TU Berlin, Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre
Wintersemester 2015 / 16
Seminar: Projekte im Modul Produkte und Produktion
Dozenten: Pamela Jäger, Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel
Alleskönner Kunststoff – Praktisch, flexibel aber gefährlich?
Schwerpunkt: Plastiktüten und ihre Alternativen
Abgabedatum: 08.07.2015
Vorgelegt von: Feierabend, Jenny
Meyenberg, Konrad
2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3 2. Problem Kunststoff 5 2.1 Rohstoffe und Verarbeitung 5 2.2 Nutzungsphase 6 2.3 Markttreibende Faktoren 8 2.4 Nachnutzungsphase 9 2.4.1 Plastikmüll im Ozean 9 2.5 Problem Wegwerfgesellschaft 11 3. Mögliche Vermeidungsstrategien 13 3.1 Plastikfasten 15 3.2 Verringerung des Kunststoffeinsatzes bei der Produktion
16
3.3 Re-Use 17 3.4 Dienstleistungen statt Produkte 18 3.5 Zusammensetzung / Recycling 19 3.6 „Ersatzstoffe“ 20 4. Themenschwerpunkt – Plastiktüten 23 4.1 Plastiktüte – Maßnahmen zur Reduktion 25 4.1.1 Gebühren 27 4.1.2 Vermeiden 29 4.1.3 Andere Transportmöglichkeiten 30 4.2 Vergleich Plastiktüte und… 31 4.2.1 …Tüten aus „Bioplastik“ 32 4.2.2 … Papiertüten 33 4.2.3 … Baumwollbeutel 35 4.2.4 …Mehrwegtragetaschen aus Recyclingkunststoff
37
5. Fazit 6. Quellenverzeichnis
39 42
7. Anhang 47
3
1. Einleitung
Vom Schuh über Trinkflaschen, Möbel, Elektrogeräte bis hin zum Kinderspielzeug –
Kunststoffe sind allgegenwärtig und erleichtern dank ihrer flexiblen Eigenschaften das Leben
in nahezu allen Bereichen. Für unsere Wirtschaft ist Plastik längst zu einem unverzichtbaren
Gut geworden. Die Bereitstellung ist häufig günstiger als die von herkömmlicheren
Naturwerkstoffen, wie Holz oder Metall. Zudem eignet es sich in aller Regel gut für die
Wiederverwertung. In einigen Fällen, beispielsweise im Autobau, sorgen Kunststoffe aufgrund
des geringen Gewichts sogar für Energieersparnisse und können somit positiv zum
Umweltschutz beitragen. In vielerlei Hinsicht scheint Plastik also ein Segen zu sein. Erst bei
genauerer Betrachtung offenbaren sich zahlreiche Schattenseiten des omnipräsenten
Werkstoffes.1
Trotz fortschreitender Technisierung und neu entwickelter Recyclingmethoden bekommt die
Welt ihr Müllproblem nicht in den Griff. Die Erde versinkt im Müll. So oder so ähnlich lauten
die Überschriften unzähliger Veröffentlichungen und Zeitungsartikeln. Laut Focus-Online
produzierte die Menschheit im Jahr 2013 ca. 3,5 Millionen Tonnen Abfall pro Tag und eine
Trendwende scheint nicht in Sicht zu sein. Besonders wirtschaftlich starke Regionen Europas
und Nordamerikas tragen erheblich zum Problem bei, auch wenn das Müllaufkommen in
diesen Staaten aktuell zu stagnieren scheint. In anderen Regionen, besonders dort, wo das
Wirtschaftswachstum hoch ist, wachsen die Müllberge jedoch rasant.2 Auch, wenn es in
Deutschland und anderen europäischen Ländern häufig nicht auf den ersten Blick sichtbar ist,
stellt dieses riesige Abfallaufkommen schon heute ein enormes Problem für unsere Umwelt
und für unsere Gesundheit dar. An unzugänglichen Orten, an denen die Stadtreinigung nicht
regelmäßig ihrer Arbeit nachgehen kann, bekommt man eine Idee davon. Der unästhetische
optische Eindruck ist dabei jedoch noch das kleinste Problem. Mit unseren Abfällen scheinen
wir viel zu unbedacht umzugehen. Durch achtloses Beseitigen gelangt unser Müll in unsere
Umwelt und verteilt sich dort über verschiedene Wege, weitgehend unkontrollierbar. In den
Weltmeeren bilden sich durch Strömungen riesige Plastikinseln, Mülldeponien verunreinigen
unser Grundwasser und setzen sogenannte Deponiegase frei, Müllverbrennungsanlagen
produzieren klimaschädliches Kohlendioxid und andere schädliche Stoffe, wie Schwermetalle,
1 allianz-pro-nachhaltigkeit.de 2 Focus.de
4
Kohlenmonoxid, Stickoxide, Schwefeloxide und Dioxine.3 Hinzu kommt, dass die materiellen
Ressourcen unseres Planeten nicht unendlich sind. Erdöl ist die Grundlage herkömmlicher
Kunststoffe. Dieses ist nach wie vor unverzichtbar für die Energiegewinnung für einen Großteil
unserer Gesellschaft. Der Abbau von Rohstoffen bedarf Energie und ist mitunter mit
erheblichen Umweltbelastungen verbunden. Außerdem kann eine Verknappung von
Ressourcen zu Destabilisierungen und Konflikten in Ländern führen, in denen diese noch
abgebaut werden.4
Die vorliegende Ausarbeitung soll zunächst zeigen, welche negativen Auswirkungen Produkte
aus Kunststoff, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu ihrer Entsorgung, auf unsere Umwelt
und unsere Gesundheit haben können. Anschließend werden Strategien zur Vermeidung von
Plastikabfällen vorgestellt und auf Sinn, Effektivität und Alltagstauglichkeit untersucht. Der
Schwerpunkt dieser Arbeit beschäftigt sich mit der derzeit viel diskutierten Einweg-
Tragetasche aus Polyethylen, oder kurz – Plastiktüte. Dieses Produkt gilt in Deutschland noch
immer als selbstverständliche, oftmals als kostenlose Beigabe eines jeden Einkaufs und wird
von vielen Konsumenten unreflektiert angenommen und nach kürzester Zeit wieder entsorgt.
Die Plastiktüte steht somit beispielhaft für einen zweifelhaften Umgang unserer Zivilisation
mit wertvollen Rohstoffen und Gebrauchsgegenständen. Meist landet die Einweg-
Kunststofftüte nach einmaliger Benutzung und enorm kurzer Nutzungsdauer im Müll. Daher
soll im Folgenden geklärt werden, welche Alternativen es zu dieser Tüte gibt und wie diese im
Vergleich abschneiden. Mit Hilfe dieses Vergleichs soll abschließend ein Leitfaden für den
verantwortungsvolleren Umgang mit unserer Natur, unseren Rohstoffen und unserer
Gesundheit ermittelt werden.
3 Energie zum Anfassen 4 Wefers / Hoffmann, 2015, S. 5
5
2. Problem Kunststoff
Als nicht unwesentlicher Teil der Umweltbelastungen gelten die verschiedenen Kunststoffe,
welche im Folgenden umgangssprachlich auch Plastik genannt werden. Dieser Begriff
entstammt dem Griechischen und bedeutet ursprünglich geformte bzw. formende Kunst. Die
Erfindung des Kunststoffs, wie wir ihn heute kennen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts
veränderte unseren Alltag und die Industrie grundlegend. Fast überall auf der Welt prägt
Plastik das Bild unserer Zivilisation. Der Begriff Kunststoff ist ein Sammelbegriff für alle
Materialien, welche aus organischen Stoffen synthetisch hergestellt werden. Vereinfacht
gesagt werden bestimmte Stoffe, unter erheblichen Rohstoff- und Energieeinsatz, in einen
vollkommen neuen Stoff, mit nahezu frei wählbaren Eigenschaften umgewandelt.5
Die Vorteile des Werkstoffes Plastik können nicht von der Hand gewiesen werden. Der
vollkommene Verzicht von Kunststoffen scheint aus heutiger Sicht nicht möglich. Die Gefahren
für Mensch und Natur sind jedoch ebenso wenig zu ignorieren. Denn trotz der Allgegenwart
von Plastik ist den meisten Menschen nicht bewusst, wo es herkommt, wie es entsteht und
welche vielfältigen Gefahren es birgt. Vom Abbau benötigter Rohstoffe, über die Nutzung von
Kunststoffprodukten bis hin zur Entsorgung nach der Nutzung ergeben sich zahlreiche
Gefahren für Mensch und Natur.
2.1 Rohstoffe und Verarbeitung
Die Nutzung seltener Rohstoffe für die Herstellung von Kunststoffen nimmt seit Jahrzehnten
beständig zu und ist somit ein gewaltiges Problem für sich. Zwischen 1950 und 2012 hat sich
die globale Produktion von Kunststoff von 1,7 auf 288 Millionen Tonnen gesteigert.6 Ungefähr
ein Viertel des weltweiten Plastikverbrauchs geht auf die Kosten Europas und mit 11,7
Millionen Tonnen pro Jahr ist Deutschland unangefochtener Europameister im
Plastikverbrauch. Grundstoffe für die Herstellung von Plastik sind überwiegend Erdöl, Kohle
und Erdgas. Fast 5% der Erdölressourcen werden für die Kunststoffproduktion aufgewendet.
Für die Herstellung von einem Kilogramm Plastik wird mindestens die doppelte Menge Öl
benötigt.7 Meist werden entsprechende Stoffe in den ärmeren Regionen der Welt abgebaut,
5 www.plastkmeer.plasticcontrol.de 6 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 7 7 www.bund.net
6
in denen, zu Gunsten der rohstofffördernden Industrie, häufig wenig Wert auf Umweltschutz
und Menschenrechte gelegt wird. Als Folge dessen kommt es nicht selten zu humanitären
Notständen und Umweltkatastrophen.8
Die Verarbeitung von diesen Rohstoffen zu Kunststoff ist zudem nur unter erheblichem
Energieeinsatz möglich. Außerdem stellt das Hinzufügen zahlreicher Zusatzstoffe ein
zusätzliches Risiko dar, da einige dieser Additive erwiesenermaßen gesundheits- und
umweltschädlich sind.9
2.2 Nutzungsphase
Kunststoffe sind vielseitig einsetzbar, leicht und flexibel und finden daher Anwendung in
nahezu jedem Bereich unseres Lebens und unserer Industrie. Den unterschiedlichen
Kunststoffen können durch Beimischung von Zusatzstoffen bzw. Additiven fast frei
bestimmbare Eigenschaften verliehen werden.10 So kann Plastik sowohl extrem hart oder
durch Einsatz von Weichmachern besonders weich sein. Die entsprechenden Weichmacher
sollen Sprödigkeit und unerwünschte Härte verhindern und für bessere Formbarkeit sorgen.
Die Beifügung solcher Stoffe hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf die
Materialeigenschaften. Längst stellten sich diese als umwelt- und gesundheitsschädigend
heraus, weshalb die europäische Industrie immer häufiger auf deren Einsatz verzichtet. Plastik
kann sowohl chemische als auch thermische Beständigkeit aufweisen. Zu diesem Zwecke
werden dem Kunststoff sogenannte Stabilisatoren beigemengt. Diese sollen dem Material
verbesserte chemische Eigenschaften verleihen und es widerstandsfähiger gegenüber Feuer,
Wärme, Strahlung und Oxidation machen.11 Hinzu kommt die Eigenschaft, dass Plastik keinen
elektrischen Strom leitet und somit in vielen elektronischen Geräten für die Leiterisolation und
als Gerätegehäuse verbaut wird.12
Die Hauptkomponente aller Kunststoffe, die Polymere, sind nicht wasserlöslich. Ihnen ist es
auch nicht möglich, die Membranbarrieren von Mikroorganismen zu durchdringen. Eine
unmittelbare Wechselwirkung zwischen Kunststoff mit einem lebenden Organismus ist daher
8 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 8 9 Ebd. 10 www.plastic-planet.de 11 www.chemie.de 12 www.plastic-planet.de
7
so gut wie ausgeschlossen. Polymere sind also für sich, während der Nutzungsphase von
Kunstsoffen, eher unbedenklich.13
Anders verhält sich dies jedoch mit den hinzugefügten Additiven, welche häufig nicht
dauerhaft fest im Kunststoff gebunden werden können. Diese Zusatzstoffe können mit der
Zeit aus der Oberfläche des Materials austreten und somit in die Umwelt und auch in den
menschlichen Körper gelangen.14 Die Verwendung solcher Zusatzstoffe in
Lebensmittelverpackungen, medizinischen Geräten und Kinderspielzeug ist daher in Europa
streng reglementiert und bedarf besonderer Zulassungen.15 Die bekanntesten Additive, die
Weichmacher, können bereits bei geringer Konzentration eine hormonelle Wirkung auf den
menschlichen Körper aufweisen. Dies kann mitunter zu weitreichenden Störungen einer
Vielzahl von Stoffwechselvorgängen führen. Erhöhtes Asthmarisiko, Blutkrebs, Übergewicht,
Diabetes oder Unfruchtbarkeit sind nur einige der zu befürchtenden Folgen.
Eine Studie des Umweltbundesamtes zeigte, dass sich bereits bei nahezu allen getesteten
Kindern entsprechende gesundheitsgefährdende Substanzen nachweisen ließen. Besonders
für Babys und Kleinkinder kann dies zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. 16
Aber nicht nur die gelösten Additive stellen ein Gesundheitsrisiko dar. Auch im Falle eines
Brandes geht von Kunstoffen eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus. Zum einen dienen sie
mitunter als Nahrung für die Flammen, zum anderen setzen sie giftige oder ätzende Gase frei,
welche im Falle des Einatmens schwerwiegende Folgen haben kann. Auch der Kontakt mit
geschmolzenem Plastik kann erhebliche Verletzungen nach sich ziehen.17
13 www.chemie.de 14 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 8 15 www.chemie.de 16 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 8 17 www.chemie.de
8
2.3 Markttreibende Faktoren
Trotz der Risiken wächst der globale Kunststoffmarkt, Schätzungen zufolge, um circa 8,5%
jährlich. Ein Grund dafür ist, dass die Palette der zur Verfügung stehenden Kunststoffe ständig
zunimmt. Dank neuer Herstellungsverfahren und neuartigen Zusatzstoffen kann Kunststoffen
immer wieder neue Eigenschaften verliehen werden. Plastik erschließt somit immer wieder
neue Anwendungsgebiete. Immer häufiger können andere Werkstoffe, wie Metall oder Holz,
durch immer günstiger zu produzierende Kunststoffteile ersetzt werden. Besonders in der
Automobil- und Verpackungsindustrie ist die Nachfrage nach immer neuen Materialien
ungebrochen. Der Kostenfaktor ist, ein entscheidender treibender Faktor für die steigende
Nachfrage nach Kunststoffen. Nachhaltigkeit, Umwelt- und Ressourcenschutz müssen da
meist hintenanstehen. Aus Recycling- und Downcyclingprozessen stammende
Sekundärkunststoffe werden zu extrem günstigen Preisen auf den globalen Märkten
angeboten. Auch die zunehmende Zahl an Produktionsstätten in Niedriglohn- und
Entwicklungsländern stärkt das dauerhafte niedrige Preisniveau von Kunststoffen.
Zunehmend wird dies durch Preisanstiege und Preisschwankungen, denen sonstige
Werkstoffe, wie Stahl, Aluminium, Holz und Baumwolle ausgesetzt sind, begünstigt. Auch die
Nachfrage der Verbraucher, nach leichten und preiswerten Verpackungen wie bspw. PET –
Flaschen steigt stetig.18
Die folgende Abbildung verdeutlicht die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Plastik und der
sich daraus ergebenden Nachfrage.
(Quelle:
http://packaktuell.ch/umbraco/
webservices/ImageResizer.svc/
Resize?image=/media/648068/
einsatzbereiche_von_kunststoffen.jpg
&width=650)
18 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 17
9
2.4 Nachnutzungsphase
Trotz oder sogar aufgrund der vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten dient der Werkstoff
Plastik häufig für die Herstellung von eher minderwertigen Produkten. Diese Art Produkte sind
kennzeichnend für unsere Wegwerfgesellschaft. Artikel, welche uns noch heute lieb und teuer
sind, gelten schon morgen als überholt und landen übermorgen in der Wertstofftonne. Eine
Flut von Wegwerfartikeln überschwemmt unsere Deponien und Verbrennungs- bzw.
Recyclinganlagen und verschmutzt unsere Ökosysteme.19
2.4.1 Plastikmüll im Ozean
Besonders die Vermüllung von Seen, Flüssen und Ozeanen führt zu erheblichen
Umweltproblemen. Vor allem über die Flüsse gelangen jedes Jahr schätzungsweise 8 Millionen
Tonnen Kunststoffabfälle in die Ozeane. Eine Studie des Umweltprogramms der Vereinten
Nationen ergab, dass in jedem Quadratkilometer unserer Weltmeere bis zu 18.000 Teile aus
Kunststoff treiben.20 Aufgrund der langen Abbauzeit von Plastik bestehen circa dreiviertel des
im Meer oder an Küsten gefundenen Mülls aus Kunststoffen. Beispielhaft kann dies anhand
der folgenden Abbildung verdeutlicht werden. In einer Untersuchung von 2002 – 2008 wurden
im Rahmen des OSPAR – Spülsaum – Monitorings Abfälle an der Nordseeküste gezählt und
dokumentiert.21
(Quelle:http://rehab-republic.org/wpcontent/ media/2012/10/M%C3%BCllzusammensetzung.jpg)
Die Zersetzung des Plastiks sorgt zudem dafür, dass sich der Kunststoff in immer kleinere
Partikel zerteilt. Die locker gebundenen Additive schwemmen aus dem Kunststoff aus und
19 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 9 20 Ebd. S. 9 21 Umweltbundesamt, 2013, S. 5
10
gelangen über die Nahrungsaufnahme in Meerestiere und somit in unsere Nahrungskette. Das
gleiche gilt für die entstandenen Mikropartikel an sich. Diese binden an ihrer Oberfläche
chemische und organische Schadstoffe in hoher Konzentration aus dem Gewässer, welche
dann ebenso wie die gelösten Additive über die Nahrungskette bis in den menschlichen Körper
gelangen können.22 Die Zersetzung der Kunststoffe ist jedoch nicht der einzige Grund, warum
sich diese Mikropartikel in unseren Meeren finden lassen. Zahlreiche Kosmetikprodukte
(Zahnpasten, Peelings usw.), Kleidungsstücke oder Waschmittel haben diese als Inhaltsstoffe.
Mit unseren Abwässern gelangen diese dann ebenfalls über Umwege in die Meere, da sie nur
unzureichend von Kläranlagen herausgefiltert werden können. Neben der unfreiwilligen
Aufnahme dieser Mikroplastikteile durch Meerestiere verursachen diese auch erhebliche
Probleme, wenn sie auf den Meeresboden absinken. Die Struktur des Bodens wird dadurch
unter Umständen verdichtet werden. Die damit verbundene Aushärtung des Meeresbodens
verhindert in Folge dessen eine Durchmischung mit Nährstoffen und Sauerstoff, was
wiederum schwerwiegende Einflüsse auf den Lebensraum vieler Meerestiere hat.
Neben der unfreiwilligen Aufnahme von Kleinstteilen, nehmen viele Tiere jedoch auch größere
Kunststoffteile auf, da diese mit Nahrung verwechselt werden. Häufig führt dies zu
Schädigungen des Verdauungstraktes der Tiere, zu Magenverstopfungen und nicht selten zum
Tod.23 Immer wieder werden verhungerte Vögel, Schildkröten, sogar Wale mit plastikgefüllten
Mägen an den Küsten angespült. Forscher vermuten, dass 90 % der Meeresvögel Plastikteile
in ihren Mägen haben.24
Bei vielen Meerestieren kommt es zudem auch zu mechanischen Verletzungen durch große
Plastikteile. Sie bleiben in Getränkekästen, entsorgten Fischernetzen oder anderen Teilen
hängen, strangulieren sich und verenden. Von über 130 im Meer lebender Arten ist bekannt,
dass sie sich nachweislich regelmäßig in Müllteilen verfangen und in diesen ersticken.25
Wie enorm das Ausmaß der Verschmutzung ist lässt besonders gut in den großen
Meeresströmungswirbeln erkennen, in denen sich Plastiküberreste sammeln und riesige
Müllinseln bilden. So hat sich beispielsweise südlich von Hawaii ein Müllwirbel gebildet, in
dem, Schätzungen zufolge, mehr als 3 Millionen Tonnen Kunststoff rotieren. Die Ausmaße des
22 www.plastikmeer.plasticontrol.de 23 Umweltbundesamt, 2013, S. 2 24 www.plastikmeer.plasticontrol.de 25 www.bund.de
11
Müllstrudels sind gigantisch und nehmen täglich zu. Laut Wissenschaftlern des Scipps –
Institutes für Meeresbiologie ist diese Müllinsel in den letzten 40 Jahren um das Hundertfache
gewachsen.26
(Quelle:http://plasticontrol.de/wp-content/uploads/2012/10/Wirbel.jpg)
Die sogenannte „Garbage-Island“ umfasst mittlerweile mehr als die Größe des
amerikanischen Bundesstaates Texas. Wie auf der Abbildung zu sehen ist, gibt es jedoch auch
im Südpazifik, im Atlantik und im Indischen Ozean ähnlich große rotierende Müllinseln.27
Trotz einiger Untersuchungen ist die tatsächliche Menge des Mülls in unseren Meeren
bestenfalls zu erahnen. Meist wurden lediglich herumtreibende Plastikteile erfasst. Es ist
jedoch davon auszugehen, dass sich außerdem große Mengen auf dem Meeresboden
sammeln und in Sedimenten gebunden werden.28
2.5 Problem Wegwerfgesellschaft
Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass die Herstellung, Nutzung und Entsorgung von
Kunststoffen unsere Umwelt vor solch erhebliche Probleme stellt, obwohl Kunststoff zu
26 Wilts/Gries/Rademacher/Peters, 2015, S. 9 27 www.krosse.info 28 www.tagesanzeiger.ch
12
großen Teilen aus natürlichen Grundstoffen besteht und sich aufgrund seiner chemischen
Beschaffenheit recht gut dazu eignet, ohne großen Aufwand recycelt zu werden.29
Unter anderem ergibt sich dies aus unserem, häufig unreflektierten Umgang mit
Gebrauchsgegenständen und anderen Konsumgütern. Das Reparieren von
Gebrauchsgegenständen ist schon seit längerem aus der Mode geraten. Ganze Berufszweige,
welche sich auf Reparaturen von Gebrauchsgegenständen aufbauten, geraten in
Vergessenheit. Verbrauchern wird zudem von der Industrie suggeriert, dass es besonders
erstrebenswert sei, immer das neuste Modell eines bestimmten Artikels zu besitzen.
Gebrauchsgegenstände dienen nicht länger ausschließlich dem Gebrauch. Sie sind
Statussymbol oder Unterhaltungstool und repräsentieren einen scheinbar individuellen
Lifestyle, welcher äußerst kurzlebig ist und ständig neu definiert wird.30 Und für den Fall, dass
ein Nutzer bereit ist, ein Produkt über einen langen Zeitraum zu nutzen, werden nicht selten
Sollbruchstellen, ob mechanisch, elektronisch oder digital, in Geräten verbaut, um deren
Haltbarkeit künstlich zu begrenzen. Diese Maßnahme nennt sich „geplante Obsoleszenz“ und
gilt von Seiten der Verbraucherschützer als erwiesen, auch wenn es von Seiten der Hersteller
immer wieder dementiert wird. Die Langlebigkeit von Produkten, einst ein Qualitätsmerkmal,
wird heute häufig bereits bei der Produktion absichtlich verhindert. Daraus folgt, dass wir
immer häufiger neue Produkte kaufen und die alten im Müll entsorgen.31
Im Landesinneren Deutschland ist das Umweltproblem Plastik, im globalen Vergleich,
verhältnismäßig gering, da ein Großteil unserer Abfälle ordnungsgemäß entsorgt wird.
Siedlungsabfälle werden nicht unbehandelt auf Deponien gelagert, von wo aus diese
wiederum recht einfach in die Natur gelangen könnten. In vielen anderen Ländern ist dies
jedoch nicht der Fall. Abfälle werden häufig in der Natur entsorgt oder unbereinigt und
unsortiert auf teils riesigen Deponien gelagert. Somit können umweltschädigende Stoffe auch
trotz ordnungsgemäßer Entsorgung in der Natur landen. Aufgrund der langen Haltbarkeit von
Kunststoffen richten hauptsächlich diese dort erhebliche Schäden an.32
29 www.kunststoffe.de 30 www.goethe.de 31 www.fokus.de, b 32 Umweltbundesamt, 2013, S. 2
13
3. Mögliche Vermeidungsstrategien
Nachdem zunächst ein Rückgang bei der Verwendung und Produktion von Kunststoff
feststellbar war, steigt die Zahl seit 2010 nun wieder an. Die zusätzliche Abpackung von
kleineren Einheiten, nimmt besonders im Lebensmittelhandel zu und es ist ebenfalls ein Trend
hin zu Einwegverpackungen aus Plastik erkennbar.33 Probleme, die sich daraus ergeben liegen
unter anderem in dem Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von Kunststoff, jährlich
fließen etwa 5% des gewonnenen Erdöls in die Kunststoffproduktion. Die Förderung von Erdöl
zieht große Schäden an der Natur und der Tierwelt in den meist wirtschaftlich schwachen
Ländern nach sich. Zudem werden bei der Herstellung gesundheitsgefährdende organische
Lösungsmittel eingesetzt und eine hohe CO2-Emission verursacht. Auch können verschiedene
Inhalts- und Zusatzstoffe, wie Weichmacher, Bisphenol A und viele weitere mit der Zeit aus
den Produkten austreten und somit in den menschlichen Körper gelangen. Besonders auf den
empfindlichen Organismus von Säuglingen und Kleinkindern kann dies schädliche
Auswirkungen haben. Es werden Vermutungen zum Zusammenhang bestimmter
Erkrankungen, wie Asthma, Diabetes Mellitus und Brustkrebs mit den Inhaltsstoffen von
Kunststoffprodukten angestellt.34
„Die globale Kunststoffproduktion ist zwischen 1950 und 2012 von 1,7 auf 288 Millionen
Tonnen angestiegen, wovon im Jahr 2012 allein in Europa 57 Millionen Tonnen hergestellt
wurden.“35
Die Bedeutung von Kunststoff nimmt seit Mitte des vorangegangenen Jahrhunderts rapide zu
und führt zu einer enormen Produktionssteigerung in diesem Sektor.
Die Entsorgung von Plastik stellt eine Herausforderung dar, denn es ist nicht biologisch
abbaubar. Es muss hierfür Energie aufgewendet werden, die Kunststoffe zu verbrennen oder
zu recyceln, was wiederum den Ausstoß von CO2 nach sich zieht. Trotz Recycling-Bemühungen
gelangt ein großer Teil der Kunststoffe in die Umwelt und wird über Flüsse in das offene Meer
befördert, wo sie von Vögeln und Meeresbewohnern mit Nahrung verwechselt und gefressen
werden. Diese sterben dann entweder mit einem vollen Magen oder ersticken an den
Plastikteilen.36
33 Bund technischer Umweltschutz, S.37 34 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.8 35 NABU Hintergrund Plastikvermeidung, S.1 36 Plastiktüten – Alltagsphänomen und Umweltproblem, S.2
14
„Aufgrund der Materialbeständigkeit von Plastikabfällen zählen das Verheddern von
Meereslebewesen in Müllteilen und die orale Aufnahme, mit dem Risiko des Erstickens und
Verhungerns, zu den gravierendsten Problemen. Eine fünfjährige Studie in der Nordsee-
Region ergab, dass 95 Prozent der untersuchten Seevögel Plastik in ihren Mägen
aufwiesen.“37
Es gibt verschiedene Ansätze den Kunststoffeinsatz zu reduzieren. Viele setzen dabei auf die
Verwendung abbaubarer Endprodukte beziehungsweise nachwachsender Rohstoffe zur
Herstellung. Bei letzterem stellt sich allerdings das Problem, dass zur Anfertigung dieser Art
Kunststoffe landwirtschaftliche Flächen genutzt werden, welche sonst für Lebensmittel
bereitstünden. Ebenso problematisch ist der omnipotente Einsatz von Plastik in nahezu allen
Lebensbereichen und die damit einhergehende Anreicherung von Abbauprodukten, selbst
wenn sie biologisch abbaubar sind. Beispiele, wie Gülle und CO2 zeigen, dass auch natürlich
abbaubare Produkte, sobald sie ein gewisses Maß überschreiten zu einem Umweltproblem
werden können.38 Außerdem müssen biobasierte Kunststoffe energieaufwändig recycelt
werden. Aus der immer größer werdenden Vielfalt von Kunststoffen, ergibt sich die
Problematik des ökonomischen Betriebs einer Recyclinganlage, da Recycling nur sortenrein
erfolgen kann.39
Somit zeigt sich, dass der Ersatz von Kunststoff durch andere, teilweise biologisch abbaubare
Stoffe nicht ausreicht um das Problem in den Griff zu bekommen. Die Produktion von
Primärkunststoffen muss zurückgefahren werden. Durch die Grundsätze der Konsistenz,
Suffizienz und Effizienz können entlang der Wertschöpfungskette Einsparungen
vorgenommen werden, beispielsweise in den Rahmenbedingungen des
Herstellungsprozesses, der Produktion an sich und auch bei der Beschaffung und der
(möglichst langen) Nutzung eines Produkts. Mit Konsistenz wird ausgedrückt, dass sich
Produkte „möglichst problemlos in den bestehenden Naturstoffwechsel eingliedern“40. Dabei
ist nicht nur die biologische Abbaubarkeit gemeint, sondern auch der Verzicht auf Mittel und
Methoden in der Produktion, welche der Umwelt schaden oder Produkte, die nach ihrer
Nutzung lange Zeit auf der Erde verweilen und durch deren Anreicherung Schaden
37 Einwegplastiktüten Hintergrundpapier 2015 S.7 38 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.20 39 Ebd. S.14 40 Ebd. S.20
15
verursachen. Ein Beispiel dafür ist der Cradle-to-Cradle-Ansatz, dessen Ziel es ist Produkte
herzustellen, die sich unendlich weiterverwenden oder problemlos in die Natur zurückführen
lassen. Der Ansatz der Effizienz geht darauf zurück, dass sich die Vereinbarkeit der Produktion
mit dem Naturkreislauf nicht hundertprozentig umsetzen lässt beziehungsweise Ausmaße von
möglichen Schäden nicht von Beginn an abzuwägen sind. Daher schlägt dieser Ansatz eine
generelle Reduktion des Inputs vor, um gleichzeitig den gegebenenfalls schädlichen Output zu
reduzieren. Der Suffizienz-Ansatz behandelt die Problematik der Konsumentennachfrage, da
mit steigender Effizienz und Konsistenz die Nachfrage für Produkte steigt und zudem meist
die Preise sinken. Somit wird ein Produkt letzten Endes mehr gekauft, also die Ressourcen
insgesamt eher nicht geschont. In diesem Ansatz wird der Konsument mit in die
Verantwortung gezogen, da er mit seinem Kaufverhalten auch direkten Einfluss auf die
Produktion ausübt. 41
Im Folgenden werden weitere Strategien dargelegt, um den Kunststoffeinsatz zu reduzieren
und somit die Umweltbelastungen bei der Produktion aber auch nach der Nutzung zu
verringern.
3.1 Plastikfasten
Eine Option der Herstellung von noch mehr Kunststoff entgegenzuwirken ist der totale
Verzicht darauf, das sogenannte „Plastikfasten“. Wie der Name schon zu verstehen gibt, wird
bei dieser Strategie versucht jegliche Neuanschaffungen ohne Kunststoff zu tätigen. Eine
große Rolle spielt dies unter anderem im Bereich der Lebensmittel. Ein Großteil der
Nahrungsmittel, die sich im Supermarkt finden lassen, ist in Plastikverpackungen
eingeschweißt. Aus den Verpackungen werden jedoch mit der Zeit für den Menschen
schädliche Stoffe abgegeben und gelangen somit über das Lebensmittel in den menschlichen
Organismus. Die Auswirkungen sind noch wenig erforscht, vermutet werden jedoch
Zusammenhänge mit bestimmten Stoffwechsel- und Krebserkrankungen bis hin zu
Unfruchtbarkeit. Auch Produkte, in denen Lebensmittel ausbewahrt werden, wie Brotdosen,
Trinkflaschen usw. können diese Stoffe an die Nahrung und Getränke abgeben.42
Plastik fasten bietet das höchste Potential fossile und nachwachsende Ressourcen zu schonen,
indem sie nicht weiterhin der Produktion zugeführt werden müssen und reduziert den
41 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.20f. 42 Ebd. S.8
16
anfallenden Müll. Schwierigkeiten bei dieser Methode sind, dass einerseits Verpackungen von
Lebensmitteln deren Haltbarkeit erhöhen und durch den Verzicht also bestimmte Produkte
schneller verbraucht werden müssen. Außerdem ist es nicht immer möglich beziehungsweise
nur unter erschwerten Bedingungen möglich kunststofffreie Produkte zu kaufen. Bei
Nahrungsmitteln ist dies meist mit einem höheren Aufwand verbunden, wie das Aufsuchen
verschiedener Einkaufsmöglichkeiten oder dem Hinweis an den Verkäufer auf den Verzicht
beispielsweise von Folienverpackung des Käses oder der Wurst von der Frischetheke.
Alternativen, wie der Wochenmarkt oder Läden, in denen ausschließlich unverpackte
Lebensmittel angeboten werden müssen ausfindig gemacht und längere Wege in Kauf
genommen werden. Auch müssen für sogenannte Massenware, wie Reis oder Nudeln
Transportgefäße zum Abfüllen mitgebracht werden, der Einkauf muss dementsprechend
besser geplant werden. 43
Durch Projekte und Selbstversuche zum Plastik fasten, kann die Aufmerksamkeit der
Konsumenten stärker auf das Problem gelenkt werden und sie werden mehr für das Thema
sensibilisiert. Wünschenswert wäre, dass sich bei Wahlmöglichkeiten eher für ein alternatives
Produkt aus einem anderen Material entschieden wird. Auch könnte der Handel durch
Preisunterschiede zwischen verschiedenen Verpackungsmaterialien ein Umdenken beim
Konsumenten anregen oder auf Kleingebinde in einer zusätzlichen Verpackung verzichten.
3.2 Verringerung des Kunststoffeinsatzes bei der Produktion
Die Steigerung der Materialproduktivität beim Herstellungsprozess kann den
Kunststoffeinsatz verringern. Dies kann beispielsweise umgesetzt werden, indem der
Spritzguss von Klein- und Mikroteilen genauer dosiert und somit der überschüssige Anguss
reduziert wird. Dabei sind Materialeinsparungen von bis zu 90% möglich. Auch die
Reduzierung von Wandstärken auf ein Maß ohne Stabilitätseinbußen ist durch bestimmte
Verfahren umsetzbar, wobei Hohlräume herausgeblasen werden können. Durch Änderungen
im Design und in der Form von Produkten lassen sich außerdem Einsparungen, etwa beim
Gewicht erzielen. Die Verwendung von sortenreinem Plastik (Monomeren) erleichtert das
Recycling des Produkts am Ende der Nutzung und trägt somit zu der Reduzierung von
Primärkunststoffen bei.44
43 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.42ff. 44 Ebd. S.25ff.
17
Die Entwicklung in Deutschland zu mehr kunststoffleichter Verpackung ist besonders im
Handel zu beobachten. Mehrfache Verpackung von Produkten in kleinere Einheiten ist keine
Seltenheit. Dies wird ebenfalls genutzt, um versteckte Preiserhöhungen umzusetzen, wobei
der Packungsinhalt reduziert wird aber nicht der Preis. Die Materialkosten spielen beim
Verpackungsdesign nur eine untergeordnete Rolle, da sie sehr niedrig sind und bieten somit
den Unternehmen keinen ökonomischen Anreiz diese zu reduzieren. Gute Alternativen bieten
Mehrwegverpackungen und wiederverwendbare Transportverpackungen.45
Auch gibt es Strömungen im Handel gänzlich auf Verpackungen zu verzichten, wie das Beispiel
des Ladens „Original Unverpackt“ in Berlin zeigt. Hier kann sich der Kunde seine Lebensmittel
in genau den Mengen abfüllen, die er benötigt und spart somit nicht nur den
Verpackungsmüll, sondern auch überschüssige Lebensmittel, die sonst gegebenenfalls
verderben würden. Eine Tendenz zum Verzicht von Verpackungen ist auch in vielen Bio-Läden
zu beobachten. Hier wird besonders beim Obst und Gemüse verstärkt auf Verpackungen aus
Papier gesetzt. Ein gänzliches Fehlen verursacht natürlich auch Transportschwierigkeiten und
erhöht den Planungsaufwand des Einkaufs. So müssen Gläser, Kisten und andere Behältnisse
zum Abfüllen der Lebensmittel entweder selbst mitgebracht oder über ein Pfandsystem
ausgeliehen werden. 46
3.3 Re-Use
Die Nutzungsdauer vieler Produkte ist rückläufig. Fortschreitende Technik und zunehmende
Komplexität besonders bei technischen Geräten erschweren die Reparatur. Auch ist es häufig
finanziell nicht rentabel ein defektes Gerät zu reparieren, da der Preis für die Ersatzteile
aufgrund der geringen Nachfrage oft dem einer Neuanschaffung gleichkommt. Die
zunehmende Ablehnung der Wegwerfmentalität begünstigt Gegenströmungen, wie Second-
Hand Läden und Repair-Cafés. Da bei vielen Produkten große Anteile von Plastik verbaut sind,
lohnen sich diese Vermeidungsstrategien um die Produktion von Primärkunststoffen zu
verringern. Viele Wiederverwendungsnetzwerke basieren zudem auf ehrenamtlichen
Mitarbeitern, was sie attraktiv gegenüber kommerziellen Reparaturgeschäften macht. Bei
Kaffee und Kuchen können sich hier die Betreiber und Gäste gegenseitig beraten und ihr
Fachwissen weitergeben. Den Fragen nach dem Erhalt von Gewährleistung oder möglichen
45 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.29ff. 46 Ebd. S.31
18
Schwierigkeiten beim Weiterverkauf von Produkten sollte durch die Einhaltung von
Qualitätsnormen und standardisierten Verfahren begegnet werden. Es ist zu bedenken, ob
sich die Weiterverwendung von veralteten elektronischen Produkten tatsächlich lohnt, da
viele einen höheren Energieverbrauch aufweisen, als die neuen Geräte. Wobei in diese
Rechnung wiederum der Energieaufwand mit einzubeziehen ist, der bei der Produktion des
neuen Gerätes entsteht.47
„(…) Ergebnisse zeigen, dass der Umweltaufwand bei der Herstellung eines Notebooks
so hoch ist, dass er sich durch eine erhöhte Energieeffizienz in der Nutzung nicht in
realisierbaren Zeiträumen amortisieren lässt. Bei einer 10%-igen
Energieeffizienzsteigerung des neuen Notebooks im Vergleich zum alten liegen die
Amortisationszeiten zwischen 33 und 89 Jahren.“48
Bei technischen Geräten, die nicht sonderlich alt sind, kann eine Weiternutzung demnach
auch bei etwas höherem Energieverbrauch durchaus besser sein, als der Kauf eines neuen
Produktes. Es wird zudem immer mehr Kunststoff in ihnen verbaut, womit eine Reparatur
ebenfalls in diesem Bereich Einsparungen fördert. Für die Sicherstellung, dass die Geräte
weiterhin den Anforderungen der fortlaufenden Effektivität entsprechen, wäre ein modularer
Aufbau sinnvoll, welcher das Aufrüsten erleichtert. Die Verwendung von recycelbaren und klar
voneinander trennbaren Materialien ist der Müllreduktion und somit der Umwelt zuträglich.49
3.4 Dienstleistungen statt Produkte
Um die Produktion von Primärplastik zu reduzieren, muss der Konsum, sprich der Kauf neuer
Produkte gesenkt werden. Eine Strategie kann sein, bestimmte Produkte nicht käuflich zu
erwerben, sondern leihweise zu nutzen. Dies macht vor allem bei Artikeln Sinn, die nur selten
zum Einsatz kommen, wie spezielle Werkzeuge, Unterhaltungselektronik aber auch beim
Auto. Sich beispielsweise die Nutzung eines Autos und die Kosten dafür zu teilen erscheint
besonders in Städten sinnvoll, in denen der öffentliche Personennahverkehr gut ausgebaut
ist, die Parkplatzsituation sich eher als schwierig erweist und das Fahrzeug nur gelegentlich
47 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.32ff. 48 Ebd. S.33f. 49 Ebd. S.34
19
zum Beispiel für große Einkäufe oder Ausflüge und Urlaub genutzt wird. Bestimmte Geräte
und Werkzeuge werden in vielen Haushalten kaum genutzt und stellen somit eine unnötige
Anschaffung dar. Diese könnten dann entweder auf entsprechenden Portalen geteilt oder
vermietet werden. Ein weiteres Beispiel ist das elegante Abendkleid, welches zumeist nur für
einen oder sehr wenige Anlässe getragen wird und dann ungenutzt im Schrank hängt. Vermiet-
und Tauschbörsen bieten ein großes Potential solchen Anschaffungen entgegenzuwirken und
zudem Platz im eigenen Haushalt zu schaffen. Somit werden die Produkte maximal ausgenutzt
und die Arbeitsergebnisse bzw. der Output können beispielsweise durch die Verwendung
eines hochwertigeren Werkzeuges oder eines Elektrofahrzeugs verbessert werden. Außerdem
reduziert dies die Kunststoffproduktion, da weniger Artikel hergestellt werden müssen.50
Auf der anderen Seite können Rebound-Effekte, diese Einsparungen wieder zunichtemachen.
Damit ist gemeint, dass es durch eine kostengünstigere Möglichkeit Werkzeuge zu mieten
oder mittels Carsharing Autos zu nutzen, zu einer erhöhten Nachfrage und damit
Produktionssteigerung kommen kann. Grundsätzlich kommt es dabei aber auf den Bereich der
genutzten Produkte an und gibt es Möglichkeiten zur Regulierung von Rebound-Effekten,
indem beispielsweise Carsharing bei der Stadtplanung und dem Personennahverkehr
berücksichtigt wird.51
3.5 Zusammensetzung / Recycling
Der Begriff Recycling kommt aus dem Englischen und bedeutet Rücklauf oder
Wiederverwendung. Im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetztes §3 Absatz 25 wird Recycling
definiert als „(…) jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien
oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet
werden; es schließt die Aufbereitung organischer Materialien ein, nicht aber die energetische
Verwertung und die Aufbereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder
zur Verfüllung bestimmt sind.“52
Sortenreine Kunststoffe können gut recycelt und somit dem Produktionskreislauf wieder
zugeführt werden. Daher ist die Zusammensetzung von Kunststoffprodukten auch ein Ansatz
zur Reduktion dieser. PET beispielsweise lässt sich viele Male recyceln und stellt daher eine
50 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.34ff. 51 Ebd. S.46f. 52 https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/__3.html, zuletzt geprüft am 19.05.2016 um 15:05 Uhr
20
gute Option dar, um Produkte aus recyceltem PET zu produzieren. Dies schont sowohl die
Ressourcen und senkt den CO2-Ausstoß, denn bei der Verarbeitung von recyceltem PET wird
bis zu 70% weniger Energie verbraucht, als es bei der Herstellung eines neuen Produktes der
Fall wäre.53
Auch die Verwendung langlebiger Kunststoffe und Mehrwegverpackungen ist eine Option die
Produktion von Primärplastik einzuschränken. Zum Ende der Nutzungsdauer ist es dann
wichtig das Recycling entsprechend vorzubereiten und die Kunststoffe möglichst nah am Ort
der Abfallentstehung zu erfassen und materialschonend abzutransportieren, damit sie
entweder wiederverwendet oder im größtmöglichen Umfang recycelt werden können. Durch
die Mülltrennung und sortengleiche Erfassung kann in Deutschland der größte Teil des
Kunststoffmülls ordnungsgemäß entsorgt werden. Eine Lagerung auf Deponien findet in der
Bundesrepublik nicht mehr statt. Jedoch werden lediglich 42 Prozent des Kunststoffmülls dem
Recycling zugeführt, der restliche Anteil wird teilweise unter Energierückgewinnung aber auch
ohne energetischen Nutzen verbrannt.54
3.6 „Ersatzstoffe“
Unter diesem Ansatz ist zu verstehen, dass Plastik in den Produkten durch andere
umweltfreundlichere Materialien ersetzt wird. Dies können beispielsweise sogenannte
Biokunststoffe sein. Unter der Vorsilbe „bio“ sind im derzeitigen Sprachgebrauch
verschiedene Eigenschaften der Kunststoffe gemeint: entweder bestehen sie teilweise oder
vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen, wie zum Beispiel Stärke, Mais oder Zuckerrohr,
die sogenannten biobasierten Kunststoffe. Oder aber sie sind kompostierbar, wobei die
Bedingungen für die Kompostierbarkeit der Kunststoffe unter der DIN EN 13432 wie folgt
definiert wird:55
„(…) Biologische Abbaubarkeit im wässrigen Medium (Sauerstoffbedarf und
Entwicklung von CO2): Es ist nachzuweisen, dass mindestens 90% des organischen
Materials in 6 Monaten in CO2 umgewandelt werden.
(…) Nach 3 Monaten Kompostierung und anschließender Absiebung durch ein 2mm
Sieb dürfen nicht mehr als 10% Rückstände bezogen auf die Originalmasse verbleiben.
53 NABU Vortrag Recyclatinitiative, S.6 54 https://www.umweltbundesamt.de/daten/abfall-kreislaufwirtschaft/entsorgung-verwertung-ausgewaehlter-abfallarten/kunststoffabfaelle#textpart-3 55 Umweltbundesamt Bioplastik, S.3
21
(…) Untersuchung des Effekts von resultierenden Komposten auf das
Pflanzenwachstum (agronomischer Test), Ökotoxizitätstest.“56
Biologisch abbaubar bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Kunststoffe aus nachwachsenden
tierischen oder pflanzlichen Stoffen bestehen. Sie können auch fossile nicht nachwachsende
Inhaltsstoffe enthalten. Es geht lediglich um die Abbaubarkeit des Materials „in natürlich
vorkommende Stoffwechselendprodukte“57. Biobasierte Kunststoffe wiederum können unter
Umständen aus einem Stoffgemisch bestehen, welches sich nicht kompostieren lässt, „etwa
Hanf- und Flachsfasern mit Polypropylen, Polyethylen, Polyethylenterephthalat oder
Phenolharz und Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffen“58.
Hierbei müssen zudem weitere Schwierigkeiten bedacht werden: Biokunststoffe weisen nicht
die gleichen Eigenschaften auf, wie die Kunststoffe, die sie ersetzten sollen und kommen
daher in der Regel nicht in Reinform vor. Es werden ihnen wie bereits oben erwähnt Harze,
Kunststoffe und andere Verbindungen zugemischt, um die erwünschten Eigenschaften im
Endprodukt zu erreichen. Dies wiederum erschwert die umweltschonende Entsorgung.
Außerdem bilden sie nur einen kleinen Anteil und werden für deren Zersetzung bestimmte
Verfahren benötigt, die allerdings durch die geringe Anwendung kaum entwickelt und
ökonomisch eher nicht rentabel sind. 59
Es stellt sich daher eine ambivalente Einschätzung zum Einsatz von möglichen
„Ersatzkunststoffen“ heraus. Einerseits schonen sie die fossilen Ressourcen Erdöl und Erdgas
und lassen sich die Rohstoffe für biobasierte Kunststoffe meist im eigenen Land anbauen, was
der Landwirtschaft und der Entstehung von Arbeitsplätzen zuträglich ist. Auf der anderen Seite
fehlt zurzeit noch ein Nachweis, dass diese Kunststoffe tatsächlich die Umwelt entlasten. Sie
benötigen meist eine sehr lange Zeit um zu verrotten oder es müssen bestimmte Bedingungen
dafür vorherrschen. Diese können nur in Kompostieranlagen erzeugt werden, was die
Entsorgung zu einem energieaufwändigen Prozess machen kann. Zudem zerfallen sie nicht zu
nährstoffreichen Bodenbestandteilen, sondern in der Regel zu Kohlendioxid und Wasser. Die
Verbrennung dieser Kunststoffe ist daher energetisch sogar sinnvoller als deren
Kompostierung.60 Die Verwendung von Nahrungsmitteln zur Herstellung von biobasierten
Kunststoffen kann ebenfalls kritisch gesehen werden und stellt durch den Anbau von
56 DIN Kompostierbarkeit, S.1 57 Umweltbundesamt Bioplastik, S.3 58 Ebd. S.3 59 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.24 60 Umweltbundesamt „Tüten aus Bioplastik sind keine Alternative“
22
Monokulturen, den Einsatz von Pestiziden, Dünger und den Wasserverbrauch eine hohe
Umweltbelastung dar. Auch erschwert die fehlende Sortenreinheit der Kunststoffe das
Recycling.61
61 NABU Plastikvermeidungsstudie, S.38
23
4. Themenschwerpunkt – Plastiktüten
Die Plastiktüte kann heute als Symbol für die Wegwerfgesellschaft gesehen werden. Zwar
scheint sich das Bewusstsein vieler Verbraucher diesbezüglich gesteigert zu haben. Dennoch
werden nach wie vor in vielen Fällen kostenlose Plastiktüten verteilt. Der überwiegende Teil
dieser Plastiktüten sind Einwegtüten aus Polyethylen. Hergestellt werden diese in der Regel
aus Neugranulat, welches aus fossilen Rohöl gewonnen wird.62 Die Abgabe solcher Tüten
geschieht häufig sogar ungefragt. Der Verdacht liegt daher nahe, dass durch solch einen
inflationären Umgang mit einem solchen problembelasteten Produkt auch die Verbraucher
dazu verleitet werden, unachtsam und unreflektiert zur Plastiktüte zu greifen und diese
ebenso unachtsam, meist nach einer einmaligen Benutzung zu entsorgen. Der
durchschnittlichen Gebrauchsdauer von lediglich 25 Minuten steht eine extrem lange
Haltbarkeitsdauer von durchschnittlich 450 Jahren gegenüber, welche zu schwerwiegenden
Problemen führen kann, werden Plastiktüten nicht entsprechend entsorgt. In Deutschland
werden täglich ca. 18 Millionen Plastiktüten vom Handel in den Umlauf gebracht. Allein dafür
werden jährlich mehr als 200.000 Tonnen Rohöl verbraucht.63 Im deutschen
Lebensmitteleinzelhandel ist die kostenlose Abgabe von Plastiktüten an den Kassen eher
unüblich. Weiterhin werden jedoch die besonders dünnen Plastiktüten, mit einer Wandstärke
unter 0,05 Millimeter beispielsweise an Obst- und Gemüsetheken kostenlos und in
unbegrenzter Stückzahl angeboten.64 Laut dem Bundesumweltamt ist Bulgarien mit 421 Stück
pro Jahr und Person der unumstrittene Spitzenreiter des Plastiktütenverbrauchs innerhalt der
EU. Mit lediglich 18 Tüten pro Jahr und Person werden in Dänemark die wenigsten Tüten
verbraucht. Der durchschnittliche Verbrauch der EU-Länder liegt bei 198 Stück pro Person und
Jahr.65 (Bundesumweltamt, 2013, S. 1) Die Deutsche Umwelthilfe schätzt die Zahl des
weltweiten jährlichen Tütenverbrauchs auf über 1 Billion Stück, wovon lediglich 10%
sachgemäß recycelt werden.66
62 www.duh.de 63 www.bund-schneverdingen.de 64 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 2016, S. 3 65 Umweltbundesamt, 2013, S. 1 66 www.duh.de
24
(Quelle: http://img.zeit.de/wissen/umwelt/2014-11/plastiktueten-verbrauch-grafik/bitblt-820x461-
a3e51d71c8dda868e84c15b7e77b675bec3f935b/plastiktueten-verbrauch-grafik-540x304.jpg)
Für das Kunststoffprodukt Plastiktüte gelten überdies dieselben, bereits erläuterten,
Problematiken wie bei allen Kunstsoffen im Allgemeinen. Sie tragen in hohem Maße zur
Verschmutzung unserer Umwelt und letztendlich zur Gesundheitsgefährdung von Mensch
und Tier bei. Welchen Anteil an der Müllproblematik die Plastiktüten haben ist jedoch nicht
vollständig zu klären. Zudem variieren die Schätzungen unterschiedlicher Organisationen
mitunter stark. Laut EU wurden verschiedenen Studien und Säuberungsmaßnahmen
durchgeführt, wobei der von Schiffen aufgesammelte Müll, vor den Küsten der Toskana, zu
73% aus Plastiktüten bestand. 67
Die scheinbar grenzenlose Verfügbarkeit und die Materialeigenschaften der Plastiktüten
tragen zur weltweiten Verbreitung dieser zu. Sie sind unkompliziert herzustellen, robust,
wasserabweisend und leicht. Häufig werden sie nicht sachgemäß entsorgt oder gelangen
aufgrund ihres geringen Gewichts und der Windanfälligkeit wieder aus dem
Entwertungssystem. So werden sie beispielsweise aus öffentlichen Mülleimern, Mülltonnen
67 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 2016, S. 3
25
oder Deponien vom Wind in die Natur getragen und gelangen über die Kanalisation in unsere
Flüsse Seen und Meere.68
Bei einer weltweiten freiwilligen Säuberungsaktion (International Coastal Cleanup Day) im
Jahr 2012 landete die Plastiktüte mit über 4 Millionen gezählten Exemplaren auf dem 4. Platz
des Rankings. Ein Großteil des Plastiks in unseren Ozeanen, darüber sind sich die meisten
Studien einig, besteht aus Kleinstteilen, welche einem ursprünglichen Produkt nicht mehr
zuzuordnen seien. Aufgrund von Wellenbewegungen, mechanischer Belastungen und
Sonneneinstrahlung werden Tüten, ebenso wie sonstige Kunststoffteile immer weiter
zerkleinert. Es ist also davon auszugehen, dass Plastiktüten erheblich zur Kategorie der
Mikropartikel beitragen.69
4.1 Plastiktüte – Maßnahmen zur Reduktion
Die Plastiktüte steht als Sinnbild der Wegwerfgesellschaft besonders in Bezug auf die
steigende Menge an Kunststoffmüll. Sie ist leicht, platzsparend, robust und sehr variabel.
Diese Eigenschaften sind der Grund für ihre Beliebtheit aber auch dafür, warum sie so negativ
betrachtet werden kann. Weltweit werden jedes Jahr ungefähr eine Billion Plastiktüten
verbraucht.70 Durch ihr geringes Gewicht kommt es nur zu häufig vor, dass sie entweder
verloren gehen oder vom Wind aus dem Mülleimer herausgeblasen werden und somit in die
Natur gelangen, wo sie sich in Bäumen und Sträuchern verfangen oder über Flüsse weiter ins
offene Meer befördert werden. Dort können sich Meereslebewesen in den Tüten, Netzen und
anderem Plastikmüll verfangen und daran verenden. Auch werden Plastikteile von ihnen und
Seevögeln mit Nahrung verwechselt und gefressen. Die Tiere sterben dann mit einem Magen
voll mit Plastik.71
In Europa werden durchschnittlich 176 Plastiktüten pro Einwohner verbraucht, wobei dünne
Obst- und Gemüsebeutel, mit einer Wandstärke unter 15 Mikrometer in dieser Berechnung
nicht berücksichtigt werden, obwohl sie den signifikant höchsten Anteil an verbrauchten
Kunststoffbeutel ausmachen. Inklusive dieser dünnen „Hemdchenbeutel“ liegt der Verbrauch
bei 500 Tüten pro Einwohner Europas. Diese dünnwandigen Beutel, können in der Regel nur
68 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 2016, S. 3 69 Ebd. 70 Zahlen und Fakten zu Plastiktüten – Berlin tüt etwas S.1 71 Plastiktüten – Alltagsphänomen und Umweltproblem, S.2
26
einmal verwendet werden, da sie sehr schnell reißen. Deutschland weist zwar gemeinsam mit
Irland, Luxemburg und Österreich bei dem Pro-Kopf-Verbrauch der Kunststoffbeutel einen
sehr niedrigen Verbrauch mit 71 Tüten72 auf, jedoch hat es durch die hohe Bevölkerungszahl
im Gesamtverbrauch unter den viertschlechtesten Platz inne. In absoluten Zahlen
verbrauchen Italien, Großbritannien und Spanien noch mehr Tüten als die Bundesrepublik und
tragen somit zum hohen gesamteuropäischen Verbrauch von 251 Milliarden Tüten pro Jahr
bei.73
Dünnwandige Einwegplastiktüten, deren Wandstärke unter 50 Mikrometer liegt, werden im
Durchschnitt nur einmal verwendet und weisen somit eine Nutzungsdauer von 25 Minuten
auf. Durch diesen verschwenderischen Umgang entsteht ein enormes Entsorgungsproblem.
Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 71 Tüten pro Einwohner Deutschlands und einem
Durchschnittsgewichts von 20 Gramm pro Tüte, ergeben sich 1,42 Kilogramm pro Einwohner
und rund 115.000 Tonnen Plastiktüten in der gesamten Bundesrepublik im Jahr, 10.000 in der
Minute. Diese werden meist nach geringer Nutzungsdauer entsorgt und nur zu einem
geringen Anteil von 6,6 Prozent in Europa recycelt. 39 Prozent werden verbrannt, wobei
teilweise Energie zurückgewonnen wird. Die Hälfte wird ohne Energierückgewinnung
verbrannt oder auf Mülldeponien gelagert. Für letzteres beträgt die Dauer, die die Tüten zum
Verrotten benötigen 100 bis 500 Jahren. Weltweit wird so mit ungefähr 90 Prozent der
Plastiktüten verfahren. Deutschland besitzt über ein System zur Erfassung von (Plastik-)Müll
und dessen weitere Verarbeitung. So konnte festgellt werden, dass lediglich 40 Prozent der
Plastiktüten, welche im Gelben Sack entsorgt werden auch tatsächlich recycelt werden. Der
Rest wird mit oder ohne Rückgewinnung von Energie verbrannt, was zudem eine
Umweltbelastung darstellt. Viele Tüten landen erst gar nicht im Gelben Sack, sondern werden
als Müllbeutel in der schwarzen oder braunen entsorgt, woraufhin sie direkt in die
Verbrennungsanlage kommen.74
Um der zunehmenden Anreicherung von Plastik auf unserem Planeten entgegen zu wirken
wurden bereits mögliche Strategien aufgeführt. Die Plastiktüte stellt in diesem
Zusammenhang ein besonderes Beispiel dar, da sie im Prinzip kein Produkt ist, welches
unbedingt benötigt wird. Noch vor wenigen Jahrzenten gab es sie überhaupt nicht und
dennoch konnte jeder seine Einkäufe nach Hause transportieren. Durch die Tüte ist dies zwar
72 https://www.umweltbundesamt.de/themen/eu-parlament-will-plastiktueten-verbrauch-deutlich 73 Zahlen und Fakten zu Plastiktüten – Berlin tüt etwas S.2f. 74 Ebd. S.2ff.
27
noch leichter und bequemer geworden, jedoch wird sie derzeit in solch einem Überfluss
genutzt, dass die Auswirkungen auf die Umwelt nicht mehr hinnehmbar sind. Dieses Problem
ergibt sich vor allem aus der kostenfreien Bereitstellung von Einkaufstüten in den meisten
Läden, ausgenommen Supermärkten, wo lediglich die dünnwandigen Obst- und
Gemüsebeutel nichts kosten. Daher gilt es Strategien für die Reduzierung der Tüten zu
entwickeln oder Alternativen zu finden. Im Folgenden soll dies thematisiert werden.
Eine einheitliche Definition für Einweg- und Mehrwegbeutel gibt es nicht. Daher ist in den
folgenden Ausführungen unter Einwegtüte eine dünnwandige 50-15 Mikrometer starke Tüte
zu verstehen, welche in der Regel einmalig benutzt wird. Als Mehrwegtragetasche ist ein
dickwandiger Beutel mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikrometer gemeint, welcher
viele Male (mindestens im zweistelligen Bereich) verwendet werden kann. Tüten mit einer
Wandstärke von unter 15 Mikrometern, gelten als sogenannte „Hemdchenbeutel“ und sind in
der Regel in der Obst- und Gemüseabteilung zu finden.
4.1.1 Gebühren
Irland ging bereits mit gutem Beispiel voran und führte 2002 eine Gebühr von 22 Cent pro
Plastiktüte ein. Dies ließ den Verbrauch enorm sinken und zwar von 328 Tüten pro Einwohner
auf 18 im Jahre 2010. Andere Länder, wie Bangladesch, China, Kenia und weitere haben sogar
ein Verbot bestimmter dünnwandiger Plastikbeutel eingeführt, da diese zum Beispiel in
Bangladesch bei Hochwasser die Kanalisationen verstopften und somit das Wasser nicht
abfließen konnte. Da den größten Anteil die dünnwandigen „Hemdchenbeutel“ ausmachen,
ist eine generelle Gebühr unabhängig der Wanddicke sinnvoll. Das Umweltbundesamt
empfiehlt eine Abgabe für alle Plastiktüten, um den Ersatz durch andere Einwegtüten zu
vermeiden. Bisher gibt es allerdings keine gesetzliche Pflicht für die Plastiktüten beim Einkauf
zu zahlen. 75
Bis zum Jahre 2019 soll der Verbrauch von Plastiktüten in Europa auf 90 Tüten pro Einwohner
pro Jahr und bis 2025 auf 40 gesenkt werden. Dies soll vor allem durch Gebühren erreicht
werden, allerdings nur für die dickwandigen Tüten, die an der Kasse ausgehändigt werden,
nicht für die „Hemdchenbeutel“, weil man einen Ersatz dieser durch andere,
ressourcenaufwändigere Materialien vermeiden möchte.76
75 Plastiktüten – Alltagsphänomen und Umweltproblem, S.5 76 FAQ zur BMUB-Internetseite, S.1
28
In Deutschland wurde bis vor kurzem noch in den meisten Bekleidungsgeschäften,
Kaufhäusern, Elektronikgeschäften und anderen Läden kostenlos und meist ohne Nachfrage,
ob dies gewünscht ist eine Plastiktüte zum Einkauf ausgehändigt. Nur im Supermarkt sind die
Tragetaschen aus Kunststoff, Bioplastik oder anderen Materialien kostenpflichtig. Das
kostenfreie und ungefragte Herausgeben von Plastiktüten steigert den Konsum und wirkt
einer Sensibilisierung für die Problematik entgegen.
Dies sollte sich am 1. April 2016 durch eine Vereinbarung mit dem Handelsverband
Deutschland ändern. Die freiwillige Selbstverpflichtung wurde am 26.04.2016 vom
Präsidenten des Handelsverbands Deutschland und der Umweltministerin unterzeichnet und
es haben sich in Zuge dessen 240 Unternehmen verpflichtet eine Gebühr für Plastiktüten zu
erheben. Wie hoch diese ausfällt, legen die Unternehmen selbst fest. Es werden hierbei
bereits 60% der Tüten, welche im Handel im Umlauf sind erfasst und in den nächsten zwei
Jahren soll eine Steigerung auf 80% erreicht werden.77 In der deutschen Bevölkerung wird der
Erlass einer Gebühr begrüßt:
„Bei einer kürzlich veröffentlichten repräsentativen Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts YouGov erklärten 80 Prozent der Befragten, sie fänden es
"sehr gut" oder "eher gut", dass immer mehr Geschäfte Geld für Kunststofftaschen
nehmen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) plädierte sogar dafür, dass die Ausgabe von
Plastiktüten in Geschäften komplett verboten wird. Die Zahl der Gegner der
Plastiktüten-Gebühr war mit 15 Prozent eher gering.“78
Das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Problematik Plastiktüte scheint groß zu sein, was
sich im Zuspruch zu der Einführung einer Gebühr der Mehrheit der Befragten zeigt. Sogar die
Abschaffung von Einkaufstüten aus Plastik im Einzelhandel findet Zustimmung bei etwas mehr
als der Hälfte.
Auch zeigen sich beträchtliche Einsparungserfolge bei Geschäften, die die Gebühren bereits
verlangen:
„Bei der Textilhandelskette C&A kosten Plastiktüten seit dem 1. April pro Stück 20 Cent
– egal ob klein oder groß. "Wir treffen auf eine erstaunlich hohe Akzeptanz", meint
Unternehmenssprecher Thorsten Rolfes. Bereits in den ersten Wochen sei die
Nachfrage nach Plastiktüten um über 50 Prozent gesunken.
77 Handelsverband Deutschland 78 Die Zeit online
29
Der Textildiscounter KiK hat seit Oktober 2015 keine klassischen Plastiktüten mehr im
Angebot, lediglich Baumwollbeutel und Permanenttaschen aus PET. Insgesamt seien
durch den Verzicht auf Plastiktüten allein bei KiK im vergangenen halben Jahr rund 315
Tonnen Plastik eingespart worden, so das Unternehmen.“79
Dass eine Gebühr tatsächlich zu Einsparungen führen kann, zeigen die Beispiele C&A und KiK,
welche innerhalb einer geringen Zeitspanne bereits einen merklichen Rückgang des
Verbrauchs von Plastiktüten und somit Kunststoff verzeichnen konnten. Dies wurde zum einen
durch die Einführung einer Gebühr auf die Tüten erreicht oder im Falle von KiK durch den
kompletten Verzicht und stattdessen den Verkauf von Baumwoll- und Mehrweg-
Recyclingtragetaschen
4.1.2 Vermeiden
Durch Sensibilisierung der Bevölkerung kann diese dazu ermutigt werden Plastiktüten zu
vermeiden. Das selbstverständliche Aushändigen von kostenfreien Tüten, zum Beispiel in
Bekleidungsgeschäften und Kaufhäusern, steht einem verantwortungsvollen Umgang mit
dieser Thematik entgegen. Die Förderung von Mehrwegsystemen, Papierverpackungen und
verpackungsfreiem Einkaufen dienen sowohl der Verbraucherschulung als auch dem
Umweltschutz und bieten die Möglichkeit den Druck auf große Handelsketten zu erhöhen
ihren Umgang mit Verpackungsmaterialien zu überdenken. Dabei spielt die staatliche
Regulierung eine wichtige Rolle, denn der Verzicht auf Kunststoff als Verpackungs- und
Transportmaterial ist ökonomisch nicht unbedingt rentabler und eher umständlicher in der
Logistik. In Abhängigkeit von der Radikalität der Maßnahmen zur Plastikvermeidung, welche
maßgeblich vom Staat forciert werden müssten, da es nicht ausreichend ökonomische Anreize
gibt, könnte bis zu 80% weniger Kunststoff verbraucht werden.80
Der Verzicht von Einwegplastiktüten könnte eine jährliche Einsparung von 150.000 Tonnen in
Deutschland bewirken. Zur gleichen Zeit würde dadurch der Plastikmüll reduziert werden und
es würden weniger Tüten in die Umwelt gelangen. Ein striktes Verbot wäre jedoch nur schwer
und unter einem hohen Verwaltungsaufwand, um die Durchsetzung zu kontrollieren
umsetzbar. Durch das Einführen von Gebühren auf jede Art von Tüten, können Kunden dazu
79 Die Zeit online 80 NABU Hintergrund Plastikvermeidung, S.2
30
bewegt werden eher auf langlebige Mehrwegtragetaschen zurückzugreifen und diese zum
Einkauf mitzuführen. Die Einnahmen durch die Gebühren könnten zudem den
Verwaltungsaufwand zur Durchsetzung und weitere Kampagnen zur Sensibilisierung der
Bevölkerung für das Thema Plastikmüll finanzieren.81
4.1.3 Andere Transportmöglichkeiten
Läden, wie „Original Unverpackt“ verkaufen unverpackte Ware, wobei sich der Kunde selbst
um den Transport kümmern muss. Bei Massenware, wie Reis, Zucker etc. müssen Gläser oder
Dosen zum Abfüllen mitgebracht werden. Für flüssige Lebensmittel, wie Öl, Essig oder Säfte
werden Flaschen benötigt. Wenn die Kunden keine Transportmöglichkeiten dabeihaben oder
die mitgebrachten nicht ausreichen, können Gläser und Dosen gekauft oder durch Zahlung
eines Pfands ausgeliehen werden.82
Weitere Transportmöglichkeiten sind Zeitungspapier für Obst und Gemüse, worin die
Lebensmittel eingewickelt werden können, Transportboxen zum Klappen, Pappkartons, zum
Beispiel aus den Regalen des Supermarktes. Auch Einkaufsnetze und Weidenkörbe stellen eine
Alternative zur Plastikeinkaufstüte dar.
Es liegt nahe zu glauben, dass es sinnvoller ist auf Papier-, Baumwoll- oder Bioplastiktüten
beispielsweise aus Maisstärke oder ähnlichem zurückzugreifen, um Plastikbeutel zu
vermeiden. Zwei wichtige Faktoren sind dabei zu berücksichtigen: zum einen die Ressourcen,
die bei der Herstellung verbraucht werden und die dabei entstehenden Schadstoffe, welche
die Umwelt belasten. Zum anderen ist aber auch der Energieaufwand und CO2-Ausstoß für die
Entsorgung ein wichtiger Fakt beim Vergleich verschiedener Tüten. Im Folgenden soll näher
auf die verschiedenen Arten von Tüten und die Vor- und Nachteile in Bezug auf deren Beitrag
zum Umweltschutz eingegangen werden.
81 Maßnahmen zur Reduktion des Plastiktütenverbrauchs – Berlin tüt etwas S.2 82 http://original-unverpackt.de/faq/
31
4.2 Vergleich Plastiktüte und…
In den Supermärkten finden sich viele verschiedene Sorten von Tüten. Die „normale“
Einwegplastiktüte besteht aus Polyethylen (PE) aber es gibt ebenfalls Tüten aus
nachwachsenden Rohstoffen, wie Mais oder Zuckerrohr, recycelbar aus Papier, oder aus
recycelten Materialien. Dort sind sie zudem in der Regel kostenpflichtig. An anderen Stellen,
wie in Bekleidungs- oder Elektronikgeschäften, erhält man eine Tüte meist kostenfrei und
ungefragt zum Produkt dazu. Mehrwegtragetaschen aus Baumwolle oder recyceltem Plastik
sind in allen Geschäften kostenpflichtig und können viele Male verwendet werden.
Zum Vergleich verschiedener Ausführungen von Tüten, wird vor allem die Ökobilanz
hinzugezogen. Unter diesem Begriff ist „eine Methode zur Abschätzung der Auswirkungen
eines Produktes und seines Herstellungsprozesses auf die Umwelt“83 zu verstehen. Dabei
werden die Faktoren „Rohstoffgewinnung, Herstellung, Verarbeitung, Transport, Gebrauch,
Nachnutzung, Abfall (kommunale Abfallbeseitigung), Abwasserreinigung, Entsorgung“84 in die
Bilanzierung einbezogen. „Der Bilanzierungsbereich teilt sich in Bereiche wie Rohstoffeinsatz,
Energieeinsatz, Emissionen, Wasser, Abfallaufkommen sowie toxikologische und ökologische
Bewertungen der verursachten Emissionen.“85 Somit dient Ökobilanz als Bewertungsmaßstab
für die Umweltverträglichkeit von Produkten und Verfahren.
Die PE-Einwegtüte wird aus Erdöl hergestellt, einem nichtnachwachsenden Rohstoff. Bei der
Produktion kommt es zur Freisetzung von Kohlendioxid, einem Treibhausgas, welches
maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlich ist. Die Tüten werden meist in Asien
produziert, was sich zusätzlich negativ auf deren Ökobilanz auswirkt. Polyethylen ist nicht
biologisch abbaubar und es dauert bis zu 500 Jahren, bis eine Tüte aus diesem Material
vollständig von der Erde verschwunden ist. Über die Hälfte des Plastikmülls in Deutschland
wird teils ohne Energierückgewinnung verbrannt, was zusätzlich die Umwelt belastet. Die
Energie, die bei der Verbrennung zurückgewonnen wird, reicht außerdem nicht aus, um die
bei der Produktion verbrauchte Energie auszugleichen. In Europa wird nicht einmal eine von
zehn Plastiktüten recycelt. Zudem werden viele Tüten nach ihrem Einsatz beim Einkauf als
Müllbeutel verwendet und im Hausmüll oder Biomüll entsorgt anstatt im Gelben Sack, wo eine
Chance auf Wiederverwertung bestünde.86
83 https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/oekobilanz_din_norm_33926_1295.htm 84 Ebd. 85 Ebd. 86 Einwegplastiktüte Hintergrundpapier 2015, S.5ff.
32
Bei einem Vergleich der unterschiedlichen Tütenarten zeigen sich vielschichtige Vor- und
Nachteile, die eine spontane Aussage schwierig machen, welches Material am
umweltfreundlichsten und welches am wenigsten umweltverträglich ist. Zum einen wird der
Ressourcenverbrauch betrachtet, der während der Produktion entsteht und der Ausstoß
umweltschädlicher Stoffe im Verlauf des Produktionsprozesses. Des Weiteren liegt die
Abbaubarkeit der Materialien im Fokus der Betrachtung. Auch hier muss gegebenenfalls
Energie aufgewendet werden oder es entstehen umweltschädliche Neben- oder Endprodukte.
4.2.1 …Tüten aus „Bioplastik“
Wie bereits im Abschnitt „Ersatzstoffe“ erläutert, wird der Begriff Bioplastik in zweierlei
Bedeutungen verwendet. Unter dem Gesichtspunkt der biologischen Abbaubarkeit kann ein
Stoff gemeint sein, der organischen oder anorganischen Ursprungs ist und / oder durch seine
Zusammensetzung oder unter Herrschen bestimmter Bedingungen biologisch abbaubar
beziehungsweise kompostierbar ist. Zum anderen kann es sich um einen Stoff handeln,
welcher vollständig oder teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, sogenannte
biobasierte Kunststoffe Dieser kann demnach biologisch abbaubar sein, muss es aber nicht
zwangsläufig.
Biobasierte Kunststoffe, werden beispielsweise aus Mais oder Zuckerrohr hergestellt. Der
Anbau dieser Pflanzen ist häufig energieaufwändig, verbraucht viel Wasser und verursacht
durch den hohen Einsatz von mineralischen Düngern und chemischen Pestiziden
schwerwiegende Schäden am Boden. Die Stoffe gelangen zudem in das Grundwasser und die
Luft in der Umgebung. Dies hat Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt in den
Anbaugebieten und es können Inhaltstoffe der eingesetzten Chemikalien über das
Grundwasser in das Trinkwasser und somit zum Menschen gelangen. Die Klimabilanz bei
Tüten, die auf diese Weise produziert wurden, hängt vom Anbauort und dort vorherrschenden
Bedingungen und der Verwertung der Pflanzen ab. Der Anbau an sich kann zwar klimaneutral
sein, die Verarbeitung zur Einkaufstüte ist es jedoch nicht. So zeigt sich, dass die Klimabilanz
nicht unbedingt besser ist, als die von erdölbasierten Kunststoffen.87
Biologisch abbaubare Kunststoffe können nicht, wie der Name vermuten ließe auf einem
gewöhnlichen Komposthaufen im Garten verrotten. Sie müssen unter Zufuhr von Energie und
Chemikalien in eigens auf ihre Ansprüche ausgerichteten Kompostieranlagen verwertet und
87 Einwegplastiktüten – Hintergrundpapier 2015, S.8
33
können nicht recycelt werden. Meist ist die Verbrennung dieser Stoffe energetisch sinnvoller
als deren Kompostierung, zumal keine verwertbaren Abbauprodukte entstehen. Gelangen sie
über den Gelben Sack in Recyclinganlagen, behindern sie dort die Prozesse und verschlechtern
die Qualität der Endprodukte, da sie sich während des Recyclingprozesses teilweise
auflösen.88
Ein letzter Kritikpunkt ist, dass für biobasierte Kunststoffe Agrarflächen genutzt werden,
welche ohnehin begrenzt sind. Der Einsatz von Lebensmitteln für die Herstellung von Tüten,
in Anbetracht der vielen Menschen, die weltweit an Hunger leiden, ist zudem sehr
bedenklich.89
„Bisher ist „Bioplastik“, das eigentlich „agrarbasiertes“ Plastik heißen sollte, leider
eher eine Gewissensberuhigung und ein Marketinginstrument.“90
Der positive Effekt dieses Tütentyps ist äußerst fragwürdig. Sie bestehen in der Regel dennoch
bis zu 70% aus Rohöl und lediglich zu 30% aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, um
Materialeigenschaften, wie Reißfestigkeit zu gewährleisten. Es lässt die Vermutung
aufkommen, ob dies nicht eher ein Versuch ist dem Verbraucher das schlechte Gewissen beim
Kauf zu erleichtern.91 Werden die Umweltauswirkungen für die Herstellung des Polyethylens
und des Anbaus der pflanzlichen Bestandteile gemeinsam betrachtet, stellt sich heraus, dass
diese Tütenart die schlechteste Variante Form der Einwegtüte ist.92
4.2.2 … Papiertüten
Obwohl Deutschland mit 71 Plastiktüten pro Kopf das Land mit dem viertniedrigsten
Verbrauch in Europa ist, verunreinigen dennoch Milliarden von ihnen die Umwelt in Europa
und der ganzen Welt. Da sie zudem viele hunderte Jahre benötigen, um zu verrotten, erscheint
die Papiertüte als eine umweltfreundliche Alternative.93 Papier ist ein Naturprodukt und
verrottet innerhalb von wenigen Wochen oder kann dem Recyclingkreislauf zugeführt und
somit wiederverwendet werden. Es liegt daher nahe, diesen Tütentyp als unbedenklicher im
Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes einzuschätzen.
88 Plastik- oder Papiertüte, S.1 89 NABU Plastiktüten vermeiden, S.3ff. 90 Ebd. S.5 91 Plastik- oder Papiertüte, S.1 92 Einwegplastiktüten – Hintergrundpapier 2015, S.8 93 Plastik- oder Papiertüte, S.2
34
Papiertüten werden aus Zellulose hergestellt, welche durch die chemische Aufschlüsselung
von Holzfasern gewonnen wird. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und daher ist die
Papiertüte eine gute Alternative zu den rohölbasierten Kunststofftüten. Allerdings stellt die
Gewinnung von Holz in Form von Abholzung großer Flächen einen enormen Eingriff in die
Natur dar. Doch auch der Anbau, zumeist in Monokulturen, benötigt sehr viel Wasser, was je
nach Region ein großes Problem sein kann. Um eine möglichst stabile und lange haltbare Tüte
herzustellen, werden vor allem lange unbehandelte Fasern benötigt und muss viel Material
aufgewendet werden, damit die Wanddicke den Alltagsbelastungen standhält. Um diese
Anforderungen zu erfüllen, ist die Verwendung von Frischfasern in der Praxis üblicher, anstatt
der Verwendung von Altpapier. Außerdem werden häufig umweltschädliche Chemikalien
verwendet, um das Material zu bearbeiten oder die Tüte zu färben und beispielsweise mit
Werbung zu bedrucken.94
Bei der Herstellung von Papiertüten wird sehr viel Wasser benötigt, für 1.000 Tüten circa 3.800
Liter. Für die gleiche Anzahl Plastiktüten hingegen sind es lediglich 220 Liter, also rund 17 Mal
weniger. Außerdem wird bei der Produktion von Papiertüten 2,7 Mal mehr Energie
aufgewendet und 1,6 Mal mehr Treibhausgase ausgestoßen, als es im Vergleich zu
Kunststofftüten der Fall ist. Würde die gesamte Menge an Plastiktüten pro Jahr in Europa
durch Papierbeutel ersetzt werden, müsste bei einem gleichbleibenden Tütenverbrauch eine
zusätzliche Anbaufläche in der Größe Luxemburgs geschaffen werden und der
Wasserverbrauch würde um 156 Milliarden Liter steigen.95
Im Vergleich zur erdölbasierten Plastiktüte muss eine Papiertüte aus Frischfasern ungefähr
dreimal so häufig verwendet werden, um die höhere Klimabilanz, die sie bei der Produktion
erreicht auszugleichen. Um der Tüte Stabilität zu geben, muss sie eine bestimmte Wanddicke
besitzen, dies erhöht gleichfalls das Gewicht und somit den CO2-Ausstoß beim Transport. Das
Material ermüdet jedoch relativ schnell, sodass eine häufe Wiederverwendung nicht immer
möglich ist, wenn zum Beispiel sehr häufig schwere Inhalte transportiert werden. Auch kann
die Papiertüten nicht bei jedem Wetter eingesetzt werden. Regen und Feuchtigkeit weichen
das Material auf und begünstigen ein Reißen der Tüten. Spezielle Siegel, wie zum Beispiel der
„Blaue Engel“ erteilen eine Aussage über die Umweltverträglichkeit von bestimmten
Produkten und stehen im Falle der Papiertüte für die Verwendung von Recyclingpapier und
94 NABU Plastiktüten vermeiden, S.5 95 Plastiktüten oder Papiertüten _ Let´s talk about plastics, S.1
35
einen möglichst geringen Einsatz von Chemikalien, sowie eine wasser- und energiesparende
Produktion. Der Einsatz umweltfreundlicher Druckverfahren, zum Beispiel mittels
pflanzenölbasierten Druckfarben, das Weglassen oder Minimieren von Aufdrucken tragen
ebenfalls zur Umweltschonung bei und verbessern die Ökobilanz der Tüten.96
Beim Recycling von Papier muss dieses zunächst in die Fasern aufgespalten werden, wobei
Chemikalien zum Einsatz kommen, welche außerdem das Papier bleichen und somit von den
Aufdrucken befreien. Die Fasern werden energieaufwändig gewaschen, gepresst und gewalzt.
Dies geschieht mit ungefähr 70% und damit 60 Millionen Tonnen des Altpapiers pro Jahr in
Europa. Das Recycling von Kunststoff benötigt zwar 91% weniger Energie als es für die gleiche
Menge Papier erforderlich ist, jedoch wird der Kunststoff in der Regel „downgecycelt“. Dies
bedeutet, dass aus den Kunststoffen nach dem Recyclingprozess keine gleichwertigen
Produkte hergestellt werden können, da sie nicht mehr die gleichen stofflichen Eigenschaften
aufweisen, wie zuvor. Die Bestrebungen nach einer besseren Wieder- und
Weiterverwendbarkeit steigen stetig und treiben die Verbesserung von Recyclinganlagen
voran.97
4.2.3 … Baumwollbeutel
Der Baumwollbeutel erlebt seit einigen Jahren einen Aufschwung an Beliebtheit als modisches
Accessoire. Auch als umweltfreundliche Alternative zur Plastiktüte befindet er sich im Einsatz.
Seine Vorteile liegen bei der sehr langen Haltbarkeit und der Möglichkeit des Abbaus in der
Natur, falls er dahin gelangen sollte. Baumwolle ist ein Naturprodukt und ein nachwachsender
Rohstoff. Anders als das für Kunststofftüten verwendete Rohöl, ist Baumwolle also theoretisch
unbegrenzt verfügbar. Da ein Baumwollbeutel mehr wiegt, als einer aus Kunststoff oder
Papier, wird er nicht so weit verweht und verursacht somit weniger Probleme, als Müll in der
Natur.
Es ist jedoch zu bedenken, dass für den Anbau von Baumwolle viel landwirtschaftlich nutzbare
Fläche benötigt wird. Die Baumwollpflanze ist sehr empfindlich und wird daher mit großen
Mengen an Dünger und Pestiziden behandelt. Der Anbau in Niedriglohnländern, wie in China,
Indien und einigen Ländern in Afrika erfolgt zumeist unter schlechten Arbeitsbedingungen und
einer unzureichenden Bezahlung für die Arbeiter. Wie der Einsturz einer Textilfabrik in
96 NABU Plastiktüten vermeiden, S.5 97 Plastiktüten oder Papiertüten _ Let´s talk about plastics, S.2
36
Bangladesch im April 2013 zeigte, gibt es kaum Sicherheitsrichtlinien zum Schutz der Arbeiter
in diesen Ländern. Trotz das am Tag zuvor große Risse am Gebäude festgestellt wurden und
die Arbeit eingestellt werden sollte, befanden sich am Unglückstag 3.000 meist weibliche
Näher in der Fabrik, welche zur Arbeit gezwungen wurden. Als das Gebäude einstürzte starben
1.127 von ihnen und 2.438 wurden verletzt.98 Auch bei der Verarbeitung der Baumwolle zu
Garn und Stoff kommt es zum Einsatz umweltschädigender Chemikalien. Sie werden
verwendet, um die Stoffe zu färben oder ihnen bestimmte Eigenschaften zu verleihen, wie
zum Beispiel wasser- und schmutzabweisende Oberflächen. Die Baumwolle und Stoffe
müssen außerdem viele Male gewaschen werden. Bei der Herstellung eines Baumwollbeutels
werden somit große Mengen an Wasser verbraucht, zumal die Produktion meist in trockenen
und wirtschaftlich schwachen Länder stattfindet.99 Für die Anfertigung eines Baumwollbeutels
wird etwas weniger Stoff benötigt als für ein T-Shirt, wobei für den Anbau der Baumwolle
eines T-Shirts ca. 15.000 Liter Wasser verbraucht werden.
„Während bei der Herstellung einer Papiertüte etwa 60 Gramm Kohlendioxid
ausgestoßen werden, sind es bei einer Plastiktüte aus Neugranulat etwa 120 Gramm
und bei einer Baumwolltasche sogar 1.700 Gramm CO2.“100
Auch der CO2 – Ausstoß ist beim Baumwollbeutel im Vergleich zur Kunststoff- und Papiertüte
um ein Vielfaches erhöht, was unter anderem an den langen Transportwegen liegt. Vom
Anbauort der Baumwolle, zum Ort der Produktion der Stoffe und dem des Nähens zum
Endprodukt und letzten Endes in den Laden, legt die Stofftragetasche viele hunderttausende
Kilometer zurück.
Baumwollbeutel müssen laut Deutscher Umwelthilfe mindestens 25-32 Mal verwendet
werden, bis sie eine bessere Ökobilanz als Polyethylentüten haben.101 Der Naturschutzbund
gibt dahingegen eine Nutzungshäufigkeit von mindestens 100 Mal für Beutel aus
konventionell angebauter Baumwolle an. Dies ist durch das reißfeste und langlebige Material
durchaus umsetzbar. Zum Baumwollbeutel sollte aber nicht aus schlechtem Gewissen
gegriffen werden, wenn er beim nächsten Einkauf doch nur wieder zu Hause liegen bleibt. Eine
bessere Alternative ist der Einsatz eines Beutels aus Bio-Baumwolle oder Alttextilien, welcher
98 https://de.wikipedia.org/wiki/Geb%C3%A4udeeinsturz_in_Sabhar 99 Greenpeace-Ratgeber Textil, S.6ff. 100 Was ist umweltfreundlicher _ Plastik- oder Papiertüte, S.4 101 Plastiktüten – Alltagsphänomen und Umweltproblem, S.4
37
zu sozialverträglichen Bedingungen hergestellt wurde. Dies lässt sich über verschiedene Siegel
nachvollziehen. 102
Mehrwergtragetaschen aus Polypropylen und Polyester können eine weitere
umweltfreundliche Möglichkeit darstellen, den Einkauf zu transportieren. Im Gegensatz zu
den Naturfasern erweisen sie sich als vorteilhafter hinsichtlich der Bereitstellung der
Rohstoffe und in der Produktion, weshalb beispielsweise eine Tasche aus Polypropylen bereits
nach der dritten Nutzung umweltfreundlicher als die Einwegtüte aus Polyethylen ist. Auch
werden Tüten aus Kunststofffasern zunehmend aus Recyclingmaterialien, wie zum Beispiel
PET-Flaschen hergestellt. Pfandsysteme für Baumwoll- und Kunststofffasertaschen bieten
eine zusätzliche Option der Ressourcenschonung. Hierbei können verschmutzte oder
beschädigte Beutel gegen neue ausgetauscht werden und die alten werden dem
Recyclingkreislauf zugeführt.103
4.2.4 …Mehrwegtragetaschen aus Recyclingkunststoff
Mehrwegtragetaschen sind auf Grund der höheren Stabilität, die eine mehrmalige
Verwendung ermöglicht eine bessere Alternative zu jeder Einwegtüte. Zwar muss die
energieaufwändigere Produktion und der erhöhte Materialaufwand für die größeren
Wandstärken zunächst durch mehrmalige Verwendung (mindestens 5-10 Mal) ausgeglichen
werden. Dies ist eben durch diese Materialbeschaffenheit bis weit über das Erreichen der
gleichen Ökobilanz, wie die der Einwegtüten möglich. Mehrwegtaschen sind in der Regel so
verarbeitet, dass sie bis zu vielen hundert Malen verwendet werden können.104
Mehrwegtragetaschen aus Recyclingkunststoff von mindestens 70% Recyclinganteil bieten
gleich mehrere Vorteile: Zum einen sind sie sehr stabil und haben daher eine lange
Nutzungsdauer, zum anderen schonen sie Ressourcen, indem sie aus Recyclingplastik
hergestellt werden und somit kein beziehungsweise kaum Erdöl für die Produktion
aufgewendet wird. Auch kann die CO2-Emission bei der Produktion um bis zu 45% reduziert
werden. Das Siegel „Blauer Engel“ signalisiert beispielsweise Tüten mit hohem Recyclinganteil
von mindestens 80% Recyclaten.105 Dies spart gegenüber einer herkömmlich produzierten
Plastiktüte ungefähr 50% der CO2-Emission ein. Zudem können solche Tüten erneut recycelt
102 NABU Plastiktüten vermeiden, S.3 103 Einwegplastiktüten – Hintergrundpapier 2015, S.11 104 Ebd. S.10 105 Plastiktüten – Alltagsphänomen und Umweltproblem, S.4
38
werden, was ihre Ökobilanz zusätzlich verbessert. Aber auch beim Bedrucken der Tüten sollte
Wert auf umweltfreundliche Farben gelegt und die Tüten möglichst wenig bedruckt werden,
um die Verbreitung giftiger Chemikalien zu vermeiden.106
Dennoch besteht bei dieser Tütenart weiterhin das Problem, wenn sie nicht ordnungsgemäß
entsorgt wird, sondern in die Umwelt gelangt. Hier richtet sie, wie jede andere Plastiktüte
Schäden am Ökosystem an, indem sich Tiere in ihnen verfangen und verenden können oder
sie mit Nahrung verwechseln und mit einem mit Plastik gefüllten Bauch sterben. Daher muss
einerseits bei der Herstellung auf die erneute Recycelfähigkeit und andererseits auf die
ordnungsgemäße Entsorgung im Gelben Sack geachtet werden. Der Vorteil wiederum ist, dass
sie zum großen Teil bereits aus recyceltem Material bestehen, welches erneut recycelt werden
kann und dadurch zusätzlich die Ökobilanz verbessert. Außerdem bieten die robusten und
meist geräumigen Tragetaschen viel Platz und können mit bis zu 15kg belastet werden.
Werden sie häufig anstelle von den PE-Einwegtüten verwendet, schont dies in hohem Maße
Ressourcen und vermeidet Plastikmüll.
106 NABU Plastiktüten vermeiden, S.6
39
5. Fazit
Der Umweltschutz wird auch in Zukunft eine der entscheidenden Herausforderungen
unserer Zivilisation sein. Dazu gehört der Umgang mit den ständig wachsenden Müllbergen
ebenso wie der Ressourcenschutz und die Erhaltung unserer Ökosysteme. In jedem dieser
Aspekte spielen die Herstellung und die Entsorgung von Kunststoffen eine wichtige Rolle.
Trotz einer eher schlechten Ökobilanz im Allgemeinen, kann ein gezielter Einsatz von Plastik,
dank seines geringen Gewichts, der verhältnismäßig einfachen Herstellung und seiner
Vielseitigkeit zum Umweltschutz beitragen. Die Nutzung in der Industrie wird aus diesen
Gründen auch in Zukunft fortgeführt werden. Aufgrund flexibler Einsatzmöglichkeiten ist der
vollkommene Verzicht auf Kunststoffe nicht mehr denkbar. Zudem können viele der
Kunststoffe, solange sie sortenrein sind, gut recycelt und dem Produktionskreislauf wieder
hinzugefügt werden.
Trotz zahlreicher Gründe, die für den Einsatz von Plastik in Produkten sprechen, sollten sich
alle Verbraucher der damit verbundenen Folgen für Natur und Gesundheit bewusst sein.
Additive, wie Weichmacher, welche den Kunststoffen erwünschte Eigenschaften verleihen,
stellen nachweislich ein hohes Gesundheitsrisiko dar, da sich diese mit der Zeit aus dem Stoff
lösen und somit in den menschlichen Organismus eindringen können. Dort können sie in
entsprechender Konzentration schwerwiegende Störungen der menschlichen
Stoffwechselvorgänge, des Hormonhaushaltes, Krebs und andere Erkrankungen hervorrufen.
Besonders bei Kindern sollte daher Acht gegeben werden, dass diese nicht zu häufig Kontakt
mit Kunststoffprodukten, wie Trinkflaschen, Essbesteck oder Spielzeug haben.
Neben direkten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, hervorgerufen durch Kunststoffe, hat
auch die Verschmutzung unserer Umwelt mit Plastikprodukten Auswirkungen auf Tier und
Mensch, deren Langzeitfolgen bislang nur schwer abzuschätzen sind. Sehr deutlich lässt sich
dies am teils dramatischen Zustand zahlreicher Regionen in unseren Weltmeeren erkennen.
Dort bilden sich riesige Müllinseln, Tiere verenden, weil sie Plastik zu sich nehmen oder sich
in größeren Kunststoffteilen verheddern.
Am Beispiel der herkömmlichen Einweg-Plastiktüte, welche in nahezu allen Geschäften
erhältlich und in vielen zudem kostenfrei ist, lässt sich besonders gut verdeutlichen, welche
Probleme im Umgang mit Kunststoffprodukten bestehen. Wie alle Produkte mit dem
Grundstoff Polyethylen wird für die Herstellung Rohöl benötigt. Die Förderung und
40
Bereitstellung von Rohöl ist jedoch mit vielen negativen Umweltauswirkungen behaftet.
Außerdem steht die Plastiktüte beispielhaft für die enorme Diskrepanz zwischen einer sehr
kurzen Nutzungsdauer und seiner äußerst langen Haltbarkeit. Diese Taschen eignen sich in
der Regel nicht für den mehrmaligen Gebrauch. Außerdem werden sie vom Konsumenten
meist unreflektiert nur einmalig genutzt und in vielen Fällen unsachgemäß entsorgt.
Zwar gibt es einige Alternativen zu dieser Einkaufshilfe. Bei genauerer Betrachtung lässt sich
jedoch erkennen, dass nicht jede Alternative automatisch eine Verbesserung bedeutet. So
weist die bei vielen beliebte und häufig als umweltfreundlicher Ersatz geltende Papiertüte
bei einmaliger Benutzung, sogar eine schlechtere Ökobilanz als die Plastiktüte auf.
Sogenannte Bio-Plastiktüten bestehen zwar zum Teil aus nachwachsenden Rohstoffen.
Deren Anbau belastet jedoch ebenfalls die Umwelt. Außerdem ist die Entsorgung aufgrund
ihrer Zusammensetzung aufwendiger als bei herkömmlichen Tüten aus Polyethylen. Auch sie
scheidet daher unserer Meinung nach als sinnvoller Ersatz aus.
Die Erstellung eines Rankings der Tragetaschen ist recht komplex, da es nicht ausschließlich
um den eingesetzten Grundstoff, die dafür verbrauchten Rohstoffe und deren Entsorgung
nach der Nutzung geht. Der entscheidende Punkt ist, wie oft ein Konsument eine Tüte
benutzen kann und inwiefern dies ohne Qualitätseinbußen möglich ist. Die Baumwolltasche
schneidet dabei im Vergleich gut ab, obwohl der Herstellungsprozess, inklusive Anbau der
Rohstoffe und Transport, recht aufwendig und mit einem hohen CO2-Ausstoß verbunden ist.
Erst nach vielen Malen Verwendung, ist die Ökobilanz eines Baumwollbeutels besser, als die
der Tüte aus Polyethylen. Noch besser geeignet sind Mehrwegtragetaschen aus Kunststoff.
Die bei der Herstellung dieser Taschen investierte Energie und Ressourcen gleichen sich
bereits nach wenigen Malen der Benutzung aus. Da sie sehr stabil sind, können sie weit
darüber hinaus genutzt werden. Laut unseren Recherchen erweisen sich diese Tüten als die
beste Variante unter den herkömmlichen Einkaufshilfen, besonders dann, wenn sie aus
recycelten Stoffen bestehen. Dank ihrer Robustheit lassen sie sich bei normaler Nutzung und
entsprechender Lagerung extrem häufig verwenden.
Vereinfacht gesagt, nimmt die Belastung, welche eine Tasche für die Umwelt darstellt, mit
jeder erneuten Benutzung ab, da diese nicht entsorgt werden muss und weil sie nicht durch
eine neue ersetzt werden muss. Dies gilt im Grunde gleichermaßen für all unsere
Gebrauchsgüter. Um unsere Umwelt und unsere Gesundheit nicht stärker zu belasten als
notwendig, sollte sich jeder Verbraucher über die Folgen seines Konsums bewusst sein. Dies
41
im Alltag umzusetzen ist jedoch ein aufwendiges Vorhaben, welches im vollen Umfang kaum
zu bewerkstelligen ist. Es gibt einige Regeln, die jeder befolgen sollte. Dazu gehört natürlich
ein gewisses Verständnis über verschiedene Stoffe. Fragen, die man sich diesbezüglich
stellen könnte sind:
- Wie aufwendig wird das Material hergestellt?
- Hat der Stoff Auswirkungen auf meine Gesundheit?
- Wie erfolgt die Entsorgung?
- Gibt es eine umweltschonendere Alternative? Wenn ja, welche?
Unabhängig von der Beschaffenheit eines Produktes sollte jeder Einzelne darauf achten, wie
damit umgegangen wird. In aller Regel kann man beispielsweise ohne weiteres auf den
Einsatz von besonders dünnwandigen Plastiktüten zum Verpacken von Obst und Gemüse
verzichten. Produkte, welche mehrfach oder mit viel Material verpackt sind sollten
gemieden werden. Beim Kauf sollte neben dem Preis zudem auf die Haltbarkeit eines
Produktes geachtet werden, welche in Abhängigkeit von den verwendeten Materialien
variieren kann. Auch die Möglichkeit des Austauschs einzelner Teile, welche die Lebensdauer
des Produktes verlängert, sollte dabei Beachtung finden.
Wir alle können mit einem bewussten Konsumverhalten Einfluss auf die Industrie und die
von ihr gefertigten Produkte ausüben. Dies sollte bei Kaufentscheidungen aktiv genutzt
werden. So kann bereits die Ablehnung einer kostenfreien Einkaufstüte an der Kasse mit
dem Hinweis auf die mangelhafte Nachhaltigkeit, Denkanstöße liefern und letzten Endes
einen Wandel in der in der Unternehmenspolitik bewirken.
42
6. Quellenverzeichnis
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47
7. Anhang
Nähen mit Plastiktüten
Wie bereits ausgiebig beschrieben wurde, liegt ein Problem von Plastiktüten an deren kurzen
Nutzungsdauer und einer geringen Rückführungsquote zum Recycling. Nicht selten häufen
sich in Haushalten einmalig benutzte Plastiktüten. Früher oder später landen diese im Müll
oder werden als Mülltüte zweckentfremdet. Natürlich ist es generell sinnvoll, den Gebrauch
von neuen Tüten zu vermeiden. Die dauerhafte Nutzung von Tragetaschen, egal aus welchem
Stoff, ist bereits der erste Schritt in Richtung Umwelt- und Ressourcenschutz. Ein absoluter
Verzicht auf Plastiktüten ist den meisten Menschen jedoch zu umständlich. In diesem Fall ist
das Recycling beziehungsweise die Rückführung in den Produktionskreislauf wünschenswert,
auch wenn auf diesem Wege Energie verbraucht wird und Schadstoffe freigesetzt werden.
Im Privaten ist es aus diesem Grunde wünschenswert, gebrauchten und unbenutzten
Plastiktüten einen neuen Nutzen zukommen zu lassen. Eine Möglichkeit hierfür ist es, mehrere
Lagen einzelner Plastiktüten miteinander zu verschmelzen, um einen robusten Stoff
herzustellen. Mit diesem Stoff können dann zahlreiche, verschiedene Produkte genäht
werden. Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsschritte für die Anfertigung einer
Gürteltasche beschrieben.
Schritt 1 – Auswahl des Schnittmusters und des passenden Tütenmaterials
Entsprechend dem Schnittmuster müssen verschiedene Stücke gefertigt
werden. Beim Verschmelzen der einzelnen Tütenteile kann es später dazu
kommen, dass sich das Plastik zusammenzieht und somit ein wenig an Fläche
einbüßt. Daher sollten einzelne Teile eher großzügig angefertigt und später auf
Maß gebracht werden. Außerdem sollte zu dem Maß des Endproduktes bei
der Vorbereitung an jeder Kante eine Nahtzugabe von ca. 1 cm einberechnet
werden. Schnittmuster für kleine Taschen eignen sich gut für dieses Material.
Schritt 2 – Herstellung einer Grundfläche
Um einen Anfang zu finden, bietet es sich an, eine Grundfläche aus einem einzelnen Stück
einer Plastiktüte zu verwenden. Auf diese können dann weitere Schichten, auch aus einzelnen
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kleineren Stücken aufgelegt und verschweißt werden. Man kann auch größere Grundflächen
aus mehreren Teilen verschmelzen. Dazu gehört jedoch etwas Fingerspitzengefühl. Der
Ungeübte sollte es daher zunächst mit der ersten Variante versuchen. Somit kann man seiner
Kreativität freien Lauf lassen. Für das Verschmelzen der einzelnen Schichten wird ein
Bügeleisen (ohne Dampfausstoß) benötigt. Die zu verschmelzenden Schichten werden auf
einer geeigneten Unterlage auf ein Stück Backpapier gelegt und mit einem weiteren Stück
Backpapier abgedeckt um die Unterlage, sich selbst und auch das Bügeleisen vor
geschmolzenem, heißen Plastik zu schützen.
Beim Bügeln der einzelnen Lagen sollte zunächst mit geringer Temperatur gearbeitet werden.
Wählt man sie zu hoch, entstehen Wellen, der Stoff zieht sich zusammen oder er schmilzt und
es entstehen Löcher. An die optimale Temperatur sollte sich langsam und an einem
Probestück heran getastet werden. Auch sollte das Bügeleisen nie zu lange auf einer Stelle
verweilen. Am besten ist es, wenn man es in gleichmäßigen Bewegungen über die gesamte
Fläche führt um ein einheitliches Ergebnis zu erzielen.
Schritt 3 – Gestaltung des Materials
Auf die Grundfläche können je nach Geschmack und gewünschter Stabilität weitere Flächen
oder kleine Ausschnitte patchwork-/collagenartig aufgebügelt werden. Um die Schichten gut
miteinander zu verbinden sollten maximal drei Lagen gleichzeitig gebügelt werden. Dabei ist
jedoch zu bedenken, dass der entstandene Stoff nicht zu dick werden sollte, damit er später
noch zu vernähen ist. Auch wenn beim Verschmelzen kaum sichtbare beziehungsweise
riechbare Gase entstehen, empfiehlt es sich diesen Arbeitsschritt ausschließlich in gut
gelüfteten Räumen durchzuführen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden.
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Schritt 4 – Versiegeln
Die letzte Lage, sollte die gesamte Fläche bedecken, damit einzelne kleinere Stücken sich nicht
nach und nach lösen. Im besten Fall besteht diese Schicht aus einem transparenten Stück, um
das bisherige Muster zu erhalten. Aber auch farbige Stücken werden durch den Prozess
teilweise transparent.
Schritt 5 – Nähen
Das fertige Material kann nun entsprechend dem Schnittmuster zugeschnitten werden. Es ist
darauf zu achten, dass eine große Stichlänge gewählt wird, da viele kleine Einstiche
hintereinander in das recht starre Material zu schnellerem Reißen führen können. Auch sollte
bedacht werden, dass ein Nähen auf links schlecht möglich ist, da das Material nicht sonderlich
flexibel ist und sich somit das Wenden als schwierig erweist.
Sehr gut geeignet sind beispielsweise Schnittmuster für Feder-, Bauchtaschen oder Taschen
für Tabak und anderes Zubehör zum Zigaretten drehen.