Aus der Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Halschirurgie am St. Elisabeth-Hospital
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum ehem. Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. H. Hildmann
Screening von Neugeborenen auf Hörstörungen unter besonderer Berücksichtigung der auditorischen Neuropathie
Inaugural-Dissertation zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer
Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von Gudrun Peters
aus Haltern 2006
Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. Dr. h. c. H. Hildmann Korreferent: Prof. Dr. med. U. Schauer Tag der mündlichen Prüfung: 30.11.2006
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 6
1.1. Zielsetzung der Dissertation 6
1.2. Anatomie und Physiologie 14
- 1.2.1. Anatomie 14
- 1.2.2. Physiologie 17
1.3. Neuroplastizität und Maturation des auditorischen Systems 20
1.4. Einteilung der Hörstörungen 23
1.5. Audiologie 25
- 1.5.1. subjektive Audiometrie 25
- 1.5.2. objektive Audiometrie 28
1.6. Ätiologie und Genese frühkindlicher Hörstörungen 35
- 1.6.1. erworbene Hörstörungen 35
- 1.6.2. genetisch bedingte Hörstörungen 36
1.7. Folgen frühkindlicher Hörstörungen 39
1.8. Therapie 42
2. Material und Methode 43
2.1. Neugeborenenkollektiv und Ablauf der Untersuchung 43
2.2. automatisierte ABR-Messung 44
2.3. OAE-Messung 46
2.4. Statistik 47
3. Auswertung 49
4. Ergebnisse 100
5. Diskussion 105
6. Zusammenfassung 143
7. Literaturverzeichnis 146
8. Anhang: Fragebogen
Danksagung
Lebenslauf
Abkürzungen
aABR automatisierte ABR
ABR auditory brainstem responses, syn. BAEP, BERA
AEP auditorisch evozierte Potentiale
AMLR auditory middle latency responses
ANP auditorische Neuropathie
BAEP brainstem auditory evoked potentials
BERA brainstem electric response audiometry
CAEP cortical auditory evoked potentials, syn. SAEP, CERA
CAP compound action potential, syn. SAP
CERA cortical electric response audiometry
CI Cochlea Implant
CM cochleäre Mikrophonpotentiale
DPOAE Distorsions-Produkt-OAE
DZH Deutsches Zentralregister für kindliche Hörstörungen
EABR electrically evoked ABR
ECochG Elektrocochleography
fMRI functional magnetic resonance imaging
IHZ Innere Haarzellen
MAEP mittlere auditorisch evozierte Potentiale
M-W-U Mann-Withney-U-Test
Neustat Neugeborenennormalstation
NICU neonatal intensive care unit
NRT neuronal response telemetry
OAE otoakustische Emissionen
OHZ outer hair cells, Äußere Haarzellen
PET positron emission computed tomography
SAEP späte auditorisch evozierte Potentiale
SAP Summenaktionspotential
SP Summationspotential
SPECT single photon emission computed tomography
TEOAE transistorisch evozierte OAE
1. Einleitung
6
1. Einleitung
1.1. Zielsetzung der Dissertation
Epidemiologie
Derzeit wird die Prävalenz von relevanten Hörstörungen bei Geburt auf ca. 1 bis 2 von
1000 reifgeborenen Neugeborenen geschätzt [74]. Wobei kochleäre Hörstörungen bei
Neugeborenen vorherrschen (ca. 90 %).
Andere Quellen geben eine Häufigkeit von Hörminderungen von mindestens 35 dB auf
dem besser hörenden Ohr zwischen 1:1000 und 6:1000 [25] weltweit an.
Hierbei befindet sich Deutschland nach Angaben des DZH (Deutsches Zentralregister für
kindliche Hörstörungen) mit 1,2:1000 Neugeborenen im unteren Bereich. Damit besitzen
frühkindliche Hörstörungen eine mittlere bis hohe Prävalenz [70].
Detektionsschwierigkeiten
Aufgrund der entwicklungsbedingt eingeschränkten Interaktionsfähigkeit des Kindes
machen sich Schwerhörigkeiten, sofern keine weiteren Anomalien im Sinne eines
Syndroms oder einer vorbekannten, familiären Schwerhörigkeit vorliegen, erst spät
bemerkbar.
Häufig wecken erst das Ausbleiben der altersgerechten Sprachentwicklung oder
Artikulationsstörungen bei den Eltern den Verdacht. Mangelndes Reaktionsverhalten auf
auditorische Stimuli wird auf „Verträumtheit“ oder intensive Beschäftigung mit dem Spiel
geschoben, zumal gleichzeitiges Darbieten von visuellen und auditorischen Reizen ein
positives Reaktionsverhalten auf einen auditorischen Stimulus simuliert.
Kinder mit hochgradigen, frühkindlichen Hörstörungen unterscheiden sich von ihren
Altersgenossen aufgrund des spontanen Vokalisationsmusters in den ersten sieben
Monaten nicht. Erst danach werden sie durch das Ausbleiben der physiologischen
Echolalie auffällig und Verstummen erneut in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres
in der zweiten Lallphase [50].
Die eingeschränkte Kooperationsfähigkeit und schnelle Ermüdbarkeit aufgrund der Kinder,
sowie die z. T. sehr vom Untersucher abhängige Beurteilbarkeit der zur Verfügung
stehenden, verhaltensorientierten, audiologischen Testverfahren sind weitere
1. Einleitung
7
Hindernisse. Eine aussagekräftige Hörprüfung stellt sowohl Ansprüche an die Vigilanz des
Kindes als auch an das speziell pädaudiologisch geschulte Personal.
Alter bei Diagnosestellung
Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten werden Schwerhörigkeiten - abhängig vom
Ausprägungsgrad - z.Zt. in folgenden Lebensjahren aufgedeckt [31]:
- hochgradige Schwerhörigkeiten mit 1 ½ bis 2 Jahren
- mittelgradige Schwerhörigkeiten über 3 ½ Jahren
- geringgradige Schwerhörigkeiten über 4 Jahren
Auditorisch sensible Entwicklungsphase
Schwerhörigkeiten werden mit den derzeitigen Methoden zu spät erkannt, denn bei später
Diagnosestellung werden entscheidende Entwicklungsstadien verpasst.
Für die normale, neuronale Entwicklung des kindlichen Gehirns müssen bestimmte
Voraussetzungen bestehen. Ohne eine entsprechende sinnesbezogene Reizstimulation kann
das frühkindliche, neuronale, auditorische Potential nicht genutzt werden. Die Entwicklung
eines kompetenten, auditiven Systems entfällt bei ungenügender Stimulation, unabhängig
der Genese. Dies konnte in Deprivationsstudien [34, 39, 57, 71, 84] beobachtet werden.
Die mangelnde Synapsensprossung führte konsekutiv zu fehlender Maturation der
normalerweise auditorisch geprägten Kortexareale. Zum Teil wurden assoziative,
auditorische Felder durch benachbarte Sinnessysteme, wie zum Beispiel dem visuellen
System, beansprucht und genutzt.
Für diese sensible, reizorientierte Phase der cerebralen Reifung besteht ein eng limitiertes,
zeitliches Fenster. Verstreicht dieses ungenutzt, verfügt das kindliche Gehirn nicht mehr
über geeignete Kompensationsmechanismen, um entstandene Entwicklungsdefizite wieder
aufzuholen. Die besonders sensible, prägnante Phase der auditorischen Kortexreifung
umfasst die ersten drei bis sechs Lebensmonate [30].
Eine kompetente, auditorische Wahrnehmung ist unabdingbar für den Lautspracherwerb
des Kindes. Die Fähigkeit zur sprachlichen Kommunikation wiederum bildet einen
entscheidenden Integrationsfaktor und beeinflusst so die Persönlichkeitsentwicklung.
Daher müssen frühkindliche Hörstörungen so früh wie möglich erkannt werden, um
entsprechende Therapiemaßnahmen einleiten zu können. Nach dem heutigen Stand der
1. Einleitung
8
Medizin können viele Arten der Hörstörungen therapiert, z.T. vollständig geheilt oder
zumindest minimiert werden.
Hörscreening
Es stellt sich die Frage, wie man das derzeitige Detektionsalter für Hörstörungen
verringern kann. Als geeignetes Instrument bietet sich eine generelle Untersuchung des
Hörvermögens aller Neugeborenen an.
Ein Screening stellt eine Aussonderungsuntersuchung innerhalb einer Gruppe dar, wobei
ein positives Ergebnis nicht eine definitive Erkrankung bedeutet. Der Beweis einer
Erkrankung oder Störung kann nur durch eine Konfirmationsdiagnostik erbracht werden.
Die Vorgaben für ein sinnvolles, früherkennendes Untersuchungsverfahren sind:
- hohe Inzidenz der Erkrankung
- ernste Erkrankung
- erkennbares, latentes oder symptomatisches Stadium vorhanden
- Therapiemöglichkeiten gegeben
- früher Therapiebeginn verbessert die Diagnose
- weitere Therapie und Diagnostik verfügbar
- zumutbare Screeningmethode
- Güteeigenschaften des Screeningverfahrens (ausreichende Reliabilität und
Validität) gegeben
- Koordination von Screening, Diagnostik und Frühbehandlung mit positiver Kosten-
Nutzen-Relation [31]
Während im Bereich Endokrinologie bereits ein Neugeborenen-Screening etabliert wurde,
sind verschiedene Hörscreeningmodelle für Neugeborene z.Zt. nur in einigen Kliniken und
Einrichtungen aufgrund von Eigeninitiativen eingerichtet worden.
Folgende Screening-Untersuchungen können derzeit durchgeführt werden.
1. Einleitung
9
Tabelle 1: Übersicht zu Screening-Untersuchungen [31]
Broncho-pulmonales Screening Verdauungssystem-Screening
Nephro-urologisches Screening Hüftgelenk-Screening
Dermatologisches Screening ZNS-Screening
Infektions-Screening Seh-Screening
Kardiologisches Screening Stoffwechsel-Screening
Hörscreening
Abgesehen vom gesetzlich vorgeschriebenen Screening auf Stoffwechselerkrankungen,
wie z.B. die Phenylketonurie, erfolgen die übrigen Screening-Untersuchungen fakultativ
bei Risikosäuglingen oder bei Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung in dem
entsprechenden Gebiet. Schon seit Jahren werden in verschiedenen Arbeitskreisen und
Expertenkommissionen Rahmenbedingungen und Methoden diskutiert, um ein generelles
Hörscreening in den Vorsorgekatalog für Neugeborene einzugliedern.
Die American Academy of Pediatrics hat bereits 1994 Standardkriterien für ein gezieltes
Hörscreening aufgestellt:
- familiäre Schwerhörigkeit
- Frühgeborene < 1500 g
- perinatale Asphyxie (APGAR < 5 nach 5 min.)
- Hyperbilirubinämie (> 22 mg %)
- kraniofaziale Fehlbildungen
- konnatale und neonatale Infektionen
- Therapie mit Aminoglykosiden und anderen ototoxischen Substanzen
- persistierende, pulmonale Hypertension
- Beatmung > 5 Tage
- Syndrome mit Beteiligung der Hörfunktion [31]
Allerdings gehen Schätzungen davon aus, dass - angenommen es würden ausschließlich
Risikokinder untersucht – nur 20-50 % der Kinder mit frühkindlichen Hörstörungen durch
diese gezielte Methode erkannt würden [70].
Beim Hörscreening für Neugeborene kommen im Rahmen von klinischen Studien oder
klinikinternen Programmen derzeit vor allem die Ableitung der frühen auditorisch
1. Einleitung
10
evozierten Hirnstammpotentiale (BERA) und die Messung der otoakustischen Emissionen
(OAE), in Kombination oder allein, zum Einsatz. Einige Institutionen präferieren ein
generelles Screening, während andere speziell nur Risikokinder untersuchen.
Tabelle 2: Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Screeningverfahren
Vorteile Nachteile
OAE - einfache Bedienung, kurze
Anlernzeit
- wenig kostenintensiv
- einfache Reproduzierbarkeit
- kurze Untersuchungsdauer
- Unabhängigkeit von Vigilanz
- störanfällig durch Paukenergüsse,
Amnionflüssigkeit
- Umgebungslärm störend, z.B. Beatmung
- hohe Rate an falsch-positiv. Ergebnissen
- keine Aussage über Funktion der
Inneren Haarzellen
BERA - Aussage über Cochlea und Hörnerv
möglich
- hohe Sensitivität
- Differentialdiagnosen möglich
- hohe Rate an falsch-positiv. Ergebnissen
- relativ kostenintensiv
- zeitintensiv
- verlängerte Anlernzeit
- Ansprüche an Vigilanz des Säuglings
Problematische Aspekte des Screenings
Besonders die Rate an falsch-positiven Ergebnissen wirkt sich bei dem
Untersuchungsverfahren negativ auf die Akzeptanz aus, da ein auch ein falsch-positives
Ergebnis die Eltern beunruhigt. Diesem Problem muss durch ein aufklärendes,
informatives Gespräch und durch Vergabe eines möglichst nahen Kontrolltermins
begegnet werden.
Progressive Hörstörungen, wie sie durch hereditäre, meist autosomal-dominante
Gendefekte verursacht werden, entziehen sich einem Screeningverfahren in den ersten
Lebenstagen.
Entscheidend für den Erfolg eines Hörscreenings ist, dass ein weiteres Procedere bei
positivem Testergebnis festgelegt ist, da sonst die Kontrolle der als auffällig im Screening
identifizierten Kinder aus variablen Gründen - Kommunikationsschwierigkeiten, Umzug
der Eltern, mangelhafte Dokumentation - unterbleiben kann. Nach Schätzungen wird das
Hörvermögen bei 40 bis 60 % der auffällig getesteten Säuglinge nicht weiter abgeklärt.
1. Einleitung
11
Die nächsten Stationen der Konfirmationsdiagnostik und der Zeitrahmen müssen
vorgegeben werden. Eine gezielte Betreuung von Eltern und Kind sollte erfolgen.
Gegebenenfalls sollte Kontakt zu mitbetreuenden Ärzten aufgenommen werden. Dies
erfordert eine gute Koordination des Screeningprogramms.
Schwerhörigkeiten überwiegend cochleären Ursprungs herrschen vor, allerdings findet in
der neueren Literatur eine weitere auditorische Störungsform zunehmend
Berücksichtigung: die auditorische Neuropathie (ANP).
Bei dieser ätiologisch variablen Form der Hörstörung wird eine Lokalisation der
Schädigung im Bereich der Cochlea und / oder des Hörnervens diskutiert. Gemeinsam ist
den verschiedenen unter diesem Terminus vereinten Entitäten eine stabile Nachweisbarkeit
von otoakustischen Emissionen. Die Hörstörung zeigt sich erst in der pathologischen
BERA. Somit entziehen sich diese Hörstörungen der Identifikation in einem allein
durchgeführten OAE-Screening.
Fallbericht: CI-Implantation bei auditorischer Neuropathie
Die besondere Problematik, der Betroffene, Eltern und Therapeuten bei auditorischer
Neuropathie gegenüberstehen, verdeutlicht der Entwicklungsverlauf eines Kindes mit
hochgradiger Schwerhörigkeit.
Der Junge wurde in der 37+6 Schwangerschaftswoche spontan entbunden. Aufgrund eines
Icterus praecox bei Rhesus-Inkompatibilität musste zweimalig eine Austauschtransfusion
erfolgen. Der maximale Bilirubinwert betrug 34.8 mg/dl. Zudem bestand der Verdacht auf
eine Sepsis, die durch Antibiotika (Ampicillin, Vancomycin) therapiert wurde, sowie der
Verdacht auf Krampfanfälle bei sonographisch nachweisbarer Ischämiezone rechts parieto-
occipital. Bereits während des Aufenthalts auf der Neonatologie erfolgte eine
pädaudiologische Betreuung. Im weiteren Verlauf wurde bereits im Alter von 6 Wochen
der Verdacht auf eine höhergradige Schwerhörigkeit geäußert. Das BERA-Screening
(Gerät Algo 2 der Firma Natus) sowie eine BERA in Sedierung konnten keine akustisch
evozierten Potentiale bis 100 dB nachweisen. Jedoch waren TEOAEs und DPOAEs in
mehreren Kontrollen stabil nachweisbar. Daher wurde schon frühzeitig eine auditorische
Neuropathie in Betracht gezogen.
Zunächst wurde ein amplifizierender Versuch mit einem Hörgerät unternommen. Auf die
Hörgeräte reagierte allerdings das Kind ablehnend.
1. Einleitung
12
Die weitergehenden Untersuchungen bestärkten die Entscheidung zur CI-Implantation. Die
Elektrocochleographie zeigte lang oszillierende, cochleäre Mikrophonpotentiale bis zu 7
ms nach Reizbeginn mit einer Nachweisschwelle von 50 dB rechts und links. Die
anatomisch-morphologische Intaktheit des Hörnervs konnte in einem MRT verifiziert
werden. Durch ergänzende, neuropädiatrische Untersuchungen (Messung der
Nervenleitgeschwindigkeit, somatosensorisch evozierte Potentiale) konnte eine
generalisierte Neuropathie ausgeschlossen werden. Spezielle endokrinologisch-
laborchemische Untersuchungen machten das Vorliegen der Refsumschen Erkrankung
oder einer Adrenoleukodystrophie, die mit einer progredienten, lebensverkürzenden
zentralen und peripheren Neuropathie einhergehen, unwahrscheinlich.
Mit 1 Jahr und 9 Monaten erfolgte die Versorgung des Kindes mit einem Cochlea-Implant
(Firma MED-EL) links mit anschließender elektrophysiologischer Messung der EAP nach
intracochleärer elektrischer Reizung. Zweieinhalb Jahre später konnte komplikationslos
der Austausch des CI durchgeführt werden, nachdem ein mechanischer Implantatausfall
dies erforderlich machte.
Die Entwicklung des Kindes wurde durch die CI-Implatation umfassend gefördert. Es
wurde ein Lautspracherwerb ermöglicht, der durch begleitende, frühfördernde,
ergotherapeutische und logopädische Maßnahmen unterstützt wurde. In den letzten
Untersuchungen bestanden zwar noch Defizite im Bereich der auditiven Wahrnehmung,
des Wortschatzes und des Sprachverständnisses, jedoch erzielte der Junge im
Tonaudiogramm links mit CI eine Hörschwelle von 30 dB und im Mainzer
Kindersprachtest ein Sprachverständnis von 70 % bei 65 dB im Freifeld. Die im
Säuglingsalter zunächst als störend empfundene Hörverstärkung mittels Hörgeräte
akzeptiert das Kind nun auf der nicht implantierten rechten Seite.
Bemerkenswert erscheint auch, dass die zunächst stabil nachweisbaren OAEs vier Jahre
nach der einseitig links erfolgten Operation nun beidseits nicht mehr nachweisbar waren.
Rückblickend profitierte das Kind von der CI-Implantation. Die CI-Versorgung
ermöglichte ihm den Erwerb des Hörvermögens und eines offenen Sprachverständnisses
und legte so die Grundlagen für seine Integration. Optimal verlief auch die frühzeitige
Diagnosestellung, die durch das Neugeborenen-Hörscreening angestoßen wurde.
1. Einleitung
13
Fragestellungen
Die Dissertation berichtet über die im Hörscreening gewonnen Erfahrungen mit einem
Kombinationsmodell von OAE- und automatisierten BERA-Messung. Die Untersuchung
wurde bei Neugeborenen der Normalstation und der Neonatologie durchgeführt.
Zu Beginn stellte sich die Frage, ob mit diesem Modell die Konstellation der auditorischen
Neuropathie aufgedeckt werden kann. Und wenn ja, ist diese Konstellation häufiger bei
Kindern der Neonatologie, also Kindern mit Risikoprofil, anzutreffen als bei reifgeborenen
Neugeborenen?
Lassen sich Unterschiede im Screeningergebnis zwischen diesen beiden
Neugeborenengruppen darstellen?
Kristallisieren sich Risikofaktoren für ein schlechtes Abschneiden im Test heraus?
Haben die Umgebungsbedingungen Einfluss auf das Ergebnis?
Wo stellen sich koordinatorische Probleme dar und wie verläuft das Re-Screening?
Wie hoch ist der Anteil der falsch-positiven Ergebnisse?
Erweist sich eine Screeningmethode der anderen gegenüber als überlegen?
Lässt sich ein optimaler Zeitpunkt zum Screening erheben?
Wie hoch ist der Zeitaufwand?
Durch welche Verbesserungen könnte ein optimales Screeningergebnis erzielt werden?
1. Einleitung
14
1.2. Anatomie und Physiologie des Hörorgans
1.2.1. Anatomie
Man unterscheidet im auditorisch-vestibulären System aufgrund von morphologisch-
anatomischen Aspekten zwischen dem peripheren Gehör- und Gleichgewichtssystem auf
der einen Seite und dem zentralen, auditorischen und vestibulären System auf der anderen
Seite. Als Grenze betrachtet man den Eintritt des N. vestibulocochlearis in den Hirnstamm.
Äußeres Ohr
Dem äußeren Ohr werden die Ohrmuschel (Auricula) und der äußere Gehörgang (Meatus
acusticus externus) zugeordnet. Der Gehörgang zeigt einen schraubenförmigen Verlauf
und ist ca. 24 mm lang. Der Ohrenschmalz (Cerumen) besteht aus dem Sekret apokriner
Gehörgangsdrüsen und Epidermisschuppen und wird aufgrund der Migrationstendenz nach
außen abgegeben. Die Luftsäule im Gehörgang kann selbst infolge der besonderen
Anatomie in Resonanzschwingungen versetzt werden, so dass vor allem die für die
menschliche Sprache wichtigen Frequenzen 2500-5000 Hz verstärkt werden [3].
Mittelohr
Das Mittelohr setzt sich aus der Paukenhöhle, den Warzenfortsatzzellen und der
Ohrtrompete zusammen.
Als laterale Begrenzung der Paukenhöhle dient das Trommelfell. Die mediale Wand
erfährt ihr Relief durch das darunter liegende, knöcherne Labyrinth.
Der schallleitende Apparat der Paukenhöhle - die Gehörknöchelchen - überbrückt vom
Trommelfell bis zum knöchernen Labyrinth das Cavum tympani und setzt mit der
Fußplatte des Stapes im ovalen Fenster (Fenestra vestibuli) an. Zwischen dem ovalen und
dem runden Fenster (Fenestra cochleae) liegt das Promontorium, das die knöcherne
Begrenzung der basalen Schneckenwindung darstellt.
Im hinteren Anteil der Paukenhöhle befindet sich der Zugang zu den Cellulae mastoideae.
Hier grenzt die Paukenhöhle oberhalb des ovalen Fensters an den tympanalen Abschnitt
des N. fazialis und weiter kaudal an dessen mastoidales Segment. Kurz vor Austritt aus
dem knöchernen Schädel am Foramen stylomastoideum verlässt die Chorda tympani mit
parasympathischen und sensorisch afferenten Fasern den N. fazialis und zieht rückläufig
1. Einleitung
15
zwischen Hammer und Amboss durch die Paukenhöhle. Enge topographische Beziehungen
bestehen auch zum Canalis Caroticus im vorderen Anteil und zur Vena jugularis interna
am Boden.
Im vorderen Abschnitt führt die Tuba auditiva nach ventro-medial. Sie verbindet die
Paukenhöhle mit dem Nasopharynx und ermöglicht den Druckausgleich zwischen den
beiden Räumen.
Die Gehörknöchelchen - Hammer (Malleus), Amboss (Incus) und Steigbügel (Stapes) -
sind gelenkig verbunden. An den Gehörknöchelchen inserieren spezielle
Mittelohrmuskeln, M. tensor tympani und M. stapedius. Durch die Versteifung der
Gehörknöchelchenkette schützen beide synergistisch vor zu großer Schallbelastung und
erweitern dadurch den Lautstärkebereich des Gehörs [3].
Innenohr
Das Innenohr ist ein komplex gestaltetes Gebilde. Makroskopisch-anatomisch gliedert es
sich in das vestibuläre Labyrinth und die Kochlea (Hörschnecke). Es befindet sich in der
Pars petrosa des Os temporale. Zwischen dem köchernen und dem häutigen Labyrinth wird
unterschieden. Das Vestibulum des knöchernen Labyrinths stellt die Verbindung zwischen
den drei Bogengängen (Canales semicirculares) und der Cochlea her, zudem geht von
ihm der Aquaeductus vestibuli mit dem Ductus endolymphaticus ab, der auf der
Hinterfläche des Felsenbeins als Saccus endolymphaticus mündet. Die drei Bogengänge
stehen nahezu senkrecht in den Hauptebenen zueinander und weisen jeweils vor
Einmündung ins Vestibulum eine Auftreibung, die Ampulle, auf. Die Ampulle beinhaltet
die Crista ampullaris, das Bogengangsorgan. Das Vestibulum umfasst als häutigen
Labyrinthanteil den Sacculus und den Utrikulus mit zugehörigen vestibulären Organen.
Der Ductus reunies stellt von hier die Verbindung mit dem Ductus cochlearis her, der von
der knöchernen Cochlea bedeckt wird. Diese formt sich spiralig in zweieinhalb
Windungen.
Zur Paukenhöhle wird die Cochlea durch das ovale Fenster mit der Stapes-Fußplatte und
durch einen bindegewebigen Verschluss des runden Fensters abgegrenzt.
Das häutige Labyrinth und der Ductus cochlearis sind mit kaliumreicher Endolymphe
angefüllt, während im Zwischenraum zwischen häutigem und knöchernem Labyrinth ein
extrazelluläres, natriumreiches Milieu vorherrscht. Der Ductus cochlearis windet sich um
die knöcherne Achse, den Modiolus. Dabei unterteilt er den Perilymphraum in eine Scala
1. Einleitung
16
vestibuli und eine Scala tympani. Beide Gänge gehen am Helicotrema an der
Schneckenspitze ineinander über.
Der Aquäductus cochleae (synonym: Ductus perilymphaticus) verläuft vom
Perilymphraum zur Pyramidenhinterfläche und hat hier am Porus acusticus internus
Kontakt zum Liquorraum.
Mikroskopisch-anatomische Aufbau zeigt die Sinnesepithelien des Gleichgewichtsorgans
in der Macula sacculi und Macula utriculi, sowie in den Cristae ampullares lokalisiert. Hier
ragen die Sinnenzellen in eine gallertige Masse mit eingelagerten, kristallinen Partikeln,
die Statokonienmembran. Die afferenten Neurone des N. vestibularis leiten die Erregung
der Sinneszellen via bipolaren Ganglienzellen im Meatus acusticus internus an die
Vestibulariskerne und zum Teil direkt ins Cerebellum weiter.
Im Feinaufbau der Cochlea wird der Ductus cochlearis zur Scala vestibuli durch die
Reisnersche Membran und zur Scala tympani durch die Lamina spiralis ossea und durch
die Basilarmembran begrenzt. Im äußeren Anteil der lateralen Wand befindet sich die Stria
vascularis, die für die Kaliumanreicherung der Endolymphe und somit für die
Aufrechterhaltung des elektrischen Potentials verantwortlich ist. Die dort befindlichen
Ionenpumpen arbeiten offensichtlich mit einem ähnlichen Mechanismus wie einige
Ionentransporter in der Niere und sind somit auch für bestimmte Diuretika anfällig.
Auf der Lamina basilaris befindet sich das für die Transformation von Schallenergie in
neuronale Erregung verantwortliche Cortische Organ. Die Breite und Dicke der ca. 34 mm
langen Basilarmembran variiert je nach Lokalisation.
Die Sinneszellen werden von den inneren, einreihigen und äußeren, drei- bis vierreihigen
Haarzellen gebildet, die auf Stützzellen sitzen. Bei den äußeren Haarzellen werden diese
Deiters-Zellen genannt. Ein innerer Tunnel wird durch die inneren und äußeren
Pfleilerzellen, ein äußere Tunnel oder perilymphähnlicher Nuelscher Raum durch Deiters-
Stützzellen geformt. Als Sinneshaare besitzen die Haarzellen je nach zugeordneter
Frequenz entsprechend lange Stereozilien.
Während die äußeren Haarzellen große, efferente Synapsen und kleine, afferente Synapsen
besitzen, verfügen die inneren Haarzellen vor allem über afferente Synapsen. Der N.
cochlearis repräsentiert fast ausschließlich die Neuriten afferenter Neurone mit
zugehörigen Synapsen zu den inneren Haarzellen. Die Aufgabe der inneren Haarzellen
besteht in der Transformation der akustischen Information der Schallwellen in eine
1. Einleitung
17
neuronale Kodierung. Den äußeren Haarzellen kommt eine Rolle bei der Verstärkung der
mechanischen Reizung und frequenzspezifischen Stimulation der inneren Haarzellen zu.
Die bipolaren Perikaryen der afferenten Neurone liegen als Ganglion spirale im Modiolus.
Dabei empfangen sie zu 95 % Informationen von den inneren Haarzellen und nur zu 5 %
von den äußeren Haarzellen. Die Dendriten dieser Spiralganglienzellen ziehen als N.
cochlearis vom Meatus acusticus internus zusammen mit dem N. vestibularis am
Kleinhirnbrückenwinkel in den Hirnstamm.
Als olivocochleäres Bündel gelangen efferente Fasern von der oberen Olive gekreuzt und
ungekreuzt zu den äußeren Haarzellen und zu den Neuriten der inneren Haarzellen. Hier
wird ein aktiver Schutzmechanismus des Ohrs gegen Lärmexposition durch den efferenten,
hemmenden Einfluss diskutiert.
Die Differenzierung der Sinneszellen der Cochlea erfolgt im dritten
Schwangerschaftsmonat.
Hörbahn
Die Hörbahn kann in ein aufsteigendes und in ein absteigendes System untergliedert
werden.
Die erste Station im aufsteigenden System wird von den Neuronen des Ganglion spirale im
Modiolus gebildet. Von dort ziehen die Axone zu den Ncl. cochlearis posterior und
anterior mit insgesamt 90.000 Neuronen.
Nun teilen sich die Fasern und ziehen zu ipsi- und kontralateralen Oliven- und
Cochleariskernen und anschließend im Lemniscus lateralis zum Colliculus inferior.
Die nächsten Stationen der aufsteigenden Hörbahn bildet das Corpus geniculatum mediale
des Thalamus. Als Radiatio acustica werden die Informationen in der Capsula interna zum
auditorischen Kortex, lokalisiert in den Gyri temporales transversi (Heschl-
Querwindungen), weitergeleitet.
Die Erkenntnisse über den Verlauf und die Funktion der absteigenden Hörbahnen sind z.
Zt. noch relativ begrenzt. Ihre Bedeutung liegt wahrscheinlich in einer verbesserten
Reizdiskrimination mit Hilfe von Anpassung, Filterung und Kontrastverbesserung.
1.2.2. Physiologie
Sobald der Schalldruck via Stapesfußplatte auf die Perilymphe der Scala vestibuli am
ovalen Fenster übertragen wurde, wird die Perilymphe in Bewegung versetzt. Diese
1. Einleitung
18
Druckerhöhung pflanzt sich nun in Richtung Helicotrema und von da ab in der Scala
tympani bis zum runden Fenster fort. Zwischen diesen flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen
befindet sich der kaliumreiche Endolymphschlauch der Scala media, der durch diese
Relativbewegungen in Schwingungen versetzt wird. Eine Wanderwelle läuft die
Basilarmembran zur Schneckenspitze hin entlang. Da die Basilarmembran an der
Stapesbasis eine größere Steife besitzt als am Helicotrema, wo die elastischen
Eigenschaften überwiegen, nimmt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle zur Spitze
hin ab und die Amplitudenhöhe zu. Dadurch entsteht entlang des Endolymphschlauches für
jede Frequenz ein Amplitudenmaximum an einem bestimmten Ort. Dies wird als
Frequenzdispersion bezeichnet.
Am Ort der maximalen Basilarmembranauslenkung erfolgt eine Relativbewegung
zwischen Tektorialmembran und Basilarmembran. Dies wiederum erzeugt eine Ablenkung
der Stereozilien der Haarzellen. Durch die Abscherung der Stereozilien und konsekutive
Öffnung der Kalium- und Calcium-Ionenkanäle wird eine Depolarisation der Haarzellen
ausgelöst. Die depolarisationsbedingte Ausschüttung des Transmitters Glutamat bewirkt
eine Erregung afferenter Nervenfasern der bipolaren Ganglienzellen.
Die geringen Auslenkungsunterschiede auch am Amplitudenmaximum zu benachbarten
Bezirken erfordern aktive Verstärkungsprozesse der Cochlea. Die äußeren Haarzellen sind
für diesen Verstärkungsmechanismus verantwortlich, indem sie durch schallsynchrone
Bewegungen der Stereozilien eine vermehrte Auslenkung der Basilarmembran erzeugen
und somit sekundär den Reiz auf die weniger empfindlichen inneren Haarzellen erhöhen.
Dieser Verstärkungsprozess lässt sich als otoakustische Emissionen im Gehörgang
nachweisen. Unter ototoxischer Einwirkung geht diese genaue örtliche
Frequenzdiskrimination seitens der Sinneszellen verloren und das Amplitudenmaximum
nimmt ab [89].
Im Olivenkomplex werden bereits binaurale Informationen von beiden Cochleae
verarbeitet. In der aufsteigenden Hörbahn findet sich eine tonotope Gliederung, das heißt
eine frequenzspezifische, anatomisch-morphologisch laminierte Projektion. Die Endstation
für alle Fasern des Lemniscus lateralis (insgesamt 194.000) bildet der Colliculus inferior.
Hier erfolgt auch die Reflexintegration von neuronalen Impulsen aus anderen zerebralen
Bereichen.
Zusammenfassend können als Prinzipien der auditorischen, zentripetalen Reizverarbeitung
eine frequenzspezifische Darstellung der Reizinformation, eine Binauralität durch
1. Einleitung
19
kreuzende Fasern und eine Reizintegration und Weiterverarbeitung auf verschiedenen
Stationen mit Zunahme der aufsteigenden Fasern genannt werden.
Im auditorischen Kernfeld, Brodmann-Feld 41, wird sowohl eine Frequenzanalyse, als
auch eine räumliche Positionsanalyse dadurch erzielt, dass Frequenzen, die in
verschiedenen Bereichen des Kortex repräsentiert werden, tonotop gegliedert sind.
Innerhalb der sog. Isofrequenzstreifen werden Abschnitte ipsi- und kontralateralen
Ursprungs unterschieden. Leise Töne werden in tieferen Bereichen des Kortex als laute
verarbeitet, so dass die amplitonen Unterschiede eine räumliche Abbildung erfahren. Der
Kortex verfügt über geeignete Mechanismen, unerwünschte Hintergrundgeräusche zu
unterdrücken und so die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Schallereignis hin zu
konzentrieren. Dabei bedient sich das Gehirn interauraler Intensitäts- und
Pegeldifferenzen. So kann eine Verbesserung des Hörereignisses um 10 dB erzielt werden.
Allerdings ist dieser Prozess auf die Binauralität angewiesen.
Um das auditorische Kernfeld schließt sich das auditorische Gürtelfeld - Brodmann-Feld
42 - und weiter nach posterolateral der auditorische Assoziationskortex an. Dieser Bereich
wird nach klinischen Untersuchungen als sensorische Sprachregion nach Wernicke mit der
meist linksdominanten Sprachfunktion in Verbindung gebracht.
1. Einleitung
20
1.3. Neuroplastizität und Maturation im auditorischen System
Wie andere Sinnessysteme besitzt auch das auditorische System die Fähigkeit, seine
Strukuren und Funktionen neu zu organisieren, wenn kein Informationsfluss von
sensorischer Ebene erfolgt. Diese Fähigkeit wird mit dem Begriff Plastizität beschrieben.
Dabei verarbeiten ursprünglich auditorisch determinierte Kortexareale Reize aus anderen
Sinnessystemen. Zeichen dieser Umorganisation im Sinne einer sog. „cross-modal“-
Plastizität ist ein wiederhergestellter Metabolismus der entsprechenden corticalen
Regionen [14]. Ist diese Reorganisation erst einmal abgeschlossen, verliert der
ursprünglich auditorische Kortex das Potential, akustische Signale, z. B. durch elektrische
Reizung durch ein Cochlea Implant generiert, zu verarbeiten.
Durch funktionelle, bildgebende Verfahren wie das fMRI, SPECT und PET können diese
Phänomene demonstriert und erforscht werden. So konnte der nachteilige Einfluss des
Zeitfaktors bei totaler Deprivation auf die auditorische Kompetenz in PET-Studien an
postlingual ertaubten Patienten vor und nach Implantation eines CIs nachgewiesen werden
[48].
Postlingual ertaubte Menschen erzielen durch eine Cochlea Implant-Versorgung in der
Regel einen größeren Benefit, gemessen an den Hör- und Sprachfähigkeiten, als prälingual
Ertaubte. Dies spiegelt sich postoperativ auch in dem größeren Anstieg des cerebralen
Blutflusses im auditorischen Kortex wieder. Naito [62] verglich hierzu in PET-Aufnahmen
die cerebrale Perfusion entsprechender Areale von post- und prälingual ertaubten Patienten
nach CI-Implantation.
Als weiteres Beispiel für die kortikale Plastizität lässt sich die Arbeit von Kang [38]
anführen. Die vor CI-Implatation im PET bestandenen, hypometabolischen, auditorischen
Kortexareale ließen sich post implantatione nicht mehr nachweisen bei postlingual
Ertaubten und dies korrelierte klinisch mit einem guten Sprachverständnis. Hingegen
stellten sich bei den prälingual ertaubten CI-Kandidaten vor der Operation keine
hypometabolischen Areale im auditorischen Kortex dar. Diese Patientengruppe wies
postoperativ ein geringeres Sprachverständnis auf als die postlingual ertaubte Gruppe.
Theoretisch könnten durch funktionelle, bildgebende Verfahren Prognosen zu Nutzen und
Effizienz von CI-Implantationen bei möglichen Kandidaten abgegeben werden.
Diese unterschiedlichen Resultate post Implantation beruhen auf einer bereits erfolgten und
manifesten cerebralen Umstrukturierung bei den prälingual ertaubten Patienten. Die
1. Einleitung
21
„Cross-modal-Plastizität“ in den ersten Lebensjahren der Patienten verhinderte hier eine
Reaktivierung der ursprünglich auditorisch angelegten Funktionen.
Dies steht in einem engen Zusammenhang mit den beobachteten, sensiblen sensorischen
Phasen in der kindlichen Entwicklung. In diesen Zeiträumen haben Stimulation oder
Deprivation einen bleibenden Einfluss auf die Ausprägung und Nutzung der
Sinnesmodalitäten. Ein Mangel kann auch durch spätere, adäquate Reizdarbietung nicht
wiederaufgeholt werden, da entsprechende neuronale Funktionen mangels Rezeptorinput
nicht aktiviert wurden und eine Reorganisation im Rahmen der „Cross-modal“-Plastizität
sich vollzog.
Bei der kortikalen Reifung spielt die Zeit eine große Rolle. So ist das Erlernen eines
Musikinstruments in der Kindheit einfacher und die Voraussetzungen zur Schulung des
musikalischen Gehörs werden hier gelegt. So kann eine zweite Sprache auch nach dem
achten Lebensjahr erlernt werden, jedoch bleibt dann immer ein Akzent bestehen [64].
Zeichen einer bedarfsgerechten Reorganisation des Gehirns finden sich auch bei Musikern,
bei denen zur besseren Erfassung der melodischen Komplexität präzisere
Kodierungsmechanismen erforderlich sind. Unterschiede in der cerebralen, auditorischen
Verarbeitung im Vergleich zur Referenzgruppe ließen sich in funktionell-radiologischen
Verfahren feststellen.
Die kompensatorische Fähigkeit von frühzeitig erblindeten Personen, Geräusche mit
größerer Präzision zu lokalisieren, wurde in vielen Studien beschrieben. Rauschecker [82]
belegte eine Expansion der auditorisch determinierten Kortexareale in benachbarte,
parietale Gebiete, die sonst von visuellen Funktionen beansprucht wurden, bei Menschen
mit frühzeitiger Erblindung. Das cerebrale System scheint die visuelle Deprivation durch
eine größere, auditorische Kompetenz ausgleichen zu wollen. Dies liefert ein weiteres
Beispiel für die kortikale Reorganisation im Sinne der „cross-modal“-Plastizität.
Die anatomisch-morphologischen Grundlagen der auditorischen Maturation und der
cerebralen Plastizität erforschte die Arbeitsgruppe um Kral [44]. In auditiv-deprivierten
Tiermodellen konnten elektrophysiologische Untersuchungen Veränderungen im
auditorischen Kortex zeigen, die hauptsächlich durch eine reduzierte Cochleotopie und
Mangel an corticocortikalen und corticothalamischen Bahnen gekennzeichnet waren.
Beweisend hierfür wurden interlaminäre Veränderungen des Kortex und das Fehlen von
Potentialen später Latenz angeführt. Möglicherweise kann diese mangelnde Cochleotopie
im weiteren Verlauf bei spät implantierten CI-Trägern zu Kanalinteraktionen führen.
1. Einleitung
22
Zusätzlich kann die Fähigkeit zur „cross-modal“-Plastizität der multimodalen
Kortexregionen das Übergreifen visuell synaptischer Verbindungen auf übergeordnete
Sprachregionen bahnen und so die auditorischen Projektionen in diese Areale bei spät
implantierten Menschen verhindern. Dadurch wird eine insuffiziente Aktivierung der
Sprach- und Sprachverständnisfelder verursacht. Kennzeichnenderweise unterliegen die
primären, auditorischen und visuellen Rindenfelder kaum diesen cross-modalisierenden
Veränderungen.
Nach Kral kann die kortikale Entwicklung in zwei Abschnitte eingeteilt werden. Die erste
Phase ist genetisch determiniert, erstreckt sich bis zu einem Jahr postnatal und beinhaltet
eine rapide Synaptogenesis. Während die zweite Phase der Maturation durch ein
Konkurrieren von Stabilisation und Elimination der neuronalen Bahnen geprägt ist. Die
molekulargenetischen Grundlagen hierzu sind bisher noch nicht geklärt und eine Vielzahl
an neuronalen, inhibitorischen und exzitatorischen Transmittern und Rezeptortypen spielt
hierbei eine Rolle. Dies führt zu einem Untergang von nahezu 50 % der ursprünglich
angelegten, synaptischen Verbindungen. Diese Veränderungen vollziehen sich im
sensorischen Kortex vom zweiten Lebensjahr bis zur Adoleszenz.
Kinder erfahren in den ersten acht bis zehn Monaten eine Reifung der phonologischen
Perzeption [63]. Während die semantischen Fähigkeiten in den ersten zwei bis vier Jahren
erworben werden, findet der Erwerb der Syntaktik erst seinen vollständigen Abschluss im
Alter von 15 Jahren.
1. Einleitung
23
1.4. Einteilung der Hörstörungen
Schwerhörigkeiten werden aufgrund der anatomischen Lokalisation der Störung eingeteilt.
Schalleitungsstörungen
Hörstörungen, deren Genese im Bereich des Gehörgangs oder des Mittelohrs liegt, z.B.
durch Zerumen, bei Paukenergüssen, bei Otosklerose im Bereich des ovalen Fensters.
Der Inzidenzgipfel der Schallleitungsschwerhörigkeiten liegt bei Kindern zwischen dem 4.
Monat und dem Ende des 2. Lebensjahres.
Schallempfindungsstörungen
Hörstörungen, deren Ursache in der Funktion der Cochlea oder weiter zentripetal auf
neuronaler Ebene zu suchen ist.
Als Untergruppe wird für Hörstörungen, deren Ursprung in denen der Cochlea
nachgeschalteten Strukturen liegt, der Begriff retrocochleär verwendet. Einige Autoren
benutzen diesen Terminus allerdings nur für Störungen, die den Hörnerv selbst betreffen,
z.B. bei einem Akustikusneurinom, und grenzen davon Hörstörungen im Bereich des ZNS
als zentrale Hörstörungen ab.
Der Begriff sensorineurale Hörstörung bezeichnet eine kombinierte Hörstörung, die
sowohl die Cochlea als auch die neuronalen Strukturen betrifft.
Gradeinteilung der Schwerhörigkeiten
Eine Einteilung der Hörstörung nach verschiedenen Schweregraden zeigt folgende Tabelle.
Tabelle 3: Einteilung des Grades der Schwerhörigkeit [74]
Bezeichnung Hörverlust in dB Hörverlust in %
normales Gehör < 20 dB 0 -20 %
geringgradiger Hörverlust 20 - 40 dB 20 – 40 %
mittelgradiger Hörverlust 40 – 60 dB 40 – 60 %
hochgradiger Hörverlust 60 – 90 dB 60 – 80 %
an Taubheit grenzender
Hörverlust
90 – 110 dB 80 – 95 %
Taubheit > 110 dB 100 %
1. Einleitung
24
Dabei muss jedoch berücksichtigen werden, dass der Grad der persönlichen
Beeinträchtigung auch von individuellen und sozialen Faktoren bestimmt wird.
Unter Taubheit versteht man den Verlust der Hörfähigkeit, wohingegen Gehörlosigkeit das
Fehlen der Hörfähigkeit umschreibt [74]. Da der Hörsinn im letzteren Fall nicht
ausgebildet ist, können die zentralen Konzepte der Lautsprache nicht spontan entwickelt
werden.
1. Einleitung
25
1.4. Audiologie
Die Audiologie beschäftigt sich mit der Funktion und den Störungen des Hörorgans. Unter
der Audiometrie werden Verfahren zur Prüfung des Hörorgans verstanden.
Neben Inspektion und Otoskopie bedient man sich verschiedener verhaltensorientierter,
psychoakustischer und elektrophysiologischer Verfahren, um Hörstörungen zu
diagnostizieren.
Im Folgenden soll besonders auf die Audiometrie im Kindesalter eingegangen werden
1.4.1. Subjektive Audiometrie
Bereits ab der Geburt können reflexaudiometrische Verfahren zum Einsatz kommen, die
aber aufgrund der sehr großen Störanfälligkeit und geringeren Reliabilität eher als
Screeningmethode außerhalb der Kliniken oder nur ergänzend zur Anwendung kommen.
Die Beobachtungsaudiometrie kann ab dem 6. Lebensmonat durchgeführt werden. Die
Spielaudiometrie ist ab dem Ende des 2. Lebensjahres möglich.
1. Reflexaudiometrie
In der Reflexaudiometrie werden folgende, durch akustische Reize über 70 dB ausgelöste,
Reflexe überprüft:
Moro-Reflex, Auropalpebraler Reflex, Atmungsreflex, Überraschungsreflex.
Die Störanfälligkeit ergibt sich aus der unterschiedlichen Reflexbereitschaft seitens des
Kindes und der Notwendigkeit eines erfahrenen Untersuchers. Eine Beurteilung der
Hörschwelle ist mit diesem Verfahren, da die Reflexe erst ab Schalldruckpegeln über 70
dB auslösbar sind, nicht möglich.
2. Beobachtungsaudiometrie
Diese Verfahren finden zwischen dem 6. und ca. dem 18. Lebensmonat Anwendung, wenn
die Kinder zu einer aktiven Mitarbeit noch nicht fähig sind bzw. sich Kinder weigern.
Man unterscheidet Ablenktests (Behavioral Observation Audiometry BOA) und
Freifeldaudiometrie mit Konditionierung (Visual Reinforcement Audiomerty VRA).
1. Einleitung
26
Hierbei müssen besonders zur Interpretation der Ergebnisse das Entwicklungsalter, eine
adäquate Untersuchungsdauer, die Vigilanz des Kindes und die
Untersuchungsbedingungen (Raum, Begleitperson) berücksichtigt werden.
Ab dem 4. Lebensmonat ist ein Kind in der Lage, eine Schallquelle zu lokalisieren. Dies
wird überprüft, indem der Prüfer dem anderweitig beschäftigten Kind in geeigneter
Entfernung ein Schallereignis anbietet. Danach soll eine Kopfdrehung des Kindes zur
Schallquelle hin im Idealfall erfolgen.
Die Ablenktests werden als Aussonderungsverfahren verwendet und müssen bei
auffälligen Befunden durch objektive Testverfahren verifiziert werden.
Zur quantitativen Bestimmung des Hörvermögens wird die Freifeldaudiometrie benutzt.
Dabei wird das stärkere Interesse für visuelle Reize in diesem Lebensalter unterstützt, um
mehr Antworten in einer Untersuchung zu erzielen. Zugleich wird die Reproduzierbarkeit
der Antwort erhöht. Dem Kind werden akustische Reize angeboten und die gewünschte
Reaktion, nämlich die suchende Kopfwendung, durch einen visuellen Stimulus
konditionierend belohnt. Dies wirkt der Habituation auf akustische Reize entgegen. Nach
erfolgter Konditionierung des Kindes können sowohl verschiedene Frequenzen, als auch
Lautstärken geprüft werden. Eine seitendifferente Prüfung der Hörfunktion beider Ohren
ist nicht möglich.
3. Spielaudiometrie
Ab ca. dem zweiten Lebensjahr sind Kinder in der Lage an der Spielaudiometrie im
Freifeld teilzunehmen. Dabei erfolgt eine Hörschwellenbestimmung auf spielerische Weise
mittels Konditionierung. Das Kind darf nach erfolgter Konditionierung auf angebotene
Prüftöne oder auf das Verstummen von Tönen mit der Durchführung eines vorher
festgelegten Spiels reagieren.
4. Hörschwellenaudiometrie
Eine aktive Mitarbeit ist bei normal entwickelten, kooperativen Kindern ab vier Jahren
möglich.
Beim Tonaudiogramm wird die Hörschwelle für Sinusschwingungen verschiedener
Frequenzen seitengetrennt für Knochen- und Luftleitung über Kopfhörer ermittelt.
1. Einleitung
27
5. Orientierende Sprachprüfung
Bei dieser Prüfung des Sprachgehörs kann orientierend das Ausmaß einer Schwerhörigkeit
eingeschätzt werden und eine Seitendifferenz zwischen rechtem und linkem Gehör bei
jeweils kontralateraler Vertäubung registriert werden.
6. Kindersprachaudiometrie
Dieses Testverfahren ist einer bestimmten Fehleranfälligkeit unterworfen. Es hängt von der
sprachlichen Umgebung, dem Entwicklungsstand des Kindes und vom Untersucher ab.
Kinder mit Hörbeeinträchtigung verfügen je nach Schweregrad über ein unterschiedlich
großes Vokabular und kennen daher manche im Test benutzten Wörter nicht, auch wenn
der Test altersentsprechend konzipiert ist. Den Kindern werden bestimmte Wörter
vorgegeben, die sie nachsprechen sollen oder anhand von Bildmaterial zeigen sollen.
Man unterscheidet länder- und sprachabhängig eine Vielzahl verschiedener Tests:
- sprachaudiometrischer Bildertest
- Basler Kindersprachtest
- Kleinkinder-Satzsprachaudiometrie-Test
- Mainzer Kindersprachtest, 3 altersabhängige Abschnitten
- Göttinger Kindersprachverständnistest, 2 altersabhängige Abschnitte
- Heidelberger CVC-Audiometrie (Konsonant-Vokal-Konsonant), besondere
Beachtung der Phonembewertung
- Freiburger Sprachtest, für Erwachsene
Besonders bei der Hörgeräteanpassung findet die Sprachaudiometrie Verwendung.
7. Überschwellige Audiometrie
Diese Testverfahren sollen Aufschluss über den Schädigungsort im akustischen System –
kochleär, retrokochleär, zentral - gegeben. Zur Diagnostik zentraler Hörstörungen bei
Kindern werden folgende unstandardisierte Tests benutzt:
Tests mit veränderter Stimme: - Dichotischer Test (Uttenweiler)
- Zeitkomprimierter Test (Nikisch)
- Modifikationen des Mainzer Kindersprachtest (mit
bandbassgefilteter Stimme, mit Störgeräuschen,
binauraler Summationstest)
1. Einleitung
28
Tests zur auditiven Perzeptionsprüfung: - Prüfung des Richtungshören
- Prüfung der Tonhöhenunterscheidung
- Prüfung der Geräuschdiskrimination
- Prüfung der Phonemdiskrimination
- Prüfung der Hör-Merk-Spanne
Eine Unterscheidung zwischen zentralen, auditorischen Verarbeitungsstörungen und
peripheren Hörstörungen nur mit diesen Testverfahren ist unzureichend.
Besonderheiten der Kinderaudiometrie
Beim Säugling und Kleinkind liegt die absolute Hörschwelle physiologisch bei höheren
Pegeln im Vergleich zum Erwachsenen und erreicht erst zwischen dem 6. und 11.
Lebensjahr fast das Niveau des Erwachsenen.
Kleinkinder werden aufgrund einer höheren Verdeckungswirkung von Geräuschen auf
Töne schneller in ihrer Wahrnehmung vom Störlärm beeinträchtigt als Erwachsene. Die
Maskierungspegel liegen niedriger.
Auch die Fähigkeit, Frequenzen zu unterscheiden, verbessert sich zumindest im Bereich
für 500 - 1000 Hz erst mit steigendem Lebensalter.
1.4.2. objektive Audiometrie
Bei dieser Art der Hörprüfung ist man von der aktiven Mitarbeit des Probanden
weitgehend unabhängig. Diese Untersuchungen stellen eine Ergänzung zu den vorherigen
Prüfungsmethoden dar bzw. spezifizieren deren Ergebnisse näher. Die objektiven
Verfahren werden vor allem in der Diagnostik von Hörstörungen bei Kleinkindern, sowie
bei kognitiv eingeschränkten Patienten eingesetzt.
1. Impedanzaudiometrie
Hierbei wird der Widerstand eines Teils des akustischen Systems – hier: das Mittelohr -
gemessen, der der Schallwellenenergie entgegengesetzt wird.
Wird viel Schallenergie reflektiert, ist die Impedanz des akustischen Systems hoch. Um die
Impedanz zu messen, wird eine Sonde, die einen Ton einer bestimmten Frequenz generiert,
1. Einleitung
29
im Gehörgang platziert. Über ein integriertes Mikrophon kann der reflektierte Schallanteil
im luftdicht abgeschlossenen Gehörgang aufgenommen werden.
Als Messergebnis interessiert die Impedanzänderung, die das akustische System durch
Manipulation der Umgebungsbedingungen (Über- oder Unterdruck im Gehörgang) erfährt.
Bei Veränderungen im Bereich des äußeren Gehörgangs und des Mitteohrs, z. B. bei einem
Paukenerguss, zeigen sich abnorme Kurvenverläufe.
2. Stapediusreflex
Der physiologische Stapediusreflex verursacht eine Impedanzänderung des akustischen
Systems. Ab einer bestimmten Lautstärke kontrahiert sich der M. stapedius reflektorisch,
was wiederum eine Versteifung der Gehörknöchelchenkette bewirkt und somit die
Impedanz erhöht. Dieser physiologische Reflex kann durch ipsilaterale oder kontralaterale
Beschallung eines Ohres provoziert werden. Bei korrekter Reflexantwort spricht dies für
einen intakten akustikofazialen Reflexbogen, gekreuzt oder ungekreuzt. Ursache für den
Ausfall des Stapediusreflexes bzw. für die Erhöhung der Reflexschwelle kann jede
einzelne Reflexkomponente sein: M. stapedius, N. fazialis, Hirnstamm, Cochlea und
Hörnerv, Mittelohr.
3. Otoakustische Emissionen (OAE)
Otoakustische Emissionen entstehen durch die biomechanische Verstärkertätigkeit der
äußeren Haarzellen. Sie wurden als erstes von Kemp 1978 beim Menschen beschrieben
[40]. Obwohl schon 1948 Gold [36] die Existenz von verstärkenden Mechanismen in der
Cochlea aufgrund von theoretischen Überlegungen postulierte.
Die von den äußeren Haarzellen generierten Schallwellen werden retrograd via
Gehörknöchelchenkette nach außen abgegeben und können im äußeren Gehörgang von
speziellen Sonden detektiert werden. Voraussetzung für die Weiterleitung dieser
Schallenergie ist die normale Funktion des Mittelohrs.
Der Nachweis von OAEs zeigt funktionsfähige äußere Haarzellen an. Aussagen über die
Intaktheit der inneren Haarzellen oder der übergeordneten Strukturen, also der
Spiralganglienzellen, des Hörnervens und des Hirnstamms, sind hiermit nicht möglich.
Eine Registrierung von OAEs bei einem kochleären Hörverlust von über 30 dB oder bei
einem Paukenerguss im Mittelohr entfällt und limitiert so die Aussagefähigkeit und
Anwendbarkeit der Meßmethode. Ein vollständiger Verlust der äußeren Haarzellen würde
1. Einleitung
30
einen Anstieg der Hörschwelle pantonal durch Ausfall der Verstärkerfunktion von 40 dB
verursachen.
Anwendung finden die OAEs besonders in der Früherkennung kindlicher Hörstörungen
aufgrund ihrer simplen Anwendbarkeit, des geringen Zeitaufwandes, der fehlenden
Invasivität der Methode und der relativen Unabhängigkeit von der Vigilanz. Bei
Erwachsenen dienen sie unter anderem der Überwachung der kochleären Funktion bei
Applikation ototoxischer Substanzen, z.B. bei Chemotherapie.
Man unterscheidet spontane OAEs von akustisch ausgelösten OAEs, den evozierten OAEs.
Je nach Art der Stimulation werden die OAEs eingeteilt:
- SOAE: spontane OAE, ohne Reiz, nur bei 50 % der Normalhörenden
nachweisbar, Frquenzbereich 500 Hz bis 7 kHz
- DPOAE: Distorsions-Produkt-OAE, durch Stimulation mit zwei verschieden
frequentigen Dauertönen entstandene, akustische Verzerrungen der
Haarzelltätigkeit, Frequenzbereich 1 kHz bis 8 kHz
- TEOAE: transistorisch evozierte OAE, durch kurze Reize in Form von Klicks
provozierte OAEs, Frequenzbereich 1 kHz bis 5 kHz,
Amplitude bei Säuglingen und Kleinkindern um 10 dB größer als bei
Erwachsenen [41] Vorteil bei Screening-Untersuchungen
- SPOAE: Stimulus-Frequenz-OAE, klinische Anwendung gering.
4. Auditorisch evozierte Potentiale (AEP)
Der elektrophysiologische Vorgang des Hörens spiegelt sich in den an der
Schädeloberfläche messbaren, bioelektrischen Potentialänderungen wieder.
Um störende, unbeabsichtigte Potentialänderungen des EEGs, z. B. motorische Potentiale
zu eliminieren, wird der akustische, reizbezogene EEG-Abschnitt so oft wiederholt bis sich
reizunabhängige, positive und negative Potentialänderungen gegenseitig aufheben. Diesen
Vorgang nennt man Mittelung. Durch Mittelung (in der Regel 1000 bis 2000
Reizdarbietungen), sowie Differenzableitung, Verstärkung und Filterung wird die Ratio
von evozierten Potentialen zu Störpotentialen verbessert.
Je nach ihrer Latenzzeit, dass heißt der Zeitspanne zwischen Stimulation und Reizantwort,
werden Potentialänderungen distinkten, anatomischen Strukturen entlang der Hörbahn
zugeordnet.
1. Einleitung
31
Für die Messung der AEP verwendet man Reize von kurzem Anstieg und Dauer (Klicks
und Tonbursts), um eine synchrone Aktion der Neurone zu erzielen.
- cochleäre Potentiale: Latenz von 1 - 3 ms, Verarbeitung in der Cochlea oder
im peripheren Anteil des Hörnervs
- Potentiale früher Latenz: bis 10 ms, Ursprung Hirnstamm, synonym:
BERA (Brainstem electric response audiometry),
ABR (auditory brainstem responses),
BAEP (brainstem auditory evoked potentials)
- Potentiale mittlerer Latenzen: 10 - 100 ms, Ursprungsort Thalamus und primärer
auditorischer Kortex, synonym:
MAEP (mittlere auditorisch evozierte Potentiale),
AMLR (auditory middle latency responses)
- Potentiale später Latenzen: 100 - 1000 ms, generiert von akustischen Projektionsrinde,
synonym: SAEP (späte auditorisch evozierte Potentiale),
CAEP (cortical auditory evoked potentials),
CERA (cortical electric response audiometry)
Klinische Anwendung findet besonders die Ableitung der frühen Hirnstammpotentiale im
Schlaf, unter Sedierung oder in Narkose zur Aufdeckung von Hörstörungen. Hierbei
werden kurze Stimulations-Klicks verschiedener Frequenzen via Kopfhörer gegeben. Bei
normalem Gehör kommt ein typisches EEG-Bild mit 5 bis 6 charakteristischen Wellen zur
Darstellung, die nach Jewett, nummeriert mit römischen Zahlen, bestimmten anatomisch-
morphologischen Strukturen zugewiesen werden können.
Beurteilt wird hier: - Morphologie und Muster
- Reaktionsschwelle
- Absolute Latenz der Wellen I, III, V
- Interaurale Latenzdifferenz
- Interpeaklatenzen zwischen I-III, I-V, III-V
- Reizstärke (Pegel)-Latenzkennlinien
- Amplituden der Wellen I, III, V
1. Einleitung
32
Abb. 1: Darstellung BERA mit zugehöriger Ursprungslokalisation
(Quelle: Zentrum für Kinder und Jugendliche Altötting)
Diese Messgrößen hängen von den Untersuchungsbedingungen, der Beschaffenheit des
Schallleitungsapparats, der Cochlea, dem N.acusticus und den akustischen Bahnen im
Hirnstamm ab. Für die Verarbeitung ist eine neuronale Synchronisation unabdingbar.
Die frühen Potentiale sind weitgehend unabhängig von Narkotika und benötigen keinerlei
Unterstützung seitens der Bewusstseinslage des Patienten im Gegensatz zu den späten
Potentialen. Daher eignen sie sich besonders zur Ermittlung der Hörschwelle bei Kindern
unter Sedierung oder in Narkose.
Schallleitungsschwerhörigkeiten stellen sich als Verschiebung der Pegellatenzfunktionen
aller Wellen entlang der Intensitätsachse ohne Veränderung der Steilheit der Funktion dar.
Der Reizpegel der Nachweisschwelle für das Potential V liegt in der Regel 10 dB über der
Hörschwelle. Eine Einschränkung erfährt diese Methode, da sie in der Praxis vor allem das
Gehör für mittlere und hohe Frequenzen prüft. Die Hörfunktion im Tieftonbereich kann
daher mit der BERA nur unzureichend beurteilt werden.
Anhand der Interlatenz zwischen den Wellen I und V, sowie der Steilheit der Pegel-
Latenz-Funktion können Aussagen über einen cochleären oder retrocochleären Ursprung
der Hörstörung getroffen werden. Bei Interlatenzen I-V über 4.3 ms besteht der Verdacht
auf eine retrocochleäre Störung, z.B. ein Akustikusneurinom.
Rückschlüsse aus histopathologischen Studien [2] legen nahe, dass bei einem selektiven
Verlust der IHZ (inner hair cells) mehr als 70 % theoretisch betroffen sein müssen, um
einen Hörschwellenverlust in der BERA detektierbar zu machen.
1. Einleitung
33
Tabelle 4: Fragestellungen / Indikationen zur BERA
audiologisch - Hörschwellenbestimmung unkooperative Erwachsene
- Schallleitungs-/ Innenohr-/ retrocochleäre Störungen
- Innenohrdiagnostik bei Vertäubungsproblemen
pädaudiologisch - Schwellenbestimmung bei Säuglingen/ Kleinkindern
- Screening
- Innenohrdiagnostik bei Missbildungen
- Vorwahl und Überprüfung bei Hörgerätanpassung bei
Kindern
Reifung Hörbahn
Diagnostik oto/neurolog. - Akustikusneurinom
- M.Meniere
Intraoperatives
Monitoring
5. Elektrocochleographie (ECochG)
Die Ableitung der kochleären Mikrophonpotentiale (CM), der Summationspotentiale (SP)
und des Summenaktionspotentials (SAP bzw. CAP für compound action potential) fasst
man unter dem Begriff Elektrocochleographie zusammen. Bei dieser erfolgt die Erfassung
der elektrophysiologischen Veränderungen durch eine transtympanal auf das
Promontorium aufgebrachte Nadelelektrode.
Die charakteristischen Größen sind:
- cochleäre Mikrophonpotentiale (CM): präsynaptischer Ursprung, reizsynchrone
Wechselspannungspotentiale der äußeren
Haarzellen
- Summationspotentiale (SP): präsynaptisch, reizsynchrones Gleichspannungs-
potential
- Summenaktionspotential (CAP): postsynyptisch, je nach Reizform und Reizpegel ein-
oder mehrphasig, Latenzzeit von 1.5 bis max. 6 ms,
generier durch Überlagerung der Hörnerven faser-
potentialen, Nachweis bestätigt Funktionsfähigkeit
afferenter Nervenzellen (Spiralganglienzellen)
1. Einleitung
34
Der Funktionszustand der Kochlea kann im ECochG abgebildet werden. Dabei ist die
transtympanale ECochG bei hochgradigen Schwerhörigkeiten bezüglich der Sensitivität
der BERA überlegen. Allerdings benötigt man für die ECochG bei Kleinkindern zur
Platzierung der Elektrode und Messung eine Narkose.
6. Elektrisch evozierte akustische Potentiale
Diese Potentiale entstehen durch eine elektrische Reizung via Promontoriumselektrode
oder bei CI-Trägern via implantierte Elektrode. Durch die Reizung kann eine auditive
Wahrnehmung ausgelöst werden. Während die Morphologie und das Muster den
Potentialen akustischen Ursprungs entsprechen, ist eine Verkürzung der Latenzzeiten der
frühen und mittleren Potentialen zu verzeichnen. Der Vorgang unterliegt einer
ausgeprägten Habituation.
1. Einleitung
35
1.6. Ätiologie und Genese frühkindlicher Hörstörungen
Frühkindliche Hörstörungen können aufgrund ihrer Ätiologie einteilt werden. Nach
Schätzungen sind 19 % der frühkindlichen Hörstörungen erworben, davon zu je einem
Drittel prae-, peri- und postnatal. Eine genetische Ursache wird bei 35 % der Kinder
zugrunde gelegt, während bei den restlichen 46 % die Genese unklar ist [96].
Da die Audiologie bei Kindern bestimmten Limitierungen – zeitliche Aufwendigkeit der
BERA, Verfügbarkeit - unterworfen ist, sind die Kenntnisse zur Progredienz bei
frühkindlichen Hörstörungen im Vergleich zu Erwachsenen beschränkt.
Das DZH (Deutsches Zentralregister für Kindliche Hörstörungen) schätzt den Anteil an
progredienten, sensorineuralen Hörstörungen bei Kindern auf ungefähr 10 %.
Im Folgenden werden die Ursachen für sensorineurale Schwerhörigkeiten im Kindesalter
näher beleuchtet.
1.5.1.Erworbene Hörstörungen
1. Infektionen
Eine Reihe von Erregern (Viren, Protozoen, Bakterien) werden angeschuldigt,
Hörstörungen bei Kindern zu verursachen. Der Schädigung kann prä-, peri- oder postnatal
erfolgen.
- Rötelnembryopathien (pränatal)
- Cytomegalievirus (pränatal)
- Toxoplasmose (pränatal)
- Treponema pallidum, Syphilis (prä, perinatal)
- Masern (prä-, postnatal)
- Mumps (prä-, postnatal)
- Varizella-Zoster-Virus (postnatal)
- Adenoviren (perinatal)
- Orthmyxoviren (perinatal)
- Herpes simplex-Virus (perinatal)
- Meningitis (postnatal)
1. Einleitung
36
2. ototoxische und teratogene Substanzen
Hier sind besonders durch Thalidomid, Chloroquin, fetalem Jodmangel, Hypervitaminose
A und Warfarin verursachte Hörstörungen zu erwähnen [102]. Die Schädigung der
Haarzellen durch Aminoglykoside ist belegt.
3. Trauma
Traumen im Bereich des Hörorgans können sowohl je nach Schädigungslokalisation zur
Schalleitungs- als auch Schallempfindungsschwerhörigkeit führen. Ein erweiterter
Aquäductus vestibularis als anatomischer Sonderfall prädisponiert bereits bei
geringfügigen Traumen zu einer Hörstörung, die fluktuierend verlaufen kann.
Hiermit assoziiert man eine Mutation in DFNB4 ( SLC26A4 ) [72].
4. Metabolische Störungen
Als häufigster, metabolischer Störfaktor ist hierbei die Hyperbilirubinämie zu nennen.
Der schädigende Einfluss betrifft die Kochleariskerne, den olivären Komplex, die
aufsteigende Hörbahn bis zum Colliculus inferior des Mittelhirns, sowie den Hörnerven
selbst und die Spiralganglienzellen.
5. Frühgeburtlichkeit und Unreife
Die Frühgeburtlichkeit und damit verbundene Unreife der Organsysteme zusammen mit
einem niedrigen Geburtsgewicht stellen einen weiteren Risikofaktor für eine Hörstörung
dar. Häufig sind hier koexistierende Risikofaktoren, wie Langzeitbeatmung, Applikation
ototoxischer Substanzen, Sepsis usw. zu verzeichnen, die sich gegenseitig potenzieren.
1.5.2. Genetisch bedingte Hörstörungen
Der überwiegende Teil der Hörstörungen ist genetisch bedingt; einige Schätzungen gehen
sogar von ca. 60 % aus [61]. Dabei findet sich eine isolierte Hörstörung bei ca. 66 % und
bei 33 % tritt sie im Symptomenkomplex syndromal auf.
Hörstörungen finden sich gehäuft bei Patienten mit mitochondrialen Störungen. In einer
Metaanalyse kamen Gold und Rapin [24] zu dem Ergebnis, dass zwei von drei Patienten
mit einer mitochondrialen Störung eine progressive, sensorineurale Hörstörung entwickeln.
1. Einleitung
37
Aufgrund des maternalen Vererbungsmodus der mitochondrialen Störungen besteht für
alle weiteren Kinder ebenfalls das Risiko für eine abhängig vom Gendefekt isolierte oder
im Symptomenkomplex auftretende Hörstörung.
Syndromale Hörstörungen werden aufgrund zusätzlicher, eventuell äußerlicher
Merkmalsausprägung schneller erkannt, bzw. bei einer auffälligen Anomalie wird das Kind
auf weitere z.B. kochleäre und zerebrale Störungen hin untersucht. Bei nicht syndromalen
Hörstörungen erfolgt die Diagnosestellung häufig erst später, sofern ein Hörscreening
unterbleibt.
1. nicht syndromale Hörstörungen
Diese werden nach ihrem Erbgang in autosomal-dominant, autosomal-rezessiv, X-
chromosomal und mitochondrial bedingten Störungen unterschieden.
Typisch für die ca. einen Anteil von 15 % ausmachenden, autosomal-dominanten
Störungen ist der postlinguale, progrediente, mittel- bis hochgradige Hörverlust.
Die 80 % autosomal-rezessiven Störungen weisen folgende Charakteristika auf: prälingual,
hochgradiger Hörverlust.
2-3 % sind mitochondrial oder X-chromosomal vererbt und verlaufen häufig progredient.
Bei den hereditären, nicht syndromalen Hörstörungen handelt es sich um eine heterogene
Gruppe. Ca. 40 Gene sind für den autosomal dominaten Erbgang bei non-syndromaler,
schwerer Hörstörung bekannt und weitere 30 Genveränderungen verhalten sich autosomal-
rezessiv [8].
Meistens handelt es sich dabei um fehlerhafte Gene, die für Connexine codieren. Diese
Connexine sind Anteile der gap junctions zwischen den Zellen und ermöglichen so die
Ionenströme. So konnten Lopez-Bigas [51] eine Mutation im Genabschnitt für Connexins
31 nachweisen, die zur Hörminderung und peripheren Neuropathie führte. Für diese
Hörminderung waren sowohl Fehlfunktionen in der Cochlea als auch im Hörnerven selber,
nachgewiesen durch BERA-Untersuchungen, verantwortlich. Es stellte sich heraus, dass
Connexin 31 im Hörnerv und in der Cochlea exprimiert wurde.
Dem Connexin 26 (GJB2) werden nach übereinstimmender Meinung bis zu 50 % der
prälingualen, non-syndromalen, sensorineuralen Hörstörungen in einigen Populationen -
unter anderem auch in der kaukasischen und europäischen Population - zugeordnet [42].
Dabei vermutet man eine Störung der cochleären Kalium-Zirkulation, die für die
Aufrechterhaltung des Ruhepotentials essentiell ist, aufgrund fehlerhafter Gap Junctions.
1. Einleitung
38
Die Störung kann kongenital auftreten oder macht sich erst in den ersten Lebensmonaten
mit einer rapiden Progression bemerkbar.
2. syndromale Hörstörungen
Am häufigsten sind hierbei vertreten die Trisomie 21, Waardenburg-Syndrom, Goldenhar-
Syndrom, Pendred-Syndrom, Franceschetti-Syndrom, Usher-Syndrom, Pierre-Robin-
Sequenz, Mucopolysaccharidose, CHARGE-Assoziation und das BOR-Syndrom [96].
Eine Vielzahl von Syndromen mit Beeinträchtigung des Hörvermögens ist zurzeit bekannt.
Im Jahr 2002 betrug der Anteil der im DZH gemeldeten syndromalen Hörstörungen
gemessen an allen 9 %.
Eine seltene Punktmutationsvariante kann eine Form der Charcot-Marie-Tooth (CMT)
Erkrankung hervorbringen, die dann durch eine zusätzliche Hörstörung charakterisiert wird
und die wahrscheinlich auf einer Demyelinisierung des N. vestibulocochlearis beruht. Dies
ist aufgrund der fehlenden Antwort in der BERA reproduzierbar [86].
1. Einleitung
39
1.8. Folgen frühkindlicher Hörstörungen
Die Ausprägung der Beeinträchtigung eines Kindes aufgrund einer Hörstörung ist von
folgenden Faktoren abhängig:
- Grad der Schwerhörigkeit
- uni- oder bilateral
- zusätzliche Behinderungen
- prä- oder postlinguales Auftreten
Bei geringgradigen Schwerhörigkeiten muss der Betroffene entweder nur kleine
Einschränkungen in auditiv-anspruchsvollen Situationen, z.B. erschwerte Diskrimination
bei hohen Störschallpegeln im Fußballstadion, hinnehmen. Bei hochgradigen
Schwerhörigkeiten hingegen erhält er kaum Höreindrücke. Der Grad der Hörminderung
bestimmt den Grad der Einschränkung in der kindlichen Sprachentwicklung und den
sozialen Interaktionen.
Schon eine geringgradige Hörminderung hat Einfluss auf den Sprachentwicklungsprozess,
z.B. benutzt das Kind länger Zwei-Wort-Sätze als seine Altersgenossen oder hat eine
undeutliche Aussprache. Durch therapeutische Interventionen, sowie durch frühfördernde
Maßnahmen kann dies kompensiert werden und das Kind an seinen altersentsprechenden
Entwicklungsstand herangeführt werden. Diese Kinder können in der Regel den
Kindergarten und die Regelschule besuchen.
Kinder mit leicht- bis mittelgradiger Hörminderung wirken in der Schule häufig
unkonzentriert. Das Verfolgen des normalen Unterrichts verlangt ihnen viel mehr
Aufmerksamkeit ab als den Klassenkameraden. Folgen sind häufig schlechtere Noten, eine
Schulunwilligkeit bis zur Verweigerungshaltung, eventuell das Einfügen in den Part des
Klassenclowns als Kompensationsmechanismus.
Bei frühkindlichen, hochgradigen Schwerhörigkeiten oder Gehörlosigkeit kann - werden
nicht rechtzeitig rehabilitative, supportive Maßnahmen eingeleitet - der normale
Spracherwerb aufgrund mangelnder, auditorischer Eindrücke nicht entwickelt werden. Ab
einem beidseitigen Hörverlust über 60 dB ist ein spontanes Erlernen von Sprache und die
Entwicklung eines offenen Sprachverständnis nicht möglich [70]. Dies hat Auswirkungen
auf die Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit und führt zwangsläufig zur
Ausgrenzung aus der Altersgruppe. In der Regel ist der Besuch einer Schule für
hörbeeinträchtigte Kinder notwendig. Die Benutzung der Gebärdensprache separiert und
1. Einleitung
40
exponiert die Kinder zusätzlich, da diese natürlich nur einem kleinen Bevölkerungsanteil
geläufig ist. Die Lautsprache muss mühsam antrainiert werden; wobei Differenzen
aufgrund fehlender, eigener akustischer Rückkopplung in Bezug auf Melodik und
Artikulation immer bestehen bleiben.
Aktivitäten, wie z. B. Reisen in fremde Länder, gestalten sich organisatorisch aufwendiger.
Eine Gehörlosigkeit erfordert vom Betroffenen und Familie ein gesteigertes Maß an
Durchsetzungsfähigkeit und Engagement, besonders in sozialer und beruflicher Hinsicht.
Chancengleichheit besteht trotz der Bemühungen auf legislativer und exekutiver Ebene
sicherlich nicht.
Ein einseitiger Hörverlust, egal ob leicht oder hochgradig, kann bis zu einem gewissen
Grad vom kontralateralen Ohr kompensiert werden. Auch mit einem monauralen
Höreindruck ist der Erwerb der Sprache möglich.
Allerdings besteht bei nur einseitigem Hörerlebnis eine geringe Verschlechterung der
Hörschwelle mit einem Einfluss auf das Sprachverständnis [4]. Das Richtungshören ist an
die Präsenz eines binauralen Hörsystems gebunden und beim Lokalisieren von
Schallquellen treten mit zunehmender Differenz der Hörleistung der Ohren vermehrt
Fehler auf. Durch den „Zerhack“-Effekt ist es binaural Hörenden möglich, den
fokussierten, akustischen Stimulus vom Störschall zu separieren. Hierdurch ist die
Hörkompetenz in akustisch anspruchsvollen Situationen, wie zum Beispiel im
Klassenlärm, gewährleistet.
Behinderungen in anderen Bereichen beeinflussen in vielfältiger Hinsicht zusätzlich die
Lebensqualität des hörgeschädigten Kindes. Beispielweise sei hier nur die
Beeinträchtigung des visuellen und auditorischen Systems beim Usher-Syndrom genannt,
wodurch die Kontaktaufnahmen und die notwendigen, sozialen Zuwendungen auf taktile
Reize beschränkt sind. Gerade Kinder mit Behinderungen im visuellen System sind auf
eine möglichst optimale Rehabilitation des akustischen Systems angewiesen, da das
akustische System leichter Therapieansatzpunkte bietet als das visuelle, z. B. in Form einer
CI- oder Hörgeräteversorgung.
Zusätzliche Behinderungen können aber auch die Therapieoptionen einschränken, nicht
zuletzt aufgrund ökonomischer Bedenken der Leistungsträger, von denen die Gewährung
der finanziellen Mittel in der Regel abhängt. Unbestreitbar erschwert eine geistige
1. Einleitung
41
Behinderung die CI-Anpassung und macht ein langsameres Vorgehen notwendig.
Allerdings profitieren auch Kinder mit Mehrfachbehinderungen nach Angaben der Eltern
und Therapeuten von der Verbesserung der auditiven Wahrnehmung.
Wesentlich für die Entwicklung des Kindes ist, ob die Hörbeeinträchtigung vor oder nach
dem Spracherwerb des Kindes auftritt; ob sie sich stabil verhält oder eher progredient
verläuft.
Patienten mit weitestgehend abgeschlossenem Spracherwerb, so genannte postlingual
Ertaubte, verfügen über ausgereifte, akustische, cerebrale Bahnen und Verschaltungen, die
nur derzeitig nicht genutzt werden. Die Lautsprache dieser Kinder ist melodisch und bei
entsprechender Therapie und Rehabilitation ist eine nahezu altersgerechte Entwicklung
garantiert.
Bei prälingualen, hochgradigschwerhörigen bis resthörigen Kindern unterbleibt die
kortikale Reifung und ein offenes Sprachverständnis und ein Lautspracherwerb sind ohne
rechtzeitige Therapie in keinem Fall zu erwarten. Hier ist die frühzeitige Erkennung
maßgeblich, um die auditorisch sensiblen Perioden nicht zu verpassen.
1. Einleitung
42
1.9. Therapie
Bei Schalleitungsschwerhörigkeit aufgrund von Paukenergüssen bieten sich operative
Maßnahmen an, falls eine konservative Therapie (Nasenspray und Valsalva-Manöver)
frustran verlief. Hier sind eine Entfernung der kindlichen Adenoide und eine Parazentese
gegebenenfalls mit Paukenröhrcheneinlage zur Belüftung des Mittelohrs indiziert. Eine
pädaudiologische Nachkontrolle sollte im weiteren Verlauf den Erfolg des operativen
Eingriffs dokumentieren.
Schalleitungsstörungen aufgrund von Mittelohrmissbildungen sind ebenfalls einer
operativen, kausalen Therapie im Rahmen der rekonstruktiven Mittelohrchirurgie
zugänglich.
Bei uni- oder bilateralen Schallempfindungsschwerhörigkeiten oder
Schalleitungsschwerhörigkeiten, die nicht erfolgreich operativ angegangen werden können,
werden amplifizierende Maßnahmen durch Hörgeräte gewählt. Dazu stehen
verschiedenste, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Systeme zur Verfügung,
wie z.B. eine Crossversorgung bei einseitiger Schwerhörigkeit oder ein
knochenverankertes Hörgerät. Weitere, schädigende Einflüsse auf das akustische System
sollten vermieden werden und das Kind sollte in regelmäßigen, pädaudiologischen
Kontrollen während seiner Entwicklung begleitet werden. Eine Progredienz der
Hörminderung muss frühzeitig aufgedeckt werden, um eine kontinuierliche, auditorische
Wahrnehmung durch Anpassung des Hörgeräts zu garantieren. Das Kind sollte
entwicklungsgerecht bestmöglich begleitet werden, die veränderten Hörsituationen des
Kindes sollten berücksichtigt werden- vom akustischen Nahbereich im ersten Lebensjahr,
über entferntes Hören mittels FM-Systemen mit Beginn des selbstständigen Laufens bis
zum Einsatz von Richtmikrophonsystemen zur Störschallunterdrückung beim Eintritt in
den Kindergarten [12].
Bei Resthörigkeit bis Surditas beidseits wird die Indikation zur Cochlea Implant-
Versorgung gestellt. Dabei wird operativ eine Elektrode in die Cochlea eingebracht, die
akustische Signale nach Wandlung im Prozessor als elektrische Impulse überträgt. Für die
erfolgreiche Therapie nach CI-Implantation sind die weitere Betreuung seitens Logopädie,
Physiotherapie, sowie die technische Wartung der Technik von entscheidender Bedeutung.
2. Material und Methoden
43
2. Material und Methoden
2.1. Neugeborenenkollektiv und Ablauf der Untersuchung
In die Studie gingen die Untersuchungsergebnisse von 115 Neugeborenen, gemessen im
Zeitraum 2003/2004, ein. Es wurden 97 Kinder der Neugeborenenstation des St. Elisabeth
Hospitals Bochum und 18 Kinder der Neonatologie, Kinderklinik des
Universitätsklinikums St. Joseph Hospitals Bochum untersucht.
Das Erstscreening auf der Neugeborenenstation fand zwischen dem Geburtstag und fünften
Lebenstag statt. In der Regel erfolgte am fünften Tag die Entlassung aus der stationären
Betreuung nach unkomplizierter Geburt. Falls ein Kind sich in den Untersuchungen
auffällig erwies, wurde zu einem späteren Zeitpunkt, möglichst noch während des
stationären Aufenthalts, die Kontrollmessung durchgeführt. War dies aus zeitlichen
Gründen nicht möglich, wurden Eltern und Kind zu einem Kontrolltermin in das St.
Elisabeth Hospital einbestellt.
Das Screening auf der Neonatologie erfolgte individuell an unterschiedlichen Tagen post
partum. Dies richtete sich vor allem nach dem Gesundheitszustand des Kindes, um weitere,
durch die Messungen bedingte Stressfaktoren zu vermeiden. Daher fand das Screening hier
erst immer bei suffizienter Eigenatmung statt, um z.B. bei Beatmung das Neugeborene
nicht durch umlagerungsbedingte Tubusdislokationen zu gefährden. Daher wurde der
Untersuchungszeitpunkt in der stabilen Phase des Kindes im späteren Klinikaufenthalt
gewählt. So konnten alle auf das Kind in dieser Phase einwirkenden Noxen durch das
Screening erfasst werden.
Zu Eingang der Untersuchung wurden der Umgebungslärm und die Vigilanz des Kindes
eingeschätzt. Generell wurden die Messungen während des normalen, stationären Alltags
und nicht in einem gesondert abgeschlossenen Raum durchgeführt. Daher traten auch
Unterbrechungen und Störlärm auf. So konnten die einzelnen Screeningverfahren auf ihre
Alltagstauglichkeit überprüft werden.
Nach Möglichkeit wurden schlafende Kinder zur Untersuchung gewählt und unruhige
Kinder zunächst zurückgestellt und nach einer Ruhephase getestet. Vor der Untersuchung
wurden die Kinder auf besondere anatomisch-morphologische Veränderungen hin
untersucht und Besonderheiten, die das Messergebnis beeinflussen konnten, wie ein
Cephalhämatom oder prägnanter Haarwuchs, notiert. Eine orientierende Befunderhebung
2. Material und Methoden
44
im HNO-Bereich erfolgte. Zudem wurden die Geburts- und Schwangerschaftsbedingungen
anhand von Befragungen der Eltern oder nach Angaben der betreuenden Gynäkologen
bzw. Neonatologen analysiert.
(Die Fragebogengliederung ist im Anhang wiedergegeben.)
Das Einverständnis zumindest eines Elternteils lag bei allen untersuchten Kindern vor.
Die Messungen wurden von zwei mit der Methode vertrauten Untersuchern durchgeführt.
Sowohl die Untersuchungszeit insgesamt, einschließlich der dazu benötigten
Vorbereitungen, als auch die direkte Messungsszeit in den Einzelverfahren und die Anzahl
der Kontrollen wurden gesondert aufgeführt.
Mit einer individuell unterschiedlichen Ermüdung des Kindes und mit einer - abhängig von
Zeit und Manipulationen - schwindenden Kompliance musste während der Untersuchung
gerechnet werden. Da die BERA die anspruchsvollere Untersuchung bezüglich der
Anforderungen an die Vigilanz des Kindes war, wurde sie als erstes Testverfahren gewählt.
Bei ausgeprägter Unruhe oder Schreien des Kindes musste die Untersuchung abgebrochen
werden und zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden.
2.2. Beschreibung des automatisierten BERA-Testsystems
Bei der Untersuchung wurde das automatisierte MAICO BERAphon MB 11 verwendet.
Hierbei wird die Hörfunktion ohne aktive Mithilfe des Kindes durch Messung der
akustisch evozierten Potentiale des Hirnstamms mittels EEG-Ableitung in bestimmter
Elektrodenkonfiguration am Schädel überprüft. Durch Wiederholung des Reizstimulus und
Mittelung kann das Verhältnis zwischen Signal und Störartefakten so optimiert werden,
dass zufällige z.B. durch Muskelaktivität produzierte EEG-Veränderungen in den
Hintergrund treten und reizbezogene Potentiale dominieren. Es werden kurze, nicht
frequenzspezifische Klickreize dargeboten mit einer Stimulierung der Hörfasern im
Bereich von 1-3 kHz.
Wie bereits in der Einleitung zur Methodik der Audiologie erwähnt, können bei den frühen
evozierten Potentialen nach Jewett fünf bis sechs charakteristische Wellen definiert
werden. Wobei die Amplitude der Welle V die größte und als einzige bis zur Hörschwelle
nachweisbar ist. Latenz und Amplitude der Wellen zeigen eine Abhängigkeit von der
Reizstärke. Die Latenz nimmt mit Abnahme des Schalldrucks zu, wohingegen die
2. Material und Methoden
45
Amplitude sich verringert. Die Interlatenzen der Wellen I-III und I-V zeichnen sich durch
eine Unabhängigkeit vom Schalldruckpegel aus.
Beim BERAphon MB 11 werden die sonst gebräuchlichen Anklebelektroden durch eine
dem Telefonhörer ähnliche Konstruktion mit drei fest montierten, aber gefederten
Edelstahlelektroden ersetzt. Der Stimulus wird über die Kopfhörerkapsel mit integriertem
Vorverstärker auf das zu testende Ohr gerichtet.
Eine Reduzierung des Hautwiderstandes wird durch eine Vorbehandlung der
entsprechenden Hautareale und der Elektroden mit Kontaktgel erzielt. Die
unterschiedlichen Kopfgrößen der Kinder werden durch eine rotierbare Scheitelelektrode
und besondere Elektrodenformen berücksichtigt. So wurde bei den Kindern der
Neonatologie häufig eine spezielle Scheitelelektrode, die eine Verkürzung des Abstandes
zwischen Scheitelelektrode und mittlerer Elektrode bewirkte, verwand.
Das BERAphon MB11 verfügt über die Möglichkeit, die Modi Hörschwellen-Screening
mittels Stufenreiz oder Standard-BERA zu wählen.
Für das hier beschriebene Screening wurde der so genannte Zeitgangsreiz benutzt.
Dabei werden nicht einzelne Klicks einer bestimmten Frequenz und Reizstärke generiert,
sondern nach P. Finkenzeller [70] Pakete von sechs schnell auf einander folgenden Klicks,
deren Schalldruckpegel sich von Klick zu Klick jeweils um 10 dB erhöht, gegeben. Dieses
Klickpaket (Burst) mit einer Dauer von 25 Millisekunden provoziert abhängig von der
Hörschwelle den Klicks nach Reizstärke zugeordnete Hirnstammpotentiale. Der Hörer
selber kann die einzelnen Klicks innerhalb des Bursts nicht differenzieren, jedoch erfolgt
eine präzise Analyse der Zusammensetzung im Hirnstamm. So kann in einem einzigen
Mittelungsvorgang die Hörschwelle des Kindes in kurzer Zeit bestimmt werden.
Um störende Potentiale, z.B. Muskelpotentiale durch Eigenbewegung des Kindes, nicht in
die Messung einzubeziehen, kann ein maximaler Schwankungsbereich innerhalb des
Programms festgelegt werden, der bei Überschreitung dieses Wertes die Mittelung als
irrelevant verwirft und diese den Artefakten zuordnet.
In einer weiteren Funktion des Programms kann die EEG-Qualität beurteilt werden. Diese
visuelle Darstellung der EEG-Qualität erlaubt eine Kontrolle der korrekten
Elektrodenpositionierung und beeinflusst die Dauer der Messung positiv.
Für das Hörscreening bei Neugeborenen ist in der BERAphon MB11-Software als
Kriterium für eine unauffällige Messung der Nachweis der Welle V bei 40 dB oder besser
hinterlegt.
2. Material und Methoden
46
In einem bestimmten Zeitintervall (Dauer bis zu 150 Sekunden) wird das Antwortverhalten
in der BERA analysiert. Nach Erreichen der im Programm festgesetzten Kriterien an
positiven Ereignissen für 40 dB wird die Messung automatisch terminiert mit dem Hinweis
auf das Vorliegen eines unauffälligen Testergebnisses. Nach Durchlaufen des Intervalls
mit unzureichend positiven Mittelungen wird die Messung beendet und eine Kontrolle
empfohlen.
Abb. 2: Automatisierte BERA (Quelle: ABRIST m, Broschüre)
2.3. Beschreibung der OAE-Messung
Im Hörscreening kam das automatisierte DPOAE-Testsystem EROScan der Firma Maico
zum Einsatz.
Dabei wird die Hörfunktion durch den Nachweis von kochleären, otoakustischen
Emissionen, generiert in den äußeren Haarzellen des Corti-Organs, überprüft. Durch
Stimulation mit zwei simultanen Sinustönen der Frequenz f1 und f2 entstehen bei
effizienter Funktion der äußeren Haarzellen akustische Eigensignale, die mittels Sonde im
Gehörgang erfasst werden. Diese Distorsionsprodukte weisen die Frequenz 2f1-f2 auf.
Hierbei werden verschiedene Frequenzbereiche der äußeren Haarzellen berücksichtigt.
Eine im Gehörgang platzierte Sonde verfügt zum einen über zwei separate
Hörerschallkanäle und zum anderen über ein Mikrophon, das den Schalldruckpegel der
2. Material und Methoden
47
OAEs registriert. Durch Filterung nach dem Fast-Fourier-Transformations Prinzip [50]
kann der digitale Sprachprozessor spezielle Emissionen der Frequenz 2f1-f2 ermitteln und
diese dem Schalldruckpegel der Störgeräusche gegenüberstellen. Dabei gilt, dass die
Emissionen der Frequenz 2f1-f2 nur als DPOAEs gewertet werden können, wenn ihr
Schalldruckpegel die Störgeräusche um mindestens 5 dB übertrifft. Dies wird als
Signal/Rauschabstand (SNR - signal noise ratio) bezeichnet. Auch hier wird ein
Mittelungsverfahren verwendet, um Artefakte zu eliminieren. Das EROScan-System kann
insgesamt einen Frequenzbereich von ca. 1 bis 6 kHz bedienen. Die kleinste gewählte
Testfrequenz trägt dem Umstand Rechnung, dass der Umgebungslärm bei den tiefen
Frequenzen am höchsten ist und dass die Ausprägung der Emissionen unterhalb 600 Hz
nur sehr schwach ist.
Die Testung erfolgte nach der im Programm angegebenen Basisfunktion:
Testfrequenzen 3
Mittelungszeit 2 Sekunden
Frequenzbereich 2 kHz bis 4 kHz
„PASS“-Kriterium 5 dB
Testpegel f1 65 dB SPL
Testpegel f2 55 dB SPL
Nach einer Phase der Kalibrierung folgt die Testphase, die als Balkenanzeige im Display
des Geräts überprüft werden kann. Bei erfolgreicher Testung aller 3 Testfrequenzen
erscheint im Display „PASS“, bei Nicht-Erfüllung des 5-dB-Kriteriums wird durch
„REFER“ auf eine Kontrolltestung verwiesen. Zudem wird angezeigt, ob die
Umgebungsgeräusche zu laut sind oder ob die Sonde nicht dicht genug im Gehörgang
platziert wurde. Um Undichtigkeitsdefizite zu vermeiden, können als Aufsatz Ohrstöpsel
variabler Größe entsprechend dem kindlichen Gehörgang gewählt werden.
2.4. Statistik
Die Daten der Untersuchung und der Fragebogenerhebung wurden zunächst in
tabellarischer Form integriert und die Auswertung wurde unter Verwendung des ACCESS-
Programms vorgenommen. Zur erweiterten Analyse und graphischen Darstellung der
Ergebnisse wurde das Programm Statistica 7.0 verwendet.
2. Material und Methoden
48
Die statistische Aufbereitung der Daten erfolgte nach folgenden Methoden:
Es wurde der Mann-Withney-U-Test für zwei unverbundene Stichproben gewählt, wenn
sich die Datenanalyse, z. B. graphisch dargestellt im Boxplot, zeigte, dass die
Stichprobenreihe keiner Normalverteilung folgte. Falls jedoch normalverteilte Stichproben
vorlagen, wurde der parametrische t-Test für unabhängig Variablen benutzt. Als Grenzwert
zur Verwerfung der Nullhypothese μ = μ0 und Erhebung der Alternativhypothese μ ≠ μ0
wurde p = 0,05 festgesetzt.
Die Prüfung der Unabhängigkeit von zwei Alternativmerkmalen erfolgte mit dem Chi²-
Vierfelder-Test (χ²). Falls die Voraussetzungen zur Anwendung des Chi²-Vierfelder-Tests
nicht erfüllt wurden (z. B. bei zu geringen Häufigkeiten), wurde eine Analyse mit Hilfe des
Fisher-Tests vorgenommen.
3. Auswertung
49
3. Auswertung
3.1. Analyse des Neugeborenenkollektivs
3.1.1. Geschlechtsverteilung
Das Hörscreening wurde bei 54 weiblichen Säuglingen (47 %) und bei 61 männlichen
Säuglingen (53 %) durchgeführt.
Abb. 3: Kreisdiagramm Geschlechtsverteilung
3.1.2. Patientenkollektiv
Es wurden zwei verschiedene Neugeborenengruppen untersucht. Bei der ersten Gruppe
handelte es sich um reife Neugeborene der Normalstation. Die zweite Gruppe umfasste
Neugeborene, die Kinder intensive Therapie und Versorgung auf der neonatologischen
Station benötigten. Es gingen in die Studie 97 Kinder (83 %) der Normalstation und 18
Kinder (16 %) der Neonatologie ein.
Geschlechtsverteilung der untersuchtenNeugeborenen
weiblich (n=54)männlich (n=61)
3. Auswertung
50
Abb. 4: Balkendiagramm Neugeborenengruppen
3.1.3. Alter bei der Untersuchung
Das Alter aller Kinder bei der Untersuchung betrug im Mittel 5,17 Tage (Median 2 Tage).
Die früheste Untersuchung erfolgte am Geburtstag. Die späteste Untersuchung wurde am
57. Lebenstag durchgeführt. Bei dieser Testung handelte es sich um eine
Kontrolluntersuchung eines zunächst auffälligen Neugeborenen.
Altersverteilung aller Neugeborenen beiUntersuchung
Median = 2 25%-75% = (1, 5) Bereich ohne Ausreißer = (0, 11) Ausreißer Extremewerte
alle Neugeborenen0
10
20
30
40
50
60
Alte
r bei
Unt
ersu
chun
g in
Tag
en
Mittelwert = 5.17 dMedian = 2 dStandardabweichung = 9.08Minimal-Wert = 0 dMaximal-Wert = 57 d25%-Wert = 1 d75%-Wert = 5 d
Abb. 5: Boxenplot Altersverteilung aller Neugeborenen
Neugeborenengruppen
n=18 (16%)
n=97 (84%)
Neonatologie Normalstation0
20
40
60
80
100
120
Anz
ahl d
er N
euge
bore
nen
[n]
3. Auswertung
51
Die Kinder der Neonatologie waren im Vergleich zu den Neugeborenenstationskindern
aufgrund von zunächst im Vordergrund stehenden Erkrankungen, wie z.B. ARDS und
Sepsis, erst zu einem späteren Lebensalter dem Screening zugänglich. Dies spiegelte sich
in den folgenden Grafiken wieder:
AltersverteilungNeugeborenenstationkinder bei
Untersuchung
Median = 2 25%-75% = (1, 4) Bereich ohne Ausreißer = (0, 6) Extremewerte
Neugeborenenstation0
10
20
30
40
50
60
Unt
ersu
chun
gsal
ter i
n Ta
gen
Mittelwert = 3.39 d
Median = 2 d
Standardabweichung = 6.29
Minimal-Wert = 0 d
Maximal-Wert = 52 d
25%-Wert = 1 d
75%-Wert = 4 d
Abb. 6: Boxplot Altersverteilung Neugeborene der Normalstation bei Untersuchung
Die Kinder der Normalstation waren im Mittel 3,39 Tage (Median 2 Tage) alt.
Altersverteilung Neonatologiekinder beiUntersuchung
Median = 11,5 25%-75% = (5, 19) Bereich ohne Ausreißer= (2, 27) Ausreißer
Neonatologiekinder0
10
20
30
40
50
60
Unt
ersu
chun
gsal
ter i
n Ta
gen
Mittelwert = 14.72 dMedian = 11.5 dStandardabweichung = 14.66Minimal-Wert = 2 dMaximal-Wert = 57 d25%-Wert = 5 d75%-Wert = 19 d
Abb. 7: Boxplot Altersverteilung Neonatologiekinder bei Untersuchung
3. Auswertung
52
Der Mittelwert beim Screeningalter der Neonaten betrug 14,72 Tage (Median 11,5 Tage).
Im direkten Vergleich zeigten sich die Altersunterschiede deutlicher:
Altersverteilung
alle Neugeborenen Neugeborenenstation Neonatologie0
10
20
30
40
50
60U
nter
such
ungs
alte
r in
Tage
n
Abb. 8: Boxplot Altersverteilung im Vergleich
Nach statistischer Analyse bestand ein signifikanter Unterschied zwischen dem
Untersuchungsalter der Neonatologiekinder und der Neugeborenenstationskinder (Neustat-
Kinder)(M-W-U-Test: p < 0,01).
3.1.4. Testergebnis aller Kinder
Bei 96 der 115 getesteten Kinder war das Screening-Ergebnis nach Erstuntersuchung bzw.
Kontrolle unauffällig. Dies entsprach 83,5 % aller Kinder.
Insgesamt blieb das Ergebnis bei 16,5 % der Kinder trotz zum Teil später erfolgten
Testwiederholungen auffällig.
Als Kriterium für ein auffälliges Abschneiden im Test wurde eine zumindest einseitig
auffällige BERA-Messung unabhängig von der OAE-Messung definiert.
3. Auswertung
53
Abb. 9: Kreisdiagramm Testergebnis aller Kinder
Bei den unauffälligen Kindern umfasste der Anteil der Neustat-Kinder 86,5 % (n = 83) und
der Anteil der Neonatologiekinder 13,5 % (n = 13).
Gruppenverteilung der unauffälligen Kindern = 96
Neonatologie, n = 13; 13,5%
Neugeborenenstation, n = 83; 86,5%
Abb. 10: Kreisdiagramm Gruppenverteilung der unauffälligen Kinder
Von den 19 auffälligen Kindern hielten sich 26,4 % (n = 5) zum Zeitpunkt der
Untersuchung auf der Neonatologie auf und 73,6 % (n = 14) auf der Normalstation.
Insgesamt lässt sich nach statistischer Analyse kein signifikanter Zusammenhang zwischen
dem Merkmal „auffälliges Testresultat“ und Aufenthalt auf einer bestimmten Station
erkennen (χ² = 1,96 ; p = 0,16).
Testergebnis aller Kindern = 115
aufällige Kinder, n = 19; 16,5%
unaufällige Kinder, n = 96; 83,5%
3. Auswertung
54
Gruppenverteilung auffällige Kindern = 19
Neonatologie, n = 5; 26,4%
NeuStat, n = 14; 73,6%
Abb. 11: Kreisdiagramm Gruppenverteilung auffällige Kinder
3.1.5. Untersuchungszeit
Bei alle Neugeborenen dauerte die Untersuchung (BERA und OAE-Testung beidseits) im
Mittel 22,12 min. (Median 20 min.). Die kürzeste Untersuchungszeit wurde mit 5 Minuten
angegeben, die längste Untersuchung dauerte 80 Minuten.
Die Untersuchung war bei den Neonatologiekindern im Vergleich zu den
normalstationären Kindern vom zeitlichen Aspekt her gesehen aufwendiger.
Vergleich der Untersuchungszeiten in denGruppen
Median 25%-75% Bereich ohne Ausrei?er Ausreißer Extremewerte
alle Neustat NEO0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Unt
ersu
chun
gsze
it in
Min
uten
Mittelwert alle = 22,12 min.Median alle = 20 min.Minimal-Wert alle = 5 min.Maximal-Wert alle = 80 min.25%-Wert alle = 15 min.75%-Wert alle = 30 min.
Mittelwert NeuStat =20,9 min.Median NeuStat = 20 min.Mini-Wert NeuStat = 5 min.Max-Wert NeuStat = 60 min.25%-Wert NeuStat = 15 min.75%-Wert NeuStat = 25 min.
Mittelwert NEO =28,7 min.Median NEO = 25 min.Minimal-Wert NEO = 10 min.Maximal-Wert NEO = 80 min.25%-Wert NEO = 15 min.75%-Wert NEO = 40 min.
Abb. 12: Boxplot Vergleich der Untersuchungszeiten in den Gruppen
3. Auswertung
55
Der Mittelwert der Untersuchungszeit war bei den Neonatologiekindern mit 28,69 Minuten
länger (Median 25 min.). Der minimale Wert mit 10 Minuten und der maximale Wert mit
80 Minuten lagen ebenfalls über den Zeitdaten der Neustat-Gruppe. Hier betrug der
Mittelwert 20,9 Minuten (Median 20 min.) und die kürzeste Untersuchung erfolgte in 5
Minuten, die längste in 60 Minuten. Nach der t-Test-Analyse bestand ein signifikanter
Unterschied zwischen den Untersuchungszeiten der Neonatologiekindern und der
Neugeborenenstationskinder (p-Wert = 0,0079 ; t-Wert = 2,699).
Die reine BERA-Untersuchungszeit in Sekunden, automatisch gemessen im BERAphon-
Modus für beide Ohren, war bei den Neonatologiekindern gegenüber den
Neugeborenenstationskindern verlängert. Der Mittelwert betrug in der Neonatologiegruppe
151 sek. (Median 160 sek.) bei der Normalstationgruppe 127 sek.(Median 130 sek.), mit
einem minimal Wert von 70 sek. (Neonatologie) und 30 sek. (Neustat). Allerdings wies
hier bei den Maximalwerten die Normalstationsgruppe die längere Untersuchungszeit mit
220 zu 205 sek. auf.
Nach dem M-W-U-Test bestand ein signifikanter Unterschied in der BERA-Zeit zwischen
den Untersuchungsgruppen Neonatologie und NeuStat (p = 0,039).
Vergleich der Untersuchungszeitenfür BERA beidseits
Median 25%-75% Bereich ohne Ausrei?er Ausreißer
Alle NeuStat NEO20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
220
240
Unt
ersu
chun
gsze
it in
Sek
unde
n
Mittelwert alle = 130 sek.Median alle = 133 sek.Minimal-Wert alle = 30 sek.Maximal-Wert alle = 220 sek.25%-Wert alle = 90 sek.75%-Wert alle = 160 sek.
Mittelwert NeuStat = 127 sek.Median NeuStat = 130 sek.Mini-Wert NeuStat = 30 sek.Max-Wert NeuStat = 220 sek.25%-Wert NeuStat = 90 sek.75%-Wert NeuStat = 150 sek
Mittelwert NEO = 151 sek.Median NEO = 160 sek.Minimal-Wert NEO = 70 sek.Maximal-Wert NEO 205 sek.25%-Wert NEO = 145 sek.75%-Wert NEO = 190 sek.
Abb. 13: Boxplot der Untersuchungszeiten BERA beidseits in den Gruppen
3. Auswertung
56
Die exakte reine OAE-Messungszeit wurde nicht automatisiert vom EROScan erfasst,
sondern nachträglich von den Untersuchern geschätzt. Die Werte unterschieden sich für
beide Gruppen nicht im Wesentlichen. Aus diesem Grund und aufgrund des subjektiven
Charakters der erfassten Zahlenangaben wird hierauf nicht näher eingegangen.
3.1.6. Einfluss von Untersuchungstag und EEG-Qualität auf das Ergebnis
Um den Einfluss des Screeningalters auf das Ergebnis zu untersuchen, wurden die Kinder
verschiedenen Untersuchungsaltersgruppen zugeordnet. Vier Kinder wurden an ihrem
Geburtstag direkt getestet, dies entsprach 3,5 %. Bei den meisten Kinder, nämlich 69
Kindern (60 %), wurde das Screening zwischen dem 1. und 3. Tag durchgeführt.
Untersuchungen erfolgten zwischen dem 4. und 7. Tag bei 28 Kindern (24,4 %). Bei
jeweils 7 Kindern lag das Testungsalter zwischen dem 8. und 14. Tag bzw. über dem 15.
Tag. Dies machte jeweils einen 6,1 % Anteil am Gesamtkollektiv aus.
Lebensalter zum Zeitpunkt der Untersuchung
Geburtstag 1.-3.Tag 4.-7.Tag 8.-14.Tag über 15.Tag
Untersuchungstag
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Anz
ahl d
er K
inde
r
Abb. 14: Balkendiagramm Altersverteilung zum Untersuchungszeitpunkt
Bei der Geburtstagsgruppe zeigten 75 % der Kinder ein unauffälliges Ergebnis und 25 %
ein auffälliges Ergebnis. Alle Kinder kamen von der normalen Neugeborenenstation (kein
signifikanter Unterschied im Ergebnis zu allen anderen Kindern, Fisher: p = 0.5195).
3. Auswertung
57
Die Untersuchungszeit betrug im Mittel 30 Minuten (Median 27,5 Minuten). Der
Mittelwert der Anzahl der BERA-Kontrollen wurde mit 3,5 errechnet.
Die EEG-Qualität der BERA-Antwort stellte eine Einflussgröße auf das Testergebnis dar.
Unruhige Kinder zeigten aufgrund von Bewegungsartefakten eine schlechtere EEG-
Qualität. Dies verlängerte die Testungsdauer, was wiederum eine schlechtere Kompliance
bzw. Toleranz des Kindes nach sich zog und sich negativ auf das Testergebnis auswirkte.
Somit spiegelte die EEG-Qualität, automatisch durch das BERAphon ermittelt, indirekt
einen Teil der Untersuchungsbedingungen wieder.
Die EEG-Qualität wurde mit sehr gut bis ungenügend benotet.
Bei der Untersuchung am Geburtstag erzielten 37,5 % eine gute, 37,5 % eine befriedigende
und 25 % eine ungenügende EEG-Qualität.
Alle Kinder zeigten sich zumindest zeitweise bei der Untersuchung unruhig. 75 % waren
wach und 25 % schliefen zeitweilig
In der Untersuchungsgruppe vom ersten bis dritten Tag verlief bei 82,6 % (n = 57) der
Kinder das Screening unauffällig und bei 17,4 % (n = 12) kontrollbedürftig (keine
Signifikanz zu allen anderen: χ² = 0.09 ; p = 0.758).
Diese Gruppe setzte sich aus 3 Kindern der Neonatologie (4,4 %) und 66 Neugeborenen
(95,6 %) der normalen, peripheren Station zusammen. Der Mittelwert der
Untersuchungszeit lag bei 21 Minuten (Median 20 Minuten), der der BERA-
Kontrollanzahl bei 1,68.
Eine sehr gute EEG-Qualität zeigten 18,8 % der Kinder, eine gute 63,8 %, eine
befriedigende 14,5 %, eine ausreichende 0,7 %. Von den Untersuchern wurden 46,4 % der
Kinder als ruhig, 37,7 % als unruhig eingeschätzt. 52,2 % waren bei der Untersuchung
wach und 23,2 % schliefen währenddessen.
Am erfolgreichsten verlief das Screening in der Gruppe im Untersuchungsalter vom
vierten bis siebten Tag. Hier war der Test bei allen Kindern unauffällig (signifikant besser
als alle anderen Gruppen, Fisher: p = 0.0029).
Die mittlere Untersuchungszeit war mit 18,9 Minuten am kürzesten (Median 15 Minuten).
Die mittlere Kontrollanzahl betrug 1,29. Das Verhältnis Neonatologie zur
Neugeborenenstation betrug 10,7 % zu 89,3 %. Bei 37,5 % wurde die EEG-Qualität mit
sehr gut benotet, bei 46,4 % mit gut, bei 7,1 % mit befriedigend und bei 8,9 % mit
3. Auswertung
58
ausreichend. Ungenügend zeigte sich die EEG-Qualität bei keinem Kind. Ruhig verhielten
sich 64,3 % der Kinder bei der Untersuchung, unruhig nur 28,6 %. Bei 25 % der
Neugeborenen konnte das Screening während des Schlafs erfolgen und bei 46,4 %
während Wachheit.
Im Vergleich dazu verlief das Screening in der Altersgruppe achter bis 14. Tag schlechter.
Unauffällig im Hörscreening waren 71,4 % der Kinder und auffällig 28,6 % (nicht
signifikant zu allen anderen, Fisher: p = 0,2161).
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass es sich bei diesen untersuchten Kindern
ausschließlich um Kinder der Neonatologie mit einem erhöhten Risikopotential für
Hörschädigungen handelte. Als mittlere Untersuchungszeit wurden 27,9 Minuten (Median
25 Minuten) und als mittlere Kontrollanzahl 3,14 angegeben. Eine sehr gute EEG-Qualität
war bei 14,3 % zu verzeichnen, eine gute bei 7,1 %, eine befriedigende bei 64,3 %, eine
ausreichende bei 7,1 % und eine ungenügende ebenfalls bei 7,1 %. Zu den
Untersuchungsbedingungen wurde angegeben, dass 57,1 % der Kinder ruhig, 14,3 %
unruhig, 28,6 % wach waren und 14,3 % schliefen.
Die letzte Gruppe ab dem 15. Lebenstag umfasste 5 Kinder der Neonatologie (71,4 %)
und zwei Kinder der Neugeborenenstation (28,6 %), die allerdings zum
Untersuchungszeitpunkt bereits entlassen waren und zu Kontrollen aufgrund eines primär
auffälligen Ergebnisses wieder einbestellt wurden. Unauffällig verlief das Screening bei
42,9 % und kontrollbedürftig bei 57,1 % (signifikant schlechter als alle anderen, Fisher: p
= 0, 0139).
Im Mittel benötigte man 26,4 Minuten für die Testung (Median = 20 Minuten). Die
mittlere Kontrollanzahl betrug 2,71 und war nach der Geburtstagsgruppe und der
Altersgruppe 8.-14.Tag der dritthöchste Wert. Mit gut wurde die EEG-Qualität bei 14,3 %
der untersuchten Ohren beurteilt, mit befriedigend bei 64,3 %, mit ausreichend bei 21,4 %.
Die Untersucher fanden 28,6 % der Kinder ruhig und 71,4 % der Kinder unruhig vor. 71,4
% der Kinder waren wach und 14,3 % der Kinder schliefen.
3. Auswertung
59
Ergebnis abhängig vom Untersuchungsalter
unauffällig auffälligGeburtstag 1.-3.Tag 4.-7.Tag 8.-14.Tag >15.Tag
Untersuchungstag
0
20
40
60
80
100
Ant
eil d
er K
inde
r (in
%)
Abb. 15: Balkendiagramm Ergebnis abhängig vom Untersuchungsalter
Neugeborenenverteilung abhängig vomUntersuchungsalter
Neustat NICUGeburtstag 1.-3.Tag 4.-7.Tag 8.-14.Tag >15.Tag
Untersuchungstag
0
20
40
60
80
100
Ant
eil d
er K
inde
r (in
%)
Abb. 16: Balkendiagramm Verteilung der Neugeborenengruppen abhängig vom
Untersuchungsalter
3. Auswertung
60
Untersuchungzeit abhängig vomUntersuchungsalter
Mittelwert MedianGeburtstag 1.-3.Tag 4.-7.Tag 8.-15.Tag >15.Tag
Untersuchungstag
0
5
10
15
20
25
30
35
Unt
ersu
chun
gsze
it in
Min
uten
Abb. 17: Balkendiagramm Untersuchungszeit abhängig vom Untersuchungsalter,
Vergleich von Mittelwert und Median
Anzahl der BERA-Kontrollen insgesamtabhängig vom Untersuchungsalter
BERA-Kontrollen
Geburtstag1.-3.Tag
4.-7.Tag8.-14.Tag
>15.Tag
Untersuchungsalter
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
Anz
ahl d
er K
ontro
llen
Abb. 18: Balkendiagramm Anzahl der BERA-Kontrollen insgesamt abhängig vom
Untersuchungsalter
3. Auswertung
61
EEG-Qualität abhängig vom Untersuchungsalter
sehr gut gut befriedigend ausreichend ungenügend
Geburtstag1.-3.Tag
4.-7.Tag8.-14.Tag
>15.Tag
Untersuchungsalter
0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 19: Balkendiagramm EEG-Qualität abhängig vom Untersuchungsalter, benotet für
beide Ohren von sehr gut bis ungenügend
Untersuchungsbedingungen abhängig vomUntersuchungsalter
ruhig unruhig wach schlafendGeburtstag 1.-3.Tag 4.-7.Tag 8.-14.Tag >15.Tag
Untersuchungsalter
0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 20: Balkendiagramm Untersuchungsbedingungen abhängig vom Untersuchungsalter,
Mehrfachnennungen möglich
3. Auswertung
62
3.1.7. Kontrollanzahl bei BERA-Untersuchung
Sowohl bei der Neonatologiegruppe, als auch bei der Normalstationsgruppe wurden die
Anzahl der Kontrollen mit null bis vier pro gemessenes BERA-Ohr angegeben.
3.1.8. Frühgeburt
Eine Frühgeburtlichkeit liegt vor, wenn bei der Geburt nicht die 37.
Schwangerschaftswoche vollendet wurde.
In dieser Untersuchung war bei insgesamt 21 Kindern eine Frühgeburtlichkeit zu
verzeichnen. Dies machte bei allen Kindern einen Anteil von 18,3 % aus.
Anteil der Frühgeburtlichkeit am Gesamtkollektiv
Frühgeburt (n = 21); 18%
zeitgerechte Geburt ( n = 94); 82%
Abb. 21: Kreisdiagramm Anteil der Frühgeburtlichkeit am Gesamtkollektiv
Hiervon befanden sich 11 Kinder (52,4 %) zum Zeitpunkt der Untersuchung auf der
Neonatologie und 10 Kinder (47,6 %) auf der normalen, peripheren Neugeborenenstation.
Damit bestand - wie zu erwarten - ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen
dem Merkmal Frühgeburtlichkeit und dem Aufenthalt auf der Neonatologie (χ² = 26,25 ; p
< 0,01 ).
3. Auswertung
63
Neugeborenengruppenverteilung abhängig vonFrühgeburtlichkeit
NeuStat NICUFrühgeburt zeitgerechte Geburt
Neugeborenengruppen
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Ant
eil (
in %
)
Abb. 22: Balkendiagramm Neugeborenengruppenverteilung bezogen auf Frühgeburt und
zeitgerechte Geburt
Von den Kindern mit Frühgeburt als Risikofaktor in der Anamnese schnitten 85,7 % in
dem Screening unauffällig ab und 14,3 % kontrollbedürftig.
Bei den nach Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geborenen Kindern (94 Kinder,
81,7 %) verlief bei 88.3% die Testung erfolgreich und bei 11,7 % auffällig. Diese Gruppe
setzte sich mehrheitlich aus Kindern der Normalstation zusammen, nämlich 87 Kinder,
entsprechend 92,6 %. Nur 7 Kinder stammten von der Neonatologie, entsprechend 7,4 %.
Ergebnis abhängig von Frühgeburtlichkeit
unauffällig auffällig
Frühgeburt zeitgerechte Geburt0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Ant
eil (
in %
)
Abb. 23: Balkendiagramm Ergebnisse bei Frühgeburt und zeitgerechte Geburt
3. Auswertung
64
Ein signifikanter Unterschied zwischen den Testergebnissen in der Frühgeburts- und
zeitgerechten Geburtsgruppe bestand nicht (χ² = 0,11 ; p = 0,74).
Bei den frühgeborenen Kindern lag die mittlere Schwangerschaftsdauer in der 34+2 SSW,
die kürzeste Schwangerschaftsdauer in der 27+0 und die längste in der 36+4.
Hingegen betrug bei den nicht termingerechten Neugeborenen die mittlere
Schwangerschaftsdauer 39+4 SSW, die kürzeste 37+0 und die längste 42+2.
Im Vergleich der mittleren Untersuchungszeiten zeigte sich, dass die zeitgerecht geborenen
Kinder schneller als die zu früh geborenen untersucht werden konnten (21,1 Minuten zu
24,5 Minuten). (kein signifikanter Unterschied (M-W-U-Test: p = 0,602))
Untersuchungszeit abhängig vonFrühgeburtlichkeit
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer ExtremewerteFrühgeburt
keine Frühgeburt
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Unt
ersu
chun
gsze
it (in
min
.)
Mittelwert Frühg. = 24.5 min.Median Frühg. = 20 min.mini. Frühg. = 5max. Frühg. = 80 min.25%-Wert Frühg. = 15 min.75%-Wert Frühg. = 30 min.
Mittelwert keine Frühg. = 21.1 minMedian keine Frühg. = 20 min.mini. keine Frühg. = 10 min.max. keineFrühg. = 60 min.25%-Wert keine Frühg. = 15 min.75%-Wert keine Frühg. = 25 min
Abb. 24: Boxplot Vergleich der Untersuchungszeiten in den Gruppen Frühgeburt und
zeitgerechte Geburt
3.1.9. Beatmung
Insgesamt mussten 6 Kinder postpartal beatmet werden, dies machte einen Anteil von 5,2
% aus. Aus dieser Kategorie wurden von Kinder ausgeschlossen, die kurzzeitig nach der
Geburt aufgrund von Anpassungsstörungen bebeutelt werden mussten. Die beatmeten
Kinder wurden alle auf der Neonatologie versorgt. Die mittlere Beatmungsdauer betrug
3. Auswertung
65
135 Stunden. Die kürzeste umfasste 24 Stunden. Das am längsten respiratorisch
insuffiziente Kind musste über 336 Stunden beatmet werden.
Im Screening unauffällig verhielten sich 66,7 % der Kinder, auffällig 33,3 %. Allerdings
ließ sich bei der Betrachtung der Ergebnisse kein signifikanter Unterschied im Vergleich
zur Gruppe der nicht beatmeten Kinder herleiten (χ² = 1,30 ; p = 0,255).
Ergebnisse abhängig von postpartalerBeatmung
auffällig unauffällig
Beatmung keine Beatmung0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 25: Balkendiagramm Vergleich der Ergebnisse der Kinder mit und ohne Beatmung
3.1.10. Hypoxie perinatal
In diese Gruppierung gingen nur Kinder der Neugeborenenstation ein, bei denen im
Geburtsverlauf eine perinatale Hypoxie diagnostiziert wurde. Dies traf auf 7 Kinder der
Neugeborenenstation zu. Kein Kind musste beatmet werden oder auf die NICU
übernommen werden. Das Hörscreening verlief bei allen Kindern erfolgreich. Diese
Gruppe hatte einen Anteil von 6,1 % an allen gemessenen Neugeborenen. Die
Untersuchungszeit lag mit 19,3 Minuten unter dem für alle Kinder gemessenen Mittelwert.
In den neonatologischen Anamnesen fand dieser Punkt keine gesonderte Berücksichtigung,
daher kann dieses Merkmal nur eingeschränkt analysiert werden.
3.1.11. Risikogeburt
Nach Angaben der Geburtshelfer lag bei 70 Kindern (60,9 %) eine Risikogeburt vor.
3. Auswertung
66
Als häufigste Begründung wurde angeführt:
- vorzeitiger Blasensprung 20 %
- pathologisches CTG 18,6 %
- pathologische Geburtslage 15,7 %
- grünes Amnion 14,3 %
- plazentäre Probleme 11,4 %
- Geminigravidität 10 %
- Nabelschnur um Hals 10 %
- HELPP, Gestose je 2,9 %
- HIV, Hepatitis C 1,4 %, Mehrfachnennungen waren hier möglich.
Risikogeburtsfaktoren
0 10 20 30 40 50
Anteil (in %)
vorzeitiger Blasensprung
pathologisches CTG
pathologische Geburtslage
grünes Amnion
plazentäre Probleme
Geminigravidität
Nabelschnur um Hals
HELLP, Gestose
HIV, Hepatitis C
Abb. 26: Balkendiagramm Risikogeburtsfaktoren
Bei den 70 Kindern war der Hörtest bei 88,6 % unauffällig und nur bei 11,4 % der Kinder
kontrollbedürftig. Als mittlere Untersuchungszeit wurde 21,4 Minuten errechnet. Diese
Angaben entsprechen ungefähr denen der Gesamtgruppe. Daher erscheint das Screening
bei Kindern mit Risikogeburt von Seiten der Untersuchungsbedingungen nicht erschwert
zu sein.
Erstaunlicherweise schnitten die Kinder ohne Risikogeburt (39,1 %) im Hörtest schlechter
ab. Hier lag der Anteil der unauffälligen Neugeborenen nur bei 75,6 % und der der
auffälligen bei 24,4 %. Ebenso war die mittlere Untersuchungszeit mit 22,1 Minuten
geringgradig verlängert. Nach der statistischen Analyse zeigte sich kein signifikanter
3. Auswertung
67
Unterschied bezogen auf das erfolgreiche Abschließen im Test zwischen den Kindern mit
und ohne Risikogeburt (χ² = 3,36 ; p = 0,067).
Ergebnisse bezogen auf den Risikofaktor:Risikogeburt
unauffällig auffällig0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Anteil (in %)
Gesamtkollektiv
mit Risikogeburt
ohne Risikogeburt
Abb. 27: Balkendiagramm Vergleich der Ergebnisse in den Gruppen Kinder mit
Risikogeburt, Kinder ohne Risikogeburt und Gesamtkollektiv
3.1.12 Geburtsgewicht
Das mittlere Geburtsgewicht aller gemessenen Neugeborenen lag bei 3180 g. Als
geringstes Geburtsgewicht wurden 1270 g angegeben, als größtes 4450 g.
Bei den Kindern der NICU wurde speziell das Gewicht zum Zeitpunkt der Messung
betrachtete, das hierbei in der Regel vom Geburtsgewicht variierte, da die Messung erst in
einem späteren Lebensalter durchgeführt werden konnte. Das dabei ermittelte
Durchschnittsgewicht zum Messungszeitpunkt befand sich mit 2465g deutlich unter dem
der Gesamtgruppe. Das minimale Messungsgewicht betrug 1810g und das maximale
3210g.
3. Auswertung
68
Geburtsgewicht Gesamtkollektiv
Median = 3230 25%-75% = (2900, 3570) Bereich ohne Ausreißer = (1915, 4450) Ausreißer
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
4500
5000
Geb
urts
gew
icht
(in
g)
Mittelwert = 3180gMedian = 3230gMinimal = 1275gMaximal = 4450 g25%-Wert = 2900g75%-Wert = 3570g
Abb. 28: Boxplot Geburtsgewicht aller Kinder
Alle Kinder wurden entweder in die Kategorie niedriggewichtige Kinder – infants of low
birth weight – mit Gewichten unter 2501g oder in die Kategorie eutrophe, normgewichtige
Kinder mit einem Gewicht über 2500g eingeteilt.
16,2 % der Kinder zeigten bei Geburt ein niedriges Gewicht, davon wurden 58,9 % auf der
Neonatologie und 41,1 % auf der Neugeborenenstation versorgt.
Abb. 29: Kreisdiagramm Verhältnis eutrophe zu hypotrophen Neugeborenen
Der Mittelwert der Geburtsgewichte bei den niedriggewichtigen Kindern betrug 2050g
(Median 1990 g), der minimale Wert 1270g und der maximale 2500g. Die
Untersuchungszeit zeigte sich mit mittleren 23,5 Minuten etwas verlängert im Vergleich zu
Verhältnis der eutrophen und hypotrophen Kinder
hypotrophe Kinder; 16%
eutrophe Kinder; 84%
3. Auswertung
69
den normal gewichtigen Kindern mit 20,5 Minuten. Ein statistisch signifikanten
Unterschied ließ sich nicht nachweisen (t-Wert 1,04 ; p = 0,301). Jedoch fiel das Ergebnis
des Hörtests trotzdem in der niedriggewichtigen Gruppe mit 88,2 % unauffällig getesteten
und 11,8 % auffällig getesteten Neugeborenen erfreulich aus.
Bei den 83,8 % normgewichtigen Säuglingen wurde ein annähernd ähnliches Ergebnis
erzielt mit 88,6 % erfolgreichen Testergebnissen und 11,4 % kontrollbedürftigen Hörtests.
Somit bestand kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ergebnis und dem
Geburtsgewicht (χ² < 0,01; p = 0,962). Die Gruppe der eutrophen Kinder setzte sich zu
94,3 % aus Kindern der Neugeborenenstation und zu nur 5,7 % aus Neugeborenen der
NICU zusammen.
Das mittlere Geburtsgewicht der normgewichtigen Kinder lag bei 3398 g (Median 3300 g,
Minimalwert 2550 g, Maximalwert 4450g).
Stationsverteilung abhängig vom Geburtsgewicht
NeuStat NICU
hypotroph eutroph0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 30: Balkendiagramm Verhältnis eu- zu hypotrophen Neugeborenen innerhalb NICU-
und NeuStat-Gruppe
3. Auswertung
70
Ergebnisse der eu-/hypotrophenNeugeborenen
unauffällig auffällig
hypotroph eutroph0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 31: Balkendiagramm Ergebnisse in den Gruppen eutrophe und hypotrophe
Neugeborene
3.1.13. Apgar-Index
Der Apgar-Index gilt als Maß für die Adaptationsfähigkeit des Neugeborenen und wird
anhand des klinischen Erscheinungsbildes des Kindes nach einer, fünf und zehn Minuten
nach Geburt ermittelt.
Laut Schmidt-Matthiesen, Hepp [88] ist hierbei der erste Apgar-Wert nicht aussagekräftig,
hingegen der 5- und 10–Minuten-Wert entscheidend. Nach dem Apgar-Score werden
Punktzahlen zwischen 8 und 10 als Zeichen einer regelrechten, kindlichen Adaptation
angesehen, Werte unter 8 als auffällig betrachtet und bei Werten unter 4 spricht man von
einer schweren Asphyxie.
Bei den untersuchten Kindern lag zu 93,5 % ein unauffälliger Apgar-Score vor. Lediglich
bei 6,5 % war nach 5 Minuten ein auffälliger Apgar-Index zu verzeichnen, der sich aber
bei allen nach 10 Minuten normalisierte.
3.1.14. pH-Wert postpartal
Bei insgesamt 2,6 % der untersuchten Kinder (n = 3) deutete der postpartal ermittelte pH-
Wert mit einem Wert unter 7,15 auf eine relevante Azidose hin. Jedoch zeigten alle Kinder
dieser Gruppe ein unauffälliges Hörscreeningergebnis und der Apgar-Index nach 10
Minuten wies auf eine regelrechte Adaptation hin. Allerdings wurde der pH-Wert nicht bei
allen Kindern im Geburtsprotokoll festgehalten.
3. Auswertung
71
3.1.15. Sepsis
Eine Sepsis in der Anamnese wurde bei 4,4 % der Neugeborenen angegeben. Diese 5
Kinder befanden sich auf der Neonatologie. Das Hörscreening verlief dabei bei 4 Kindern
(89 %) regelrecht und bei einem (20 %) kontrollbedürftig. Im Vergleich zu den Kindern
ohne Sepsis bestand kein statistisch signifikanter Unterschied in den Screening-
Ergebnissen (χ² < 0,01; p = 0,984).
Ergebnisse abhängig vom Risikofaktor Sepsis
auffällig unauffällig
Sepsis keine Sepsis0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 32: Balkendiagramm Vergleich der Ergebnisse abhängig vom Risikofaktor Sepsis
Die Untersuchungszeit in dieser Gruppe war mit einem Mittelwert von 27 Minuten
verlängert. Statistisch ließ sich hier kein Unterschied in den Untersuchungszeiten zwischen
den Kindern mit und ohne Sepsis nachweisen (t-Wert = -1,01 ; p = 0,315).
Bei drei der fünf Kinder blieb der Sepsiserreger ungeklärt, bei einem Kind wurde
Klebsiella pneumoniae und bei einem anderen Kind Enterokokkus faekalis und koagulase-
negative Streptokokken angeschuldigt.
3.1.16. Virale Infektionen
Bei einem Kind (0,9 %) der NICU war ein positiver CMV early antigen Titer nachweisbar.
Dieses Kind verhielt sich auffällig in der Hörtestung und die Untersuchungszeit betrug 45
Minuten.
3. Auswertung
72
3.1.17. Meningitis
Ein Neonatologiekind (0,9 %) erkrankte an Meningitis. Der Erreger konnte nicht
identifiziert werden. Die Hörprüfung verlief erfolgreich mit einer Untersuchungszeit von
25 Minuten.
3.1.18. Antibiotika
Bei sieben Kindern der Neonatologie (6,1 %) waren Antibiotikagaben erforderlich.
Zur Anwendung kamen bei vier Kindern Kombination Baypen+Refobacin
bei einem Kind Kombination Meronem+Vancomycin
bei einem Kind Kombination Claforan+Vancomycin
(Meningitis)
bei einem Kind Kombination Baypen+Refobacin+Meronem
+Vancomycin (Nachweis Enterococc. faec.)
Die Dauer der Anwendung reichte von 5 bis 22 Tagen. Refobacin (Gentamycin) wurde in
einmaligen Tagesdosen, gewichtsadaptiert, zwischen 4 mg und 14 mg appliziert. Angaben
zu Berg- und Talspiegelbestimmungen lagen nicht vor.
Ergebnisse bezogen auf Antibiotika-Gabe
auffällig unauffällig
Antibiotikum kein Antibiotikum0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 33: Balkendiagramm Ergebnisse abhängig von einer Antibiotikagabe
Ein unauffälliges Testergebnis konnte bei 6 der Kinder verzeichnet werden, dies entsprach
85,7 %. Bei einem Kind (14,3 %) war der Test auffällig. Somit erzielte diese Untergruppe
3. Auswertung
73
ein besseres Testergebnis als die Neugeborenengruppe ohne Antibiotika (unauffällig 83 %,
auffällig 17 %). Ein statistisch signifikanter Unterschied ließ sich nicht belegen (χ² = 0,03 ;
p = 0,869).
3.1.19. Ototoxische Substanzen
Die Hepatitis C- und HIV-Infektion einer Mutter machte eine postpartale AZT
(Azidothymidin) und Retrovir – Therapie eines Neugeborenen (0,9 %) postpartal auf der
NICU notwendig. Das Hörscreening schloss dieses Kind erfolgreich ab. Die
Untersuchungszeit betrug 80 Minuten. Dies ist erklärbar durch die nur ausreichende EEG-
Qualität bei Unruhe des Kindes, eventuell zusätzlich bedingt durch ein Entzugssyndrom
bei Drogenabusus in der Schwangerschaft.
In der Literatur sind keine Hörschädigungen bei Erwachsenen durch AZT beschrieben,
jedoch wird ein potentieller teratogener und zytotoxischer Effekt für den Feten während
der Schwangerschaft diskutiert.
Die Gentamycin-Gabe wird unter dem Kriterium 3.1.19. Antibiotika analysiert (s.o.).
3.1.20. Hyperbilirubinämie
Eine pathologische Hyperbilirubinämie bei Neugeborenen besteht bei einer Erhöhung des
Gesamtbilirubins über 14 mg/dl (24 γmol/l).
Das Gesamtbilirubin wurde bei den Kindern der NICU routinemäßig erfasst, hingegen auf
der normalen Neugeborenenstation nur bei Verdacht auf einen Ikterus. Bei zwei Kindern
(1,7 %) der NICU wurde eine pathologische Bilirubinerhöhung über 14 mg/dl festgestellt.
Das Kind mit einem Bilirubinwert von 18,0 mg/dl (50 %) zeigte im Test einen normalen
Befund; das andere mit einem Bilirubinwert von 14,4 mg/dl (50 %) einen
kontrollbedürftigen. Einen signifikanten Unterschied im Testerfolg zwischen den Kindern
mit und ohne Hyperbilirubinämie ließ sich statistisch nicht bestätigen (Fisher: p = 0,3043).
Die mittlere Untersuchungszeit befand sich mit 22,5 Minuten in einem ähnlichen Bereich
wie die der Gesamtgruppe.
3. Auswertung
74
Ergebnisse abhängig vom RisikofaktorHyperbilirubinämie
auffällig unauffällig
Hyperbilirubinämie keine Hyperbilirubinämie0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 34: Balkendiagramm Ergebnisse abhängig vom Vorhandensein des
Risikofaktors Hyperbilirubinämie
3.1.21. Geburtsart
Im Folgenden wird die Geburtsart als Einflussgröße auf das Screeningergebnis untersucht.
Geburtsart
unklare Geburtsart; 4%
Sectio; 29%
Vakuumextraktion; 6%
Spontangeburt; 61%
Abb. 35: Kreisdiagramm Geburtsart
3. Auswertung
75
60,8 % der der Kinder wurden spontan entbunden. In dieser größten Gruppe befanden sich
fünf Kinder auf der NICU (7,1 %) und 65 Kinder auf der Normalstation (92,9 %). Davon
verlief der Test bei 85,7 % erfolgreich und bei 14,3 % nicht erfolgreich.
Eine Zangengeburt musste bei keinem Kind durchgeführt werden.
Die Geburt konnte durch Vakuumextraktion bei 6,1 % der Kinder (n = 7) erfolgreich
beendet werden. Diese Kinder wurden alle auf die normale Neugeborenenstation
übernommen und absolvierten das Hörscreening alle erfolgreich.
Eine Sectio wurde bei 28,7 % der Geburten (n = 33) erforderlich. Bei 17 Kindern mit
einem 14,8 %igen Anteil erfolgte die Sectio in ITN. In dieser Untergruppe waren 88,2 %
der Kinder unauffällig und 11,8 % auffällig. Hiervon wurden die meisten Kinder (52,9 %)
auf die NICU verlegt und nur 47,1 % auf die Normalstation.
Eine Sectio in Spinalanästhesie wurde bei 5,2 % (n = 6) der Geburten gewählt. Bei diesen
Kindern dominierte mit 83,3 % ein zufrieden stellendes Testergebnis über ein schlechtes
Ergebnis mit 16,7 %. 66,7 % der Kinder hielten sich auf der Neonatologie und 33,3 % auf
der Normalstation auf.
Bei 8,7 % (n = 10) der Gesamtgeburten wurde der Kaiserschnitt in Periduralanästhesie
durchgeführt. Alle Kinder befanden sich anschließend auf der Normalstation und schlossen
den Hörtest regelrecht ab.
Bei keiner der Geburtsarten konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der
Geburtsart und dem Testausgang erstellt werden (Spontangeburt χ² = 0,65 ; p = 0,4207,
Vakuum χ² = 1,48 ; p = 0,2245 , Sectio χ² = 1,85 ; p = 0,1735).
Aufgrund fehlender Datenlage konnte die Geburtsart bei fünf Kindern nicht erfasst werden
(4,3 %). Dies traf auf zwei Kinder der Neonatologie und drei Kinder der Normalstation zu,
die alle ein auffälliges Testresultat zeigten.
3. Auswertung
76
Stationsverteilung abhängig von der Geburtsart
NeuStat NICUSpontangeburt
VakuumextraktionSectio
unklare Geburtsart
0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 36: Balkendiagramm Verteilung der Kinder auf NICU oder Neugeborenenstation
abhängig von der Geburtsart
Ergebnisse abhängig von Geburtsart
unauffällig auffälligSpontangeburt
VakuumSectio ITN
Section SPASection PDA
unklar
0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 37: Balkendiagramm Ergebnisse abhängig von der Geburtsart
3. Auswertung
77
3.1.22. Risikoschwangerschaft
Anamnestisch bestand bei 28 Schwangeren (24,4 %) eine Risikoschwangerschaft.
Trotzdem zeigten nach der Geburt in dieser Gruppe 85,7 % der Kinder ein unauffälliges
Resultat und nur 14,3 % ein auffälliges. Ein statistischer Zusammenhang zwischen den
Ergebnissen und dem Vorhandensein des Risikofaktors Risikogeburt ließ sich nicht
nachweisen (χ² = 0,13 ; p = 0,714).
Die meisten Neugeborenen wurden auf der Normalstation (n = 22) versorgt, nur sechs
Kinder auf der NICU. Als häufigste Ursache für die Risikoschwangerschaft wurden das
Alter der Mutter (32,1 %), Gestosen ( 17,9 %) und Plazenta previa (10,7 %) angeführt.
Ergebnisse abhängig vom RisikofaktorRisikoschwangerschaft
auffällig unauffällig
Risiko-Schwang. keine Risiko-Schwang.0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 38: Balkendiagramm Ergebnisse abhängig vom Faktor Risikoschwangerschaft
3.1.23. Infektionen in der Schwangerschaft
Nur bei zwei Schwangeren wurde eine Infektion während der Schwangerschaft
komplizierend aufgeführt. Bei einer Schwangeren trat kurz vor Entbindung ein
Harnwegsinfekt auf, bei einer anderen bestand eine Hepatitis C und HIV- Infektion. Beide
Neugeborenen, anschließend auf der Neonatologie aufgenommen, schlossen das Screening
erfolgreich ab. Ein statistisch signifikanter Unterschied kam hier im Ergebnis zu den
Kindern ohne Schwangerschaftsinfektion der Mutter nicht zum Tragen (Fisher: p =
0,6957).
3. Auswertung
78
3.1.24. Noxe in der Schwangerschaft
Auf Noxe während der Schwangerschaft wurde bei neun Frauen (7,8 %) ausdrücklich
hingewiesen. Trotzdem absolvierten alle 9 Neugeborenen das Screening erfolgreich.
Statistisch gesehen bestand hier kein signifikanter Unterschied zu den Kindern, deren
Mütter in der Schwangerschaft keinen Noxen ausgesetzt waren (χ² = 1,93 ; p = 0,164). 33,3
% der Kinder befanden sich auf der Neonatologie und 66,7 % auf der Normalstation.
Bei allen neun Schwangeren wurde als Noxe Nikotin angegeben. Bei einer Frau bestand
eine zusätzliche Abhängigkeit von Kokain und sonstigen Drogen.
3.1.25. Alter der Mutter
Im Mittel betrug das Alter der Mütter bei der Entbindung 28,6 Jahre. Die jüngste Mutter
war 16 Jahre alt, die älteste 43 Jahre.
3. Auswertung
79
3.2. Analyse der auffälligen Kinder
Insgesamt waren 19 Kinder in der Höruntersuchung auffällig, dies entsprach einem Anteil
von 16,5 %.
3.2.1. Alter der auffälligen Kinder bei der Untersuchung
Das mittlere Alter der auffälligen Kinder bei der Untersuchung betrug 9,1 Tage (Median 2
Tage). Als frühester Untersuchungszeitpunkt wurde der Geburtstag eines Kindes gewählt,
das späteste Untersuchungsalter lag bei 52 Tagen.
Im Vergleich hierzu lag das mittlere Untersuchungsalter in der unauffälligen Gruppe nur
bei 4,4 Tagen (Median 3 Tage), mit einem frühesten Messungsalter ebenfalls am
Geburtstag und einem maximalen Alter von 57 Tagen.
Untersuchungsalter der auffälligen undder nicht auffälligen Kinder
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer Extremewerte
aufällige Kinder unaufällige Kinder0
10
20
30
40
50
60
Unt
ersu
chun
gsal
ter (
in d
)
Mittelwert auffällig = 9,1 dMedian auffällig = 2 dStdabw. auffällig = 14,5min. Wert auffällig = 0 dmax. Wert auffällig = 52 d25%-Wert auffällig = 1 d75%-Wert auffällig = 11 d
Mittelwert unauffällig = 4,4 dMedian unauffällig = 3 dStdabw. unauffällig = 7,4min. unauffällig = 0 dmax. unauffällig = 57 d25%-Wert unauffällig = 275%-Wert unauffällig = 4,5 d
Abb. 39: Boxplot Vergleich des Untersuchungsalters in der auffälligen und der
unauffälligen Kindergruppe
Im Mann-Withney-U-Test zeigte sich hier ein p-Wert von 0,81. Damit musste der
Unterschied beim Untersuchungsalter in den Gruppen als nicht signifikant betrachtet
werden.
3. Auswertung
80
3.2.2. Untersuchungsbedingungen
Die Untersuchungsbedingungen wurden von den Untersuchern näher spezifiziert. Zum
einen wurde der Vigilanzzustand des Säuglings beurteilt, zum anderen vom Säugling
unabhängige Faktoren, wie Umgebungslärm und Unterbrechungen.
Nur 10,5 % der auffälligen Säuglinge zeigten sich bei der Messung ruhig im Gegensatz zu
56,3 % der unauffälligen Kinder (signifikanter Unterschied nachgewiesen: χ² = 13,27 ; p =
0,0003).
Spiegelbildlich verhielt es sich beim Charakteristikum Unruhe. Hier dominierten die
auffälligen Kinder mit 89,5 % die im Test erfolgreichen Kinder mit 28,1 % (signifikanter
Unterschied: χ² = 25,27 ; p < 0,01). Ruhige Kinder konnten offensichtlich besser
untersucht werden als sich bewegende und somit Störartefakte produzierende Kinder. Dies
hatte daher auch einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis und dessen Interpretation.
Bei den kontrollbedürftigen Neugeborenen schliefen überwiegend nur 5,3 %, während 68,4
% während des Screenings wach waren. Wie zu erwarten lag der Anteil der schlafenden
Kinder in der unauffälligen Gruppe mit 26 % höher und der Anteil der zeitweilig wachen
Kinder hier mit 47,9 % niedriger. Für das Kriterium Schlaf konnte ein signifikanter
Unterschied zwischen der auffälligen und der unauffälligen Gruppe nachgewiesen werden
(χ² = 3,91 ; p = 0,048), für das Kriterium Wachheit nicht ( χ² = 2,67 ; p = 0,102).
Untersuchungsbedingungen 1: Kind bedingt
auffällig unauffällig
ruhig unruhig Schlaf wach0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 40: Balkendiagramm Vergleich der Untersuchungsbedingungen, Kind bedingt, in den
beiden Ergebnisgruppen
3. Auswertung
81
Störende Hintergrundgeräusche wurden in beiden Gruppen etwa gleich häufig vermerkt
(auffällige Gruppe 21,1 %, unauffällige Gruppe 20,8 %). Ein signifikanter Unterschied
bestand hier nicht (χ² < 0,01; p = 0,983).
Die Untersuchung in der kontrollbedürftigen Gruppe wurde aufgrund äußerer Einflüsse in
21,1 % der Fälle unterbrochen. Dies war in der regelgerechten Gruppe nur bei 4,2 % der
Fälle notwendig (signifikanter Unterschied: χ² = 6,99 ; p = 0,0082).
Untersuchungsbedingungen 2: Umgebung
auffällig unauffälligStörgeräusche
Unterbrechungen
0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 41: Balkendiagramm Vergleich der Untersuchungsbedingungen, umgebungsbedingt,
in den beiden Ergebnisgruppen
3.2.3. Verteilung Neonatologie – Neugeborenenstation
In der Gruppe der Neonatologiekinder zeigten sich 27,8 % (n = 5) der Kinder auffällig und
72,2 % (n = 13) der Kinder unauffällig.
Bei den Neugeborenen der Normalstation wurde ein kontrollbedürftiges Testergebnis nur
bei 14,4 % (n = 14) der Kinder verzeichnet und ein regelrechtes bei 85,6 % (n = 83) der
Kinder.
Nach Anwendung des χ²- Vierfeldertests bestand kein Zusammenhang zwischen dem
Auftreten des Merkmals „Testergebnis auffällig“ und dem Merkmal „Aufenthalt auf der
Neonatologie oder Normalstation“ (χ² = 1,96 ; p = 0,1615).
3. Auswertung
82
Ergebnisse bezogen auf Neonatologie undNeugeborenenstation
NEO NeuStat
auffällig unauffällig0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 42: Balkendiagramm Ergebnisverteilung bezogen auf den Aufenthalt in der
Neonatologie oder der Neugeborenenstation
3.2.4. Untersuchungszeit
Bei den auffälligen Kindern dauerte im Schnitt die Messung länger als bei den
unauffälligen, nämlich 35,3 Minuten (Median 30 Minuten) zu 19,0 Minuten (Median 15
Minuten). Die kürzeste Messung bei den auffälligen Kindern konnte in 10 Minuten
durchgeführt werden, die längste benötigte 60 Minuten.
Untersuchungszeiten in der auffälligenund unauffälligen Gruppe
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer Extremewerte
auffällig unauffällig0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
Unt
ersu
chun
gsze
it (in
Min
uten
)
Mittelwert auffällig = 35 min.Median auffällig = 30 min.Mini auffällig = 10 min.Max auffällig = 60 min.25%-Wert auffällig = 25 min.75%-Wert auffällig = 45 min.
Mittelwert unauff = 19,0 min.Median unauff = 15 min.Mini unauff = 5 min.Max unauff = 80 min.25%-Wert unauff = 15 min.75%-Wert unauff = 20 min.
Abb. 43: Boxplot Vergleich der Untersuchungszeiten in der un/auffälligen Gruppe
3. Auswertung
83
Bei den erfolgreichen Neugeborenen dauerten die kürzeste Messung 5 Minuten und die
längste 80 Minuten. Der 25 %- und der 75 %-Wert wurde bei den kontrollbedürftigen
Kindern im Vergleich zu den unauffälligen zu längeren Zeiten verschoben, erkennbar am
Boxplot.
Im Mann-Whitney-U-Test zeigte sich mit p < 0,01 ein signifikanter Unterschied.
3.2.4. EEG-Qualität
In der Gruppe der erfolgreichen Kinder ließ sich eine bessere EEG-Qualität im Vergleich
zum auffälligen Kollektiv darlegen, nämlich im Mittel 1,97 zu 2,88 in einer Bewertung von
1 bis 5. Als beste Note wurde in der auffälligen Gruppe ein „gut“ vergeben als schlechteste
ein „ungenügend“. Bei der unauffälligen Gruppe rangierten die Benotungen zwischen
einem „sehr gut“ und einem „ausreichend“.
EEG-Benotung in der auffälligen undder unauffälligen Gruppe
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer Extremewerte
auffällig unauffällig1
2
3
4
5
Beno
tung
(1 =
seh
r gut
; 5
= un
genü
gend
)
Abb. 44: Boxplot EEG-Benotung für BERA beidseits in der auffälligen und der
unauffälligen Gruppe
Nach dem Mann-Whitney-U-Test bestand ein signifikanter Unterschied zwischen den
EEG-Benotungen der auffälligen und der unauffälligen Gruppe (p = 0,000031).
3. Auswertung
84
EEG-Qualität in der auffälligen undunauffälligen Gruppe
auffällig unauffällig0 10 20 30 40 50
Anteil (in %)
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
EEG
-Not
en (1
= s
ehr g
ut; 5
= u
ngen
ügen
d)
Abb. 45: Balkendiagramm EEG-Qualtität gemessen für BERA beidseits in der auffälligen
und der unauffälligen Gruppe
3.2.5. Kontrollanzahl bei der BERA-Untersuchung
Zur Erzielung eines Ergebnisses waren bei den auffälligen Kindern im Durchschnitt fünf
Wiederholungen notwendig, bei der regelgerechten Gruppe nur 1,16. Die Kontrollen
bezogen sich insgesamt auf die Testung beider Ohren. Die minimale Kontrollanzahl betrug
in der auffälligen Gruppe 2 die maximale 9. Entsprechend wurden für die erfolgreiche
Gruppe eine minimale Kontrollanzahl von 0 und eine maximale von 8 angegeben.
Auch hier ließ sich in den statistischen Analysen ein signifikanter Unterschied zwischen
den beiden Gruppen (M-W-U-Test: p < 0,05) feststellen.
3. Auswertung
85
Kontrollanzahl der BERA in derauffälligen und unauffälligen Gruppe
Median 25%-75% Bereich der Ausreißer Ausreißer
auffällig unauffällig0
2
4
6
8
10
Anza
hl d
er K
ontro
llen
Mittelwert auffällig = 5Median auffällig = 4Mini auffällig = 2Max auffällig = 925%-Wert auffällig = 475%-Wert auffällig = 6
Mittelwert unauff = 1,2Median unauff = 0Mini unauff = 0Max unauff = 825%-Wert unauff = 075%-Wert unauff = 2
Abb. 46: Boxplot Vergleich der Anzahl der BERA-Kontrollen insgesamt in der auffälligen
und der unauffälligen Gruppe
3.2.6. Konstellation: BERA einseitig zu BERA beidseitig auffällig
Ergebnisse aller Neugeborenen
beidseits auffällig, n = 9; 7,8%
einseitig auffällig, n = 10; 8,7%
unauffällig, n = 96; 83,5%
Abb. 47: Kreisdiagramm Ergebnisse der Neugeborenen insgesamt
3. Auswertung
86
Von den 19 als kontrollbedürftig bezeichneten Neugeborenen lag bei neun Kindern (47,4
% der auffälligen Gruppe) ein beidseitig auffälliges Untersuchungsergebnis vor. Dies
entsprach einem 7,8 % Anteil an allen getesteten Säuglingen. Bei den übrigen zehn
Kindern (52,6 %) bestand nur einseitig ein auffälliger BERA-Befund. Sie erreichten damit
einen 8,7 % Anteil.
3.2.7. Analyse der auffälligen BERA und OAE –Konstellationen
Bei sechs Kindern waren sowohl BERA als auch OAEs beidseitig auffällig. Die OAEs
waren dabei bei zwei Kindern nicht korrekt beurteilbar, da die Umgebung zu laut war oder
die Aufsätze im Gehörgang nicht dicht platziert werden konnten. Diese Untergruppe
machte 31,6 % innerhalb der als kontrollbedürftig bezeichneten Kinder aus.
Die Anlass zu dieser Untersuchung gebende Konstellation von unauffällig nachweisbaren
OAEs und auffälliger BERA beidseits ließ sich bei drei Kindern nachweisen und entsprach
damit 15,8 % innerhalb der auffälligen Gruppe. Davon konnte das Ergebnis eines Kindes
nicht gewertet werden, da ein dichter Haarwuchs eine korrekte BERA-Messung
verhinderte.
Drei Kinder mit einem Anteil von 15,8 % zeigten eine einseitig kontrollbedürftige BERA-
Untersuchung bei ansonsten regelrechtem Testergebnis in der BERA des Gegenohres und
der OAEs beidseitig. Somit bestand hier die Konstellation einer auditorischen Neuropathie
unilateral.
Bei vier Kindern waren einseitig auffällige BERA- und OAE-Ergebnisse bei unauffälliger
Testung der Gegenseite in beiden Testverfahren zu verzeichnen (21,1 % Anteil aller
auffälligen Kinder). Eine korrekte OAE-Auswertung wurde auch hier aufgrund des
Umgebungslärms oder mangelnder Dichtigkeit bei drei Kindern erschwert bzw. war nicht
möglich.
Bei den letzten drei Kindern, wiederum mit einem Anteil von 15,8 %, bestand folgende
Konstellation: einseitig war die BERA auffällig, sowie beidseitig die OAEs, jedoch wurde
das Gegenohr im BERA-Verfahren unauffällig getestet. Auch hier beanstandeten die
Untersucher, dass es bei allen drei Kindern für eine OAE-Testung zu laut war.
3. Auswertung
87
BERA - und OAE-Konstellationen
BERA einseitig unauffällig, sonst auffällig; 16%
BERA+OAE auffällig; 32%KonstellationANP unilateral; 16%
BERA+OAE einseitig auffällig; 21%
Konstellation ANP bilateral; 16%
Abb. 48: Kreisdiagramm BERA-OAE-Konstellationen in der Untersuchungsgruppe
3.2.8. Weiterer Verlauf
Alle fünf Kinder, die nach der Geburt auf der neonatologischen Station im Hörscreening
auffällig abschnitten, wurden einer anschließenden, pädaudiologischen Betreuung
zugeleitet.
Bei einem dieser Kinder konnte in den Nachuntersuchungen eine hochgradige
sensorineurale Schwerhörigkeit beidseits in einer erweiterten BERA-Untersuchung in
Vollnarkose diagnostiziert werden.
Bei den auffällig getesteten, neonatologischen Kindern überwog die Konstellation „BERA
und OAE beidseitig kontrollbedürftig“ im Gegensatz zu den auffälligen Kindern der
Normalstation. Bei vier von fünf NICU-Kindern (80 %) konnte diese Konstellation
nachgewiesen werden. Bei dem fünften Kind bestand die für die auditorische Neuropathie
charakteristische Konstellation.
Unter den 14 auffälligen Kindern der Neugeborenenstation befanden sich nur zwei Kinder,
entsprechend 14,3 %, bei denen sich sowohl BERA als auch OAEs beidseitig verdächtig
zeigten. Bei beiden Kindern fiel bei der Untersuchung eine ausgeprägte Unruhe auf, die die
Untersuchung erschwerte. In beiden Fällen erschienen die Eltern nicht mit ihren Kindern
zum vereinbarten Kontrolltermin nach der stationären Entlassung.
3. Auswertung
88
Bei zwei Kindern der Normalstation lagen nach Testung Hinweise auf eine auditorische
Neuropathie beidseits vor. Einschränkend muss bemerkt werden, dass bei einem Kind eine
EEG-Ableitung offensichtlich aufgrund eines extremen Haarwuchses nicht möglich war.
Hier konnte das BERA-Verfahren nicht abschließend beurteilt werden. Das zweite Kind
bewies in einer Zweituntersuchung nach Entlassung unauffällige OAEs beidseitig bei
weiterhin auffälligem BERA-Ergebnis. Dieses Kind hatte in der Erstuntersuchung
pathologische BERA- und OAE-Ergebnisse. Die Eltern wünschten nach der Kontrolle
keine weiteren Testungen.
Innerhalb der auffälligen Neugeborenengruppe der Normalstation konnten bei zehn von 14
Kindern (71,4 %) zumindest einseitig eine unauffällige BERA-Prüfung nachgewiesen
werden. Darunter befinden sich auch die drei Kinder mit der unilateralen Konstellation
einer auditorischen Neuropathie.
Bei 92,9 % der Kinder (13 von 14 Kindern) wurde die Untersuchung durch die Unruhe der
Kinder erschwert. Dies legt eine negative Beeinflussung des Testergebnisses durch die
ungünstige, kindliche Vigilanzlage bzw. Umgebungslärm nahe.
Vier Elternpaare (28,6 %) wünschten ausdrücklich nach z. T. erfolgtem Re-Screening
keine weiteren Testungen und wollten sich gegebenenfalls, abhängig von ihren eigenen
Verhaltensbeobachtungen, zu einem späteren Zeitpunkt melden.
Trotz Vereinbarung erschienen vier Elternpaare (28,6 %) mit ihren Kindern nicht zum
geplanten Kontrolltermin nach Entlassung.
3.2.9. Geburtsgewicht der auffälligen Kinder
Beim Vergleich der Geburtsgewichte der auffälligen und unauffälligen Kinder fällt auf,
dass die auffälligen Kinder im Schnitt weniger wogen als ihre unauffälligen
Altersgenossen. Der Mittelwert betrug bei den kontrollbedürftigen Kindern 3099g und bei
den erfolgreich getesteten Kindern 3190g.
Allerdings ließ sich hier nach Anwendung der Statistik kein signifikanter Unterschied
feststellen (p = 0,8207 im M-W-U-Test).
3. Auswertung
89
Geburtsgewicht in der auffälligen undunauffälligen Gruppe
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer
auffällig unauffällig1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
4500
5000
Gew
icht
(in
g)
Mittelwert auffällig = 3098 gMedian auffällig = 3265 gMini auffällig = 1890 gMax auffällig = 3850 g25%-Wert auffällig = 2885 g75%-Wert auffällig = 3520 g
Mittelwert unauff = 3190 gMedian unauff = 3230 gMini unauff = 1275 gMax unauff = 4450 g25%-Wert unauff = 2900 g75%-Wert unauff = 3570 g
Abb. 49: Boxplot Vergleich der Geburtsgewichte in der auffälligen und der unauffälligen
Gruppe
3.2.10. Beatmung bei auffälligen Kindern
Der Anteil der beatmungspflichtigen Kinder lag mit 10,5 % (2 von 19 Kindern) in der
auffälligen Gruppe höher als in der unauffälligen mit 4,2 % (4 Kinder von 96).
Beatmung in der auffälligen und derunauffälligen Gruppe
auffällig unauffälligBeatmung
keine Beatmung
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 50: Beatmungshäufigkeit in der auffälligen und unauffälligen Gruppe
3. Auswertung
90
Es bestand kein signifikanter Unterschied zwischen auffälliger und unauffälliger Gruppe in
Bezug auf die Beatmungspflichtigkeit (χ²: p = 0,2547).
3.2.11. Sepsis bei auffälligen Kindern
Die Diagnose Sepsis wurde bei 5,3 % (n = 1) der kontrollbedürftigen Neugeborenen
gestellt. Der Erreger konnte bei diesem Kind nicht identifiziert werden. In der
unauffälligen Gruppe lag bei 4,3 % der Kinder (n = 4) eine Sepsis vor. Bei zwei Kindern
konnte der Erreger identifiziert werden. Bei dem ersten Kind handelte es sich um einen
Enterococcus faecalis und bei dem zweiten Kind um eine Sepsis hervorgerufen durch
koagulasenegative Staphylokokken und Klebsiellen.
Mit einem p = 0,8304 im Chi²-Vierfelder-Test war kein signifikanter Zusammenhang
bezüglich der Sepsis in der auffälligen Gruppe zu finden.
3.2.12. Virale Infektionen bei auffälligen Kindern
Eine virale Infektion war nur in der Gruppe der auffälligen Kinder zu ermitteln und zwar
konnte bei einem Kind (5,3 %) CMV (Cytomegalievirus) nachgewiesen werden. In der
unauffälligen Gruppe war keine virale Infektion zu verzeichnen. Nach dem Fisher-Test (p
= 0,1652) bestand kein signifikanter Unterschied zwischen der Häufigkeit des Auftretens
einer viralen Infektion in der auffälligen Gruppe und der unauffälligen Gruppe.
3.2.13. Meningitis bei auffälligen Kindern
Nur in der unauffälligen Gruppe erkrankte ein Kind (1,0 %) an Meningitis bei ungeklärtem
Erreger. Kein Meningitisfall trat in der auffälligen Gruppe auf.
Hier fiel keine Signifikanz im Unterschied auf (Fisher-Test: p = 0,8348).
3.2.14. Antibiotika bei auffälligen Kindern
Die Rate des Antibiotikaeinsatzes bei den auffälligen Kindern lag mit 5,3 % (1 von 19)
unter der der unauffällig getesteten Kinder mit 6,3 % (6 von 96) und bewies auch keinen
signifikanten Unterschied in den beiden Gruppen (Chi²-Vierfelder-Test: p = 0,8694).
3. Auswertung
91
Zum Einsatz kamen bei dem auffällig getesteten Neugeborenen Baypen über 27 Tage und
Refobacin über 5 Tage.
Bei den unauffälligen Kindern musste bei dreien ebenfalls die Kombination Baypen und
Refobacin angewandt werden, bei einem Kind Claforan und Vancomycin, bei einem
Meronem und Vancomycin. Schließlich wurden bei einem Kind zeitlich versetzt vier
Antibiotika verordnet, nämlich Refobacin, Baypen, Vancomycin und Meronem.
Infektiologische Parameter in denErgebnisgruppen
auffällig unauffällig
Seps
is
kein
e Se
psis
Viru
s
kein
Viru
s
Men
ingi
tis
kein
e M
enin
gitis
Ant
ibio
tika
kein
e A
ntib
iotik
a0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 51: Balkendiagramm der infektiologischen Parameter in der auffälligen und der
unauffälligen Gruppe (Sepsis, virale Infektionen, Meningitis, Antibiotika)
3.2.15. Hyperbilirubinämie bei auffälligen Kindern
Eine Hyperbilirubinämie war einmalig sowohl in der Gruppe der auffälligen als auch der
unauffälligen Säuglinge zu verzeichnen. Dies machte bei den auffälligen Kindern einen
Anteil von 5,3 % (1 von 19) aus und in der erfolgreichen Gruppe nur einen Anteil von 1,0
% (1 von 96). Allerdings zeigte sich dieser Unterschied nicht signifikant ausgeprägt
(Fisher-Test: p = 0,3043).
3. Auswertung
92
Hyperbilirubinämie in den Ergebnisgruppen
auffällig unauffällig
Hyperbilirubinämie keine Hyperbilirubinämie0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 52: Balkendiagramm Hyperbilirubinämie in der un-/auffälligen Gruppe
3.2.16. Risikogeburt bei auffälligen Kindern
Der Anteil der Risikogeburten in der auffälligen Gruppe war mit 42,1 % (8 von 19)
geringer ausgeprägt als in der unauffälligen Gruppe mit 64,6 % (62 von 96).
Ein signifikanter Unterschied bestand zwischen den beiden Gruppen nicht (Chi²-
Vierfelder-Test: p = 0,0666).
3.2.17. Frühgeburt bei auffälligen Kindern
Ebenso dominierten die erfolgreich getesteten Kinder die unerfolgreichen bezüglich der
Frühgeburtsrate. Bei den ersteren lag der Anteil bei 18,8 % und bei den letzteren bei 15,8
%. Im Chi²-Vierfelder-Test betrug der p-Wert 0,7602 und schloss somit einen signifikanten
Unterschied aus.
3.2.18. Spontangeburten bei auffälligen Kindern
Bei den auffälligen Kindern lag die Rate der Spontangeburten bei 76,9 % und bei den
unauffälligen Kindern bei 61,3 %. Hier ließ sich keine Signifikanz in diesem
Anamnesefaktor (Chi²-Vierfelder-Test: p = 0,2736) nachweisen.
3. Auswertung
93
3.2.19. Sectio bei auffälligen Kindern
Bei den auffälligen Kindern wurde eine Sectiohäufigkeit von 23,1 % erhoben, bei den
unauffälligen Kindern sogar von 31,2 % (χ²: p = 0,5510).
Eine Vakuumextraktion musste bei 7,5 % der erfolgreichen Neugeborenen durchgeführt
werden. Dies war in der anderen Gruppe bei keinem Kind der Fall (χ²: p = 0,3247). Einen
signifikanten Unterschied zwischen den beiden Ergebnisgruppen ließ sich für beide
Geburtsarten nicht nachweisen.
Geburtsumstände
auffällig unauffällig0 20 40 60 80 100
Anteil (in %)
Sectio
Vakuum
Spontan
Frühgeburt
Risikogeburt
Abb. 53: Balkendiagramm Vergleich der Geburtsumstände in der auffälligen und der
unauffälligen Gruppe
3.2.20. Nabelschnur-pH-Wert bei den auffälligen Kindern
Zur Einschätzung der Oxygenierungssituation unter bzw. nach der Geburt wurde der pH-
Wert des Nabelschnurbluts herangezogen. Bei den kontrollbedürftigen Säuglingen konnte
postpartal im Mittel ein pH-Wert im neutralen Bereich mit 7,36 erhoben werden. Im
Gegensatz dazu lag der Mittelwert der unauffälligen Gruppe mit 7,33 schwach im sauren
Bereich. Der minimale pH-Wert in der auffälligen Gruppe betrug 7,25 und in der
unauffälligen Gruppe 7,21. Der maximale pH-Wert lag in beiden Gruppen bei 7,49.
3. Auswertung
94
Eine signifikante Abweichung zwischen den Ergebnisreihen in den beiden Gruppen
bestand nicht (t-Wert = 1,66 ; p = 0,10).
Nabelschnur-pH-Wert in denErgebnisgruppen
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer
auffällig unauffällig7,10
7,15
7,20
7,25
7,30
7,35
7,40
7,45
7,50
7,55
pH-W
ert
Mittelwert auffällig = 7,36Median auffällig = 7,37Mini auffällig = 7,25Max auffällig = 7,4925%-Wert auffällig = 7,3175%-Wert auffällig = 7,4
Mittelwert unauff = 7,33Median unauff = 7,34Mini unauff = 7,12Max unauff = 7,4925%-Wert unauff = 7,2875%-Wert unauff = 7,37
Abb. 54: Boxplot Nabelschnur-pH-Wert in der auffälligen und der unauffälligen Gruppe
3.2.21. Schwangerschaftsdauer bei auffälligen Kindern
Bei einer Gegenüberstellung der beiden Gruppen bezüglich der Schwangerschaftsdauer fiel
eine kürzere Schwangerschaftsdauer in der auffälligen Gruppe auf. Im Mittel umfasste die
Schwangerschaft bei den auffälligen Kindern 37+4 Schwangerschaftswochen und bei der
regelrechten Gruppe 38+5 Wochen. Der minimale Wert betrug bei den kontrollbedürftigen
Kindern 30+3 Schwangerschaftswochen, dem gegenüber 27+0 bei den unauffälligen
Kindern. Die maximale Schwangerschaftsdauer lag in der auffälligen Gruppe bei 40+2 und
in der unauffälligen Gruppe bei 42+2. Ein signifikanter Unterschied musste im M-W-U-
Test (p = 0,22) verneint werden.
3. Auswertung
95
Schwangerschaftsdauer in denErgebnisgruppen
Median 25%-75% Bereich ohne Ausreißer Ausreißer Extremewerte
auffällig unauffällig180
200
220
240
260
280
300
320
Schw
ange
rsch
afts
daue
r (in
d)
Mittelwert auffällig = 263 dMedian auffällig = 272 dMini auffällig = 213 dMax auffällig = 282 d25%-Wert auffällig = 263 d75%-Wert auffällig = 278 d
Mittelwert unauff = 271 dMedian unauff = 276 dMini unauff = 189 dMax unauff = 296 d25%-Wert unauff = 267 d75%-Wert unauff = 282 d
Abb. 55: Boxplot zur Schwangerschaftsdauer in der un-/ auffälligen Gruppe
3.2.22. Risikoschwangerschaft bei auffälligen Kindern
Eine Risikoschwangerschaft lag bei 21,1 % der kontrollbedürftigen Kinder und bei 25 %
der unauffälligen Kinder vor (nicht signifikant: χ²: p = 0,71)
3.2.23. Infektionen in der Schwangerschaft bei auffälligen Kindern
Nur in der Gruppe der testunauffälligen Säuglinge waren bei zwei Müttern (2,1 %)
während der Schwangerschaft prägnante Infektionen zu verzeichnen. Im ersten Fall
handelte es sich um einen Harnwegsinfekt kurz vor der Entbindung und im zweiten Fall
um eine vorbestehende HIV- und HepatitisC- Infektion der Mutter (nicht signifikant,
Fisher-Test: p = 0,6957).
3.2.24. Noxen in der Schwangerschaft bei auffälligen Kindern
Nur in der unauffälligen Gruppe gaben Mütter einen Noxenkonsum während der
Schwangerschaft an. Der Anteil dieser Noxen belasteten Schwangerschaften lag bei 9,4 %
(9 von 96). Bei allen neun Müttern bestand ein Nikotinkonsum, bei einer Mutter war dieser
3. Auswertung
96
zusätzlich mit einem Kokainabusus sowie einer Abhängigkeit von weiteren Drogen
vergesellschaftet (keine Signifikanz: χ²: p = 0,16).
Besonderheiten in der Schwangerschaft in denErgebnisgruppen
auffällig unauffällig0 5 10 15 20 25 30
Anteil (in %)
Risiko-Schwang.
Infektion in Schwang.
Noxen in Schwang.
Abb. 56: Balkendiagramm Besonderheiten in der Schwangerschaft in der un-/ auffälligen
Gruppe
3.2.25. Alter der Mutter bei auffälligen Kindern
Im Durchschnitt betrug das Alter der Mutter der auffälligen Kinder 26,2 Jahre mit einem
Minimalalter von 19 Jahren und Maximalalter von 32 Jahren. Die Mütter der unauffälligen
Neugeborenen waren im Mittel 28,8 Jahre alt mit einem Minimalalter von 16 Jahren und
einem Maximalalter von 43 Jahren. Signifikant unterschiedlich verhielten sich die
Alterswerte in den einzelnen Gruppen nach statistischer Auswertung nicht (t-Test: p =
0,15).
3.2.26 Analyse der Ergebnisse einzelner Neugeborener
Auditorische Neuropathie-Konstellation
Kind ID 80 wurde direkt am Geburtstag untersucht. Die Untersuchung gestaltete sich
schwierig, da das Kind unruhig war. Zudem erschwerte ein ausgeprägter Haarwuchs die
BERAphon-Platzierung. Aufgrund des unzureichenden Kontaktes der Elektrode zu
3. Auswertung
97
Kopfhaut konnte keine adäquate BERA abgeleitet werden. Das Kind wies beidseits stabile
OAEs auf. Bei vorhandenen OAEs und nicht ableitbarer BERA kann in diesem Fall nicht
von einer auditorischen Neuropathie gesprochen werden, da hier die Reizreaktion anhand
der BERA-Kurve nicht erhoben werden konnte. Insgesamt wurden vier Kontrollen der
BERA durchgeführt. Die Eltern wurden auf die Notwendigkeit der weiteren
pädaudiologischen Betreuung hingewiesen. Das Hörscreening nahm insgesamt 30 Minuten
in Anspruch.
Bei Kind ID 75 bestand die Konstellation einer auditorischen Neuropathie. Auch hier
wurde die Aussagekraft der BERA durch die Unruhe des Kindes eingeschränkt. Die EEG-
Qualität wurde nur als ausreichend beurteilt. Zur Sicherung des Ergebnisses wurden fünf
Kontrollen der BERA durchgeführt in einer Untersuchungszeit von 25 Minuten. Danach
musste die Untersuchung abgebrochen werden. Bei einer erneuten Untersuchung nach
stationärer Entlassung zeigte sich wiederum eine ausgeprägte Unruhe des in der 37+4
Schwangerschaftswoche geborenen Kindes. Aufgrund einer Plazentainsuffizienz bestand
eine Wachstumsretardierung. Wiederum wurden mehrfach Kontrollen der BERA
durchgeführt mit demselben Ergebnis. Jedoch verlief beim Kontrolltermin die OAE-
Testung erfolgreich. Das Screening wurde durch die Unruhe und das Schreien des Kindes
schließlich terminiert. Die Eltern wünschten nach dieser zweiten Untersuchung zunächst
keinen weiteren Kontrolltermin und wollten erneut Kontakt aufnehmen, wenn sie
Verhaltensauffälligkeiten bemerken würden.
Das letzte Kind - ID 121 - mit der Konstellation einer auditorischen Neuropathie wurde im
Gegensatz zu den zuvor genannten Kindern auf der Neonatologie versorgt. Zu dieser
Untersuchung wurden 40 Minuten benötigt und es erfolgten insgesamt sechs BERA-
Kontrollen bei unauffälliger OAE-Messung. Die EEG-Qualität lag trotz kindlicher Unruhe
in einem befriedigenden Bereich. Das Neugeborene musste in der 30+3
Schwangerschaftswoche per Sectio in ITN entbunden werden und wog aufgrund der
Frühgeburt nur 1890 Gramm. Bei bestehendem Atemnotsyndrom wurde trotz Surfactant-
Gabe eine Beatmung postpartal über 28 Stunden notwendig. Nebenbefundlich fiel in der
Echokardiographie und Sonographie ein persistierender Ductus arteriosus und unreife Gyri
auf. Hier wurden weiterführende, pädaudiologische Untersuchungen empfohlen.
3. Auswertung
98
OAE und BERA beidseits auffällig
Der Befund BERA und OAE beidseits auffällig wurde bei Kind ID 60 erhoben. Die
Untersuchung wurde durch die Unruhe des Kindes beeinflusst und dauerte 40 Minuten bei
allerdings zum Teil guter EEG-Qualität. Bei dem reifgeborenen Kind bestand aufgrund
eines pathologischen CTGs und grüner Amnionflüssigkeit eine Risikogeburt bei
regelrechtem Apgar-Index. Die Eltern erschienen nicht zum vereinbarten Kontrolltermin.
Bei Kind ID 85 bestanden sowohl Auffälligkeiten in der Überprüfung der OAEs als auch
der BERA. Zur Testung wurden 30 Minuten benötigt und es wurde jedes Ohr in der BERA
zweimal kontrolliert. Insgesamt war auch diese Untersuchung durch die Unruhe des
Kindes geprägt und wurde dadurch beendet. Zu einem vereinbarten Kontrolltermin
erschienen die Eltern mit ihrem Kind nicht.
Ein weiteres Kind ID 112 mit der Konstellation „BERA und OAEs pathologisch“ befand
sich zum Zeitpunkt des Screenings auf der Neonatologie. Die Untersuchung musste
aufgrund des Schreiens und Gegenwehr des Kindes gegen das Aufsetzen des BERAphons
abgebrochen werden. Bei diesem Kind handelte es sich um einen Gemini, der mit seinem
unauffällig getesteten Geschwisterkind als Frühgeburt in der 35+0 Schwangerschaftswoche
zur Welt kam. Zusätzlich machte ein Singultus eine korrekte Durchführung der
Untersuchung unmöglich. Weitere Kontrollen sollten sich nach Entlassung von der NICU
durch einen niedergelassenen Pädaudiologen anschließen.
Neonatologiekind ID 120 wies ebenfalls ein gänzlich kontrollbedürftiges
Screeningprotokoll auf. Bei Unruhe des Kindes waren zur Ergebnisfindung bei
ausreichender EEG-Qualität insgesamt sechs BERA-Kontrollen notwendig. Diese
erfolgten in 30 Minuten. Das niedriggewichtige Kind mit 1915 Gramm wurde in der 32+1
Schwangerschaftswoche durch Sectio in ITN bei Plazenta previa geboren. Neben diesen
Risikofaktoren wies es eine Sepsis mit letztlich unklarem Erreger auf. Zur Therapie wurde
eine Kombination aus Baypen und Refobacin eingesetzt. Das Frühgeborene musste bei
Atemnotsyndrom insgesamt über 168 Stunden beatmet werden. Erschwerend trat ein
Pneumothorax hinzu, der Pleuradrainagen-Einlagen erforderlich machte. Bei diesem Kind
wurden weitere pädaudiologische Untersuchungen des Hörvermögens angeraten
3. Auswertung
99
Alle Teilteste waren auch bei dem Neonatologiekind ID 124 auffällig. In der
Untersuchungszeit von 45 Minuten wurden die BERA-Messungen insgesamt fünfmal
wiederholt. Die EEG-Qualität variierte von befriedigend rechtsseitig bis ungenügend
linksseitig. Die OAE-Interpretation wurde durch den Umgebungslärm eingeschränkt. Bei
diesem Kind war der Cytomegalievirus-early-Antigentiter nachweislich positiv. Es wurde
eine weitere pädaudiologische Betreuung empfohlen.
Bis zu diesem Zeitpunkt erhärtete sich der Verdacht auf eine sensorineurale Hörstörung in
der untersuchten Neugeborenengruppe bei einem Kind. Dabei handelte es sich um ein
Neonatologiekind mit der ID-Nummer 125. In der 60 Minuten dauernden Untersuchung
zeigte das Kind ein pathologisches Testverhalten in beiden Prüfungsverfahren. Die BERA-
Untersuchung wurde bei befriedigender EEG-Qualität viermal wiederholt, um ein
ausreichend sicheres Ergebnis zu erhalten. Trotz ruhigen Testbedingungen konnten nicht
stabile OAEs registriert werden. Es lag eine Frühgeburt vor. Bei dem Kind konnte ein
autosomal-rezessiver peroxysmaler β-Oxidationsdefekt im Rahmen des Zellweger-
Spektrums diagnostiziert werden. Zudem traten wie es für dieses Krankheitsbild typisch
ist, cerebrale Krampfanfälle und Muskelhypotonien auf. Aufgrund der erhobenen Befunde
wurde eine weiterführende pädaudiologische Diagnostik empfohlen. In einer
frequenzspezifischen BERA-Untersuchung in Vollnarkose fand bei diesem Kind eine
beidseitige, hochgradige, sensorineurale Schwerhörigkeit detektiert werden.
4. Ergebnisse
100
4. Ergebnisse
1. Im Hörscreening bestand bei 19 von 115 Neugeborenen (16,52 %) ein auffälliger
Screeningbefund.
2. Der Anteil der ein- oder beidseitig auffälligen Kinder war innerhalb der
Neonatologiegruppe mit 27,8 % größer als der innerhalb der Neugeborenenstation-Gruppe
mit 14,4 %, wenn auch keine statistische Signifikanz bewiesen werden konnte (χ²: p =
0,1615).
3. Insgesamt wurden beidseitig pathologische Befunde in der BERA und OAE-Testung bei
sechs Kindern erhoben (5,22 % des Gesamtkollektivs). Vier Kinder befanden sich hiervon
auf der Neonatologie, dies entsprach einem 22,22 % Anteil. Die zwei Kinder der
Normalstation verfügten in ihrer Untergruppe über einen 2,06 % Anteil.
Der Verdacht auf eine beidseitige Schwerhörigkeit aufgrund des Screeningergebnisses
(OAE und BERA beidseitig pathologisch) trat bei den Neonatologiekindern signifikant
häufiger auf als bei den Normalstationskindern (Chi²-Vierfelder-Test: p = 0,0004).
Kinder mit Verdacht aufSchwerhörigkeit beidseits
in den Kollektiven
OAE+BERA auffällig bds. nicht OAE+BERA auffällig bds.alle
NEONeuStat
0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 57: Balkendiagramm Kinder mit insgesamt auffälligem Testergebnis in beiden
Untersuchungsverfahren in den einzelnen Kollektiven
4. Ergebnisse
101
4. Bei einem der Kinder mit bilateral auffälligen OAE- und BERA-Befunden konnte durch
weitere Untersuchungen eine hochgradige, sensorineurale Schwerhörigkeit beidseits
diagnostiziert werden. Dies entsprach einem 0,87 % Anteil des Gesamtkollektivs.
Innerhalb der Neugeborenenuntergruppe Neonatologie, zu der das Kind zugehörig war,
erhöhte sich der Anteil sogar auf 5,56 %.
5. Die Konstellation einer auditorischen Neuropathie beidseits konnte bei zwei Kindern
(1,7 % des Gesamtkollektivs) nachgewiesen werden. Ein Kind, bei dem ein ausgeprägter
Haarwuchs eine korrekte BERA-Testung verhinderte, wurde aufgrund des
offensichtlichen, methodischen Fehlers des Prüfverfahrens hierbei nicht berücksichtigt.
Das erste Kind gehörte zur Neonatologiegruppe mit einem Anteil von 5,56 %, das zweite
Kind zur Neugeborenenstationsgruppe. Bei drei weiteren Kindern der
Neugeborenenstation war eine unilaterale Konstellation der auditorischen Neuropathie zu
verzeichnen. Damit bestand der Verdacht auf eine auditorische Neuropathie uni- oder
bilateral bei 4,12 % der Normalstationskinder. Ein signifikanter Unterschied zwischen den
Gruppen wurde hier nicht ersichtlich (χ²: p = 0,1775). Insgesamt fiel eine ANP uni- oder
bilateral bei 4,35 % aller Kinder auf.
Auditorische Neuropathie uni- oderbilateral in den Gruppen
Konstell. ANP keine Konstell. ANP
alle NEO Neustat0
20
40
60
80
100
Ant
eil (
in %
)
Abb. 58: Balkendiagramm zum Anteil der Kinder mit Konstellation einer auditorischen
Neuropathie uni- oder bilateral in den untersuchten Kindergruppen
4. Ergebnisse
102
6. Die übrigen sieben im Screening auffälligen Kinder, mit einem Anteil von 6,09 %
innerhalb der getesteten Gesamtgruppe, konnten zumindest ein unauffällig geprüftes Ohr
im BERA-Verfahren bestätigen. Diese Kinder stammten alle aus der
Neugeborenenstationsgruppe. Dies entsprach einem Anteil von 7,22 % innerhalb der
Neugeborenengruppe.
7. Durch mehrfache Kontrollen innerhalb der Untersuchung und Re-Screening konnten
bereits während der Untersuchungsreihe der Anteil der falsch positiven Ergebnisse
reduziert werden.
Eine weitere, pädaudiologische Betreuung wurde Kindern empfohlen, die trotz der
Kontrollen ein pathologisches Testergebnis aufwiesen. Hier stand das Ergebnis zu diesem
Zeitpunkt meistens noch aus. Vier Kinder der Neugeborenenstation wurden zum
vereinbarten Kontrolltermin nicht vorgestellt. Bei ebenfalls vier Kindern lehnten die Eltern
eine weitere Testung ab.
8. Der Einfluss der Messbedingungen auf das Ergebnis konnte nachgewiesen werden.
Unruhe und Unterbrechungen wirkten sich nachteilig auf das Testergebnis aus, während
Ruhe und Schlaf ein erfolgreiches Abschneiden im Test wahrscheinlicher machten.
9. Die Untersuchungszeit zeigte sich in der auffälligen Gruppe signifikant verlängert im
Vergleich zur unauffälligen.
10. Die Kinder der auffälligen Gruppe schnitten bei der EEG-Benotung signifikant
schlechter ab als die unauffällige Gruppe und benötigten signifikant mehr BERA-
Kontrollen zu Ergebniserzielung.
11. Es bestand kein signifikanter Unterschied zwischen der auffälligen und der
unauffälligen Gruppe in den Parametern Notwendigkeit einer Beatmung, Sepsis- oder
Meningitisauftreten, virale Infektion, Frühgeburtlichkeit, Antibiotikagabe und
Hyperbilirubinämie. Diese in der Literatur als Risikofaktoren für das Auftreten einer
Schwerhörigkeit beschriebenen Parameter konnten in dieser Studie nicht bestätigt werden.
4. Ergebnisse
103
12. Ebenfalls ohne statistische Signifikanz erwiesen sich folgende Kriterien zwischen der
auffälligen und der unauffälligen Gruppe verteilt:
Geburtsart, Geburtsgewicht, Nabelschnur-pH-Wert, Schwangerschaftsdauer, Alter der
Mutter, Risikogeburt, Risikoschwangerschaft, Noxen in der Schwangerschaft, relevante
Infektionen in der Schwangerschaft.
Bemerkenswert war, dass die drei zuletzt genannten Anamnesefaktoren in der unauffällige
Gruppe sogar häufiger zu verzeichnen waren.
13. Die Kinder der Neonatologie waren zum Zeitpunkt der Untersuchung (Gestationsalter
unberücksichtigt) signifikant älter als die Kinder der Neugeborenenstation.
14. Die Untersuchung nahm bei den Neonatologiekindern signifikant mehr Zeit in
Anspruch als bei den Kindern der Neugeborenenstation. Die reine BERA-Zeit zeigte sich
bei den Neonatologiekindern ebenfalls verlängert.
15. Das Untersuchungsalter hatte einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Ergebnis.
So schnitten Kinder zwischen dem „4. und 7. Lebenstag“ besser als alle übrigen Kinder ab
und Kinder ab dem 15. Lebenstag statistisch signifikant schlechter als die übrigen
Untersuchungsaltersgruppen.
Ebenso wurden zwischen dem „4. und 7. Tag“ die kürzesten Untersuchungszeiten erzielt
und die wenigsten BERA-Kontrollen benötigt. Am längsten dauerte die Untersuchung im
Mittel am Geburtstag. Dabei waren auch die meisten BERA-Kontrollen erforderlich.
Sehr gut und gut waren die häufigsten EEG-Beurteilungen in den
Untersuchungsaltersgruppen „1. bis 3.“ und „4. bis 7. Lebenstag“, während befriedigende
bis ungenügende Benotungen die Untersuchungsaltersgruppen Geburtstag, „8 bis 14.“ und
mehr als 15. Lebenstag kennzeichneten.
Unruhige und wache Kinder wurden vor allem bei Untersuchungen am Geburtstag sowie
ab dem 15.Lebenstag angetroffen.
16. Kinder mit dem Risikofaktor Frühgeburtlichkeit wurden statistisch signifikant häufiger
auf der Neonatologie versorgt. Die Untersuchung bei Frühgeburten nahm signifikant
länger Zeit in Anspruch.
4. Ergebnisse
104
17. Unter den Kindern mit auffälligem Testergebnis befand sich kein Kind mit einem
falsch positiven Ergebnis in den OAE-Messungen; d.h. bei keinem Kind bestand zunächst
Verdacht auf Hörstörungen aufgrund einer auffälligen OAE-Messung, der nachträglich
durch eine unauffällige BERA-Testung korrigiert musste werden.
Allerdings konnte bei einer großen Anzahl der Kinder keine korrekte OAE-Messung
erfolgen aufgrund von Störlärm bzw. Unruhe der Kinder.
Dies war in der auffälligen Gruppe bei acht Neugeborenen der Fall. Bei den unauffälligen
Kindern konnten bei 77 Ohren keine OAEs aufgrund von Störlärm, mangelnder
Dichtigkeit oder Unruhe verzeichnet werden. Jedoch war jeweils die BERA-Messung
regelrecht. Dabei handelte es sich bei 30 Kindern um eine beidseitige Problematik und bei
17 Kindern um eine einseitige.
5. Diskussion
105
5. Diskussion
Befundkonstellation einer auditorischen Neuropathie (ANP) im Screening
Durch Verwendung der beiden Screeningsmethoden (automatisierte BERA- und OAE-
Messung) lässt sich bei einer bestimmten Befundkonstellation der Ergebnisse der Verdacht
auf eine auditorische Neuropathie erheben. Dieser liegt vor, wenn die OAE-Messung ein
unauffälliges Ergebnis zeigt, während die BERA-Testung pathologisch ausfällt. Das hier
verwendete Studienprotokoll erfüllte somit die Voraussetzungen zur Identifizierung von
ANP-Verdachtsfällen.
Es fanden sich in diesem Screening zwei Kinder mit einer bilateralen ANP-Konstellation
und drei Kinder mit einer unilateralen.
Dies entsprach einem Anteil von 4,35 % an allen untersuchten Kindern. Initial ließ sich bei
mehreren Kindern diese spezielle Befundkombination erheben, jedoch konnte die Rate
durch Kontrollen mit unauffälligem BERA-Screening deutlich gesenkt werden.
Aufgrund des generell höheren Risikoprofils der Kinder der Neonatologie infolge
Frühgeburtlichkeit, Beatmung, Hyperbilirubinämie liegt die Vermutung nahe, dass die
auditorische Neuropathie in dieser Gruppe häufiger anzutreffen ist als in der Gruppe der
gut adaptierten Neugeborenen der Normalstation.
Der Anteil der ANP-Konstellation bei den Neonatologie-Kindern lag mit 5,56% jedoch
nur geringgradig höher als in der normalstationären Gruppe mit 4,12 %. Ein statistisch
signifikanter Unterschied ließ sich nicht nachweisen, so dass diese Hypothese nicht
verifiziert werden konnte. Screening-Studien mit einer größeren Teilnehmerzahl könnten
dies aussagekräftiger analysieren.
Auch andere Autoren berichteten in audiologischen Untersuchungen über ANP-
Konstellationen.
Bereits 1994 machte Lauffer [46] die Beobachtung, dass bei 58 % der Kinder, bei denen in
der BERA ein pathologischer Befund erhoben wurde, die OAEs regelrecht detektierbar
waren. Allerdings zeigte die nähere Betrachtung der Pegel-Latenz-Kennlinien bei allen
BERA-auffälligen Kindern das typische Muster einer Schalleitungsschwerhörigkeit. Somit
bestand keine auditorische Neuropathie. Diese Besonderheit ergab sich durch
unterschiedliche Detektierungsschwellen. Erst ab Schalleitungsschwerhörigkeiten von 30 –
35 dB waren mit dem OAE-Messgerät die OAEs nicht mehr nachweisbar.
5. Diskussion
106
In einem Chinchilla-Tier-Modell konnten Salvi et alt. [85] mittels selektiver Schädigung
der Innerer Haarzellen und der Typ 1-auditorischen Nervenfasern durch Carboplatin ein
ähnliches Symptomenspektrum wie bei der auditorischen Neuropathie erzeugen und
audiometrisch belegen.
Doch was wird unter dem Begriff auditorische Neuropathie (ANP) verstanden?
Zunächst erfolgt ein Überblick über den derzeitigen Kenntnisstand zu Erkrankungen, die
dem Symptomenkomplex der auditorischen Neuropathie zugerechnet werden.
Auditorische Neuropathie
Begriffsbestimmung
Der Begriff der „auditorischen Neuropathie“ fand in den letzten Jahren Berücksichtigung
im Diagnostik- und Therapiekonzept bei hochgradigen Hörstörungen. In den frühen 80er
Jahren führte die Aufnahme der OAE-Messungen in die Testbatterien zur Klassifizierung
in Läsionen im Bereich der äußeren Haarzellen oder in den nachgeschalteten Einheiten –
outer hair cell lesions und post-OHC lesions. Konstellationen von normalem OAE-
Nachweis bei fehlender ABR gaben schon vor 20 Jahren Rätsel auf [17, 107].
Starr prägte erstmals den Begriff der auditorische Neuropathie für einen distinkten Typ
der Hörstörung [97] in einer Untersuchung von zehn hörgeschädigten Patienten. Er
beschrieb diese Hörstörung initial als „Beeinträchtigung der auditorischen, neuronalen
Funktion bei aufrechterhaltenen Funktion der cochleären Haarzellen“. In einer größeren,
retrospektiven Patientenstudie mit 67 Patienten konkretisierte und berichtigte er in
Anbetracht des weiter entwickelten Forschungstands diese Version. Seiner Meinung nach
umfasst der Terminus „auditorische Neuropathie“ eine Gruppe von Hörstörungen
unterschiedlicher Ätiologie und unterschiedlicher Schädigungslokalisation, denen eine
relativ geringe Rezeptorfunktion und beeinträchtigte neuronale Antwort mit verminderter
Fähigkeit, auf schnelle, zeitliche Veränderungen des akustischen Stimulus zu reagieren,
gemeinsam sind [98]. Diese auditorischen Störungen schienen ihm einen überwiegend
progressiven Charakter zu besitzen.
Der von Berlin [6] belegte, erfolgreiche Einsatz von Cochlea Implants bei dieser
heterogenen Gruppe mit spezifischer, audiometrischer Konstellation und Symptomatik
legte nahe, dass nicht immer der Hörnerv beteiligt sein muss.
5. Diskussion
107
Daher schlug Berlin eine Weiterfassung des Begriffs in „auditorische Dys-
Synchronisation“ vor.
Dass dieses Gebiet z. Zt. kontrovers diskutiert wird, zeigte auch der Beitrag von Lesinski-
Schiedat [49]. Diese Forschungsgruppe sah die Störung besser durch den Begriff
„perisynaptische Audiopathie“ charakterisiert, da sie einen Defekt im Bereich der
inneren Haarzellen, der Synapse oder der Ganglienzellen vermuteten.
Nach Ptok [77] können bei der auditorischen Neuropathie zwei distinkte Subgruppen
anhand der Symptomausprägung unterschieden werden. Der erste Typ zeichnet sich durch
ein wenig beeinträchtigtes Hörvermögen für kurze, einfach strukturierte, akustische
Stimuli bei gleichzeitig überproportional eingeschränktem Sprachverständnis aus. Beim
zweiten Typ ist sowohl die Wahrnehmung für einfache als auch für komplexe, akustische
Signale betroffen.
Auch Rance et alt. [79] postulierten aufgrund ihrer therapeutischen und diagnostischen
Erfahrungen die Existenz von unterschiedlichen Subtypen der AN. Die Autoren stellten die
Hypothese auf, dass es innerhalb der als AN klassifizierten Gruppe einen Schädigungstyp
gebe, der der sensorineuralen Schwerhörigkeit gleiche. Hier liege die Dysfunktion bei den
Inneren Haarzellen oder den afferenten Neuriten. Der andere Subtyp, mit vermutlich weiter
zentripetal gelegenem Schädigungsort, weise ein geringes Sprachverständnis auf und
scheine nicht von amplifizierenden Systemen zu profitieren.
In einer eingehenden Metaanalyse setzten sich Rapin und Gravel [80] mit den derzeitigen
Studien zur AN auseinander. Zunächst bemerkten sie, dass in einer zunehmenden Anzahl
von Studien immer mehr Fälle unter dem Begriff AN subsummiert würden. Da diese
Gruppen sehr inhomogen waren und auch in fast allen Studien ein Mangel an geeigneten
Testbatterien zur Untersuchung und zum interpretierenden Vergleich dieser ätiologisch
unterschiedlichen Fälle bestand, herrscht ihrer Meinung nach Konfusion in der neuesten
Literatur zu diesem Thema.
Der Terminus der AN sollte laut Rapin und Gravel reserviert bleiben für Hörstörungen
aufgrund Beeinträchtigungen des N. vestibulocochlearis selbst bzw. der
Spiralganglienzellen und deren Fortsätze. Die Prävalenzrate einer im strengen Sinne
definierten AN schätzten sie als ziemlich gering ein. Dagegen würden häufiger
Kombinationen aus Läsionen im Bereich des Hörnervs und weiter zentral gelegener
Strukturen auftreten.
5. Diskussion
108
Pathogenese
Hood [33] stellte 1998 die Hypothese auf, dass verschiedene Ätiologien verantwortlich
sind für die AN und verschiedene Schädigungslokalisationen existieren.
In der Studie von Oysu et alt. [68] fiel bei einem Jungen mit Refsum-Erkrankung im Alter
von sechs Jahren eine normale Reintonaudiometrie bei fehlender Antwort in der BERA
und regelgerechten OAEs auf. Im Laufe der Progression der Erkrankung, die auf einem
Defekt des Lipidmetabolismus beruht und neben der Hörstörung auch eine Retinopathie,
Ataxie und Polyneuropathie beinhaltet, verschlechterten sich die tonaudiometrischen
Resultate zunehmend bei stabilen OAEs und auffälliger BERA. Dies legte einen
Schädigungsmechanismus zentripetaler jenseits der äußeren Haarzellen nahe. Obwohl
1967 Hallpike [28] in histomorphologischen Untersuchungen des Os temporale und später
in sich anschließenden Studien die Ursache der Hörminderung bei der Refsumschen
Erkrankung eher in einer Degeneration der Stria vascularis und dem Kollabieren der
cochleären Strukturen sah. Eine Progression der Refsum-Erkrankung, die sich nach
Literaturangaben meistens erst in der zweiten Dekade im akustischen System manifestiert,
kann durch vaskuläre Degenerationen zu den von Hallpike beschriebenen Veränderungen
führen.
Corley und Crabbe [15] beschrieben den Fall eines Kindes mit auditorischer Neuropathie
aufgrund einer mitochondrialen Störung. Als Erklärungsansatz für die gestörte
Synchronisierung boten die Autoren die langsame Regeneration der Neurone nach
erfolgtem Aktionspotential, bedingt durch eine relative Energiearmut, an, da eine
Produktionsstörung des Energielieferanten ATP in der oxidativen Phosphorylisation den
mitochondrialen Störungen gemeinsam ist.
Bei Patienten mit einer auditorischen Neuropathie fiel eine erhöhte Rate an
Frühgeburtlichkeit auf. Dies nahmen Sawada et alt. [87] zum Anlass die besonderen
Umstände, z. B. chronische mäßige Hypoxie während der ersten Lebenswochen auf der
NICU in einem Tiermodel nachzustellen. Die Inneren Haarzellen der Chinchillas
reagierten auf eine milde Hypoxie zuerst mit einem Abfall der Hörschwelle in der ABR,
während Veränderungen der äußeren Haarzellen gemessen an den OAEs sich erst später
zeigten und nicht eine so große Ausprägung aufwiesen. Elektronenmikroskopisch zeigten
sich nach chronischer Hypoxie zytopathologische Veränderungen der inneren Haarzellen:
eine Schwellung des Zytoplasmas und Missarrangement der Stereozilien.
5. Diskussion
109
Ähnliche histomorphologische Veränderungen fielen auch Billett [7] auf. Er sah in den
afferenten Nervendigungen zu den IHZ die gegenüber Hypoxie vulnerabelsten Strukturen.
In histopathologischen Studien an Felsenbeinen von während des neonatologischen
Aufenthalts verstorbenen Kindern, die zuvor ein BERA-Screening erhielten, konnte
Amatuzzi [2] das unerwartet häufige Auftreten von Schädigungen der Inneren Haarzellen
dokumentieren. Und zwar ließ sich bei drei von 15 Kindern, alle prämaturn und in der
BERA auffällig, ein selektiver IHZ-Verlust nachweisen. Daher erschien der Autorin die
Lokalisation der Pathologien der auditorischen Neuropathie eher in den Inneren Haarzellen
selber begründet zu sein als im achten Hirnnerven. Ein konsekutiver oder primärer Verlust
von Neuronen konnte in dieser untersuchten Gruppe nicht demonstriert werden. Obwohl
der innerhalb von Monaten folgende Verlust zunächst der Nervenaxone und die sich
anschließende Degeneration der Spiralganglionneurone nach Schädigung der IHZ
allgemein bekannt sind [95]. Jedoch verstarben die Kinder relativ kurz nach der Geburt, so
dass den Degenerationsvergängen keine Zeit zur Ausprägung blieb.
Insgesamt deuten viele Aspekte auf eine unterschiedliche Sensitivität der einzelnen,
cochleären Komponenten auf schädigende Einflüsse hin. Daher kann es theoretisch zu
divergierenden Ergebnissen beim Neugeborenen-Screening kommen. So können OAEs
normal erscheinen, während die ABR pathologische Ergebnisse zeigt, die durch
Schädigungen der Cochlea oder des Hörnervs bedingt sind.
Im Bereich des achten Hirnnervens kann der Myelinschaft, wie es bei demyelinisierenden
Erkrankungen des ZNS oder Bleivergiftungen üblich ist, oder die axonale Weiterleitung
selbst betroffen sein.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Dysfunktion in der IHZ, der Synapse
zwischen IHZ und afferentem Nerv, der Spiralganglienzelle und den Fasern des Hörnervs
selber befinden kann.
Diagnosekriterien
Die Diagnose einer auditorischen Neuropathie erfordert eine eingehende Untersuchung,
definiert sind nach Madden [53]:
1. Hörverlust, gewöhnlich bilateral, jeglichen Grades
2. normale Funktion der äußeren Haarzellen, belegt durch Anwesenheit von OAEs und/
oder CMs
3. abnorme evozierte Potentiale, beginnend mit der Welle I in der ABR
5. Diskussion
110
4. geringes Sprachverständnis
5. Fehlen von akustischen Reflexen ipsi- und kontralateral bei 110 dB
- zusätzlich: 6. unauffällige radiologische Diagnostik ( CT und MRT ) [98].
Es existiert momentan kein Messverfahren zur Überprüfung der Funktion der Inneren
Haarzellen.
Brown und Dort [10] schlugen zur Diagnosestellung einer AN folgende audiometrische
Testbatterie vor:
- Audiogramm
- Tympanometrie
- Überprüfung der akustischen Reflexe
- Spracherkennung in ruhiger Umgebung und Störlärm
- OAE-Messung
- ABR, Standard
- ABR, mit Stimuli umgekehrter Polarität zur Detektion des CM (Die CM zeigen bei der
AN keine Veränderungen bezüglich ihrer Latenz. Ihr Auftreten ist aber abhängig von der
Stimulusfrequenz.).
Zusätzlich sollten distinkte, andere Erkrankungen, die eine ANP imitieren können, wie
zum Beispiel ein Akustikusneurinom durch radiologische Darstellungen ausgeschlossen
werden.
Die um eine Konkretisierung des Begriffs und der Diagnosestellung bemühten Rapin und
Gravel [80] empfohlen für eine geeignete Testbatterie sowohl physiologische als auch
verhaltensorientierte Meßmethoden.
Audiometrische Befunde
Bei dieser auditorischen Störung ist keine spezifische Form des Audigramms bekannt.
Stapediusreflexe sind in der Regel nicht vorhanden.
Charakteristisch für die auditorische Neuropathie ist ein weitaus schlechteres
Wortverständnis, als die Reinton-Audiometrie vermuten ließe. Dies beruht auf dem
mangelnden Vermögen, die zeitliche Kodierung, Modulierung und Intensität der Sprache,
die für eine Interpretation unverzichtbar ist, zu entschlüsseln.
Eventuell liegt dem Phänomen der besonders stabilen OAEs ein aktiver Adaptationsprozeß
zugrunde, da aufgrund des fehlenden, afferenten Reizinputs konsekutiv die Inhibition der
äußeren Haarzellen via medialem, olivocochleärem Bündel (efferent) entfällt.
5. Diskussion
111
Durch diesen Wegfall der Inhibition fehlt der modulierende Einfluss des übergeordneten,
interpretierenden, akustischen Systems und die äußeren Haarzellen reagieren mit einem
Anstieg der Amplitude.
Cochleäre Mikrophonpotentiale konnten bei allen getesteten Patienten der Starr-Studie
nachgewiesen werden, wobei eine abnorm hohe Amplitude bei den Kindern unter zehn
Jahren auffiel. In neueren Studien von Starr und Sininger [99] stellte sich heraus, dass
abnorm hohe CM-Amplituden nur bei Patienten mit einer AN unter zehn Jahren auftraten
und zudem in der gesunden Kontrollgruppe ebenfalls ein Abfall der CM-Amplitude
abhängig vom Alter zu verzeichnen war. Eine ähnliche Altersabhängigkeit bestand auch
für die Amplitude der TEOAEs.
Allerdings konnten anhand der relativ kleinen Patienten- und Kontrollgruppen keine
signifikanten Aussagen bezüglich der Korrelation zwischen Alter und Reifung des
auditorischen Systems und Amplitudenhöhe der CM getroffen werden.
Shehata-Dieler [93] beobachtete bei ihren kindlichen ANP-Patienten lang anhaltende
Oszillationen der cochleären Mikrophonpotentiale nach Sog-und Druck-Klicks.
Die bei einigen Patienten prägnante Abhängigkeit des Auftretens der Welle V von der
Stimulationsfrequenz kann als Zeichen für eine Störung der Synapsenfunktion zwischen
Haarzellen und afferenten Nervenendigung gewertet werden, da sich bei normalhörigen
Kontrollgruppen ein entsprechendes Phänomen nicht fand.
Bei den objektiven, audiometrischen Verfahren verzeichneten alle Autoren
übereinstimmend pathologische BERA-Befunde in dieser Patientengruppe. Darüber hinaus
erbrachten sowohl die Arbeitsgruppen von Rance als auch von Lee [47, 79] den Nachweis
von mittleren und späten evozierten Potentialen bei Abwesenheit der frühen
Hirnstammpotentiale. Dies wurde durch die relative Unabhängigkeit der mittleren und
späten Latenzen von einer präzisen, neuronalen Synchronisierung erklärt.
Prävalenz und Epidemiologie
Die Prävalenz ist z. Zt. noch unklar. In der Literatur wurden bei Kindern mit hochgradigen
Schwerhörigkeiten Raten von 0,5 – 15 % von verschiedenen Autoren angegeben [17,45,
53, 69, 78].
Es wurden in der Literatur meist bilaterale Casus beschrieben, aber auch sechs Fälle von
unilateralem Auftreten der auditorischen Neuropathie in Case Reports [73].
5. Diskussion
112
Tabelle 5: Übersicht Studien und Case Reports zur auditorischen Neuropathie
Autoren der Studie Veröffentlichungsjahr Fallzahl
Worthington
Kraus et. alt.
Starr et alt.
Berlin et alt.
Starr et alt.
Sinninger und Starr
Doyle et alt.
Brown und Dort
Corley und Crabbe
Miyamoto et alt.
Trautwein et alt.
Butinar et alt.
Simmons und Beauchaine
Starr et alt.
Marco et alt.
Lesinski-Schiedat et alt.
Amatuzzi et alt.
Starr et alt.
Lee et alt.
Vavotec et alt.
Shallop et alt.
Madden et alt.
Rance et alt.
Podwall et alt.
Mason et alt.
1980
1984
1991
1993
1996
1997
1998
1999
1999
1999
2000
2000
2000
2000
2000
2001
2001
2001
2001
2001
2001
2002
2002
2002
2003
4
7
1
2
10
3
8
2
1
1
1
3
1
67
2
5
3
33
2
1
5
22
15
1
6
Die meisten Patienten mit auditorischer Neuropathie in der Literatur wiesen ein frühes
Lebensalter bei Diagnosestellung auf. Die Bevorzugung von elektrophysiologischen
Testverfahren in dieser Altersgruppe gegenüber der Präferierung von tonaudiometrischen
5. Diskussion
113
Methoden bei Erwachsenen erklärt möglicherweise dieses Phänomen. Zudem findet diese
Form der auditorischen Störung vor allem in der aktuellen Fachliteratur Beachtung und
wird bei den adulten, bekannten Hörstörungen eventuell noch nicht ausreichend
differentialdiagnostisch berücksichtigt.
Ätiologie
Ätiologisch werden genetische (42 %) und toxisch-metabolische Faktoren (10 %)
angeschuldigt. In einer großen Anzahl der Fälle kann keine Ursache gefunden werden. Bei
den toxisch-metabolischen Faktoren wurde in der Literatur besonders auf die
Hyperbilirubinämie und Hypoxie bei Neonaten eingegangen.
Hier konnte für die Hyperbilirubinämie der Schädigungsort lokalisiert werden, da eine
Deposition sowohl in den zentralen Hirnstammneuronen als auch in den Perikaryen der
Spiralganglien erfolgt.
Zudem schien – zumindest in der Starr-Studie - eine Überlappung von Risikofaktoren bei
der Betrachtung der Neonatologiegruppe zu bestehen. So haben einige, der von Starr
untersuchten Frühgeborene mit auditorischer Neuropathie Geschwister, die ebenfalls diese
Hörstörung aufwiesen, aber keine weiteren neonatologischen Risikofaktoren besaßen. Hier
kam wahrscheinlich ein kumulativer Effekt von Risikofaktoren und genetischer
Prädisposition zum Tragen.
In einer weiteren Studie [11] wurden drei Fälle von auditorischer Neuropahtie innerhalb
einer Familie mit einer zusätzlichen, hereditären, sensorischen und motorischen
Neuropathie erörtert. Diese Studie, sowie der von Corley und Crabbe [57] beschriebene
Fallbericht einer mitochondrial bedingten AN deuten auf mögliche genetische
Komponenten der Störung hin, die evaluiert werden müssen und mit den betroffenen
Familienmitgliedern diskutiert werden müssen.
Assoziierte Störungen
Bei 40 % der Starr-Patienten mit auditorischer Neuropathie bestand eine zusätzliche
periphere Neuropathie, die gleichzeitig, vorangehend oder später auftreten konnte. Dies
deckte sich mit den Angaben anderer Autoren. Daher sollte die Diagnosestellung einer
auditorischen Neuropathie bei Kindern immer eine erweiterte neurologische,
ophthalmologische und radiologische Diagnostik nach sich ziehen, da die Hörstörung oft
den weiteren Pathologien vorausgeht.
5. Diskussion
114
Verlauf
Der weitere Verlauf der auditorischen Neuropathie ist nach Literaturberichten nicht
stereotyp. Dies erscheint angesichts der variierenden Ätiologien nicht verwunderlich.
In der Starr-Studie verhielt sich diese auditorische Störung, gemessen an der Hörschwelle,
stabil in 41 %, fluktuierte in 29 %, verschlechterte sich bei 15 % und verbesserte sich bei
einem Kind (Bei diesem Kind könnten nach Ansicht des Autors methodische Fehler
vorliegen).
Bei einigen Patienten (16 %) wurde im Laufe der Jahre ein Verlust der bei
Diagnosestellung noch vorhandenen OAEs festgestellt.
In einer retrospektiven, selektionierten Patientenstudie stellte Madden [52] eine Prävalenz
der auditorischen Neuropathie von 5,1 % unter Kindern mit hochgradiger Schwerhörigkeit
fest. Bemerkenswert war die spontane Verbesserung der ton- und verhaltensaudimetrischen
Ergebnisse bei 50 % der Kinder innerhalb von 1-15 Monaten nach Diagnosestellung. Eine
weitere differenziertere Datenanalyse zeigte, dass Kinder mit Hyperbilirubinämie zunächst
zwar einen größeren Hörverlust aufwiesen, aber im Verlauf größere Chancen auf eine
spontane Remission hatten und insgesamt bessere Hörergebnisse am Schluss erzielten.
Diese Verbesserung war eventuell auf die effiziente, kausale Therapie der
Hyperbilirubinämie zurückzuführen.
Wie auch bei Starr konnte hier ein Fall demonstriert werden, bei dem zwei
Geschwisterkinder ihre zunächst noch vorhandenen OAEs verloren, bei allerdings stabilen
CMs. Beide wurden mittels eines Hörgeräts versorgt.
Therapie
In der Literatur wurden unterschiedliche Meinungen bezüglich der Prognose dieser
Störung abgegeben. Es wurden Fälle beschrieben [77], die eine Progredienz oder einen
stabilen Verlauf aufwiesen. Sogar ein Rückgang der Symptomatik mit einem gebesserten,
subjektiven Hörvermögen und mit dem nachträglichen Nachweis von akustisch evozierten
Potentialen wurde in Case Reports publiziert.
Therapeutisch müssen bei der AN neue Wege beschritten werden und das jeweilige
Vorgehen ist abhängig vom Patienten, vom Patientenalter, von begleitenden Erkrankungen
und von der Ätiologie. Zukünftig wird aufgrund der Erweiterung des Wissens um die
Pathogenese und Schädigungslokalisation mit neuen, therapeutisch differenzierten
Ansätzen zu rechnen sein.
5. Diskussion
115
Lee [47] beobachtete bei Kindern mit AN negative Aspekte einer amplifizierenden
Therapie. Zum Beispiel gaben in der Studie die Eltern der beiden ANP-Kinder an, dass
diese ihre Hörgeräte nicht gern tragen würden, da die Höreindrücke zu laut wären und sie
eher das Lippenablesen bevorzugen würden.
Doyle [21] machte die Erfahrung, dass seine Patienten unabhängig vom Alter selten von
Hörhilfen profitierten. Von ihrem Standpunkt aus könnten Hörhilfen sogar kontraindiziert
sein, da sie zu einer Lautstärke induzierten Schädigung der Äußeren Haarzellen führen
könnten, ohne die Hörleistung oder das Sprachverständnis zu verbessern. Dies würde sich
auch mit den Beobachtungen anderer Autoren decken, die bei mit Hörhilfen versorgten
ANP-Patienten den Verlust der bei Diagnosestellung noch nachweisbaren OAEs später
registrierten [10, 54, 98]. Abweichend hier von schienen einige Patienten einen Nutzen aus
dem Hörgerätgebrauch zu ziehen, so dass die Arbeitsgruppe um Doyle dazu überging, bei
Kindern zunächst einen Versuch mit Hörhilfen zu starten. Die Eltern wurden über den
Versuchscharakter dieses therapeutischen Unterfangens informiert und übertriebene
Erwartungen wurden gedämpft. Bei Kindern sollte nach Doyles Ansicht die Rehabilitation
besonders durch intensivierte Logopädie und Erlernen der Zeichensprache unterstützt
werden. Zudem lagen Berichte über erfolgreiche Einsätze von FM-Systemen und
vibrotaktilen Vorrichtungen vor. Die CI-Versorgung wurde von Doyle aufgrund der
Unsicherheit, ob eine elektrische Stimulation eine Synchronisation der neuronalen
Aktivität bewirken könnte, zwiespältig gesehen.
Bei nachweisbaren OAEs sahen Brown und Dort [10] nicht die Indikation zur Verordnung
von amplifizierenden Hörhilfen gegeben, da Sinn und Zweck dieser darin bestände, gerade
eine Funktionsminderung oder einen Verlust der äußeren Haarzellen zu kompensieren. Bei
nachträglichem Verlust der OAEs sollte der Einsatz von Amplifikationssystemen
überdacht werden. Dies implizierte eine routinemäßige Überprüfung der OAEs und der
Hörschwellen bei Patienten mit ANP.
Nach Simmons und Beauchaine [94] könnte es sein, dass der Grad der neuronalen
Beeinträchtigung abhängig ist von der Ursache der AN. Diese wäre wiederum
entscheidend für die mögliche Therapiefähigkeit durch Hörgerät- oder CI-Versorgung.
Auch sie versprachen sich von den zukünftigen Forschungsergebnissen bessere
Entscheidungshilfen für die Wahl der geeigneten Therapieform. In einem Case Report
verfolgten sie die Entwicklung eines Jungen mit AN, dessen Anamnese durch die
Risikofaktoren Frühgeburtlichkeit, Hyperbilirubinämie, ototoxische Medikation und
5. Diskussion
116
Langzeitbeatmung während seines Aufenthalts auf der NICU geprägt war. Dieser Junge
schien von Hörgeräten nicht zu profitieren und zeigte seinen deutlichen Unwillen gegen
das Tragen. Daher favorisierten die Autoren die Wahl eines möglichst „konservativ“
gewählten Verstärkungslevels bei Kindern mit ANP. Erst durch ergänzende, fördernde
Maßnahmen wie eine visualisierte Kommunikation konnten Fortschritte in den perzeptiven
Fähigkeiten des Kindes erzielt werden. Dies spiegelte sich in Verbesserungen im Bereich
seines Sprachverständnisses, expressiven Sprachgebrauchs und Erweiterung des
Vokabelrepertoires wieder.
Simmons und Beauchaine unterstrichen im Einklang mit anderen Forschenden auf diesem
Gebiet [6, 33, 99] die Notwendigkeit, bei Kindern mit ANP möglichst frühzeitig die
supportiven Maßnahmen durch eine visuelle Kommunikationsform (Zeichensprache,
Lippenlesen) zu ergänzen. Eine allein auf eine Verbesserung der auditorischen Funktion
gezielte Therapie würde häufig aufgrund der dieser Störung zu Grunde liegenden
Pathomechanismen wenig Erfolg zeigen.
Miyamoto [60] forderte ein sorgfältiges Abwägen vor CI-Implantation bei Patienten mit
auditorischer Neuropathie und argumentierte, dass die Ergebnisse nach CI schlechter sein
könnten als mit konventionellen Hörhilfen. In seiner Untersuchung verglich er die
postoperativen Worterkennungs- und Spracherkennungsergebnisse eines postlingual
ertaubten Kindes mit klinischer Konstellation einer ANP mit den Ergebnissen von sieben
ebenfalls postlingual ertaubten Kindern mit sensorischer Schwerhörigkeit. Das Kind mit
ANP zeigte zwar eine der Kontrollgruppe entsprechende Vokalerkennung, in der
Erkennung von Konsonanten und beim offenen Wortverständnis aber schnitt es signifikant
schlechter ab. Dies verbesserte sich auch nicht ein Jahr nach der CI-Versorgung.
Allerdings musste berücksichtigt werden, dass bei dem Kind eine Friedreich-Ataxie vorlag.
Daher konnte letztendlich nicht definitiv geklärt werden, in wie weit die Progression der
Erkrankung den Rehabilitationsbenefit nachteilig beeinflusste. FM-Systeme könnten nach
Miyamoto die Kommunikation besser unterstützen durch Optimierung der Signal-
Störschall-Ratio.
Hingegen konnte Shallop [91] auf ermutigende Ergebnisse nach CI-Implantation bei fünf
Kindern mit ANP verweisen. Die Kinder, die im Durchschnitt mit 56 Monaten implantiert
wurden, zeigten alle Verbesserungen in ihrer Geräuschwahrnehmumg, ihren
Spracherkennungs- und Kommunikationsfähigkeiten. Zwei der Kinder fanden sich sogar in
einem Regelkindergarten zurecht. Allerdings bestanden in der Kindergruppe deutliche
5. Diskussion
117
Unterschiede im individuellen Fortschritt und nicht alle zeigten altersentsprechende
Spracherkennung und Spracherwerb. Intraoperativ wurde die CI-Funktion mittels
elektrisch ausgelöster Stapedius-Reflexe und NRT (neuronal response telemetry)
kontrolliert und postoperativ bei vier von fünf Kindern eine EABR durchgeführt. Die
Ergebnisse waren mit denen von CI-implantierten Kindern ohne ANP vergleichbar. Dies
bewies, dass auch bei dieser auditorischen Störung durch CI-Implantation synchronisierte
Aktionen im N.akustikus zu erzielen waren. Allerdings räumte Shallop ein, dass seine
Patientengruppe relativ selektioniert war, da bei keinem der Kinder eine zusätzliche
Neuropathie vorlag.
Von denen mit AN diagnostizierten Madden-Kindern [53] wurden 73 % mit Hörhilfen
und/oder FM-Systemen und 18 % mit einem CI versorgt. Wobei die Indikation zur CI-
Versorgung bei einem Ausbleiben von Zeichen einer spontanen Remission und bei einer
erfolglosen Hörgerättherapie gestellt wurde. Diese vier Kinder wurden im Alter zwischen
dem ersten und dritten Lebensjahr implantiert. Bei zwei Kindern konnte ein fast
altersgerechter, offener Sprachverständnis-Score von über 70 % erzielt werden. Über die
übrigen zwei Kinder lag zum Zeitpunkt der Publikation keine Aussage vor.
Ebenfalls ein offenes Sprachverständnis nach CI-Implantation wiesen drei Kinder mit ANP
der Shehata-Dieler-Publikation [93] auf. Zwar bestanden postoperativ geringere Hör- und
Sprach-Leistungen im Vergleich zu CI-implantierten Kindern mit reiner
Innenohrschwerhörigkeit, jedoch zeigte sich bei allen Kindern ein deutlicher Fortschritt
anhand der lautsprachlichen Kommunikation.
Auch Mason [55] forderte aufgrund seiner Erfahrungen mit der CI-Versorgung bei
Patienten mit ANP, nicht automatisch diese Therapieform den Patienten zu verwehren.
Wie die bereits genannten Autoren begrüßte er einen Therapieversuch mit
amplifizierenden Systemen. Falls hier jedoch keine Verbesserung zu erzielen sei, sollte
nach eingehender Untersuchung und Beratung eine CI-Versorgung in Betracht gezogen
werden. Besonders nützlich erschien ihm die Überprüfung eines Höreindrucks durch eine
elektrische Promontoriumsstimulation bei Erwachsenen. Verlaufe die Stimulation negativ,
riet er von einer CI-Versorgung ab aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten. Ein
abweichendes Verfahren schlug er für Kinder vor, da bei seinen kindlichen Patienten
elektrisch evozierte ABR-Antworten, induziert über eine transtympanale Nadel, nicht
ersichtlich präoperativ waren. Seine Patientengruppe (drei Erwachsene und drei Kinder)
umfangreiches ätiologisches Spektrum (Masernenzephalitis, HIV assoziierte Krypto-
5. Diskussion
118
kokkenmeningitis, kongenital, idiopathisch) ab. Vier der sechs Patienten wurden
implantiert; die letzten zwei Patienten durchliefen zum Publikationszeitpunkt einen
Therapieversuch mit verstärkenden Hörhilfen. Die implantierten Patienten zeigten
postoperativ Implantat evozierte ABRs und verbesserten alle ihre akustischen Fähigkeiten.
Einen Erklärungsansatz für den Erfolg nach CI-Implantation sah der Autor in der
Möglichkeit einer supraphysiologischen, elektrischen Stimulation des Hörnervs. Dies
könnte eine Wiederherstellung der neuronalen Synchronisierung bewirken.
Auch Trautwein [104] konnte in einem Case Report bei einem ANP-Kind nach CI-
Implantation Zeichen einer neu aufgetretenen Synchronisierung des akustischen Nervs
durch den Nachweis von elektrisch evozierten Aktionspotentialen demonstrieren. Zu dieser
Messung wurde die NRT hinzugezogen, die postoperativ Aussagen über das
Antwortverhalten des Hörnervs auf elektrisch generierte Stimuli erlaubte. Das EAP
(electrically evoked action potential) zeigte wie bei einem funktionell intakten Nerv ein mit
dem Reizlevel korrelierten Anstieg der Amplitudenhöhe. Trotz Anstieg der Reizfrequenz
blieb die Amplitude erhalten. Diese Ergebnisse wiesen auf eine partielle Regeneration der
neuronalen Synchronizität und auf die Fähigkeit, zeitliche Unterschiede zu kodieren, hin.
Trautwein vermutete, dass bei ANP mit Läsionen auf Ebene der IHZ oder deren Synapsen
ein CI eine Kompensation und Überbrückung bedeuten könnte. Bei Dysfunktionen im
auditorischen Nerv selber könnte ein CI theoretisch eine stabile, elektrische Stimulation
bewirken. Dadurch könnte die funktionelle Integrität des Hörnervs gewährleistet werden
und die Regeneration seiner kodierenden Fähigkeiten gefördert werden. Die
transsynaptische Degeneration durch Mangel an neurotrophen Substanzen und Input würde
vermieden. Auch die Klinik korrelierte nach Implantation mit den elektrophysiologischen
Ergebnissen. Das Kind zeigte ein deutlich verbessertes Sprachverständnis. Die Fortschritte
dieses Kindes waren mit denen von im selben Lebensalter implantierten Kindern mit
sensorischer Schwerhörigkeit vergleichbar.
Vor der Therapie bei AN sollte nach Meinung von Rapin und Gravel [80] besonders bei
Neugeborenen der Versuch unternommen werden, den genauen Schädigungsort innerhalb
des akustischen Systems zu lokalisieren. Wenn beispielsweise trotz Abwesenheit von
OAEs, CM und ABR ein elektrisch stimulierter CAP-Nachweis die Intaktheit der
Spiralganglienzellen belege, erscheine die CI-Versorgung frühzeitig sinnvoll. Ebenso wie
Trautwein sahen sie im CI eine Möglichkeit, eine transsynaptischen Degeneration der
5. Diskussion
119
Ganglienzellen und deren Dendriten zu verhindern, die bei fehlender, sensorischer Reizung
in Erscheinung tritt.
Lensinski-Schiedat et alt. [49] forderten durch Durchführung von bestimmten
Testverfahren - nämlich dem subjektiven Promontoriumstest und der Positronen-
Emissionstomographie nach elektrischer Stimulation - eine differenzierte
Indikationsstellung zur CI-Versorgung in dieser Patientengruppe. Sie konnten so bei
Patienten mit auditorischen Neuropathie eine kortikale Funktionsstörung ausschließen und
die Integrität des Hörnervens, die für eine erfolgreiche CI-Implantation eminent ist,
präoperativ wahrscheinlich machen. Drei implantierte ANP-Patienten zeigten postoperativ
eine erfolgreiche Rehabilitation, so dass Lensinski-Schiedats Gruppe auch bei
auditorischer Neuropathie eine CI-Versorgung befürwortete, sofern die CI-
Voruntersuchungen auch eine Elektrocochleographie, einen Promontoriumstest und eine
E-ERA beinhalteten.
Diese sehr unterschiedliche Literaturresonanz zur Hörrehabilitation bei AN erlaubt
sicherlich zu diesem Zeitpunkt keine abschließende Beurteilung bezüglich der am besten
geeigneten Therapieform.
Es kristallisierten sich jedoch die Empfehlungen heraus, nach Möglichkeit die Pathogenese
zu eruieren, assoziierte Störungen zu identifizieren, einen amplifizierenden
Therapieversuch zu starten mit einem möglichst konservativ gewählten Verstärkungslevel
und nicht automatisch Patienten mit der Diagnose ANP eine CI-Versorgung zu verwehren.
Auffällige Ergebnisse im Screening
In der vorliegenden Screeningstudie, die mit einer Kombination aus automatisierter BERA
und OAE-Testung durchgeführt wurde, musste bei 16,5 % der Kinder ein auffälliges
Ergebnis verzeichnet werden. Das bedeutete, dass mindestens einseitig in der BERA-
Prüfung die Normkriterien nicht erfüllt waren. In dieser Gruppe waren Kinder mit der
audiometrischen Konstellation einer ANP, Kinder mit nur einseitig auffälligem BERA-
Ergebnis und Kinder mit beidseitig auffälligem BERA- und OAE-Ergebnis subsumiert.
Nach genauer Analyse bestand bei 5,2 % der Screeninggruppe der Verdacht auf eine
beidseitige Hörstörung anhand auffälliger Testung sowohl in der BERA, als auch in den
OAEs. Allgemein wird bei Kindern der Neonatologie aufgrund des erhöhten Risikoprofils
5. Diskussion
120
von einem vermehrten Auftreten von Schwerhörigkeiten ausgegangen. Dies belegten auch
die Ergebnisse der vorliegenden Studie. In der Subgruppe Neonatologie war ein statistisch
signifikant häufigeres Auftreten der Befundkonstellation „beidseitig pathologisches
BERA- und OAE-Resultat“ zu verzeichnen als in der Normalstationsgruppe. Bei 22,22 %
der Neonatologiekinder wurde der Verdacht auf eine beidseitige Schwerhörigkeit - Kinder
mit der ANP-Konstellation unberücksichtigt - erhoben. Im Gegensatz dazu lag der
Prozentsatz der Normalstationskinder mit diesem Screeningergebnis nur bei 2,06%.
Bei 0.9 % der Gesamtgruppe konnte dieser Anfangsverdacht durch weiterführende
Untersuchungen bisher verifiziert werden. Da dieses Kind der Gruppe der Neonaten
zugehörig war, lag eine beidseitige Schwerhörigkeit zum jetzigen Zeitpunkt bei 5,6 % der
Neonatologiekinder vor. Dies deckte sich auch mit den Angaben der Literatur. Hier wurde
das Auftreten von Schwerhörigkeiten in NICU-Gruppen mit 8 % bis 20 % beziffert [1,
100]. Andere Autoren beobachteten Prävalenzen für Hörstörungen von 1 zu 50 bei Kindern
mit Risikofaktoren [65].
Finckh-Krämer [22] belegte in einem Hörscreening bei 1.062 NICU-Kindern eine Rate von
1,3 % für einen Hörverlust über 30 dB. Als Screeningmethode wurde bei NICU-Kindern
mit Risikofaktoren für eine Schwerhörigkeit entweder die BERA oder die TEOAE-
Messung verwendet, z. T. auch kombiniert.
Eine nur einseitig auffällige BERA-Testung wurde bei 8,7 % aller Kinder in unserer Studie
beobachtet. Alle Kinder mit diesem Ergebnis stammten aus dem Normalstationskollektiv.
Allerdings muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass es sich
bei den hier vorliegenden Befunden um Screeningergebnisse handelte, die durch eine
weitergehende Diagnostik gesichert oder widerlegt werden müssen. Dadurch ist der direkte
Vergleich mit einigen, eine Konfirmationsdiagnostik beinhaltenden Studien nur
eingeschränkt möglich. So muss auch der im Vergleich zur Literatur hohe Anteil an
Verdachtsfällen aller Kinder auf eine Schwerhörigkeit (16,5 %) relativiert werden, da sich
einige Befunde in der weiteren Diagnostik sicherlich als falsch-positiv herausstellen
werden. Als Begründung seien hier beispielsweise die ansteigende Lernkurve der
Untersucher im Verlauf der Studie, mangelhafte Untersuchungsbedingungen oder Unruhe
der Kinder genannt.
Allgemein wird in den Nicht-Entwicklungsländern die Rate von persistierenden
Hörstörungen bei allen Neugeborenen auf insgesamt 0,1 bis 0,3 % geschätzt [20, 58].
5. Diskussion
121
In einer aktuellen BERA-Screening-Studie von Connolly et alt. [13], die 17.602 Kinder
umfasste, konnten diese Zahlen bestätigt werden. Ein Kind von 811 Kindern ohne
Risikofaktoren ließ einen Hörverlust erkennen. Diese Frequenz erhöhte sich unter den
Kindern mit Risikofaktoren auf 1 zu 75.
Auf das Gesamtkollektiv von 41.796 Neugeborenen bezogen ließ sich in der
Multicenterstudie von Mehl und Thomson [59] bei einem von 500 Kindern ein
therapiebedürftiger Hörverlust identifizieren (0,2 %).
Unterschiede zwischen Neonatologie- und Normalstationsgruppe
Unterschiede zwischen den beiden Neugeborenengruppen Neonatologie (n=18) und
Normalstation (n=97) kristallisierten sich in der Studie heraus.
In beidseitiges, pathologisches Abschneiden im Hörtest korrelierte signifikant eher mit der
Zugehörigkeit zur Neonatologie. Auch das beidseitig hochgradig schwerhörige Kind,
dessen initial positives Screeningergebnis in weiteren pädaudiologischen Untersuchungen
bestätigt wurde, stammte aus der Neonatologiegruppe, in der verschiedene Risikofaktoren
für eine Schwerhörigkeit isoliert oder kombiniert bestanden.
Ebenso fiel ein höherer Prozentsatz beim Testergebnis „auditorische Neuropathie“ und
„ein- oder beidseitig auffällig“ bei den Neonatologiekindern als bei den Kindern der
Normalstation auf. Allerdings ließ sich in diesen beiden Punkten keine statistische
Signifikanz demonstrieren. Die Interpretation wurde durch die kleinen Fallzahlen
erschwert. Zu einer aussagekräftigen Analyse sind aufgrund der relativ geringen Prävalenz
dieser Erkrankung größere Studien notwendig.
Als eine weitere Differenz zwischen den beiden Gruppen stellte sich das
Untersuchungsalter heraus. Hier wiesen die Kinder der Neonatologie ein signifikant älteres
Alter bei der Untersuchung auf. Dies war zu erwarten, da aus Gründen der Sicherheit und
der Methodik erst Screening-Untersuchungen gegen Ende des NICU-Aufenthalts in einer
stabilen Phase durchgeführt wurden. Währenddessen erfolgte das Normalstationsscreening
in der Regel in der ersten Lebenswoche. Ausnahmen bildeten hier Normalstationskinder,
die nach auffälligem Ergebnis zur Kontrolle wieder einbestellt wurden.
Die Untersuchung nahm für die Neonatologiekinder signifikant länger Zeit in Anspruch als
für die Normalstationskinder, sowohl gemessen an der Untersuchungszeit insgesamt als
auch an der reinen BERA-Zeit.
5. Diskussion
122
Auf der Suche nach einer Begründung müssen viele Aspekte berücksichtigt werden. Die
besondere Situation der Neonaten erforderte zuweilen ein langsameres Vorgehen. So
mussten Pausen eingelegt werden, wenn das Kinder überanstrengt wirkte oder es zu einem
Herzfrequenzanstieg oder Sauerstoffabfall während des Screenings kam. Zudem erwies
sich die Platzierung der Elektroden bei den leicht deformierten Kalotten der
Frühgeborenen erschwert und musste häufig korrigiert werden. Insgesamt zeigten die
Neonatologiekinder, die zur regelmäßigen Nahrungsaufnahme in kurzen Intervallen
geweckt werden müssen, häufig eine Unruhe. Zudem waren Frühgeburten aufgrund der
Anpassungsstörung signifikant häufiger auf der Neonatologie vertreten und die
Untersuchung dauerte hier auch länger als bei termingerecht geborenen Kindern. Bei
einem pathologischen Testergebnis wurden natürlich auch mehr Kontrollen direkt
durchgeführt als bei einem unauffälligen Ergebnis.
Es ist anzunehmen, dass eine längere Untersuchungszeit einen größeren Stressfaktor für
das Neugeborene bedeutet und eine größere Unruhe des Kindes nach sich zieht, was sich
wiederum negativ auf die Untersuchungszeit auswirkt. Längere Untersuchungszeiten,
Frühgeburtlichkeit und älteres Untersuchungsalter waren mit der Zugehörigkeit zur
Neonatologie verbunden. Diese Faktoren bedingten sich gegenseitig und machten ein
auffälliges Ergebnis im Screening wahrscheinlicher.
In der Literatur wurde ebenfalls ein gehäuftes Auftreten von Schwerhörigkeiten bei
Kindern von neonatologischen Stationen beobachtet. Bei den schalleitungsbedingten
Schwerhörigkeiten konnte Ornstein [66] eine Rate von 44 % in diesem Patientenkollektiv
anhand von pathologischen Tympanogrammen belegen. In der Streletz-Studie [101] traten
bei 33 % der NICU-Kinder Paukenergüsse auf.
Für das gehäufte Auftreten von Schalleitungsstörungen in der Neonatologie-Population
wurden Faktoren wie Ventilationsstörungen bei Präsenz eines nasopharyngealen Tubus,
Frühgeburtlichkeit, fehlendes Stillen und damit verbunden mangelndes Saugverhalten
verantwortlich gemacht.
Ob es sich bei den in unserer Studie erhobenen auffälligen Befunden der
Neonatologiekinder ebenfalls um schalleitungsbedingte Schwerhörigkeiten handelte, kann
zu diesem Zeitpunkt nicht näher analysiert werden, da das Screeningprotokoll keine
Tympanometrie vorsah.
5. Diskussion
123
Risikofaktoren: ototoxische Substanzen
Die Schädigung der Haarzellen durch Aminoglykoside ist belegt. Durch Begrenzung des
notwendigen Dosislevel wird versucht, dieser Hörstörung bei erforderlicher Medikation
entgegenzuwirken.
Die Aminoglykosid assoziierte, otoxische Schädigung ist im Vergleich zur Nephrotoxizität
meistens persistierend, beginnt bei den Äußeren Haarzellen der unteren
Schneckenwindung und schreitet somit von einem anfänglichen Hochton-Hörverlust zu
den tieferen Frequenzen voran. Aufgrund der Effizienz und der niedrigen Kosten kommt
diese Antibiotikagruppe besonders in den Entwicklungsländern in der zunehmend an
Bedeutung gewinnenden, antituberkulostatischen Therapie zum Einsatz. So werden im
Südosten von China bei 66 % der Ertaubungen Aminoglykoside angeschuldigt [52].
Hierbei addieren sich eventuell vorhandene genetische, mitochondriale Prädispositionen
mit dem ototoxischen Einfluss der Aminoglykoside zur Hörschädigung. Nach einer
neueren Hypothese wird ein wichtiger Bestandteil des Pathomechanismus in der Bildung
von freien Radikalen durch einen Aminoglykosid-Eisen-Komplex gesehen. Dies konnte in
vitro und in vivo nachgewiesen werden [90]. Eine therapeutische Option besteht in der
gleichzeitigen Verabreichung von Eisenchelatoren wie das bereits bei der
Hämochromatose eingesetzte Desferoxamin oder die Dihydrobenzoesäure. Diese
Substanzen konkurrieren mit dem Aminoglykosid um das verfügbare Eisen und
reduzieren so den Anteil an Radikal induzierenden Aminoglykosid-Eisen-Komplexen. So
konnte in Tierversuchen gezeigt werden, dass die ototoxische Potenz verringert werden
konnte, ohne die antibakterielle Wirksamkeit oder die Serumkonzentration zu
beeinträchtigen.
In der hier vorliegenden Studie konnte keine Korrelation zwischen der Applikation von
Aminoglykosiden und einem pathologischen Screeningergebnis nachgewiesen werden
Bezüglich der Bedeutung der Aminoglykosid-Antibiotika im Hinblick auf erworbene
Hörstörungen kam de Hoog [18] zu einem ähnlichen Resultat. In einer BERA-Screening-
Untersuchung von 625 NICU-Kindern mit mindestens einem Risikofaktor konnte der
Autor keinen Zusammenhang zwischen einem auffälligen Testergebnis und der Exposition
von Tobramycin, Vancomycin und Furosemiden - einzeln oder kombiniert - erstellen.
Auch ließ sich keine Assoziation zwischen Serumspiegel, Dauer und Peaklevel der
Medikation und Abschneiden im Hörtest belegen. Jedoch ist zu bedenken, dass mögliche
5. Diskussion
124
später auftretende oder tiefer- und höherfrequentige Hörstörungen - die BERA untersuchte
hier den Bereich 2-4 kHz - sich dem Nachweis entzogen.
Risikofaktoren: Unreife und Frühgeburt
Nach den Ergebnissen der hier vorliegenden Studie wurden die Kinder der auffälligen
Gruppe zwar mit im Schnitt 37+4 Schwangerschaftswochen früher entbunden als die
unauffällige Screeninggruppe mit 38+5 Schwangerschaftswochen, allerdings war der
Unterschied zwischen den Gruppen nicht signifikant. Zudem lag auch bei Entbindung nach
einer mittleren Schwangerschaftsdauer von 37+4 keine Frühgeburtlichkeit per definitione
vor. Es war sogar eine Dominanz des Merkmals Frühgeburtlichkeit in der erfolgreich
gescreenten Gruppe gegenüber der auffälligen Gruppe zu verzeichnen.
Die Frühgeburtlichkeit und die damit verbundene Unreife der Organsysteme stellen einen
weiteren Risikofaktor für eine Hörstörung dar. Häufig müssen Frühgeborene nach der
Geburt zumindest zeitweise beatmet werden, auch wenn kürzere Beatmungszeiten und
niedrige Sauerstoffpartialdrücke angestrebt werden, um auditorische Schädigungen,
besonders bei gleichzeitig notwendiger Aminoglykosid-Antibiotika-Gabe, zu vermeiden.
Die Unreife der Ausscheidungs- und Konjugationsenzymsysteme begünstigt zudem einen
Kernikterus mit entsprechenden Folgen.
In einem Tiermodel konnten Sawada et alt. [87] nachweisen, dass eine mäßige
Langzeithypoxie, wie sie postnatal bei Frühgeborenen aufgrund einer mangelnden
Lungenreifung vorkommen kann, zu Schädigungen zunächst der Inneren Haarzellen und
des Hörnervens führt und erst später Auswirkungen an den Äußeren Haarzellen zeigt. Dies
wurde mittels Messung der OAEs und der ABR untersucht. Theoretisch könnte bei
Frühgeborenen die OAE-Testung durchaus regelrecht verlaufen, während die Cochlea
aufgrund einer unterschiedlichen Sensitivität ihrer Strukturen gegenüber Hypoxie bereits
Defizite aufweist. Diese Defizite wären nur mit einer ABR detektierbar.
In einer neonatologischen Studie bei Kindern mit Risikofaktoren für frühkindliche
Hirnschäden variabler Ätiologie konnten Vatovec et alt. (102) bei 33 % der Säuglinge eine
Hörstörung belegen, die größtenteils Mittelohr bedingt war, aber dennoch in 7 % der Fälle
das Innenohr betraf. Dabei korrelierte eine erwiesene, motorische Entwicklungsstörung bei
18,5 % der Frühgeburten in dieser Studie mit einer sensorineuralen Hörstörung.
5. Diskussion
125
Während hingegen, wenn nur ein Risiko für einen frühkindlichen Hirnschaden bestand,
eine Hörstörung nur in 3.6 % der Kinder vorlag.
Risikofaktor: Hyperbilirubinämie
Bei den auffälligen Kindern unseres Screenings lag der Anteil der Kinder mit einer
Hyperbilirubinämie mit 5,3 % höher als in der unauffälligen Gruppe mit 1,0 %. Allerdings
zeigte dieser Unterschied keine signifikante Ausprägung, so dass der in der Literatur
beschriebene Zusammenhang zwischen Hyperbilirubinämie und Schwerhörigkeit in dieser
Studie nicht nachweisbar war.
Eine Hyperbilirubinämie kann Schädigungen in verschiedenen Bereichen verursachen.
Mögliche Lokalisationen sind Spiralganglienzellen und Hörnerv, Kochlearis- und
Olivenkerne, sowie aufsteigende Hörbahn bis zum Colliculus inferior des Mesencephalons.
Häufig ist eine Hyperbilirubinämie mit einer Frühgeburtlichkeit und konsekutiv einer
Unreife der Eliminationssysteme verbunden.
Nicht nur das Gesamtbilirubin, sondern auch die Dauer der Exposition hoher Bilirubinlevel
entscheidet über die Ausprägung von Hörstörungen und neurologischer Komplikationen,
wie de Vries [19] zeigen konnte.
Da die Funktion der Haarzellen weitgehend unbeeinflusst bleibt, ergeben sich hierbei
divergierende Resultate beim Hörscreening. Die OAEs können unauffällige Werte zeigen,
während die BERA die Störung weiter zentral aufspürt.
Shapiro (90) erwog sogar die Möglichkeit, elektrophysiologischen Tests wie die BERA als
ein Monitoring bei Hyperbilirubinämie zu installieren, um Indikationen zur
therapeutischen Intervention ableiten zu können.
Risikofaktoren: sonstige
Die in der Literatur aufgeführten Risikofaktoren für eine Schwerhörigkeit wie niedriges
Geburtsgewicht, Meningitis, Beatmung, Sepsis, virale Infektion, Antibiotikagabe hatten in
unserer Studie keinen statistisch signifikanten Einfluss auf das Screeningergebnis. Wenn
auch sich für einige Faktoren, wie zum Beispiel „virale Infektion“, ein häufigeres
Auftreten in der auffälligen Gruppe belegen ließ.
5. Diskussion
126
Hingegen konnte Lauffer [46] bei seinen NICU-Kindern einen Anstieg der
Schwerhörigkeitsrate, wenn auch Mittelohr bedingt, unterhalb eines Geburtsgewichts von
1000 Gramm nachweisen. Allerdings bestand hier ein methodischer Unterschied zur hier
durchgeführten Studie, da Lauffer die Kinder mit niedrigen Geburtsgewichten in noch
weitere Subgruppen differenzierte. Erstaunlicherweise schnitten im Test die Lauffer-
Kinder zwischen 1000 und 1250 Gramm sogar am besten ab. In unserer Studie wurden die
Kinder in die definitionsgemäßen Klassen Infants of low birth weight unter 2501 Gramm
und normalgewichtige Kinder einteilten.
Die prospektive Studie von Finckh-Krämer [22] in einer 1.062 Kinder umfassenden NICU-
Gruppe zeigte, dass bei über der Hälfte aller neonatologischen Kindern mehr als ein
Risikofaktor vorlag. Hier fiel besonders das gehäufte Auftreten von kraniofazialen
Fehlbildungen in Kombination mit einer Schwerhörigkeit auf. Niedriges Geburtsgewicht,
Gestationsalter unterhalb der 37. Schwangerschaftswoche oder Aminoglykosid-
Applikation, sofern der Serumspiegel überwacht wurde, spielten in dieser Studie ebenfalls
keine herausragende Rolle als Risikofaktoren für eine Schwerhörigkeit.
Einfluss von Umgebungsbedingungen
In der hier vorliegenden Studie wurde eine mögliche Beeinflussung des Testresultats durch
externe Bedingungen berücksichtigt.
Die Analyse der Ergebnisse in Zusammenhang mit dem Vigilanzstatus der Kinder zeigte,
dass ein ruhiges Verhalten der Kinder eher eine erfolgreiche Testung versprach, während
Unruhe eher mit einem pathologischen Testergebnis korreliert war. Auch war in der
unauffälligen Gruppe eher ein schlafender Zustand der Kinder zu verzeichnen als in der
auffälligen.
Beide Screeningverfahren können durch Unruhe der Neugeborenen beeinträchtigt werden.
Bei der BERA-Untersuchung behindern Eigenbewegungen des Kindes die Durchführung,
indem der Elektrodenkontakt zur Kopfhaut verloren geht oder Störartefakte infolge
motorischer Potentiale interferieren. Auch bei der OAE-Messung führen
Abwehrbewegungen zur mangelnden Dichtigkeit der Gehörgangssonde und Schreien des
Säuglings macht einen Testabbruch infolge Störlärms erforderlich.
5. Diskussion
127
In der pathologischen Gruppe wurden signifikant mehr Unterbrechungen angegeben als in
der regelrechten Gruppe. Unterbrechungen verursachten Unruhe und beeinflussten das
Screening negativ.
Anders verhielt es sich bei dem Aspekt Hintergrundgeräusche, der in beiden Gruppen fast
gleich häufig registriert wurde.
Bei einer großen Anzahl von Kindern konnte die OAE-Messung nicht korrekt erfolgen
aufgrund von Störlärm oder Undichtigkeit. Dies ist z. T. in der Präferierung der BERA
begründet. Daher wurde diese Methode immer als erstes Verfahren eingesetzt und
günstigere Untersuchungsbedingungen unterstützten die BERA. Die anschließende OAE-
Testung musste häufig bei wachen und unruhigen Kindern durchgeführt werden, wodurch
sich die vielen nicht auswertbaren OAE-Messungen erklären lassen.
Anscheinend ist das BERA-Verfahren gegenüber Hintergrundgeräuschen nicht so
störanfällig, denn sonst wäre ein vermehrtes Auftreten von Hintergrundlärm in der
auffälligen Gruppe, die durch den Ausgang in der BERA definiert wurde, zu erwarten.
Hintergrundgeräusche haben die nicht verwertbaren OAE-Testungen mit verursacht, hatten
dann aber aufgrund des Studienprotokolls keinen Einfluss mehr auf das Gesamtergebnis.
In der auffälligen Gruppe waren längere Untersuchungszeiten zu verzeichnen.
Bei auffälligem BERA-Ergebnis wurden Testwiederholungen direkt angeschlossen und
führten so zu längeren Untersuchungszeiten. Diese Kontrollen waren bei einem primär
erfolgreichen Testabschluss nicht notwendig und verschoben daher den Mittelwert der
unauffälligen Gruppe zu kürzeren Zeiten. Längere Untersuchungszeiten ergaben häufig
auch aus der erschwerte Elektrodenfixierung bei Frühgeborenen. Dies spiegelte sich auch
in den statistisch signifikant verlängerten reinen BERA-Unersuchungszeiten der
Neonatologiekinder gegenüber den Normalstationskindern wieder.
Eine längere Screeningdauer machte infolge der Ermüdung des Kindes und konsekutiven
Unruhe wiederum ein pathologisches Screeningergebnis wahrscheinlicher.
Auf suboptimale Untersuchungsbedingungen ließen auch die schlechteren EEG-
Benotungen der auffälligen Kinder gegenüber den unauffälligen, sowie die vermehrte
Kontrollanzahl in der auffälligen Gruppe schließen.
Somit machten ungünstige Vigilanz, Unterbrechungen, verbunden mit einer längeren
Untersuchungsdauer, schlechter EEG-Qualität und vermehrter Kontrollanzahl ein
pathologisches Screeningergebnis wahrscheinlicher. Dabei konnten die einzelnen Faktoren
sowohl Ursache als auch Folge sein.
5. Diskussion
128
Als weiteren externen Einflussfaktor auf das Screeningergebnis ist die Lernkurve des
Untersuchers zu nennen. In der vorliegenden Studie wurde die Erfahrung gemacht, dass zu
Beginn der Studie vermehrt pathologische Befunde erhoben wurden, die sich in den
Kontrollen als unauffällig darstellten. Mit fortschreitender praktischer Erfahrung nahm
dieses Phänomen ab.
Optimaler Screeningzeitpunkt
In dieser Studie wurden die besten Messungsergebnisse zwischen dem vierten und siebten
Tag nach der Geburt erzielt. In diesem Zeitraum konnten die Untersuchungen auch in der
kürzesten Zeit erfolgen und die günstigen Bedingungen spiegelten sich in einer guten
Benotung der EEG-Qualität wieder. Auffallend negativ zeigten sich die
Untersuchungszeiten und der Unruhezustand der Kinder unmittelbar am Geburtstag und
nach dem 15. Lebenstag. Das Screeningergebnis der Kinder nach dem 15. Lebenstag fiel
signifikant schlechter aus. Wobei hier einschränkend erwähnt werden muss, dass nach dem
15. Lebenstag die Kinder entweder zu Kontrolluntersuchungen extern wieder einbestellt
werden mussten oder es sich dabei um Kinder der Neonatologie handelte mit einem
erhöhten Risikoprofil.
Positiv wirkte sich zusätzlich nach unseren Erfahrungen ein vor der Messung erfolgtes
Stillen des Säuglings aus, da durch die postprandiale Müdigkeit des Kindes ein Screening
geeigneter Vigilanzzustand erzeugt werden konnte. Besonders negative Auswirkungen
hatten längerer Anreisezeiten zur Kontrolluntersuchungen nach Entlassung aus der Klinik.
Die wachen und durch die ungewohnte Umgebung beeindruckten Kinder zeigten eine
mangelnde Kooperation. Aus diesen Gründen sollte die Ersttestung und Kontrolltestung
möglichst noch während des klinischen Aufenthalts von Mutter und Kind erfolgen.
Die schlechten Ergebnisse am Geburtstag lagen wahrscheinlich in den Stressfaktoren durch
Geburt und Anpassung begründet. Zudem kann in den ersten Stunden nach der Geburt ein
OAE-Screening durch Amnionflüssigkeit im Gehörgang zu falsch positiven Ergebnissen
führen.
Lauffer [46] sah ausreichende Bedingungen für ein Screening ab einem Gewicht von 2500
g kurz vor Entlassung bei Neonatologiekindern gewährleistet.
Bei reifgeborenen Neugeborenen können beim Hörscreening laut dem deutschen
Konsensus-Papier zum universellen Neugeborenen-Hörscreening [26] ab dem zweiten
5. Diskussion
129
Lebenstag die besten Resultate erzielt werden. Grundsätzlich wurde hier ein Screening
noch während des Klinikaufenthalts empfohlen und bei außerklinischen Geburten oder
Geburten in Kliniken ohne Screening-Verfügbarkeit eine Untersuchung innerhalb der
ersten zehn Lebenstage.
BERA oder OAE
In dieser Studie wurde eine Screeningkombination mit OAE- und automatisierten BERA-
Testung durchgeführt. Das BERA-Verfahren wurde der OAE-Messung vorgezogen
aufgrund der größeren Aussagekraft und der günstigeren Validitätskriterien, daher
entschied der Verlauf in der BERA-Testung über das Gesamtscreeningergebnis. Bei einem
auffälligen BERA-Ergebnis wurde das Kind der kontrollbedürftigen Screeninggruppe
zugeordnet, nicht aber bei einem auffälligen OAE-Ergebnis mit regelrechter BERA.
Wir entschieden uns zu diesem Vorgehen, da bei der OAE-Messung nur indirekt
Rückschlüsse auf die Funktion der IHZ gezogen werden können. Aufgrund der engen
nachbarschaftlichen Verhältnisse wird bei funktionsfähigen Äußeren Haarzellen eine
Intaktheit der IHZ postuliert. Doch gerade die neueren Studien [2, 87] konnten eine
unterschiedliche Sensitivität der cochleären Strukturen gegenüber Schädigungen
demonstrieren. Diese methodische Fehlerquelle kann durch die BERA, die die
elektrophysiologischen Veränderungen des Hörereignisses direkt abbildet, kompensiert
werden. Zudem werden gleichzeitig die der Cochlea nachgeschalteten Strukturen in das
Prüfverfahren einbezogen. Dadurch kann eine größere Sensitivität bei der Aufdeckung von
Hörstörungen erzielt werden.
Bei beiden Verfahren kann die Aussagekraft durch spezifische Patienten bezogene
Einflüsse oder Umgebungsbedingungen eingeschränkt werden. Zum Beispiel ist die OAE-
Testung bei Gehörgangs-, Mittelohrpathologien und Paukenergüssen, die in dem NICU-
Kollektiv häufiger [46, 105] auftreten, nicht als Instrument zur Detektion von
sensorineuralen Schwerhörigkeiten verwertbar. Bei der BERA behinderte offensichtlich in
der hier vorliegenden Studie in einem Fall ein starker Haarwuchs und in einem anderen ein
Geburtsserom die EEG-Ableitung.
Der zeitliche Aufwand war bei der BERA-Untersuchung höher als bei der OAE-Messung
und erforderte sowohl vom Prüfling als auch vom Untersucher Geduld und Ausdauer. Die
zeitlichen Dimensionen bewegten sich für die OAE-Messungen zwischen zwei und fünf
5. Diskussion
130
Minuten, während die BERA-Untersuchung sehr unterschiedliche Zeiten beanspruchte.
Der Differenzbereich erstreckte sich von zehn Minuten bis zu maximal 85 Minuten. Diese
sehr unterschiedlichen Messzeiten der BERA wurden durch mehrfache Kontrollen und
durch Bewegungsartefakte bei kindlicher Unruhe verursacht. Auch Probleme bei der
Kontakterstellung zwischen Elektrode und Kopfhaut - der BERAphonhörer musste vom
Untersucher manuell ohne Druck am Mastoidbereich, oberhalb der Concha und am Vertex
aufgesetzt werden - verlängerten die BERA-Untersuchung und ließen häufig die OAE-
Messung praktikabler erscheinen.
Nach unseren Beobachtungen stellte die BERA-Untersuchung höhere Ansprüche an die
Vigilanz des Kindes als die OAE-Testung und war ab einem bestimmten Grad an
kindlicher Unruhe, der eine OAE-Testung noch erlaubte, nicht mehr durchführbar.
Dass eine hohe Anzahl von nicht auswertbaren OAE-Messungen zu verzeichnen war, lag
daran, dass als erstes Verfahren immer die BERA zum Einsatz kam. Die nachfolgende
OAE-Messung gestaltete sich dann häufig bei wachen Kindern schwierig.
Wenn eine Entscheidung zwischen den beiden Screening-Methoden getroffen werden
müsste, sollte dem BERA-Verfahren der Vorzug gewährt werden. Idealerweise sollten
beide Verfahren in Kombination eingesetzt werden. Dies könnte zur Lokalisation der
Schädigung beitragen und differentialdiagnostisch die Identifizierung von auditorischen
Neuropathien, deren Prävalenz häufiger ist als allgemein angenommen, erleichtern.
In einer Vielzahl von Publikationen wurden die Erfahrungen mit den verschiedenen
Hörscreeningverfahren geschildert und z. T. Empfehlungen ausgesprochen.
Einen umfassenden Überblick gab das deutsche Konsensus-Papier zum Hörscreening [26].
Hier fanden sowohl die OAE-Messung als auch das automatisierte BERA-Verfahren
Berücksichtigung, ohne dass eine Festlegung zu Gunsten einer Methode erfolgte. Bei den
OAE-Verfahren präferierten die Fachgesellschaften die TEOAE- vor der DPOAE-
Messung aufgrund der besseren Trennschärfe an differenten Pegeln. Nachteilig mache sich
die Beeinträchtigung des Verfahrens durch Flüssigkeit im Gehörgang oder Mittelohr,
Umgebungsgeräusche, Bewegungsartefakte und Unerfahrenheit des Untersuchers
bemerkbar und führe zu falschpositiven Resultaten. Die Rate an falsch-positiven
Ergebnissen innerhalb der ersten 24 Stunden wurde mit 5 bis 20 % beziffert.
Die Fachgesellschaften hoben in ihren Empfehlungen die Möglichkeit der Detektion von
auditorischen Neuropathien durch die BERA-Methode ausdrücklich hervor. Allerdings
5. Diskussion
131
gaben sie auch hier zu bedenken, dass Umgebungsbedingungen, Debris oder
Mittelohrergüsse, sowie die erforderliche Lernkurve des screenenden Personal die
Ergebnisse negativ beeinflussen. Beide Verfahren seien also Störungsanfälligkeiten
unterworfen, allerdings spreche für die OAE-Messung die einfachere und schnellere
Durchführbarkeit.
Watkins [106] stand dem OAE-Verfahren als Screeninginstrument positiv gegenüber.
Allerdings musste er über zwei Kinder berichten, die durch das OAE-Screeningraster
fielen. Bei dem ersten Kind prägte sich eine familiär bekannte, progressive
Schwerhörigkeit erst im Verlauf der frühen Kindheit aus. Dies machte eine Korrektheit des
neonatalen Screeningergebnisses wahrscheinlich und rückte die Tatsache wieder ins
Bewusstsein, dass es sich bei jedem Screening um eine Momentaufnahme der Hörfunktion
handelte und progrediente Störungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Beim zweiten
Kind lag eine zentrale Schwerhörigkeit vor mit zusätzlichen, neurologischen Defiziten.
Diese zentrale Störung konnte durch das Screeninginstrument der OAE-Messung nicht
identifiziert werden. Allerdings bezweifelte der Autor die klinische Relevanz, da selbst bei
frühzeitiger Diagnose in diesem speziellen Fall keine Therapieoptionen zur Verfügung
gestanden hätten.
Vatovec [105] wählte als primäre Screening-Methode die OAE-Messung und
verhaltensaudiometrische Tests. Erst bei Auffälligkeiten wurde eine BERA hinzugezogen.
Nachteilig beurteilte Vatovec in seiner Studie bei Kindern mit Risikofaktoren für
frühkindliche Hirnschädigungen die Auswirkungen von längeren Untersuchungszeiten auf
die kindliche Vigilanz. Er bevorzugte die TEOAE-Messung vor der DPOAE-Messung, da
seiner Erfahrung nach die DPOAEs eher durch Unruhe und Bewegungen der Kinder sowie
den zeitlichen Aufwand, Hintergrundgeräusche und Sondendislokation beeinflusst würden.
Trotzdem gab er zu bedenken, dass bei alleiniger OAE-Messung, wenn auch diese
Methode sehr praktikabel erscheine, eine zentrale Hörstörung übersehen werden könnte.
Speziell bei Kindern mit einer motorischen Störung sollte seiner Meinung nach neben der
auditorischen Funktion auch die mögliche, vestibuläre Beteiligung berücksichtigt werden,
die die motorische Weiterentwicklung zusätzlich behindern könnte.
Lauffer [46] sprach sich vor allem für die OAE-Messung als Screening-Methode aus. Er
führte als Begründung eine verlässliche Detektionsgrenze von Schwerhörigkeiten ab 25-30
dB (bei Bonfils [9] Nachweisbarkeit der OAEs bis 35 db) durch die OAE-Messung und die
Überprüfung eines größeren Frequenzbereichs als durch die BERA-Messung an.
5. Diskussion
132
Einen weiteren Vorteil stellte für ihn die Unempfindlichkeit der OAEs gegenüber
elektrischen Streuungen der Umgebung im Gegensatz zur BERA-Messung dar. Das in
unserer Studie verwendete und somit im Vergleich zur Lauffer-Studie aktuellere BERA-
Meßsystem zeichnete sich allerdings ebenfalls durch eine geringe Beeinflussung durch
elektrische Umgebungsströme aus. Die Messungen konnten ohne erkennbare Störungen in
verschiedenen Räumlichkeiten durchgeführt werden. Der Beobachtung Lauffers, dass eine
BERA-Messung sich zeitlich weitgehend umfangreicher gestaltete als eine OAE-Messung,
konnten wir beipflichten.
Eine Reihe von Studien favorisierten ein BERA-Screening.
Die Studie von Jacobsen [35] konnte Bedenken bezüglich der Test-Validität des auch hier
verwendeten, automatisierten BERA-Modus im Vergleich zur konventionellen BERA
ausräumen. In der Risikokindergruppe bewies das automatisierte Verfahren eine identische
Sensitivität (100 %) wie die konventionelle Methode und nur eine geringfügig niedrigere
Spezifität (95 %). Vorteile der automatisierten BERA erkannte Jacobsen in der einfachen
Handhabung und der Zeitersparnis.
Amatuzzi [2] konnte in histopathologischen Untersuchungen von Neonaten-Felsenbeinen
eine bisher unterschätzte, hohe Frequenz von Inneren Haarzellschädigungen im NICU-
Kollektiv nachweisen. Daher bevorzugte sie die BERA als Screeningmethode, da diese
Schädigungen mit einer alleinigen OAE-Testung nicht detektierbar wären.
Ebenso argumentierte D´Agostino [16] und sprach sich gegen die OAE-Messung als
einzige Screening-Methode aus. Da die Prävalenz der auditorischen Neuropathie unter
Kindern mit Risikofaktoren erhöht sei, sollte besonders das Personal auf NICU-Stationen
sich der Problematik dieser Störung bewusst sein und die Eltern entsprechend informieren.
De Hoog [18] bevorzugte die automatisierte BERA als Screeningmethode zur
Untersuchung des Einflusses von Aminoglykosiden und Furosemiden auf das
Hörvermögen bei NICU-Kindern und begründete die Wahl des Verfahrens mit der
Sensitivität von 100 % und Spezifität von über 95 %. Zu ähnlichen Testgütekriterien der
Meßmethode kamen auch Kileny [43] und Mehl [59].
Für die TEOAE-Messung konnten Pröschel und Eysholdt [75] in ihrer Studie eine
akzeptable Testvalidität mit einer Sensitivität von 93 % und einer Spezifität von 67 %
darlegen. Günstigere Validitätskriterien mit einer Sensitivität von 100 % und einer
Spezifität von 93 % konnten Joseph et alt. [37] in einer größeren Probandengruppe für den
gleichen OAE-Gerätetyp wie Pröschel und Eysholdt belegen. Somit erscheinen die
5. Diskussion
133
Verfahren gleichrangig bzw. zeichnet sich die BERA-Methode vor der OAE-Messung bei
der Beurteilung anhand von statistischen Maßstäben aus.
Einige Autoren erörterten den Einsatz einer BERA-OAE-Kombination.
Hall [27] unterstützte ein generelles Hörscreening mit kombinierter OAE und BERA-
Messung, da so mehr Informationen über den Hörstatus gewonnen werden könnten als mit
einer Meßmethode allein.
Nach Ptok [77] stellten BERA und OAEs zwei sich ergänzende, audiometrische
Untersuchungsverfahren dar. Besonders bei sprachauffälligen Kindern sollten sie beide
zum Einsatz kommen. Auf die Ableitung von Hirnstammpotentialen bei unauffälligen
OAEs könnte seiner Meinung nach nur dann verzichtet werden, wenn in
sprachaudiometrischen Untersuchungen eine gute Sprachverständlichkeit zweifelsfrei
gesichert wurde.
Marco [54] befürwortete den simultanen Einsatz von BERA und OAEs für Fälle von
vermuteter, auditorischer Neuropathie und für das Screening von Risikogruppen, z.B. bei
Kindern mit peripartaler Hypoxie und Hyperbilirubinämieperioden in der Anamnese.
Abseits dieser Problemfälle sah er die OAE-Messung als alleinige Screeningmethode als
ausreichend an.
Den Wert einer kombinierten Testung von OAEs und ABR im Hörscreening unterstrich
Madden [53] besonders aufgrund seiner Erfahrungen mit der auditorischen Neuropathie bei
Kindern.
Nach Meinung von Lee [47] sollte in Schulen für hörbeeinträchtigte Kinder ein speziell auf
die auditorische Neuropathie ausgerichtetes Screening erfolgen aufgrund der hohen
Prävalenz in diesem Kollektiv und da bei diesen Kinder alternative Therapieformen in
Betracht gezogen werden müssten.
5. Diskussion
134
Tabelle 6: Screening-Studien
Autor Jahr Fallzahl Kollektiv Methode Ergebnis auffällig
Jacobson et alt.
Lauffer et alt.
Pröschel et alt.
Watkin
Mehl, Thomson
Finckh-Krämer
Lee et alt.
Vatovec et alt.
Yilmaz et alt.
de Hoog et alt.
Joseph et alt.
Hall et alt.
Connolly et alt.
1990
1994
1995
1996
1998
2000
2001
2001
2001
2003
2003
2004 2005
224
78
243
14353
41796
1062
81
110
22
625
4387
300
17602
NICU
NICU
Kinder > 1a*
Neonaten
Neonaten
Risiko-Kind
Kinder **
NICU***
NICU****
NICU
Neonaten
Neonaten
Neonaten
AABR, kon. ABR
OAE, ABR
OAE, VA, ABR
OAE
OAE, AABR,
kon. ABR
OAE, BERA
OAE
OAE
OAE, ABR
AABR
OAE
OAE, ABR
ABR
5%
initial 23%, gesichert 9%
0,1%
initial 6,5%,
gesichert 0,2%
initial 5,3%, gesichert
1,3%
2,5% auditor. Neuropath.
7,3% gesichert
9,1% auditor. Neuropath.
7,2%
initial 7,1%,
gesichert 0,2%
2,0%
0,4%
* nur Kinder mit Normalhörigkeit zugelassen, da Testgütekriterien geklärt werden sollten
** Kinder einer Schwerhörigen-Schule, 6 bis 12 Jahre
*** NICU-Kinder mit Risiko für oder tatsächlichem frühkindlichen Hirnschaden
**** NICU-Kinder mit Hyperbilirubinämie
VA: Verhaltensaudiometrie
AABR: automatisierte ABR
kon. ABR: konventionelle ABR
Testung einseitig oder beidseitig
Während in unserer Studie Kinder beidseitig getestet wurden und zu Kontrollterminen
auch bei nur einseitig auffälligem Testergebnis einbestellt wurden, gibt die Literatur
Auskunft über Studien, in denen dies anders gehandhabt wurde.
Watkin [106] berichtete in seiner Neugeborenen-Studie, nur Kinder mit beidseitig
auffälligen OAE-Ergebnissen zu weiteren Kontrollen einbestellt zu haben. Allerdings war
in seinem Studiendesign aufgrund staatlich reglementierter Vorgaben weitere Testung bei
allen Kindern ab dem siebten Lebensmonat vorgesehen.
5. Diskussion
135
Notwendig erscheint ein beidseitiges Hörscreening, da das Richtungshören auf eine
Binauralität angewiesen ist und ein beidseitiges Hörvermögen eine Verbesserung der
Hörschwelle bedeutet. Therapeutische Maßnahmen könnten bei frühzeitiger Identifikation
der einseitigen Schwerhörigkeit ergriffen werden und könnten einer kortikalen
Reorganisation im Rahmen des Remodellings entgegenwirken. Bei bekannter, einseitiger
Schwerhörigkeit wären sich der Betroffene bzw. die Eltern des besonderen
Protektionsbedürfnisses seines normalhörigen Ohres bewusst.
Auch das deutsche Konsensus-Papier zum universellen Neugeborenen-Hörscreening
sprach sich für ein beidseitiges Hörscreening aus und forderte eine Kontrolluntersuchung
bei einseitig auffälligem Ergebnis [26].
Falsch positive Ergebnisse
Problematisch erweist sich bei jeder Art von Screening eine hohe Rate an falsch positiven
Testergebnissen, da dies zu einer Verunsicherung der Eltern führt und eine niedrige
Akzeptanz des Screeningprogramms unter den Eltern bewirkt. Zudem können sich
Nachfolgeuntersuchungen zeit- und kostenintensiv auf elterlichen und medizinischen
Seiten gestalten.
Im vorliegenden Studienprotokoll wurde als Kriterium für ein auffälliges
Screeningergebnis eine zumindest einseitig kontrollbedürftige BERA-Messung unabhängig
von der OAE-Messung definiert. Diese Kinder wurden sofern möglich im stationären
Verlauf kontrolliert, extern zu Kontrollterminen wieder einbestellt oder es wurde eine
pädaudiologische Betreuung empfohlen.
Es konnte bei den untersuchten Kindern unserer Studie kein falsch positives Ergebnis in
der OAE-Messung festgestellt werden. Allerdings muss einschränkend erwähnt werden,
dass bei 55 Kindern (47 unauffällige und 8 auffällige) eine korrekte OAE-Messsung
aufgrund des Umgebungsschallpegels, Undichtigkeit bzw. Unruhe einseitig oder beidseitig
behindert wurde. Inwiefern sich falsch positive Befunde in der OAE-Testung hierunter
befunden hätten, kann nur spekuliert werden. Für die OAE-Methode wurde als
übergeordnetes Referenzverfahren die automatisierte BERA selbst herangezogen. Das
BERA-Verfahren entzieht sich derzeit noch einer abschließenden Beurteilung hinsichtlich
möglicher falsch positiver Ergebnisse, da die Konfirmationsdiagnostik noch aussteht.
Daher ist der Vergleich mit anderen Screening-Untersuchungen nur bedingt möglich.
5. Diskussion
136
Lauffer [46] gab eine Rate von 22 % an falsch positiven Befunden bei den OAE-
Messungen mit dem „Otodynamic Analyzer ILO 88“ in einem 78 Kinder umfassenden
Kollektiv der NICU an. Die auffälligen OAE-Ergebnisse konnten durch eine
anschließende, unauffällige BERA korrigiert werden.
Für die Screening-BERA konnten Connolly et alt [13] ein akzeptables Level an falsch
positiven Ergebnisse nachweisen. In einer Hörscreening-Studie, an der 17.602
Neugeborene mit und ohne Risikofaktoren teilnahmen, mussten 4,1 % der gescreenten
Kinder aufgrund eines positiven Testergebnisses wieder einbestellt werden. Davon
erwiesen sich 3,6 % der auffällig gescreenten Kinder in der Kontroll-BERA als initial
falsch-positiv getestet.
Bei Hall [27] lag die Rate der Wiedereinbestellungen bei kombinierter BERA- und OAE-
Testung bei 2,0 % und der positive prädikativer Wert bei 83,3 % in einem 300 Kinder
umfassenden Neugeborenenscrening.
Einen deutlich niedrigeren, positiven prädikativen Wert musste mit 26 % Joseph [37]
verzeichnen, dessen Screening sich alleine auf die TEOAE-Messung stützte.
Durch eine alleinige oder zusätzliche BERA-Testung könnte daher die Aussagekraft des
Screenings gesteigert, der positive prädikative Wert erhöht und die Rate an falsch positiven
Ergebnissen vermindert werden. Dadurch könnten langwierige Kontrolltestungen und
Beunruhigungen der Eltern vermieden werden.
Ähnlich wurde auch im Konsensuspapier [26] der deutschen Fachgesellschaften zum
Neugeborenen-Hörscreening argumentiert. Hier wurde eine Kontrollscreening-Rate bei
reifgeborenen Neugeborenen bei optimalen Bedingungen von maximal vier Prozent
gefordert. Insbesondere Unerfahrenheit in der Durchführung und mangelhafte
Untersuchungsbedingungen führten zu vermehrt falsch-positiven Ergebnissen und somit zu
höheren Recall-Raten. Durch die Präferierung des AABR-Verfahrens vor den OAEs
könnten Recall-Raten unter oder gleich einem Prozent erzielt werden. Besonders die
sequenzielle Anwendung von OAEs, gefolgt von AABR bei Auffälligkeiten könnte eine
geringere Rate an falsch-positiven Ergebnissen und konsekutiv weniger erforderliche
Kontrollen gewährleisten.
5. Diskussion
137
Koordinatorische Probleme und Eltern-Kompliance
In unserer Studie zeigten sich alle Eltern mit der Durchführung einer Hörscreening-
Untersuchung in einem zuvor erfolgten Gespräch einverstanden. Dennoch war die
Akzeptanz der Nachfolgeuntersuchungen bei einem initial auffälligen Testergebnis niedrig.
Einige Elternpaare erschienen zu dem vereinbarten Kontrolltermin ohne Absage nicht,
andere lehnten nach erfolgter, weiterhin kontrollbedürftiger Testung eine weitere Kontrolle
ab und wollten weitere Testungen abhängig von ihren eigenen Beobachtungen einleiten.
Hierbei spielten sicherlich zeitliche und organisatorische Gründe für das Versäumen des
Re-Screenings bei den durch die Versorgung ihres Kindes beanspruchten Eltern eine Rolle.
Zudem beeinträchtigte eine positive Erwartungshaltung der Eltern bezüglich des
Hörvermögens ihres Kindes die Problemerkennung. Eltern und auch medizinisches
Personal können durch eigentlich visuell provozierte Reaktionen der Kinder auf akustische
Reize in ihrer Wahrnehmung getäuscht werden. Häufig wird Reiz-Reaktionsverhalten im
akustischen Bereich nicht kritisch genug überprüft.
Die Kontrolltestungen nach Entlassung wurden nach unseren Erfahrungen zusätzlich durch
die Unruhe der Säuglinge - wahrscheinlich durch den längeren Anfahrtsweg bedingt -
erschwert. Bei allen Kontrolltestungen zeigten die Neugeborenen ein waches und
aufmerksames Verhalten und tolerierten die Messungen nur widerwillig. Diese
offensichtlichen, ungünstigen Untersuchungsbedingungen demotivierten einige Eltern, da
auch zukünftig unter denselben Rahmenbedingungen nicht mit einer besser geeigneten
Vigilanzlage der Kinder zu rechnen war. Einige Eltern gaben an, aus organisatorischen
Gründen Kontrollen nicht wahrnehmen zu können (längerer Anfahrtsweg, Kontrollen nicht
außerhalb der Arbeitszeiten des Ehemanns möglich, Versorgung weiterer Kinder).
Zu einer ähnlichen Beobachtung bezüglich der Frequentierung der Kontrolltestungen
kamen auch Mehl und Thomson [59]. In die Multicenter-Studie von Mehl und Thomson
gingen 41.796 Kinder ein, von denen in OAE, A-ABR oder konventioneller ABR-Testung
initial 2.709 Kinder positiv getestet wurden. Nur 1.296 Kinder davon konnten eine
komplette Reevaluation der Hörergebnisse durchlaufen.
Watkin [106] konnte darüber hinaus feststellen, dass nicht nur ein bestimmter Anteil der
Eltern den Kontrolltermin oder das Erstscreening bei auswärtiger Geburt nicht wahrnahm,
sondern auch offensichtlich inkorrekte Angaben zum Auftreten von familiären
Schwerhörigkeiten gemacht wurden. In einem Fall stritt eine Mutter eine offensichtlich
bestehende, eigene Schwerhörigkeit sogar ab. Der Autor beklagte die elterliche Ablehnung
5. Diskussion
138
von rehabilitativen Maßnahmen. Diese sahen in den Therapieformen, wie z.B. einer
Hörgerätversorgung oder einer speziellen auditorischen Schulung und Sprachförderung,
eine Stigmatisierung ihrer Kinder. Ein Unterschied zwischen Kindern mit hochgradiger
und moderater Schwerhörigkeit konnte hier bezüglich des Verhaltens und des
Problembewusstseins auf Seiten der Eltern und des medizinischen Personals bemerkt
werden. Während die hochgradig schwerhörigen Kinder rechtzeitig kontrolliert wurden,
die Diagnose frühzeitig gestellt werden konnte und kaum ein Kontrolltermin verpasst
wurde, verlief die Diagnosestellung und Therapie in der Gruppe der mittel- und
geringgradig schwerhörigen Kinder verzögert. So konnte das Ziel, allen als schwerhörig
diagnostizierten Kindern innerhalb von Wochen eine Therapie, z. B. in Form von
Hörgeräten, anzubieten, nur in der hochgradigen Schwerhörigengruppe verwirklicht
werden. In der mittel- bis geringgradigen Gruppe erfolgte eine Hörgerät-Versorgung
häufig erst mit einem Jahr. Hier spielte sicherlich auch die Unsicherheit der Audiologen
und der Eltern eine Rolle, ob es sich bei der Hörstörung um ein persistierendes Defizit oder
eine vorübergehende Reifungsstörung handelte.
Auch Finckh-Krämer [22] beklagte in ihrer NICU-Studie die Inkompliance der Eltern. So
wurden von 53 auffällig getesteten Kindern 39 nicht zur Kontrolle wiedervorgestellt.
Ökonomische Aspekte des Hörscreenings
Diese Studie verhielt sich aufgrund der durch die Firma Maico zur Verfügung gestellten
Messgeräte und des Dissertationscharakters, wodurch zusätzliche Personalkosten nicht
berücksichtigt werden mussten, kostenneutral.
Nach Ansicht des Konsensus-Papiers der deutschen Fachgesellschaften zur Einrichtung
eines universellen Hörscreenings [26] können zur Zeit die Kosten bzw. die Kosten-
Effizienz-Bilanz eines solchen Screenings noch nicht abschließend beurteilt werden.
In der Literatur wurden unterschiedliche Angaben zu den Kosten eines Neugeborenen-
Hörscreenings gemacht. Der direkte Vergleich ist aber nur bedingt möglich, da die
eingeschlossenen Kostenfaktoren variierten und keine einheitlichen Screeningbedingungen
herrschten. Zum Teil wurden Folgekosten gegen gerechnet.
Das deutsche Joint Committee „Frühkindliches Hören“ [32] rechnete mit einem
Kostenpotential von 16 Euro pro gescreenten Neugeborenen.
5. Diskussion
139
In der Connelly-Studie [13] wurden die Kosten auf 5,074 Dollar pro Screening-Kind
geschätzt.
In einer Untersuchung zum universellen Hörscreening in den USA gab Therrell [103]
bundesstaatlich variierende Kosten von 1 bis 60 Dollar an, jedoch beinhalteten sie zum
Teil Aufwendungen zur Aufklärung der Eltern und für eine erweiterte Diagnostik.
Mehl und Thomson [59] errechneten in ihrer Neugeborenenstudie Screeningkosten von im
Mittel 25 Dollar pro Kind. Eine positive Kosten-Nutzen-Relation eines
Screeningprogramms konnte nach Meinung der beiden Autoren ebenfalls belegt werden.
Sie sahen den finanziellen Aufwand des Hörscreenings durch das Vermeiden von hohen
Therapiefolgekosten bei zu spät erkannten Hörminderungen bereits nach zehn Jahren
ökonomisch aufgewogen.
In einem Vergleich der Kosten-Effizienz-Relation von drei Screeningmodellen anhand
einer Meta-Analyse konnte Hessel [30] die Kosten pro aufgedecktem Fall auf 13.395 € in
einem universellen Screening, 6.715 € in einem Risiko-Screening und 4.125 € in einem
unsystematischen Screening beziffern. Allerdings wurde die Kostenreduktion zu Lasten
der Detektionsrate erzielt, denn mit einem universellen Screening wurden 72 % der
Hörstörungen bis zum 6. Lebensmonat entdeckt, mit dem Risiko-Screening 43 % und mit
dem unsystematischen nur 13 %. Nach Abwägen dieser Aspekte musste einem
universellen Hörscreening-Modell der Vorzug gewährt werden.
Empfehlungen zur Einrichtung eines universellen Neugeborenen-Hörscreenings
In einem kürzlich publizierten, interdisziplinären Konsensus-Papier [26] sprachen sich die
betroffenen Fachgesellschaften und Organisationen in Deutschland für die Einrichtung
eines universellen Neugeborenen-Hörscreenings aus und gaben Empfehlungen zur
Organisation. Das Ziel eines universellen Screenings besteht in der Identifikation einer
Hörstörung und der Einleitung einer Therapie innerhalb der ersten sechs Lebensmonate
durch beidseitige Überprüfung des Hörvermögens aller Neugeborenen. Es wurde ein
dreistufiges Screening- und Konfirmationsmodell favorisiert. Die Basis soll ein
Erstscreening, gegebenenfalls mit Wiederholung, bilden, an das sich bei Testauffälligkeit
auf zumindest einem Ohr ein Kontrollscreening innerhalb von vier Wochen anschließt. Die
dritte Stufe soll eine Konfirmationsdiagnostik umfassen durch eine genaue
Hörschwellenbestimmung. Diese Untersuchung, die dezidiert durch HNO-Ärzte oder
5. Diskussion
140
Fachärzte für Phoniatrie und Pädaudiologie erfolgen soll, soll innerhalb der ersten drei
Lebensmonate eine Bestätigung oder einen Ausschluss einer vermuteten Hörstörung
erbringen. Auch bei unauffälligem Screeningergebnis sollen Kinder mit Risikofaktoren für
eine Hör-/Sprach- oder Sprechstörung in entsprechenden Kontrollen verbleiben, da diese
Verfahren keine Aussagekraft bezüglich progredienter Störungen besitzen. Zudem wurde
ein adäquates Leitsystem postuliert, das bei nachgewiesener Hörstörung die weitere
Versorgung und Einleitung einer Therapie gewährleisten soll. Die Nachsorge soll neben
der exakten Diagnostik der Hörstörung auch die Suche nach der Ätiologie der Störung
beinhalten und gegebenenfalls weitere interdiziplinäre Untersuchungen - die Neurologie,
Ophthalmologie, Kardiologie, Humangenetik betreffend - nach sich ziehen.
In den USA wurde bereits ein universelles Neugeborenen-Hörscreening von staatlicher
Seite installiert, da in vielen Studien die soziale und gesundheitsökonomische Relevanz,
erfolgreiche Therapieverfahren und eine relativ hohe Prävalenz der Schwerhörigkeit
dargelegt werden konnten. Dennoch differierten Gesetzgebung und Screeningbedingungen
innerhalb der Bundesstaaten [103]. Ein positives Beispiel für ein funktionierendes
Hörscreeningmodell bietet Großbritanien. Seit 2003 gelten hier im staatlich finanzierten
Hörscreeningsystem verbindliche, einheitliche Richtlinien. Professionelle Screening-
Untersucher wurden zur Weiterverfolgung und Klärung der auffälligen Befunde bestellt
[32].
Eine positive Kosten-Nutzen-Relation für die Einrichtung eines universellen Screenings
konnte eine Metaanalyse von Hessels [30] belegen. Der Benefit eines universellen
Screenings drängte vom ökonomischen Standpunkt aus sogar die Alternativen
Risikoscreening und unsystematisches Screening in den Hintergrund. Ein auf Kindern mit
Risikofaktoren beschränktes Hörscreening würde 50 % der Kinder, wie in retrospektiven
Studien bei auditorisch beeinträchtigten Kindern mit und ohne Risikofaktoren
nachgewiesen werden konnte, nicht identifizieren.
Einen anderen Aspekt beleuchtete Kral [44]. Er forderte aufgrund der Existenz von
sensitiven Perioden des auditorischen Kortex die Einrichtung eines neonatalen,
auditorischen Screeningprogramms, da Deprivation während dieser Phasen zum Verlust
von Hör-, Sprach- und Sprachverständnisfähigkeiten führe. Diese Defizite könnten
aufgrund der cerebralen Fähigkeit zur Plastizität im Rahmen einer „cross-modal“-
Reorganisation bei Überschreiten dieser Perioden bei spät implantierten CI-Trägern nicht
5. Diskussion
141
mehr aufgeholt werden. Um diesem Pathomechanismus entgegen zu wirken, müsse eine
Identifizierung der gehörlosen Kinder erfolgen, bevor das cerebrale Remodelling greifen
könnte.
Die Notwendigkeit einer möglichst frühzeitigen Diagnosestellung bei schwerhörigen
Kindern zeigte auch Yoshinaga-Itano [108] auf. Er konnte den durch frühzeitige,
therapeutische Intervention erzielten Benefit bei im Neugeborenen-Hörscreening
identifizierten, schwerhörigen Kindern hinsichtlich der Sprachentwicklung im Vergleich
zu Kindern, deren Hörstörungen erst nach dem sechsten Monat diagnostiziert wurden,
belegen.
Die Ergebnisse eines Multicenter-Hörscreenings in Colorado in den Jahren 1992-1996
fassten Mehl und Thomson [59] zusammen. Nach Berücksichtigung der verschiedenen
Screeningverfahren und der zugehörigen Validitätskriterien, sowie der Kosten kamen sie
zu der Überzeugung, dass ein generelles Hörscreening sowohl durchführbar, effektiv, als
auch ökonomisch gerechtfertigt sei, da durch eine frühzeitige, therapeutische Intervention,
eine Krankheit abgewendet bzw. deren Folgen vermindert werden könnten.
Auffällige Ergebnisse im Screening sollten sorgfältig interpretiert werden, denn es liegen
auch Berichte vor, nach denen sich anfänglich pathologische Befunde in BERA und
subjektiven Hörtests bei Neugeborenen im Verlauf von Monaten nicht mehr bestätigen
ließen und sich das Hörvermögen in den Tests zumindest monaural normalisierte oder
verbesserte. Massinger [56] diskutierte in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer
verzögerten Reifung der Hörbahn bei jungen Kindern und wies auf die Notwendigkeit hin,
auch pathologische, objektive Hörtestungen bei Kindern vor einschneiden Therapien zu
wiederholen.
Über einen ähnlichen Fall von verzögerter, auditorischer Reifung konnten Pröschel und
Eysholdt [75] berichten. Es handelte sich hierbei um ein Kind mit tuberöser Hirnsklerose,
bei dem die TEOAE-Messung trotz Nachweisbarkeitsgrenze der Hirnstammpotentiale bei
90 – 100 dB in der BERA und hochgradiger Schwerhörigkeit in verhaltensaudiometrischen
Testverfahren erfolgreich verlief. Bei diesem Kind normalisierte sich das Hörvermögen in
den objektiven und subjektiven Tests innerhalb eines Jahres. Daraus folgerten die Autoren,
dass zum einen die OAE-Messung zur Topodiagnostik der Hörstörungen besonders bei
mehrfach behinderten Kindern herangezogen werden sollte und dass zum anderen eine
Hörgerätverordnung aufgrund einer einmaligen, pathologischen Testung im Hinblick auf
mögliche, induzierte Lärmtraumata kritisch überdacht werden müsste. Auch sollten
5. Diskussion
142
unauffällige Befunde im Neugeborenen-Screening nicht als Garant für eine normale
auditorische Entwicklung betrachtet werden, denn es handelt sich dabei um ein
Momentaufnahme des Hörstatus. Progressive Hörstörungen entziehen sich diesem
diagnostischen Instrument. Die weitere auditorische Entwicklung des Kindes sollte
insbesondere bei zusätzlichen Risikofaktoren beobachtet werden.
Ein z. Zt. noch nicht gelöstes Problem beim Screening auf Hörstörungen stellt die hohe
Anzahl an auffälligen aber nicht weiter verfolgten Screeningergebnisse dar. Nach
Schätzungen werden 50 % der initial kontrollbedürftigen Neugeborenen keiner weiteren
Anschlussdiagnostik zugeführt. Ursachen sind hierfür auf Seiten des untersuchenden
Personals und der Eltern zu finden.
Diesem Missstand kann durch ein gezieltes Tracking begegnet werden. Damit ist eine
Weiterverfolgung und Klärung der auffälligen Ergebnisse des regionalen Hörscreenings
gemeint. Eine Transparenz für alle Beteiligte könnte die Erstellung eines verbindlichen
Protokolls zur Konfirmationsdiagnostik erzielen. Zudem könnte die Einrichtung einer
zentralen, übergeordneten Instanz, der auffällige Befunde mit zugehörigen, kindlichen
Daten zu geleitet werden und die die weitere Diagnostik nachfragt, eine Kontinuität und
zeitliche Effizienz garantieren.
6. Zusammenfassung
143
6. Zusammenfassung
In der vorliegenden Hörscreening-Studie wurden die verschiedenen
Untersuchungsbedingungen und Einflussfaktoren auf das Screeningergebnis bei
Neugeborenen der Normalstation und Neonatologie untersucht. Die Untersuchung erfolgte
vor dem Hintergrund der aktuell publizierten Fälle von auditorischer Neuropathie, die in
einer vergleichenden Literaturrecherche näher bestimmt wurde.
Unter dem Begriff der auditorischen Neuropathie werden verschiedene Pathologien des
Hörnervens, der Spiralganglienzellen, der Inneren Haarzellen und deren Synapsen
subsumiert. Diesen auditorischen Störungen variabler Ätiologie sind robust nachweisbare
OAEs - als Zeichen einer funktionellen Intaktheit der Äußeren Haarzellen - sowie
abwesende oder pathologische BERA-Potentiale gemeinsam. Neuere Publikationen lassen
vermuten, dass die Prävalenz höher liegt als allgemein angenommen und der Verlauf
unterschiedlich ist. Assoziierte Erkrankungen z.B. im neurologischen Bereich müssen
ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Therapie kristallisiert sich noch kein einheitliches
Handlungskonzept heraus, jedoch sollte eine individuelle Analyse aller Therapieoptionen
erfolgen. Eine CI-Implantation sollte dieser Patientengruppe nicht aus methodisch-
theoretischen Gründen verweigert werden, da eine Vielzahl von Autoren von erfolgreichen
Implantationen berichteten.
Diese Studie zeigte, dass eine Screeningkombination aus automatisierter BERA- und
OAE-Messung in der Lage war, Verdachtsfälle einer ANP zu identifizieren. Die
Konstellation einer ANP ließ sich bei 4,35 % der Neugeborenen nachweisen.
Insgesamt bestand ein auffälliges Screeningergebnis uni- oder bilateral bei 16,5 % des
Gesamtkollektivs. Eine erweiterte Konfirmationsdiagnostik konnte bis zu diesem
Zeitpunkt eine beidseitige, hochgradige Schwerhörigkeit bei einem der auffällig
gescreenten Kinder bestätigen. Damit lag die Rate an gesicherten, persistierenden
Hörstörungen mit 0,9 % in diesem relativ kleinen Kollektiv höher als nach
Literaturangaben mit 0,1 bis 0,3 % erwartet.
Es fiel auf, dass in der Neonatologiegruppe mehr pathologische Testergebnisse zu
verzeichnen waren als in der Normalstationsgruppe. Dies lag sicherlich in dem erhöhten
Risikoprofil der Neonatologiegruppe begründet und deckte sich auch mit der Literatur. Als
weitere Unterschiede zwischen diesen beiden Neugeborenengruppen kristallisierten sich
die längere Untersuchungszeit und das höhere Untersuchungsalter der Neonaten heraus.
6. Zusammenfassung
144
Es konnte in dieser Studie kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem
Auftreten von Risikofaktoren für eine Hörstörung und einem auffälligen Testergebnis
erstellt werden, wenn auch einige Risikofaktoren, wie „Hyperbilirubinämie“ und „virale
Infektion“ in der auffälligen Gruppe häufiger vertreten waren.
Eine Beeinflussung des Screeningergebnisses durch die Vigilanzlage des Kindes und
Unterbrechungen ließ sich demonstrieren. So schnitt ein ruhiges Kind erfolgreicher im Test
ab, während kindliche Unruhe und Unterbrechungen eher mit einem auffälligen Ergebnis
verbunden waren.
Die besten Screeningresultate konnten zwischen dem 4. und 7. Lebenstag erzielt werden,
die schlechtesten fanden sich direkt am Geburtstag und ab dem 15. Lebenstag.
Wie auch in anderen Screeningstudien wurde eine geringe Akzeptanz der Eltern zu
notwendigen Kontrolluntersuchungen bei primär auffälligem Testergebnis bemerkt. So
wurden nach Krankenhausentlassung Termine zum Re-Screening aus verschiedenen
Gründen nicht wahrgenommen.
Die in dieser Screeningstudie gesammelten Erfahrungen lassen einige Empfehlungen für
die zukünftige Einrichtung eines Hörscreenings ableiten.
Ein generelles Hörscreening ist mit einem überschaubaren Maß an Aufwand durchführbar.
Aufgrund der relativ hohen Prävalenz von behandlungsbedürftigen Hörstörungen – ca. 1-2
von 1000 gesund geborenen Neugeborenen und 10-20 von 1000 Kindern mit einem
erhöhten Risiko für Schwerhörigkeit - und der Notwendigkeit von frühzeitigen
Therapieinterventionen sollte das Hörscreening in den Neugeborenenuntersuchungen
etabliert werden. Nur bei einem gleichzeitigen Einsatz von OAE-und BERA-Testung
könnten Kinder mit einer auditorischen Neuropathie identifiziert werden. Ein isoliertes
BERA-Screening würde diese Kinder zwar als auffällig erkennen, aber eine nähere
Differenzierung würde unterbleiben. Bei einem nur auf die OAE-Testung ausgerichteten
Screeningmodell würden diese Kinder durch das Raster fallen und fälschlicherweise den
hörgesunden Neugeborenen zugeordnet werden.
Bei freier Wahl eines Screeningmodells wird eine Kombination aus BERA- und OAE-
Testung bevorzugt. Nachteilig erweist sich der Kosten- und Zeitaufwand eines solchen
Screenings. Bei einem unimodalen Screening erscheint die BERA vorteilhafter als die
OAE-Testung, da sie über bessere Validitätskriterien verfügt, einen umfangreicheren
Prüfungsansatz bietet und die Hörstörung bei ANP diagnostiziert.
6. Zusammenfassung
145
Ein Screening sollte alle Neugeborenen umfassen und beidseitig erfolgen, da bei einem
reinen Risikokinder-Screening nur 50 % der Hörstörungen erfasst würden. Auch
ökonomische Analysen unterstützen ein universelles Neugeborenen-Screening.
Das Neugeborene sollte ein Erstscreening und ein eventuelles Re-Screening nach
Möglichkeit noch in der Geburtsklinik durchlaufen, um den Aufwand für alle Beteiligten
gering zu halten und geeignete Testbedingungen zu garantieren.
Ein Screening kann nur seine Aufgabe erfüllen, wenn eine Nachverfolgung der auffälligen
Kinder gewährleistet ist. Ein Eintrag im Vorsorgeheft in Stempelform oder als Barcode mit
Anlehnung an die Basisdaten des Stoffwechselscreenings, wie z. Zt. in einem Pilotprojekt
getestet, könnte die Kontrollen der auffälligen Kinder gewährleisten. Dazu müssen
allgemein verbindliche Richtlinien, die ein Tracking-Register und eine
Konfirmationsdiagnostik betreffen, installiert werden.
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Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. H. Hildmann Neugeborenen-Hörscreening Name des Kindes: Untersucher: Geburtsdatum: Datum: Untersuchungsbedingungen: ☐ ruhig ☐ Hintergrundgeräusch ☐ Unterbrechung
☐ Kind wach ☐ Kind schläft ☐ Kind unruhig Untersuchungszeit insgesamt: Ergebnis: ☐ unauffällig ☐ kontrollbedürftig
☐ Ergebnis Eltern mitgeteilt Bemerkungen/ Kontrolltermin: BERAphon MB12 Ohr re. ☐ unauffällig Ohr li. ☐ unauffällig
☐ kontrollbedürftig ☐ kontrollbedürftig EEG-Qualität: EEG-Qualität: Untersuchungszeit: Untersuchungszeit: Anzahl d. Kontrollen: Anzahl d. Kontrollen: EroScan Ohr re. ☐ unauffällig Ohr li. ☐ unauffällig
☐ kontrollbedürftig ☐ kontrollbedürftig
☐ zu laut/nicht dicht ☐ zu laut/nicht dicht Untersuchungszeit: Untersuchungszeit: Anzahl d. Kontrollen: Anzahl d. Kontrollen:
CI-Zentrum Ruhrgebiet
Klinik für HNO-Krankheiten, Kopf- und Halschirurgie der Ruhr-Universität Bochum
St. Elisabeth Hospital Bleichstr. 15, 44787 Bochum
Tel.: (0234) 612-390 Fax: (0234) 612-391 E-mail: [email protected]
Bochum,
Ergänzende Daten: Kind Geburtsdatum: Geschlecht: Körpergewicht ( in g ): Körperlänge ( in cm ): Kopfumfang ( in cm ): APGAR-Index: pH-Wert Nabelschnurblut: BE: postnatal Neonatologie: ☐ nein ☐ ja, Dauer:
Beatmung: ☐ nein ☐ ja, Dauer:
Sepsis: ☐ nein ☐ ja, Erreger:
virale Infektion: ☐ nein ☐ ja, Erreger:
Meningitis: ☐ nein ☐ ja, Erreger:
Antibiotikum: ☐ nein ☐ ja, Substanz: Therapiedauer: Bilirubin ( in mg/dl ): ototoxische Medikamente: Substanz: Expositionsdauer: Geburt: Risikogeburt: ☐ nein ☐ ja, Ursache:
Frühgeburt: ☐ nein ☐ ja SSW: Geburtsart: ☐ spontan ☐ Sectio
☐ Vakuumextraktion ☐ Zange
Hypoxie perinatal: ☐ nein ☐ ja Schwangerschaft
SS-Vorsorge: ☐ nein ☐ ja
Risiko-SS: ☐ nein ☐ ja, Ursache:
Viral./bakt. Infekt.: ☐ nein ☐ ja, Erreger: Trimenon/SSW: Noxen: ☐ nein ☐ ja, Substanz: Trimenon/SSW: Alter der Eltern: Mutter: Vater: famil. Schwerhörigkeit: ☐ nein ☐ ja
Danksagung
Herrn Professor Dr. med. Dr. h. c. H. Hildmann danke ich für die Überlassung des Themas
und die hilfreichen Denkanstöße.
Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. med. A. Hildmann für die umfangreiche und gute
Betreuung dieser Arbeit und fachliche Beratung.
Ich möchte die Unterstützung von Frau Dr. med. S. Sarantuja bei der Durchführung des
Hörscreenings hervorheben und mich bei ihr dafür bedanken.
Meinem Ehemann danke ich für die Beratung bei der Abfassung der Dissertation.
Lebenslauf Name Gudrun Peters, geb. Kalkofen
Geburtsdatum 13.09.1974
Geburtsort Haltern
Eltern Hedwig Kalkofen, kaufmännische Angestellte
Bernhard Kalkofen, Dachdeckermeister
Familienstand verheiratet
Schulausbildung 1981-1985 Freiherr-von-Eichendorf-Grundschule
1985-1994 Städtisches Gymnasium Haltern
Schulabschluß Allgemeine Hochschulreife
Studium 1994-1996 Studium der Humanmedizin an der Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg
09/1996 Ärztliche Vorprüfung
1996-2001 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität-
Bochum
08/1997 Erstes Staatsexamen
03/2000 Zweites Staatesexamen
05/2001 Drittes Staatsexamen
Berufstätigkeit 2001-2002 Arzt im Praktikum, Fachgebiet HNO am St. Elisabeth
Hospital Bochum
2002-2003 Weiterbildungsassistent, Fachgebiet Anästhesie am
St. Elisabeth Hospital Bochum
2003- Weiterbildungsassistent, Fachgebiet HNO am
St.Elisabeth Hospital Bochum