt. Er komponierte auch
die Songs, in frühen Jahren mit anderen Partnern.
Mit seinem Bruder hatte er selten Kontakt, die beiden
waren in den letzten Jahrzehnten zerstritten, ohne
genau zu wissen, warum. Die Familien litten darunter
und die jeweiligen Söhne versuchten des Öfteren,
diesen Zustand zu ändern- mit unterschiedlichem
Erfolg. So fröhlich wie ihre Lieder, die den Menschen
so viel Freude bringen sollten, war das wirkliche
Leben der Sherman-Brothers, wie so oft, nicht.
Vor CHITTY hatten sich die Beiden von den Disney-
Studios getrennt. Obwohl sie später noch für das
Studio arbeiteten („Bedknobs & Broomsticks“) war
es für sie- nach dem Tod von Walt Disney- nie wieder
so wie vorher. Zumal neue Teams, die mehr dem
„Zeitgeist“ huldigten, ihnen ihre Position als Erfolgs-
duo streitig machten.
Da kam das Angebot von Albert Broccoli genau zur
rechten Zeit: CHITTY CHITTY BANG BANG war nach
Roberts Geschmack und Richard wurde überredet.
Mit frischem Elan und voller Kreativität ging´s ans
Werk: Mit dabei der musikalische Leiter von MARY
POPPINS, Irwin Kostal.
Das Titellied ist ein Ohrwurm, den man so schnell
nicht wieder los wird. Daneben gibt es noch wunder-
bare und unvergessliche weitere Titel wie „Hushabye
Mountain“, „Doll On A Music Box“ oder „The Roses
Of Success“. Für „Me Ol´ Bamboo“ wurden so viele
Xylophone verwendet, dass in ganz London kein
Xylophon-Spieler mit Instrument mehr aufzutreiben
war.
Nach MARY POPPINS dürfte CHITTY das erfolg-
reichste Filmmusical der Brüder sein- viele Songs der
beiden Shows gehören in angelsächsischen Ländern
inzwischen zum nationalen Liedgut- ohne das
jemand die Autoren kennt. Ein weitaus bekannterer
Andrew Lloyd Webber dürfte weitaus weniger dazu
beigetragen haben…
Der Erfolg des Films und seiner Musik führte 2002 zu
einer Neuauflage im Londoner Westend: CHITTY
kam ins Theater, mit neuen Songs, natürlich von den
Boys. Nach 3 ½ Jahren wurde die Show abgesetzt:
Rekord: Sie lief am längsten und nahm 70 Millionen
Pfund ein!
Richard starb am 6. März 2012. Robert ist weiterhin
aktiv, er war einer der Songwriter bei LITTLE NEMO,
2011 erneut beteiligt an WINNIE THE POOH. Es geht
also weiter mit den „Roses Of Success“!
Autor: Udo Heimansberg
+Film: THE BOYS
May 22, 2009, The Boys: the Sherman Brothers’
Story, a critically acclaimed documentary film about
the pair. The film was directed and produced by their
sons, Gregory V. Sherman and Jeff Sherman, and
distributed by Walt Disney Pictures.
*Gert Fröbe: “Auf eine Neues, sagte er…” Albrecht
Knaus Verlag, 1988 ISBN 3-8135-0701-7
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unHeimlicHe begegnung der driTTen ArT In den allermeisten Science-Fiction-Filmen, in denen
eine fremde Macht aus dem All auf Menschen oder
gleich auf die ganze Menschheit trifft, hat diese
Begegnung wenig erfreuliche Folgen. In der Regel
haben die Aliens nichts als Zerstörung und die
Machtübernahme auf unserem Planeten im Sinn. Auf
dem Höhepunkt des Kalten Krieges entstanden
zahlreiche Filme, in denen die Außerirdischen als
Projektionsfläche der antikommunistischen Hysterie
erschienen, als unamerikanische Elemente, die
gnadenlos zu bekämpfen sind. Auch nach dem Ende
des Kalten Krieges hat sich dieses Strickmuster nicht
wesentlich verändert, was gewiß auch daran liegt,
dass sich aus dem Konflikt Gut gegen Böse, Irdisch
gegen Außerirdisch leicht dramaturgisches Kapital
schlagen läßt. Nicht zuletzt liefern die unwillkomme-
nen Besucher aus dem All einen willkommenen
Vorwand für die Zerstörungsorgien, die im Zeitalter
der CGI-Effekte bis aufs Äußerste ausgereizt werden.
„Close Encounters Of The Third Kind“(„Unheimliche
Begegnung der dritten Art“ ) , der dritte Kinofilm von
Steven Spielberg, der im November 1977 in die
US-Kinos und sechs Monate später in die deutschen
Kinos kam, war ganz anders und ist trotz des großen
Publikumserfolg ein Unikum geblieben, ein Science-
Fiction-film, in dem die Kontaktaufnahme mit einer
außerirdischen Macht als Glücksfall für die Mensch-
heit dargestellt wird. Bis das aber klar ist, vergehen
viele spannende Kinominuten, in denen weder die
handelnden Personen noch der Zuschauer so recht
wissen, was da gespielt wird. Es geschehen Zeichen
und Wunder:
„Unheimliche Ereignisse häufen sich: In der Einöde
von Mexiko tauchen mehrere Kriegsbomber wieder
auf, die seit dem Zweiten Weltkrieg als vermisst
galten. Im Luftkontrollzentrum von Indianapolis wird
ein unbekanntes Flugobjekt gesichtet (jedoch keine
offizielle Meldung erstattet). Mitten in der Wüste Gobi
liegt plötzlich das Wrack eines vormals gesunkenen
Ozeandampfers. Eine buddhistische Menge in Indien
singt eine Melodie, die sie vom Himmel empfangen
haben will. Über all das gerät die zuständige militäri-
sche Forschungseinheit unter Leitung des französi-
schen Wissenschaftlers Lacombe in begreifliche
Unruhe. (…) Doch auch Privatpersonen sind betrof-
fen. Harry, ein kleiner Junge, wacht auf. Alle elektri-
schen Spielsachen in seinem Zimmer sind in Bewe-
gung. Die Mutter sieht ihn schließlich in einem
Waldstück verschwinden, er gluckst vor Lachen. Als
der Mechaniker Roy Neary wegen eines Stromaus-
falls zu einem nächtlichen Einsatz gerufen wird,
überholt ihn auf der Landstraße ein Ufo. Anschlie-
ßend geht ihm eine vage Vision nicht mehr aus dem
Kopf. Immer wieder versucht er, das unterbewusste
Bild greifbar zu machen“. (Filmgenres: Science
Fiction, Reclam).
Richard Dreyfuß, der in Spielbergs äußerst erfolgrei-
chem Vorgängerfilm „Der weiße Hai“ (1975) den
Meeresbiologen Hooper spielte, der als einziger eine
klare Vorstellung von der Gefahr hat, die vom weißen
Hai ausgeht, gibt diesmal einen amerikanischen
Durchschnittsbürger, der in den Bann einer Sache
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gerät, die seine Vorstellungskraft, aber auch die
seiner Mitbürger übersteigt. So erscheint er, der die
surreale Begegnung mit einem Ufo mit Rasierschaum
und Kartoffelpüree nachzuzeichnen versucht und
schließlich ein Modell des Raumschiffs aus Erde
formt, den Mitmenschen, auch der eigenen Familie,
als Verrückter, der aber nicht allein bleibt. Um ihn
herum scharen sich Gleichgesinnte, darunter Harrys
Mutter Jilian, denen es schließlich vergönnt ist, das
Wunderbare mit eigenen Augen zu schauen: Die
Kontaktaufnahme der Außerirdischen, deren heller-
leuchtetes Raumschiff auf einem Tafelberg in
Wyoming steht, mit den Menschen. Lacombe genießt
das Privileg der Kommission vorzustehen, die das
Raumschiff betreten darf. Die Besetzung dieser Rolle
mit dem französischen Meisterregisseur Francois
Truffaut ist eine Hommage des Hollywood-Wunder-
kindes Spielberg an die französische Nouvelle Vague
und den europäischen Autorenfilm überhaupt und
eine wohl ganz bewußt applizierte Kränkung der
US-amerikanischen Allmachtsgefühle. Normalerweise
ist eine solche Begegnung den Bürgern der USA
vorbehalten. . „Häufige Schauplatzwechsel und eine
babylonische Sprachenvielfalt der Augenzeugen (..)
weisen auf die Globalität des Geschehens hin“, stellt
Wolfgang Stuflesser in seinem bereits oben zitierten
Artikel fest. Auch mag er in seiner Einschätzung recht
haben, dass Truffaut den jungen US-Kollegen
durchaus als Autorenfilmer anderen Typus zu
schätzen wußte, der eben seine Visionen mit etwas
mehr Aufwand und einem größeren Stab als er in
Szene setzte. Tatsächlich stand Spielberg die für
damaligen Verhältnisse ungeheure Summe von 19
Millionen Dollar zur Verfügung. Wesentlichen Anteil an
der Realisierung des Films hatten der Kameramann
Vilmos Zsigmond, der für seinen nahezu perfekten
Gebrauch des 65-Millimeter-Films im Todd-AO-Breit-
format einen Oscar erhielt, und Special-Effects-Ikone
Douglas Turnbull, der die Präsenz einer Macht, die
nicht von dieser Welt ist, mit dinglichen Materialien
wie Holz, Glas, Eisen, mit Miniaturmodellen und vor
allem mit viel Licht beschwor. Nicht zu vergessen, die
Musik von John Williams, der mit Sphärenklängen die
Außerirdischen, die visuell kaum und dann nur
schemenhaft vage in Erscheinung treten, gewisser-
maßen akustisch sichtbar macht und einiges zur
geradezu sakralen Anmutung des Films beiträgt, die
Spielberg in einer drei Jahre später veröffentlichen
Neubearbeitung durch das Hinzufügen von Bildern
des wie eine Kathedrale wirkenden Mutterschiffs
noch verstärkt. Noch einmal, wenn auch auf einer
etwas anderen, kindlicheren Ebene warb Spielberg
mit „E.T.“(1982) für einen freundlichen Umgang mit
extraterrestrischen Wesen, ohne nachhaltigen Erfolg,
was deren Film-Image angeht. Das Feindbild Alien
setzte sich wieder durch, wie nicht zuletzt Roland
Emmerich, das Spielbergle aus Sindelfingen, mit
seinem Blockbuster „Independence Day“ (1996)
beweist. Die New Age-Anhänger, die sich auf
Hochhausdächern versammeln, um die Außerirdi-
schen freudig zu empfangen, werden von diesen
gnadenlos ausradiert. Autor: Dr. Peter Kohl
Filminfo:Originaltitel: Close Encounters Of The Third Kind / USA 1977
Aufgenommen in Panavision® Anamorphic (1:2.35) (35mm Negativfilm)
und Super Panavision® 70 (1:2.20) (65mm Negativfilm)
Präsentiert in 70mm (1:2.20) / 6-Kanal Stereo Magnetton
Deutsche Fassung / 134 Minuten / Erstaufführungskopie
Welturaufführung: 15.11.1977
Deutsche Erstaufführung: 06.03.1978
Produktion: Julia Phillips, Michael Phillips
Regie: Steven Spielberg
Buch: Steven Spielberg
Kamera: Vilmos Zsigmond, Douglas Slocombe, William A. Fraker, John
A. Alonzo, Laszlo Kovacs
Musik: John Williams
Schnitt: Michael Kahn
Darsteller: Richard Dreyfuss (Roy Neary), François Truffaut (Claude
Lacombe), Teri Garr (Ronnie Neary), Melinda Dillon (Jillian Guiler), Bob
Balaban (David Laughlin), Lance Henriksen (Robert), Cary Guffey (Barry
Guiler), Warren Kemmerling (Wild Bill), Adrienne Campbell (Sylvia
Neary), Justin Dreyfuss (Toby Neary)
Auszeichnungen: Oscar 1978 Beste Kamera: Vilmos Zsigmond
Ehren-”Oscar”: Frank E. Warner
70mm FilmFestival 2013
30
Georg Fricker ✝
Jürgen BrücknerChris ChouinardTorsten FrehseGerhard FrommWolfgang GroßWolfram HannemannThomas HauerslevUdo HeimansbergChristine KummerCordula LauGunter OehmeDr. Ralf SchenkClemens SchererGalina ShaveikaDr. Peter KohlPavel TomešekNick VarleyIngolf Vonau
Team Projektion:Vincent Koch & Marcus Vetter
Many thanks to:
70mm FilmFestival 2013
31
Vielen Dank an unsere Sponsoren, ohne deren Unterstützung dieses Festival nicht möglich gewesen wäre:
Mit freundlicher Unterstützung der
3. – 5. Oktober 2014
70mm-FilmfestivalTodd-Ao
www.70mm-festival.de
10 jahrevorschau:
in der Schauburg
3. – 5. Oktober 20143. – 5. Oktober 2014
SAVE THE DATE!