Handreichung
zur Gestaltung von
Lernsituationen
mit dem mobilen
Lernsystem Robotino®
von Festo Didactic
Festo Didactic
733303 DE
Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert unterrichten
Bestell-Nr.: 733303
Stand: 02/2008
Autoren: Alfred Riedl, Daniel Weber, Andreas Schelten, Monika Bliesener
Grafik: Doris Schwarzenberger
Layout: 02/2008, Beatrice Huber
© Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München, Lothstraße 17, 80335 München
Homepage: www.paed.wi.tum.de
© Festo Didactic GmbH & Co. KG, 73770 Denkendorf, 2008
Internet: www.festo-didactic.com
E-Mail: [email protected]
Weitergabe sowie Vervielfältigung dieses Dokuments, Verwertung und Mitteilung seines Inhalts verboten,
soweit nicht ausdrücklich gestattet. Zuwiderhandlungen verpflichten zu Schadenersatz. Alle Rechte
vorbehalten, insbesondere das Recht, Patent-, Gebrauchsmuster- oder Geschmacksmusteranmeldungen
durchzuführen.
Hinweis
Soweit in dieser Handreichung von Lehrern, Schülern etc. die Rede ist, sind selbstverständlich auch
Lehrerinnen, Schülerinnen etc. gemeint. Die Verwendung nur einer Geschlechtsform soll keine
geschlechtsspezifische Benachteiligung sein, sondern dient nur der besseren Lesbarkeit und dem
besseren Verständnis der Formulierungen.
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 3
Inhalt
Vorwort _______________________________________________________________________________ 5
1 Autonome Systeme in der Automatisierungstechnik _______________________________________ 7
2 Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule ________________________________________________ 9
2.1 Lerntheoretische Bezüge _____________________________________________________________ 9
2.2 Ausgangspunkt und Zielstellungen einer veränderten Lehrplanstruktur _____________________ 12
2.3 Lernfelder für den Unterricht der Berufsschule __________________________________________ 14
2.4 Handlungsorientierung im Unterricht ____________________________________________________
2.5 Projektunterricht __________________________________________________________________ 23
2.6 Moderner beruflicher Unterricht als integrative Gesamtkonzeption _________________________ 24
3 Die Komponenten des Lernsystems Robotino® _________________________________________ 25
3.1 Hardware ________________________________________________________________________ 25
3.2 Software ________________________________________________________________________ 29
3.3 Das Arbeitsbuch __________________________________________________________________ 30
4 Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino® ____________ 31
4.1 Vorbereitungen vor jedem Spiel _____________________________________________________ 31
4.2 Spielvorschlag: Slalomfahrt im begrenzten Raum _______________________________________ 33
4.3 Spielvorschlag: Manuelle Bahnfahrt auf Metallband _____________________________________ 35
4.4 Spielvorschlag: Parcours fahren mit Kamerabild ________________________________________ 37
4.5 Lernspiele aus didaktischer Perspektive _______________________________________________ 39
5 Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino® _________________________________ 41
5.1. Lerninhalte der Projektaufgaben des Arbeitsbuches und ihre
Zuordnung zu Berufen und Lernfeldern ________________________________________________ 41
5.2 Lerninhalte aus fachsystematischer Sicht und ihre Umsetzung in Projektaufgaben ____________ 42
5.3 Umsetzungsbeispiele für ausgewählte Inhalte __________________________________________ 43
5.3.1 Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme ________________________________________ 44
5.3.2 Bewegungsmöglichkeiten von Mehrachssystemen ______________________________________ 46
5.3.3 Aufgaben der Positionierung ________________________________________________________ 47
5.3.4 Sensoren und Aktoren _____________________________________________________________ 48
5.3.5 Steuerungs- und Regelungstechnik ___________________________________________________ 49
5.3.6 Perspektiven des Lernsystems Robotino® ______________________________________________ 50
5.4 Anknüpfpunkte zum bestehenden Unterricht ___________________________________________ 51
Inhalt
4 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
6 Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino® ______________________________________ 53
6.1 Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis __________________________________________ 53
6.2 Lerninhalte und Lernschritte ________________________________________________________ 54
6.2.1 Wareneingang und Erstinbetriebnahme _______________________________________________ 54
6.2.2 Umgang mit einem komplexen Antriebssystem _________________________________________ 54
6.2.3 Einbinden von verschiedenen Sensoren _______________________________________________ 55
6.2.4 Erstellung von Programmstrukturen __________________________________________________ 55
6.2.5 Auftragsübergabe an den Kunden ____________________________________________________ 56
7 Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino® _____________________________________ 57
7.1 Lernzugänge zum Lernsystem Robotino® ______________________________________________ 57
7.2 Umsetzung von Bestimmungsgrößen für einen handlungsorientierten Unterricht _____________ 59
7.3 Gestalten von Lernsituationen in einem lernfeldorientierten Unterricht
mit dem Lernsystem Robotino® ______________________________________________________ 62
8 Kleine Störungen selbst beheben ____________________________________________________ 65
9 Literatur _________________________________________________________________________ 67
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 5
Vorwort
Das Lernsystem Robotino® ist ein mobiles, autonomes Automatisierungstechnik-System. Es ermöglicht
Lehrkräften, Inhalte der Automatisierungstechnik innovativ und lernfeldorientiert zu unterrichten. Für einen
handlungsorientierten Unterricht ist es ein Lernmedium, mit dem Schüler sehr vielseitig, individualisiert und
eigenaktiv arbeiten können. Die von Robotino® angesprochenen fachlichen Inhalte sind sehr vielschichtig
und zielen auf ein weites Kompetenzspektrum. Je nach Unterrichtskonzeption lassen sich durch die
Lernarbeit mit Robotino® auch überfachliche Kompetenzen, sogenannte Schlüsselqualifikationen fördern.
Das Lernsystem Robotino® eignet sich für den Unterricht an beruflichen Schulen für die Berufsfelder
Elektrotechnik, Informationstechnik und Mechatronik mit den entsprechenden Ausbildungsberufen.
Robotino® wurde von der Firma Festo Didactic entwickelt. Die vorliegende Handreichung für einen
lernfeldorientierten Automatisierungstechnikunterricht mit Robotino® entstand in enger Kooperation mit
dem Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München.
Ziel dieser Handreichung ist, Lehrkräften den Einsatz von Robotino® in einem lernfeldorientierten Unterricht
zu erleichtern und sie bei der Gestaltung konkreter Lernsituationen zu unterstützen. Die Handreichung
ergänzt und erweitert das Lernsystem Robotino®. Sie zielt dabei insbesondere auf einen Einsatz in einem
lernfeldorientierten Unterricht. Nach kurzen lerntheoretischen Überlegungen erläutert die Handreichung die
Komponenten des Lernsystems mit seinen verschiedenen didaktischen Einsatzmöglichkeiten vor allem für
ein handlungsorientiertes Lernen. Sie gibt einen Überblick über die mit Robotino® vermittelbaren
Lerninhalte aus der Automatisierungstechnik. Einzelne Beispiele zeigen für ausgewählte Inhalte konkrete
Umsetzungsmöglichkeiten im Unterricht. Schließlich liefert die Handreichung Antworten auf häufig gestellte
Fragen. Somit hilft diese Unterlage Lehrkräften dabei, sich schnell in das Lernsystem Robotino®
einzuarbeiten und seinen Unterrichtseinsatz zu gestalten.
6 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 7
1 Autonome Systeme in der Automatisierungstechnik
Lange Zeit waren Robotersysteme stationär gebunden. Mobile Roboter als autonome Systeme sind ein
nächster Schritt in der Entwicklung der Automatisierungstechnik. Mobile Systeme sind ihren stationären
Vorgängern in vielen Belangen überlegen, da sie die gleichen Arbeiten durchführen, aber sich zusätzlich von
einem fixen Standort wegbewegen können. Ihr Einsatzspektrum erhöht sich dadurch ganz erheblich.
Aktuelle Einsatzgebiete für mobile Systeme sind derzeit z.B. Bereiche, die für Menschen schwer zugänglich
sind wie die Untersuchung von Kanalsystemen, Unterwasserwelten und Vulkanen. Aber auch für die
Unterstützung des Menschen bei seinen tagtäglichen Aufgaben finden Sie bereits ihren Einsatz. Realisiert ist
dies bereits z.B. bei Überwachungsaufgaben in Museen, Mäharbeiten in Sportanlagen, Transport von
Gegenständen in Supermärkten, Ausstellungshallen, Bibliotheken, Bahnhöfen, Flughäfen etc. Die
Entwicklungsperspektiven sind hier sehr vielschichtig. Aber auch im privaten Wohnumfeld zeichnen sich
Entwicklungen ab. Insbesondere älteren Menschen können mobile, autonome Systeme wertvolle Dienste
zur Erhöhung ihrer Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit leisten.
Ein heute schon relativ großes Einsatzgebiet haben fahrerlose autonome Transportsysteme bei modernen
Fertigungsverfahren und in Gefahrenbereichen.
Ein fahrerloses Transportsystem ist ein flurgebundener mobiler Roboter. Die Spurführung dieses
automatisierungstechnischen Systems erfolgt entweder auf vorgegebenen Fahrspuren oder aber auch auf
frei bestimmbaren Kursen innerhalb eines Lagers oder Betriebsgeländes. Entsprechend wird eine
leitliniengebundene von einer leitlinienfreien Spurführung unterschieden.
Den Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen zeigen beispielhaft die folgenden Bilder:
Autonome Systeme in der Automatisierungstechnik
8 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Generell kommt bei mobilen autonomen Systemen der Orientierung, Navigation und selbständige
Hinderniserkennung bzw. Hindernisumgehung große Bedeutung zu. Sie sind technisch meist sehr komplex
und stellen damit hohe Anforderungen an die Berufe, die für sie und ihre Einsatzfähigkeit zuständig sind.
Die davon berührten Bereiche der Automatisierungstechnik formen viele Berufsbilder der Elektro- und
Informationstechnik sowie der Mechatronik.
Das Lernsystem Robotino® zielt auf die Ausbildung von Kompetenzen, die im weiten Feld der
Automatisierungstechnik erforderlich sind. Als mobiles, autonomes System enthält es eine breite Palette an
technischen Elementen aus unterschiedlichen Bereichen der Automatisierungstechnik. Robotino® ist dabei
als systemische Einheit aus Hardware und Software zu sehen. Zwar steht jede Teilkomponente auch für sich.
Insbesondere ihrem Zusammenwirken kommt aber eine besonders hohe Bedeutung zu. Mit Robotino® lässt
sich ein sehr weites fachliches Spektrum aus unterschiedlichen Technologiebereichen ansprechen und im
Unterricht umsetzen. Folgende Themenaspekte lassen sich integrieren:
• Kinematik
• Antriebstechnik
• Steuerungs- und Regelungstechnik
• Sensorik
• Informatik
• Prozesstechnik
• Kommunikationstechnik
• Bilderfassungs- und Bildverarbeitungstechnik
• Thematiken der angewandten Mathematik
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 9
2 Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
Nachfolgende Ausführungen stellen schlaglichtartig theoretische Bezüge zum Lernfeldkonzept her. Die
Überlegungen zeichnen in einem lerntheoretischen Bezugspunkt unterschiedliche Grundauffassungen für
Unterricht nach. Sie stellen Ausgangspunkt und Zielstellungen der veränderten Lehrplanstruktur vor. Sie
skizzieren die Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) in den Rahmenlehrplänen und leiten daraus
eine mögliche didaktische Umsetzung ab. Für eine Vertiefung der ausgewählten Aspekte und die
Erweiterung der hier nicht ausgeführten Überlegungen sei auf die zitierte Literatur verwiesen.
2.1 Lerntheoretische Bezüge
Ein aktueller Begriff in der lerntheoretischen Diskussion einer modernen beruflichen Bildung ist der
konstruktivistische Unterricht. Der Konstruktivismus ist eine Theorie über die Entstehung von Wissen über
Dinge und Sachverhalte, somit eine Erkenntnistheorie. Die konstruktivistische Position unterscheidet sich
stark von traditionellen Sichtweisen, da sie für ein Individuum den aktiven Generierungsprozess bei der
Wissensentstehung besonders betonen. Der ‚Radikale Konstruktivismus' geht davon aus, dass alles Wissen,
wie immer es auch definiert sein mag, nur in den Köpfen von Menschen existiert und dass das denkende
Subjekt sein Wissen nur auf der Grundlage eigener Erfahrungen konstruieren kann. Konsequenterweise
wäre nach diesen Annahmen die Vermittlung von Lerninhalten oder Wissen im Sinne einer Übertragung
nicht möglich. Der Konstruktivismus steht in seiner radikalen Ausprägung der Instruktion in Lehr-Lern-
Prozessen somit skeptisch gegenüber.
Der Konstruktivismus ist in seiner moderaten Form für Lernen relevant. Er sieht vor, dass Instruktion und
aktive individuelle Wissenskonstruktion nicht nur vereinbar, sondern meist erforderlich sind und sich
gegenseitig bedingen. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die konstruktivistische Lernauffassung viele
wertvolle Hinweise zur Gestaltung von Lernumgebungen geben kann. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen
werden individuelle Unterschiede stärker berücksichtigt. Lernkonzepte sind weniger autoritär und besser
zur Vermittlung komplexer Fähigkeiten, wie z.B. Problemlösungskompetenz, kritisches, vernetztes und
ganzheitliches Denken sowie Selbstständigkeit geeignet. Insbesondere werden Probleme eines trägen
Wissens und mangelnder Transferfähigkeit berücksichtigt (ausführlicher siehe Riedl 2004a, S. 44ff.). Die
hier einleitend vorgestellten theoretischen Überlegungen werden im Folgenden aufgegriffen und näher
dargestellt.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
10 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Grundauffassungen von Unterricht
Übergeordnete und sich gegenüberstehende Grundauffassungen von Unterricht sind die objektivistische
und die konstruktivistische Ausformung. Die konstruktivistische Unterrichtsauffassung lässt sich in einem
handlungsorientierten Unterricht umsetzen. Sie hebt sich von einem objektivistischen Unterricht ab, in
dessen Gefolge ein wissenschaftsorientierter Unterricht zu sehen ist. Zum besseren Verständnis einer
konstruktivistischen Lehr-Lern-Auffassung erfolgt eine Gegenüberstellung, die zunächst den
objektivistischen und wissenschaftsorientierten Ansatz erläutert.
ObjektivistischerUnterricht
WissenschaftsorientierterUnterricht
HandlungsorientierterUnterricht
Entsprechungen bzw. Parallelitäten
Gegenläufige, sich aber nicht grundsätzlich ausschließende Beziehung
KonstruktivistischerUnterricht
Übersicht 2.1: Grundauffassungen von Unterricht
Objektivistischer Unterricht
Die objektivistische Auffassung von Lehr-Lern-Prozessen vertritt die traditionelle Sicht von Unterricht.
Wissen lässt sich durch Experten objektiv festlegen und entsprechend in fachsystematischen Strukturen
instruktionsorientiert durch die Lehrkraft vermitteln. Die Lehrkraft ist aktiv. Sie geht darstellend erläuternd
vor und ist Vermittler und Präsentierer neuer, klar strukturierter Inhalte. Der Lernende ist hierbei
vornehmlich in einer aufnehmenden Rolle. Er wird dabei stark von außen angeleitet. Seine schöpferische
Kraft soll durch Belehrung erst entstehen. Anhänger des objektivistisch ausgerichteten Unterrichts werden
als Objektivisten, Traditionalisten oder Strukturalisten bezeichnet.
Bei der objektivistischen Auffassung von Unterricht besteht die Gefahr, dass das vermittelte Wissen "träge"
verbleibt, indem es in neuen Situationen bei der Lösung von Problemen nicht aktiv eingesetzt werden kann.
Das erworbene Wissen bleibt schwerfällig. Es ist nur schwer für Anwendungs- und Gestaltungsaufgaben
einsetzbar.
Der objektivistische Unterricht findet eine Entsprechung im wissenschaftsorientierten Unterricht. Bei einem
wissenschaftsorientierten Unterricht werden für das betreffende Unterrichtsfach oder Lernfeld jene Inhalte,
Anordnungs-, Verfahrens- und Betrachtungsweisen zugrunde gelegt, welche die korrespondierenden
Wissenschaften ausmachen. Der Unterricht richtet sich nach den zugrunde liegenden Wissenschaften aus
und wird von ihnen geleitet. Die Bildungsgegenstände werden durch die Wissenschaften erkannt und
entsprechend diesen Wissenschaften vermittelt.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 11
Während beim handlungsorientierten Unterricht u. a. der Blick für die Berufstheorie aus den
Handlungsanforderungen des Berufes kommt, blendet der wissenschaftsorientierte Unterricht die Berufs-
und Arbeitssituation, in der die Lernenden in einer beruflichen Bildung stehen, oft aus. Bei dem
wissenschaftsorientierten Unterricht rückt die sachlogische Fachsystematik der zugrunde liegenden
wissenschaftlichen Disziplin bzw. der Disziplinen in den Vordergrund. Die Fachsystematik bestimmt die
Ermittlung und Vermittlung der Bildungsinhalte. Neben den didaktisch reduzierten Inhalten der
Bezugswissenschaften können dabei auch die Methoden ihrer Erkenntnisgewinnung zum Gegenstand des
Unterrichts werden.
Konstruktivistischer Unterricht
Der Begriff eines konstruktivistischen Unterrichts ist zu Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts aus
der nordamerikanischen Pädagogik in die deutsche Pädagogik gelangt. Die Anhänger des
konstruktivistischen Unterrichts wenden sich gegen die traditionelle Auffassung von Unterricht, nach der
Wissen in objektiven, fachsystematischen Strukturen instruktionsorientiert durch die Lehrkraft vermittelt
werden kann.
Die Hirnforschung der letzten Jahre bestätigt, dass Lernen kein passives Aufnehmen und Abspeichern von
Informationen und Wahrnehmungen ist, sondern ein aktiver Prozess der Wissenskonstruktion. Etwas lernen
heißt, das Konstrukt im Kopf zu überarbeiten oder zu erweitern. Es heißt, sich aktiv und intensiv mit dem
Lerngebiet auseinander zu setzen. Außerdem ist Lernen ein individueller, selbstgesteuerter Prozess, der je
nach Vorkenntnissen und -erfahrungen sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Konstruktivistisch orientierte Pädagogen gehen davon aus, dass ein Wissenserwerb in einem vom
Lernenden aktiv-aufbauenden Prozess erfolgt. Lerngegenstände müssen dazu in einem konkreten
Situationsbezug stehen. Entlang dieser Situation entwickelt der Lernende sein Wissen selbst und passt es in
seine individuelle Wissensstruktur konstruktiv ein. Erst damit entsteht richtig verstandenes Wissen, das
nach Ansicht der Konstruktivisten weniger träge ist.
Beim konstruktivistischen Unterricht liegt die Aktivität auf Seiten des Lernenden, der in einem situierten
Prozess sein Lernen gestaltet. Die Lehrkraft unterstützt, berät und regt diesen Prozess an. Sie schafft für den
Lernenden eine situierte Lernumgebung. Mit anderen Worten versucht ein konstruktivistisches Lernen
folgende Merkmale zu berücksichtigen:
• Lernen muss durch die aktive Beteiligung der Lernenden erfolgen, die motiviert sind und an dem, was
oder wie sie es tun, Interesse haben oder entwickeln.
• Lernende können ihre Lernprozesse immer auch selbst steuern und kontrollieren, der Ausprägungsgrad
kann je nach Lernsituation variieren.
• Lernen erfolgt konstruktiv, dazu müssen immer der Erfahrungs- und Wissenshintergrund der Lernenden
berücksichtigt werden und darauf bezogene Interpretationen stattfinden können.
• Lernen ist situativ, da es stets in einem spezifischen Kontext abläuft, der ganzheitlich, lebens- und
berufsnah ist. Hierbei ist möglichst die Realität mit unstrukturierten Problemen leitend, die nicht
reduktionistisch vereinfacht sind.
• Fehler sind bedeutsam, ihr Besprechen und Korrigieren ist Verständnis fördernd.
• Lernen ist ein sozialer Prozess, daher muss es als interaktives Geschehen stattfinden und den
soziokulturellen Hintergrund der Lernenden berücksichtigen.
• Neben kognitiven Aspekten sind Gefühle wie z.B. Erwartungshaltungen, Freude, Angst oder die
persönliche Identifikation mit dem Lerngegenstand bedeutsam.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
12 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
• Lernen bezieht sich besonders auf Fortschritte im Lernprozess und nicht nur auf Lernprodukte.
Integrative Prüfungsverfahren sollen dies berücksichtigen, die auch eine Selbstevaluation durch
Lernende vorsehen können.
Somit erfolgt Lernen aus moderat konstruktivistischer Sicht situiert und anhand authentischer Bezüge.
Lerngegenstände sind möglichst in multiplen Kontexten zu bearbeiten, um eine zu enge Bindung
erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten an konkrete Situationen zu vermeiden. Multiple Perspektiven
erhöhen die Flexibilität bei der Anwendung des Gelernten. Die instruktionale Unterstützung wirkt
ineffektivem Lernen und der Überforderung einzelner Lernender entgegen.
Balance
Soweit sich ein objektivistischer Unterricht um Anwendung des vermittelten Wissens bemüht, steht dieser
Unterricht zwar in einer gegenläufigen, aber nicht grundsätzlich ausschließenden Beziehung zu einem
konstruktivistischen Unterricht. Bemüht sich der konstruktivistische Unterricht darum, kontinuierlich
unterstützende Hilfen von Seiten der Lehrkraft beim selbständigen situierten Lernen anzubieten, nimmt
dieser Unterricht zwar eine gegenläufige, nicht aber grundsätzlich ausschließende Position zum
objektivistischen Unterricht ein. Bei dieser moderat konstruktivistischen Position geht es auch darum,
dekontextualisierte Wissensstrukturen aufzubauen, die für weitere Problemlösungen zur Verfügung stehen.
Das heißt, neu entstandenes Wissen soll abstrahiert und transferiert werden können, damit es sich auch
außerhalb der Situation anwenden lässt, in der es erworben wurde.
Durch die zunehmende Geschäfts- und Arbeitsprozessorientierung drängt es in der beruflichen Bildung zu
einem konstruktivistischen Unterricht. Aufgrund der Prozessorientierung in der modernen beruflichen
Bildung wächst die Bedeutung eines konstruktivistischen Unterrichts.
2.2 Ausgangspunkt und Zielstellungen einer veränderten Lehrplanstruktur
Veränderte Qualifikationsanforderungen
Die Qualifikationsanforderungen an berufliche Facharbeit haben sich in den letzten Jahrzehnten stark
verändert. Heute steht der Begriff ‚berufliche Handlungskompetenz' im Mittelpunkt. Berufliche
Handlungskompetenz offenbart sich in einem professionellen Handeln. Hier kann als zusammenfassende
Anforderung das selbstständige Planen, Durchführen und Kontrollieren einer Arbeitshandlung gelten. Neben
den steigenden inhaltlichen und fachlichen Voraussetzungen zur Bewältigung beruflicher Anforderungen
kommen zunehmend personale und soziale Fähigkeiten immer stärker zum Tragen, die sich dem Konzept
der Schlüsselqualifikationen zuordnen lassen. Dabei steht im Zentrum berufskompetenten Tuns ein sich
selbst bestimmendes Individuum, das reflektiert, eigenverantwortlich und gemeinschaftsorientiert handelt
und bereit ist, sich weiterzuentwickeln.
Veränderungen bei den Qualifikationsanforderungen des Beschäftigungssystems stellen sich durch eine
stetig zunehmende Dynamisierung von Weiterentwicklungen in immer kürzeren Zyklen ein. Zahlreiche und
wiederkehrend erforderliche Neuordnungen der Ausbildungsberufe in den verschiedenen Berufsfeldern
(beginnend 1987 mit Metall und Elektrotechnik) sind die entsprechende strukturelle Reaktion.
Aus der Unterrichtsperspektive zielen aktuelle Bestrebungen in der beruflichen Bildung derzeit darauf, Lehr-
Lern-Prozesse in komplexen Lernumgebungen eines konstruktivistischen Unterrichts stärker zu
individualisieren. Dieser gegenwärtig erkennbare didaktische Konzeptwechsel in einer technischen
beruflichen Bildung will, dass Lehr-Lern-Prozesse stärker situiert, von Schülern selbst gesteuert und
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 13
kooperativ verlaufen. Damit verbunden ist die Annahme, die Kompetenzentwicklung von Lernenden positiv
zu beeinflussen.
Handlungskompetenz
Die übergeordnete Zielvorstellung einer zeitgemäßen beruflichen Bildung manifestiert sich im Begriff der
Handlungskompetenz. Sie zeigt sich in der Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen,
gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und sozial
verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fachkompetenz,
Humankompetenz und Sozialkompetenz. Hinzu kommen Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz
und Lernkompetenz.
Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz,Lernkompetenz
Human-kompetenz
Sozial-kompetenz
Fach-kompetenz
Übersicht 2.2: Handlungskompetenz und ihre Dimensionen
In der Handreichung der KMK sind die Dimensionen von Handlungskompetenz mit nachfolgenden
Umschreibungen gekennzeichnet (2007, S. 11):
• Fachkompetenz
bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens
Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und
das Ergebnis zu beurteilen.
• Humankompetenz
bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen,
Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu
durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und
fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen,
Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die
Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte.
• Sozialkompetenz
bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten,
Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit Anderen rational und
verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen. Hierzu gehört insbesondere auch
die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität.
Bestandteil sowohl von Fachkompetenz als auch von Humankompetenz als auch von Sozialkompetenz
sind Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz und Lernkompetenz.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
14 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
• Methodenkompetenz
bezeichnet die Bereitschaft und Befähigung zu zielgerichtetem, planmäßigem Vorgehen bei der
Bearbeitung von Aufgaben und Problemen (zum Beispiel bei der Planung der Arbeitsschritte).
• Kommunikative Kompetenz
meint die Bereitschaft und Befähigung, kommunikative Situationen zu verstehen und zu gestalten.
Hierzu gehört es, eigene Absichten und Bedürfnisse sowie die der Partner wahrzunehmen, zu verstehen
und darzustellen.
• Lernkompetenz
ist die Bereitschaft und Befähigung, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge
selbstständig und gemeinsam mit Anderen zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen
einzuordnen. Zur Lernkompetenz gehört insbesondere auch die Fähigkeit und Bereitschaft, im Beruf
und über den Berufsbereich hinaus Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln und diese für
lebenslanges Lernen zu nutzen.
Diese aktualisierte und gegenüber früheren Rahmenlehrplänen veränderte begriffliche Umschreibung von
Handlungskompetenz findet sich in den Rahmenlehrplänen der KMK bereits ab ca. 2005 in der dargestellten
Form. Damit führt die KMK den Begriff der Humankompetenz neu ein, der die früher in den
Rahmenlehrplänen verwendete Bezeichnung Personalkompetenz ersetzt. Bisherige begriffliche
Umschreibungen von Fach-, Personal-, Sozialkompetenz wurden im Wortlaut beibehalten. Eine orthogonale
Zuordnung von Methodenkompetenz, kommunikativer Kompetenz und Lernkompetenz soll die aktuelle
Bedeutung dieser drei Kompetenzausprägungen hervorheben. Dem gemäß kommen diese drei
Kompetenzen sowohl bei der Fach-, Human- und Sozialkompetenz zum Tragen (siehe Übersicht 2.2).
2.3 Lernfelder für den Unterricht der Berufsschule
Curricularer Rahmen für eine technische berufliche Bildung in der Berufsschule sind Rahmenlehrpläne, die
nach Lernfeldern geordnet sind. Die Einführung des Lernfeldkonzeptes durch die KMK basiert auf der
ambitionierten Zielperspektive der Anbahnung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz, dem
selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren von Arbeitstätigkeiten. Diese Leitidee hat ab 1996
mit der ersten Veröffentlichung der ‚Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der
Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit
Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe' für die Gestaltung von
Rahmenlehrplänen einen didaktischen Konzeptwechsel eingeleitet (Sekretariat der
Kultusministerkonferenz, KMK 2007, aktuelle Fassung).
Lernfelder als curricularer Rahmen
In den Rahmenvereinbarungen der KMK über die Berufsschule von 1991 ist der Bildungsauftrag der
Berufsschule beschrieben. Berufsbildung ist nach diesen Vorgaben einem doppelten Ziel verpflichtet:
• Der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Subjekte in sozialer Verantwortung
• zusammen mit der Qualifizierung zur Ausübung der Tätigkeiten eines Berufs, die auf dem Arbeitsmarkt
nachgefragt werden oder für die ein Bedarf erwartet werden kann.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 15
Bezogen auf diesen Bildungsauftrag führen die Vorgaben der KMK zu einer veränderten didaktischen
Struktur der Lernziele und Lerninhalte. Sie weisen dabei besonders auf eine geforderte
Handlungsorientierung des Unterrichts hin: "Die Zielsetzung der Berufsausbildung erfordert es, den
Unterricht an einer auf die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten, die
Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbständigem Planen, Durchführen und Beurteilen
von Arbeitsaufgaben im Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt" (KMK 2007, S. 12).
Diese grundsätzlich geforderte Ausrichtung des Unterrichts wird durch die nach Lernfeldern strukturierten
Rahmenlehrpläne curricular unterstützt. Dabei ist die zugrunde liegende Idee, "bei der Planung von Lehr-
Lern-Arrangements nicht von fachsystematischen Inhaltskatalogen auszugehen, sondern von beruflichen
Handlungsfeldern und diese theoretisch aufzuklären. Hierbei sind Lernfelder nicht einfach in den Unterricht
"abgebildete" berufliche Handlungsfelder, sondern didaktisch-methodische Konstrukte, die durch Reflexion
und Rekonstruktion beruflichen Handelns gewonnen werden. Lernfelder sind didaktisch begründete und für
den Unterricht aufbereitete Handlungsfelder" (Bader 1998, S. 211 ). Lernfelder abstrahieren somit konkrete
berufliche Handlungsfelder und führen zur theoriegeleiteten Durchdringung von beruflichen
Handlungssituationen. Durch die Lernarbeit in den verschiedenen Lernfeldern eines Ausbildungsberufes in
der Berufsschule leistet sie einen umfassenden Beitrag zur Berufsqualifikation.
Die Handreichung der KMK betont auf der Grundlage lerntheoretischer und didaktischer Erkenntnisse in
einem pragmatischen Ansatz die Forderung nach einem modernen beruflichen Unterricht, der in seiner
Grundkonzeption handlungsorientiert ausgerichtet ist. Sie untermauern dies mit der Aussage: "Für
erfolgreiches, lebenslanges Lernen sind Handlungs- und Situationsbezug sowie die Betonung
eigenverantwortlicher Schüleraktivitäten erforderlich. Die Vermittlung von Orientierungswissen,
systemorientiertes vernetztes Denken und Handeln, das Lösen komplexer und exemplarischer
Aufgabenstellungen werden mit einem handlungsorientierten Unterricht in besonderem Maße gefördert"
(KMK 2007, S. 17). An dieser Stelle wird aber auch betont, dass es unverzichtbar ist, "die jeweiligen Arbeits-
und Geschäftsprozesse in den Erklärungszusammenhang zugehöriger Fachwissenschaften zu stellen"
(ebd.).
Für die Gestaltung eines handlungsorientierten Unterrichts auf Grundlage eines Lernfeldkonzeptes nennen
sie folgende Orientierungspunkte:
• "Didaktische Bezugspunkte sind Situationen, die für die Berufsausübung bedeutsam sind (Lernen für
Handeln).
• Den Ausgangspunkt des Lernens bilden Handlungen, möglichst selbst ausgeführt oder aber gedanklich
nachvollzogen (Lernen durch Handeln).
• Handlungen müssen von den Lernenden möglichst selbständig geplant, durchgeführt, überprüft, ggf.
korrigiert und schließlich bewertet werden.
• Handlungen sollten ein ganzheitliches Erfassen der beruflichen Wirklichkeit fördern, z. B. technische,
sicherheitstechnische, ökonomische, rechtliche, ökologische, soziale Aspekte einbeziehen.
• Handlungen müssen in die Erfahrungen der Lernenden integriert und in Bezug auf ihre
gesellschaftlichen Auswirkungen reflektiert werden.
• Handlungen sollen auch soziale Prozesse, zum Beispiel der Interessenerklärung oder der
Konfliktbewältigung, sowie unterschiedliche Perspektiven der Berufs- und Lebensplanung einbeziehen"
(KMK 2007, S. 12).
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
16 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Hierbei verweist die KMK jedoch ausdrücklich darauf, dass handlungsorientierter Unterricht ein didaktisches
Konzept ist, "das fach- und handlungssystematische Strukturen miteinander verschränkt. Es lässt sich
durch unterschiedliche Unterrichtsmethoden verwirklichen" (ebd. S. 13). Somit enthält der Rahmenlehrplan
zwar keine methodischen Festlegungen für den Unterricht. Die Handreichungen fordern aber klar, dass bei
der Unterrichtsgestaltung "Unterrichtsmethoden, mit denen Handlungskompetenz unmittelbar gefördert
wird, besonders berücksichtigt werden. Selbstständiges und verantwortungsbewusstes Denken und
Handeln als übergreifendes Ziel der Ausbildung muss Teil des didaktisch-methodischen Gesamtkonzepts
sein" (ebd. S. 8).
Vom beruflichen Handlungsfeld zur Lernsituation
Berufliche Handlungsfelder einer ausgebildeten Fachkraft geben die Struktur der Lernfelder in den
Rahmenlehrplänen vor. Die berufsbezogene Festlegung und Abgrenzung von Lernfeldern orientiert sich an
betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessen, die Lernfelder in typischen Aufgabenbereichen bündeln. Für
die konkrete Ausgestaltung von Lernfeldern und ihrer Umsetzung im Unterricht sind berufliche
Aufgabenstellungen und Handlungsfelder leitend. Hierzu muss für die didaktische und
unterrichtsorganisatorische Planung als praktische Umsetzung des Lernfeld-Konzepts in der Berufsschule
eine Gestaltung von beruflich relevanten Lernsituationen erfolgen.
Nachfolgende Übersicht gibt gängige Definitionen für die Begriffe berufliches Handlungsfeld, Lernfeld und
Lernsituation wieder und zeigt den Transformationszusammenhang zwischen ihnen auf:
Handlungsfelder sind zusammengehörige Aufgabenkomplexe mit beruflichensowie lebens- und gesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen, zu derenBewältigung befähigt werden soll. Handlungsfelder sind immer mehrdimensional,indem sie stets berufliche, gesellschaftliche und individuelle Problemstellungenmiteinander verknüpfen. Die Gewichtung der einzelnen Dimensionen kann dabeivariieren. Eine Trennung der drei Dimensionen hat nur analytischen Charakter.
Lernfelder sind didaktisch begründete, schulisch aufbereiteteHandlungsfelder. Sie fassen komplexe Aufgabenstellungenzusammen, deren unterrichtliche Bearbeitung in handlungs-orientierten Lernsituationen erfolgt. Lernfelder sind durchZielformulierungen im Sinne von Kompetenzbeschreibungenund durch Inhaltsangaben ausgelegt.
Lernsituationen konkretisieren die Lernfelder. Dies geschieht in Bildungsgang-konferenzen durch eine didaktische Reflexion der beruflichen sowie lebens- undgesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen.
4
3
12
Übersicht 2.3: Handlungsfelder, Lernfelder und Lernsituationen (Bader, Schäfer 1998)
Bader und Schäfer (1998) stellen detailliert Transformationen und verschiedene Analyseschritte zwischen
komplexem beruflichem Handlungsfeld, Lernfeld und didaktisch strukturierter Lernsituation auf den
verschiedenen Reflexionsstufen vor. Sie sollen ein systematisches Erschließen bildungsrelevanter
Lernfelder und Lernsituationen aus komplexen Handlungsfeldern erleichtern. Orientiert an theoretischen
Grundlagen beziehen sie sich auf Kriterien der didaktischen Analyse nach Klafki und auf lehr-
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 17
lerntheoretische Modellvorstellungen nach Heimann, Otto und Schulz. Hinzu kommen
handlungstheoretische Ansätze und Aspekte der Kompetenzentwicklung. Nachfolgende Ausführungen
beleuchten kurz die einzelnen Transformationen. (1) und (2) erfolgen bei der Lehrplangestaltung gemäß den
Vorgaben durch die KMK. (3) und (4) sind Aufgaben, die Lehrkräfte bei der Umsetzung der
Lehrplanrichtlinien übernehmen.
Didaktische Reflexion vom Handlungsfeld zum Lernfeld (1)
Komplexe berufliche Handlungsfelder existieren für jeden Beruf in großer Zahl. Jedoch erst eine didaktische
Reflexion führt zu didaktisch begründeten Lernfeldern. Die Beantwortung der Frage, auf welche Weise
Handlungsfelder in didaktisch begründeten Lernfeldern widergespiegelt werden können, erfolgt anhand von
vier Grundfragen der Didaktischen Analyse nach Klafki: Gegenwartsbedeutung, Zukunftsbedeutung,
exemplarische Bedeutung und thematische Struktur (siehe auch Bader 2003, S. 215f.).
Beispiel
Das Lernfeld Warten und Pflegen von Fahrzeugen oder Systemen aus dem Rahmenlehrplan für den KFZ-
Mechatroniker (KMK 16.05.2003, S. 11) ist das erste Lernfeld in der 10. Jahrgangsstufe (nachfolgende, in
diesem Kapitel angeführte Beispiele beziehen sich darauf). Erste berufliche Handlungen mit Beginn der
Ausbildung sind häufig einfache Pflege- und Wartungsarbeiten. Aber auch später sind Pflege- und
Wartungsarbeiten zur Funktions- und Werterhaltung an Fahrzeugen oder berufstypischen Systemen für
diesen Beruf sehr wichtig. Die exemplarische Bedeutung dieses Lernfeldes bezieht sich z.B. auf die
Entwicklung eines Sicherheits- und Qualitätsbewusstseins und der Anwendung von Vorschriften für die
Arbeitssicherheit und den Umweltschutz. Die thematische Struktur geht von der Arbeitsplanung aus,
umfasst z.B. technische Informations-, Kommunikations- und Dokumentationssysteme, Geräte und
Verfahren zum Prüfen und Messen, Werkzeuge, Betriebs- und Hilfsstoffe. Gleichzeitig bezieht sie auch
Gesprächsführung und Kommunikationsregeln im Umgang mit dem Kunden ein.
Didaktische Reflexion vom Lernfeld zum Handlungsfeld (2)
Wenn ein Handlungsfeld in der beschriebenen Weise analysiert und als relevant für die Konkretisierung und
Ausgestaltung in einem Lernfeld identifiziert worden ist, muss geprüft werden, in welcher Weise das
Lernfeld dazu beitragen kann, berufliche Handlungskompetenz zu entwickeln und zu fördern. Dies bedingt
die Bildungsrelevanz eines jeden Lernfeldes, die in erster Linie eine Reflexion auf curricularer Ebene ist.
Fragen hierzu sind, welchen Beitrag ein Lernfeld zur Bewältigung gegenwärtiger Lebenssituationen der
Lernenden leistet, ob ein Lernfeld eine vollständige in sich geschlossene berufliche Handlung abbildet, ob
neben fachlichen Zusammenhängen ein Lernfeld auch gesellschaftliche und individuelle Aspekte anspricht
und wie die verschiedenen Dimensionen von Handlungskompetenz für das jeweilige Lernfeld spezifisch
formuliert werden können.
Beispiel
Das aus dem KFZ-Mechatroniker-Lehrplan als Beispiel herangezogene Lernfeld Warten und Pflegen von
Fahrzeugen oder Systemen ermöglicht durch die vielfältig behandelten Aspekte eine ganzheitliche
Bewältigung der Anforderungen dieses definierten Handlungsfeldes. Über rein berufsbezogene und
fachliche Lerninhalte hinaus werden die verbale und nonverbale Kommunikationsfähigkeit und ein
Konfliktvermeidungsverhalten ebenso gefördert wie insgesamt ein Streben nach Arbeitsqualität und ein
Bewusstsein für umweltgerechtes Verhalten.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
18 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Didaktische Reflexion vom Lernfeld zur Lernsituation (3)
Lernsituationen als exemplarische curriculare Bausteine bringen fachtheoretische Inhalte in einen
Anwendungszusammenhang und präzisieren die Vorgaben der Lernfelder. In ihrer Gesamtheit haben sie die
Aufgabe, die Ziele des Lernfeldes abzudecken. Auf dieser Ebene erfolgt die konkrete Planung der
Unterrichtseinheiten, für die unterrichtsorganisatorische Bedingungen analysiert werden müssen. Die
Umsetzung von Lernsituationen im Unterricht ist Aufgabe des Lehrerteams der einzelnen Berufsschule.
Hierbei bietet sich über die Auswahl der Beispiele die Möglichkeit, spezifische regionale Anforderungen in
der Berufsausbildung zu berücksichtigen. Für diese Planung und Ausgestaltung der Lernsituationen spielt
die Zugänglichkeit und Darstellbarkeit der Thematik eine entscheidende Rolle.
Beispiel
Das Lernfeld Warten und Pflegen von Fahrzeugen oder Systemen erschließt sich bei seiner Umsetzung z.B.
durch die exemplarisch durchlaufene Planung, Durchführung und Kontrolle einer Wartungsarbeit an einem
KFZ nach Kundenwunsch. Dabei können Lernende z.B. auf Original-Herstellerunterlagen und Servicepläne
zurückgreifen.
Für die konkrete Ausgestaltung der Lernsituation müssen insbesondere die schulischen
Rahmenbedingungen für die Lernumgebung beachtet werden (vorhandene Fachunterrichtsräume,
einsetzbare Medien und Arbeitsgegenstände, hier z.B. ein KFZ oder ein anderes komplexes technisches
System, an dem ein solcher Geschäftsprozess exemplarisch geplant und durchgeführt werden kann).
Zu diesen unterrichtsorganisatorischen Einflussgrößen kommen weiter die Eingangsvoraussetzungen der
Lernenden als Bedingungsfelder des Unterrichts für die Planung und Ausgestaltung der Lernsituationen
hinzu (anthropologisch-psychologische, sozial-kulturelle aus der Lehr-Lerntheoretischen Didaktik).
Unterschiede ergeben sich hieraus z.B. für Lernende aus dem Nutzfahrzeug-, PKW- oder Motorradbereich.
Lernende können in verschiedenen Klassen einen unterschiedlichen Entwicklungsstand haben, der z.B.
abhängig von jeweiligen Betriebsstrukturen (Größe, Ausbildungsqualität, technische Ausstattung, etc.),
sozialer Herkunft der Lernenden, Alter, usw. sein kann.
Didaktische Reflexion von der Lernsituation zum Handlungsfeld (4)
Die Reflexion einer möglichen Kompetenzentwicklung für berufliche Handlungsfelder analysiert, in welcher
Weise Lernsituationen dazu beitragen, berufliche sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsame
Problemstellungen zu bewältigen und welche Aspekte beruflicher Handlungskompetenz durch die jeweilige
Lernsituation besonders gefördert werden können. Hierbei stehen Fragen der methodischen Gestaltung und
der Überprüfbarkeit von Lernprozessen im Vordergrund. Mit der Frage, in welcher Weise in Lernsituationen
Handlungsstrukturen zur Bewältigung der Anforderungen eines Handlungsfeldes aufgebaut werden können,
schließt sich der Kreis.
Beispiel
Das Lernfeld Warten und Pflegen von Fahrzeugen oder Systemen zielt z.B. auf das Lesen können von
Blockschaltbildern, Diagrammen und Funktionsschemata oder die Gesprächsführung mit Kunden, um einen
Wartungsauftrag entgegenzunehmen. Dies erfordert unterschiedlich gestaltete Lernsituationen für die
anvisierten Kompetenzen. Den jeweils im Vordergrund stehenden Zielkategorien beruflicher
Handlungskompetenz (siehe Grafik 2.2 weiter oben) muss die Gestaltung der Lernsituationen gerecht
werden, um sie anbahnen zu können.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 19
Dies betrifft auch die Form der Überprüfung der einzelnen Dimensionen von Handlungskompetenz.
Testformen, die sich primär auf eine Überprüfung des Wissenszuwachses im Bereich der Fachkompetenz
richten, können z.B. soziale Kompetenzen wie die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten oder
methodische und personale Kompetenzen kaum erfassen. Diese komplexen Kompetenzbereiche erfordern
Prüfungssituationen bzw. Diagnoseverfahren (oft auch individualdiagnostischer Art), die ihnen Rechnung
tragen. Ihre Realisierung im Unterricht der Berufsschule kann aber aufgrund des damit verbundenen, meist
hohen Aufwandes erhebliche Schwierigkeiten in sich bergen.
2.4 Handlungsorientierung im Unterricht
In sehr vielen Bereichen haben sich Verlagerungstendenzen von der Handarbeit hin zu zunehmender
Kopfarbeit ergeben. Für die Berufsausbildung bedeutet dies, dass die theoretischen Anteile immer mehr
zunehmen und die Vermittlung der benötigen Kenntnisse und Fertigkeiten einer gesteigerten theoretischen
Durchdringung bedarf. Umgekehrt verlangt die immer komplexer werdende Theorie eine handlungsgemäße
Umsetzung in der Berufsschule, um vermittelbar zu bleiben. Herkömmliche Qualifizierungskonzepte können
aufgrund ihrer meist primären Orientierung an einer Wissensvermittlung diesen veränderten Anforderungen
aber oft nicht gerecht werden.
Ein Unterschied bei den Bildungsbemühungen zwischen den Institutionen Beschäftigungssystem und
Bildungssystem ist derzeit nicht mehr so offenkundig wie bei einer früher klar erkennbaren Trennung der
Aufgaben zwischen Betrieb und Berufsschule. Nach der alten Aufteilung lagen folgende Zuordnungen vor:
Der Betrieb habe sich um das "Was" und "Wie" und die Berufsschule um das "Warum" und "Wozu" zu
kümmern. Dies lässt sich für moderne Berufsbildung nicht mehr aufrechterhalten, da beide eine
übergreifende Bildungsvorstellung verfolgen. Das letztendlich gemeinsam formulierte Ziel ist die
Vermittlung der Berufskompetenz. Zur Förderung der Berufskompetenz ist der Aufbau von Handlungswissen
notwendig. Im Lichte dieser Zielvorstellung lässt sich folgende Akzentuierung für beide Dualpartner
vornehmen: Die Berufsschule übernimmt die Aufgabe, Berufskompetenz systematisch in grundlegenden
Lernprozessen zu vermitteln, was sich durch eine theoretische gesteuerte und reflektierende Förderung
beruflicher Handlungsfähigkeit ausdrückt. Der besondere Schwerpunkt liegt hierbei auf der Vermittlung des
Begründungswissens. Beim Begründungswissen geht es um ein Wissen über Hintergründe und
Zusammenhänge von Sachverhalten, ihre wechselseitig wirkenden Beziehungen oder Erklärungen zu den
Ursachen bestimmter Phänomene. Zugleich dient das Begründungswissen der Vertiefung, Ergänzung,
Erweiterung und Systematisierung des zu erwerbenden Wissens. Im Betrieb dagegen liegt das
Hauptaugenmerk auf gestaltendem und mitverantwortlichem Lernen in realen Arbeitsvollzügen am
Arbeitsplatz. Der Schwerpunkt steht hierbei in der quantitativen Ausprägung von Verfahrenswissen wie aber
auch von Faktenwissen (ausführlicher hierzu siehe Schelten 1997).
Kennzeichen und Merkmale eines handlungsorientierten Unterrichts
Ein handlungsorientierter Unterricht will wie jede Form von Unterricht ein Behalten, Verstehen und aktives
Anwenden von Wissen, von Fertigkeiten und Fähigkeiten gewährleisten. Zwischen traditionellen
Unterrichtsformen mit einer oft fachsystematischen Grundstruktur und einem handlungsorientierten
Unterricht sind vielfältige und fließende Übergänge möglich. Trotzdem unterscheidet sich ein
handlungsorientierter Unterricht erheblich von einem solchen Unterricht. Der inhaltliche und
organisatorische Ablauf unterliegt gegenüber dem herkömmlichen Unterricht anderen
Grundvoraussetzungen. Eine Vielzahl eigener Bestimmungsgrößen bedingt dieses Unterrichtskonzept:
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
20 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
HandlungsorientierterUnterricht
HandlungssystematischesVorgehen
Innere DifferenzierungKooperatives undkommunikatives Lernen
UnterstützendeLehrerrolle
Komplexe Aufgaben-stellung und Lerngebiet
IntegrierterFachunterrichtsraum
Selbststeuerung undFreiheitsgrade
Integrative und offeneLeistungsfeststellung
Übersicht 2.4: Bestimmungsgrößen eines handlungsorientierten Unterrichts
Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet
Handlungsorientierter Unterricht richtet sich an vielschichtigen und viele verschiedene Aspekte
umfassenden Aufgabenstellungen mit deutlichem Praxisbezug für die Schüler aus. Ein zentraler
Lerngegenstand bündelt in einem Lerngebiet eine Reihe von Lernzielen aus einem Lernfeld und
berücksichtigt dabei unterschiedliche berufliche Anforderungsbereiche. Darüber hinaus können Lernziele
aus allgemein bildenden Fächern hinzukommen. Die Aufgabenstellungen decken zeitlich langfristig ein
Lerngebiet für eine oder mehrere Wochen im Blockunterricht oder mehrere Wochen im Einzeltagesunterricht
ab. Für die Schüler werden damit abstrakte Lerninhalte, die im fachsystematisch organisierten Unterricht
häufig willkürlich erscheinen, konkret und sachbezogen. Über die Grenzen der traditionellen
Unterrichtsfächer hinaus wird ein Denken in Zusammenhängen gefördert. Problemstellungen mit
angemessenem Komplexitäts- und Schwierigkeitsgrad verorten Lerninhalte in typischen Berufssituationen
der Lernenden. Ein entsprechender Komplexitätsgrad der Aufgaben, der jedoch nicht bis zur Überforderung
gehen darf, bedingt einen Planungsaufwand der Schüler. Der Erwerb von Wissen erfolgt über aktiv
handelnde Problemlöseversuche in vollständigen Handlungen, bei denen auch übergreifende methodische
Qualifikationen erlernt werden. Die Problemstellungen sollen die Erfahrungen und Interessen der Schüler
berücksichtigen und dadurch ihre Identifikation mit der Aufgabenstellung unterstützen.
Handlungssystematisches Vorgehen
Handlungsorientierter Unterricht erfordert eine handlungssystematische Unterrichtsplanung, die sich an der
Handlungslogik einer zugrunde liegenden Aufgabe ausrichtet. Vorgesehene Lernziele und -inhalte müssen
dabei entlang einer voraussichtlichen Bearbeitung der im Mittelpunkt stehenden Arbeitsaufgabe gruppiert
und sinnvoll in den Bearbeitungsablauf integriert werden. Ein Erarbeiten theoretischer Lerninhalte erfolgt an
einer theoriehaltigen Problemstellung, die sich an den Erfordernissen der Praxis ausrichtet.
Integrierter Fachunterrichtsraum
Handlungsorientierter Unterricht fordert eine Lernumgebung, die ständig theoretische Überlegungen mit
ihrer praktischen Umsetzung an experimentellen Einrichtungen, Maschinen, Geräten oder Gegenständen
verbindet. Der integrierte Fachunterrichtsraum (IFU) bildet die vorbereitete Umgebung, die ein
handlungsorientierter Unterricht erfordert. Lerngegenstände, Material-, Geräteaufwand und
Medienausstattung sollen sich generell an berufstypischen Realsituationen, Standardkomponenten und
Originalunterlagen orientieren und über didaktisch reduzierte Modelle, Geräte und schriftliche Unterlagen
hinausweisen.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 21
Innere Differenzierung
Die Lernenden können gemäß ihrer eigenen Lerngeschwindigkeit unabhängig vom Lehrer vorgehen.
Leistungsstarke Schüler werden nicht unterfordert oder gebremst. Der Lehrer kann einzelne Schüler
individuell fördern und sich besonders leistungsschwachen Schülern zuwenden. Jedem einzelnen Schüler
sollte sowohl innerhalb seiner Gruppe als auch im Verhältnis zu anderen Gruppen ein individueller
Lernprozess möglich sein. Hierfür können geeignete Aufgabenstellungen ein gestuftes Schwierigkeits- und
Abstraktionsniveau anbieten. Die individuellen Grundlagen der Schüler, wie unterschiedliches Vorwissen,
verschiedene Lern- und Aufnahmefähigkeiten oder Motivations- und Interesseschwankungen, werden dabei
berücksichtigt.
Kooperatives und kommunikatives Lernen
Der Klassenverband ist in einem handlungsorientierten Unterricht größtenteils aufgelöst. Die Schüler
arbeiten vorwiegend in Teams, aber auch Einzelarbeit ist möglich. Die Gruppenzusammensetzung soll auf
freiwilliger Basis erfolgen, in die der Lehrer zur Optimierung im weiteren Unterrichtsverlauf regulierend
eingreifen kann. Leistungshomogene Gruppen führen zur gleichmäßigeren Verteilung der Aufgaben und
Lernarbeit in der Gruppe. Einer vorwiegend passiven Haltung einzelner, meist schwächerer
Gruppenmitglieder wirkt dies eher entgegen. Leistungsheterogene Gruppen ermöglichen den Einsatz von
Schülern als ‚Hilfslehrer' zur Unterstützung von leistungsschwächeren. Die Aufgabenbearbeitung und
Informationsbeschaffung soll die Zusammenarbeit der Lernenden und den gegenseitigen Austausch
betonen. Anstehende Arbeitsaufgaben sollen in der Gruppe in sozialer und sachbezogener Interaktion
eigenverantwortlich verteilt, übernommenen und koordiniert werden.
Selbststeuerung und Freiheitsgrade
Bei ihrer Lernarbeit sollen die Schüler möglichst wenig durch direktive Vorgaben der Lehrkraft, von
Leittexten, Leitaufgaben und Leitfragen in ihrem Lernprozess eingeengt werden. Arbeitsumgebung,
Arbeitsunterlagen und Aufgabenstellungen müssen jedoch den Lernverlauf zum Teil inhaltlich als auch
ablaufspezifisch vorstrukturieren. Sie sollen aber Entscheidungsspielräume der Lernenden möglichst wenig
einschränken, damit sie ihren Lernprozess weitgehend eigenverantwortlich organisieren, gestalten und
Entscheidungssituationen durchlaufen können, in denen sie individuelle Bearbeitungswege festlegen.
Aufgabenlösungen und Handlungsziele müssen dabei über verschiedene Wege mit verschiedenen
Hilfsmitteln erreichbar sein. Freiheitsgrade und Handlungsspielräume liegen jedoch nur dann wirklich vor,
wenn sie vom Lernenden wahrgenommen werden können und offensichtlich erkennbar sind. Handlungs-
und Entscheidungsspielräume bergen aber auch die Gefahr der Überforderung und Orientierungslosigkeit
der Schüler, wenn diese im Lernverlauf zu wenig Unterstützung durch die Lehrkraft erhalten.
Unterstützende Lehrerrolle
Die Lehrkraft gestaltet die Lernumgebung und organisiert Selbstlernformen für die Lernenden wie z.B.
Leitaufgaben, Leittexte, Informationsmaterial und Arbeitsanweisungen. Sie stellt eine Lernumgebung bereit,
indem sie Arbeitsgegenstände, Werkstoffe, Geräte und Ausstattung, umfangreiches Arbeitsmaterial wie z.B.
Herstellerkataloge, Produktbeschreibungen, Fachbücher oder Informationsblätter organisiert und
vorbereitet. Im Lernprozess tritt die Lehrkraft hinsichtlich der Unterrichtssteuerung in den Hintergrund, da
sie nicht mehr die Rolle des zentralen Wissensvermittlers übernimmt. Sie wird zum Organisator, Initiator
sowie hauptsächlich zum Berater im Unterricht. Die Unterrichtsqualität in einem solchen Unterricht hängt
jedoch zu erheblichen Teilen von der Betreuung der Lernenden bei auftretenden Fragen oder Problemen und
somit von der Verfügbarkeit der Lehrkraft ab. Bei einer zu hohen Schülerzahl kann dies zu erheblichen
Betreuungsanforderungen an die Lehrkraft führen. In großen Klassen kann dadurch eine Betreuung durch
zwei Lehrkräfte erforderlich sein.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
22 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Bisherige Aufgaben der Beaufsichtigung und Leistungskontrolle bleiben bestehen. Auftretende zeitliche
Freiräume durch das eigenständige Lernen leistungsstarker Schüler können für die intensivere Zuwendung
zu leistungsschwachen Schülern oder Gruppen genutzt werden. Die Unterrichtsplanung verschiebt sich für
einen solchen Unterricht von der Ebene unterrichtsbezogener Kommunikation und dabei explizierbarer
Lernziele und -inhalte auf die Ebene der Gestaltung einer Lernumgebung. Ein solcher Unterricht ist nicht
mehr exakt inhaltlich und zeitlich planbar. Die Steuerung des Unterrichts erfolgt nicht mehr allein durch die
Lehrkraft, sondern wird von den Schülern entscheidend mitbestimmt. Lehrkräfte müssen flexibel auf nicht
vorhersehbare, detaillierte Fragen, Situationen und Probleme reagieren und sich rasch eindenken können.
Dies stellt oft hohe Anforderungen an ihre fachliche Kompetenz.
Die Lehrkraft vermeidet die Präsentation vorgefertigter Lösungen, begleitet beratend den gesamten
Lernprozess und versucht, Lernende in die Lage zu versetzen, eigene Lösungswege zu finden.
Fachgespräche sollen sicherstellen, dass eine theoriegeleitete Planung der praktischen Ausführung
vorausgeht oder erledigte Aufgaben einer Reflexion unterzogen werden. Fachgespräche sind
kommunikative Hilfestellungen durch eine Lehrkraft in Lernumgebungen, in denen Lernende über weite
Strecken die Rolle aktiv Handelnder übernehmen. Sie beziehen sich im inhaltlichen Dialog zwischen
Lehrkraft und Lernenden sowohl auf den Lerngegenstand als auch auf den Lernprozess. Mit ihnen gelingt es,
besonders ein Begründungswissen zu fördern (ausführlicher hierzu siehe Buchalik, Riedl 2007 u. Schelten
2006).
Integrative, offene Leistungsfeststellung
Leistungsfeststellungen müssen von ihren Inhalten und ihrem Ablauf dem ganzheitlichen Ansatz eines
handlungsorientierten Unterrichts entsprechen. Wenn ein solcher komplexer Unterricht auf berufliche
Handlungsfähigkeit abzielt, ist es inkonsequent, nach durchlaufenen Qualifizierungsprozessen nur Wissen
abzufragen. Gefordert ist ein ganzheitliches Prüfen mit einer problemhaltigen Situation, die durch
alternative Lösungswege und davor zu treffenden, begründeten Entscheidungen bearbeitet werden kann.
Zusammenfassung
In handlungsorientierten Lehr-Lern-Arrangements, die eine moderate konstruktivistische Auffassung von
Lernen umsetzen, verändern sich die Rollen der Lehrkraft und der Lernenden gegenüber traditionellen
Unterrichtsformen (Gegenüberstellung und Synthese siehe bei Riedl 2004, S. 115ff.). Lehren und Lernen in
einem traditionellen Unterricht erfolgt meist auf der Ebene der personalen Kommunikation zwischen
Lehrendem und den Lernenden mit präzisen Fragen und Impulsen der Lehrkraft und darauf erwarteten
Schülerreaktionen. In einem konstruktivistischen Unterricht verlagern sich Lernprozesse stärker auf die
individuelle Ebene der Lernenden, die in einer vorbereiteten Lernumgebung über weite Strecken stark
eigenständig lernen. Solche Lehr-Lern-Arrangements sind getragen von zwei zentralen Determinanten. Zum
einen sind dies die unterstützend erfolgenden Eingriffe durch eine Lehrkraft, die einen schüler- oder
gruppenindividualisierten Lernprozess beratend begleiten oder durch Instruktionsphasen unterstützen und
ergänzen. Die zweite wichtige Einflussgröße ist das Selbstlernmaterial, das einen schüleraktiven
Wissenserwerb und ein individualisiertes Lernen ermöglicht (z.B. Lern- und Arbeitsgegenstände, Leittexte,
schriftliche Arbeitsanweisungen, Informationsmaterialien, Lösungsbeispiele, etc.).
Für weitere Erkenntnisse und Erfahrungen zur Umsetzung und Durchführung von handlungsorientiertem
Unterricht, die sich auf eine wissenschaftliche Grundlage stützen, die aber auch unterrichtspraktische
Aspekte einbeziehen, siehe Riedl 2004b, S. 96ff.
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 23
2.5 Projektunterricht
Projektunterricht ist eine Möglichkeit, handlungsorientiertes Lernen zu verwirklichen. Projektunterricht folgt
gemäß den theoretischen Ausführungen von Karl Frey einem bestimmten Ablaufschema. Der idealisierte
Projektablauf umfasst fünf Projektschritte: Projektinitiative, Projektskizze, Projektplan,
Projektdurchführung, Projektabschluss. Während des gesamten Projektverlaufes lassen sich
organisatorische Fixpunkte und Zwischengespräche einfügen (ausführlicher siehe Riedl 2004a, S. 131ff.).
Aus Sicht allgemein bildender Schulen hat der Projektunterricht folgende Stärken: Er kann die individuelle
Entfaltung und gesellschaftliche Entwicklung der Schüler fördern und die Übernahme von konkreter
Verantwortung einüben. Das Mitgestalten von Situationen im täglichen Leben als Möglichkeit und Aufgabe
wird erfahrbar. In der Projektmethode erfolgt ein Handeln in einem größeren Rahmen, in dem sich eine
produktive Phantasie fördern lässt. Aus dieser Perspektive ist der Lernort Schule an vielen Stellen vom
Leben um ihn herum abgelöst. Die bestehende Kluft zwischen der Schulwirklichkeit und dem ‚wahren Leben'
lässt sich mit der Projektmethode überbrücken. Projektunterricht drückt sich in folgenden Merkmalen aus:
• Zusammenarbeit, Rücksichtnahme und gemeinsames Schaffen werden eher gefördert als
Konkurrenzverhalten.
• Lernobjekte sind meist reale Situationen und Gegenstände, wie sie außerhalb der Schule vorkommen.
• Dadurch wird die Kopplung oder vielleicht sogar die Synthese schulischer und außerschulischer
Lernbereiche ermöglicht.
• Angesprochen werden kognitive, motorische und affektive Bereiche in ganzheitlicher Sicht.
• Persönliche Fähigkeiten des Schülers werden besonders beachtet, um diese möglichst optimal zur
Entfaltung zu bringen.
• Die Motivation für ein Erreichen gemeinsamer Ziele wird kurz- und mittelfristig erleichtert.
• Die Projektmethode ist ein Bindeglied zwischen einzelnen Fächern.
• Die ständige Erneuerung der Schule wird durch Eingehen auf aktuelle Bestätigungsbedürfnisse und
Fragestellungen aufrechterhalten.
Gegenüber den allgemein bildenden Schulen steht Unterricht in der Berufsschule in einem anderen Kontext.
Im Rahmen der beruflichen Erstausbildung ist eine Verknüpfung von Theorie und Praxis hier
systemimmanent. Dadurch gelingt es meist einfacher, durch die schulartspezifische Nähe zu beruflichen
Inhalten einer Kluft zwischen Theorie in der Schule und Anwendungsbezügen in der Praxis
entgegenzuwirken. Beruflicher Unterricht, der entlang so genannter Unterrichtsprojekte theoretische Inhalte
zu vermitteln versucht, folgt dem weiter oben angedeuteten Ablaufschema der fünf Schritte der
Projektmethode oft nicht konsequent - muss diesen fünf Schritten aber auch nicht konsequent folgen. Für
ein solches Vorgehen im Unterricht ist dann der Begriff ‚projektartiger Unterricht' zutreffender.
Projektunterricht (und projektartiger Unterricht) stellt als komplexe Unterrichtsform bei der Planung und
Durchführung sehr hohe Ansprüche an die Beteiligten. Lehrkräfte müssen sich bei der Projektplanung meist
auf einen größeren Zeitraum beziehen und vielschichtige organisatorische und inhaltliche Aspekte
berücksichtigen (komplexes Arbeitsgebiet, vielfältige Themenaspekte, Rahmenbedingungen, externe
Bezugspunkte, …). Die Lehrkraft muss während der Projektdurchführung flexibel auf unvorhersehbare
Entwicklungen bei der Projektarbeit reagieren und ggf. Planungsschritte verändern. Umfassende und
vielschichtige Leistungskontrollen stellen in einem Projektunterricht hinsichtlich einer
Das Lernfeldkonzept in der Berufsschule
24 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Kompetenzfeststellung hohe Anforderungen an den Beurteiler. Projektunterricht wird zu weiten Teilen durch
die Mitarbeit und Kreativität der Lernenden in einem solchen Unterricht getragen und stellt daher hohe
Ansprüche auch an sie. Für nachhaltige Lernprozesse müssen Lernende stark eigenverantwortlich arbeiten
und sich engagieren. Für leistungsschwächere oder leistungsunwillige Lernende dagegen, die mit dieser
Methode bisher nicht vertraut sind oder für Schüler, die sich nicht engagieren wollen, kann sich dadurch ein
sehr geringer Lerngewinn einstellen.
2.6 Moderner beruflicher Unterricht als integrative Gesamtkonzeption
Moderner beruflicher Unterricht konstituiert sich durch geführtes, systematisches Lernen in definierten
Wissensdomänen und situationsbezogenem Lernen in realitätsnahen, berufstypischen Aufgabenbereichen.
Ein solcher Unterricht umfasst selbstgesteuertes Lernen ebenso wie einen lehrergeführten Dialog. Situiertes
Lernen ist hier verknüpft mit systematikorientiertem Lernen. Dies zielt auf den Erwerb professioneller
beruflicher Handlungskompetenz durch ein lernförderliches Zusammenwirken von Fach- und
Handlungssystematik in einem integrativen Unterrichtsgesamtkonzept, in dem beide Grundorientierungen
zusammenfließen.
Die in den Lernfeldern der aktuellen Lehrpläne enthaltenen Lernzielformulierungen können grundlegende
unterschiedliche Ausrichtungen enthalten. Sie können z.B. eher grundlagenorientiert oder stärker
anwendungsbezogen und prozessorientiert sein. Eine weitere Unterscheidung ergibt sich aus den
unterschiedlichen Bildungszielen einer beruflichen Grundbildung und einer beruflichen Fachbildung. Für
erstere ist die Einführung in einen Themenbereich, bei der insbesondere theoretische Wissensgrundlagen
situiert und anwendungsorientiert vermittelt werden, zentral. Damit zielt sie auf die Vermittlung von
Begrifflichkeiten und Begründungszusammenhängen, die systematisch in festen Strukturen anzulegen sind.
Das Bildungsziel einer beruflichen Fachbildung ist stark anwendungsbezogen ausgelegt und hat
transferorientierte Lerninhalte zum Gegenstand. Idealerweise erfolgt hier bereits eine Transfersicherung
während des Lernprozesses selbst.
Die Umsetzung von Lernfeldern im Unterricht gemäß den Intentionen der Handreichung der KMK erfolgt
bisher an den Schulen unterschiedlich konsequent. Die unterrichtenden Lehrkräfte müssen dies vor dem
Hintergrund bestehender organisatorischer und rechtlicher Rahmenbedingungen in ihrem schulischen
Umfeld bewerkstelligen. Hierbei hinderlich sein können Klassenräume oft getrennt nach Theorie und Praxis,
der 45-Minuten Takt von Unterrichtsstunden, Schwierigkeiten bei Teilungsstunden und Teamteaching, nicht
vorhandene Verfügungsstunden zur Entwicklung von Lehr-Lern-Arrangements, die rechtlich oft nicht
zulässige Beurteilung von Gruppenleistungen oder die bisherigen unterrichtlichen Vorerfahrungen der
Schüler. Auch die bisher geforderten und bei Lehrkräften vorhandenen Kompetenzen sowie die derzeitige
Form der Lehrerbildung können einschränkend wirken. Der begonnene Entwicklungsprozess einer
Unterrichtsgestaltung, die auf Lernfelder abgestimmt ist, kann und wird wohl so schnell nicht abgeschlossen
sein. Nach wie vor sind sowohl aus theoretischer als auch unterrichtspraktischer Sicht zahlreiche Fragen
offen, wie spezifische Lernziele und Lerninhalte mit teilweise verschiedenen Zielperspektiven in konkreten
Lernsituationen umzusetzen sind.
Ein moderner beruflicher Unterricht muss hohen Qualitätsansprüchen genügen. Ein solcher Unterricht
umschließt sowohl fachsystematische als auch handlungssystematische Konzepte mit unterschiedlicher
Akzentuierung in einem sich gegenseitig ergänzenden und bereichernden Wechselspiel. Eine
konstruktivistische Grundauffassung für Lernen ist dabei leitend.
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 25
3 Die Komponenten des Lernsystems Robotino®
Das Lernsystem Robotino® versteht sich als Einheit aus den drei Komponenten:
• Hardware
• Software
• Arbeitsbuch
Die Hard- und Software bilden zusammen ein Automatisierungsgerät, das stellvertretend für eine attraktive
automatisierte Anlage steht.
Durch die Kombination aus Robotino® (Hardware) und Robotino® View (Software) lässt sich ein sehr weites
fachliches Spektrum aus unterschiedlichen Technologiebereichen der Automatisierungstechnik ansprechen
und im Unterricht umsetzen (siehe Kapitel 1).
Das Arbeitsbuch liefert eine erste didaktische Aufbereitung dieser Themen in handlungsorientierten
Projekten.
3.1 Hardware
Modularer Aufbau
Die Hardware des Robotino® ist modular aufgebaut und umfasst folgende Einzelkomponenten:
Die Komponenten des Lernsystems Robotino®
26 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Beschreibung der Antriebseinheit
12
3 4 5
Motor (1) Inkrementalgeber (2) Allseitenrolle (3) Getriebe (4) Zahnriemen (5)
Schnittstellen
Frontansicht des Chassis
Die Komponenten des Lernsystems Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 27
Bodenansicht des Chassis
Stromlaufplan der EA-Klemmleiste
1 24
REL 0
REL 1
Analog IN0 ... 10 V
GND
GND
+24V
+24V
MO
DigitalOUT
DigitalIN
0123021 1346 57
GND
GND
+24V
+24V
M4
4567462 5702 13
1 24
Obere Klemmleiste und untere Klemmleiste
Die Komponenten des Lernsystems Robotino®
28 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Folientastatur und Display
Enter
1
2
3 6
7
54
Display (1) LED (2) Ein/Aus (3) Menüebene nach oben (4)
Auswahl nach unten (5) Auswahl übernehmen (6) Auswahl nach oben (7)
Aufbau und Tastenfunktion
Menüstruktur derBedieneinheit
Sprachen
NetzwerkIP Adresse
Sub NetmaskeLadezustand
Balkenanzeige
aktueller Strom
Spannung
Demoprogramme
Kreis
Vorwärts
Viereck
Erkunden
Liniefolgen
Deutsch
Englisch
Französisch
Spanisch
Menüstruktur
Die Komponenten des Lernsystems Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 29
3.2 Software
Neues Arbeitsblatt (1) Programmstart (2) Webcam (3a und 3b)
Robotino® Hardware (4) Kamerafenster (5)
Aufbau der Software
Bedeutung der Software im Gesamtsystem
Robotino® ist als operative Einheit aus Hardware und Software zu sehen. Die Hardware führt die in der
Software programmierten Aktionen aus. Sie wird erst durch die Software umfassend bewegungsfähig.
Einige Programmabläufe sind bereits als Demoprogramme in der Steuereinheit hinterlegt. Sämtliche
Bewegungen, die zielgerichtet und aufgabenorientiert neue Situationen bewältigen sollen, müssen jedoch
individuell mit der Software Robotino® View programmiert werden. Das Lernsystem zielt damit primär auf
das Verständnis für ein solches System als Einheit aus Hard- und Software sowie das Erlernen der
Programmierung eines automatisierten Systems. Gleichzeitig visualisiert die Software ständig die jeweiligen
Prozesszustände und steht somit stellvertretend für eine moderne Prozessvisualisierung.
Diese Schwerpunktsetzung entspricht dem beruflichen Anspruch im Bereich der Automatisierungstechnik.
Moderne Industrieanlagen sind ohne Softwareunterstützung nicht mehr denkbar. Die stetig wachsende
Aufgabenkomplexität lässt sich nur noch durch das Zusammenwirken von Hard- und Software bewältigen.
Die Komponenten des Lernsystems Robotino®
30 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Schnelle und einfache Prozessablaufänderungen, Kostenreduzierung, Eingliederung in zentrale
Produktionsüberwachung, Datenübernahme aus Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen, steigende
Komplexität der Produkte, Schnelligkeit und Effektivität der Produktion usw. belegen die Bedeutung einer
softwaregestützten Technologie. Dem entsprechend orientieren sich daran die Inhalte einschlägiger Berufe.
Robotino® bildet diese Verzahnung ab und hebt die Bedeutung der Software-Orientierung hervor, da die
Software die zentrale Lernschnittstelle für das Lernsystems darstellt.
3.3 Das Arbeitsbuch
Das Arbeitsbuch steht als dritte Komponente im Lernsystem Robotino® neben Hard- und Software. Es
gliedert sich in vier Bereiche: Projektteil, Theorieteil, Lösungsteil und Anhang.
Der Projektteil beinhaltet elf Aufgabenstellungen (hier Projekte genannt), die angelehnt an industrielle
Aufgabenstellungen mögliche Beispiele für die Umsetzung als Lerneinheiten im Unterricht enthalten. Die
ausgewählten Arbeitsprozesssituationen sind beispielsweise Wareneingangsprüfung, Erstinbetriebnahme
oder industriell orientierte Problemsituationen wie Aufgaben der Positionierung oder des abstandgenauen
Fahrens.
Die einzelnen Lerneinheiten im Arbeitsbuch sind nach einem einheitlichen Schema aufgebaut.
Vorausgehend beschreiben Lernzielformulierungen die Inhalte der Lerneinheit. Eine Problemstellung aus
der industriellen Praxis spannt den Rahmen der zu bearbeitenden Thematik auf. Sie mündet in einen
konkreten Projektauftrag, der ausführlicher einzelne, erforderliche Handlungsschritte zur Bearbeitung der
Problemstellung beschreibt und konkrete Arbeitsaufträge enthält. Enthalten sind immer auch Hinweise auf
Arbeitshilfen, Informationen zu den erforderlichen Randbedingungen und der Verweis auf mögliche,
ergänzende Zusatzaufgaben, mit denen sich die Aufgabenstellung erweitern lässt.
Der Theorieteil erläutert einzelne inhaltliche Themenfelder wie beispielsweise PID-Regler, Omniantrieb oder
Infrarotsensoren unter fachsystematischen Gesichtspunkten. Die inhaltliche Auswahl orientiert sich am
Antrieb und den Sensoren von Robotino® und der Software Robotino® View. Dieser Teil soll ergänzend zur
Softwarehilfe, dem technischen Handbuch und den technischen Unterlagen bzw. Datenblättern als
Informationsquelle zu den einzelnen Projektaufgaben dienen. Lernenden dient der Theorieteil als
Nachschlagewerk, auf das sie in selbstgesteuerten Lernphasen zurückgreifen können.
Der dritte Teil stellt Lösungen zu den elf Projektaufgaben vor und beinhaltet für Lehrkräfte ergänzende
Informationen, die aus der Unterrichtsperspektive eine Projektdurchführung unterstützen.
Im letzten Abschnitt sind die einzelnen Projekte den Inhalten des lernfeldorientierten Rahmenlehrplans aus
den Berufen des Elektronikers für Automatisierungstechnik und Betriebstechnik, den Mechatronikern und
den Feinwerkmechanikern zugeordnet. Diese Zuordnung liefert Orientierungshilfen zur Gestaltung eines
individuellen Unterrichts für die genannten Ausbildungsberufe.
Das Layout im Projektteil bietet durch die großzügige und optisch wenig verdichtete Darstellungsform Raum
für eigene, ergänzende Aufzeichnungen oder Anmerkungen. Dies trägt ganz erheblich zu einer hohen
Übersichtlichkeit und Klarheit bei.
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 31
4 Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem
Lernsystem Robotino®
Mit dem Lernsystem Robotino® eröffnen sich Möglichkeiten für einen spielerisch motivierten Zugang zur
Automatisierungstechnik.
Nachfolgend sind drei Vorschläge skizziert, die Einsatzmöglichkeiten des Lernsystems in spielerischer Form
vorstellen. Den Spielvorschlägen gehen zunächst grundsätzlich Erläuterungen zur Vorbereitung von
Robotino® für die Spiele voraus. Jeder Spielvorschlag enthält eine Skizze zum räumlichen Aufbau des
Spielfeldes, Angaben zur Aufgabenstellung und zum Ziel des Spiels sowie spielspezifisch erforderliche
Vorbereitung am Spielgerät. Mögliche inhaltliche Fragestellungen zur Automatisierungstechnik, die aus dem
beschriebenen Spiel abgeleitet werden können, runden jedes Spiel ab. Am Ende dieses Kapitels fassen
kurze Anmerkungen zu Lernspielen aus didaktischer Perspektive die Ausführungen zusammen.
4.1 Vorbereitungen vor jedem Spiel
Technische und organisatorische Vorbereitungen
• Starten Sie das Programm Robotino® View und stellen Sie eine Verbindung zur Hardware her
• Laden Sie das Robotino® View Programm: Gesamtablauf für spielerischen Zugang.rvw.
• Stecken Sie den Joystick an und prüfen die Funktion innerhalb der Software (eventuell müssen Sie über
das Menü: Extras / Optionen nach Joysticks scannen und im Funktionsbaustein Joystick die
Konfiguration entsprechend anpassen)
• Konfigurieren Sie die Tasten des Funktionsbausteins Joystick
– vor und zurück fahren auf Achse O
– links und rechts fahren auf Achse 1
– Links-Drehung auf Knopf 0
– Rechts-Drehung auf Knopf 1
– Quittierfunktion auf Knopf 9
Diese Konfiguration empfiehlt sich, da sie die Teilnehmer meist intuitiv richtig durchführen. Jedoch
können in der Knopfbelegung Unterschiede bei verschiedenen Joystickherstellern auftreten
• Die Teilnehmer müssen vor dem Spiel eine Einführung in die konfigurierten Joystickfunktionen erhalten
• Die Geräteschutzfunktionen müssen verdeutlicht werden (sind im Programm hinterlegt, lassen sich
durch einzugebende Konstanten beeinflussen)
Funktion "Abstandhalten":
Der Robotino® kann sich nur bis auf ein vorher definiertes Maß (5 - 30 cm) an Hindernisse annähern.
Wird dieser Abstand unterschritten, so geht er in den Drehmodus über. Dieser Drehmodus muss durch
eine Taste am Joystick quittiert werden. Erst dann lässt sich der Robotino® wieder "frei" fahren
Kollision:
Kollidiert der Robotino® mit einem Gegenstand so endet das Programm. Die Kollisionserkennung läuft
durch die Stoßleiste, die um das Gerät montiert ist
• Eine Stoppuhr ist zur genauen Zeitmessung erforderlich
• Der Untergrund sollte möglichst rutschfrei sein
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
32 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Parametrierung und Definition des Schwierigkeitsgrades
Im Programm sind die Konstanten Drehung links, Drehung rechts, Abstand und Induktion hinterlegt. Für die
Drehgeschwindigkeiten empfehlen sich Werte zwischen 50 und 300. Die Konstante für die Drehung rechts
erfordert einen positiven Wert, die für Drehung links einen negativen Wert.
Die Konstante Abstand definiert einen Vergleichswert zum gemessenen Abstand. Den Abstand zwischen
Robotino® und Gegenstand erfasst ein analoger Spannungswert, der sich im Bereich zwischen 0 und 2,56
bewegt. Die Software führt eine Vergleichsoperation zwischen Konstante und gemessenem Wert durch. Das
Ergebnis der Vergleichsoperation kann den Programmablauf Drehmodus auslösen. Hierzu empfiehlt es sich,
für die Konstante Abstand einen Wert von 1,2 vorzugeben. Dieser entspricht einem Abstand von ca. 10 cm.
Der Drehmodus startet, wenn dieser Abstand unterschritten ist.
Die Konstante Induktion definiert einen Vergleichswert zum gemessenen analogen induktiven Wert. Dies
funktioniert ähnlich der Abstandmessung (siehe oben). Hierbei sollte sich das Spektrum zwischen den
Werten 0 bis 10 befinden.
Konstantenbezeichnung Idealer Wert
Drehung rechts (pos.) 50
Drehung links (neg.) -50
Abstand 1,2
Induktion 7
Beispiel für eine ideale Parametrierung
Hinweise für die Spieldurchführung
• Während des Spielverlaufs fungiert die Lehrkraft als Spielleiter.
• Bei technisch bedingten Störungen, die nicht in der Verantwortung der Spieler liegen, muss die Zeit
angehalten werden, um einen gerechten Wettkampf zu gewährleisten.
• Bewertungssysteme für Spieler sollte die Lehrkraft vor Spielbeginn bekannt geben.
• Beispiel einer möglichen Spielbewertung
Pro Durchlauf: Platz Eins erhält drei Punkte
Platz Zwei erhält zwei Punkte
Platz Drei erhält einen Punkt
Gesamtbewertung: Alle gesammelten Punkte werden aufaddiert.
Gewonnen hat derjenige, der nach allen Spieldurchläufen die meisten Punkte hat.
• Häufig haben Spielteilnehmer Vorteile, die zunächst das Spielgeschehen beobachten und erst später
spielen. Um dies auszugleichen empfiehlt es sich, den Gewinner des vorausgehenden Spieldurchlaufs
beim nächsten Spiel beginnen zu lassen.
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 33
4.2 Spielvorschlag: Slalomfahrt im begrenzten Raum
Spielaufgabe
Die Teilnehmer müssen den Parcours auf einer vorgegebenen Route mit Robotino® durchfahren. Dabei
dürfen Sie die Kegel oder die Randbegrenzung nicht berühren
Spielfeld
Start
Ziel
Beginn/EndeZeitmessung x
x
x
x = 80 cm(gilt für vorgegebene ideale Konstanten)
Kegel
Fahrlinie
Randbegrenzung
Skizze
Vorbereitung
• Führen Sie die unter 4.1 genannten Schritte systematisch durch.
• Geben Sie für die Konstante Induktion den Wert 10 ein (somit wird der Sensor außer Funktion gesetzt).
• Prüfen Sie den Wert des Abstandssensors. Dieser sollte bei 1,2 für den in der Skizze dargestellten Wert
liegen (entspricht einen ungefähren Abstandswert von 10 cm).
• Bauen Sie den Parcours gemäß der Skizze auf. Beachten Sie dabei, dass die Kegel einen Abstand von
80 cm zueinander und zu den Randbegrenzungen haben.
• Die Slalomfahrstrecke (siehe Skizze, blaue Linie) sollte auf dem Boden markiert sein.
• Der Spielleiter sollte den Parcours vor Spielbeginn zur Demonstration durchfahren und seine Fahrzeit
messen. Diese Zeit mit dem Faktor 2 multipliziert kann als maximale Zeit pro Durchlauf gesetzt werden.
Darüber liegende Zeiten kommen nicht in die Wertung.
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
34 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Spielregeln
• Das Spiel endet, wenn die maximale Spielzeit überschritten ist.
• Bei der Kollision mit der Randbegrenzung endet der Durchlauf. Für diesen Durchlauf wird die maximale
Spieldauer gewertet.
• Bei der Kollision mit einem Kegel muss pro berührtem Kegel ein Drittel der Maximalzeit als Strafzeit auf
die tatsächlich gemessene Zeit aufaddiert werden.
Ziel des Spiels
• Der Parcours muss möglichst schnell durchfahren werden. Hierzu ist eine möglichst feinfühlige
Steuerung mit dem Joystick erforderlich, da die Abstände zwischen den Kegeln und der
Randbegrenzung mögliche Fahrbewegungen beschränken.
• Sieger ist derjenige, der die geringste Zeit für die Durchfahrt benötigt hat.
Mögliche inhaltliche Fragestellungen, die aus dem beschriebenen Spiel abgeleitet werden können
• Wo kommt eine solche Aufgabe in der industriellen Praxis vor? (Nicht spurgeführtes Fahrerloses
Transportsystem)
• Welche Sensoren dienen zur Abstandsmessung?
• Wie wird die zurückgelegte Wegstrecke in ein elektrisches Signal umgewandelt?
• Welche Probleme bei der Erfassung des Abstandes können sich ergeben?
• Welche Freiheitsgrade besitzt ein Mehrachsensystem?
• Wie kommt die Vor- und Seitwärtsbewegung des Robotino® zustande?
• Welche Störgrößen können die Fahrt beeinflussen?
• Welche Probleme können für eine exakte Positionierung auftreten?
• Welche Schutzfunktionen sind in Robotino® integriert?
• Welche Teilprogramme sind in dem manuellen Ablauf integriert?
• Wie kann der Ablauf automatisiert erfolgen?
• Welche Teilaufgaben muss ein automatisierter Ablauf erfüllen?
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 35
4.3 Spielvorschlag: Manuelle Bahnfahrt auf Metallband
Spielaufgabe
Die Teilnehmer müssen mit Robotino® entlang eines Metallklebebandes fahren. Fahrbewegungen sind nur
möglich, solange der Induktivsensor dem Metallband folgt.
Start
Ziel
idealeTeilnehmerposition
BeginnZeitmessung
EndeZeitmessung
Spielfeld
entspricht ca. 80 cm
induktiver Sensor
metallische Führungslinie(Führungslinie sollte min. 5 cm breit sein)
Skizze
Vorbereitung
• Führen Sie die unter 4.1 genannten Schritte systematisch durch.
• Bauen Sie den Parcours gemäß der Skizze auf. Beachten Sie dabei, dass die Führungslinie induktiv
erfassbar ist und ein Breite von ca. 5 cm besitzt.
• Stellen Sie die Konstante des Induktivsensors mit der erforderlichen Empfindlichkeit ein. Ein idealer
Wert liegt hier bei 7.
• Achten Sie darauf, dass entlang des Parcours im Umkreis von 0,5 m kein Gegenstand oder Hindernis
den Fahrbereich des Robotino® einschränkt.
• Der Spielleiter sollte den Parcours vor Spielbeginn zur Demonstration durchfahren und seine Fahrzeit
messen. Diese Zeit mit dem Faktor 2 multipliziert kann als maximale Zeit pro Durchlauf gesetzt werden.
Darüber liegende Zeiten kommen nicht in die Wertung.
• Die Spieler positionieren sich so zum Gerät, dass Sie die metallische Führungslinie und den induktiven
Sensor stets im Blickfeld haben.
Spielregeln
• Das Spiel endet, wenn die maximale Spielzeit überschritten ist.
• Sollte sich Robotino® so weit vom Metallband entfernen, dass der Induktivsensor die Führungslinie
nicht mehr erfassen kann, so werden die Achsfunktionen des Joysticks abgeschaltet. Da nur noch
Drehbewegungen mit dem Robotino® möglich sind, endet das Spiel. Gewertet wird die Maximalzeit.
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
36 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Ziel des Spiels
• Robotino® muss der Metallbandlinie möglichst genau folgen, damit der Parcours schnell durchfahren
werden kann.
• Sieger ist derjenige, der die geringste Zeit für die Durchfahrt benötigt hat.
Mögliche inhaltliche Fragestellungen, die aus dem beschriebenen Spiel abgeleitet werden können
• Wo kommt eine solche Aufgabe in der industriellen Praxis vor? (Spurgeführtes Fahrerloses
Transportsystem)
• Wie wird die Abweichung von der Führungslinie erkannt?
• Welche Eigenschaften des analogen Sensors sind zu erkennen?
• Wie setzt das Programm solche Informationen um?
• Wie wirkt sich eine Veränderung zwischen Konstante und Sensor im Soll-Ist-Vergleich aus?
• In welchem Zusammenhang steht die Fahrgeschwindigkeit mit dem Sensorwert?
• Welche umgebungsbedingten Probleme können auftreten?
• Welche Auswirkungen auf das Steuerungsprogramm haben die Signallaufzeiten der Kommunikation?
• Wie kann diese Aufgabe als automatisierter Ablauf stattfinden?
• Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?
• Welche Gefahren können bei einem automatisierten Ablauf auftreten?
• Wo kann lässt sich ein solches System in der Praxis einsetzen?
• Welche Schutzeinrichtungen sind dafür erforderlich?
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 37
4.4 Spielvorschlag: Parcours fahren mit Kamerabild
Spielaufgabe
Die Teilnehmer müssen Robotino® entlang einer Führungslinie entlang fahren. Dabei darf die Linie nicht
verlassen werden. Sie haben dabei keinen direkten Sichtkontakt zum Gerät. Die Fahrt sehen sie nur auf dem
Bildschirm aus der Perspektive der Kamera.
Start
Ziel
BeginnZeitmessung
EndeZeitmessung
Spielfeld
entspricht 80 cm
induktiver Kamera
metallische Führungslinie
farbige Führungslinie(Führungslinien sollte min. 5 cm breit sein)
Skizze
Vorbereitung
• Führen Sie die unter 4.1 genannten Schritte systematisch durch
• Bauen Sie den Parcours gemäß der Skizze auf. Dabei kann die Linie aus unterschiedlichen Farben und
Materialien bestehen. Sie soll aber eine Breite von ca. 5 cm haben.
• Stellen Sie die Konstante des Induktivsensors auf den Wert 10, somit wird dieser außer Funktion
gesetzt.
• Achten Sie darauf, dass entlang des Parcours im Umkreis von 0,5 m kein Gegenstand oder Hindernis
den Fahrbereich des Robotino® einschränkt.
• Der Spielleiter sollte den Parcours vor Spielbeginn zur Demonstration durchfahren und seine Fahrzeit
messen. Diese Zeit mit dem Faktor 2 multipliziert kann als maximale Zeit pro Durchlauf gesetzt werden.
Darüber liegende Zeiten kommen nicht in die Wertung.
• Die Teilnehmer stehen oder sitzen so zum Gerät, dass Sie keine Möglichkeit haben, das Gerät direkt zu
sehen. Hier empfiehlt sich eine räumliche Trennung von Soft- und Hardware oder eine dazwischen
aufgestellte Trennwand.
• Die Kamera muss so eingestellt sein, so dass auf dem Kamerabild am unteren Rand ein Teil des
Robotino® und darüber z.B. die Führungslinie zu erkennen sind. Dies ist für die Orientierung während
der Fahrt erforderlich.
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
38 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Spielregeln
• Das Spiel endet, wenn die maximale Spielzeit überschritten ist.
• Sollte der Spieler die Führungslinie aus der Perspektive der Kamera nicht mehr erkennen können, muss
er neu beginnen.
• Sollte der Teilnehmer regelwidrig Sichtkontakt zum Gerät aufnehmen, endet das Spiel, die maximale
Spielzeit wird gewertet.
Ziel des Spiels
• Der Teilnehmer soll einen Parcours ohne direkten Sichtkontakt zu Robotino® möglichst schnell nur mit
Hilfe des Kamerabildes durchfahren.
• Sieger ist derjenige, der den Parcours am schnellsten durchfahren hat.
Inhaltliche Fragestellungen, die aus dem beschriebenen Spiel abgeleitet werden können
• Wo kommt eine solche Aufgabe in der industriellen Praxis vor? (Bilderkennungssysteme)
• Welche Einschränkungen für die manuelle Fahrt ergeben sich aus der Perspektive der Kamera?
• Wo lassen sich solche Systeme einsetzen?
• Welche Gefahren für Mensch und Maschine können dadurch resultieren?
• Welche Vorteile können sich aus einer solchen Steuerung ergeben?
• Welche Probleme treten auf, wenn auf dem Kamerabild mehrere Linien zu sehen sind?
• Wie kann die Bildschärfe des Kamerabilds einstellt werden?
• Welchen Einfluss haben Unterschiede der Bildschärfe auf eine Steuerung?
• Spielt die Kameraauflösung eine Rolle bei der Bildverwertung?
• Welche Unterschiede bei der Bilderkennung treten bei verschiedenen Farbräumen auf?
• Welchen Einfluss hat das Raumlicht auf das Kamerabild?
• Welche Anforderungen richten sich an die Software bezüglich der Linienerkennung?
• Welche Anforderungen richten sich an die Software bezüglich der Formenerkennung?
• Welche weiteren Funktionen können mit Hilfe der Kamera erschlossen werden?
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 39
4.5 Lernspiele aus didaktischer Perspektive
Spielen ist eine der grundlegenden Betätigungsformen menschlichen Handelns. Neben Gespräch, Arbeit und
Feier ist Spielen eine Urform des Lernens. Spielen vermittelt ein Gefühl der Spannung und Freude. Durch
eine hohe Eigendynamik sind Verlauf und Ergebnis selten vorhersehbar, was die Spannung am Spielen
erhält. Spielen bedingt eine ständige Interaktion zwischen den einzelnen Mitspielern und mit dem
Spielobjekt. Dies setzt eine aktive Beteiligung der Spieler voraus. Der ganzheitliche Charakter von
Spielsituationen ist bedingt durch das kognitive anregende Durchlaufen einer Problemsituation. Hinzu
kommen emotionale Aspekte wie das meist positive Erleben einer Spielsituation in einem weitgehend
entspannend agierenden Sozialverbund.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Lernspiele im Unterricht meist ein hohes Motivationspotenzial
bergen. In Lernspielen lässt sich durch die geforderte eigenständige Initiative zur Problemlösung die
Selbstorganisation von Lernprozessen fördern.
Die Spielvorschläge mit Robotino® wecken bei den Lernenden Neugier an einem, auf den ersten Blick sehr
komplex erscheinenden Lernobjekt. Trotz des spielerischen Zugangs bleibt der Ernstcharakter der in den
Spielvorschlägen enthaltenen Problemstellungen jederzeit erhalten, da Robotino® ein
automatisierungstechnisches System im Industriestandard darstellt. Die erlebte Spielsituation und die
daraus abgeleiteten Fragen stellen die Lernenden vor neue Herausforderungen. Während des Spielverlaufs
entwickelte Fragehaltungen zu den im Spiel aufgetretenen Phänomenen und die erforderlichen
Problemlösestrategien regen den Denkhorizont der Lernenden in Bezug auf die Automatisierungstechnik an
und erweitern ihn.
Aus den vorgestellten Spielvorschlägen wird deutlich, dass sich daraus viele inhaltliche Fragestellungen
ableiten lassen, die einen direkten Bezug zu realen Aufgabenstellungen aus der Praxis der
Automatisierungstechnik haben. Dadurch bieten sich für die Lehrkraft zahlreiche Anknüpfpunkte zur
Weiterführung des Unterrichts.
Spielerischer Zugang zur Automatisierungstechnik mit dem Lernsystem Robotino®
40 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 41
5 Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
5.1 Lerninhalte der Projektaufgaben des Arbeitsbuches und ihre Zuordnung zu Berufen und
Lernfeldern
Nachfolgende Übersicht ordnet das inhaltliche Potenzial des Lernsystems Robotino® Lernfeldern für Berufe
der Elektrotechnik und Metalltechnik zu. Die berücksichtigten Lerninhalte beziehen sich auf die elf
Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch des Lernsystems und die dort im Teil 4 vorgenommene Zuordnung.
Die ausgewählten Rahmenlehrpläne stehen für Berufe mit hohen Ausbildungsanteilen im Bereich der
Automatisierungstechnik. Der Lehrplan für Elektroniker unterscheidet nach dem ersten Ausbildungsjahr die
Schwerpunkte Automatisierungstechnik, Betriebstechnik und Maschinen- und Antriebstechnik. Ebenso der
Feinwerkmechaniker, der die Schwerpunkte Maschinenbau und Feinmechanik ausweist.
Die folgende Tabelle zeigt auf, an welchen Stellen im Arbeitsbuch inhaltliche Entsprechungen zu Lernfeldern
der aufgelisteten Berufe vorhanden sind. An einem Beispiel verdeutlicht heißt dies, Inhalte aus
Projektaufgabe 5 sprechen für den Elektroniker in der Grundstufe das Lernfeld 3 an. Die Lernfelder 6, 7, 8
und 10 sind für den Schwerpunkt Automatisierungstechnik in der Fachstufe relevant.
Für ein konkretes Unterrichtsvorhaben in einem Lernfeld kann die Lehrkraft inhaltliche und didaktische
Anregungen aus dem Arbeitsbuch gewinnen. Darüber hinaus sind aber auch von Seiten des Lernsystems
inhaltliche Erweiterungen denkbar. Ebenso lassen sich Lernfelder aus weiteren Berufen z.B. für
Informationselektroniker mit Robotino® ausgestalten.
Berufe Projekt 1 Projekt 2 / 3 Projekt 4 Projekt 5 Projekt 6
Elektroniker(Grundstufe) LF1, LF3 LF1, LF3 LF3 LF3
Schwerpunkt
Automatisierungstechnik
LF10, LF11, LF13 LF6, LF7, LF8, LF9,
LF10, LF13
LF6, LF7, LF8, LF9,
LF10, LF12, LF 13
LF6, LF7, LF8,LF10 LF6, LF7, LF8, LF9,
LF10, LF12, LF13
Schwerpunkt Betriebstechnik LF6 LF7, LF8 LF7, LF8, LF11 LF7 LF3, LF7, LF11
Schwerpunkt Maschinen- und
Antriebstechnik
LF10
Feinwerkmechaniker(Grundstufe) LF8 LF8 LF8 LF8
Schwerpunkt Maschinenbau LF16a LF16a LF16a LF16a
Schwerpunkt Feinmechanik LF15b LF15b LF15b LF15b
Industriemechaniker LF10, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13
Mechatroniker LF7, LF8 LF7, LF 8 LF7, LF11 LF7, LF11
Zuordnung von Lerninhalten der Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch zu Berufen und Lernfeldern
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
42 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Berufe Projekt 7 Projekt 8 Projekt 9 Projekt10 Projekt11
Elektroniker(Grundstufe) LF3 LF3 LF1, LF3 LF3 LF3
Schwerpunkt
Automatisierungstechnik
LF6, LF7, LF8, LF9,
LF10, LF12, LF13
LF6, LF6, LF7, LF8,
LF9, LF10, LF11,
LF13
LF6, LF7, LF8, LF9,
LF10, LF11
LF6, LF7, LF9,
LF10, LF11
LF6, LF7, LF9,
LF10, LF11
Schwerpunkt Betriebstechnik LF7, LF8, LF11 LF6, LF7, LF8 LF6, LF7, LF8, LF9,
LF10, LF11
LF7 LF7
Schwerpunkt Maschinen- und
Antriebstechnik
LF4, LF10, LF11
Feinwerkmechaniker(Grundstufe) LF8 LF8 LF8 LF8
Schwerpunkt Maschinenbau LF16a LF16a LF16a LF16a
Schwerpunkt Feinmechanik LF15b LF15b LF15b LF15b
Industriemechaniker LF6, LF10, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13 LF6, LF13
Mechatroniker LF7, LF8, LF11 LF7, LF11 LF7, LF8, LF9,
LF11
LF7, LF11 LF7, LF11
Zuordnung von Lerninhalten der Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch zu Berufen und Lernfeldern
5.2 Lerninhalte aus fachsystematischer Sicht und ihre Umsetzung in Projektaufgaben
Das Lernsystem Robotino® kleidet die mit ihm vermittelbaren fachsystematischen Inhalte in
Projektaufgaben. Aus der Verbindung von Fachsystematik und Situationsbezug sind Projektthemen
abgeleitet worden, die theoretische Aspekte mit einem konkreten Situationsbezug in Form von
berufstypischen Aufgaben- oder Problemstellungen aus der industriellen Praxis hinterlegen. Nachfolgende
Gegenüberstellung zeigt auf der linken Seite aus fachsystematischer Perspektive Oberbegriffe für
Lerninhalte, die sich mit Robotino® abbilden lassen. Gegenübergestellt sind rechts die Projektthemen im
Arbeitsbuch, mit denen fachsystematische Inhalte vermittelt werden können.
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 43
Fachsystematische Inhalte
Steuerungstechnische Anforderungen
Regelungstechnische Anforderungen
Schnittstellenproblematiken
Positionierung
Inhalte über Sensorik
Kommunikationstechniken
Prozesstechnik
Abstandsgenaues Annähern
Systematische Fehlersuche
Thematiken zur Bilderfassungund deren Auswertung
C++ Programmierung
Projektthemen im Arbeitsbuch
Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme
Lineares Verfahren einesMehrachssystems
Positionierung einesMehrachssysstems
Bahnverfolgung mit Reflexlichttastern
Abstandsgenaues Anfahren des Robotino®
Abstandgenaues Umkreisen eines Gegenstandes mit Robotino®
Bahnverfolgung mitInduktivsensor
Abstandsgenaues Fahren
Ermittlung eines optimalenFahrverhaltens
Bahnverfolgung mit der Webcam
Zielanfahren durch die Webcam
Umsetzung
ArbeitsbuchProjekt 1
ArbeitsbuchProjekt 2
ArbeitsbuchProjekt 3
ArbeitsbuchProjekt 4
ArbeitsbuchProjekt 5
ArbeitsbuchProjekt 6
ArbeitsbuchProjekt 7
ArbeitsbuchProjekt 8
ArbeitsbuchProjekt 10
ArbeitsbuchProjekt 9
ArbeitsbuchProjekt 11
Fachsystematik + Situationsbezug
Fachsystematische Lerninhalte und ihr Bezug zur industriellen Praxis
Das Lernsystem Robotino® ist so angelegt, dass es zur inhaltlichen Konkretisierung der angeführten
Oberbegriffe der vermittelbaren fachsystematischen Lerninhalte einen großen Interpretationsspielraum
bietet. Dieser umfasst sowohl Umfang als auch Tiefgang der Inhalte, die in sehr weiten Bereichen
differenzierbar sind. Hierbei kommt beim didaktisch reflektierten Einsatz des Lernsystems im Unterricht der
Lehrkraft die entscheidende Rolle bei der Auswahl und Umsetzung zu.
5.3 Umsetzungsbeispiele für ausgewählte Inhalte
Die nachfolgenden Umsetzungsbeispiele zeigen auf, wie sich Unterrichtsvorhaben mit dem Lernsystem
gestalten lassen. Die unterschiedlichen Beispiele kommentieren Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch. Sie
umfassen folgende Inhalte:
• Erstinbetriebnahme und Wareneingangsprüfung
• Bewegungsmöglichkeiten von Mehrachssystemen
• Möglichkeiten der Positionierung
• Sensoren und Aktoren
• Steuerungs- und Regelungstechnik
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
44 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
5.3.1 Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme
Wareneingangsprüfung und Erstinbetriebnahme stellen im beruflichen Alltag der Auszubildenden
wiederkehrende Aufgaben dar. Sie kommen in nahezu allen Berufsfeldern vor. Zur Wareneingangsprüfung
gehört z.B. das Prüfen des Lieferumfangs einschließlich der Vollständigkeit der technischen Unterlagen. Am
Beispiel von Robotino® lassen sich im Unterricht besonders das vertraut Machen mit einem komplexen
technischen System hinsichtlich seines Aufbaus und seiner Bedienelemente herausstellen. Zur
Erstinbetriebnahme gehören das Ein-/Ausschalten des Systems, Prüfen des Ladezustands des Akkus,
Starten von Demoprogrammen an der Hardware und Verknüpfen von Hard- und Software. Dies sind wichtige
Aufgaben aus dem beruflichen Alltag im Bereich der Automatisierungstechnik. Sie greift Projekt 1 des
Arbeitsbuchs auf.
Wareneingangsprüfung
Projektaufgabe 1 fordert vom Lernenden zunächst die Wareneingangsprüfung. Erste Aufgabe ist die
Sichtprüfung des erhaltenen Systems nach optischen Mängeln bzw. fehlenden Bauteilen einschließlich der
Dokumentation dieser Tätigkeit. Als Grundlage dafür dient das technische Handbuch.
Zusatzmöglichkeiten
Abgeleitet aus diesen Arbeitsaufträgen des Arbeitsbuchs lassen sich für Lernende Zuordnungsübungen zu
einzelnen Hardwareelementen durchführen, die Antriebseinheit, Bedieneinheit, Schnittstellen und Chassis
umfassen. Denkbar ist das Beschriften der Betriebsmittel durch Klebebandetiketten am System, die
anschließend nach Bedarf wieder entfernt werden können. Dabei sind funktionstechnische Gesichtspunkte
zu berücksichtigen. Beschriftungen müssen so angebracht werden, dass sie gut sichtbar sind, aber keine
betriebsbedingten Einschränkungen für das Gerät mit sich bringen. Eine weitere methodische Umsetzung
sind Arbeitsblätter, bei denen die Komponentenbeschriftung fehlt, die von den Lernenden zu ergänzen ist.
Zum Erschließen der Programmiersoftware Robotino® View sind Zuordnungsübungen anhand von
Screenshots durchführbar, mit denen sich der grundsätzliche Aufbau der Software Robotino® View
vermitteln lässt (siehe hierzu auch Kapitel 3.2.1).
Der modulare Aufbau der Hardware des Systems (siehe Kapitel 3.1) ermöglicht, dass Lernende das System
bereits in der Erstbegegnung in die Einzelkomponenten Antriebseinheiten, Steuereinheit, Chassis und Akku
zerlegen bzw. aus einem bereits zerlegten Zustand zusammenbauen. Im gleichen Zug bietet sich an, den
Austausch des Akkus durchzuführen. Methodisch lassen sich für ein selbstständiges Arbeiten der Lernenden
die geforderten Handlungen durch schriftliche Arbeitsaufträge zusammen mit dem Hilfsmittel technisches
Handbuch unterstützen. Ein Robotino® in zusammengebautem Zustand kann als Anschauungsmaterial für
das Zusammenfügen der Modulteile dienen.
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 45
Beispiel einer Zuordnungsübung
Ordnen Sie die Bauteile entsprechend der Zahlen zu! Hilfsmittel: Technisches Handbuch
12
3 4 5
_________________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________________
_________________________________________________________________________________________
Erstinbetriebnahme
Der zweite Teil der Projektaufgabe 1 aus dem Arbeitsbuch beinhaltet die Erstinbetriebnahme eines
autonomen technischen Systems. Einzelne Arbeitsaufträge sind:
• Sichern des Gerätes auf dem mitgelieferten Standbock
• Anbinden des Gerätes an eine stationäre Stromversorgung
• Ein/Ausschalten von Robotino® und Kontrolle des Betriebszustandes
• Prüfen des Akkus auf Ladezustand
• Starten von Demoprogrammen und beschreiben ihrer Funktionen
• Durchführung anhand der technischen Dokumentation zur Erstinbetriebnahme
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
46 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Inhaltliche und methodische Erweiterungsmöglichkeit: WLAN, Bedienfeld und Softwareanbindung
Die Erstinbetriebnahme von Robotino® lässt sich um die Lerninhalte WLAN, Bedienfeld und
Softwareanbindung erweitern.
Im Lernkontext von WLAN lassen sich die Begriffe der IP und der SSID erarbeiten. Diese Inhalte sind aber
von der technischen Realisierung der Verbindung zwischen Hard- und Software abhängig. Möglich ist hier
die Verbindung über USB-WLAN-Sticks oder über ein Schulnetzwerk mit einem zentralen Access-Point. In
der Umsetzung ist als Aufgabe das Ansteuern eines Robotino® von mehreren Schülerarbeitsplätzen
nacheinander denkbar, oder die Einstellung der stationären IP-Adresse eines Robotino® wird verändert. Bei
diesen Übungen steuern Lernende ihren Robotino® von ihrem eigenen oder von einem anderen Arbeitsplatz
aus an oder übernehmen die Bedienung bzw. Kontrolle eines anderen Gerätes. Diese Übungen dienen der
Vertiefung von Inhalten aus dem Bereich der Kommunikationstechnik und erschließen deren spezifische
Besonderheiten.
Bei der Bedieneinheit lässt sich ihr grundsätzlicher Aufbau, die Funktionen der Bedientasten und die
Menüstruktur ihrer Software erschließen. Methodisch eignen sich dazu Zuordnungsübungen z.B. anhand
einer Mind-Map (siehe Punkt Menüstruktur, Kapitel 3).
Die Softwareanbindung lässt sich durch das schrittweise Vorgehen vermitteln, indem Lernende zunächst ein
lauffähiges Programm in die Arbeitsfläche von Robotino® View laden, die IP-Verbindung aktivieren und das
Programm über das Play-Symbol starten. Dabei können sie mit der Tastenkombination Strg + D die aktuellen
Werte des Programms abfragen und die Reaktion von Robotino® beobachten.
5.3.2 Bewegungsmöglichkeiten von Mehrachssystemen
Das Lernsystem Robotino® enthält ein omnidirektional angetriebenes Mehrachssystem. Inhaltliche
Herausforderungen für Lernende stellen hierbei z.B. die Wirkungen von Antriebsbewegungen einschließlich
deren Überlagerungen und die Freiheitsgrade eines solchen Systems dar. Im Arbeitsbuch greift
Projektaufgabe 2 dazu folgende Lerninhalte auf:
• Einfache lineare Bewegungen eines angetriebenen Mehrachssystems beschreiben und programmieren
• Koordinaten eines Bezugssystems bezogen auf den Antrieb von Robotino®
• Freiheitsgrade eines solchen Systems und kinematische Zusammenhänge
• Programmierung eines omnidirektionalen Antriebs und Grundfunktionen beschreiben
• Reale Einflüsse auf ein solches Antriebssystem
Zusatzmöglichkeit: Aufbau der Antriebseinheiten, deren Anordnung und Zusammenwirken
Ergänzend zu Projektaufgabe 2 lassen sich im Unterricht der Aufbau der Antriebseinheiten, ihre Anordnung
und ihr Zusammenwirken behandeln. Methodisch denkbar ist, dass Lernende die drei Antriebseinheiten in
Einzelteilen erhalten. Beim Zusammenbauen dieser Komponenten erschließen sie sich ihre Funktionalität
als einzelnes Bauteil und innerhalb des Gesamtsystems. Als Hilfsmittel fungieren dabei der Theorieteil des
Arbeitsbuches und das technische Handbuch.
Als Erweiterungsaufgabe sind die drei Antriebsachsen in das Chassis einzubauen und das Zusammenwirken
der drei Antriebsachsen zu erläutern. Die Freiheitsgrade eines solchen Systems lassen sich an dieser Stelle
vertiefen. Methodisch bietet hierbei der Theorieteil des Arbeitsbuchs weitere Anregungen.
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 47
Damit verknüpfen und auf reale Anwendungen übertragen lassen sich mathematische Betrachtungen zur
Vektoranalysis und Trigonometrie. Informationen hierzu enthalten auch der Theorieteil des Arbeitsbuches,
die Online-Hilfe der Software Robotino® View und der Anhang dieser Handreichung.
Da mathematische Bezüge zunächst sehr abstrakt sind und die Bestimmung der Fahrtrichtung sehr komplex
ist, empfiehlt sich an dieser Stelle die Einführung des Omnimoduls. Der Funktionsbaustein Omnimodul
berechnet aus translatorischen Geschwindigkeitsvorgaben (Vektorkoordinaten Vx,Vy,Vz) die
Geschwindigkeitssollwerte der drei Einzelmotoren des Antriebs und berücksichtigt dabei die Position des
Chassis.
Die vom Omnimodul vorgenommene Berechnung der Bewegungsrichtung von Robotino® und die Vorteile,
die sich durch die Verwendung des Omnimoduls ergeben, erschließen sich leichter über das oft
grundsätzliche vorhandene Verständnis über translatorische Systeme und deren theoretischen Hintergrund.
5.3.3 Aufgaben der Positionierung
Ein wichtiger inhaltlicher Aspekt für autonome, mobile automatisierungstechnische Systeme ist ihre exakte
Positionierung. Das Arbeitsbuch stellt hierzu drei Möglichkeiten im Projekt 3 dar. Die erste
Positionieraufgabe bezieht sich auf das Zählen von Motorinkrementen. Dabei werden aus dem
Funktionsbaustein Motor der Software die gezählten Inkremente herausgelesen und mit einer Konstanten
verglichen. Das Ergebnis dieser logischen Operation wirkt direkt auf den Motor zurück. Diese Form der
Positionierung schließt trigonometrische Funktionen für die Bewegungsrichtung zur Berechnung der
Ansteuerung der Antriebsachsen ein.
Ergänzend dazu lassen sich relative und unmittelbare Drehzahlmessung von Motoren, deren technische
Umsetzung und auch potentielle Fehlerquellen der Messung betrachten. Weiter lassen sich dazu Getriebe
und Riemenübersetzungen in Bezug setzen, das Zusammenwirken von Motor und Radumdrehung sowie
Problematiken des Schlupfs erschließen.
Die beiden weiteren Positionieraufgaben verwenden den Hilfsbaustein Omnimodul und beschreiben die
Positionierung jeweils mit einer Formel zur gleichförmigen Bewegung:
Die Grundformel V = s : t ergibt umgestellt nach dem Weg s = V * t die Abhängigkeit der definierten Strecke
von der Geschwindigkeit und Zeit. Die zurückgelegte Wegstrecke lässt sich über die Veränderung beider
Größen V und t definieren (siehe Projekt 3, Teilaufgabe 2 im Arbeitsbuch).
Alle drei Verfahren der Positionierung sind gemäß der Vorgaben im Arbeitsbuch mit verschiedenen
Bodenoberflächen und verschiedenen Geschwindigkeiten in mehreren Versuchsreihen durchzuführen. Reale
Einflussgrößen und Fehlerquellen, wie beispielsweise die Summation von Fehlern, verschiedene
Bodenbeläge, Reaktionszeiten, usw. werden den Lernenden vor Augen geführt.
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
48 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Zusatzmöglichkeit
Ergänzend dazu lassen sich weitere Fragestellungen zur Positionierung aufgreifen. Mögliche Stichworte sind
die relative und die absolute Positionierung. Hierzu müssen die Begriffsbedeutungen unterschieden und
ihre technische Umsetzung mit möglichen Problemen dargestellt werden. Folgende Fragestellungen bieten
Impulse für solche Inhalte:
• Wie lässt sich Robotino® nach einer zurückgelegten Fahrstrecke wieder genau in die Ausgangslage
bringen?
• Welche Messmöglichkeiten müssen hierzu vorhanden sein?
• Welche technischen Zusatzkomponenten benötigt das System?
• Wie kommt es zur Summation von Positionierfehlern?
• Wovon hängt die Positioniergenauigkeit ab?
• Welche Probleme können durch eine indirekte Messwertaufnahme entstehen?
• Wie lassen sich solche Fehler beheben?
5.3.4 Sensoren und Aktoren
Das Standardausführung des Lernsystems Robotino® ist mit je zwei digitalen und je zwei analogen
Sensorarten ausgestattet. Bei den digitalen Sensoren verwendet das System zwei Reflexlichttaster und eine
Stoßleiste. Die analogen Sensoren umfassen neun Infrarot-Abstandssensoren und einen induktiven
Endschalter. Die Stoßleiste und die induktiven Abstandsensoren sind fest in der Hardware eingebaut.
Reflexlichttaster und induktiver Endschalter sind jeweils extern über die EA-Schnittstelle an das System
angebunden.
Sensoren
Infrarot AbstandssenorStoßleisteintegriert
extern angebundenInduktiver SensorReflexlichttaster
Digital Analog
Sensorarten im Lernsystem Robotino®
Im Arbeitsbuch werden die Sensoren im Theorieteil nach Aufbau und Funktion erläutert und in den einzelnen
Projekten je nach Auftragsanforderung integriert. Dabei beschäftigt sich das Lernsystem mit:
• unterschiedlichen Schaltzuständen wie Öffner und Schließer
• Justieren von Sensoren
• Einstellen von Schaltreserven
• Anbinden an Schnittstellen
• Technische Dokumentation mit Hilfe von Stromlaufplänen
• Umgang mit Datenblättern und technischen Unterlagen
• Einbinden in die Software durch die entsprechenden Funktionsbausteine
• Konfiguration innerhalb der Software
• Funktionsprüfung durch die Software
• Aufnahme von Messwerten und Messtabellen
• Erstellen von Kennlinien und deren Interpretation
• Bilderfassung, Auswertung und Weiterverarbeitung
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 49
Projekt 5 leitet die Kennlinie eines analogen Sensors her. Hierbei werden zunächst mit Hilfe der Software die
einzelnen Messwerte eines analogen Sensors aufgenommen, tabellarisch dokumentiert und grafisch in ein
Achsensystem übertragen. Diese Schaltkennlinie des Infrarotsensors muss für den geforderten
Anwendungsbezug interpretiert und eingebunden werden. Ihre grafische Umsetzung ist z.B. mit dem
Programm EXCEL möglich.
Aktoren beschränken sich derzeit im Lernsystem Robotino® auf die drei Antriebseinheiten der Hardware. Sie
wurden bereits in vorausgehenden Kapiteln erläutert.
Erweiterungsmöglichkeiten für die Systemeingänge
Das System lässt sich um sechs digitale und sieben analoge Sensoren über die Standardausstattung hinaus
erweitern. Ergänzend dazu lassen sich zusätzliche externe Signalgeber einbeziehen. Eingabegeräte sind z.B.
Joystick, Steuerungsfeld oder ein Kamerasystem. Diese Komponenten ermöglichen erheblich erweiterte und
komplexere Aufgabenstellungen.
Erweiterungsmöglichkeiten durch acht digitale Ausgänge
Das Lernsystem Robotino® lässt sich über acht digitale Ausgänge erweitern. Dadurch können z.B.
Übergabesignale zwischen Robotino® und anderen Maschinenkomponenten etwa durch Lampen simuliert
werden. In der industriellen Anwendung ist dies beispielsweise bei einem hardwareseitigen
Kontaktaustausch umgesetzt und ermöglicht so den Abgleich zwischen einzelnen Maschinenpositionen, die
oftmals auch von verschiedenen Herstellern kommen.
5.3.5 Steuerungs- und Regelungstechnik
Bei Projektaufgabe 5 im Arbeitsbuch zum abstandsgenauen Anfahren einer Beladestation stehen
Steuerungs- und Regelungsprozesse im Mittelpunkt.
Der erste Aufgabenteil erfordert zunächst Entscheidungen zu den einzusetzenden Sensoren. Der dafür
geeignete Infrarot-Abstandssensor liefert der Software das Eingangssignal und wird mit dem
entsprechenden Funktionsbaustein konfiguriert. Anschließend ist die grundsätzliche Entwicklung einer
Steuerstrategie gefordert. Im Arbeitsbuch erfolgt dies durch eine Vergleichsoperation zwischen einer
Sollwertkonstanten und dem Sensorwert. Ist dieser Vergleich erfüllt, schaltet das Programm die
Fahrbewegung ab. Da keine Rückwirkung stattfindet, erfolgt in diesem Projektabschnitt ein
Steuerungsprozess. Diese Steuerungsanwendung testen die Lernenden mit verschieden Abstands- und
Geschwindigkeitswerten. Als Voraussetzung hierfür müssen sie die Kennlinien von Sensoren lesen und
verstehen können. Durch das Experimentieren erschließen sich potentielle Einflussfaktoren, die in der
beruflichen Realität automatisierte Anlagen mit beeinflussen.
Aufbauend auf dieser Aufgabe fordert die erweiterte Aufgabenstellung im Arbeitsbuch eine
Regelkreisstrategie. Der geforderte Abstand zum anzufahrenden Gegenstand muss in einer 2. Teilaufgabe
auch bei beweglichem Hindernis beibehalten werden. Die dritte Teilaufgabe fordert das Entlangfahren an
einer Mauer mit konstantem Abstand.
Bei den beiden Erweiterungsaufgaben sind Regelungen erforderlich. Dabei werden spezifische Regelgrößen
definiert und der Wirkungszusammenhang mit Hilfe eines Blockschaltbildes entwickelt. Diese Darstellung
der Regelung übertragen die Lernenden auf ein Programm der Software Robotino® View. Die graphische
Ähnlichkeit des Blockdiagramms mit dem Softwareprogramm fördert den Verständnisprozess. Im Anschluss
daran testen die Lernenden das erstellte Programm an den verschiedenen Aufgabenstellungen, wie
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
50 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
beispielsweise das Verschieben des Hindernisses während des Programmlaufs oder durch Verändern der
Abstände zu Hindernissen.
Das vorausgehende Beispiel im Arbeitsbuch führt den Lernenden zum ersten Mal bewusst
Regelungsprozesse vor Augen. Dabei werden unterschiedliche Quellen der Eingangssignale anhand
verschiedener Sensorarten und Eingabegeräten in die Regelung einbezogen. Die zunehmende Komplexität
der Regelungsaufgaben bedingt eine strukturierte Programmierung, die mit Hilfe von Ablaufsequenzen
verwirklicht wird. Dabei sind komplexe Anforderungen in Einzelaufgaben zu zerlegen, die von der Robotino®
View Software in entsprechende Programme abgespeichert werden. Diese Einzelprogramme ermöglichen,
drei digitale Signale aus dem Programm herauszulösen und mit Folgeapplikationen zu verknüpfen. Diese
Vernetzung einzelner Programme bildet die Software Robotino® View durch die grafische Arbeitsfläche für
Ablaufstrukturen ab. Im Arbeitsbuch greifen die weiteren Projektaufgaben Beispiele für Regelungsaufgaben
gemäß industrieller Anforderungen auf. Sie sprechen folgende Lerninhalte an:
• Prinzipien der Steuerung und Regelung
• Begrifflichkeiten der Steuerung und Regelung
• Entwicklung von Steuerungs- und Regelungsstrategien
• Umsetzung einer Strategie innerhalb einer Software-Oberfläche
• Strukturierte Programmerstellung und Ablaufsequenzen
• Testen unter realen Umgebungseinflüssen
• Erkennen von Fehlerquellen
• Optimierung und Beseitigung von Fehlerquellen
• Grundlegende Reglertypen (Proportional-, Differenzial-, Integralregler)
• Auswirkungen von Regelungsstrategien
• Kombination verschiedener Reglertypen
• Einstellung von verschiedenen Reglerparametern
• Optimierung von Reglerstrategien
5.3.6 Perspektiven des Lernsystems Robotino®
Die vorausgehend beschriebenen Beispiele aus dem Arbeitsbuch stellen einen kleinen Auszug des
inhaltlichen und didaktischen Spektrums des Lernsystems Robotino® dar.
Das Lernsystem umfasst sehr viele Fachinhalte von automatisierten Anlagen. Neben den bereits integrierten
lassen sich durch die Schnittstellen viele weitere Möglichkeiten der Signalerfassung, deren Auswertung und
Weiterverarbeitung, Bildverarbeitungs- und Umsetzungsstrategien, Gestaltung der Bildschirmoberfläche,
die Übernahme einer autonomen CPU, usw. in das Lernsystem integrieren. Dies gewährleistet die offene
Gestaltung des Lernsystems mit vielen Schnittstellen (siehe Punkt 3.1.2.1). Beispielsweise lassen sich über
die Schnittstellen
• weitere analoge und digitale Sensoren anbinden (siehe Kap. 5.3.4)
• externe Komponenten durch potentialfreie Relaiskontakte schalten
• zusätzliche Eingabetasten am Joystick einbeziehen
• zusätzliche digitale Aktoren anbinden
• ein Kamerasystem integrieren
• mechanische Werkzeuge wie z.B. einen Greifer anbauen
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 51
Robotino® lässt sich in seiner Vielseitigkeit sehr stark ausbauen. Die Firma Festo entwickelt ständig neue
Möglichkeiten der technischen Erweiterung des Systems. So wird beispielsweise die Einbindung eines
Greifarms oder die Erkennung eines absoluten Nullpunkts im Raum in den nächsten Versionen als optionale
Erweiterung zum Grundsystem mit angeboten. Besonders wichtig ist aber die Innovationsbereitschaft der
Lehrkräfte, die mit dem Lernsystem arbeiten. Sie geben die entscheidenden Anstöße für die didaktische
Entwicklung und Entfaltung des Potenzials von Robotino® im Unterricht.
5.4 Anknüpfpunkte zum bestehenden Unterricht
In vielen Schulen dominiert den Unterricht der Automatisierungstechnik die Siemens Steuerung S7. Dies
liegt zum einen daran, dass das Berufsbild des Elektronikers für Automatisierungstechnik sehr stark durch
Speicherprogrammierbare Steuerungen geprägt ist, da sie im beruflichen Alltag sehr häufig mit solchen
System umgehen müssen. Auf der anderen Seite begründet die starke unterrichtliche Ausrichtung auf die
Siemens Programmieroberfläche deren Marktdominanz. Nahezu 90 Prozent der automatisierten Anlagen in
der deutschen Industrie beinhalten Komponenten der S7 Steuerung.
Dem gegenüber ist zu bedenken, dass die Thematik Speicherprogrammierbare Steuerung nur ein Ausschnitt
der Automatisierungstechnik ist und bei weitem nicht alle wichtigen Themenbereiche anspricht. Bisher oft
vernachlässigte Themen in beruflichem Unterricht sind z.B. die drahtlose Kommunikation oder
Regelungsprozesse eines komplexen, autonomen Systems. Hierzu repräsentiert das Lernsystem Robotino®
insbesondere für ein Lernen an realen und berufstypischen Anlagen für einen solchen Unterricht ein
besonders geeignetes Lernmedium. Lehrkräfte aus der Unterrichtspraxis stellen sich nun wohl berechtigt die
Frage, wo in ihrem bestehenden Unterricht das Lernsystem Robotino® einsetzen lässt. Ausgehend von der
weiter oben beschriebenen Annahme, dass der bisherige Unterricht oftmals sehr intensiv durch die
Speicherprogrammierbare Steuerung geprägt ist, sollen folgende Ausführungen Anknüpfpunkte für das
Lernsystem aufzeigen.
Programmierbausteine
Die Programmierbausteine, die andere industrielle Softwarekonzepte als Funktionen bzw.
Funktionsbausteine darstellen, sind mit einzelnen Unterprogrammen der Software Robotino® View
vergleichbar. Hierbei werden gezielt Programmfunktionen in der Bearbeitungsoberfläche graphisch
programmiert und als separates Programm abgespeichert.
Strukturierte Programmierung
Strukturierte Programmierung bedeutet eine Untergliederung eines Hauptprogramms in einzelne
Unterprogramme. Dabei wird der Ausgangspunkt in anderen Programmierungskonzepten auf einen
zentralen Organisationsbaustein gelegt. Die CPU arbeitet einen zentralen Programmbaustein sequenziell ab,
von dem aus einzelne Unterprogramme aufgerufen werden. In der Programmiersoftware Robotino® View
entspricht dies der Ablaufsteuerungsoberfläche. Diese Oberfläche ist die Plattform für einzelne
Unterprogramme, die sich hier miteinander verknüpfen lassen. Auch hier werden mit Beginn des
Programmablaufs (Taste Play) die verknüpften Programme sequentiell nacheinander abgearbeitet.
Inhaltliche und didaktische Möglichkeiten von Robotino®
52 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Verschiedene Anlaufarten einer industriellen Steuerung
Steuerungen von automatisierten Anlagen unterscheiden sich durch verschiedene Anlaufarten. Beispiele
sind RUN, STOPP oder WIEDERANLAUF. Vergleichbare Betriebsarten enthält Robotino® View: RUN lässt sich
mit der Play-Taste, der WIEDERANLAUF mit der Pause-Taste und die Betriebsart STOPP mit der Stopp-Taste
vergleichen.
Graphische Programmierung
Die graphische Programmierung der Software Robotino® View ist der Programmierung in FUP
(Funktionsplan) der Speicherprogrammierbaren Steuerung sehr ähnlich.
Logische Verknüpfungen
Es lassen sich Bit-Operationen durch logische Verknüpfungen, Speicher-, Zeit-, Vergleichs- und Zähler-
Operationen programmieren.
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 53
6 Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®
Das nachfolgende Beispiel skizziert ein mögliches Unterrichtsvorhaben für die Berufsschule. Es gründet sich
auf unterrichtspraktische Erfahrungen mit Robotino®. In dieser Form ist das Unterrichtsvorhaben im
Berufsfeld Elektrotechnik mit dem Ausbildungsberuf Elektroniker im dritten Ausbildungsjahr an zwei
unterschiedlichen Schulstandorten erprobt worden. Ein Anhaltspunkt für den zeitlichen Umfang sind
5 Unterrichtstage (entsprechend einer Blockwoche) mit je 6 Unterrichtsstunden. Dabei ist pro Unterrichtstag
eine inhaltliche Schwerpunktsetzung denkbar. Die mögliche Zuordnung der Lerninhalte und Lernschritte
kann gemäß der Auflistung in Kap. 6.2 erfolgen.
6.1 Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis
Das gesamte Unterrichtsvorhaben orientiert sich an einer Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis.
Diese kann wie folgt lauten:
In Ihrem Betrieb besteht ein Gefahrenbereich, durch den Stückgut transportiert werden muss. Hierzu hat Ihr
Betrieb ein Fahrerloses Transportsystem (kurz FTS) der Firma Festo gekauft. Dieses Gerät muss
auftragsgemäß in Betrieb genommen und konfiguriert werden.
Konkrete betriebliche Auftragssituation:
Das gekaufte FTS befindet sich im Auslieferungszustand. Die Elektroabteilung Ihres Betriebs soll das Gerät
entgegennehmen, den Lieferumfang kontrollieren und das System so konfigurieren, dass es seinen
Einsatzzweck erfüllt. Die Einsatzsituation erfordert, dass ein FTS vom Startpunkt entlang eines
vorgegebenen Weges zu einer Beladestation fährt, dort beladen wird und anschließend wieder zurück zum
Ausgangspunkt fährt. Dabei ist der folgende Weg zurückzulegen:
Start
Beladestationmetallischer Punkt
gelbe Führungslinie
manuelle Fahrt
Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®
54 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Vom Ausgangspunkt (Start) muss das FTS zunächst einer gelben Führungslinie folgen. Anschließend ist eine
Wegstrecke durch manuelle Fahrt zu überwinden. Danach folgt noch einmal eine Wegstrecke mit einer
gelben Führungslinie, die am Zielpunkt (Beladestation) endet. Anfang und Ende jeder Teilstrecke sind durch
metallische Abschlüsse gekennzeichnet.
Mit der Aufgabenstellung sind folgende Anforderungen an die Lernenden verbunden:
• Start der Fahrt
Vom PC aus wird der Ablauf gestartet. Vor Fahrtbeginn (zeitlich verzögert) muss eine Signallampe
leuchten, die bestätigt, dass sich Robotino® in der Ausgangsposition befindet.
• Automatisierte Fahrt der ersten Teilstrecke
Im Anschluss daran muss Robotino® der gelben Führungslinie automatisiert folgen. Ein Signal (Lampe)
soll anzeigen, sobald das FTS das Ende der ersten Teilstrecke erreicht hat und sich in der
Ausgangsposition für die zweite Teilstrecke befindet.
• Kameragesteuertes Fahren der zweiten Teilstrecke (mit Joystick)
Nachdem das FTS am Ende der ersten Teilstrecke ein Signal gibt, weiß der Bediener, dass er Robotino®
nun mit Hilfe von Kamera und Joystick entlang der zweiten Teilstrecke fahren muss. Dabei sollen
Schutzfunktionen wie die Stoßleiste und die Infrarotsensoren das Annähern an Hindernisse auf
ca. 15 cm begrenzen. Sollte dennoch eine Kollisionsgefahr entstehen, so muss eine Warnmeldung
gegeben werden (rote Lampe). Mit dem Verlassen des Kollisionsbereichs erlischt die Warnlampe. Ein
Signal (Lampe) soll anzeigen, sobald das FTS das Ende der zweiten Teilstrecke erreicht hat und sich in
der Ausgangsposition für die dritte Teilstrecke befindet.
• Automatisierte Fahrt der dritten Teilstrecke
Auf der dritten Teilstrecke soll das FTS erneut automatisiert der gelben Führungslinie folgen. Die Fahrt
beginnt dann, wenn Robotino® das Erreichen der dritten Fahrtstrecke durch eine Lampe anzeigt.
• Erreichen der Beladestation und Rückfahrt
Am Ende der gesamten Fahrstrecke soll das FTS an der Beladestation anhalten und die
Beladebereitschaft durch ein Signal anzeigen (Lampe). Die erfolgte Beladung soll nach ihrer Quittierung
mit dem Joystick durch den Bediener erneut durch ein Signal gemeldet werden. Robotino® soll sich dann
um 180 Grad drehen und die drei Teilstrecken aus der Hinfahrt in umgekehrter Richtung durchfahren.
Dieser Ablauf erfolgt zurück zum Startpunkt unter denselben Bedingungen wie auf der Hinfahrt.
6.2 Lerninhalte und Lernschritte
Für das skizzierte Unterrichtsvorhaben, das eine Aufgabenstellung aus der betrieblichen Praxis aufgreift,
ergeben sich einzelne Themenschwerpunkte. Die zuordenbaren Lerninhalte oder Lernschritte sind unter
einer jeweiligen Themenüberschrift aufgelistet. Gedanken zu ihrer methodischen Umsetzung enthalten
bereits Kapitel 5 und die Projektaufgaben des Arbeitsbuchs, die sich der jeweiligen Thematik zuwenden.
Ein Lösungsbeispiel für diese Aufgabenstellung finden Sie auf der beigefügten CD.
6.2.1 Wareneingang und Erstinbetriebnahme
Lerninhalte und Lernschritte
• Entgegennehmen eines komplexen Automatisierungstechniksystems
• Hardware eines komplexen Systems
• Lage einzelner Sensoren und Aktoren
• Komplexes System eindeutig beschriften
• Technische Dokumentation zum Wareneingang
• Aufbau und Funktion der Bedieneinheit
Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 55
• Grundsätzliche Funktionen der Bedieneinheit (Tasten des Bedienfeldes)
• Menüstruktur des Bedienfeldes
• Einzelne Demoprogramme starten
• Funktionen der Demoprogramme und dabei verwendete Sensoren
• Verbindungen zwischen Hard- und Software über WLAN herstellen
• Begriffe der WLAN-Kommunikation (SSID und IP)
• Erstellen von Kommunikationsprofilen
• Grundsätzlicher Aufbau und Funktionalität einer softwaremäßigen Benutzeroberfläche
• Grundsätzliche Bedienung einer solchen Programmoberfläche
• Gespeicherte Programme öffnen und testen
• Funktionsbausteine als Symbole der Hardware
• Strukturen von Funktionsmodulen
• Einfache Parametrierung von vorgegebenen Musterprogrammen (Beispielprogramm: Sollwert und
Funktionsbaustein Motor)
6.2.2 Umgang mit einem komplexen Antriebssystem
Lerninhalte und Lernschritte
• Hardwareaufbau eines komplexen Antriebssystems und Funktion einzelner Komponenten
• Koordinaten in der translatorischen Ebene
• Freiheitsgrade eines automatisierten Systems
• Translatorisches Bezugssystem auf Antriebssystem übertragen
• Anordnung der Antriebsachsen zueinander
• Vektordarstellung einer Geschwindigkeit (Betrag, Richtung)
• Drehrichtung der Antriebsachen
• Wirkung einer Antriebseinheit auf den Untergrund
• Zusammenwirken der drei Antriebsachen
• Steuerung der Antriebseinheit durch gezielte Wertvorgaben und Berechnungen der einzelnen Vektoren
• Omnimodul als Vereinfachung für mathematischen Berechnungen (translatorische Seite, vektorielle
Seite)
• Bewegungen aus translatorischer Sicht durch das Omnimodul definieren
6.2.3 Einbinden von verschiedenen Sensoren
Lerninhalte und Lernschritte
• Grundlagen zu Sensoren (Bedeutung, Arten, Schaltzustände, …)
• Aufbau und Funktion eines Reflexlichttasters
• Einbau eines Reflexlichttasters
• Umgang mit Datenblättern
• Umgang mit technischen Unterlagen
• Ordnungsgemäßer Einbau von Sensoren (Kabelverlegung, Anschluss)
• Den Umgang mit einem Lichtwellenleiter (Abschneiden, Knicken, Funktion;….)
• Sensoren in die Software mit einbinden (Konfiguration, Skalierung und Beschriftung)
• Sensoren auf reale Situation abgleichen (Justage)
• Verschiedene Einflussgrößen auf Reflexlichttaster (Bodenbelag, Lichtverhältnisse,…)
• Verschiedene Materialien als Führungslinie
• Aufbau und Funktion des Infrarotsensors als Beispiel für einen analogen Sensor
• Analoge Sensoren in die Software integrieren (Konfiguration, Beschriftung, Skalierung)
• Ist-Werte des Sensors in der Software abfragen (Strg + D)
Beispiel für ein Unterrichtsvorhaben mit Robotino®
56 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
• Systematische Messreihen zum Infrarotsensor
• Schaltdiagramme zum Infrarotsensor darstellen (z.B. mit MS Excel)
• Schaltdiagramme interpretieren
• Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Sensoren
• Einbindung von Sensoren zum Personenschutz
• Drahtbruchsicherheit von Sensoren
• Ausgänge in ein Softwareprogramm konfigurieren
• Zusätzliche externe Komponenten integrieren
6.2.4 Erstellung von Programmstrukturen
Lerninhalte und Lernschritte
• Ablaufstrategie für gesamte Aufgabenstellung entwickeln und einzelne Teilaufgaben daraus ableiten
(automatischen Bahnsteuerung, manuelle Fahrt, Positionserkennung und Anzeige, GANT-Diagramm, …)
• Optische Bahnsteuerung verbalisieren
• Verbale Beschreibung in ein Funktionsblockdiagramm umsetzen
• Funktionsblockdiagramm in ein Softwareprogramm umsetzen
• Erstelltes Programm starten und auf Funktion testen
• Probleme beim Programmablauf erfassen und korrigieren
• Programme optimieren
• Verschiedene Programmstrategien erfassen
• Technische Programmdokumentationen durchführen
• Programm zur manuellen Fahrt erstellen
• Schutzfunktionen integrieren (Stoßleiste mit Abschaltfunktion und Infrarotsensoren bei Annäherung an
Hindernisse mit Abschaltung versehen)
• Prinzip der strukturierten Programmierung, Vorteile und Nachteile
• Ablaufsteuerung
• Programminterrupts festlegen
• Teilprogramme zusammenführen
6.2.5 Auftragsübergabe an den Kunden
Lerninhalte und Lernschritte
• Programmablaufstrategie auf reale Bedingungen anpassen
• Programmablauf testen und optimieren
• Kundenübergabe vorbereiten
• Präsentation des Lösungsvorschlages
• Service und Wartungsdokumentation erstellen
• Kundenübergabe
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 57
7 Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
Nachfolgende Ausführungen reflektieren Einsatzmöglichkeiten des Lernsystems Robotino® im Unterricht
und das damit verbundene didaktische Potenzial. Zunächst erfolgen Betrachtungen zu ausgewählten
grundsätzlich möglichen Lernzugängen zum Lernsystem. Anschließend soll Robotino® an Merkmalen für
einen handlungsorientierten Unterricht gespiegelt werden. Dies bezieht sich auf die theoretischen
Ausführungen in Kapitel 2. Abschließend erfolgen Einschätzungen zur Eignung von Robotino® für den
Einsatz in einem lernfeldorientierten Unterricht.
7.1 Lernzugänge zum Lernsystem Robotino®
Das Lernsystem Robotino® ist ein inhaltlich umfassendes Lernmedium für die Automatisierungstechnik. Die
Ausgestaltung drängt zu einer Umsetzung im Unterricht, bei der Schüler individualisiert und eigenaktiv
lernen können. Als Lehr- und Demonstrationsmedium für die Hand der Lehrkraft in einem Frontalunterricht
ist es nicht konzipiert.
Für Lernende sind die möglichen Lernzugänge zum Lernsystem Robotino® vielgestaltig. Einige Schlagworte
für pädagogische Grundorientierungen sind z.B. konstruktivistisch, problemorientiert, entdeckend,
experimentierend oder spielerisch. Dabei bilden die einzelnen Schlagworte keine abgeschlossenen
Kategorien, da zwischen ihnen große Überlappungsbereiche bzw. Affinitäten bestehen.
Konstruktivistisches Lernen
Das Lernsystem Robotino® drängt zum Einsatz in einem konstruktivistischen Unterricht (Merkmale siehe
Kap. 2.1). Hier schlüpfen Lernende in die aktive Rolle und können ihr Tun auch selbst steuern und
kontrollieren. In einer solchen Konzeption ist aus Lehrersicht die Berücksichtigung des vorhandenen
Vorwissens der Lernenden bei der Unterrichtsplanung wichtig, damit Lernende bei der Arbeit mit Robotino®
das neu zu erwerbende Wissen damit konstruktiv verknüpfen können. Das Lernobjekt Robotino®
gewährleistet einen hohen situativen Bezug der Automatisierungstechnikinhalte. In komplexen
Aufgabenstellungen lassen sich Fehler lernförderlich nutzen. Lernen erfolgt in einem Sozialgefüge und
richtet sich besonders am Fortschritt im Lernprozess aus und nicht nur an einem möglichen Lernergebnis.
Mit dem Lernsystem ist ein pädagogisches Konzept realisierbar, bei dem sich Merkmale für ein
konstruktivistisches Lernen in sehr hoher Ausprägung umsetzen lassen.
Problemorientiertes Lernen
Für einen problemorientierten Unterricht ist eine anspruchsvolle Aufgabe leitend, über die Lernende
nachdenken müssen, um sie zu lösen. Ein Problem liegt dann vor, wenn für die Lösung reproduktives
Denken nicht ausreicht und wenn darüber hinaus eine Strategie des Suchens und Findens entwickelt
werden muss. Das Lernsystem Robotino® wählt im Arbeitsbuch grundsätzlich ein problemorientiertes
Herangehen an die enthaltenen Lerninhalte (siehe Kap. 3.3). Die elf Projektaufgaben spannen immer eine
Problemstellung aus der industriellen Praxis als Rahmen für die zu bearbeitende Thematik auf. Dies gelingt
meist sehr gut, da der abgebildete Aufgabenkontext authentisch, für die Adressaten hinreichend komplex
und anspruchsvoll ist. Im Lernverlauf fordert das Arbeitsbuch, den Problemlöseprozess zu dokumentieren.
Hinzu kommen lernförderliche Anregungen durch gezielte Fragen zur gewählten Lösungsstrategie z.B. zu
möglichen Ursachen für Ungenauigkeiten oder denkbaren Fehlerquellen. Dies stellt Lernende oft vor neue
Problemsituationen. Durch die vom Arbeitsbuch vorstrukturierte Führung auf dem Weg zur Problemlösung
lässt sich bei den Lernenden ein schematisches Problemlösevorgehen anbahnen, das sie verinnerlichen und
das zu einer hohen fachlichen Expertise führt.
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
58 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Über das Arbeitsbuch hinaus bieten sich für eine Lehrkraft mit Robotino® nahezu unerschöpfliche
Möglichkeiten für ein problemorientiertes Arbeiten im Unterricht nach eigenen pädagogischen
Vorstellungen. Dies basiert auf dem sehr weiten Spektrum der enthaltenen fachlichen Inhalte, das mit einer
realitätshaltigen technischen Ausgestaltung des Systems korrespondiert.
Entdeckendes und experimentelles Lernen
In der pädagogischen Fachsprache repräsentieren entdeckendes und experimentelles Lernen zunächst
jeweils eigenständige theoretische Konstrukte zur Gestaltung von Unterricht. Sie stehen jedoch in großer
Nähe zueinander und sollen hier zusammenfassend mit Blick auf Robotino® betrachtet werden.
Das Lernsystem Robotino® ermöglicht ein entdeckendes Lernen und fordert in vielerlei Hinsicht zu einem
experimentellen Zugang auf. Am Beispiel der Lerninhalte zur Antriebseinheit sind für Lernende sehr gut
externe Einflüsse z.B. auf die Positionierung eines mobilen Systems erkennbar. Offenkundig gewordene
Phänomene führen zu Rückschlüssen auf Ursachen. Im angesprochenen Beispiel sind dies Fahrdynamik und
Bodeneigenschaften. Robotino® rutscht bei hohen Geschwindigkeiten und glatten Oberflächen nach bzw.
durch.
In einem experimentellen Zugang lässt sich z.B. die Kennlinie eines analogen Sensors herleiten (siehe
Arbeitsbuch Projekt 5, Kennlinie eines Infrarotsensors). Lernenden erschließt sich dabei, dass der Sensor
nicht linear schaltet, sondern einem begrenzten Bereich unterliegt, Sättigungsmomente und
Erfassungslücken aufweist. Ein experimenteller und entdeckender Erkenntnisgewinn lässt sich auf viele
weitere Thematiken ausweiten, die im ersten Zugang abstrakt erscheinen, für ein grundlegendes
Verständnis der Automatisierungstechnik aber wichtig sind. Mit dem Lernsystem Robotino® liegt somit ein
Medium vor, mit dem abstrakte und theoretisch komplexe Inhalte für Lernende ansprechend darstellbar und
leichter erfassbar werden.
Spielerischer Zugang
Wie in Kap. 4.5 angedeutet, bieten Lernspiele aus didaktischer Perspektive ein großes Potenzial. Ein
spielerischer Zugang zu Robotino® ist primär durch das Ansteuern der Hardware mit einem Joystick möglich.
Das intuitive Steuern von Robotino® knüpft bei vielen Lernenden an bereits vorhandene Erfahrungen z.B.
mit Computerspielen oder Modellautos an. Der spielerische Zugang zu Robotino® ist eine sehr gute
Erstbegegnung mit dem Lernsystem. Selbst bei dieser Form des Herangehens wird dem Lernenden sofort
klar, dass die Hardware keinesfalls Spielzeugcharakter besitzt, sondern im Industriestandard ausgeführt ist.
Das so ermöglichte, einfache und intuitive Herangehen beugt aber der Gefahr vor, dass Lernende die hohe
Komplexität des anspruchsvollen technischen Systems abschreckt, wenn sie noch geringen Kenntnisstand
zur Automatisierungstechnik haben. Trotzdem lassen sich bereits über den spielerischen Zugang viele
technische Details von Robotino® zumindest in Ansätzen erkennen, was Neugier wecken und
Motivationsanreize für weiteres Lernen bieten kann.
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 59
7.2 Umsetzung von Bestimmungsgrößen für einen handlungsorientierten Unterricht
Handlungsorientiertes Lernen in der beruflichen Bildung lässt sich aus der Umsetzungsperspektive mit Blick
auf Unterricht anhand verschiedener Bestimmungsgrößen kennzeichnen (siehe Kap. 2). Diese sind als
Anforderungskatalog für einen qualitativ hoch entwickelten Unterricht zu sehen. Nachfolgend sollen
Einsatzmöglichkeiten des Lernsystems Robotino® an diesen Charakteristika gespiegelt werden. Die
einzelnen Stichpunkte sind:
• Komplexe Aufgabenstellung und komplexes Lerngebiet
• Handlungssystematisches Vorgehen
• Integrierter Fachunterrichtsraum
• Innere Differenzierung
• Kooperatives und kommunikatives Lernen
• Selbststeuerung und Freiheitsgrade
• Unterstützende Lehrerrolle
• Integrative offene Leistungsfeststellung
Komplexe Aufgabenstellung und komplexes Lerngebiet
Handlungsorientierter Unterricht richtet sich an umfassenden und hinreichend komplexen
Aufgabenstellungen mit deutlichem Praxisbezug für die Lernenden aus. Der zentrale Lerngegenstand
bündelt Lernziele aus einem Lernfeld und berücksichtigt dabei vielfältige berufliche Anforderungsbereiche.
Mit Robotino® liegt ein Lernsystem vor, das ein sehr komplexes Lerngebiet - hier die
Automatisierungstechnik - abdeckt. Als Lernobjekt bietet der Verbund aus Hardware und Software die
Möglichkeit, Lernprozesse von einfacheren Aufgabenstellungen bis hin zu sehr komplexen
Aufgabenstellungen zu gestalten. Dabei lässt sich sowohl der Umfang als auch der Schwierigkeitsgrad je
nach Einsatzgebiet und Adressatengruppe in einer großen Spannweite variieren. Durch die Möglichkeit,
einzelne Themenaspekte aus der Automatisierungstechnik modularisiert und in kleineren, abgeschlossenen
Einheiten mit Robotino® erlernbar zu machen, ist ein äußerst vielfältiger didaktischer Einsatz möglich. Mit
dem Lernsystem Robotino® lässt sich ein sehr weites Spektrum an Lernzielen aus der
Automatisierungstechnik abdecken und handlungsorientiert umsetzen.
Hard- und Software im Verbund führen meist zu einer höheren Aufgabenkomplexität, die einen engen
Berufsbezug herstellt und situatives Lernen in authentischen Situationen mit hohem Realitätsgehalt
ermöglicht. Hardware und Software lassen sich aber auch jeweils separat als Lerngegenstand heranziehen,
wodurch die Aufgabenkomplexität verringert werden kann. Ein Einsatz in kleineren, abgeschlossenen
Lerneinheiten ist dadurch möglich.
Mit dem Lernsystem Robotino® lässt sich ein projektartiger Unterricht im Lerngebiet
Automatisierungstechnik über einen längeren Zeitraum durchführen. Das Lernsystem ermöglicht ein Lernen
gemäß einer konstruktivistischen Lernauffassung, bei dem ein Wissenserwerb durch aktiv handelnde
Problemlöseversuche in vollständigen Handlungen erfolgt.
Dass Arbeitsbuch aus dem Lernsystem strukturiert den Zugang über Robotino® zur
Automatisierungstechnik. Eine direkte Übernahme einzelner Projekte in den Unterricht kann zwar erfolgen.
Oft ist jedoch eine Modifikation entsprechend den curricularen und schulspezifischen Anforderungen
erforderlich. Hierfür wirken die Projekte des Arbeitsbuchs leitend und können entscheidende Impulse zur
Gestaltung des Unterrichts liefern.
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
60 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
Handlungssystematisches Vorgehen
Handlungsorientierter Unterricht erfordert, dass der Lernverlauf möglichst konsequent einer Handlungslogik
folgt. Für beruflichen Unterricht ist dies möglichst eine berufstypische Aufgaben- oder Problemstellung.
Fachliche Lerninhalte gruppieren sich entlang dieser leitenden Handlungslogik. Alle Lernhandlungen
müssen für den Lernenden möglichst klar auf ein übergeordnetes und möglichst konkretes Handlungsziel
gerichtet sein. Durch die vielfältigen Möglichkeiten von Robotino®, berufsspezifische Aufgaben und
Situationen aus der Automatisierungstechnik im Unterricht abzubilden, ist ein Wissenserwerb in
vollständigen Handlungen in hohem Maße umsetzbar. Themen und Inhalte lassen sich projektartig an
Problemstellungen aus der industriellen Praxis umsetzen. Die Lernarbeit im Unterricht leiten dabei
Arbeitsaufträge, die Arbeitsprozesssituationen aus der Praxis in den Unterricht transportieren. Lernen
erfolgt hierbei in vollständigen Handlungen, bei dem Lernende ihre Aktivitäten weitgehend selbstständig
planen, durchführen und kontrollieren.
Für konkrete Problemstellungen können die Projektaufträge aus dem Arbeitsbuch als leitende
Handlungsstruktur dienen. Lehrkräften eröffnen sich darüber hinaus vielfältigste Möglichkeiten, eigene
Aufgabenstellungen zu konzipieren. Das Lernsystem Robotino® drängt grundsätzlich durch seinen
unmittelbaren Anwendungsbezug dazu, ein Lernen in vollständigen und in sich geschlossenen Handlungen
im Unterricht zu realisieren.
Integrierter Fachunterrichtsraum
Eine integrierte Fachlernumgebung setzt voraus, dass Lernen in vollständigen Handlungen aus der
kontinuierlichen Verbindung von theoretischen Überlegungen und ihrer unmittelbaren praktischen
Umsetzung erfolgen kann. Das Lernsystem Robotino® bietet hierzu optimale Voraussetzungen, da es sehr
einfach zu transportieren ist und mit verhältnismäßig wenig technischem Aufwand betriebsbereit gemacht
werden kann. Das Lernsystem Robotino® erfordert einen PC (günstig ist hier ein Laptop), auf dem die
Software installiert ist. Der Systainer der Firma Festo Didactic beinhaltet die Hardware. Für den
Unterrichtseinsatz sind je nach Schülerzahl und gewünschter Gruppengröße mehrere Einheiten erforderlich.
Robotino® erfordert keine besonderen räumlichen Anforderungen und lässt sich auch in herkömmlichen
Klassenzimmern einsetzen. Für Fahrbewegungen ist pro Einheit lediglich ein je nach Aufgabenstellung
unterschiedlich großer Bewegungsraum erforderlich.
Innere Differenzierung
Die geforderte Individualisierung von Lernprozessen in beruflichem Unterricht ermöglicht das Lernsystem
Robotino® durch eine Dezentralisierung des Lernens. Lernende in Gruppen können gemäß ihrer eigenen
Lerngeschwindigkeit oft unabhängig vom Lehrer vorgehen und bearbeiten die ihnen übertragene
Problemstellung. Robotino® richtet einen gewissen Mindestanspruch an die Lernenden. Eine didaktische
Anpassung für lernschwächere Schüler kann jedoch von der Lehrkraft vorgenommen werden. Für
komplexere und anspruchsvollere Aufgaben, an denen sich für leistungsstarke Schüler zusätzliche
Lernmöglichkeiten auftun, bietet Robotino® genügend Möglichkeiten. Der Gestaltungsspielraum der
Benutzeroberfläche der aktuellen Software-Version ist eingeschränkt. Wünschenswerte Eingriffe wie die
Gestaltung von Bibliotheken, Einfügen von Textfeldern oder ausschnittweise Vergrößerungen einzelner
Bildschirmelemente stellen einige Beispiele für vorhandene Beschränkungen der Software dar. In einer
zukünftigen Version der Software Robotino® View sollen angesprochene und auch weitere didaktische
Eingriffsmöglichkeiten realisierbar sein.
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 61
Kooperatives und Kommunikatives Lernen
Kooperatives und kommunikatives Lernen wird für die Anbahnung einer umfassenden beruflichen
Handlungskompetenz immer wichtiger. Es lässt sich mit Robotino® gut verwirklichen, wenn Lernarbeit so
angelegt ist, dass Aufgaben im Team bearbeitet werden. Dies erfordert in einem größeren Klassenverbund,
dass mehrere Robotino® verfügbar sein müssen. Ideal für eine möglichst eigenaktive Lerntätigkeit ist eine
Gruppengröße bis vier Schüler pro Lernsystem. Eine leistungshomogene Gruppenzusammensetzung
gewährleistet tendenziell eher, dass sich Lernende ähnlich intensiv bei der Arbeit ihrer Gruppe engagieren.
Da sich die Hardwarekomponente von Robotino® auch durch mehrere Rechner ansteuern lässt, sind hier
verschiedene Konstellationen denkbar. Besonders lernförderlich kann die Lernarbeit dann verlaufen, wenn
bei größeren Arbeitsgruppen je zwei Schüler an einer Software-Schnittstelle arbeiten können. Aufgrund der
einschränkenden Möglichkeiten bei der Arbeit an einem Bildschirm stellen zwei Schüler an einem PC hier
erfahrungsgemäß die Grenze dar. Durch solche Untergruppen entstehen oft verschiedene Lösungsansätze
zu einer Problemstellung, die im Anschluss daran gegenseitig präsentiert und hinsichtlich ihrer
Lösungsrelevanz durchdacht werden müssen. Dadurch lassen sich soziale und personale Kompetenzen wie
Kommunikation, Kooperation sowie Kritikfähigkeit, Selbstständigkeit und Selbstvertrauen fördern.
Freiheitsgrade und Selbststeuerung
Handlungsorientiertes Lernen bedingt, dass Lernende Planungsentscheidungen bewusst treffen müssen. Im
Rahmen einer geforderten Selbststeuerung des Lernprozesses müssen Aufgabenstellungen Freiheitsgrade
enthalten. Vor diesem Hintergrund lässt sich mit dem Lernsystem Robotino® ein Unterricht konzipieren, der
dies in sehr hoher Ausprägung ermöglicht. Als Teil des Lernsystems führt das Arbeitsbuch bei vielen
Vorgaben für die Lernarbeit zwar sehr eng und lässt wenig Entscheidungsspielraum für die Lernenden zu.
Diese enge Führung ermöglicht die Lernarbeit mit Robotino® in einem außerunterrichtlichen Lernkontext
ohne Lehrerunterstützung. Wird an dieser Stelle das Arbeitsbuch als Ideengeber verstanden, so kann sich
eine Lehrkraft durch die Aufgabenführung sehr schnell in die jeweilige Problematik einarbeiten. Für den
eigenen Unterricht kann sie Schwerpunkte festlegen, die sich aus der jeweiligen Problematik ableiten und
passend zu den anvisierten Lernzielen der Zielgruppe die didaktische Umsetzung weiter aufbereiten
Unterstützende Lehrerrolle
In einem handlungsorientierten Unterricht verlagern sich Lernprozesse stark auf die individuelle Ebene der
Lernenden, die über weite Strecken eigenständig lernen. Eine hohe Bedeutung haben dabei die begleitend
dazu erfolgenden, unterstützenden Eingriffe durch eine Lehrkraft. Robotino® legt einen schülerzentrierten
Unterricht nahe, bei dessen Durchführung der Lehrkraft diese Aufgabe übertragen ist. Das im Lernsystem
integrierte Informationsmaterial, das technische Handbuch, Arbeitsbuch, Datenblätter zu Sensoren und die
online Hilfe versetzen die Lehrkraft in die Lage, den Unterricht vorwiegend beratend begleiten zu können.
Hier ist neben der pädagogisch-didaktischen Kompetenz eine sehr hohe fachliche Expertise gefordert, die
von Seiten des Lernsystems durch die enthaltenen Unterlagen gestützt werden.
Integrative und offene Leistungsfeststellung
Integrative und offene Leistungsfeststellungen, die bezüglich Inhalt und Ablauf dem ganzheitlichen Ansatz
eines handlungsorientierten Unterrichts entsprechen, lassen sich mit Robotino® umsetzen. Gemäß dem
Vorgehen im Unterricht kann das Lernsystem vielfältige Prüfungsverfahren verwirklichen. Fachliches Wissen
und methodische Kompetenzen lassen von einem engen situativen Bezug bis hin zu einer hohen Abstraktion
ermitteln. Mit dem Lernsystem lassen sich für Tests berufstypische Situationen projizieren, in denen Schüler
als Experten handeln müssen. Hierbei bietet das Lernsystem Robotino® den Vorteil, dass eine
Berufssituation realitätsnah abgebildet werden kann. Erfassen lassen sich dabei auch berufstypische
Handlungsroutinen wie z.B. die Fehlersuche. Die Authentizität der Prüfungssituation schlägt sich dadurch
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
62 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
nieder, dass Manipulationen an der Software durch die Reaktion der Hardware unmittelbar und unter den
real existierenden Umgebungseinflüssen erlebbar sind und weit über simulierte Reaktionen hinausgehen.
Insbesondere während des Unterrichts bietet das Lernsystem Robotino® gute Voraussetzungen für eine
indirekte Leistungserhebung. Neben fachlichen und methodischen Kompetenzen lassen sich hier auch
soziale und personale Kompetenzen erschließen. Die Lehrkraft kann beobachtend die unterschiedlichen
Kompetenzbereiche der Lernenden in berufsnahen Handlungssituationen diagnostizieren.
Eine für Schüler oftmals unangenehme Prüfungssituation lässt sich humaner gestalten, wenn Lernende mit
der Prüfungssituation, den Prüfungsbedingungen und den Prüfungsanforderungen vertraut sind. Da sie
Robotino® bereits durch den Lernprozess kennen, kommt ihnen dies in Prüfungssituation entgegen,
insbesondere dann, wenn die Lehrkraft in Fachgesprächen die Schüler darauf vorbereitet.
7.3 Gestalten von Lernsituationen in einem lernfeldorientierten Unterricht mit dem Lernsystem
Robotino®
Die beiden vorausgehenden Kapitel weisen für das Lernsystem Robotino® aus, dass es Lernenden viele
unterschiedliche Lernzugänge eröffnet und damit ein breites didaktisches Potenzial aufweist (Kap. 7.1).
Merkmale und Bestimmungsgrößen für einen handlungsorientierten Unterricht lassen sich mit Robotino®
konsequent und in qualitativ sehr hoher Ausprägung umsetzen (Kap. 7.2). Daran knüpft sich abschließend
die Frage an, inwieweit sich das Lernsystem zur Ausgestaltung eines lernfeldorientierten Unterrichts eignet.
Bei der Frage nach der inhaltlichen Reichweite des Lernsystems für Unterricht in der Berufsschule spiegelt
Kapitel 5.1 die Projektaufgaben im Arbeitsbuch mit der jeweiligen Thematik an den Inhalten ausgewählter
Rahmenlehrpläne zu verschiedenen Ausbildungsberufen. Die Projektaufgaben bilden sehr viele inhaltliche
Möglichkeiten von Robotino® ab. Sie eignen sich daher zur Einschätzung der inhaltlichen Relevanz des
Lernsystems. Hierbei zeigt sich, dass Robotino® im Berufsfeld Elektrotechnik für den Ausbildungsberuf
Elektroniker sehr viele inhaltliche Anknüpfpunkte für das Lerngebiet Automatisierungstechnik bietet. Für
diese Berufsgruppe spricht das Lernsystem Inhalte aus mehr als der Hälfte der Lernfelder des Lehrplans an.
Auch im Berufsfeld Metall lassen sich mit Robotino® viele automatisierungstechnische Inhalte der
entsprechenden Lernfelder im Unterricht bearbeiten.
Zwar ist die direkte Übernahme von kompletten Projektaufgaben aus dem Arbeitsbuch in den Unterricht
wohl nur bedingt möglich. Eine gesamte Projektaufgabe lässt sich mit ihren Lernzielen nur eingeschränkt
mit den Lernzielen eines Lernfeldes zur Deckung bringen. Für die Lehrkraft bedeutet dies, dass das
Arbeitsbuch für sie als unterrichtsnaher Ideengeber fungieren kann. Viele Einzelaspekte bis hin zu
enthaltenen Aufgabenteilen lassen sich daraus auf den Unterricht übertragen.
Ein konsequent lernfeldorientierter Unterricht ermöglicht ein Lernen in Lernsituationen mit relevanten
Inhalten aus beruflichen Handlungsfeldern. Lernende sollen über diesen situativen Bezug Kompetenzen
erwerben, die sie in ihren beruflichen Handlungsfeldern einsetzen können (siehe Kap. 2.3). Beruflicher
Unterricht in einem konkreten Lernfeld erfordert, dass Lehrkräfte bei der Ausgestaltung von Lernsituationen
die Eingangsbedingungen und Anforderungen der Lernenden ebenso berücksichtigen wie die
Anforderungen des jeweiligen Ausbildungsberufes. Ein konkretes Unterrichtsvorhaben zu einer
Lernsituation muss zusätzlich auch vor dem schulspezifischen Hintergrund individuell aufbereitet werden.
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 63
Robotino® eignet sich für die Vermittlung der Inhalte aus der Automatisierungstechnik zu vielen Lernfeldern
unterschiedlicher Berufe. Mit dem Lernsystem lassen sich aus didaktischer Sicht Lernsituationen gestalten,
die authentische Situationen aus der beruflichen Praxis aufgreifen und sie im Unterricht schülerzentriert
umsetzbar machen. Eine der Stärken von Robotino® ist die ganzheitliche Abbildung eines mobilen,
autonomen, automatisierungstechnischen Systems. Lernen kann hier durchgängig mit hohem situativem
Bezug erfolgen. Gleichzeitig lässt sich mit Robotino® das grundsätzliche Bildungsverständnis des
Dualpartners Berufsschule verfolgen: Mit dem Lernsystem lassen sich über den unmittelbaren situativen
Bezug hinaus Abstrahierungen vornehmen, mit denen Begründungszusammenhänge verfolgt werden, die
bestimmte Phänomene und ihre Ursachen mit Erklärungen theoretisch hinterlegen.
Aus Sicht des Lernsystems Robotino® richtet sich die Anforderung an die Lehrkraft, für einen
lernfeldorientierten Unterricht zur Automatisierungstechnik das inhaltlich und didaktisch große Potenzial
des Lernmediums schülergemäß auszuschöpfen.
Didaktische Reflexionen zum Lernsystem Robotino®
64 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 65
8 Kleine Störungen selbst beheben
Bevor Sie den Kundendienst rufen:
Überprüfen Sie, ob Sie die Störung aufgrund der folgenden Hinweise selbst beheben können.
Störung Mögliche Ursache Abhilfe
Robotino® lässt sich nicht einschalten Keine ausreichende Batteriespannung Verbinden Sie das Netzgerät mit dem Robotino®
und laden diesen ca. 60 Minuten.
Interner Anschlussstecker der
Bedieneinheit hat sich gelöst.
Öffnen Sie das Gehäuse der Steuereinheit.
Stecken Sie das dünne Flachbandkabel an der
Platine der Bedieneinheit wieder auf.
Keine Anzeige auf Bedieneinheit, trotz
eingeschaltetem Zustand
Interner Anschlussstecker der
Bedieneinheit hat sich gelöst.
Öffnen Sie das Gehäuse der Steuereinheit.
Stecken Sie das breite Flachbandkabel an der
Platine der Bedieneinheit wieder auf.
Kamera geht nicht, obwohl diese am
Robotino® angesteckt ist und die
Software sich im Play-Modus befindet
Kamera wurde nach dem Hochlaufen
der Steuereinheit angesteckt.
Schalten Sie den Robotino® aus, warten Sie
einige Augenblicke und schalten Sie den
Robotino® wieder ein. Stellen Sie erneut eine
Verbindung zwischen Hard- und Software her.
Firewall Ihres PCs unterdrückt einige
Datenprotokolle.
Prüfen Sie die Einstellungen Ihrer Firewall und
passen Sie eventuelle einschränkende
Einstellungen an.
Unzureichender Kontakt an der USB-
Schnittstelle
Prüfen Sie, ob der USB-Anschlussstecker der
Kamera vollständig mit der Steuereinheit des
Robotino® verbunden ist und das Statuslicht an
der Kamera leuchtet.
Das Innenleben der USB-Buchse hat
sich gelöst
Öffnen Sie das Gehäuse der Steuereinheit.
Stecken Sie das Innenleben des USB-Steckers
wieder in dessen Aufnahme.
E/A-Signale kommen fehlerhaft an Laufzeitfehler der Controllerplatine Starten Sie den Robotino® neu
Beim Hochfahren des Robotino® kommt
es zu unkontrollierten Bewegungen
Es schalten sich nicht alle
Mikroprozessoren ein.
Den Robotino® beim Hochfahren immer
aufbocken!
Den Robotino® immer ohne angesteckte Kabel
hochfahren.
66 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303
© Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303 67
9 Literatur
– Bader, Reinhard:
Das Lernfeldkonzept in den Rahmenlehrplänen. In: Die berufsbildende Schule 50 (1998) 7-8,
S. 211 – 212
– Bader, Reinhard; Schäfer, Bettina:
Lernfelder gestalten. Vom komplexen Handlungsfeld zur didaktisch strukturierten Lernsituation. In: Die
berufsbildende Schule 50 (1998) 7-8, S. 229 – 234
– Buchalik, Uwe; Riedl, Alfred:
Fachgespräche in komplexen, schülerzentrierten Lehr-Lern-Umgebungen. Lehrstuhl für Pädagogik,
Technische Universität München 2007 *
– Riedl, Alfred:
Grundlagen der Didaktik. Stuttgart: Steiner 2004a
– Riedl, Alfred:
Didaktik der beruflichen Bildung. Stuttgart: Steiner 2004b
– Riedl, Alfred:
Innere Differenzierung – Herausforderung für modernen Unterricht. Lehrstuhl für Pädagogik, Technische
Universität München 2008 *
– Riedl, Alfred; Schelten, Andreas:
Handlungsorientiertes Lernen. Aktuelle Entwicklungen aus der Lehr-Lern-Forschung und deren
Anwendung im Unterricht. Lehrstuhl für Pädagogik, Technische Universität München.
Teilnehmerunterlagen einer Lehrerfortbildung am 14. Februar 2006 *
– Schelten, Andreas:
Aspekte des Bildungsauftrages der Berufsschule: Ein Beitrag zu einer modernen Theorie der
Berufsschule. In: Pädagogische Rundschau 51 (1997) 5, S. 601 – 615 *
– Schelten, Andreas:
Begriffe und Konzepte der berufspädagogischen Fachsprache. Stuttgart: Steiner 2000
– Schelten, Andreas:
Einführung in die Berufspädagogik. Stuttgart: Steiner 2004
– Schelten, Andreas:
Fachgespräche. In: Die berufsbildende Schule 58 (2006) 5, S. 107 – 108 *
– Sekretariat der Kultusministerkonferenz:
Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den
berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des
Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn 2007 (http://www.kmk.org)
Die mit * gekennzeichneten Quellen und weitere Literatur mit engem Themenbezug sind auf folgender
Internetseite zu finden: http://www.paed.wi.tum.de/publik/
68 © Festo Didactic GmbH & Co. KG • 733303