Abschlussbericht uber die Evaluation der
Tutorien des Fachbereichs 05 im
Sommersemester 2008
Viola Abermet und Manuela Potschke
Marz/April 2010
1
Vorwort
Der vorliegende Bericht entstand im Rahmen eines Forschungspraktikums am Arbeits-
gebiet Angewandte Statistik der Universitat Kassel. Er schließt das Pilotprojekt zur
Evaluation der Tutorien am Fachbereich 05 ab, das bereits 2008 als studentisches Vor-
haben gestartet wurde. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt und die vorliegenden
Erkenntnisse uber die Wirksamkeit von Tutorien geben wertvolle Hinweise sowohl fur
die weitere Gestaltung der Tutorenausbildung als auch fur den Einbezug der Tutorien
in das Evaluationskonzept des Fachbereichs.
Dr. Manuela Potschke
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 5
2 Hintergrund: Der Bologna-Prozess 5
2.1 Diskussion der Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.2 Folgen des Bologna-Prozesses fur die Universitat Kassel . . . . . . . . . . 8
3 Die Rolle von Tutorien im Studienprozess 10
3.1 Arten von Tutorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.1.1 Orientierungstutorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3.1.2 Fachtutorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3.2 Kompetenzerwerb im Rahmen von Tutorien . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3.3 Evaluation der Tutorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
4 Datenbasis 14
4.1 Datenbasis der ersten Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.2 Datenbasis der zweiten Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
5 Deskriptive Befunde 16
5.1 Das Engagement der Studierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
5.2 Erwartungen an das Tutorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
5.3 Der Tutor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5.4 Qualitat des Tutoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
5.5 Erklarung der Qualitatsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
6 Fazit 33
3
Abbildungsverzeichnis
1 Studiendesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2 Teilnahmefrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3 Teilnahmegrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
4 Erwartungen an das Tutorium zu Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
5 Erwartungen an das Tutorium in der zweiten Befragung . . . . . . . . . . 21
6 Erwartungen an das Tutorium nach Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 23
7 Erwartungen an den Tutor zu Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
8 Bewertung des Tutors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
9 Bewertung des Tutors nach Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
10 Qualitatsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
11 Individueller Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
12 Tutorium wieder besuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
13 Organisation des Tutoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4
1 Einleitung
Bei der folgenden Studie handelt es sich um ein Pilotprojekt zur Evaluierung der Tutorien
des Fachbereichs 05 Gesellschaftswissenschaften an der Universitat Kassel. Zuerst wird
dabei ein Einblick in die Reformen des Bologna-Prozesses gegeben, um die Hintergrunde
fur die vermehrte Einfuhrung studentischer Tutorien verstehen zu konnen. Dem folgt eine
genauere Beschreibung von Tutorien: welche Formen es gibt und was sie leisten konnen.
Nach einer Beschreibung des Forschungsdesigns folgen dann die empirischen Ergebnisse
der Studie. Der Bericht schließt mit einem Fazit, das Empfehlungen zur Verbesserung
der Tutorien enthalt.
2 Hintergrund: Der Bologna-Prozess
Ausgehend von der Sorbonne-Erklarung im Mai 1998, in der die anwesenden Bildungs-
minister sich fur eine ,Harmonisierung‘ der Studienstruktur europaischer Hochschulen
aussprachen, wurden ein Jahr spater in der Bologna-Deklaration konkretere Ziele verab-
schiedet. Die Schaffung eines europaischen Hochschulraums bis 2010 sollte zu einer besse-
ren Vergleichbarkeit von Studienabschlussen und Studieninhalten fuhren und damit die
internationale Wettbewerbsfahigkeit und Attraktivitat des europaischen Hochschulsys-
tems, sowie Mobilitat und Beschaftigungsfahigkeit (,Employability‘) von Studierenden
und Lehrpersonal erhohen. Diese Anliegen sind vor dem Hintergrund einer zunehmen-
den Globalisierung einerseits und der Teilhabe großerer Bevolkerungsgruppen an hohe-
rer Bildung andererseits zu sehen. Gesteigerte Mobilitat dient dabei der personlichen
Entwicklung und tragt gleichzeitig der Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit
Rechnung. Fur Deutschland galt es daruber hinaus eine Studienstruktur durchzufuhren,
um Probleme der traditionellen Studiengange, wie hohe Abbrecherquoten, eine hohe Zahl
an Langzeitstudierenden und zu geringe Berufsubergangsquoten in einigen Studienrich-
tungen zu losen. Dabei sollten folgende Vorhaben helfen:
• Einfuhrung eines Systems leicht verstandlicher und vergleichbarer Abschlusse
• Schaffung eines zweistufigen Systems von Studienabschlussen (Bachelor und Mas-
ter)
• Einfuhrung eines Leistungspunktesystems (nach dem ECTS-Modell)
• Forderung der europaischen Zusammenarbeit im Bereich der Qualitatssicherung
• Forderung der europaischen Dimensionen in der Hochschulausbildung durch leich-
tere Leistungsanerkennungsverfahren
5
In einer spateren Erklarung (Prag 2001) wurden die vorher vereinbarten Handlungs-
felder durch drei zusatzliche erweitert:
• Lebenslanges Lernen fordern
• Forderung studentischer Beteiligung an der Gestaltung
• Forderung der internationalen Attraktivitat des europaischen Hochschulraums
Zudem sollten die sozialen Belange der Studierenden starker berucksichtigt werden.
Ein Schwerpunkt hierbei besteht in Anstrengungen, den Zugang zur Hochschule vor allem
fur solche Gruppen zu erleichtern, die bislang benachteiligt waren. Ein Studienabschluss
soll demnach unabhangig von sozialen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen aus dem
Elternhaus der Studieninteressierten moglich sein. Notwendig sind dafur eine angemes-
sene Betreuung und flexible Ausbildungswege. Um Chancengleichheit beim Bildungszu-
gang zu garantieren, wird eine Vielzahl von Forderprogrammen und -maßnahmen (z.B.
BAfoG) durch das Bundesministerium fur Bildung und Forschung finanziert.1 Trotz-
dem liegt Deutschland in Hinblick auf Gleichheit beim Bildungszugang laut OECD Bil-
dungsbericht im internationalen Vergleich relativ weit hinten. Ein Grund dafur sind die
noch immer ungleichen Zugangs- und Abschlusschancen von Akademikerkindern und
Bildungsaufsteigern: ”So hangt es in Deutschland nach wie vor stark von der sozialen
Herkunft ab, ob jemand einen Hochschulabschluss schafft. Der Anteil von Akademiker-
kindern unter den Hochschulstudenten ist 2,2 mal so hoch, wie es ihrem Bevolkerungsan-
teil entspricht.“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2008) Zu denselben mangel-
haften Ergebnissen gelangt auch die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks
(DSW) (Studentenwerk, 2007). Ein Vergleich der PISA Studien von 2000, 2003 und 2006
zeigt, dass auch im Schulalter Unterschiede zwischen den Kompetenzniveaus von Kin-
dern mit und Kindern ohne Migrationshintergrund bestehen - zum Nachteil der letzteren
(Walter, 2008). Auch wenn es weiterhin Unterschiede gibt, so ist als positiver Aspekt
anzumerken, dass im Vergleich von 2000 zu 2006 eine Verringerung der Disparitaten
in den verschiedenen Kompetenzen stattgefunden hat (Walter, 2008). Nichtsdestotrotz
bleiben die Ungleichheiten im Bildungszugang im Großen und Ganzen bestehen.
Um die Umsetzung der Bologna Maßnahmen zu beobachten, entstand eine eigens da-
fur ins Leben gerufene ,Bologna-Follow-up-Group‘ (BFUG). Neben Vertretern der ver-
schiedenen Bologna-Staaten arbeiten dort auch Vertreter der Europaischen Union an
konkreten Planen fur die Umsetzung der Bologna-Ziele. Mindestens einmal in sechs Mo-
naten finden sich die Gruppenmitglieder zusammen, um Reformfragen zu klaren und
1 http://www.bmbf.de/de/846.php
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uber Fortschritte zu berichten. Die Gruppe hat im Bologna-Prozess fur die Hochschulen
allerdings eher eine beratende Funktion: Zwar werden dort Plane entworfen, jedoch liegt
die Umsetzung in den Handen der jeweiligen Lander und wird deshalb durch nationale
Interessen teilweise erschwert.
Heute, uber zehn Jahre nach den ersten Uberlegungen zur Umgestaltung der akade-
mischen Ausbildung konnen erste Schlussfolgerungen nicht nur aus theoretischen Uber-
legungen sondern auch auf der Basis empirischer Beobachtungen gezogen werden.
2.1 Diskussion der Reformen
Immer wieder wird betont, dass die Reformen dazu beitragen sollen, die Studierenden
moglichst schnell beschaftigungsfahig zu machen: bereits innerhalb von drei bis vier
Jahren kann das Studium mit dem Bachelor abgeschlossen werden und in die Berufs-
welt eingestiegen werden. Mit der Einfuhrung einer kurzeren Ausbildungszeit soll auf die
neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes reagiert werden: Zunehmend wird nach jun-
gen Akademikern gesucht. Generell erfordern immer mehr Berufe einen akademischen
Abschluss. Gerade diese kurze Studienzeit wird oft kritisiert: es ist fraglich, ob jemand
nach so kurzer Zeit tatsachlich bereits ausreichend qualifiziert ist. Die Hochschule glei-
che eher einer ,Lern-Fabrik‘ fur die Masse, deren Ziel es sei, die Studierenden durch das
Kurzstudium zu schleusen: Statt wirklich wissenschaftlich (d.h. kritisch, hinterfragend
und selbststandig) zu arbeiten gehe es nur noch darum, genug Credits fur den Abschluss
zu bekommen (Lieb, 2009, 96). Hinzu kommt, dass das Master Studium, in dem mehr
praktische und wissenschaftliche Arbeit moglich waren, nicht fur alle zuganglich ist: die
Studierenden wurden quasi zum ,Schmalspurstudium‘ und ,durchstudieren‘ gezwungen
(Lieb, 2009, 96). Die allgemeine wissenschaftliche Ausbildung tritt in den Hintergrund
- favorisiert wird die ”Ausrichtung der Studien und Universitaten auf den Arbeitsmarkt
und betriebswirtschaftliche Verwertbarkeit“ (Kellermann, 2006, 56). Anstelle der Ver-
mittlung wissenschaftlicher Kompetenzen und Wissen, liegt die Betonung auf den wirt-
schaftlichen Zwecken von Bildung: ”Die Vorstellung eines ,Europa des Wissens‘ wandel-
te sich in die instrumentelle Konzeption einer neuen polit-okonomischen Strategie, bei
der Hochschulbildung und Wissen einerseits als Mittel zur Starkung der wirtschaftli-
chen Konkurrenzfahigkeit ausgerichtet, andererseits als Waren auf Markten angeboten
werden sollen“ (Kellermann, 2006, 58). Die Hochschule verliert ihre kritisch-reflexiven
Restbestande an Autonomie und wird in das ”Getriebe des globalisierten Kapitalismus
als unmittelbar nutzbare Ressource widerstandslos eingepasst“ (Keupp, 2007, 1189).
Fuhrten fruher intrinsische Motivationen (Neugierde, Kritik, Zweifel) die Menschen an
7
die Hochschule, so seien es heute extrinsische: Ziel ist es, eine Beschaftigung auf dem
Markt zu bekommen. Befurworter der Bologna-Reformen hingegen sehen unter anderem
die großere Flexibilitat und Transparenz der Studiengange, die Modularisierung, sowie
das Leistungspunktesystem als Beispiele fur eine positive Entwicklung organisatorischer
Maßnahmen (Wolter, 2004). Statt einer Vielzahl unubersichtlicher nationaler Studien-
strukturen, -abschlussen, und -inhalte findet sich nun eine relativ einheitliche Struktur
an Europaischen Hochschulen wieder. Sinn und Zweck dieser Entwicklung war die Ver-
starkung des studentischen Austauschs. Allerdings sei die Bereitschaft ein Auslandsse-
mester zu absolvieren aufgrund der neuen Studienanforderung und des zunehmenden
Zeitdrucks sogar zuruckgegangen (Wolter, 2004). Trotzdem erleichtert die Vergleichbar-
keit und internationale Anerkennung der Abschlusse die vom Arbeitsmarkt verlangte
Mobilitat (Bruck, 2010). Fur die Person entstunden so mehr Freiheiten bezuglich der
Wahl des Wohnungs- und Arbeitsortes. Ein weiterer positiver Aspekt der Entwicklung
ist die ,Evaluationspflicht‘, der sich die Hochschulen unterziehen mussen. Die Evaluation
von Programmen nach international anerkannten Verfahrensstandards tragt zur Quali-
tatssicherung bei (Zervakis, 2004).
2.2 Folgen des Bologna-Prozesses fur die Universitat Kassel
Als Folge der Bologna-Deklaration wurden auch in Deutschland seit 2003 nach und nach
alle Studiengange auf Bachelor und Master umgestellt. Dies fuhrte an der Universitat
Kassel dazu, dass sich neben der strukturellen Umstellung auf die neuen Studienabschlus-
se auch die Bildungsziele und Inhalte verandert haben.2 Es ist ein starkerer Focus auf
die Kompetenzentwicklung der Studierenden zu beobachten. Diese Entwicklung schlagt
sich beispielsweise in der Formulierung von Konzepten nieder. (Universitat Kassel, 2008)
Diese sehen den Erwerb unterschiedlicher Kompetenzen vor, welche nicht nur zu ei-
nem erfolgreichen Studium verhelfen, sondern auch den Berufseinstieg erleichtern und
lebenslanges Lernen unterstutzen sollen. Die an der Universitat angebotenen Schlussel-
kompetenzen beziehen sich auf die Ausweitung der individuellen Fachkompetenz, Kom-
munikationskompetenz, Methodenkompetenz und Organisationskompetenz. Diese Kom-
petenzen konnen in zwei Formen erworben werden: Entweder integriert in eine fachliche
2 Ein Kritikpunkt an der Studienreform bezieht sich darauf, dass bei der Umstellung von den tradi-
tionellen auf die neuen Studienabschlusse alte Studieninhalte in gleichem Umfang beibehalten und
lediglich neu bezeichnet wurden. Spatestens im Zuge der Reakkreditierungen der neuen Studiengange
kommt es hier zu Korrekturen. Es war deutlich geworden, dass die Studienanforderungen den neuen
Abschlussen nicht entsprachen.
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Veranstaltung, d.h. die Kompetenzen werden indirekt gefordert, oder additiv in spe-
ziellen Workshops oder Trainings. Die starkere Orientierung an den Lernprozessen der
Studierenden fand auch ihren Niederschlag in der Ausweitung des Angebots an Tutorien.
Dahinter steht die Uberlegung, dass studentische Tutorien individuelle Lernbedurfnisse
starker berucksichtigen konnen. Die Arbeit in kleinen Gruppen ermoglicht es, alle Studie-
renden aktiv einzubeziehen und auch auf individuelle Schwierigkeiten einzugehen. Dabei
kann es neben der Hilfe bei der Bewaltigung Leistungsbezogener Probleme auch um die
Behandlung alltaglicher Probleme gehen, die die Umstellung von Schule auf Universitat
und in einer neuen Stadt zu leben, etc. mit sich bringen. Durch (konstruktives) Feed-
back der Tutoren erhalten die Studierenden ein besseres Bild uber den Stand der eigenen
Fahigkeiten und sehen außerdem, woran sie noch arbeiten konnen. Gerade die Gruppen-
große ermoglicht zudem die (Weiter-) Entwicklung der eigenen Kompetenzen sowohl auf
fachlicher als auch sozialer Ebene. Da die Qualitat der Betreuung außerdem eine Auswir-
kung auf den Studienabbruch haben kann, konnen Tutorien ferner dazu beitragen, die
Abbruchquote moglichst gering zu halten (Berning & Schindler, 1997; Pierrakeas et al.,
2004). Grunde fur einen Abbruch sind oft neben akademischen Problemen (schlechte
Leistungen) auch personliche (beispielsweise sich unwohl und uberfordert fuhlen). Fur
Studienanfanger konnen Tutorien die soziale Integration fordern, und fur Studierende
aus hoheren Semestern konnten die Tutorien nebenbei auch als Diskussions- und Be-
ratungsforen fur schwierige Studiensituationen und Studienprobleme genutzt werden.
(Berning & Schindler, 1997)
Eine Besonderheit an der Universitat Kassel besteht neben der großen Zahl an Tu-
torien darin, dass Tutoren ein spezielles Ausbildungsprogramm durchlaufen. Im Rah-
men eines viertagigen Seminars werden die angehenden Tutoren von speziell geschulten
Tutorenausbildern des eigenen Fachbereichs auf ihre Aufgabe vorbereitet.(Murman &
Thielsch, 2008) Da neben den fachlichen Kompetenzen der studentischen Tutoren unter
anderem auch didaktische notwendig sind, werden vor allem letztere im Rahmen der
Tutorenschulung vermittelt. Wahrend des Seminars werden die angehenden Tutoren mit
verschiedenen Lern- und Motivationstheorien bekanntgemacht, und erhalten die Gelegen-
heit verschiedene Lehrformen (z.B. Vortrag, Gruppenmoderation etc.) kennen zu lernen
und auszuprobieren. Zudem sollen sie lernen, eine Tutoriumssitzung konkret zu planen.
Sie sollen anschließend in der Lage sein, Lerngruppen adaquat zu leiten und Lernstrate-
gien der Studierenden unterstutzen zu konnen. Ein weiteres Ziel soll die Verfugung uber
ein gewisses Methodenspektrum sein, das sie darin unterstutzt, aktives Lernen und die
Beteiligung der Studierenden zu fordern. Die Schulung soll desweiteren dazu beitragen,
9
sie auf ihre Rolle als Tutor vorzubereiten indem ihnen einerseits vorgefuhrt wird, welche
Erwartungen an sie gestellt werden und sie andererseits gleichzeitig darin zu unterstut-
zen, ihr Tutorium erfolgreich leiten zu konnen.
3 Die Rolle von Tutorien im Studienprozess
3.1 Arten von Tutorien
Tutoren konnen in einer Vielzahl von Tutorien tatig sein, die jeweils unterschiedliche
Ziele verfolgen. Dabei kann es sich um personliche Betreuung oder Gruppenbetreuung
handeln. So findet sich in Großbritannien z.B. das ,Personal Tutoring System‘, bei dem
jedem Studierenden ein Hochschullehrer zugewiesen wird, der ihm als Ansprechperson
dienen soll. In Anbetracht der hohen Studierendenzahlen wird im universitaren Umfeld
in Deutschland eher auf die Betreuung von Gruppen gesetzt. Dabei sind vor allem stu-
dentische Tutoren im Einsatz. Im Fachbereich 05 der Universitat Kassel sind vor allem
zwei Arten von Tutorien zu finden: Orientierungstutorien und Fachtutorien.
3.1.1 Orientierungstutorien
Orientierungstutorien erstrecken sich meist uber drei Tage vor Beginn des ersten Semes-
ters und sollen dazu dienen, ”Studienanfangern eine (im weitesten Sinne) soziale Orientie-
rung an der Hochschule, im Studienfach und am Hochschulort “ zu geben, um somit den
Studienanfang zu erleichtern (Knauf, 2005, 1). Diese konnen sich an die Studienanfanger
generell, oder aber auch nur an bestimmte Zielgruppen (z.B. auslandische Studenten)
richten (Stemmler, 1997). Hierbei steht unter anderem der Gedanke im Mittelpunkt,
die Hochschule nicht nur als Lernort sondern auch als Lebensraum zu verstehen. Der
Beginn des Studiums bringt viele neue Anforderungen mit sich. Neben den veranderten
fachlichen Anforderungen stehen die Erwartungen an selbstverantwortliche Lernkom-
petenzen und zielorientiertes Arbeiten. Daruber hinaus ist fur viele mit dem Eintritt in
eine Hochschule zudem ein Wohnortswechsel verbunden. Einerseits muss der Studierende
nun lernen, fur sich und seine akademischen Leistungen selbst Verantwortung zu tragen,
indem er sich z.B. selbst seinen Stundenplan organisiert und fur die Erstellung und Ein-
reichung der Leistungsnachweise verantwortlich ist. Andererseits muss er auch lernen,
außerhalb der Universitat zu Recht zu kommen und sich an das selbststandige Leben in
einer eigenen Wohnung in einer fremden Stadt gewohnen. Der Fachbereich hat bis jetzt
gute Erfahrungen mit Orientierungstutorien gemacht. Dort wurde Studienanfangern in
10
großeren Gruppen neben der fachlichen Einweisung auch Informationen uber die Stadt
und das Leben als Student gegeben, um ihnen so die Umstellung zu erleichtern.
3.1.2 Fachtutorien
Fachtutorien werden in der Regel als Begleitung zu Kernveranstaltungen im ersten Stu-
dienjahr angeboten und dienen dazu, das fachliche Lernen im Rahmen einer kleineren
Gruppe zu unterstutzen (Knauf, 2005; Schmithals, 1993; Stemmler, 1997). Bei Fachtu-
torien kann es sich um separate Tutorien handeln oder um integrierte Veranstaltungen,
bei denen sich Lehrender, Tutor und Studierende zur selben Zeit im selben Raum befin-
den. Fachtutorien ermoglichen den Studenten zudem erforderliche Grundfahigkeiten zu
erwerben, aufzubauen und zu trainieren: ”Viele Lernangebote gehen von einer fingierten
Lernselbststandigkeit der Studierende aus, ohne sie entwickeln zu helfen oder Lernziele
auszuformulieren“ (Stemmler, 1997, 291). Was genau in den Tutorien passieren soll, wird
vom jeweiligen Dozenten bestimmt. Elementar ist dabei die Zusammenarbeit von Do-
zent und Tutor, um das Tutorium moglichst gut an die Veranstaltung anzupassen und
dem Studierenden den großtmoglichen Lernerfolg zu garantieren. Durch Vorgaben des
Dozenten konnen die Studierenden sich sicher sein, dass die Inhalte des Tutoriums mit
den Anforderungen des Dozenten ubereinstimmen. Durch Absprachen wird fur die Teil-
nehmer zudem eher der Bezug zur Veranstaltung und somit auch der Sinn des Tutoriums
sichtbar. Ruckmeldungen der Tutoren konnen dann hilfreich sein, um dem Dozenten ein
Bild uber den Wissens- und Kompetenzstand seiner Studierenden zu verschaffen, und
eventuell besonders problematische Themen noch einmal aufzugreifen.
3.2 Kompetenzerwerb im Rahmen von Tutorien
Neben fachlichen Kompetenzen sollen in den Tutorien auch Sozial- und Selbstkompe-
tenzen der Studierenden weiterentwickelt werden, die den Studierenden bei der Bewalti-
gung von Anforderungen in verschiedenen Situationen helfen sollen. Zu Sozialkompeten-
zen zahlen z.B. Teamfahigkeit, Konfliktfahigkeit, Moderations- und Fuhrungskompetenz.
Durch die Forderung von Selbstkompetenzen soll zudem auch die Organisation des ei-
genen Lernens erlernt werden: die Studierenden sollen lernen, selber Verantwortung zu
ubernehmen und Eigeninitiative zu beweisen. Anders als noch in der Schule sind sie jetzt
fur ihren eigenen Erfolg und Fortschritt verantwortlich. Tutorien sollen bei dieser Um-
stellung helfen, indem sie die Studierenden uber Studienthemen hinaus beraten und sie
ferner zu mehr Selbstreflektion und Verantwortungsubernahme motivieren. Fur den Er-
11
folg im weiteren Studium ist außerdem das Erlernen bestimmter Methodenkompetenzen
entscheidend, wie z.B. Prasentationstechniken und Lernstrategien zu beherrschen, sowie
sich mit Recherche, Textarbeit und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens auszukennen.
(Universitat Kassel, 2008; Murman & Thielsch, 2008)
3.3 Evaluation der Tutorien
Der Ausbau des Tutoriensystems an der Universitat Kassel zielt also darauf ab, trotz der
veranderten Rahmenbedingungen den Lernprozess der Studierenden so gut wie moglich
zu unterstutzen und sich am Erfolg der Studierenden zu orientieren. Mit Erfolg ist hierbei
nicht nur die akademische Leistung gemeint, sondern auch die Entwicklung bestimmter
Kompetenzen.
Um feststellen zu konnen, wie erfolgreich Fachtutorien dazu beigetragen haben die
Studierenden bei ihrem Lernprozess zu unterstutzen, wurden verschiedene Tutorien des
Fachbereichs 05 der Universitat Kassel evaluiert.3 Die Evaluation der Tutorien setzt sich
aus zwei Erhebungen zusammen, die jeweils am Anfang und am Ende des Sommerse-
mesters 2008 durchgefuhrt wurden. Die erste Befragung soll ein moglichst unvoreinge-
nommenes Bild uber die Erwartungen der Studierenden an das Tutorium abbilden. Die
Befragung am Ende hingegen soll Aufschluss daruber geben, wie das Tutorium und der
Tutor letztendlich bewertet wurden. Dabei geht es unter anderem darum zu zeigen,
• ob die Tutorien dazu beitrugen, eine aktivere Lernumgebung zu schaffen, um so
die Lernsituation der Studierenden zu verbessern,
• ob eine optimalere Betreuungssituation vorzufinden ist und
• ob es gelungen ist, studienrelevante Kompetenzen (Prufungs-, Methoden- und
Fachkompetenzen) zu vermitteln.
Wichtig ist zudem herauszufinden, welche Faktoren einen Einfluss auf die Bewertung
der Tutorien haben. Bei der Konstruktion des Fragebogens spielte die Idee eine Rolle,
dass vor allem drei verschiedene Dimensionen in die Bewertung einfließen: das Tutorium
(Inhalt und Struktur), der Tutor und die beurteilenden Studierenden selbst.
In der ersten Erhebung vor Beginn des Semesters ging es darum zu beschreiben, was die
Studierenden vom Tutorium und dem Tutor erwarten bzw. sich wunschen wurden. Am
Ende wurde erneut danach gefragt, wie wichtig sie das Vorkommen bestimmter Aspekte
3 Das Pilotprojekt fand im Rahmen einer geplanten Studienabschlussarbeit statt. Durch personliche
und organisatorische Probleme konnten nicht alle Projektteile wie geplant realisiert werden. Der
studentische Bezug fuhrte auch zur Entscheidung, im Fragebogen zu duzen.
12
im Tutorium finden. Zudem sollten sie Auskunft daruber geben, wie gut oder schlecht
ihre Erwartungen umgesetzt wurden, wie der Tutor auf sie wirkte, welche Kompetenzen
sie ent-wickeln konnten, und wie sie das Tutorium insgesamt bewerten. Bei der Entschei-
dung fur das Design spielt die Annahme eine Rolle, dass die Beurteilung der Qualitat vor
dem Hintergrund der eigenen Erwartungen interpretiert werden kann. Untersucht wer-
den sollten die Wirkungsweisen der Erwartungen auf die Gesamtbeurteilung: einmal als
eigenstandiger, direkter Einflussfaktor (erste Befragung) und einmal vermittelt uber die
einzelnen Beurteilungen (zweite Befragung). Deshalb wird in der ersten Welle nach den
Erwartungen gefragt und in der zweiten nach der Bewertung. Dadurch ist es außerdem
moglich, das Auseinanderfallen von Zielvorstellungen zwischen den Beteiligten zu beob-
achten. Ein weiteres Bestreben, das mit der Wahl des Designs verbunden war, war die
Beobachtung des Wandels der Vorstellungen uber den Zeitraum des Semesters. Leider
konnten diese Vorhaben nicht vollstandig realisiert werden. Durch technische Probleme
bei der Erzeugung individueller Codes, die die Verknupfung zwischen den Datensatzen
der ersten und zweiten Befragung auf individueller Ebene erlaubt hatten, sind lediglich
aggregierte Daten im Zeitverlauf zu analysieren.
In nachfolgenden Evaluationen sollte auf dieses Design wieder zuruckgegriffen und
individueller Wandel analysiert werden.
Der Fragebogen bestand zum großten Teil aus standardisierten Fragen, enthielt aber
auch offene Antwortmoglichkeiten, um den Studierenden Platz fur eine Ausformulie-
rung weiterer Wunsche und Kritiken zu geben. Beide Befragungen wurden online durch-
gefuhrt. Im Vergleich zu anderen Methoden, stellt sich die Online-Befragung als sehr
kostengunstig dar: Es entstehen weder Kopier- noch Personalkosten. Ein weiterer Vor-
teil liegt darin, dass die Daten sofort nach Ausfullen des Fragebogens verfugbar sind.
Dadurch, dass sie direkt in die Datenbank eingespeist werden, kann es nicht zu Ubertra-
gungsfehlern bei der Dateneingabe kommen. Abgesehen von den bisher genannten Vor-
teilen, entspricht eine Online-Umfrage zudem am ehesten den Kommunikationsgewohn-
heiten der Zielgruppe. Als Nachteil von Online-Erhebung wird haufig die im Vergleich
zur schriftlichen Erhebung in den Veranstaltungen geringere Rucklaufquote genannt.4
4 Die in der Fachliteratur berichteten Rucklaufe fallen fur Online-Befragungen sehr unterschiedlich aus.
Sie scheinen starker als in schriftlichen Befragungen vom Thema der Befragung, der Betroffenheit der
Befragten, von ihren Interessen und situationsbedingten Faktoren abzuhangen (Engel et al., 2004;
Batinic, 2001).
13
Abbildung 1: Studiendesign
1. Befragung
Beginn
Sommersemester
2. Befragung
Ende
Sommersemester
Erwartungen
Beurteilungen
Tutorium
Tutor
Tutorium
Tutor
Selbst
Gesamt-
beurteilung
4 Datenbasis
An der Tutorienevaluation nahmen 84 Studierende (erste Befragung) und 66 Studierende
(zweite Befragung) teil. Die Teilnehmer an der Evaluation entstammen einer willkurli-
chen Stichprobe.5
Dadurch sind Schlusse auf alle Tutorien oder alle Studierenden nicht moglich. Deswei-
5 Der Umfang der Grundgesamtheit an Studierenden, die in die Evaluation hatten einbezogen werden
konnen, kann nur in etwa angegeben werden. Neben den 41 Politikwissenschafts- und den 65 So-
ziologiestudiereden im BA-Hauptstudium, die im 4. bzw. 2. Semester an Methoden-, Statistik- und
Theorietutorien verpflichtend teilnahmen, gelten fur die geschichtlichen Tutorien Mindestteilnahme-
zahlen von 47 fur das 2. Semester des BA-Studiengangs und ca. 100 fur Lehramtsstudiengange. Da
die Studierenden im Nebenfach nicht alle Tutorien verbindlich absolvieren mussen, daran aber teil-
nehmen konnen, ist eine genaue Zahl der tatsachlichen Teilnehmer nicht angebbar. Die Auswahl
der Tutorien, die in die Befragung einbezogen waren, erfolgte aus organisatorischen und personellen
Einschrankungen heraus.
14
teren kommt es zu systematischen Verzerrungen, da die Befragten großtenteils einem der
integrierten Tutorien zu den Vorlesungen ,Methoden der empirischen Sozialforschung II‘
und ,Statistik II‘ angehorten.
Trotz der Einschrankungen in der Aussagekraft der Ergebnisse sind die Resultate nicht
nutzlos. Der Großteil der Studierenden besuchte eines der integrierten Tutorien zu den
Veranstaltungen ,Methoden der empirischen Sozialforschung II‘ und ,Statistik II‘, wel-
che fur Soziologiestudenten des zweiten Semesters und Politikwissenschaftler des vierten
Semesters verpflichtend waren. In diesen Tutorien waren verschiedene Tutoren im Ein-
satz, so dass eine Variation in der Qualitat der Tutorien untersucht werden konnte. Somit
erlauben die Ergebnisse zumindest, einen ersten Eindruck uber die Meinung von Sozio-
logen und Politikwissenschaftlern zu gewinnen, und geben Hinweise auf die Organisation
und die Analyse nachfolgender Evaluationsvorhaben fur Tutorien.
Da der großte Teil der Befragten entweder Soziologie oder Politikwissenschaft im
Hauptfach studierte, wurden die Befragten fur weitere Analysen nach dem Studienfach
aufgeteilt. Dabei zahlten zum Studienfach Soziologie einerseits alle Hauptfachstudieren-
den und andererseits alle die, die es im Nebenfach studierten. Dabei war die Bedingung
fur die Nebenfachstudierenden, dass sie im Hauptfach nicht Politikwissenschaft sondern
etwas anderes studierten. Umgekehrt zahlten zu den Politikwissenschaftlern neben den
Hauptfachstudierenden auch alle Nebenfachstudierenden, die nicht Soziologie im Haupt-
fach studierten.
4.1 Datenbasis der ersten Befragung
Insgesamt stellt die Befragung zu Beginn des Semesters 84 gultige Falle zur weiteren
Analyse zur Verfugung. Fast sechzig Prozent der Befragten waren dabei Frauen. Vertre-
ten waren die Jahrgange 1960 bis 1988 (jungste 20, alteste 48), wobei fast zwei Drittel
der Befragten zwischen 21 und 23 Jahren alt waren.
Aufgeteilt nach Studienrichtung erhalt man knapp dreißig Prozent Politikwissenschaft-
ler und funfzig Prozent Soziologen. Die restlichen zwanzig Prozent studierten Geschich-
te, Politik und Wirtschaft/Sozialkunde oder ein anderes Hauptfach. Dabei strebten drei
Viertel mit dem aktuellen Studium einen Bachelor Abschluss an, knapp ein Funftel
strebte den Magisterabschluss an und funf Prozent studierten im Lehramt.
Fast die Halfte der Befragten besuchte das integrierte Tutorium zu den Vorlesungen
,Statistik II‘ und ,Methoden der empirischen Sozialforschung II‘. Ein Drittel nahm nur
am Tutorium zur Vorlesung ,Methoden der empirischen Sozialforschung II‘ teil, und 15
Prozent waren Tutanden eines der anderen angebotenen Tutorien.
15
4.2 Datenbasis der zweiten Befragung
An der Befragung am Ende nahmen 66 Studierende zwischen 19 und 38 Jahren teil,
wobei auch hier die Halfte der Befragten zwischen 21 und 23 Jahren alt war. Es waren
fast so viele mannliche wie weibliche Teilnehmer.
Das Verhaltnis der Aufteilung nach Hauptfach war ausgeglichener als noch zu Beginn:
Aufgeteilt nach Studienrichtung ergeben sich Verhaltnisse von einem Drittel Politik-
wissenschaftler zu vierzig Prozent Soziologen. Die restlichen 24 Prozent wurden in den
Fachvergleich nicht einbezogen, weil sie viele verschiedene andere Facher studierten. Gut
drei Viertel von allen strebten einen Bachelorabschluss an, sieben Prozent den Magister
und funfzehn Prozent studierten auf Lehramt.
Die Bewertungen der Tutorien am Ende speisen sich zu einem Drittel aus den inte-
grierten Tutorien von ,Methoden der empirischen Sozialforschung II‘ und ,Statistik II‘.
Ein Funftel nahm am Tutorium zur Vorlesung ,Gesellschaftliche Theorie und politische
Ideengeschichte‘ teil.
5 Deskriptive Befunde
Es wurde davon ausgegangen, dass drei verschiedene Dimensionen einen Einfluss auf die
Bewertung der Tutorien haben. Dazu zahlen der Tutor, die Struktur und Inhalte des
Tutoriums, und der Studierende selber. Die Erwartungen und Meinungen zu diesen The-
men waren schwerpunktmaßig Gegenstand der Umfrage. Die Ergebnisse hierzu werden
nun vorgestellt.
5.1 Das Engagement der Studierenden
Zuerst sollen die Teilnahmefrequenz und die personlichen Grunde fur den Besuch des
Tutoriums betrachtet werden, um einen ersten Eindruck uber die Befragten zu bekom-
men.
Das Tutorium wurde von allen mehr oder weniger regelmaßig besucht, wobei die meis-
ten immer oder zumindest fast immer anwesend waren.
Etwas uber die Halfte sah die Teilnahme am Tutorium als Prufungsvorbereitung, um
dort den Stoff der Lehrveranstaltung zu wiederholen. Knapp ein Drittel hingegen gab als
Teilnahmegrund an, dass es sich um eine Pflichtveranstaltung handelte. Niemand gab als
Grund fur den Besuch das Interesse am Thema an. Auch, dass es eine Empfehlung eines
Kommilitonen war, traf fur keine Personen zu. Bei der Bewertung dieser Befunde muss
16
Abbildung 2: Teilnahmefrequenz
24%
61%
12%
3%
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
immer fast immer häufig manchmal
Frage: Wenn du an das Semester zuruckdenkst, wie haufig hast du das Tutorium besucht?
jedoch beachtet werden, dass bei dieser Frage lediglich eine Einfachauswahl zugelassen
war. Das heißt es ist durchaus moglich, dass beispielsweise auch das Interesse eine Rolle
gespielt hat, aber eben einer der anderen Grunde (Prufungsvorbereitung, Pflichtveran-
staltung) als wichtiger empfunden und deshalb vorgezogen wurde.
In den Grunden fur den Besuch des Tutoriums unterschieden sich Frauen und Man-
ner zum Teil deutlich (Cramers V=0,19). Die Frauen sahen in der Teilnahme zu einem
deutlich großeren Anteil die Moglichkeit, sich auf die Prufung vorzubereiten (65 Pro-
zent) als die Manner (45 Prozent). Letztere betonten dagegen starker (45 Prozent) den
Pflichtcharakter der Teilnahme am Tutorium als Frauen (26 Prozent).
Auf die Frage, wie viel Zeit pro Woche durchschnittlich fur die Vor- und Nachbereitung
des Tutoriums aufgewendet wurde, waren Zeiten von 0 bis 3 Stunden Arbeitsaufwand zu
beobachten. Ein Drittel der Studierenden gab einen durchschnittlichen Arbeitsaufwand
von zwei Stunden pro Woche an, knapp zwei Drittel investierten weniger als zwei Stunden
Zeit. Hier bleibt allerdings unklar, ob die Studierenden zwischen Vor- und Nachbereitung
fur das Tutorium und den zugehorigen Veranstaltung unterschieden haben.
17
Abbildung 3: Teilnahmegrund
sonstiges10%
Pflicht-veranstaltung
34%Prüfungs-vorbereitung
56%
Frage: Warum hast du dieses Tutorium besucht
5.2 Erwartungen an das Tutorium
Betrachtet man die Erwartungen an das Tutorium so fallt auf, dass es keinen Aspekt
gibt, der nicht von uber der Halfte der Befragten mindestens als eher wichtig empfunden
wurde. Dies zeigt, dass die gewahlten Dimensionen nicht nur aus theoretischen Uberle-
gungen heraus eine hohe Relevant aufweisen, sondern auch, dass sie empirisch bedeutsam
sind.
Am wichtigsten war dabei mit großem Abstand fur alle Teilnehmer die Vorbereitung
auf die Klausur im Rahmen des Tutoriums: Nur eine Person fand dieses Ziel eher
unwichtig. Weiterhin hielten fast alle es fur wichtig, das Tutorium dafur zu nutzen,
spezifische Inhalte der Vorlesung anzuwenden und zu uben, den Stoff der Vorlesung
zu wiederholen und Hilfe bei der Erstellung von Hausaufgaben und Hausarbeiten
zu bekommen. Drei Viertel fanden es zudem wichtig, die Inhalte der Vorlesung neben
der Wiederholung auch zu vertiefen. Eine geringere Rolle spielte fur die Befragten,
einen Alltagsbezug der Inhalte herzustellen und Techniken des wissenschaftlichen
Arbeitens zu uben. Dieser Befund ist etwas uberraschend, weil ansonsten eine starke
18
Abbildung 4: Erwartungen an das Tutorium zu Beginn
8%
14%
45%
46%
57%
58%
92%
50%
48%
34%
44%
31%
38%
7%
8%
16%
7%
3%
13%
4
31%
16%
12%
4%
8%
3%
6%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Techniken wissenschaftlichen Arbeitens
Alltagsbezug herstellen
Vertiefung des Stoffs
Erstellung von Hausaufgaben/-arbeiten
Wiederholung des Stoffs
Anwendung spezifischer Inhalte
Klausurvorbereitung
wichtig eher wichtig weder noch eher unwichtig unwichtig
Frage: Was soll das Tutorium deiner Meinung nach leisten?
Praxisanbindung von den Studierenden fur die Lehre gefordert wird. Moglicherweise
stellen Studierende diese Anforderung aber nur an die akademische Lehre und nicht an
die Veranstaltungen, die den Studienprozess unterstutzen. Bei der Zielformulierung fur
Tutorien ist hierauf jedenfalls zu achten.
Die Erwartungen an das Tutorium waren zwischen Mannern und Frauen recht ahn-
lich und unterschieden sich nur in einem Punkt: Bei der Bewertung der Anwendung und
Ubung spezifischer Inhalte sagte die Halfte der Manner sie fanden es ”eher wichtig“, wah-
rend fast drei Viertel der Frauen es sogar als ”wichtig“ einstuften (Cramers V=0,376).6
6 Cramers V ist ein statistisches Maß zur Beurteilung der Starke des Zusammenhangs zweier Sachver-
halte in einer Kreuztabelle. Der Wertebereich liegt zwischen 0 und 1, wobei bei kleinen Werten von
einem geringen Zusammenhang gesprochen wird. Ab einem Wert großer 0,4 soll es sich in diesem
Bericht um einen starken Zusammenhang handeln.
19
Auch mit dem Blick auf die Fachzugehorigkeit gab es Unterschiede in der Gewichtung
der Einschatzungen. Prinzipiell waren die aufgefuhrten Erwartungen fur beide Facher
bedeutsam. Auf die Frage, wie wichtig sie es finden, im Rahmen von Tutorien Hilfe bei
der Erstellung von Hausaufgaben und Hausarbeiten zu bekommen, antwortete ein Drittel
der Politikwissenschaftler, dass sie es ”wichtig “ finden. Bei den Soziologen waren es 25
Prozentpunkte mehr (Cramers V=0,329). Fur die Kategorie ”eher wichtig “ hingegen
war das Verhaltnis umgekehrt. Soziologen und Politikwissenschaftler unterschieden sich
weiterhin auch signifikant in Bezug auf ihre Bewertung daruber, wie wichtig sie die
Vorbereitung auf die Klausur finden. Politikwissenschaftler sagten zu 88 Prozent, dass
sie es wichtig finden, bei den Soziologen waren es 8 Prozentpunkte mehr.
Vergleicht man die Erwartungen zu Beginn mit denen der Endbefragung, so fallt auf,
dass der Wichtigkeit der einzelnen Aspekten insgesamt etwas weniger Bedeutung zuge-
schrieben wurde.7
Weiterhin fanden fast alle Teilnehmer es am wichtigsten, das Tutorium fur die Vorbe-
reitung auf den Leistungsnachweis zu nutzen. Fast alle fanden es zudem wichtig, im
Tutorium den Stoff aus der Vorlesung zu wiederholen und daruber hinaus spezifische
Inhalte der Lehrveranstaltung zu uben und anzuwenden. Drei Viertel wunschten sich
Hilfe bei der Erstellung der Hausaufgaben und Hausarbeiten. Den Stoff auch zu
vertiefen, sahen zwei Drittel noch als wichtig an. Auch in der zweiten Befragung war
der widerspruchliche Befund zu konstatieren, dass der Alltagsbezug zwar immer stark
von den Studierenden eingefordert wird, hier aber gerade mal etwas uber die Halfte ihn
als wichtig ansah. Im Vergleich zu den anderen Aspekten ist fur die Befragten Tech-
niken des wissenschaftlichen Arbeitens zu Uben am unwichtigsten: das erachteten
gerade mal 43 Prozent als wichtig.
Die wenigen, die es fur eher unwichtig hielten, den Stoff der Vorlesung zu wiederho-
len, waren alle mannlich. 27 Prozent der Manner fanden es eher unwichtig, wahrend es
bei den Frauen nur drei Prozent waren. (Cramers V= 0,409). Im Gegensatz dazu fanden
zwei Drittel beider Gruppen es wichtig den Stoff der Vorlesung zu vertiefen (Cramers
V=0,35). Nachdem die Befragten gebeten wurden, die Aspekte auf einer Skala einzeln
zu beurteilen, sollten sie die Aussagen anschließend in eine Reihenfolge nach ihrer Wich-
tigkeit bringen. Dass die Vorbereitung auf den Leistungsnachweis, die Wiederholung der
Inhalte und die Anwendung und Ubung spezifischer Inhalte fur die Befragten die großte
Rolle spielen, zeigt sich daran, dass diese drei Aussagen auch am haufigsten im Ranking
7 Individuelle Analysen uber die Zeit sind wegen der fehlenden Verknupfung der Datensatze nicht
moglich. Veranderungen im Aggregat sind dagegen gut zu analysieren.
20
Abbildung 5: Erwartungen an das Tutorium in der zweiten Befragung
5%
17%
27%
38%
43%
55%
80%
38%
42%
47%
30%
47%
33%
18%
33%
29%
12%
17%
8%
20%
15%
8%
15%
5%
7%
7%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Techniken wissenschaftlichen Arbeitens
Alltagsbezug herstellen
Erstellung von Hausaufgaben/-arbeiten
Vertiefung des Stoffs
Anwendung spezifischer Inhalte
Wiederholung des Stoffs
Vorbereitung auf den Leistungsnachweis
wichtig eher wichtig weder noch eher unwichtig unwichtig
Frage: Wie wichtig sind dir personlich die folgenden Aspekte der Tutorien?
vorkamen.
Die Struktur der Wichtigkeitseinschatzungen in der ersten und zweiten Befragung wa-
ren relativ ahnlich. Zu sehen sind im Kern drei Dimensionen, die die Ziele des Tutoriums
darstellen:
• zum inhaltlichen Verstandnis beitragen,
• sich an dem Leistungsnachweis orientieren und
• bestimmte Arbeitstechniken erlernen bzw. Kompetenzen entwickeln.
Diese drei Dimensionen finden sich auch in den Zielen wieder, die in der Tutorenausbil-
dung formuliert werden (Reef, 2008).
Die Teilnehmer lassen sich auf der Basis ihrer Wichtigkeitsbeurteilungen in der 2.
Befragung in drei Gruppen aufteilen (vgl. Abbildung 6). Kriterium fur die Zuweisung
21
in die jeweilige Gruppe war dabei, dass die Studierenden einer Gruppe moglichst ahn-
liche Bewertungen aufweisen und die Befragten aus verschiedenen Gruppen sich in ih-
ren Bewertungen starker unterscheiden. Die Gruppen konnen danach folgendermaßen
charakterisiert werden: Die Mitglieder der ersten Gruppe (26 Studierende) fanden alle
Aspekte, die das Tutorium beschrieben, wichtig. Diejenigen, die der dritten Gruppe (16
Studierende) angehoren, bewerteten die Punkte nicht ganz so stark gewichtet wie die
erste Gruppe, aber auch als eher wichtig. Die zweite Gruppe (18 Studierende) hingegen
bewertete die Wichtigkeiten als mittelmaßig bis unwichtig. Wahrend die Bewertungen
der Gruppen 1 und 2 in Bezug auf die Wichtigkeit des Ubens der Techniken wissen-
schaftlichen Arbeitens und der Hilfe bei der Erstellung von Hausaufgaben gleich sind,
bewertet die dritte Gruppe diese Aspekte als weniger wichtig. Einigkeit besteht dagegen
in der Bewertung der Klausurvorbereitung: fur alle Gruppen ist die Vorbereitung auf die
Klausur sehr wichtig. Bezuglich der Erwartung, die Inhalte zu vertiefen, sie zu wieder-
holen, einen Alltagsbezug der Inhalte herzustellen und spezifische Inhalte zu uben und
daruber hinaus auch anzuwenden, sind die Urteile der drei Gruppen sehr unterschiedlich.
5.3 Der Tutor
Neben dem Tutorium spielt auch der Tutor eine wichtige Rolle bei der Bewertung. Des-
wegen wurden die Befragten in der ersten Befragung auch nach den Erwartungen an
den Tutor befragt. In der Endbefragung wurden sie dann darum gebeten, den Tutor
bezuglich seiner Eigenschaften und Fahigkeiten zu beurteilen.
Trotz kleiner Unterschiede gab es insgesamt gesehen keinen tutorbezogenen Aspekt,
den nicht wenigstens drei Viertel fur wichtig hielten. Dass der Tutor sich um die Studie-
renden kummert, war den Teilnehmern dabei wichtiger als einzelne personliche Eigen-
schaften.
Besonders wichtig war fur alle Teilnehmer, dass der Tutor auf ihre Fragen und An-
regungen eingeht. Der Grad der Wichtigkeit wird nochmal dadurch hervorgehoben,
dass dies die einzige Aussage war, die in jedem Ranking vorkam. Auch, dass der Tu-
tor am Erfolg und Lernprozess der Teilnehmer interessiert ist und zudem eine gute
Lernatmosphare schafft, spielte fur die Befragten eine große Rolle. Etwas weniger wich-
tig waren den Studierenden im Vergleich dazu personliche Eigenschaften, wie z.B. dass
der Tutor freundlich und aufgeschlossen oder sympathisch ist und dass der Tutor
zwischen ihnen und dem Dozenten vermittelt.
Frauen war zu einem hoheren Anteil (88 Prozent) das sympathische Erscheinen des
Tutors wichtig als Mannern (72 Prozent; Cramers V= 0,21). Ansonsten fielen die Be-
22
Abbildung 6: Erwartungen an das Tutorium nach Gruppen
Alltagsbezug herstellen
Vertiefung der Inhalte
Techniken wiss. Arbeitens
Skala 1 (unwichtig) bis 5 (wichtig)
Anwendung spez. Inhalte
Wiederholung der Inhalte
Klausurvorbereitung
Hausaufgabenerstellung
Abgetragen sind hier der Median (breite Linie) und der Interquartilsabstand (Box).
23
Abbildung 7: Erwartungen an den Tutor zu Beginn
31%
35%
48%
52%
58%
76%
51%
44%
47%
35%
34%
24%
18%
14%
4%
13%
6%
4%
6%
3%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
sympathisch sein
zwischen Studierenden und Dozent vermitteln
freundlich und aufgeschlossen sein
gute Lernatmosphäre schaffen
am Erfolg und Lernprozess interessiert sein
auf Fragen und Anregungen eingehen
wichtig eher wichtig weder noch eher unwichtig unwichtig
Der Tutor soll …
Frage: Was ist dir wichtig, was unwichtig an deinem Tutor / deiner Tutorin.
wertungen beider Gruppen recht ahnlich aus.
Bezuglich der Starke der Erwartungen an den Tutor unterschieden sich Soziologen
und Politikwissenschaftler in mehreren Punkten in ihrem Urteil. Wieder waren alle Be-
schreibungen bedeutsam. Aber wahrend fast ein Drittel der Politikwissenschaftler es
wichtig fand, dass der Tutor eine gute Lernatmosphare schaffen soll, waren es bei den
Soziologen fast zwei Drittel (Cramers V= 0,367). Fur die Kategorie ”eher wichtig “ war
das Verhaltnis umgekehrt. Ein umgekehrtes Verhaltnis war auch bei der Frage nach der
Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit des Tutors zu sehen: Ein Drittel der Politikwis-
senschaftler fand dies wichtig, bei den Soziologen hingegen war es die Halfte (Cramers
V=0,269). Soziologen hatten daruber hinaus viel haufiger die Erwartung, dass der Tutor
zwischen ihnen und dem Dozenten vermittelt (43 Prozent). Bei den Politikwissenschaft-
lern erwartete das lediglich ein Funftel (Cramers V=0,34).
24
Um feststellen zu konnen, inwieweit die Erwartungen der Studierenden an den Tutor
erfullt wurden, wurden die Teilnehmer in der zweiten Befragung darum gebeten, ihren
Tutor zu bewerten. Die Fragen bezogen sich einerseits auf personliche Eigenschaften und
Kompetenzen des Tutors und andererseits auf sein Betreuungsverhaltnis den Studieren-
den gegenuber.
Abbildung 8: Bewertung des Tutors
12%
17%
22%
28%
39%
42%
42%
47%
59%
66%
39%
49%
44%
45%
42%
41%
44%
40%
24%
22%
37%
22%
24%
19%
14%
15%
7%
9%
12%
5%
7%
7%
5%
5%
3%
5%
3%
3%
5%
5%
5%
5%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
konnte die Teilnehmer für das Thema …
konnte schwierige Sachverhalte …
gab hilfreiches Feedback
gab Feedback
schuf ein angenehmes Arbeitsklima
stets gut vorbereitet
wirkte kompetent
hat die Teilnehmer aktiv einbezogen
stand außerhalb des Tutoriums für …
war aufgeschlossen
trifft voll zu trifft zu teils teils tifft nicht zu trifft überhaupt nicht zu
Der Tutor …
Frage: Inwieweit treffen die folgenden Aussagen auf Deinen Tutor / Deine Tutorin zu
oder auch nicht?
Insgesamt fielen die Urteile der Studierenden uber ihre Tutoren sehr positiv aus.8 Am
meisten stach die Eigenschaft des Tutors hervor, aufgeschlossen gewesen zu sein und
8 Fur weitere Studien ware es interessant zu untersuchen, ob das Geschlecht des Tutors einen Einfluss
auf die Bewertung hat, z.B. ob Tutorinnen starker das Interesse der Teilnehmer fur das Thema wecken
konnen als Tutoren oder umgekehrt. Solche Analysen waren in diesem Pilotprojekt nicht moglich, da
die meisten Tutorien von Mannern geleitet wurden.
25
auf die Studierenden zugegangen zu sein: Dem stimmten fast alle Befragten zu. Wei-
tere Eigenschaften und Fahigkeiten wie fachliche Kompetenz, auch außerhalb des
Tutoriums fur Fragen zur Verfugung gestanden zu haben, die Teilnehmer aktiv
einbezogen zu haben, stets gut vorbereitet gewesen zu sein und ein angenehmes
Arbeitsklima geschaffen zu haben, bewerteten jeweils mindestens 80 Prozent als zu-
treffend. Diese Punkte wurden auch in den offenen Antworten mehrfach genannt. Drei
Viertel sagten der Tutor habe den Studierenden Feedback gegeben, wobei zwei Drittel
angaben, dass dieses auch hilfreich fur das Verstandnis der Inhalte war. Immer noch
zwei Drittel waren der Meinung, dass der Tutor schwierige Sachverhalte anschau-
lich erklaren konnte. Etwas schwieriger war dagegen die Teilnehmer fur das Thema zu
interessieren: Nur die Halfte der Teilnehmer sagte, das sei dem Tutor gelungen.
Besonders bezogen auf das Feedback unterschieden sich die Bewertungen der mann-
lichen Befragten von denen der weiblichen. Dass der Tutor den Studierenden Feedback
gegeben hat, fanden zwei Drittel der Manner und vier Funftel der Frauen zutreffend
(Cramers V=0,341), wobei aber nur die Halfte der Manner das Feedback fur das Ver-
standnis hilfreich fand, wahrend es bei den Frauen 18 Prozentpunkte mehr waren (Cra-
mers V=0,357). Desweiteren stimmten drei Viertel der Frauen der Aussage zu, dass der
Tutor es geschafft habe, die Teilnehmer fur das Thema zu interessieren. Bei den Man-
nern stimmte dem nur knapp ein Drittel zu (Cramers V=0,477). Dies entspricht einem
Unterschied von 44 Prozentpunkten.
Bei der Bewertung des Tutors in der Endbefragung sind zwei Dimensionen sichtbar:
Einerseits spielten die personlichen Eigenschaften des Tutors (fachliche Kompetenz, Of-
fenheit) eine große Rolle, und andererseits seine didaktischen Fahigkeiten (hilfreiches
Feedback geben). Um den Einflussen der Personlichkeit des Tutors angemessener nachge-
hen zu konnen, sind weitere Studien notwendig, die die Variation zwischen verschiedenen
Tutorien und innerhalb der einzelnen Tutorien gleichzeitig untersuchen.
Auch bezogen auf die Bewertung des Tutors lassen sich die Teilnehmer in drei Gruppen
unterteilen. (vgl. Abbildung 9) Dabei sind die Gruppen 1 und 2 relativ ahnlich groß
(jeweils 31 und 21 Mitglieder), wahrend die Gruppe 3 lediglich vier Mitglieder aufweist.
Zum einen ist dort eine Gruppe (2) zu beobachten, die den Tutor in allen Bereichen
sehr gut bewertete. Im Gegensatz dazu fielen fast alle Bewertungen der dritten Gruppe
schlecht aus. In den Bewertungen dieser dritten und kleinsten Gruppe fallt auf, dass vor
allem personliche Eigenschaften des Tutors sehr negativ beurteilt wurden, wahrend die
Aussagen nach dem Einbezug der Teilnehmer oder der Ansprechbarkeit auch außerhalb
des Tutoriums besser beurteilt wurden. Die Bewertungen der Gruppe 1 lagen zwischen
26
mittelmaßig und gut.
Abbildung 9: Bewertung des Tutors nach Gruppen
war aufgeschlossen für Thema interessieren angenehmes Arbeitsklima
anschaulich erklären schien kompetent Teilnehmer aktiv einbezogen
Ansprechbarkeit wirkte stets gut vorbereitet hat Feedback gegeben
Feedback war hilfreich
Skala 1 (unwichtig) bis 5 (wichtig)
5.4 Qualitat des Tutoriums
Dass die Bewertungen der Qualitat insgesamt recht nah beieinander liegen, zeigt die
Einigkeit der Studierenden in ihrem Urteil: Insgesamt beurteilten die Studierenden die
Qualitat als sehr gut. Die Halfte der Befragten bewertete die Qualitat auf einer Stufe
27
Abbildung 10: Qualitatsbewertung
Frage: Wenn du einmal an das Semester zuruckdenkst, wie gut hat dir das Tutorium
alles in allem gefallen?
von eins bis sieben mit einer sechs. Es handelt sich um eine schiefe Verteilung mit dem
Schwerpunkt auf der rechten Seite der Skala, d.h. also eher gut. Nur vier Personen
bewerteten die Qualitat des Tutoriums insgesamt eher schlecht.
In den offenen Fragen wurde meist die Kompetenz und der Einsatz des Tutors gelobt.
Ganz besonders stach dabei das angenehme Arbeitsklima hervor. Kritikpunkte bezogen
sich weniger auf inhaltliche oder personenbezogene Sachverhalte, als mehr auf die Rah-
menbedingungen der Tutorien. Am haufigsten wurde dabei die Raumsituation kritisiert.
Die Raume seien viel zu klein gewesen und aufgrund der hohen Teilnehmerzahlen oft
zu uberfullt. Auch die Große der Tutoriumsgruppe wurde kritisiert: Die Teilnehmeran-
zahl sei zu groß gewesen, weshalb das Tutorium eher Vorlesungscharakter gehabt habe.
Zudem waren die Raume schlecht ausgestattet: es habe einen Mangel an Tischen und
Stuhlen gegeben. Die Raumlichkeiten und ihre schlechte Ausstattung bieten zu wenig
Platz fur alternative Kommunikations- und Arbeitsformen. Diese Rahmenbedingungen
sind hinderlich fur den Lernprozess, da sie weder eine angenehme Lernumgebung fur
den Studierenden darstellen, noch dem Tutor viel Moglichkeit fur die Anwendung ver-
schiedener didaktischer Mittel lassen. Weitere Kritik bestand darin, dass teilweise zu
schnell vorangegangen wurde und viele Studierende nicht ganz folgen konnten. Die Stu-
dierenden bemangelten zudem, dass sie sich statt einer einfachen Wiederholung und
28
simplen ”Langhangeln an den Vorlesungsfolien“ mehr Vertiefung und Veranschaulichung
gewunscht hatten.
Neben der Gesamtbeurteilung des Tutoriums wurden weitere spezifische Qualitatsindi-
katoren abgefragt. Dabei zeigte sich, dass sich der Besuch des Tutoriums fur vier Funftel
der Befragten gelohnt hat, sie es wieder besuchen und auch ihren Kommilitonen
empfehlen wurden.
Abbildung 11: Individueller Nutzen
7%
29%
34%
36%
46%
55%
29%
5%
14
32%
41%
39%
27%
19%
31%
26%
34%
27%
15%
15%
15%
12%
28%
28%
25%
9%
10%
5%
10%
7%
12%
38%
20%
5%
5%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
verbessertes Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten
Schlüsselkompetenzen verbessern
weckte/vertiefte Interesse am Thema
inhaltlich viel gelernt
gute Vorbereitung auf Leistungsnachweis
an Kommilitonen weiterempfehlen
Besuch hat sich gelohnt
würde das Tutorium wieder besuchen
trifft voll zu trifft zu teils teils trifft nicht zu trifft überhaupt nicht zu
Frage: Inwieweit stimmst du den folgenden Aussagen zu oder nicht?
Fur die Entwicklung fachlicher Kompetenzen schien das Tutorium besser gewesen zu
sein, als fur die Entwicklung bestimmter Schlusselkompetenzen, wie z.B. Prasentati-
onstechniken oder das Erlenen der Techniken wissenschaftlichen Arbeitens. Drei Vier-
tel empfanden das Tutorium als gute Vorbereitung auf den Leistungsnachweis
der Lehrveranstaltung. Generell inhaltlich viel gelernt zu haben, sagten zwei Drittel.
Weniger erfolgreich hingegen hatte das Tutorium dazu beigetragen, das Interesse der
29
Studierenden am Thema zu wecken bzw. zu vertiefen, ihnen beim Erwerb von Schlus-
selkompetenzen zu helfen und ein besseres Verstandnis fur wissenschaftliches Ar-
beiten zu entwickeln.
In Bezug auf ihre Bewertung daruber, welchen individuellen Nutzen sie vom Tutorium
ziehen konnten, unterschieden sich Frauen und Manner zum Teil stark. Von den Frauen
konnten sich 84 Prozent im Tutorium gut auf den Leistungsnachweis der Lehrveranstal-
tung vorbereiten, bei den Mannern waren es 18 Prozentpunkte weniger (Cramers V=
0,427). Bis auf ein paar Ausnahmen sagten sowohl Frauen als auch Manner, dass sie keine
Schlusselkompetenzen verbessern konnten (Cramers V= 0,413). Dabei fanden allerdings
knapp sechzig Prozent der Manner es uberhaupt nicht zutreffend, wahrend es bei den
Frauen nur 23 Prozent waren (35 Prozentpunkte Unterschied).
Abbildung 12: Tutorium wieder besuchen
7%
15%
4%7%
67%
5%
23%
32%
41%
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
trifft überhaupt nicht zu
trifft nicht zu teils teils trifft zu trifft voll zu
Soziologen Politikwissenschaftler
Ob man das Tutorium wieder besuchen wurde, ist je nach Studienfach sehr unter-
schiedlich auf die einzelnen Kategorien verteilt (Cramers V= 0,503). Der Großteil der
Soziologen stimmte voll zu, dass sie das Tutorium wieder besuchen wurden. Die Vertei-
30
lung uber die einzelnen Kategorien war bei den Politikwissenschaftlern etwas ausgegli-
chener, wobei auch hier der Großteil eher zustimmte, dass Tutorium wieder besuchen zu
wurden. Dass der Tutoriumsbesuch sich gelohnt hat, bejahten zwei Drittel der Manner
und vier Funftel der Frauen (Cramers V= 0,363).
Abbildung 13: Organisation des Tutoriums
27%
34%
34%
36%
44%
53%
31%
46%
48%
37%
14%
25%
14%
10%
15%
3%
7%
5%
7%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
sinnvoll strukturiert ("roter Faden")
Sitzungen zeitlich effizient genutzt
gute Vorbereitung auf Prüfungsleistung
Inhalte von Tutorium und LV gut aufeinander abgestimmt
Ziele insgesamt sind klar geworden
trifft voll zu trifft zu teils teils trifft nicht zu trifft überhaupt nicht zu
Frage: Bitte bewerte die folgenden Aussagen zur Strukturierung der Tutorien.
Die insgesamt positive Bewertung der Organisation der Tutorien spricht dafur, dass
eine gute Absprache zwischen Dozent und Tutoren stattgefunden haben muss. Es be-
stand wenig Zweifel uber die Ziele des Tutoriums insgesamt. Zudem stimmten viele der
Aussage zu, dass die Inhalte von Tutorium und Lehrveranstaltung gut aufeinander ab-
gestimmt waren. Dass die einzelnen Sitzungen zeitlich effizient genutzt wurden und
sie gut auf die Prufungsleistung vorbereitet wurden, fand jeweils ein Drittel voll zu-
treffend. Eine sinnvolle Strukturierung schien nicht ganz gelungen zu sein: Der ”rote
Faden“ war fur viele Studierende etwas weniger erkennbar.
31
Die Urteile der Soziologen und Politikwissenschaftler uber die zeitlich effiziente Nut-
zung der einzelnen Sitzungen waren sehr ahnlich, wobei allerdings gut vierzig Prozent
der Politikwissenschaftler der Aussage zustimmten, wahrend knapp zwanzig Prozent von
ihnen sogar sehr zustimmten; bei den Soziologen war die Verteilung umgekehrt (Cramers
v=0,309).
5.5 Erklarung der Qualitatsbeurteilung
Zum Schluss soll noch untersucht werden, welche Faktoren wie zum Gesamturteil uber
die Qualitat des Tutoriums beitragen. Daraus lassen sich Schlusse daruber ziehen, welche
Veranderungen angestrebt werden konnen und mussen, um die Tutorien noch wirksamer
als Unterstutzung im Studienprozess einsetzen zu konnen.
Prinzipiell gibt es bei der Interpretation der durchgefuhrten Regressionsanalysen zwei
Probleme: zum einen ist die Streuung in den Beurteilungen der Tutorien, des Tutors und
der Qualitat nicht besonders groß. Zum anderen sind die Verteilungen schief, da meist
eine positive Bewertung uberwiegt. In Verbindung mit der geringen Fallzahl an beteilig-
ten Studierenden finden sich hier lediglich geringe Effekte. Im ersten Schritt wurde der
Einfluss jedes einzelnen Aspekts auf die Bewertung der Qualitat insgesamt gemessen.
Anschließend wurden nur die Bewertungen, die einen signifikanten Einfluss hatten, wei-
terverwendet und miteinander verglichen, um feststellen zu konnen, welche der Variablen
den starksten Effekt hat.
Keiner der Punkte, die den Tutor betreffen, hat einen signifikanten Einfluss auf die
Qualitatsbewertung. Dass lasst sich dadurch erklaren, dass alle Eigenschaften des Tutors
von allen Teilnehmern als wichtig gesehen und sie gleichbleibend hoch bewertet wurden.
Die Inhalte hingegen haben eine starkere Auswirkung, was darauf hinweist, dass dort
noch Verbesserungsbedarf besteht. So zeigt sich, dass je besser das Tutorium die Stu-
dierenden auf die Prufungsleistung vorbereitet hat, je ausfuhrlicher die Inhalte anhand
praktischer Beispiele geubt wurden, je besser die Inhalte von Tutorium und Lehrveran-
staltung gut aufeinander abgestimmt waren und je effizienter die einzelnen Sitzungen
zeitlich genutzt wurden, desto positiver fallt die Qualitatsbeurteilung der Tutorien aus.
Am starksten wirkt die Vorbereitung auf die Prufungsleistung. Den geringsten Einfluss
hat die Wichtigkeit, spezifische Inhalte anhand praktischer Beispiele zu uben.
Auf die durchschnittlichen Bewertungen der Items, die sich auf die Qualitat des Tutori-
ums insgesamt beziehen, hat zudem die Zugehorigkeit zu einem der Wichtigkeitscluster
keinen signifikanten Einfluss. Das heißt, es spielt keine Rolle, ob man zu der Gruppe
gehort, die alle Aspekte wichtig findet, oder zu der, die es weniger wichtig findet: die
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Bewertung ist gleich.
Betrachtet man hingegen die Gruppen, die sich in der Bewertung der Person und
Leistung des Tutors unterscheiden, so hat die Zugehorigkeit zu einer der Gruppen einen
signifikanten Einfluss darauf, wie die Qualitat des Tutoriums insgesamt beurteilt wird.
Die durchschnittliche Bewertung der Tutoriumsqualitat insgesamt bei denen, die auch
den Tutor in allen Punkten sehr gut bewerteten (Gruppe 2), ist am hochsten (6,3 auf der
siebenstufigen Skala). Die der Gruppe 1, deren Urteil eher in der oberen Mitte lag, liegt
auch in der Qualitatseinschatzung an zweiter Stelle (5,6 auf der siebenstufigen Skala). Im
Gegensatz dazu weisen die durchschnittlichen Bewertungen der Gruppe 3, die den Tutor
generell eher negativ beurteilt hat, den geringsten Wert auf (2,5 auf der siebenstufigen
Skala). Diese Effekte finden sich auch wieder, wenn anstelle der generellen Qualitatsbe-
urteilungen die Aussagen ”Ich konnte mich im Tutorium gut auf den Leistungsnachweis
der Lehrveranstaltung vorbereiten“, ”Das Tutorium weckte/vertiefte mein Interesse am
Thema“, ”Der Besuch des Tutoriums hat sich gelohnt“, ”Ich werde meinen Kommilito-
nen den Besuch des Tutoriums empfehlen“, ”Ich wurde das Tutorium wieder besuchen“,
”Das Tutorium hat mein Verstandnis fur wissenschaftliches Arbeiten verbessert“ und
”Ich habe im Tutorium inhaltlich viel gelernt“ herangezogen werden.
6 Fazit
Die Bewertungen sowohl uber das Tutorium als auch uber die Tutoren fielen insgesamt
sehr positiv aus. Trotzdem gibt es einige Punkte, die noch verbessert werden konnten.
Ziele des Tutoriums
Problematisch scheint die Diskrepanz zwischen den Lehr- und Lernzielen, die der Fachbe-
reich mit dem Ausbau der Tutorien verfolgt, und den Erwartungen, die die Studierenden
an die Funktion der Tutorien haben. Wahrend der Fachbereich Tutorien als Lernunter-
stutzung und Raum fur weiterfuhrende Diskussionen sieht, scheint es fur viele Studie-
rende die bloße Funktion der Wiederholung der Vorlesung und Vorbereitung auf den
Leistungsnachweis zu haben. Um die Zufriedenheit und die Wirksamkeit der Tutorien
zu erhohen, muss deshalb im Vorhinein geklart werden, welche Funktion das Tutori-
um einer bestimmten Veranstaltung genau haben soll. Hier sind vor allem die Dozenten
gefragt: Sie sollten ihr Lehrkonzept, dass die Tutorien idealerweise mit spezifischen Zie-
len einschließt, deutlich prasentieren und dadurch fur Studierende und Tutoren klare
Orientierungen geben.
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Erwerb von Schlusselkompetenzen
Weniger Beachtung in den Tutorien wurde dem Erlernen und Uben von Techniken des
wissenschaftlichen Arbeitens geschenkt. Zwar bewerteten viele Studierende die Wichtig-
keit dieses Aspekts im Vergleich zu anderen Punkten auch eher gering, jedoch sollte nicht
aus den Augen verloren werden, dass die Beherrschung bestimmter Schlusselkompeten-
zen fur den erfolgreichen Abschluss des Studiums eine wichtige Rolle spielt. Entweder
sollte die Moglichkeit bestehen, diese Kompetenzen anders zu erwerben, oder aber es
muss mehr Wert auf das Vorkommen im Tutorium selbst gelegt werden. Die Gruppen-
große und die Tatsache, dass die Studierenden unter sich sind, erlaubt es ihnen, sich
auszuprobieren. Allerdings muss auch bedacht werden, dass die Zeit des Tutoriums eher
gering ist: Das Aufnehmen der Aufgabe der Vermittlung von Schlusselkompetenzen stellt
moglicherweise eine Uberlastung der Tutorien und auch der Anspruche an den Tutor dar.
Um Unklarheiten zu verhindern sollte die Aufgabe von Tutorien in der Ausbildung ge-
nauer diskutiert und definiert werden.
Fahigkeiten des Tutors
Wahrend die Tutoren generell sehr positiv bewertet wurden, gab es zwei Punkte, in denen
sie nicht so gut abschnitten: Sie waren nicht immer erfolgreich darin, schwierige Sachver-
halte anschaulich zu erklaren und die Teilnehmer fur das Thema zu interessieren. Indem
in der Tutorenausbildung mehr Gewicht auf das Erlenen didaktischer Fahigkeiten gelegt
wird, konnte zumindest der erste Punkt verbessert werden. Eine weitere Maßnahme ware
eine bessere Zusammenarbeit zwischen Dozent und Tutor, um gemeinsam zu uberlegen,
wie Kompliziertes am besten verstandlich gemacht werden kann. Um das Interesse am
Thema zu wecken, konnte es vielleicht auch helfen, bei der Auswahl der Tutoren generell
darauf zu achten Studierende auszusuchen, die nicht nur fachlich kompetent sind, son-
dern auch engagiert das eigene Interesse am Fach glaubhaft vermitteln konnen. Desto
mehr Interesse sie selbst am Thema zeigen und motiviert sind, umso großer ist auch
die Wahrscheinlichkeit, dass der Funke auf die Tutoriumsbesucher uberspringt. Generell
sollte versucht werden, die Studierenden mehr zu motivieren und ihr Interesse fur das
jeweilige Thema zu wecken. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl personliche Eigenschaf-
ten als auch didaktische Fahigkeiten des Tutors fur die Studierenden wichtig sind. Um
sie zu starken, sollte neben der Ausbildung in der Tutorenschulung auch eine nachhal-
tige didaktische Unterstutzung der Tutoren wahrend des Semesters in Betracht gezogen
werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist in den Hospitationen der Tutorenausbil-
der in den letzten beiden Semestern zu sehen. Das individuelle Feedback auf konkrete
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Tutoriumssituationen ist eine hilfreiche Unterstutzung bei der Entwicklung didaktischer
Kompetenzen aber auch bei der Rollenfindung fur die Tutoren. Der standardmaßige Ein-
bezug der Tutorien in die Evaluation der Lehre am Fachbereich ist ein weiterer Baustein,
den Tutoren ein hilfreiches Feedback - hier von den Studierenden selber - zu geben. Die
Erweiterung der Tutorenausbildung muss aber nicht nur auf Initiative der Ausbilder ge-
schehen. Eine Moglichkeit besteht auch darin, die bestehenden Tutorennetzwerke viel
starker in den Erfahrungsaustausch einzubeziehen, so dass die Tutoren untereinander
aus positiven und negativen Erfahrungen lernen konnen. Die gegenseitige Unterstutzung
kann fachbezogen oder fachubergreifend organisiert werden.
Rahmenbedingungen
Ein weiterer Zweck der Einfuhrungen von Tutorien bestand darin, Arbeit in kleineren
Gruppen zu ermoglichen, um so alle Teilnehmer aktiv einzubeziehen. Zwar wurde die
gute Arbeitsatmosphare und das Einbeziehen der Teilnehmer von den Befragten gelobt,
allerdings ließen die Rahmenbedingungen, insbesondere die Raume, meist zu wunschen
ubrig. Dies wurde in den standardisierten Antworten nicht erwahnt, aber in vielen offe-
nen Antworten genannt. Daran wird sichtbar, dass die Raumsituation durchaus Einfluss
auf die Teilnehmer hat. Das Problem ist, dass selbst die beste Lehre nichts nutzt, wenn
die außeren Bedingungen Defizite aufweisen. Deshalb wurden sich die Muhen, fur ange-
messene und besser ausgestattete Raume zu sorgen, sehr lohnen.
Im Großen und Ganzen konnen die Tutorien als sehr gut bezeichnet werden: Sie er-
fullen ihre Aufgabe, die Studierenden in ihrem Lernprozess zu unterstutzen. Nichtsde-
stotrotz konnten sie noch optimiert werden, indem vor allem das Tutorenkonzept weiter
ausgebaut wird, und auch die Dozenten starker einbezogen werden.
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