Dr. med. Martin SchaperJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt
Abdominelle Beschwerden als Beratungsanlass in der Hausarztpraxis
- eine praxisorientierte Übersicht -
Dr. med. Martin Schaper
Was Sie heute erwartet:
� Die typischen Bilder abdomineller Beschwerden und
deren Präsentation in der Praxis
� Wie kommt man zur Diagnose?
� Einen Eindruck über das systematische Denken desklinisch tätigen Arztes
Dr. med. Martin Schaper
Fragen Sie Ihren Patienten!
Ein paar wichtige Regeln
� 80% der Diagnose durch eine gute Anamnese: � Fragen nach Art, Dauer, Lokalisation und Ausbreitung, Begleiterscheinungen (Stuhlverhalten / Nausea Miktion / Fieber etc.)
� Denken Sie „in die Breite“
� Symptomorientierte Untersuchung!
� Wesentliches herausarbeiten
� Anamnese und Befund im Einklang?
Dr. med. Martin Schaper
Aufgaben für den Allgemeinmediziner
� Abwenden gefährlicher Verläufe
� Interpretation klinischer Zeichen ohne eine greifbare Diagnose zu haben
� Abwartendes Offenhalten (Führen eines Patienten bei unklaren Beschwerden)
� Erkennen der richtigen Richtung, in die man Patienten führt
� Einschätzung des Patienten durch dauerhafte Betreuung
� Einbeziehen multipler Ursachen von Bauchschmerzen, so auch Glaukom, Hirnödem/Metastasen, Apoplexie, KHK, akuter Schwindel, Multimedikation)
Dr. med. Martin Schaper
Wichtige Fragen zur Anamnese (I)
� Schmerz
� Übelkeit / Brechreiz / Erbrechen
� Stuhlverhalten (Konsistenz, Farbe, Häufigkeit)
� Reflux, Luftaufstoßen
� Gewichtsabnahme
Dr. med. Martin Schaper
Wichtige Fragen zur Anamnese (II)
Schmerz:
� Dauerschmerz
� Kolikartig
� Scharf, schneidend, stechend
� Dumpf, drückend
� Schmerzstärke
� Schmerzausstrahlung
Dr. med. Martin Schaper
Befunderhebung (II)
Inspektion
� Narben (Vor-OP?), Narbenhernien
� Nabelhernie
� Aszites, Caput medusae
� Rektusdiastase
� Haut, Hämatome?
� Striae
Dr. med. Martin Schaper
Befunderhebung (III)
Auskultation
Darmgeräusche:
� Normal / lebhaft
� Vermindert / spärlich
� Totenstille
� Hyperperistaltik
� Metallisch, plätschernd, hochgestellt
Gefäßgeräusche?
(Aa. renalis, iliacae)
Dr. med. Martin Schaper
Befunderhebung (IV)
Perkussion
� Normal „tympanisch“
� Meteoristisch
� Gedämpft
Beispiel: Aszites
Dr. med. Martin Schaper
Befunderhebung (V)
Palpation
� Weiche Bauchdecke
� Abwehrreaktion <> Abwehrspannung
� Resistenzen (Tumore?), Stuhlrolle?
� Aszites (Undulation)
� Druckschmerz (leicht – mäßig - stark)
� Ipsi/kontralateraler Loslass-Schmerz
� Erschütterungsschmerz
� Leber, Milz, Gallenblase, Bruchpforten
Dr. med. Martin Schaper
Fall 1
� Herr Meyer, 45 J., keine Vorerkrankungen, seit gestern
Durchfall und Erbrechen
� Befund: guter AZ, normale Darmgeräusche, Abdomen weich, kein Druckschmerz, keine Resistenz, kein Fieber.
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
Tee sollte mit Zucker (ideal: Traubenzucker) gesüßt werden, dazu salzige Kekse essen. Außerdem Wasser oder Mineralwasser schlückchenweise trinken.
Fragen Sie den Patienten!
Dr. med. Martin Schaper
Fall 2
� Befund: schlechter AZ, EZ, RR 100/60, Puls 100/min., stehende Hautfalten, trockene Zunge, Temperatur 38,9°C, verwaschene und wirre Sprache
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
� Ruf ins Altenheim: 86 jährige Frau Schmitt, seit 2 Tagen Diarrhö und Erbrechen, kein Fieber, kompensierte
Nieren- und globale Herzinsuffizienz, Hypertonie,
sofortiger Besuch wegen zunehmender Somnolenz und Verwirrung
Fragen Sie die Patientin!
Dr. med. Martin Schaper
Virale Gastroenteritis acuta
� Häufig Adeno-, Rota- oder Noroviren
� Übertragung fäkal-oral/Tröpfchen
� Meist heftiger, jedoch sich selbst limitierender Verlauf, ggf. ORL Lösung (z.B. Oralpädon)
� Chance für Simulanten
� Meist kein Fieber, keine Schmerzen
� Dauer: nicht länger als 24 Stunden
� Meldepflicht übernehmen Labors
Exsikkose bei Alten und chron. Kranken, Diuretika im Medikamentenplan
Dr. med. Martin SchaperJohann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt
Fall 3� Melanie G., 15 Jahre alt, Durchfall, Erbrechen und
Fieber
� Befund: schlechter AZ, subfeb. Temp.,diffuserDruckschmerz im Abdomen, keine Abwehrspannung
� Ihre Diagnose…….
� Ihre Therapie………
Fragen Sie die Patientin!
Dr. med. Martin Schaper
Schwerwiegende bakterielle Durchfallerkrankungen
� Enterotoxische E.Coli (Reisediarrhoe): symptomatisch oder 3 Tage lang Norfloxacin 400 mg 2 x tgl.
� Salmonellosen: Schwer Erkrankte und Dauerausscheidernach Resistenzlage entweder Norfloxacin oder Ciprofloxacin
� Shigellen: (Bakt. Ruhr) sollten antibiotisch mit Chinolonen / Ampicillin i.v. behandelt werden
� Yersinien und Campylobakter: häufig selbstlimitierend, symptomatische Patienten mit nachgewiesenem Bakterium evtl. Antibiotikatherapie mit Makroliden oder Chinolonen
� Clostridium difficile: Metronidazol ambulant
Dr. med. Martin Schaper
Fall 4
� Frau Müller, 47 Jahre, Bauchschmerzen
� Befund: Bauch weich, geringer epigastrischerDruckschmerz, kein Fieber, sensibel, Mischung aus Wut und Niedergeschlagenheit
� Ihre Diagnose…
� Ihre Therapie…
Fragen Sie die Patientin!
Dr. med. Martin Schaper
Fall 5� Frau Eykmann, 86 Jahre, beklagt Müdigkeit und
Adynamie
� Befund: Abdomen weich, kein Druckschmerz, Peristaltik rege, Kaffeesatzartiger Stuhl am Fingerling, rektal sonst o.B., keine Exsikkosezeichen, Patientin ist sehr eigensinnig.
� Ihre Diagnose…
� Ihre Therapie…
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Dr. med. Martin Schaper
Gastritis - akut
� Lebensmittel, Medikamente (welche?)
� Bakteriell (Salmonellen/Staphylokokken-(Toxine) u.a.)
� (psychischer) Stress, Trauma
Ulkus ventriculi / duodeni evtl. mit Blutung
� DD: Pankreatitis oder Cholezystitis
Dr. med. Martin Schaper
Gastritis - chronisch
� Typ A: Autoimmungastritis (selten 5% der Fälle)
� Typ B: Bakteriell (mit 80% am häufigsten)
� Typ C: Chemisch (NSAR oder Gallereflux)
� In der Mehrzahl der Fälle symptomlos!
� Diffuse Oberbauchschmerzen, Inappetenz
� Bei Verdacht Gastroskopie und Histo abwarten
Spätfolgen: Ulcus v. et d.,Ca, Megaloblastäre Anämie, MALT Lymphome u.a.
Dr. med. Martin Schaper
Fall 6
� Frau Kiefer, 42 J., hatte Bauchschmerzen
� Befund: Bauch völlig o.B., allenfalls leichter re. seitigerDruckschmerz.
� Sonographie: Multiple Konkremente in der GB, keine 3 Schichtung der GB, GG nicht erweitert
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Gallenkolik
� 6 „f“- Regel: fat, female, fourty, fair, fertile, family
� typisches Erscheinungsbild der Erkrankung:
� Cholzystitis bei persistierenden Schmerzen, Fieber, Laborwerterhöhung
� AP, GGT, dir. Bili, GPT, GOT, BB, CRP
� Komplikationen: Empyem, Cholangitis, Pankreatitis
Dr. med. Martin Schaper
Fall 7� Herr Friedrich, 48 Jahre alt, seit Jahren Beschwerden mit
dem Stuhlgang, manchmal Schmerzen, keine
Vorerkrankung. Beruf: Banker in Frankfurt
� Befund: Abdomen weich, Peristaltik regelrecht, keine Resistenzen. Ängstlich vorsichtiger Typ, Furcht vor Krebs, überfordert auf der Arbeit. Im Urlaub keine Probleme
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Reizdarm Syndrom „Colon iritabile“
� 50% aller Magen-Darm Beschwerden sind Reizdarmbeschwerden! Davon gehen 70% nicht zum Arzt
� Konstitution und Psyche
� Buntes Bild von Bauchschmerzen, Blähungen, Völlegefühl, Diarrhö, schafskotartigem Stuhl, Krämpfen
� Drei Typen: Diarrhoe / Obstipation / Schmerzen
� Differentialdiagnosen: multipel
� Therapie: Psychotherapie, Aufklärung, symptomatische Therapie
Dr. med. Martin Schaper
Fall 8
� Juliane S., 17 Jahre, Schmerzen im Unterbauch.
� Befund: Untersuchung nicht notwendig, Stix nicht notwendig
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Harnwegsinfektion - DEGAM-Leitlinie„Brennen beim Wasserlassen“
� Klinik wichtiger als Urinuntersuchung per Stix
� Meist: Escherichia coli
� Mittel der Wahl: Trimethoprim 150 mg 2 x 1 Tb., Nitrofurantoin 2 x 100 mg oder Fosfomycin 1 x 3000 mg
� Keine Sulfonylharnstoffe wegen möglicher Allergie (z.B. Cotrim forte: Exanthem, Lyell-Syndrom)
� Bei unklarer Klinik Stix und / oder Kultur
Dr. med. Martin Schaper
Fall 9� Herr Niemeyer, 57 J., Büroangestellter, keine
Vorerkrankungen, in der Nacht plötzlich heftige li. seitigeBauchschmerzen…
� Befund: Bauch weich, normale Darmgeräusche, Flankenklopfschmerz links, Hoden o.B., Leiste o.B., kein Fieber. Weitere Diagnostik?
� Sonographie des Abdomen: Zweitgradig aufgestautes Nierenbecken links, Blase o.B., Urinstix: Blut +++, sonst o.B.
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Nephrolithiasis / Nierenkolik
� In 75% Calciumoxalat
� Eiweißreiche Kost (Calcium und Oxalat)
� Klinik typisch: heftige kolikartige Schmerzen, einseitig Ausstrahlung in die Leiste und ins Genitale, Übelkeit, Erbrechen
� Mikro- / Makrohämaturie
� Sonographie: Nierenbeckenstauung, Stein häufig nicht zu sehen
� Analgetika, Urin sieben, viel trinken lassen
� ESWL, percutane Nephrostomie oder Ureteroskopie
Dr. med. Martin Schaper
Fall 10� Herr Damast, 48 J., Rechtsanwalt, 178 cm, 110 Kg, art.
Hypertonie, Bewegungsmangel, chronisch überarbeitet,
Medikation: Ramipril plus HCT 5/25 1-0-0, klagt über Bauchschmerzen
� Befund: Linksseitiger, leistennaher, tiefer Unterbauch-schmerz, Lasègue positiv, Darmgeräusche spärlich
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Typisch Divertikulitis ...
� Ballaststoffarme Ernährung
� Je älter, desto mehr Patienten haben Divertikel
� Meist im Sigma gelegen
� „Linksappendicitis“
� Eine Divertikulitis kann man unter guter Führung des Patienten ambulant behandeln (Metrinidazol/Doxycyclin)
Komplikationen wie Perforation, Abszedierung, akutes Abdomen, Sepsis
Dr. med. Martin Schaper
Fall 11� Frau Ott, 67 J., Hausfrau, 154 cm, 78 Kg, Gonarthrose,
Hüft TEP links, hat seit Jahren immer wieder Bauchschmerzen
� Befund: Adipositas, diffuser Druckschmerz im linken Ober- und Unterbauch. Darmgeräusche sehr spärlich. Keine Abwehrspannung
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Obstipation
neu aufgetretene Stuhlveränderungen sind immer abklärungsbedürftig
� weitere B-Symptome: Gewichtsverlust, Appetitverlust, Bauchschmerzen etc.
� Relation : = 2:1, wenig Bewegung, wenig Ballaststoffe, wenig Zeit, obstipierende Medikamente (Trizyklische AD, Diuretika, Anticholinergika, Verapamil, Opiate, Codein)
Dr. med. Martin Schaper
Obstipation - Therapie
� Ballaststoffreiche Nahrung
� Viel trinken
� Viel bewegen
� Defäkationsreiz nicht unterdrücken
� Osmotische Laxantien (Macrogol/Laktulose), Trockenobst
� Prophylaxe bei Opiattherapie
� Gastrokolischer Reflex ( 1 Glas kaltes Wasser nüchtern)
Dr. med. Martin Schaper
Fall 12� Frau Atta, 22 J., Kauffrau, seit Monaten immer wieder
Unterbauchschmerzen, kürzlich Endometrioselaparoskopisch diagnostiziert und behandelt. Aktueller
Anlass: Erneute Unterbauchschmerzen
� Befund: 38,3°C, spärliche Darmgeräusche, lokaler Druckschmerz über Lanz und Mc Burney, kontralateraler Loslassschmerz (Blumberg) negativ, Rovsig Zeichen negativ, Lasègue positiv, rektale Untersuchung wünscht sie nicht
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
Fragen Sie die Patientin!
Dr. med. Martin Schaper
Appendizitis
� „Wolf im Schafspelz“
� häufiger Beginn mit Appetitlosigkeit und Oberbauchschmerzen
� Fieber und rechtsseitige Unterbauchschmerzen
� ...aber eben nicht immer...
Dr. med. Martin Schaper
Fall 13� Frau Bauer, 32 Jahre, 2 Kinder (jeweils Sectio!),
Eileiterschwangerschaft vor 1 Jahr, kommt jetzt wegen Bauchschmerzen
� Befund: Diffuser Druckschmerz im Abdomen, keine Resistenzen, keine Abwehrspannung, Sono Abdomen, Gastroskopie, Koloskopie, Stuhlproben und Labor ohne pathologischen Befund
� Ihre Diagnose...
� Ihre Therapie...
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Dr. med. Martin Schaper
Verwachsungen
� Ausschlussdiagnose
� Erneute OP ist oft ein „Austreiben des Teufels mit dem Belzebub“
� Chronische Bauchschmerzen auf dem Boden von Verwachsungen stellen eine große Herausforderung an den Behandelnden dar
� Schmerztherapie
Dr. med. Martin Schaper
Spezifische Probleme in der Hausarztpraxis
� Anamnese und Befund passen häufig nicht zusammen
� Vielfalt möglicher Diagnosen
� eindeutige Zuordnung ist oft nicht möglich
� Der gefährliche Verlauf muss erkannt werden!!
� Richtungsweisende Entscheidungen müssen getroffen werden.
Dr. med. Martin Schaper
Beispiele:
� Patient hat mehrere Grunderkrankungen, die das Bild verschleiern (M. Crohn und Gastroenteritis acuta)
� Psychosomatische Aspekte (Stress, Mobbing, psychosoziale Krisen, Depressionen etc.)
� „Eigene Diagnose“ des Patienten („Ich habe bestimmt was mit der Galle…!“)
� Befund passt zu einer anderen Erkrankung (z.B. Kind mit Bauchschmerzen und Erbrechen bei Vorliegen einer Tonsillitis oder Bronchitis)
Spezifische Probleme in der Hausarztpraxis