Experimentalphysik I/II für Mediziner: Sommersemester 2010, Caren Hagner, 1
Atom- und Kernphysik
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Was ist die Natur des Lichtes?
- Lichtstrahlen (geometrische Optik)
- Elektromagnetische Welle (Interferenz, Beugung, Polarisation,…)
- Licht (elektromagnetische Strahlung)besteht aus einzelnen Quanten = Photonen
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Lichtquanten (= Photonen)
Annalen der Physik 17, S. 132- 148 (1905)
Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt; von A. Einstein
Licht besteht aus Lichtquanten (Photonen) der Energ ieE = h⋅⋅⋅⋅f
“Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahles die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können…”
Mit dem Planckschen Wirkungsquantum:h = 6.626·10-34 Js
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Wiederholung: Struktur der Materie
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Foto: Deutsches Museum München.
Röntgenstrahlen
Wilhelm Konrad Röntgen
Röntgenröhre von 1896
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1 eV = 1 Elektronenvolt = Energie die ein Elektron nach Durchlaufen der Potentialdifferenz 1V hat (1.6·10-19 J)
1.) Elektronenstrahl entsteht durchHeizung der Kathode.
2.) Beschleunigung der Elektronen durchelektrisches Feld zwischen Kathode und Anode.
3.) Elektronen stoßen auf Anode. Hierbei wird Röntgenstrahlung frei:a) Röntgenbremsstrahlung und b) charakteristische Röntgenstrahlung.
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Das Spektrum der Röntgenstrahlung: Besteht aus 2 Komponenten
a) Röntgenbremsstrahlung (kontinuierliches Spektrum)b) charakteristische Röntgenstrahlung (Linienspektrum)
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a) Entstehung der Röntgenbremsstrahlung:
Elektron, hat Energie verloren
0eU
hcGrenz =λ
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b) Entstehung der charakteristischen Röntgenstrahlung:
Elektron aus Strahl, trifft auf Elektron einer inneren Schale
Ein Elektron einer weiter außen gelegen Schale (E2)springt in das Loch.Ein Photon (Eγ = hf) wird abgestrahlt Eγ = E2-E1
(Elektronen-Billiard:)Elektron der inneren Schale (E1) wird rausgeschossen.Es entsteht ein “Loch” in der inneren Schale.
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Abschwächung von Röntgenstrahlung durch Material der Dicke d:
Dicke d
Halbwertsdicke d 1/2:
µ2ln
2/1 =dNach dieser Dicke ist die Intensität derStrahlung auf die Hälfte abgefallen.
deIdI ⋅−⋅= µ0)( µ = SchwächungskoeffizientIntensität nach
Dicke d
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Kernphysik: Aufbau und Struktur der Atomkerne
Kern besteht aus Z Protonen und N Neutronen. A = Gesamtzahl der Nukleonen.
Nukleonen = Kernteilchen (Protonen und Neutronen)
Nuklid = ein Kern mit A,N,Z ( A = N+Z )
Isotope = Nuklide mit gleicher Protonenzahl Z, unterschiedlicher Neutronenzahl NIsobare = Nuklide mit gleicher Nukleonenzahl A
Bei der Bildung eines Kerns aus Z Protonen und N Neutronen wirddie Bindungsenergie EB frei.Je größer die Bindungsenergie, desto stabiler ist der Kern!
EB = N·mnc2 + Z·mpc2 – mKernc2
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E = m c2
"It followed from the special theory of relativity that mass and energy are both but different manifestations of the same thing --a somewhat unfamiliar conception for the average mind. Furthermore, the equation E is equal to m c-squared, in which energy is put equal to mass, multiplied by the square of the velocity of light, showed that very small amounts of mass may be converted into a very large amount of energy and vice versa. The mass and energy were in fact equivalent, according to the formula mentioned above. This was demonstrated by Cockcroft and Walton in 1932, experimentally."
From the soundtrack of the film, Atomic Physics.Copyright © J. Arthur Rank Organization, Ltd., 1948.Image © Brown Brothers, Sterling, PA.
Äquivalenz von Energie und Masse (Einstein):
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Nuklidkarte
N
Z
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Instabilität der Atomkerne: radioaktive Zerfälle
Wichtigste Arten:
• α-Zerfall: Mutterkern → Tochterkern + Heliumkern
• β-Zerfall: Mutterkern → Tochterkern + Elektron + Neutrino
• γ-Zerfall: Mutterkern → Tochterkern + Photon
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1. Der α-Zerfall
Die α-Teilchen sind monoenergetisch (typische Energien, Ekin ≈ einige MeV)
Mutterkern (N Neutronen, Z Protonen) → Tochterkern(N-2 Neutronen, Z-2 Protonen) + Heliumkern(2Protonen, 2Neutronen)
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Alpha-Teilchen in Materie:
Medium wird ionisiert → α-Teilchen werden gebremst
(Hier Luft)Reichweite von α-Teilchenin Luft: einige cm
Abschirmung der α-Teilchen schon durch dünnes Papier, Kleidung,…
ABER: Gefahr bei Inkorporation der Mutterkerne!
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2. Der β-Zerfall:
eepn ν++→ −eepn ν++→ −Grundprozess:
Mutterkern (N Neutronen, Z Protonen) → Tochterkern (N-1 Neutronen, Z+1 Protonen) + Elektron + Anti-Elektronneutrino
Energie der Elektronen ist kontinuierlich verteilt (bis zu Maximalwert Q)Z
ahl d
er E
leK
tron
en
Energie des Elektrons
Q
Abschirmung der β-Teilchen (niederenergetische Elektronen) z.B. durch Alu-Blech (ca. 1mm)
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Q=-1/3
NeutronNeutron
d
Beispiel für ß-Zerfall: Zerfall des Neutrons Beispiel für ß-Zerfall: Zerfall des Neutrons
d
Q = -1/3
u
Q = +2/3
d-Quark, wandelt sich in ein u-Quark um,dabei entsteht ein Elektron undein Anti-Elektronneutrino
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Q=-1/3
NeutronNeutron
d
ProtonProton
Verantwortlich für die Umwandlungdes d-Quarks in u-Quark:schwache Kernkraft
(elektroschwache Wechselwirkung)
Beispiel für ß-Zerfall: Zerfall des Neutrons Beispiel für ß-Zerfall: Zerfall des Neutrons
eepn ν++→ −eepn ν++→ −
u
e-
ve
Q = +2/3
d
Q = -1/3
u
Q = +2/3
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3. Der γ-Zerfall:
Mutterkern (N Neutronen, Z Protonen) → Tochterkern (N Neutronen, Z Protonen) + Photon
Entstehung:Nukleonen springen auf andere Energieniveaus des Atomkerns (keine Umwandlung!).
Abschwächung von Gammastrahlung (genau wie Röntgenstrahlung):
Dicke d
deIdI ⋅−⋅= µ0)(
Halbwertsdicke d 1/2:
µ2ln
2/1 =d
Nach dieser Dicke ist die Intensität derStrahlung auf die Hälfte abgefallen.
µ = Schwächungskoeffizient
z.B. Blei
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Abschirmung von α-Strahlung (Heliumkerne):Reichweite der α-Teilchen in Luft = wenige cmschon dünnes Papier oder Kleidung schirmt die Strahlung ab.
Abschirmung von ß-Strahlung (Elektronen mit Energien bis zu einigen MeV):einige mm Aluminium reichen zur Abschirmung.
Abschwächung von γ- und Röntgenstrahlung (X-rays):
Man braucht einige cm Blei um γ-Strahlung abzuschirmen
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Das radioaktive Zerfallsgesetz (gilt für alle Zerfallsarten):
N0 = Zahl der Kerne zur Zeit t=0N(t) = Zahl der Kerne zur Zeit tλ = ZerfallskonstanteT1/2 = Halbwertszeit (Zeit nach der die Hälfte der Kerne zerfallen ist)
teNtN λ−⋅= 0)(λ2ln
2/1 =T
Aktivität A eines radioaktiven Präparats (Zerfälle pro Sekunde):
)()( tNtA ⋅= λ Einheit = Zerfälle pro Sekunde
1 Becquerel (1 Bq) = 1 / s
Die Aktivität ist proportional zur Zahl der noch vorhandenen Kerne
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Dringen ionisierende Strahlen, ob elektromagnetische Wellen oder geladene Teilchen in das Gewebe ein, können wichtige Moleküle, insbesondere die Erbsubstanz , beschädigt werden.
Dagegen hat der Körper Reparatur- und Anpassungsmechanismen zur Verfügung, die aber versagen können, etwa wenn die Strahlungsintensität zu hoch ist.
Unterschied: Locker ionisierende Strahlung – Dicht ionisierende Strahlung
Wirkung von ionisierender Strahlung auf den Organis mus
Locker ionisierende Strahlung (Gamma, Röntgen, Beta (Elektronen))
Einzelstrangbrüche können sehr effizient repariert werden, da das komplementäre Nukleotid auf dem gegenüberliegenden Strang unbeschädigt ist. Aber bei etwa jeder tausendsten Reparatur ist mit einem Fehler zu rechnen, der dann bei der Zellteilung weiter vererbt wird.
Einzelstrangbruch
Dicht ionisierende Strahlung (Alpha, Neutronen)
Doppelstrangbrüche sind nicht fehlerfrei zu reparieren
Doppelstrangbruch
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Dosimetrie und Strahlenschutz: Einheiten und Messgrößen
Energiedosis D
Dosisleistung
Äquivalentdosis H
Relative biologische Wirksamkeit q:Röntgenstrahlen, γ, β q = 1α – Teilchen q = 20Neutronen q = 2-10 (je nach Energie)
Aktivität A
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Dosisgrenzwerte (mSv pro Kalenderjahr)
Organ *) Beruflich strahlenexponierte Personen Bevölkerung
Ganzkörper 20 mSv 1 mSv
Augenlinse 150 mSv 15 mSv
Haut 500 mSv 50 mSv
Keimdrüsen, Gebärmutter, rotes Knochenmark 50 mSv -
Schilddrüse, Knochenoberfläche 300 mSv -
Lunge, Magen, Blase 150 mSv -
Quelle: Bundesamt für Strahlenschutz, Stand 12.10.2006
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effektive Dosis durch Kalium-40-Aktivität im Menschen: 0,165 mSv/Jahr+ Gesamtnahrung (ohne Trinkwasser): 0,209 mSv/Jahr
Natürliche Strahlenbelastung (Beispiele):
Mittelere Exposition der Bevölkerung durch röntgendiagnostische undnuklearmedizinische Untersuchungen pro Person (2003): 1,8 mSv/Jahr
Besonders stark belastet sind im Moment noch z.B. Pi lze (wg. Tschernobyl):Die Aufnahme von 80.000 Becquerel Cäsium 137 mit der Nahrung entspricht einer Strahlenbelastung von ca. 1 Millisievert. Der Verzehr von 200 g Pilzen mit 4.000 Becquerel Cäsium 137 pro Kilogramm hat beispielsweise eine Belastung von 0,01 Millisievert zur Folge. Dies lässt sich mit der Belastung durch Höhenstrahlung bei einem Flug von Frankfurt nach Gran Canaria vergleichen.
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Die Erdkruste enthält die natürlichen Radionuklide Uran-238, Uran-235, Thorium-232 und Kalium-40. Als Zwischenprodukt der Zerfallsreihe des Uran-238entsteht über Radium-226 das radioaktive EdelgasRadon-222 (Rn-222, Halbwertszeit 3,8 Tage ).
Radon geht mit anderen Elementen keine chemischen Verbindungen ein und ist deshalb besonders mobil .
Aus allen Materialien, in denen Uran vorhanden ist, vor allem aus dem Erdboden und den Baumaterialien , wird Radon freigesetzt und gelangt in die freie Atmosphäre oder in die Innenraumluft von Gebäuden.
Nach UNSCEAR 2000 beträgt der bevölkerungsgewichtete Mittelwert der Radonkonzentrationin Wohnungen in der Europäischen Union etwa 59 Bq/m 3. Geht man von einem linearen Risikoanstieg von 16% pro 100 Bq/m3 aus, so verursacht Radon in Wohnungenin Europa 9% aller Lungenkrebstodesfälle und 2% aller Krebstodesfälle. Absolut gesehen heißt dies, dass ca. 20.000 Lungenkrebstotepro Jahr in der Europäischen Union durch Radon verursacht werden.
Radon
Zitate von der webpage des Bundesamts für Strahlenschutz
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Zusätzlich: Höhenstrahlung (Kosmische Strahlung)
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bis 25
bis 15
bis 11
Mt Everest
Mont Blanc
Boing 747
Lear JetD
osis
in µ
Sv/
h
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Effektive Dosis durch Höhenstrahlung auf ausgewählten Flugrouten
Abflug Ankunft Dosisbereich* [µSv]
Frankfurt Gran Canaria 10 - 18
Frankfurt Johannesburg 18 - 30
Frankfurt New York 32 - 75
Frankfurt Rio de Janeiro 17 - 28
Frankfurt Rom 3 - 6
Frankfurt San Francisco 45 - 110
Frankfurt Singapur 28 - 50
* Die Schwankungsbreite geht hauptsächlich auf die Einflüsse von Sonnenzyklus und Flughöhe zurück.