Veröffentlichungsreihe der Forschungsgruppe
Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik
Wissenschaftszentrum Berlin
ISSN-0935-8137
P89-208
Behandlung, Versorgung und Betreuung
von AIDS-Patienten in Berlin
- Ergebnisse einer Vorstudie -
von
Dagmar Sommerfeld
Be r l i n , September 1989
Die Studie wurde im Rahmen des Sofortprogramms 'Sozialwissenschaftliche Aids-Forschung
1
vom Senator für Wissenschaft und Forschung in Berlin gefördert. Projektleitung: Rolf Rosenbrock
Publication series of the research group
"Health Risks and Preventive Policy"
Wissenschaftszentrum Berlin
D-1000 Berlin 30, Reichpietschufer 50
Tel.: 030/25491-577
Inhaltsverzeichnis
Seite
Zusammenfassung 5
1. Auftrag 9
2. Zielsetzung und Durchführung des Vorhabens 10
3. Ausgangslage 13
3.1 Generelle Entscheidungen im Vorfeld der Krankenversorgung 13
3.2 Versorgungsproblematik der Hauptbetroffenengruppen (homosexuelle Männer, drogenabhängige Männer und Frauen) 16
3.3 Bedeutung sozialer Netzwerke - Integration der BAH i n das Gesundheitssystem 21
3.4 Die Versorgung aidskranker Patienten im Krankenhaus und im ambulanten Versorgungsbereich - Leitvorgaben und Anforderungen 23
3.4.1 Patientenorientierte Versorgung 26 3.4.1.1 Routinepflege versus patientenorientierte Pflege 28
4. Versorgungsangebot 32
4.1 I n s t i t u t i o n e l l e s Gesamtsystem der Krankenversorgung 32
5„ Ambulante Versorgung von aidskranken Patienten 35
5.1 Behandlungsschwerpunkte im ambulanten Bereich 35
5.1.1 Sozialstationen 36
5.1.2 HIV-e.V. (Hilfe-Information-Vermittlung-e.V.) 42
5.2 Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin 44
5.3 P o l i k l i n i k (UKS) 46
5.4 Selbsthilfeorganisationen 47
5.4.1 Berliner AIDS-Hilfe 49
5.4.2 AIDS-Forum 50
Seite
6. Behandlungsschwerpunkte/Krankenhäuser 52
6.1 Stationäre Versorgung 53
6.1.1 Strukturelle Rahmenbedingungen 54 6.1.1.1 Patientenstruktur 55 6.1.1.1. 1 Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK) 56 6.1.1.1. 2 Universitätsklinikum Stegl i t z (UKS) 57 6.1.1.1. 3 Universitätsklinikum Rudolf Virchow, Standort Wedding
(RVK) 58 6.1.1.2 Personal struktur 59 6.1.1.3 Qualitative Versorgungsaspekte 61 6.1.1.3. 1 Neue Betreuungs- und Versorgungsangebote 61 6.1.1.3. 1 1 AVK 62 6.1.1.3. 1.2 UKS 63 6.1.1.3. 1 3 RVK 64 6.1.1.3. 2 Zusammenfassung 65 6.1.1.4 Pflegerische Versorgung (Information und Dokumentation) 66 6.1.1.4. 1 AVK 68 6.1.1.4. 2 UKS 68 6.1.1.4. 3 RVK 68 6.1.1.5 Zusammenfassung 69
6.2 Stationäre Versorgung und s i t u a t i v e Verbesserungsmöglichkeiten für die Patienten 70
6.2.1 AVK 70 6.2.2 UKS 71 6.2.3 RVK 72
6.3 Schnittstellenbereich zwischen stationärer und ambulanter Versorgung 72
6.3.1 Aufgaben der Koordinationspflegekräfte 73 6.3.2 Inhal t l i c h e Anforderungen an die Überleitungen von
stationärer zu ambulanter Versorgung 74 6.3.3 Kooperationspartner 75 6.3.3.1 Organisatorische Anforderungen 75 6.3.3.1 1 AVK 77 6.3.3.1 2 UKS 79 6.3.3.1 3 RVK 80
7. Arbeitsanforderungen und -beiastungen bei der Versorgung AIDS-kranker Patienten 82
7.1 Arbeitsanforderungen und -beiastungen aus der Sicht der Pflegekräfte 84
8. Ausblick 87
Literatur 89
Anhang 96
Seite
Abbi1dungsverzei chnis
Abbildung 1: Die sechs "Schritte" des Pflegeprozeßmodells 27
Abbildung 2: Bedingungen und Rahmenvorgaben für die Pflege 31
Abbildung 3: I n s t i t u t i o n e l l e s Versorgungsangebot/Handlungsanforderungen 34
Abbildung 4: Versorgungsangebote der Krankenhäuser 65
Abbildung 5: Kooperationspartner/Koordinationspflege 76
Tabel1enverzei chni s
Tabelle 1: Zusätzliche PI anstellen/Sozial Stationen 37
Tabelle 2: Entwicklung der Patientenzahlen 1986 bis 1987 in den
Krankenhäusern 52
Tabelle 3: Patientenstruktur AVK 56
Tabelle 4: Patientenstruktur UKS 57
Tabelle 5: Patientenunterteilung nach Hauptbetroffenengruppen,
RVK, 1.6. bis 30.11.1987 58 Tabelle 6: Patienten- und Personal struktur (AVK, UKS, RVK) 60
- 5 -
ZUSAMMENFASSUNG
Gegenstand dieser Vorstudie über die Behandlung, Versorgung und
Betreuung von AIDS-Patienten in Berlin (West) sind Strukturen der
ambulanten und stationären Krankenversorgung, die im Zusammenhang mit
der neuen Immunschwächeerkrankung AIDS entstanden sind.
AIDS s t e l l t nicht nur an die öffentliche Gesundheitspflege
(Prävention) neuartige Anforderungen, auch das KrankenVersor
gungssystem sieht sich vor neue Versorgungsnotwendigkeiten g e s t e l l t :
Es geht um die Behandlung, Versorgung und Betreuung von ganz
überwiegend jungen Patientinnen, die an einer chronischen und nach
sehr unterschiedlichem Verlauf sehr häufig zum Tode führenden
Infektionskrankheit leiden. Der Krankheitsverlauf erlaubt es zumeist,
die Phasen stationärer Versorgung kurz und gewissermaßen als
Ausnahmefall einer an sich ambulanten Versorgung zu gestalten. Die
Tatsache, daß die große Mehrzahl der Patienten homosexuell i s t oder
intravenös Drogen benutzt ( h a t ) , erfordert zusätzliche Anpassungs
leistungen der I n s t i t u t i o n e n . Zugleich hat sich im Umkreis der
Hauptbetroffenengruppen eine Infrastruktur der 'organisierten
Betroffenenkompetenz' (vor allem AIDS-Hilfen) herausgebildet, deren
Potenzen sich neben der Primärprävention auch i n der Betreuung von
Kranken und der Sterbebegleitung zeigen.
Auf diese komplexe und neue Anforderung hat das Krankenver
sorgungssystem in Berlin (West) mit einer ganzen Reihe von
i n s t i t u t i o n e l l e n Innovationen re a g i e r t . Diese Innovationen sind zum
Teil durch spezielle Förderungen auf Bundes- bzw. Landesebene, zum
Teil durch Anstöße aus den Institutionen und zum Teil zunächst
informell und spontan entstanden. Durchweg stehen die Institutionen
innovativen Impulsen inzwischen sehr aufgeschlossen gegenüber: Bei den
befragten Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Mitarbeitern der
Selbsthilfeorganisationen und Wissenschaftlern herrscht Konsens
darüber, daß für die Versorgung von AIDS-Patienten Versorgungskonzepte
zu entwickeln und umzusetzen sind,
- 6 -
die ein patientenorientiertes Vorgehen bei der Behandlung und
Versorgung dieses Personenkreises ermöglichen,
mit denen medizinisch nicht erforderliche Krankenhausaufenthalte
vermieden werden können und
die eine umfassende ambulante Versorgung sicherstellen.
Die in diesem Bericht beschriebenen Strukturen lassen sich sämtlich
diesem Zielbündel zuordnen, zum Teil werden sie ihm bereits weitgehend
gerecht, zum Teil bestehen Lücken und D e f i z i t e . Die Qualität der
medizinischen Behandlung i.e.S. war dabei nicht Gegenstand dieser
Untersuchung.
In der ambulanten Versorgung findet sich auf der medizinischen Ebene
mit dem "Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin" eine
eff i z i e n t e n Kooperationsform, die Probleme der ärztlichen Fortbildung
oder Vermittlung zwischen Kl i n i k und Praxis sowie der Verknüpfung
zwischen medizinischer, pflegerischer, psychologischer und sozialer
H i l f e gezielter angeht als dies in der Krankenversorgung sonst üblich
i s t . In der ambulanten Pflege finden sich in erheblichem Umfang eigens
zu diesem Zweck verstärkte Sozial Stationen, zum Teil i n besonders
Betroffenen-naher Organisationsform. Sie können in ihrer Arbeit auf
das Wissen und die Qualifikation eines ebenfalls eigens dafür
eingerichteten "Mobilen Informations- und Beratungsteams"
zurückgreifen. Ein i n dieser Qualität und Quantität neuer Akteur auch
in der ambulanten Versorgung und Behandlung i s t die organisierte,
überwiegend ehrenamtliche Betroffenenkompetenz i n Gestalt der
Mitarbeiter der Berliner AIDS-Hilfe (i.d.F.: BAH) und anderer
Sei bsthi1feansätze.
Die stationäre Versorgung von AIDS-Patienten findet in Berlin (West)
in Behandlungsschwerpunkten s t a t t , von denen die drei größten, das
Auguste-Viktoria-Krankenhaus (i.d.F.: AVK), das Universitätsklinikum
Steglitz (i.d.F.: UKS) sowie die Universitätsklinik Rudolf Virchow,
Standort Wedding (i.d.F.: RVK) in die Untersuchung einbezogen wurden.
- 7 -
Die in diesen drei Krankenhäusern etablierten Modelle unterscheiden
sich h i n s i c h t l i c h des Anteils der AIDS-Patienten auf den Stationen
sowie auch ganz erheblich h i n s i c h t l i c h ihrer internen und externen
Kooperationsformen. Eine Bewertung dieser Modelle (auch im Vergleich
mit i n Berlin nicht existierenden 'reinen' AIDS-Stationen wie im
Universitätsklinikum Frankfurt) i s t auf der Basis des bisher erhobenen
Materials noch nicht möglich. In der stationären Versorgung sind wegen
des außerordentlichen Pflege- und Behandlungsbedarfs und der
besonderen psychosozialen Belastungen den Stationen mit AIDS-Patienten
zusätzliche Stellen für Medizinerinnen und Pflegekräfte zugewiesen
worden. In der Praxis scheint diese Verstärkung derzeit die besten
Ergebnisse dort zu erzielen, wo bereits vor dem Auftreten von AIDS die
Grundlagen für eine moderne Pflegeplanung mit entsprechender
Dokumentation gelegt wurden. Ansätze der Gruppenpflege scheinen auch
bei AIDS-Patienten solchen der Funktionspflege i n der Pflegequalität
überlegen zu sein. Die organisatorische und gruppendynamische
Situation könnte vielfach durch verbesserte, zum Teil formalisiertere
Kommunikation und Kooperation zwischen Ärzten, Pflegepersonal und
Psychologen, Seelsorgern sowie z.B. durch gemeinsame Balint-Gruppen
verbessert werden. Die Einbeziehung von Selbsthilfeorganisationen in
den stationären Versorgungsprozeß, veränderte Besuchsregimes (zum Teil
mit Rooming-in) sowie weitere organisatorische Veränderungen auf
Stationsebene, die auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt sind,
stellen zum Teil beachtliche Innovationen dar.
Bei der Versorgung chronisch Kranker mit sporadischer Notwendigkeit
der Krankenhausbehandlung i s t die Verzahnung zwischen stationärer und
ambulanter Versorgung t r a d i t i o n e l l eine Schwachstelle. Im Rahmen der
Versorgung von AIDS-Patienten sind auch hier wichtige
Weiterentwicklungen bzw. Innovationen f e s t z u s t e l l e n . Im Bereich des
UKS wird versucht, die spezifischen Vorteile einer multidisziplinären
Klinikambulanz mit Sondersprechstunde und Rückgriff auf die
Klinikressourcen zu nutzen. Zu nennen i s t hier auch die gemeinsame
krankheitsbezogene Fortbildung von niedergelassenen und Ärzten aus dem
- 8
Krankenhaus (vor allem aus dem AVK). Solche Strukturen können auch die
Durchführung von klinischen und Verlaufs-Studien begünstigen.
Für die Organisierung der bruchlosen Vermittlung zwischen ambulanten
und stationären Phasen wurden Koordinationspflegekräfte eingesetzt,
die in Ergänzung zu und i n Kooperation mit den Sozialdiensten der
Krankenhäuser für Kontinuität und Informationsfluß h i n s i c h t l i c h
medizinischer, pflegerischer und sozialer Versorgung und Betreuung
sorgen sollen. Der für das Krankenversorgungssystem in diesem Umfang
innovative Beitrag der Betroffenen und Selbsthilfeorganisationen wird
auch an der Schni t t s t e l l e ambulant/stationär sichtbar und wirksam.
Die Vorstudie enthält eine quantitative 'und q u a l i t a t i v e Beschreibung
der Versorgungsstrukturen für AIDS-Patienten einschließlich der hier
hervorgehobenen Innovationen. Dies erlaubt den Befund, daß das
Krankenversorgungssystem in Berlin (West) r e l a t i v schnell mit
zusätzlichen Ressourcen und z.T. innovativ auf AIDS reagiert hat.
Unter der Perspektive wissenschaftlich fundierter Qualitätsbeurteilung
und z i e l bezogener Weiterentwicklung i n der Krankenversorgung ergeben
sich daraus zugleich drei Fragen, die im vorgegebenen Rahmen nicht zu
untersuchen waren:
1. Es i s t unklar, wie sich die strukturellen Innovationen i n das
Gesamtgefüge der Krankenversorgung integrieren (werden). Dies
b e t r i f f t sowohl ihre Wirksamkeit ( i n bezug auf die selbst
gesetzten Ziele) als auch die Kooperation mit den ' t r a d i t i o
nellen' Elementen des Versorgungssystems. Empirischer Befund
i s t , daß diese Beziehungen bislang wenig f o r m a l i s i e r t sind und -
z.T. sehr gut - auf in d i v i d u e l l k o l l e g i a l e r Ebene funktionieren.
M i t t e l f r i s t i g und angesichts wachsender Patientenzahlen sind
hier organisatorische Anpassungen e r f o r d e r l i c h , wobei es zu
neuen Arbeitsteilungen und Arrangements zwischen verschiedenen
Funktionsbereichen (Medizin - Pflege - psychosoziale H i l f e -
Betroffenenkompetenz) und Institutionen (ambulant - stationär)
kommen kann. Zu den dabei zu bewältigenden Aufgaben gehört auch
- 8a -
die Reduktion der i n einigen Bereichen eindeutig zu hohen
Arbeitsbelastungen.
2. Die vorgefundenen i n s t i t u t i o n e l l e n Innovationen zielen zwar a l l e
auf das Zielbündel patientenorientierter, umfassender und
prioritär ambulanter Behandlung und Versorgung von AIDS-
Patienten. Doch i s t die Frage nach der Wirkung dieser Strukturen
auf die Prozesse der Krankenversorgung selbst damit nicht
beantwortet. Zu fragen i s t , ob die gegebenen personellen,
informationellen und materiellen Ressourcen der
Krankenversorgung für Betroffene so auffindbar, lückenlos und i n
der Weiterverweisung orientierend sind, daß AIDS-Patienten unter
Wahrung ihrer sozialen und persönlichen Integrität solange wie
möglich ambulant und im Bedarfsfall möglichst schnell und
wirksam stationär versorgt werden.
3. AIDS i s t nicht die einzige chronische Krankheit mit wechselnden
Phasen stationärer und ambulanter Versorgung sowie sehr häufig
infauster Prognose. Es scheint, als habe der hohe
Problemlösungsdruck, der a l l e Aspekte von AIDS umgibt, einige
Rollenzuweisungen, Arbeitsteilungen und Institutionen in
Bewegung gebracht, die sich in der Vergangenheit als eher
widerständig gegen Reformvorschläge erwiesen hatten. Es g i l t nun
zu klären, welche der im Umkreis von AIDS entstandenen und als
p o s i t i v eingeschätzten Innovationen unter welchen Bedingungen
auch auf die Versorgung von anderen Patientengruppen mit
vergleichbaren Krankheiten übertragen werden können. In der
Perspektive dieser Frage liegen Strukturanpassungen i n der
Versorgung chronisch Kranker, die sowohl dem Zielbündel
patientenorientierter, umfassender und prioritär ambulanter
Versorgung als auch dem Gebot des wirtschaftlichen Umgangs mit
öffentlichen Ressourcen entsprechen.
- 9 -
1. Auftrag
Im Rahmen des "Sofortprogramms für Sozialwissenschaftliche AIDS-For-
schung", gefördert durch den Senat für Wissenschaft und Forschung B e r l i n ,
führte die Forschungsgruppe "Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik"
am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung eine halbjährige Vor
studie zur Versorgungssituation von aidskranken Menschen i n Berlin durch.
Der vorliegende Bericht faßt die Arbeitsergebnisse der Vorstudie zusammen
und i s t als Beitrag zur Bestandsaufnahme h i n s i c h t l i c h der im AIDS-Bereich
gewachsenen Strukturen in der Krankenversorgung zu verstehen. Der Bericht
s o l l zum einen als Grundlage zur Beurteilung der derzeitigen Versorgungs
situation beitragen, zum anderen Aufschluß über weitere mögliche Projekt
vorhaben geben.
- 10 -
2. Zielsetzung und Durchführung des Vorhabens
Mit Auftreten der neuen, weltweit auftretenden Infektionskrankheit AIDS
i s t das Gesundheitssystem nicht nur i n medizinischer und pflegerischer
Hinsicht, sondern in besonderem Maße mit den beträchtlichen psychischen
und sozialen Begleiterscheinungen dieser Krankheit k o n f r o n t i e r t . Die Kon
zentration der Krankheit auf Angehörige gesellschaftlich d e f i n i e r t e r
Randgruppen (vor allem homosexuelle Männer und i.v.-drogenabhängige Män
ner und Frauen) hat zur Aktualisierung vielfältiger gesellschaftlicher
Probleme gezwungen (Umgang mit gesellschaftlichen Randgruppen, Auseinan
dersetzung mit Sexualität, insbesondere mit männlicher Homosexualität und
kriminalisierten Aspekten des Drogenkonsums).
Vor diesem Hintergrund fand der Einstieg i n die Versorgung dieser Patien
tengruppe in einem Klima von Seuchenangst, Diskriminierung, Angst vor
Diskriminierung und der Sorge, Diskriminierung oder Diskriminierungsangst
zu produzieren s t a t t .
Hinsichtlich des Gesamtsystems der Krankenversorgung (stationäre Versor
gung/ambulante Versorgung) wurde i n den vergangenen Jahren konsequent und
mit großem Einsatz mit dem Aufbau problemadäquater Strukturen i n der
Krankenversorgung reagiert (Model 1programme der Bundesregierung, Selbst
h i l f e i n i t i a t i v e n , Eigeninitiativen verschiedener Krankenhäuser, niederge
lassener Ärzte u.a.m.). Darunter sind a l l e Bemühungen zu verstehen, aids
kranken Menschen so lange und so weitgehend wie möglich eine Versorgung
auf ambulanter Ebene zu ermöglichen und den Betroffenen ein Höchstmaß an
Entscheidungsfreiraum (Autonomie i n der Wahl und Gestaltung der Hilfebe
ziehungen) zu gewährleisten. Dazu zählt auch die Erhaltung und Förderung
privater und organisierter S e l b s t h i l f e .
Ziel der Vorstudie i s t , die weitgehend spontan und zunächst nicht planmä
ßig koordiniert entstandenen Strukturen i n der Krankenversorgung im AIDS-
Bereich auf ihren Bestand hin darzustellen (Strukturanalyse) und f o r
schungsrelevante Probleme zu e r m i t t e l n , deren Lösung zur Entwicklung und
Sicherung in der Krankenversorgung beizutragen vermögen.
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Die unterschiedlichen, zum Teil im Aufbau befindlichen Versorgungsmodelle
konnten im Rahmen einer solchen Bestandsaufnahme nicht auf ihre Wirkung
für die Krankenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten be
wertet werden. Dieses Unterfangen erfordert eine d e t a i l l i e r t angelegte
Analyse auf der Ebene der Abläufe und Prozesse.
Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsvorhabens bestand darin, Auskünfte
über die Versorgungs- und Arbeitsbedingungen auf Seiten der von AIDS Be
troffenen und auf Seiten der Versorgenden in den stationären und ambulan
ten Bereichen zu erhalten, insofern diese maßgeblich Einfluß auf Umfang
und Effektivität der erbrachten Versorgungsleistungen haben.
Die Forschungsarbeit konzentrierte sich auf ausgewählte Behandlungs
schwerpunkte i n stationären und ambulanten Versorgungsbereichen, so daß
die Ergebnisse der Untersuchung nicht als repräsentative sondern als
exemplarische zu bewerten sind.
Kooperationspartner waren insbesondere
- die I I . Innere Abteilung am Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK),
- das Universitätsklinikum Steglitz (UKS),
- die Berliner AIDS-Hilfe (BAH) und
- ambulante Pflegeeinrichtungen (SozialStationen, private Pflegeeinrich
tungen, HIV-e.V.).
Die Bestandsaufnahme basiert auf einer Reihe von Interviews mit Beschäf
ti g t e n der verschiedenen Versorgungseinrichtungen im stationären und am
bulanten Bereich, Mitarbeitern von Selbsthilfegruppen, Helfern aus dem
privaten Umfeld Betroffener und betroffenen Patienten. Insgesamt wurden
55 Gesprächspartner unter Verwendung von Interviewleitfäden befragt
(halboffene Interviews).
Die zum Zeitpunkt der Antragstellung geplante Zusammenarbeit mit den
Pflegeabteilungen der I I . Inneren Abteilung am Universitätsklinikum Ru-
dolf-Virchow, Standort Wedding, unterblieb aufgrund der dort im stationä
ren Bereich vorherrschenden Vorbehalte gegenüber externen Befragungen.
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Hier fanden l e d i g l i c h ausführliche Informationsgespräche mit der s t e l l
vertretenden Pflegedienstleitung, der Abteilungsleitung der I I . Inneren
Kli n i k für den Pflegebereich, dem leitenden Chefarzt und dem am Univer
sitätsklinikum Rudolf-Virchow eingesetzten Koordinationspfleger s t a t t .
- 13 -
3. Ausgangsläge
3.1 Generelle Entscheidungen im Vorfeld der Krankenversorgung
Seit 1982 sind Arztpraxen, Krankenhäuser und Sozial Stationen mit einer
steigenden Anzahl behandlungsbedürftiger Patienten mit HIV-Symptomatik
kon f r o n t i e r t , demgegenüber i n den letzten Jahren mit einem breiten Ange
bot an medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Versorgungsangebo
ten reagiert wurde ( v g l . Senator für Gesundheit und Soziales 1988).
In Berlin wurden im Zeitraum vom 31.12.1987 bis 31.12.1988 a l l e i n 223
neue AIDS-Fälle r e g i s t r i e r t , seit 1982 insgesamt 571 ( v g l . AIFO, 4. Jg.,
Heft 1, S. 56). Prognostische Aussagen über Krankheitsinzidienzen i n den
nächsten Jahren haben aufgrund nur vager Kenntnisse der Prävalenz von
HIV-Antikörpern in der Bevölkerung und aufgrund der noch bestehenden Wis
senslücken betreffs Krankheitsausbruch und -verlauf nur geringen Sicher
heitsgrad (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1987). Im Hin
blick auf eine nennenswerte Anzahl bereits i n f i z i e r t e r , jedoch symptom
f r e i e r Personen muß jedoch mit zahlreichen Krankheitsmanifestationen i n
den nächsten Jahren und Jahrzehnten gerechnet werden, ganz abgesehen von
weiteren Neuinfektionen.
Trotz der umfangreichen Erkenntnisse, die i n den vergangenen Jahren seit
Identifizierung des HIV-Virus gewonnen wurden, i s t eine Kausaltherapie i n
absehbarer Zeit nicht zu erwarten, so daß sich die zu Behandlungsschwer
punkten etablierten Krankenhäuser um Entwicklung und Umsetzung tragfähi
ger Versorgungskonzepte bemühen, die den Anforderungen der AIDS-Erkran-
kung Rechnung tragen.
Nach medizinischen Kriterien handelt es sich bei AIDS um eine neue, chro
nisch verlaufende Infektionskrankheit, die aufgrund wiederkehrender aku
ter Krankheitserscheinungen zeitweise eine stationäre Versorgung erfor
derlich macht. Über weite Strecken können die Betroffenen jedoch ambulant
behandelt werden. Im I d e a l f a l l bedeutet dies, daß eine stationäre Unter
bringung von aidskranken Patienten l e t z t l i c h nur dann vonnöten i s t , wenn
aufgrund akuter Krankheitsereignisse umfangreiche diagnostische und the-
- 14 -
rapeutische Maßnahmen erforderlich sind oder - auch bei weitgehend ausbe
handelten Patienten - extrem zeitaufwendige Pflegemaßnahmen das Lei
stungsspektrum ambulanter Versorgung übersteigt. Voraussetzung hierfür
i s t eine dem zugrundeliegenden Versorgungsbedarf adäquate Verzahnung sta
tionärer und ambulanter Versorgung. Das heißt: Entwicklung und Umsetzung
gemeinsamer - den stationären und ambulanten Bereich betreffende - Pla
nungskriterien, die eine Kontinuität der Versorgung im und nach Wechsel
der Versorgungsbereiche ermöglichen.
Hierbei sind jedoch nicht nur die Probleme der medizinischen und im enge
ren Sinne der pflegerischen Versorgung (Grund- und Behandlungspflege) zu
berücksichtigen, sondern gleichermaßen die beachtlichen Probleme der Be
treuung im Sinne psychosozialer Begleitung und Beratung.
Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgend aufgezeigten Schritte zur
Verbesserung der Patientensituation zu verstehen. Thematisch handelt es
sich dabei um
- die Reduktion von Versorgungsdefiziten, wie sie aus der Versorgung
chronisch Kranker und pflegebedürftiger Menschen im Zusammenhang mit
der Verminderung der Verweildauer i n den Krankenhäusern bekannt sind
(eingeschränkte Kooperation zwischen stationären und ambulanten Berei
chen, unzureichende Vorbereitung der Patienten auf eine veränderte Le
benssituation außerhalb des Krankenhauses, Informations- und Beratungs
d e f i z i t e h i n s i c h t l i c h ambulanter Hilfsangebote),
- die Wahrung sozialer Kontakte insbesondere i n Zeiten stationärer Ver
sorgung,
- die Einbeziehung von sozialen Selbsthilfepotentialen i n den Versor
gungsprozeß als Ergänzung und Alternative zum i n s t i t u t i o n e l l e n Versor
gungsangebot.
Zur Bewältigung der vielfältigen psychischen und sozialen Belastungen i n
der Lebenssituation H I V - i n f i z i e r t e r und aidskranker Menschen wurden i n
Berlin folgende Maßnahmen ei n g e l e i t e t :
- 15 -
- Einrichtung von Koordinationsstellen i n drei Krankenhäusern (Modellpro
gramm der Bundesregierung, v g l . Der Senat für Gesundheit und Soziales,
B e r l i n , 1988, S. 38/39; v g l . Abschnitt 6.3),
- F l e x i b i l i s i e r u n g der Besuchszeitenregelungen, teilweise Einführung von
Rooming-in und
- organisierte Einbindung von Mitarbeitern der Berliner AIDS-Hilfe i n den
stationären Versorgungsprozeß i n zwei Krankenhäusern.
Zu betonen i s t , daß die oben genannten Maßnahmen auch für die Versorgung
anderer Patientengruppen mit chronischem Krankheitsbild Geltung beanspru
chen können, sofern sie die im Rahmen der herkömmlichen i n s t i t u t i o n e l l e n
Versorgung begrenzte Kooperation zwischen stationären und ambulanten Be
reichen verbessern und sofern sie den therapeutisch notwendigen psychoso
zialen Beistand sichern können, was durch die Institutionen derzeit nicht
zu erwarten i s t .
Krankheitsspezifisch hingegen können a l l jene Maßnahmen bezeichnet wer
den, die darauf abzielen
- die Suche nach einer HIV-spezifischen Therapie im Rahmen experimentel
l e r Therapien und klinischer Forschung i n den Versorgungsprozeß zu i n
tegrieren,
- krankheitsspezifisches Behandlungs- und Pflegewissen allen an Versor
gung Beteiligten zugänglich zu machen^ und
- den Erwerb von Kompetenz im Umgang mit den Patientengruppen einzulei
ten, deren Zugehörigkeit zu gesellschaftlich i n t e r p r e t i e r t e n Randgrup
pen Ressentiments auf Seiten der Versorgenden i n sich b i r g t , aber auch
schlichte Unwissenheit über deren Lebenslage.
Die hier als krankheitsspezifische Maßnahmen gekennzeichneten Versor-gungs- und Qualifikationsaspekte konnten im Rahmen der Vorstudie nicht d e t a i l l i e r t e r m i t t e l t werden. Es handelt sich dabei um den Erwerb von spezifischen fachlichen und psychosozialen Kompetenzen auf der einen Seite und um Aspekte der Arzt-Patient-Beziehung auf der anderen Seite (z.B. Information und Beratung des Patienten Uber therapeutische Möglichkeiten sowie über experimentelle Therapieansätze).
- 16 -
Experimentelle Therapien und klinische Forschung betreffen den AIDS-Be-
reich in besonderem Ausmaß, da kontinuierlich neue Medikamente entwickelt
werden, die nur longitudinal getestet werden können.
Zur Sicherung eines schnellen Wissenstransfers aus den Bereichen der Me
d i z i n , der Pflege, der Psychologie und der Sozial arbeit wurde von Seiten
des Berliner Senats 1987 ein Mobiles Informations- und Beratungsteam gebildet, das se i t dem 15. Oktober 1987 allen Mitarbeitern und Mitarbei
terinnen der Krankenhäuser und ambulanten Versorgungseinrichtungen zur
Verfügung steht ( v g l . Der Senator für Gesundheit und Soziales, B e r l i n ,
1988, S. 38). Außerdem bieten die Krankenhäuser e i g e n i n i t i a t i v Informa
tions- und Fortbildungsveranstaltungen zum Thema "AIDS" an. Diese Veran
staltungen finden entweder auf stationärer Ebene s t a t t , oder sie sind
stations- und abteilungsübergreifend org a n i s i e r t . Im ambulanten Bereich
stehen den Mitarbeiterinnen der Sozial Stationen zusätzlich sogenannte
"AIDS-Teams" zur Verfügung, die organisatorische, fortbildende und p f l e
gerische Aufgaben wahrnehmen ( v g l . Abschnitt 5.1.1.1).
3.2 Versorgungsprobletnatik der Hauptbetroffenengruppen (homosexuelle
Männer, i.v.-drogenabhängige Personen)
Von nicht zu unterschätzender Bedeutung i s t , daß die i n erster Linie von
AIDS Betroffenen unabhängig von der Erkrankung zu gesellschaftlich dis
kriminierten Teilen der Bevölkerung zählen. Damit verbunden sind s p e z i f i
sche Probleme bei der Krankheitsbewältigung.
Jäger (1988) kennzeichnet einige spezifische Probleme, die im Zusammen
hang mit Homosexualität und AIDS sowie Drogenabhängigkeit und AIDS von
Bedeutung sind:
- 17 -
- Homosexualität und AIDS
Insbesondere im Zusammenhang mit der Diagnosemitteilung erfährt eine
nicht selbstgewählte Umwelt von der Homosexualität, und es kann davon
ausgegangen werden, daß dieser Kreis sich mit Fortschreiten der Krank
heit erweitert. Das Coming-out (hierunter wird jener Prozeß verstanden,
i n dem die Umwelt von der Homosexualität erfährt), als einer der wich
tigsten Schritte i n der homosexuellen Sozialisation, wird i n diesem Zu
sammenhang zu einer öffentlichen und für den Betroffenen belastenden
Angelegenheit. Besonders dann, wenn auch Eltern oder Freunde vordem
nicht über die Homosexualität informiert waren, kommt es zu einer zu
sätzlichen Suizidgefährdung (Jäger 1988).
Spezifische psychosoziale Probleme dieser Personengruppe faßt Jäger
stichwortartig wie f o l g t zusammen:
"o Coming-out
o Partnerbeziehung
o Homosexualität g i l t noch als Perversion
o Angst vor dem Verfall der äußeren Erscheinung
o Soziale Isolierung, Verlust der Sexualität
o Intern Homophobie"
( v g l . Jäger 1988, IX-1.1., S. 4 ) .
- Drogenabhängigkeit und AIDS
Im Gegensatz zu den im Zusammenhang mit der Homosexuellenbewegung ge
schaffenen Möglichkeiten der gemeinsamen Organisation der Krankheitsbe
wältigung i s t die Situation der Drogenabhängigen gerade dadurch gekenn
zeichnet, daß diese sich nicht selbst organisieren können und zudem
weiterhin auf Drogen (oder Ersatzdrogen) angewiesen sind. In diesem Zu
sammenhang kennzeichnet Jäger die psychosoziale Problematik dieser Per
sonengruppe wie f o l g t :
- 18 -
"o Patienten können sich nicht organisieren
o Betreuer müssen als "Anwälte" der Patienten auftreten
o Beschaffungskriminalität
o Compliance
o Drogenindizierte Apathie
o Familienspezifische Probleme, z.B. Kinderwunsch"
( v g l . Jäger 1988, IX-1.1., S. 4 ) .
Kennzeichnend für diese Patientengruppe i s t ihre unzureichende Integra
tionsfähigkeit in die bestehenden Versorgungsnetze auf der einen Seite
und ihre t e i l s übertriebenen Erwartungen an die Behandlungsmöglichkei
ten (geringer Informationsstand auf Seiten der Betroffenen) sowie vor
herrschende Ängste vor weiterer sozialer Ausgrenzung oder gar Zwangsin-
2 terventionen.
Kennzeichnend für die Versorgungssituation aus Betroffenensicht i s t
- eine o f t erstmalige Auseinandersetzung mit einer schweren und zudem l e
bensbedrohenden Krankheit (Lebensängste),
Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung blieb jedoch weitgehend ungeklärt, mit welchen speziellen Anforderungen die Mitarbeiterinnen von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen bei der Versorgung von aidskranken und zugleich aktiv drogenabhängigen Patienten konfrontiert sind. Zum Teil konnte hier gar nicht oder nur vereinzelt auf Erfahrungen zurückgegriffen werden. Von einer Erweiterung des Untersuchungsfeldes auf entsprechende Drogeneinrichtungen wurde aus Zeitgründen abgesehen.
Mit der stationären Versorgung drogenabhängiger Patienten werden vor allem eine Reihe von Belastungen bzw. Anforderungen an die Organisation des Pflegealltags genannt, die sich weniger auf die konkrete Patientenversorgung als auf Sicherheitsaspekte im Stationsalltag beziehen (z.B. Vermeidung von Drogenhandel auf der Station oder im Krankenhausgelände, Beschaffungskriminalität innerhalb der Station, Beschaffungsprostitut i o n ) . Damit einhergehende organisatorische Arbeitsanforderungen werden von den Pflegekräften - vor allem auch i n Anbetracht der Unberechenbarkeit von Suchtverhalten - als nicht unbeträchtliche Belastung des regulären Stationsablaufes beschrieben.
- 19 -
- die Angst, aufgrund der AIDS-Erkrankung als Angehörige einer der Kaupt-
betroffenengruppen erkannt zu werden (Stigmatisierungsängste) und
- die Sorge, lebenslang und i n zunehmendem Ausmaß auf die H i l f e und Un
terstützung von Ärzten, Pflegepersonen und Personen des privaten Umfel
des angewiesen zu sein, verbunden mit der Angst vor Verlust der so
zialen und persönlichen Identität (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes, und
Veränderung identitätsstiftender Vorstellungen Anderer über den Betrof
fenen).
Befragte Patienten sowie versorgende Pflegekräfte berichten übereinstim
mend von der Dominanz oben genannten Probleme, die l e d i g l i c h in Zeiten
akuter Krankheitsgeschehnisse, d.h. den Patienten körperlich schwer bela
stenden Situationen, vorübergehend in den Hintergrund t r e t e n .
In der Versorgungsdiskussion und -praxis spielen dementsprechend neben
krankheitsspezifischen Aspekten (unheilbare und infektiöse Viruserkran
kungen mit infauster Prognose, hoher therapeutischer Aufwand, hohe Pfle
geintensität) die Auseinandersetzung mit der Lebenslage dieser Patienten
eine wichtige Rolle. Dem zugrunde l i e g t die Annahme, daß eine Interdepen-
denz zwischen Dauer der Latenzzeit, Krankheitsverlauf und psychischen so
wie psychosozialen Einflüssen besteht, die durch Kenntnis der sozialen
und gesellschaftlichen Lage sowie der besonderen Lebensführung der Be
troffenen p o s i t i v beeinflußt werden kann.
Die Dominanz der Themen Homosexualität und AIDS sowie Drogenabhängigkeit
und AIDS in der Versorgungsdiskussion erklärt sich vornehmlich aus dem
hohen Anteil Betroffener aus diesen Gruppen und der im Zusammenhang mit
AIDS zwingend notwendig gewordenen Auseinandersetzung mit g e s e l l s c h a f t l i
chen Tabuthemen. Die besondere Problematik bei der Versorgung aidskranker
Patienten aus diesen Hauptbetroffenengruppen s t e l l t sich unter diesem
Stigmatisierungsängste sind i n anderer Hinsicht auch bei Betroffenen zu vermuten, die nicht den beiden oben genannten Hauptbetroffenengruppen angehören. Vogel berichtet über spezifische Probleme bei HIV-positiven und erkrankten Hämophilen, auf die die Umwelt mit Diskriminierung (Ausgrenzung) rea g i e r t , begründet vornehmlich i n der Angst vor Ansteckung ( v g l . BT-AIDS-Enquete, Protokoll 34, 1988, S. 4 ) .
- 20 -
Blickwinkel weniger als ein aidstypisches Krankheitsproblem, sondern als
ein gesellschaftlich systematisch vermitteltes soziales Problem mit be
trächtlichen Lebensproblemen auf Seiten der Betroffenen und Verständnis
barrieren sowie Wissenslücken auf Seiten der Versorgenden dar.
Eine Beteiligung des familiären oder freundschaftlichen Umfeldes an der
Versorgung hilfebedürftiger aidskranker Menschen kann aus verschiedenen
Gründen speziell bei Angehörigen der Hauptbetroffenengruppen einge
schränkt, im Extremfall sogar nicht durchführbar sein. Dafür sprechen i n
der Literatur dokumentierte und aus der Praxis heraus bestätigte Problem
situationen, zum Beispiel:
- Lebenspartner oder andere Freunde sind ebenfalls an der Immunschwäche-4
krankheit erkrankt.
- Es bestehen i n s t a b i l e Familienbeziehungen, die (beispielsweise durch
Bekanntwerden der Homosexualität) im Zusammenhang mit der Erkrankung
a k t u a l i s i e r t werden.
- Es bestehen i n s t a b i l e Familienbeziehungen, die im Zusammenhang mit der
Erkrankung (beispielsweise ausgelöst durch Bekanntwerden der Homosexua
lität) deutlich hervortreten.
- Insbesondere Betroffene aus dem Umfeld der Drogenabhängigen verfügen
o f t nicht über familiäre oder freundschaftliche Beziehungen. Gerade für
diesen Betroffenenkreis haben die H i l f s - und Beratungsangebote der im
AIDS-Bereich bestehenden Selbsthilfeorganisationen eine besondere Be-5
deutung. Die Hilfen der BAH enthalten jedoch kein direktes Pflegeange
bot, sondern umfassen Bereiche der psychosozialen Betreuung und Ko-
Hier wird ein für diesen Betroffenenkreis spezifisches Problem sichtbar, das auf kaum eine andere Krankheit übertragbar i s t und i n seiner Auswirkung auf den Prozeß der Krankheitsbewältigung gesondert betracht e t werden muß.
Die Selbsthilfeorganisationen stehen grundsätzlich allen Betroffenen offen, sind also keineswegs als Hilfsangebot ausschließlich für Angehörige der Hauptbetroffenengruppen zu verstehen und werden auch nicht als solches i n Anspruch genommen (z.B. Frauen und AIDS).
- 21 -
Ordination sowie Beratung betreffs weiterer Hilfsmöglichkeiten für Be
tr o f f e n e .
Probleme im Rahmen der ambulanten Versorgung ergeben sich für sozial iso
l i e r t e Patienten dann, wenn bei zunehmender Pflegebedürftigkeit die Kapa
zität der ambulanten Pflegeeinrichtungen nicht ausreichend sind und ohne
medizinische Indikation auf Formen der stationären Versorgung zurückge
g r i f f e n werden muß.
Die wichtige Rolle, die die AIDS-Hilfe i n den Versorgungsnetzen als An
lauf- und Vermittlungsstelle innehat, bestätigt sich i n dem Maße, wie es
i h r g e l i n g t , die psychosoziale Situation aidskranker Menschen po s i t i v zu
beeinflussen. Die generelle Organisation der Versorgung aidskranker Pa
tienten z i e l t jedoch auf die Versorgung a l l e r von AIDS betroffenen Men
schen ab - unabhängig ihrer sozialen Zugehörigkeit und Lebensorientie
rung. Darum geht es im folgenden, wenn auch die Probleme der beiden
Hauptbetroffenengruppen domi nieren.
3.3 Bedeutung sozialer Netzwerke - Integration der BAH in das Gesund
heit sSystem
Der Monopolanspruch der ärztlichen Profession auf Definition und Behand
lung von gesundheitlichen Problemen im Hinblick auf das organische Ge
schehen kann i n bezug auf krankheitsbegleitende und -beeinflussende psy
chosoziale Probleme nicht aufrechterhalten werden. In diesem Zusammenhang
gewinnen Fragen nach Umfang und Qualität sozialer Beziehungen (soziale
Netzwerke) i n ihrer Wirkung auf Gesundheit und Bewältigung von Krankhei
ten i n der gesundheitspolitischen Diskussion an Bedeutung. Badura geht
davon aus:
"Je (subjektiv) befriedigender und auch (objektiv) h i l f r e i c h e r das persönliche und soziale Netzwerk eines Menschen
s um so ge
ringer die Wahrscheinlichkeit psychischer und/oder somatischer Leiden." (Badura 1981, S. 36)
- 22 -
Soziale Netzwerke können als Beziehungsgeflechte des Einzelnen mit Men
schen aus seiner sozialen Umgebung beschrieben werden. Die Größe des
Netzwerkes, das Vorhandensein von bestimmten Bezugspersonen, die Quanti
tät und Qualität der sozialen Interaktionen variieren für die einzelnen
Menschen. In dem Grad ih r e r Verfügbarkeit korrespondieren die einzelnen
Netzwerksegmente mit der Chance des Einzelnen, i n konfliktuösen und bela
stenden Situationen i n d i v i d u e l l e Bewältigungsstrategien erfolgreich ein
zusetzen; sie können auch als ein Indikator der jeweils persönlichen so
zialen Ressourcen angesehen werden.
Folgt man der neueren sozialepidemiologischen Forschung, so ste l l e n die
den sozialen Netzwerken zugrundeliegenden sozialen Bindungen eines I n d i
viduums die wichtigste Determinante seiner Lebenserwartung, seiner psy
chischen und physischen Gesundheit und seines allgemeinen Wohlbefindens
dar.
Die sozialen Bindungen innerhalb eines Netzwerkes konstituieren ihre
Spannweite nach dem Grad ihrer jeweiligen persönlichen Nähe oder Distanz.
Sie können als primäre und sekundäre Bindungen unterschieden werden.
Während die primären Bindungen (Familie, enge Freunde) eher der Befriedi
gung emotionaler Bedürfnisse dienen und eine notwendige Bedingung für
psychische Gesundheit darstellen (Henderson), l i e g t eine wesentliche
Funktion der sekundären Bindung, z.B. informelle Kontakte, i n der Ver
mittlung handlungsrelevanter Informationen für den Einzelnen (Granovetter
1974). Der Ungleichverteilung von materiellen und immateriellen Lebens
chancen (Weber/Dahrendorf) versucht die sozial staatliche Seite mit H i l f e
sozialer Stützsysteme entgegenzuarbeiten.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Versor
gungsmodelle im AIDS-Bereich kommt der BAH hier wesentlich die Funktion
eines integrierten sozialen Stützsystems zu. Ihre Aufgaben innerhalb der
Versorgungseinrichtungen l i e g t i n der I n i t i i e r u n g und Stützung sozialer
Netzwerke als H i l f e zur Bewältigung aktueller wie p o t e n t i e l l e r Bela
stungssituationen auf Seiten der von AIDS Betroffenen.
- 23 -
Unter dem Aspekt der sozialen Bindung können die Beratungs- und Hilfsan
gebote der BAH mangelnder sozialer Integration sowie drohender sozialer
Isolation entgegenwirken, sie fungieren hier als Ersatz bzw. Ergänzung
für fehlende oder unzureichende soziale Netzwerke.
Ein entscheidender Einfluß auf die Wahrung der psychischen Gesundheit
wird i n der "Adäquatheit" der Angebots- und Mitgliederstruktur der
Selbsthilfeorganisation gesehen. Als krankheitsbezogene Selbsthilfeorga
nisation sind die Mitarbeiterinnen der I n s t i t u t i o n mit allen Aspekten der
Krankheit AIDS ve r t r a u t , als Betroffenenorganisation z i e l gruppennah, so
daß ihre Arbeit mit den Betroffenen Freiheit von moralischen Werthaltun
gen der individuellen Lebenslagen und von Repressionen gewährleistet.
3.4 Die Versorgung aidskranker Patienten im Krankenhaus und im ambu
lanten Versorgungsbereich - Leitvorgaben und Anforderungen
Ziel einer humanen und adäquaten Behandlung und Versorgung von aidskran
ken Patienten i s t zuvörderst, die Liegezeiten in den Krankenhäusern zu
gunsten der ambulanten Versorgung zu minimieren.
Jäger schätzt, daß bei derzeitigem Wissensstand über die HIV-Infektion
und ihrer Krankheitsfolgen 80 % a l l e r medizinischen Krankheitsprobleme
ambulant gelöst werden können und dies auch dem Bedürfnis der meisten Pa
tienten entgegenkommt ( v g l . BT-AIDS-Enquete, Protokoll 32/1988, S. 4 ) .
Alle auf das oben genannte Ziel bezogenen Maßnahmen sollen den physi
schen, psychischen und sozialen Aspekten der Situation aidskranker Men
schen derart Rechnung tragen, daß
- eine Optimierung der Lebenssituation der Betroffenen und ihrer Angehö
rigen/Freunde möglich i s t ,
- die Prävention möglicher weiterer HIV-bedingter Krankheiten nicht be
hindert wird (zur Bedeutung der Prävention von Sekundärinfektionen v g l .
Exner/Vogel/Gregor 1988),
-24 -
- eine Behandlung bereits manifester körperlicher Beeinträchtigungen mit
dem Ziel wirksamer Symptomheilung/-linderung durchgeführt werden kann
und
- eine Befähigung der Betroffenen zum Umgang mit der Infektion und Er
krankung im gesundheitlichen und sozialen Sinne möglich i s t ( v g l . Ro-
senbrock 1987, Exner/Freisfeld/Weber-Falkensammler 1988).
Insbesondere das Krankenhaus mit seinem an der Kurati on akuter somati
scher Krankheitsbilder orientierten Versorgungsspektrum sieht sich hier
mit der Einlösung eines darüber hinausgehenden Versorgungsauftrages kon
f r o n t i e r t .
Der vom Krankenhaus geforderte Versorgungsumfang verlangt gleichermaßen
die Auseinandersetzung mit der physischen, psychischen und sozialen Rea
lität des Patienten im stationären Versorgungsprozeß. Im Zusammenhang mit
der angestrebten kurzen Liegezeit bei fortdauernder und oftmals i n t e n s i
ver Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit i s t das Krankenhaus zudem für
die primäre Organisation eines medizinisch-pflegerischen Netzwerkes im
nichtstationären Bereich und für die Vorbereitung des Patienten auf sein
durch die Krankheit verändertes Alltagsleben zuständig.
Die dominierende Rolle, die dem Krankenhaus im Hinblick auf seine Verfüg
barkeit über den jeweils aktuellen Wissensstand bei der Behandlung von
AIDS zukommt, läßt eine generelle Abnahme der Patientenzahlen unwahr
scheinlich erscheinen, so daß die oben genannten Versorgungsaufgaben auf
lange Sicht hin einer organisatorischen Sicherung bedürfen.
"Ein weiterer Grund für die Präferenz einer stationären Behandlung l i e g t i n der Vorstellung der Betroffenen begründet, daß i n einer K l i n i k eine bessere Versorgung möglich wäre. Solche Meinungen wurden häufig aus Regionen berichtet, die zum Einzugsbereich einer spezialisierten K l i n i k gehören." (ISG 1988, S. 43)
Das ambulante Versorgungssystem umfaßt die medizinische Behandlung
(Diagnostik und Therapie) und die Versorgung pflegebedürftiger Patienten
durch Sozial Stationen (analog private Hauspflegeeinrichtungen).
Zum Kernangebot der SozialStationen gehören:
- 25 -
- die häusliche Krankenpflege,
- die Hauspflege/Haushaltshilfe und
- die soziale Beratung kranker Menschen und ihrer Helfer
( v g l . S t i e f e l 1987).
Konzeptionell gehört es zu den Aufgaben der Sozial s t a t i o n , Selbsthilfepo
t e n t i a l e durch den Aufbau sogenannter "kleiner Netze" (Familie, Freundes
k r e i s , Nachbarschaft, ehrenamtliche Dienste) zu i n i t i i e r e n , zu fördern
und zu ergänzen ( v g l . Hegner 1980).
Das Z i e l , aidskranke Patienten auch bei hoher Pflegeintensität so lange
wie medizinisch vertretbar in der gewohnten häuslichen Umgebung zu ver
sorgen, setzt eine Versorgungsstrategie auf Seiten der Sozialstationen
voraus, die e x p l i z i t die Lebenslage des einzelnen Patienten zum Ausgangs
punkt hat. Das heißt, eine dem Patienten angemessene Versorgungsplanung
muß auf der Basis d e t a i l l i e r t e r Kenntnisse der gesundheitlichen und so
zialen Situation des Betroffenen erfolgen. Das jedoch setzt bereits im
Rahmen der Übernahmevereinbarungen Kommunikation und Kontakt zwischen den
beteiligten Gesundheitseinrichtungen (Krankenhaus, behandelnder Hausarzt)
und - wenn möglich - mit dem Patienten voraus.
Da die häusliche vor der stationären Versorgung Vorrang hat und weil die
von den Sozial Stationen versorgten aidskranken Patienten häufig nicht
über ein funktionsfähiges Freundes- und/oder Familiennetz verfügen, ob
l i e g t den Sozial Stationen die Einbindung alternativer Betreuungsinstanzen
(z.B. ehrenamtliche Hilfen) zur Bewältigung jener Hilfeleistungen, die
sonst durch das soziale Netzwerk der Kranken abgedeckt werden. In der Re
gel handelt es sich hierbei um die Erfüllung des Bedürfnisses nach Anwe
senheit einer Person auf Seiten der Betroffenen, die keiner besonderen pflegerischen Qualifikation bedarf.
Für die I n i t i i e r u n g eines Betreuungsnetzes sind neben der Kenntnis beste
hender Hilfemöglichkeiten (vorzugsweise) im Einzugsgebiet der Patienten
intensiver Arbeitseinsatz (Kooperation mit alternativen Hilfssystemen)
er f o r d e r l i c h ; hierzu müssen z e i t l i c h e und ökonomische Ressourcen vorge
halten werden.
- 26 -
Im Bereich der stationären und ambulanten Versorgung wurden entsprechende
Anpassungsvorgänge e i n g e l e i t e t , und zwar auf den Ebenen der:
- quantitativen personellen Ausstattung zur Bewältigung der Nachfrage
nach professioneller H i l f e ,
- qualitativen personellen Ausstattung zur Bewältigung der psychosozia
len, medizinischen und pflegerischen Versorgung,
- Zusammenarbeit zwischen Gesundheits- und Sozial berufen und Personen,
die im Rahmen privater oder organisierter Selbsthilfe zur Verfügung
stehen, und
- Kooperation zwischen den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen (sta
tionär/ambulant) .
3.4.1 Patientenorientierte Versorgung
Ein wie unter 3.4 dargestelltes Versorgungsprofil setzt innerhalb der
stationären und ambulanten Versorgung Möglichkeiten einer an der I n d i v i
dualität des einzelnen Patienten or i e n t i e r t e n Versorgung voraus. Für den
Bereich der Krankenpflege wird hier die Umsetzung des theoretischen Kon
zeptes des "Krankenpflegeprozeßmodells" (Pflegeplanung) angestrebt.
Das Modell "Pflegeprozeß" beschreibt a l l die Elemente, die bei der Pflege
von Patienten i n logischer und systematischer Reihenfolge eingehalten
werden müssen. Das Pflegeprozeßmodell schreibt vor, den Pflegeablauf -
bezogen auf den einzelnen Patienten - i n vier bzw. sechs sich voneinander
unterscheidenden und sich zugleich gegenseitig bedingenden "Schritten" zu
gestalten, und zwar
1. Informationssammlung
2. Erkennen und Dokumentation von Problemen und Ressourcen
3. Festlegung der Pflegeziele
4. Planung der Pflegemaßnahmen
5. Durchführung der Pflege
6. Beurteilung der Wirkung der Pflege auf den Patienten (siehe Abb. 1 ) .
- 27 -
Abbildung 1: Die sechs "Schritte" des Pflegeprozeßmodells
Um ein einheitliches Vorgehen im Sinne des Pflegeprozeßmodells zu ermög
lichen, i s t - in Anbetracht Schicht- und personenübergreifender Versor
gungspraxis - eine genaue und sorgfältige Dokumentation des geplanten
Pflegeverlaufs notwendig. Pflegeplanung bedeutet zugleich immer auch
Pf1egedokumentati on.
Pflegeplanung und -dokumentation bezeichnet also einen interdependenten
Prozeß mit den beschriebenen "Schritten" und i s t i n seiner ideal typischen
- 28 -
Form darauf angelegt, die im Pflegeverl auf i n ihrer Vielzahl angebotenen
Informationen und Versorgungsmöglichkeiten zu erfassen, zu str u k t u r i e r e n ,
zu differenzieren und behandlungsmä'ßig im Sinne der Gesundheitsförderung
zu organisieren.
Die Umsetzung des theoretischen Konzeptes des "Krankenpflegeprozeßmo-
de l l s " i s t i n der Bundesrepublik Deutschland derzeit nur ansatzweise und
i n wenigen Krankenhäusern r e a l i s i e r t (dort häufig beschränkt auf Modell
abteilungen). Auch sind die zur Pflegeplanung notwendigen Voraussetzungen
nicht immer gegeben, wie beispielsweise
- Vorhandensein eines entsprechend ausgestalteten Informations- und Doku
mentationssystems,
- d i e Möglichkeiten, den Stationsablauf von der Funktionspflege auf die
Gruppenpflege umzustellen ( v g l . hierzu Abschnitt 3.4.1.1), und
- d i e Einführung von Pflegeplanung im Rahmen von Schulungsmaßnahmen.
3.4.1.1 Routinepflege versus patientenorientierte Pflege
Mit der seit Anfang der 60er Jahre systematisch i n den Krankenhäusern
eingeführten Funktionspflege waren Bestrebungen verbunden, die Stations
abläufe im Hinblick auf eine gute Kontrolle der zugeteilten Arbeiten und
im Hinblick auf ein rou t i n i e r t e s Mitarbeiterteam (unterschiedliche Quali
fikationen und Aufgabenfeider) zu strukturieren.
Das muß vor dem Hintergrund der damaligen Personal Situation und - p o l i t i k
auf der einen Seite und dem vorherrschenden Krankheitsverständnis sowie
einer für die damalige Zeit spezifischen Patientenmentalität zu verstan
den sein. Insbesondere bei chronischen Erkrankungen und Krankheitsverläu
fen, die ein schematisiertes Vorgehen von medizinischer und pflegerischer
Seite nicht zulassen, treten aber die Schwächen der Funktionspflege deut
l i c h zutage. Bezogen auf die direkte Patientenbetreuung lassen sich diese
charakteristischen Mängel am Beispiel wichtiger Merkmale von Routinepfle
ge und patientenorientierte Pflege exemplarisch wie f o l g t aufzeigen:
- 29 -
Routinepflege
Eine Pflegetätigkeit i s t Routine, wenn sie zu den täglichen Arbeitsaufga
ben gehört und schon fest i n das persönliche und organisatorische Hand
lungsschema eingegangen i s t , so daß sie u n r e f l e k t i e r t und automatisch ab
läuft.
Patientenorientierte Pflege
Eine Pflegetätigkeit i s t patientenzentriert, wenn zwischen Patient und
Pflegepersonal eine vertrauensvolle berufliche Beziehung aufgebaut i s t ,
die spezielle Situation des Patienten erfaßt und i n der Pflegeausübung
berücksichtigt wird. Im Pflegeprozeß ste l l e n sich die Vorzüge patienten
zen t r i e r t e r Pflege gegenüber einer Routinepflege wie f o l g t dar:
Routinepflege
o Der Pflegende übt die Plegever-richtung korrekt aus
o Der Pflegende o r i e n t i e r t sich am Krankheitsfall
o Die individuelle Situation des Kranken wird nicht erkannt/nicht berücksichtigt
o Die Kommunikation mit dem Kranken besteht insoweit, daß die Pflegeorganisation reibungslos verlaufen kann
o Die Pflegeausübung geschieht nach Schemata
o Der Patient er l e i d e t keinen körperlichen Schaden
Patientenorientierte Pflege
o Der Pflegende übt die Pflegeverrichtung korrekt aus und i s t dabei dem Patienten zugewandt
o Der Pflegende o r i e n t i e r t sich an der Person des Kranken und an seiner Krankheit
o Der Pflegende erkennt die i n d i v i duelle Situation und versucht sie zu berücksichtigen
o Der Patient wird informiert und in die Pflegeüberlegungen miteinbezogen
o Die Pflegeausübung wird der spez i e l l e n Situation des Patienten angepaßt
o Der Patient erleidet keinen körperlichen Schaden; er kann seine subjektiven Befindlichkeiten äussern und erfährt ihre Berücksichtigung
- 30 -
Die Pflegeplanung unterstützt die Einhaltung der oben genannten Pflege
aspekte; das heißt, sie basiert auf einer gezielt dem Patienten zugewand
ten Denk- und Handlungsweise. Gleiches g i l t für die Ermittlung der Ressourcen der Patienten. Gemeint sind damit Fähigkeiten des Patienten, die
gesundheitsfördernd genutzt werden können. Darunter f a l l e n pflegerische
Aufgaben wie:
- die Lebensgewohnheiten der Patienten soweit wie möglich zu berücksich
t i g e n ,
- bestehende Selbständigkeitspotentiale zu erhalten und zu fördern,
- bestehende soziale Kontakte zu erhalten und zu fördern und
- dem Patienten beim Verstehen seiner Krankheit und der Abläufe während
des Krankenhausaufenthaltes zu helfen.
Juchli (1987) hat hierzu exemplarisch Kr i t e r i e n zur Ermittlung der Pfle
gequalität zusammengestellt, die insbesondere im Hinblick auf psychoso
ziale Betreuungskomponenten von Bedeutung sind (siehe Abb. 2 ) . Die von
Juchli aufgezeigten inhaltlichen Leitvorgaben an die pflegerische Arbeit
bringen zum Ausdruck, daß für eine gute und sichere Patientenversorgung
die Einbeziehung nicht-medizinischer Aspekte, die das Krankheitsgeschehen
beeinflussen, unabdingbar i s t .
Letzteres kann als dominierendes Thema in der Versorgungsdiskussion im
AIDS-Bereich herausgestellt werden, so daß entsprechende handlungsorgani-
sierende Dokumentationsgrundlagen und handlungsleitende Bezüge (Pflege
planung) als Indikator für Versorgungsqualität herangezogen werden
können.
- 32 -
4. Versorgungsangebot
Bevor im weiteren auf Aspekte der Versorgung im ambulanten und stationä
ren Bereich (Abschnitte 5 und 6) eingegangen wird, wird zunächst ein
Überblick über das i n s t i t u t i o n e l l e Versorgungsangebot und die im Zusam
menhang mit AIDS formulierten Handlungsanforderungen gegeben.
Die Handlungsanforderungen beziehen sich dabei auf bislang von den eta
bl i e r t e n Versorgungseinrichtungen (Krankenhaus, Arztpraxis, Sozialsta
t i o n ) weitgehend vernachlässigte Versorgungsaspekte, deren Wahrnehmung
hier durch neue Versorgungsangebote Unterstützung f i n d e t .
4.1 Institutionelles Gesamtsystem der Krankenversorgung
Um die medizinischen und sozialen Folgen von AIDS möglichst gering zu
halten, sind die behandelnden Gesundheitseinrichtungen bestrebt, ein
funktionsfähiges Netz stationärer und ambulanter Versorgung unter Einbe
ziehung bestehender Selbsthilfeansätze - insbesondere vertreten durch die
Berliner AIDS-Hilfe - aufzubauen.
Damit verbunden i s t ein beträchtliches Maß an Kooperationsleistungen zwi
schen den verschiedenen Gesundheitseinrichtungen im stationären und ambu
lanten Bereich sowie zwischen t r a d i t i o n e l l e n Gesundheitseinrichtungen und
Selbsthilfeorganisationen.
Kooperationspartner im Versorgungsprozeß sind
- das Krankenhaus/die Pflegeabteilung,
- die Arztpraxis/die P o l i k l i n i k ,
- die verschiedenen sozialen Dienste und
- die Selbsthilfeorganisationen.
- 33 -
Unter den gegenwärtigen Bedingungen der Krankenversorgung sind die t r a d i
t i onellen Berufsgruppen der Ärzte und Krankenpflegekräfte die Hauptakteu-
re im Versorgungsprozeß.
Soziale Dienste, vertreten durch die Berufsgruppe der Sozialarbeiterlnnen
in den Krankenhäusern und den Sozialstationen, werden - vor allem im Rah
men der stationären Versorgung - üblicherweise erst auf Anforderung von
pflegerischer Seite a k t i v . Die von Mitarbeiterinnen der Gesundheits- und
Sozialeinrichtungen gekennzeichneten, im Zusammenhang mit AIDS deutlich
gewordenen und die herkömmliche Regel Versorgung begleitenden Handlungsanforderungen sind i n Abbildung 3 a u f g e l i s t e t .
Das Ziel einer bedarfsgerechten und eff i z i e n t e n Versorgung schließt im I d e a l f a l l die einzelnen Betroffenen und ihre wichtigen Bezugspersonen als Kooperationspartner mit e i n . Im Versorgungsprozeß läßt sich dies po t e n t i e l l verwirklichen durch systematische Beteiligung des jeweiligen Patienten an für ihn wichtigen Entscheidungen i n der Behandlung und Versorgung.
- 34 -
Abbildung 3: Institutionelles Versorgungsangebot/Handlungsanforderungen (die im Rahmen der Modellprogramme der Bundesregierung eingerichteten Unterstützungsmaßnahmen sind den Versorgungseinrichtungen zugeordnet)
Versorgungseinrichtungen Handlungsanforderungen
Krankenhäuser (Modellprojekt: Einrichtung einer Koordinationsstelle)
Ambulante Pflegeeinrichtungen (Modellprojekt: AIDS-Team)
P o l i k l i n i k (UKS)
AK AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin
Sei bsthilfeorgani sati onen
Modellprojekt: HIV-e.V.
o Kooperation zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen
o Integration von sozialen Selbsthilfepotentialen
o Integration klinischer Forschung in den Versorgungsprozeß
o Kooperation mit stationären Einrichtungen im Übergang von stationärer zu ambulanter Versorgung
o Kooperation mit Selbsthilfeorganisationen
o Information und Beratung sowie pflegerische Anleitung von Freunden/Angehörigen
o disziplinübergreifende medizinische Behandlung
o Kooperation mit Selbsthilfeorganisationen
o experimentelle Therapiestudien
o Fortbildung/Ärzte o Intensivierung der ambulanten
Versorgung/Kooperation mit ambulanten Pflegeeinrichtungen
o Interessenwahrnehmung HIV-positiver Personen und Erkrankter
o Integration klinischer Studien i n Kooperation mit stationären Bereichen
o psychosoziale Betreuung Betroffener
o Interessenwahrnehmung Betroffener o Patientenlobby gegenüber behan
delnden Einrichtungen o Information und Aufklärung ande
rer Bevölkerungsgruppen
o ambulante pflegerische Versorgung o Beseitigung von Zugangsbarrieren o Kooperation mit stationären Ein
richtungen o Kooperation mit niedergelassenen
Ärzten o Kooperation mit Selbsthilfeorga
nisationen
- 35 -
5. Ambulante Versorgung von aidskranken Patienten
Der Vorzug, der der häuslichen Versorgung der Patienten gegeben wird,
s t e l l t die Anforderungen an die ambulante Versorgung i n den Vordergrund.
Die Verzahnung der stationären und ambulanten Versorgung i s t dabei nur
ein entscheidender Aspekt der organisatorischen wie inhaltlichen (zielge
r i c h t e t e Versorgung) Leistungen der Gesundheitseinrichtungen ( v g l . hierzu
Abschnitt 6.3).
Die Entwicklung und der Ausbau ambulanter Versorgungsmodelle zielen auf
ein Bedarfsfeld ab, dessen quantitativen wie qualitativen Aspekte noch
nicht ausreichend bekannt sind.
"Die Einschätzung der - auf die Region bezogenen - Prävalenz und weiterer wichtiger Determinanten des Betreuungsbedarfs (In welcher Situation befinden sich die Kranken? Welche Versorgungsnotwendigkeiten ergeben sich im Krankheitsverlauf? Auf welchen Grad privater Unterstützung können die Kranken zurückgreifen? etc.) war noch i n der jüngsten Vergangenheit mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Erst allmählich zeichnen sich deutlichere Konturen ab. M i t t e l - bis l a n g f r i s t i g e Prognosen der weiteren Entwicklung des Bedarfsfeldes sind nur im Rahmen grober Schätzungen möglich." (ISG 1989, S. 5)
Zum besseren Verständnis der unter 6. dargestellten Maßnahmen zur Verbes
serung der Versorgungs- und Patientensituation sollen i n diesem Abschnitt
die ambulanten Versorgungseinrichtungen, die sich gezielt der Versorgung
von aidskranken Patienten zugewandt haben, i n ihren konzeptionellen
Grundzügen charakterisiert werden.
5.1 Behandlungsschwerpunkte im ambulanten Bereich
In Berlin haben sich insbesondere
- die Sozial Stationen der Träger
o Arbeiterwohlfahrt (AWO)
- 36 -
o Caritas
o Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV)
o Deutsches Rotes Kreuz (DRK)
o HIV-e.V. (DPWV),
- mindestens zwei private Hauspflegeeinrichtungen (Deppner/Brudatzki,
Wilmersdorf; Kügeler, Moabit),
- die im "Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin" zusammenge
schlossenen niedergelassenen Ärzte und
- die P o l i k l i n i k am UKS
speziell den Versorgungsaufgaben im AIDS-Bereich zugewandt.
Weitere wichtige Grundpfeiler i n der ambulanten Versorgung ste l l e n die
H i l f s - und Beratungsangebote der Selbsthilfeorganisationen im AIDS-Be
reich dar, von denen die BAH und das AIDS-Forum i n die Untersuchung ein
bezogen wurden.
5.1.1 Sozialstationen
Im Rahmen des ModelIprogramms "Ausbau ambulanter Hilfen für AIDS-Erkrank-
te im Rahmen von SozialStationen" erfolgte eine personelle Verstärkung
sowie Ausbau der Infrastruktur auf der Ebene der ambulanten pflegerischen
Versorgung (siehe Anlage 1).
Insgesamt stehen den oben genannten Trägervereinen zusätzlich 14,5 Plan
stellen für Krankenpflegekräfte und 4 Planstellen für Sozialarbeiterinnen
zur Verfügung (Stand 31.12.1988), von denen bis zum 31.12.1988 7,5 Kran
kenpflegeplanstellen und 1 Planstelle für den sozialen Dienst nicht be
setzt werden konnten.
V e r t e i l t auf die verschiedenen Trägervereine ergibt sich folgendes B i l d :
- 37 -
Tabelle 1: Zusätzliche PlanstellenISozialstationen
(Vgl. IS6 1989, S. 57-62.)
Speziell für die Versorgung H I V - i n f i z i e r t e r und erkrankter Kinder und i h
rer Mütter wurden außerdem eine Kinderkrankenschwester und eine Familien
pflegerin eingesetzt. Eine zweite Fami1ienpflegestelle konnte bis zum
31.12.1988 noch nicht besetzt werden ( v g l . ISG 1989, S. 62).
Die Modellmitarbeiterinnen der SozialStationen sind als sogenannte "mobi
le AIDS-Teams" Mitarbeiter der Trägervereine und übernehmen die Betreuung
von AIDS-Kranken in Zusammenarbeit mit den Sozialstationen ihres Trägers.
Konzeptionell i s t damit vorgesehen, einer Isolation von aidskranken Pa
tienten entgegenzuwirken (beispielsweise durch Herausbildung separater
AIDS-Sozialstationen), indem "normale" Sozialstationen zur Pflege und
Versorgung dieser Patienten angeleitet und q u a l i f i z i e r t werden.
"Die Pflege von AIDS-Kranken fordert von den Pflegekräften und Betreuern ein breites medizinisches Fachwissen und die Bereitschaft, ständig dazuzulernen. Pflegerisches Können, insbesondere Sensibilität, Wahrnehmungsfähigkeit und gutes Reaktionsvermögen sind, neben psychologischem Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, psycho-soziale Probleme zu erkennen und darauf zu reagieren, unbedingt e r f o r d e r l i c h . Eine verantwortungsbewußte Versorgungsplanung und Bewältigungsstrategie mit dem Schwer-
Seit dem 1.1.1989 stehen HIV-e.V. 6 x 0,5 Pflegestellen zur Verfügung, von denen im März 1989 3 x 0,5 Pflegestellen besetzt waren.
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punkt der Weiterentwicklung ambulanter Dienste muß daher immer die Vernetzung unterschiedlicher Institutionen und Versorgungsbereiche, die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, die M i t h i l f e von Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen, die speziellen Gegebenheiten der Hauptbetroffenengruppen und neben der Hi l f e für kranke Menschen auch die H i l f e für besonders belastete Helfer und Betreuer berücksichtigen." (Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 37)
Zur Bewältigung vorhandener und zukünftiger Probleme i n der ambulanten
pflegerischen Versorgung von aidskranken Patienten obliegt den Modellmit
arbeiterinnen im einzelnen:
- Koordinations- und Informationsdefizite auf Seiten des festangestellten
Pflegepersonals abzubauen,
- organisatorische und in h a l t l i c h e Unterstützung bei der Patientenversor
gung zu l e i s t e n ,
- den Aufbau von komplementären Hilfen für sozial i s o l i e r t e und/oder woh
nungslose Betroffene i n die Wege zu l e i t e n ,
- Kooperations- und Kontakthilfen zwischen den stationären und ambulanten
Einrichtungen zu geben,
- die berufs- und patientenbezogene Kommunikation zwischen den b e t e i l i g
ten Berufsgruppen anzuregen und
- die Zusammenarbeit zwischen professionellen und ehrenamtlichen Helfern
zu fördern.
An der direkten pflegerischen Versorgung sollen die Modellmitarbeiterln-
nen konzeptionell nur dahingehend b e t e i l i g t sein, daß sie einzelfallbezo
gene Beratungen von Pflegepersonen bei Problemen der Pflege durchführen o
und die praktische Arbeit begleiten. In der Praxis läßt sich ein solches
Vorgehen jedoch nicht jederzeit r e a l i s i e r e n , so daß aidskranke Patienten
zeitweise ohne Einbeziehung des Stammpersonals von Modellmitarbeiterinnen
gepflegt und betreut werden.
Eine Ausnahme bilden die Mitarbeiter von HIV-e.V. (Modellprojekt, Mitglied im DPWV), deren Tätigkeiten d e f i n i t i v auch die direkte p f l e g e r i sche Versorgung Erkrankter i s t ( v g l . Abschnitt 5.1.2).
- 39 -
Die I n s t i t u t i o n des AIDS-Teams t r i f f t innerhalb der beiden hierzu befrag
ten Einrichtungen (DRK, AWO) auf positive Resonanz auf Seiten der f e s t
eingestellten Pflegekräfte, zumal die Mitarbeit der Modellkräfte eine
Entlastung h i n s i c h t l i c h der Zusatzaufgaben bei der Versorgung von aids
kranken Patienten d a r s t e l l t .
Bezogen auf die im Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung
notwendigen Koordinationsaufgaben wie
- Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Patienten bereits im Krankenhaus,
- Klärung der gesundheitlichen und sozialen Situation vor der Kranken
hausentlassung,
- Kontaktaufnahme und Absprachen mit dem behandelnden Hausarzt
wird eine Anhebung des Informationsniveaus auf Seiten der Mitarbeiterin
nen der Sozial Stationen erwartet, die bei der Übernahme der ambulanten
Versorgung zur Verbesserung der Patientensituation beiträgt.
Soweit Patienten von ehrenamtlichen Helfern der BAH oder aus dem privaten
wie anderen ehrenamtlichen Umfeld betreut werden, schließt dies die Zu
sammenarbeit mit den Beteiligten e i n .
Das AIDS-Team der AWO steht zudem in enger Zusammenarbeit mit dem "Treff
punkt H i l f s b e r e i t s c h a f t " , einer Vermittlungsstelle für ehrenamtliche Hel
fer im sozialen Bereich ( v g l . ISG 1989).
In der Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonen und privaten Helfern be
richten die Pflegekräfte von zeitweise schwer zu lösenden Problemen in
der Zusammenarbeit. Besonders dann, wenn Verwandte pflegerische Aufgaben
übernehmen, besteht nach Aussagen der befragten Pflegekräfte die Gefahr,
daß die Kontinuität und E i n h e i t l i c h k e i t der durchzuführenden p f l e g e r i
schen Maßnahmen nicht gewährleistet i s t . Diese Probleme sind vor dem Hin
tergrund dynamischer Aspekte des Betreuungsverhältnisses (Patient - Hel
fer aus dem privaten Umfeld) einerseits und unter dem Aspekt von Laien-,
Betroffenen- und Professionellenkompetenz andererseits zu r e f l e k t i e r e n .
- 40 -
Patientenbetreuung und -Situation (Sozialstationen)
Eine ausführliche Darstellung der ambulanten Versorgungs- und Patienten
situation findet sich im 1. Zwischenbericht zum ModelIprogramm "Ausbau
ambulanter Hilfen für AIDS-Erkrankte im Rahmen von Sozialstationen" ( v g l .
ISG 1989), so daß hier komprimiert auf die von den Modellmitarbeiterinnen
thematisierten Versorgungsaspekte eingegangen wird.
Die Modellmitarbeiterlnnen beider Trägervereine stimmen darin überein,
daß nach den ihnen bisher vorliegenden Erfahrungen Art und Umfang der bei
aidskranken Patienten durchzuführenden Grund- und Behandlungspflege keine
wesentlichen Unterschiede zu Patienten mit anderen Erkrankungen bestehen.
Vielmehr sind es die im Bereich der psychosozialen Betreuung anfallenden
Anforderungen wie
- Beratung und Beistand, den die Patienten benötigen,
- Beratung und Beistand für Freunde und Angehörige der Patienten,
die entsprechende Qualifikationen auf der einen Seite und erhebliche
z e i t l i c h e Ressourcen auf der anderen Seite erfordern.
Im Hinblick auf eine l a n g f r i s t i g e Sicherung des Versorgungsauftrages ge
genüber den Patienten über die Zeit der Projektphase hinaus wird die ins
gesamt gering geförderte Qualifikation und arbeitsvertraglich unsichere
Einbindung der Hauspflegekräfte (Haushaltshilfen) problematisiert (Hono
rarverträge, Beschäftigungsumfang unterhalb der Sozialversicherungs
p f l i c h t , Abrufbereitschaft).
Die Mitarbeiterinnen des DRK schätzen, daß bis zu 80 % der Versorgungs
leistungen i n der ambulanten Versorgung durch SozialStationen von Haus
haltspflegen erbracht werden. Dabei handelt es sich um folgende Aufga
ben:9
Die folgenden Angaben (1-4) wurden einem offenen Brief der Haushaltspflegekräfte des Deutschen Roten Kreuzes entnommen.
- 41 -
1. Pflegerische Betreuung Überwachung und H i l f e bei der Medikamenteneinnahme, Beobachtung des Ge
sundheitszustandes, Vermittlung von Krankenpflege und sonstigen p f l e g e r i
schen Diensten sowie a l l e anderen Körperpflegen usw.
2. Sorge für Lebensführung Anträge s t e l l e n , Einzahlungen tätigen, Sorge für notwendigste Vorratshal
tung, Gänge erledigen, z.B. Apotheke, Behörden, Ärztbesuche usw.
3. Versorgung des Haushalts Alle anfallenden Haushaltstätigkeiten
lf. Persönliche Betreuung Gespräche mit den Betreuten führen, Anregung für körperliches und g e i s t i
ges Training geben, Kontakte zu Verwandten, Nachbarn, Organisationen un
terstützen bzw. herstellen, bei Notwendigkeit Heim- bzw. Hospital aufnähme
unterstützen usw.
Im erheblichem Umfang sind Erkrankungsfälle dokumentiert, i n denen über
lange Zeiträume hinweg kein krankenpflegerischer Unterstützungsbedarf be
stand ( v g l . ISG 1989). Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß
dennoch ein dringender Bedarf an haushaltspflegerisehen Hilfen besteht
und erbracht wird. Hier wird d e u t l i c h , daß die Haushaltspflege einen we
sentlichen Bestandteil der ambulanten Versorgung d a r s t e l l t und diese Mit
arbeiterinnen selbst wichtige Informationsträger und Vermittler zwischen
Patienten und anderen Mitarbeiterinnen der Sozialstation sind.
Charakteristisch für die Lebenslage der auf die H i l f e von Sozial Stationen
angewiesenen Patienten scheint zu sein, daß diese häufig nicht über ein
stabiles funktionsfähiges soziales Umfeld verfügen. Das t r i f f t insbeson
dere bei aidskranken Patienten aus dem Umfeld der Drogenabhängigen zu.
Eine generelle Lösung der damit verbundenen Probleme, besonders i n Phasen
intensiver Pflegeabhängigkeit (24-Stunden-Pflege), konnte noch nicht ge
funden werden.
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Bei Vorliegen eines extrem hohen Betreuungsaufwandes läßt sich die ambu
lante Versorgung derzeit nur unter beträchtlichem beruflichen und persön
lichen Einsatz der festangestellten und Modellmitarbeiter aufrecht er
halten.
5.1.2 HIV-e.V. (Hilfe-Information-Vermittlung-e.V.)
(Mitglied im DPWV und i n der Deutschen AIDS-Hilfe)
Ergänzend zum bestehenden Angebot ambulanter Pflege und Betreuung hat
HIV-e.V. im April 1988 seine Arbeit als Pflegestation aufgenommen. Seit
J u l i 1988 wird das aus einer S e l b s t h i l f e i n i t i a t i v e homosexueller Männer
mit Krankenpflegeausbildung hervorgegangene Projekt im Rahmen des Modell
programms "Ausbau ambulanter Hilfen für AIDS-Erkrankte im Rahmen von So
zi alStationen" unterstützt.
Die hohe Nachfrage von Betroffenen nach Versorgung durch HIV-e.V. bestä
t i g t die Notwendigkeit einer I n s t i t u t i o n in der ambulanten pflegerischen
Versorgung, die aufgrund ihrer personellen Besetzung selbst die betroffe
nen sozialen Minderheiten v e r t r i t t und damit Versorgungsdefizite, die
aufgrund von Nutzungsbarrieren gegenüber den üblichen Sozial Stationen be
stehen, vermeidbar macht. Dies entspricht den konzeptionellen Grundüber
legungen der Gründungsmitglieder von HIV-e.V., demnach den von AIDS Be
troffenen die Möglichkeit gegeben sein muß, von Angehörigen der Hauptbe
t r o f f enengruppen gepflegt zu werden.
Hintergrund der Entscheidung, HIV-e.V. i n das Modellprogramm aufzunehmen,
sind darüber hinaus Erfahrungen einiger Selbsthilfegruppen, aber auch an
derer Sozial Stationen und Kliniken im Umgang mit aidskranken Patienten,
die auf ein grundlegendes Problem i n der Versorgung hinweisen:
"Ein Teil der AIDS-Kranken - vor allem Homosexuelle und Drogenabhängige - werden Angebote 'normaler' SozialStationen nicht annehmen ('Wer ein Leben lang am Rande der Gesellschaft gelebt hat, w i l l sich auch am Ende seines Lebens nicht von Einrichtungen der normalen Gesellschaft versorgen lassen ... Die Gemeindeschwester, die den Schwulen pflegen w i l l - nee, das geht n i c h t . ' ) .
- 43 -
Nutzerbarrieren können sich auch ergeben, wenn ein Dienst mit den Wertvorstellungen seines Trägers (z.B. Sexualmoral der Kirche) i d e n t i f i z i e r t wird. (Insgesamt gesehen wird die Akzeptanz eines Dienstes allerdings eher durch dessen individuelles Image determiniert als durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Träger.)
Auch wenn eine so begründete Ablehnungshaltung nur für einen Teil der Betroffenen zutreffen mag, erklären ähnliche Ressentiments umgekehrt die hohe Nutzung von ambulanten Versorgungsangeboten, die aus Selbsthilfegruppen entstanden sind." (ISG 1989, S. 44)
Im Zeitraum von April 1988 bis März 1989 wurden insgesamt 45 Patienten
durch HIV-e.V. betreut.
Mit 15 Patienten, die zum Zeitpunkt der Befragung pflegerisch betreut
wurden, hat die Einrichtung bei der derzeitigen Personalausstattung ihre
Kapazitätsgrenze erreicht und kann - t r o t z weiterer Nachfrage - keine
neuen Patienten aufnehmen.^
Die Patientenversorgung e r f o l g t nach Prinzipien ganzheitlich o r i e n t i e r t e r
Pflege auf der Grundlage des Pflegeprozeßmodells ( v g l . Fi echter/Meier
1981; v g l . Abschnitt 3.4.1). Zur Durchführung der dazu erforderlichen
Pflegeplanung haben die Mitarbeiter von HIV-e.V. ein auf die Krankheit
AIDS, die Lebenssituation der Betroffenen und die Anforderungen bei ambu
lanter Versorgung ausgerichtetes Pflegeplanungs- und Dokumentationssystem
entwickelt ( v g l . Anlage 2 ) .
Die genaue Kenntnis, die die Mitarbeiter von HIV-e.V. aufgrund ihrer
eigenen Gruppenzugehörigkeit über Lebenslage und -Situation der haupt
sächlich Betroffenen haben, unterstützt die Herstellung eines stabilen
Vertrauensverhältnisses zwischen Erkrankten und Pflegenden.
Dementsprechend stel l e n die AIDS-begleitenden psychosozialen Faktoren
einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt von HIV-e.V. dar: Gesundheitsberatung,
Im März 1989 war die SozialStation mit 3 Krankenpflegern ä 20 Wochenstunden besetzt. Zu berücksichtigen i s t ferner, daß HIV-e.V. Pflegen im gesamten Stadtgebiet übernimmt, ohne auf einen Dienstwagen zur Minimierung von Fahrt- und Transportzeiten verfügen zu können.
- 44 -
Information und Beratung von Betroffenen und ihrem persönlichen Umfeld
sowie Verhandlungen mit Krankenkassen und anderen sozialen Einrichtungen
nehmen neben der direkten Pflege einen breiten Raum e i n .
"Die Gesundheitsberatung wird innerhalb des Projektes gemeinsam von einem/r Heilpraktiker/in durchgeführt. Nach einem langen Vorgespräch werden dem Patienten a l l e Aspekte der Krankheit aufgezeigt. Abgeschlossene und noch andauernde Therapien werden mit den Therapiemöglichkeiten verglichen. Durch entsprechende Fragestellungen wird der Patient auf eventuell mögliche Verhaltensänderungen aufmerksam gemacht." (Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 22)
5.2 Arbeitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin
Der Zusammenschluß von zur Zeit etwa 40 niedergelassenen Ärzten im "Ar
beitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte Berlin" 1985 erfolgte unter den
Zielsetzungen,
- den Erwerb fachlicher Kompetenz im Umgang mit der Krankheit AIDS und
den davon Betroffenen durch regelmäßigen Informationsaustausch inner
halb der Ärzteschaft und die Koordination gezielter Fortbildungsveran
staltungen zu erhöhen und zu sichern (monatliches Treffen des Arbeits
kreises mit Klinikärzten und monatliches Treffen der Ärzte des Arbeits
kreises untereinander),
- eine Verbesserung der Patientenversorgung durch Intensivierung der am
bulanten Versorgung mit t e l s gezielter Kooperation mit Sozial Stationen,
Selbsthilfegruppen, Gesundheitsämtern und Krankenkassen zu erreichen,
- die Wahrnehmung der Interessen von aidskranken Menschen gegenüber Dis
kriminierungsversuchen im privaten, beruflichen und politischen Bereich
zu unterstützen (Information und Aufklärung anderer M i t a r b e i t e r ) .
Mit der Problematik eingehend beschäftigte Mediziner schätzen, daß der
zeit etwa 1500 HIV - i n f i z i e r t e Menschen mit und ohne Symptomatik von Ärz-
- 45 -
ten des Arbeitskreises versorgt werden. Bei etwa 750 Patienten l i e g t i n
tensive Behandlungsbedürftigkeit vor.
In Anlehnung an das i n t e g r i e r t e klinische/ambulante Versorgungsmodell am
General Hospital i n San Francisco entwickelte der Arbeitskreis AIDS nie
dergelassene Ärzte in Zusammenarbeit mit der I I . Inneren Abteilung am AVK
ein integriertes Behandlungs- und Versorgungsnetz, das die stationäre Be
handlung am AVK, die ambulante Behandlung und Betreuung durch niederge
lassene Ärzte des Arbeitskreises und die ambulante Pflege durch Sozial-
stationen sowie die H i l f s - und Beratungsangebote der BAH umfaßt (Schöne
berger Modell). Die Betreuung der Patienten i s t durch die enge Zusammen
arbeit a l l e r erwähnten Institutionen gekennzeichnet.
Zwischen den Klinikärzten des AVK und den Ärzten des Arbeitskreises f i n
den regelmäßig (einmal monatlich) gemeinsame Besprechungen s t a t t , die der
gegenseitigen Information und Weiterbildung dienen und "Fal 1 "besprechun-
gen einschließen. Die Zusammenarbeit zwischen Sozial Stationen und Ärzten
des Arbeitskreises i s t in der Regel ausschließlich anlaßgebunden, das
heißt, sie findet im Rahmen jeweiliger Patientenbetreuung zwischen So
zial Station und behandelndem Arzt s t a t t .
Zur Herstellung und Sicherung einer optimalen Patientenversorgung und Pa
tientensituation kommt dem behandelnden Hausarzt p o t e n t i e l l eine Schlüs
selposition gegenüber anderen Gesundheitseinrichtungen zu: Sofern die
niedergelassenen Ärzte die Patienten schon seit Jahren kennen und daher
bereits mit den Einzelaspekten der Lebenssituation und des Krankheitsver
laufs beim einzelnen Patienten vertraut sind, kann dieses Wissen - soweit
es die ärztliche Schweigepflicht zuläßt - für die Behandlungs- und Ver
sorgungsplanung im stationären wie ambulanten pflegerischen Bereich nutz
bar gemacht werden.
Die Möglichkeiten, diese Schlüsselposition systematisch auszubauen und i n
Kooperation mit anderen Versorgungseinrichtungen patientenorientiert
nutzbar zu machen, scheint bei der gegenwärtig im AIDS-Bereich z e n t r a l i
sierten Versorgungsstruktur (AK AIDS - Niedergelassene Ärzte B e r l i n ,
Schwerpunktkliniken) besonders gegeben.
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5.3 Poliklinik (UKS)
Im Zusammenhang mit steigenden Patientenzahlen im AIDS-Bereich s e i t 1984
bietet das UKS Rat und ärztliche H i l f e aufsuchenden Patienten ein i n t e
griertes Versorgungsangebot im poliklinischen Bereich an. Die Integration
umfaßt die Fachdisziplinen
- Innere Medizin,
- Dermatologie,
- Neurologie,
- Augenheilkunde.
Alle genannten Fachabteilungen verfügen über eine eigene P o l i k l i n i k , so
daß den Patienten eine umfassende medizinische Untersuchung und Behand
lung auf ambulanter Ebene angeboten werden kann, die aufgrund der Kapazi
täten der Universitätsklinik auch sämtliche Laboruntersuchungen umfaßt.
Neben dem oben genannten Spektrum fachspezifischer Untersuchungs- und Be
handlungsmöglichkeiten stehen den Patienten (ebenso seropositiven Men
schen ohne HIV-Symptomatik) eine Reihe von flankierenden Beratungs- und
Betreuungsangeboten zur Verfügung, vertreten durch
- den Sozialdienst des Krankenhauses,
- den seelsorgerischen Dienst des Krankenhauses,
- d i e Psychologische Ambulanz im Krankenhaus,
- die Koordinationsstelle, zuständig für den Bereich der Vermittlung von
Hilfen im Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung und
- die Berliner AIDS-Hilfe.
Der Patientenzugang zur P o l i k l i n i k am UKS i s t gebunden an eine ärztliche
Überweisung von Seiten des behandelnden niedergelassenen Arztes (Einwei
sungspoliklinik). Patienten, die entweder als " N o t f a l l " oder aber auf dem
Wege der ärztlichen Einweisung zunächst stationär am UKS behandelt wer
den, können nach Abschluß der stationären Behandlung weiterhin ambulant
an der P o l i k l i n i k behandelt und versorgt werden.
- 47 -
Auch während der Zeit des stationären Aufenthaltes steht den Patienten
das Beratungsangebot im poliklinischen Bereich zur Verfügung. Zentrale
Anlaufstelle für HIV-Patienten i s t die Sondersprechstunde der Inneren Po
l i k l i n i k (PMED 300, Sondersprechstunde), die an vier Tagen der Woche mit
insgesamt 13 Stunden ausschließlich diesen Patienten offen steht (mon
tags und fre i t a g s 11-14 Uhr, mittwochs 8-12 Uhr und donnerstags 8-11
Uhr).
Zwischen den genannten sozialen Diensten, dem ärztlichen und p f l e g e r i
schen Team der "Sondersprechstunde" bestehen verbindliche Formen der Ko
operation und Koordination von Versorgungsaufgaben: Auf der Basis von
Sonderregelungen zwischen den Mitarbeiterinnen der "Sondersprechstunde"
und dem Sozialen Dienst des Krankenhauses i s t während der Sprechstunden
eine Sozialarbeiterin i n der Regel anwesend bzw. stets abrufbar. Die Ein
beziehung der anderen sozialen Dienste (Koordinationspflegekraft, Kran
kenhausseelsorger, Psychologische Ambulanz) e r f o l g t bei Nachfrage bzw.
entsprechender Bedarfslage.
Die Mitarbeiter der BAH stehen mit vier Stunden wöchentlich an jedem
Dienstag direkt i n der Sondersprechstunde zur Verfügung.
Unter der Zielsetzung gegenseitiger Information und Sicherung e r f o r d e r l i
cher Abstimmungsprozesse findet einmal wöchentlich ein berufsübergreifendes "Meeting" a l l e r an der Versorgung von aidskranken Patienten Be
t e i l i g t e n s t a t t . Neben organisatorischen Aspekten werden patienten- sowie
forschungsbezogene Fragen im Rahmen dieser Besprechungen thematisiert.
5.4 Selbsthilfeorganisationen
Entstehung und Ausbreitung der Krankheit AIDS i s t seit 1983 begleitet von
dem Entstehen zahlreicher I n i t i a t i v e n und Organisationen im Selbsthilfe
bereich.
- 48 -
Eine der ersten öffentlichkeitswirksamen Gründungen erfolgte 1983 mit der
"Deutschen AIDS-Hilfe e.V." i n B e r l i n , aus der 1985 die Gründung der
"Berliner AIDS-Hilfe e.V." hervorging.
Andere, vom Berliner Senat geförderte Selbsthilfegruppen sind
- HYDRA - Verein zur Förderung der beruflichen und kul t u r e l l e n Bildung
von weiblichen P r o s t i t u i e r t e n ,
- Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer,
- Mann-O-Meter,
- AIDS-Forum (Forum der ARC- und AIDS-Patienten).
Neben Aufklärung und Information von Betroffenen sowie n i c h t i n f i z i e r t e n
Personen i s t die psychosoziale Betreuung ein wesentlicher Bestandteil der
Arbeit der Selbsthilfegruppen. Information und Aufklärung beinhaltet
im wesentlichen die sachliche, am aktuellen Wissensstand o r i e n t i e r t e In
formation und Aufklärung, beispielsweise über
- relevante Infektionswege,
- Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Infektion ("Safer Sex", Verhaltens
prävention) und
- Information und Kontakthilfe betreffs regional bestehender Versorgungs
und Hilfsangebote.
Das Beratungsangebot umfaßt
- den (zum Tei1 24-Stunden-)Telefon-Service,
- regelmäßige Gruppentreffen (wöchentlich, monatlich),
- Schulung p o t e n t i e l l e r ehrenamtlicher Mitarbeiter im AIDS-Bereich,
- Einzelgespräche mit Ratsuchenden und/oder Betroffenen,
- spezielle Sprechstunden (z.B. j u r i s t i s c h e , sozial pädagogische Aspekte
von AIDS) u.a.m.
Die Betreuung aidskranker Menschen durch Selbsthilfeorganisationen i s t
mit zunehmenden Patientenzahlen s e i t etwa 1986 zu einer für Betroffene
und - in Ergänzung e t a b l i e r t e r Versorgungseinrichtungen - im Gesundheits-
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bereich zu einem wichtigen Faktor i n der Versorgung angewachsen. Betreu
ung bedeutet i n erster L i n i e , dem einzelnen Erkrankten als Gesprächspart
ner zur Verfügung zu stehen, aber auch im Bedarfsfall bei der Abwicklung
bürokratischer Belange (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger u.a.m.)
b e h i l f l i c h zu sein. Die Betreuung einzelner Patienten wird i n der Regel
von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Selbsthilfeorganisationen übernommen
und kann im Krankenhaus oder nach der Entlassung i n der häuslichen
Umgebung des Betroffenen erfolgen.
In die Untersuchung einbezogen wurden die Berliner AIDS-Hilfe und der
1988 gegründete Verein "AIDS-Forum". Beide Selbsthilfeorganisationen bie
ten Betroffenen die oben genannten Informations-, Beratungs- und Betreu
ungsdienste an, weisen jedoch h i n s i c h t l i c h ihrer Einbindung i n bestehende
Gesundheitseinrichtungen Unterschiede auf. Konzeptionelle und zielbezoge
ne Überlegungen beider Selbsthilfeeinrichtungen werden im folgenden kom
primiert d a r g e s t e l l t .
5.4.1 Berliner AIDS-Hilfe
Die Einbeziehung der Berliner AIDS-Hilfe i n das eta b l i e r t e Behandlungs
und Versorgungsangebot z i e l t entscheidend auf eine Verbesserung der psy
chischen und sozialen Position des Patienten in der Versorgungssituation
ab.
Das Anliegen der BAH beinhaltet - bezogen auf den Versorgungsprozeß - im
wesentlichen folgende Aspekte:
- Ansprechpartner für die von AIDS Betroffenen und deren Freunde/Angehö
rige zu sein,
- im Zusammenhang mit der Krankheitsbewältigung therapeutisch o r i e n t i e r
t e , aber auch allgemeine Lebenshilfen zu l e i s t e n ,
- im Sinne der Interessenwahrnehmung der Patienten Diskriminierungsten
denzen im Versorgungsprozeß entgegenzuwirken (informierende Aspekte i n
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der Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen von Gesundheits- und So
zialeinrichtungen bezüglich der Lebenslage und -Orientierung des Ange
hörigen aus den Hauptbetroffenengruppen, Förderung der Akzeptanz und
Abbau von Ressentiments) und
- Vermittlung ehrenamtlicher Helferinnen zur kontinuierlichen Begleitung
von Patienten im gesamten Krankheits- und Bewältigungsprozeß.
Die Berliner AIDS-Hilfe verfügt zur Zeit über etwa 70 bis 75 ehrenamtli
che Helfer, von denen gegenwärtig etwa 45 mit der Betreuung von "Einzel
fällen" betraut sind (Expertengespräch, April 1989).
Die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern sowie den ambulanten Versor
gungseinrichtungen - insbesondere mit dem AVK und dem UKS - wird von Sei
ten der BAH als durchweg posi t i v bezeichnet.
Kontakte zwischen Patienten und BAH bestehen häufig bereits vor dem Kran
kenhausaufenthalt oder aber sie entstehen durch Vermittlung von Pflege
kräften des Krankenhauses.
5.4.2 AIDS-Forum
Das AIDS-Forum i s t ein Zusammenschluß von ausschließlich ehrenamtlich tä
tigen Betroffenen, Ärzten und Ärztinnen sowie anderen Personen, die sich
berufsmäßig mit der HIV-Problematik befassen. Das AIDS-Forum wurde 1988
gegründet.
Die Beratungs- und Hilfsangebote des Forums entsprechen im wesentlichen
denen der BAH (mit Ausnahme organisatorisch geregelter Einbindung i n die
bestehenden Gesundheitseinrichtungen) und sind vor allem an Personen ge
r i c h t e t , denen aufgrund persönlicher Motive der Zugang zu anderen Bera
tungs- und Hilfseinrichtungen erschwert i s t (z.B. aufgrund des hohen 0r-
ganisations- und öffentlichen Bekanntheitsgrades der BAH, der Öffentlich
ke i t von Seiten des Senats eingerichteter Beratungsstellen).
- 51 -
Ziel des AIDS-Forums i s t dementsprechend, HIV-infizierte und erkrankte
Personen aus dem "Untergrund hervorzulocken" und gezielte H i l f e anzubie
ten. Ein wichtiger Arbeitsaspekt i s t , Berührungsängste Betroffener gegen
über Ämtern und Ärzten abzubauen und überwinden zu helfen, H i l f e bei Ver
handlungen mit Krankenkassen, Behörden, Rentenversicherungsträgern u.a.
zu l e i s t e n .
- 52 -
6. Behändlungsschwerpunkte (Krankenhäuser)
In Berlin sind es vor allem vier Krankenhäuser, die als sogenannte Be
handlungsschwerpunkte die Versorgung von behandlungsbedürftigen Patienten
mit HIV-Symptomatik durchführen:
- das Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK),
- das Universitätsklinikum Steglitz (UKS),
- die Universitätsklinik Rudolf-Virchow, Standort Wedding (RVK), und
- die Universitätsklinik Rudolf-Virchow, Standort Charlottenburg.
Etwa 70 % der stationär aufgenommenen Patienten mit HIV-Symptomatik wer
den auf den verschiedenen Stationen dieser Krankenhäuser versorgt ( v g l .
Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 41).
Für die Jahre 1986/87 zeigen sich betreffs der stationären Versorgung
folgende Entwicklungen:
Tabelle 2: Entwicklung der Patientenzahlen 1986/1987 in den Krankenhäusern
Quelle: Senator für Gesundheit und Soziales 1988, S. 41.
- 53 -
Wie bereits unter 2. angeführt, wurden die I I . Innere Abteilung am AVK,
die I I . Innere Abteilung am RVK und drei Stationen am UKS in die Untersu
chung einbezogen.
Das Erkenntnisinteresse der Vorstudie bestand darin, die "vor Ort" vor
handenen strukturellen Rahmenbedingungen der Versorgung aidskranker Men
schen ansatzweise zu bestimmen.
Die Untersuchung konzentrierte sich dabei schwerpunktmäßig auf den Be
reich der Arbeitsorganisation innerhalb der Pflegebereiche sowie auf
Schnittstellenbereiche zwischen stationären und ausgewählten ambulanten
Bereichen.
6.1 Stationäre Versorgung
Die Pflegeabteilung kann als wichtige Koordinationsstelle bei der Patien
tenversorgung angesehen werden, da
- dort der jeweilige Betreuungs- und Behandlungsbedarf des Patienten
(Krankheitsstatus, Verordnungen usw.) e r m i t t e l t und i n Kooperation von
pflegerischem und ärztlichem Personal Versorgungsstrategien entwickelt
und umgesetzt werden und
- von hier wesentliche Anordnungen h i n s i c h t l i c h der ambulanten Versorgung
organisatorisch ausgelöst und koordiniert werden.
Voraussetzung zur Bewältigung der damit verbundenen Koordinationsaufgaben
i s t
- ein hohes und im ar b e i t s t e i l i g e n Versorgungsablauf für a l l e gesichertes
Informationsniveau (Bedeutung der Verl aufsdokumentation);
- in ausreichendem Maße zur Verfügung stehende Zeitanteile für patienten
nahe Tätigkeiten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt psychosozialer
Betreuungsleistungen, und
- 54 -
- die Möglichkeit einer gezielten - auf die Lösung von Patientenproblemen
gerichteten - Behandlungs- und Betreuungsplanung; im Hinblick auf die
Koordination von stationärer und ambulanter Versorgung, Verfahren der
Entlassungsplanung.
Die allgemein im Stationsalltag vorherrschende Organisation der Patien
tenversorgung weist jedoch gerade gegenüber den genannten Anforderungen
Defizite auf. So mangelt es im Hinblick auf Informationssicherheit und
Versorgungsplanung an Möglichkeiten und Qualifikationen, entsprechende
Organisations- und Dokumentationsleistungen zu erbringen. Noch kann davon
ausgegangen werden, daß der gängige Stationsalltag "Freizeiten" für einen
steigenden Bedarf an zu erbringenden psychosozialen Versorgungsleistungen
bereit halten kann.
Als Indikatoren für eine po t e n t i e l l die Patientenversorgung optimierende
Organisation der Stationsabläufe können angesehen werden:
- das Vorhandensein von Informations- und Dokumentationssystemen, die
aufgrund ihrer Formulargestaltung die Dokumentation i n d i v i d u e l l ausge
prägter Versorgungsanforderungen ermöglichen, und
- die Anpassung der quantitativen wie qualitativen Personalausstattung an
die Erfordernisse des tatsächlichen Versorgungsumfanges.
6.1.1 Strukturelle Rahmenbedingungen
Die auf Strukturebene erhobenen Daten umfassen unter quantitativen Ge
sichtspunkten
- Anzahl bzw. Anteil der ständig zu versorgenden Patienten mit HIV-Symp
tomatik i n den jeweiligen Pflegeabteilungen und
- Anzahl der hierfür zusätzlich eingesetzten personellen Kapazitäten i n
den Pflegebereichen.
Die quantitative Personalausstattung i s t insofern bedeutsam, als daß sie
über den möglichen Umfang der direkten oder indirekten Versorgungslei-
- 55 -
stungen entscheidet. Von i h r i s t es abhängig, wieviel Zeit maximal pro
Patient aufgewendet werden kann.
Unter qualitativen Gesichtspunkten sind A r t , Umfang und organisatorische
Sicherung
- spezifischer Versorgungs- und Betreuungsangebote, die zur Lösung von
Problemen aidskranker Patienten eingerichtet sind,
- vorhandener Planungsinstrumente sowie Planungswissen in der p f l e g e r i
schen Arbeit
von Bedeutung.
6.1.1.1 Patientenstruktur
Hinsichtlich der Anzahl ständig zu versorgender Patienten mit HIV-Sympto
matik weisen die verschiedenen Pflegeabteilungen beträchtliche Unter
schiede auf. So lag der durchschnittliche Anteil von HIV-Patienten 1988
gemessen an der Anzahl der Planbetten auf den zwei Stationen am AVK bei
35,5 % bzw. 50 %, auf den drei am UKS untersuchten Stationen bei 20 %,
1,5 % und 0,5 % pro Tag.
Am RVK, Standort Wedding, geht der leitende Chefarzt Prof. Dr. Pohle von
10.000 Pflegetagen für das Jahr 1989 aus. Bezogen auf die Planbetten der
gesamten I I . Inneren Kl i n i k bedeutet dies eine Belegung von 23,8 % durch
HIV-Patienten.
Im Untersuchungszeitraum wurden schätzungsweise ständig 15 Patienten mit
HIV-Symptomatik auf der Abteilung am RVK medizinisch behandelt und ver
sorgt, dies entspricht einem Anteil von 13 % a l l e r Planbetten (Experten
gespräch). Faßt man die verschiedenen Pflegeabteilungen der einzelnen
Krankenhäuser h i n s i c h t l i c h ihrer Belegungsdichte durch HIV-Patienten zu
sammen, ergibt sich für das Jahr 1988 folgendes B i l d : Gemessen an den j e
weils zur Verfügung stehenden Planbetten waren mit HIV-Patienten belegt:
- 56 -
- das AVK (2 Stationen) durchschnittlich zu 43 % pro Tag (66 Planbetten),
- das UKS (3 Stationen) durchschnittlich zu 4,5 % pro Tag (162 Planbet
t e n ) ,
- das RVK (4 Stationen) durchschnittlich zu 13 % pro Tag (115 Plan
betten).
6.1.1.1.1 Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AKV)
Am AVK findet die Versorgung von Patienten mit HIV-Symptomatik auf zwei
Stationen der I I . Inneren Abteilung (Fachabteilung für Gastroenterologie)
s t a t t .
Mit einer Gesamtbettenzahl von 66 (2 x 33 Planbetten) werden auf diesen
beiden Stationen durchschnittlich 28,4 Patienten/Tag mit HIV-Symptomatik
versorgt. Die Belegungsdichte l i e g t auf der Station B bei durchschnitt
l i c h 11,7 Patienten/Tag, auf der Station C bei 16.7 Patienten/Tag (aids
kranke Patienten). Im Jahre 1988 wurden auf der Station B 182 aidskranke
Patienten (4.265 Pflegetage), auf der Station C 241 aidskranke Patienten
(6.101 Pflegetage) versorgt.
Im Überblick s t e l l t sich die Patientenstruktur wie f o l g t dar:
Tabelle 3: PatientenstrukturIAVK
Station B Station C
HIV-Patienten/Tag
Anzahl der HIV-Patienten/1988
Pflegetage
11,7
182
4.265
16,7
241
6.101
- 57 -
6.1.1.1.2 Universitätsklinikum Steglitz (UKS)
Die stationäre Versorgung aidskranker Patienten am UKS e r f o l g t innerhalb
der normalen Stationen, d.h. die betroffenen Patienten werden j e nach
Symptomausbildung auf den entsprechend fachlich ausgerichteten Stationen
versorgt. Im Schwerpunkt sind dies die Stationen:
- 067, I s o l i e r s t a t i o n ,
- 004, Neurologie,
- 032, Dermatologie.
Mit durchschnittlich 6 aidskranken Patienten pro Tag (1988) bei einer Ge
samtbettenzahl von 30 Planbetten wird der überwiegende Teil stationär
aufgenommener Patienten mit HIV-Symptomatik auf der I s o l i e r s t a t i o n (067)
versorgt.
Auf der neurologischen Fachstation (004) waren es im Jahre 1988 insgesamt
8 aidskranke Patienten (84 Pflegetage).
Die dermatologische Fachstation (032) versorgte 1988 insgesamt 23 Patien
ten mit HIV-Symptomatik (449 Behandlungstage) bei durchschnittlicher Be
legung von 1,2 Betten durch aidskranke Patienten pro Tag.
Im Überblick s t e l l t sich die Patientenstruktur wie f o l g t dar:
Tabelle 4 : Patientenstruktur UKS
067 (30 Planbetten)
004 (66 Planbetten)
032 (66 Planbetten)
HIV-Patienten/Tag 6 0,2 1,2
Anzahl der HIV-Patienten 1988 8 23
Pflegetage 84 449
- 58 -
6.1.1.1.3 Universitätsklinikum Rudolf-Virchow, Standort Wedding (RVK)
Am RVK werden Patienten mit HIV-Symptomatik auf vier Stationen der I I .
Inneren Kl i n i k (Fachabteilung für Infektionskrankheiten) behandelt. Bei
einer Bettenkapazität von insgesamt 115 Planbetten (Reimer 1988) stehen
drei Stationen jeweils 20, einer Station 44 Planbetten zur Verfügung.
Anhaltszahlen über Belegungsdichte und Verteilung der Patienten auf den
verschiedenen Stationen im Jahre 1988 waren im Rahmen der Vorstudie nicht
zu erheben. Am RVK und auf der Station B an der I I . Inneren Abteilung des
AVK wurden nach Angaben der befragten Pflegekräfte auch drogenabhängige
Patienten mit HIV-Symptomatik behandelt und pflegerisch versorgt.
D e t a i l l i e r t e Zahlen bezüglich der Patientenverteilung nach Zugehörigkeit
zu Hauptbetroffenengruppen liegen für das RVK bezogen auf den Zeitraum
vom 1.6. bis 30.11.1987 vor:
Tabelle 5: Patientenunterteilung nach Hauptbetroffenengruppen, RVK 1.6.-30.11.1987
n %
Männer
- homosexuell 45 61,6 - Fixer 12 16,4 - bisexuell 1 1,4 - Sexual partner einer Frau aus einer Risikogruppe 1 1,4 - Transfusionsempfänger 1 1,4 - keine erkennbare Risikogruppe 1 1,4
Frauen
- Fixerinnen 11 15,0 - Sexualpartnerin eines Mannes aus Risikogruppe 1 1,4
73 100,0
Quelle: Reimer 1988, i n : AIF0 4/88, S. 202.
- 59 -
6.1.1.2 Personal struktur
In den Jahren 1987/88 wurde dem Mehraufwand an zu erbringenden Versor
gungsleistungen bei HIV-Patienten durch Anpassung der jeweiligen Pflege
sätze Rechnung getragen.
Grundlage dieser personellen Anpassung sind zwischen der Arbeitsgemein
schaft der Krankenkassenverbände im Land Berlin und der Berliner Kranken
hausgesellschaft getroffene Rahmenvereinbarungen über Budgets und Pflege
sätze der Berliner Krankenhäuser 1988. Insgesamt wurden im Jahre 1988 zu
sätzlich 8 Millionen DM zur Verfügung g e s t e l l t , die den Krankenhäusern
über die Pflegesätze zufließen. Davon entfallen 3 Millionen DM auf das
AVK, 2,5 Millionen DM auf das UKS und 2,4 Millionen DM auf das RVK,
Standort Charlottenburg und Standort Wedding ( v g l . Senator für Gesundheit
und Soziales 1988, S. 41).
Unter der Voraussetzung, daß bis zu 12 Patienten mit HIV-Symptomatik pro
Jahr und Station mit dem Personal der Regelfinanzierung versorgt werden
können, wurden die Behandlungsschwerpunkte bzw. die Stationen personell
um insgesamt 29,5 Planstellen e r w e i t e r t , von denen 4 Planstellen am RVK
zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht besetzt waren ( v g l . BT-AIDS-Enquete
Protokoll Nr. 81, 1989; Senator für Gesundheit und Soziales 1988, Exper
tengespräch). ̂ ̂
In der Tabelle 6 sind Personal- und Patientenstrukturdaten nach Kranken
häusern und Stationen im Überblick d a r g e s t e l l t . Die Angaben zum RVK beru
hen auf Schätzungen der Gesprächsteilnehmer während der Informationsge
spräche und beziehen sich auf die gesamte I I . Innere K l i n i k des RVK.
Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die drei untersuchten Krankenhäuser. Angaben zur Personalausstattung am RVK, Standort Charlottenburg, sind darin nicht enthalten.
- 61 -
Maßnahmen zur Sicherung des Versorgungsauftrages
Im Rahmen der Modellmaßnahmen zur besseren Versorgung von AIDS-Pa-tienten wurde i n den drei untersuchten Krankenhäusern jeweils eine Pfle
gekraft zur Koordination der Hilfen zwischen den verschiedenen Versor
gungsbereichen (stationär/ambulant) und betreuenden professionellen wie
ehrenamtlichen Hilfen eingesetzt ( v g l . Senator für Gesundheit und Sozia
l e s , 1988).
In ihrer Wirkung auf die Patientenversorgung stellen sie eine indirekte
Erweiterung der personellen Kapazität im Pflegebereich dar (Kontaktauf
nahme mit dem Patienten im Rahmen der stationären Versorgung, Patienten
beratung und -begleitung im Übergang von der stationären zur ambulanten
Versorgung, v g l . Abschnitt 6.3.).
6.1.1.3 Qualitative Versorgungsaspekte
6.1.1.3.1 "Neue" Betreuungs- und Versorgungsangebote
Die Voraussetzungen zur medizinischen Behandlung von AIDS sind in den
drei untersuchten Krankenhäusern gleichermaßen vorhanden. Es handelt sich
um Krankenhäuser der Maximal Versorgung mit allen medizinischen Fachdiszi-12
plinen und den erforderlichen bakteriologischen Laboratorien. Gleiches
g i l t im engeren Sinne auch für die pflegerische Versorgung, nämlich für
die instrumentellen Seiten der Grund- und Behandlungspflege.
Die Hauptlast der Versorgung von aidskranken Patienten wird von Ärzten,
Pflegekräften und Mitarbeitern der BAH vor allem darin gesehen, dem hohen
Maß an psychischen und sozialen Belastungen auf Seiten der Betroffenen
adäquate Versorgungsleistungen gegenüberstellen zu können.
_ Die Durchführung von Therapiestudien kann in bezug auf AIDS auch i n ihrer Experimentierphase als ein Indikator für den jeweiligen Behandlungsstandard verwendet werden. Im Rahmen der hier durchgeführten Vorstudie waren Erhebungen zu Umfang und Intensität sowie zu Aspekten der Koordination zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten bei der Durchführung von Therapiestudien, ebenso Fragen der interaktionellen Verfahrensweisen zwischen forschenden Ärzten und Patienten aus Zeitgründen nicht durchzuführen.
- 62 -
Versorgungsangebote, die ergänzend und/oder a l t e r n a t i v zur Regel Versor
gung (Diagnose, Therapie, pflegerische Versorgung und Hotel Versorgung)
eingerichtet wurden, werden auf Strukturebene - im Sinne vorgehaltener
Leistungsbereitschaft i n Form sachlicher und personeller Ressourcen - auf
qu a l i t a t i v e r Ebene auf ihre Integration in den Ablauf des Versorgungspro
zesses betrachtet. Dabei handelt es sich wesentlich um die organisierte
Einbeziehung nicht-ärztlichen Personals (Psychologen) und die Zusammenar
beit mit der BAH i n den stationären Bereichen.
6.1.1.3.1.1 AVK
Ergänzend zur Regel Versorgung wurden an der I I . Inneren Abteilung am AVK
eine Planstelle für einen Psychologen (40 Wochenstunden) und ein Büro für
die BAH eingerichtet. Damit hat sich das Versorgungsangebot um professio
nelle psychologische H i l f e und um das als Lebenshilfe zu verstehende Be-
ratungs- und Hilfsangebot der BAH erweitert.
Vorgesehen i s t , daß das Büro der BAH dreimal wöchentlich für jeweils 4
Stunden personell durch eine Mitarbeiterin der BAH besetzt i s t . Der Erst
kontakt zwischen Patient und BAH e r f o l g t ausschließlich auf ausdrückli
chen Wunsch des Patienten h i n , das heißt, die Mitarbeiterinnen der BAH
nehmen von sich aus keinen Kontakt zu den Patienten auf. Bei dem hohen
Bekanntheitsgrad der BAH und auch des am AVK praktizierten Versorgungsmo-
dells i n Betroffenenkreisen bedarf es keiner besonderen Informationsrege
lungen auf den Stationen.
Die Unterstützung des für beide Stationen zuständigen Psychologen wird
nach Angaben des Pflegepersonals häufig i n Anspruch genommen und reicht
o f t über den Krankenhausaufenthalt hinaus (Angaben vom Psychologen
s e l b s t ) . Dabei steht nicht jederzeit und i n jedem " F a l l " der Bedarf nach
intensiver Psychotherapie im Sinne klassischer Therapieansätze im Vorder
grund, sondern der Wunsch des jeweiligen Patienten nach konkreter sozia
l e r H i l f e , demgegenüber eine begleitende psyhotherapeutische Unterstüt
zung erforderlich i s t .
- 63 -
Erweitert wurde das therapeutische Team darüber hinaus um einen für beide
Stationen zuständigen Krankengymnasten (1 Pl a n s t e l l e ) .
Ein für a l l e an der Versorgung der Patienten Beteiligten organisatorisch
gesicherter Informationsaustausch, wie beispielsweise Stationskonferenzen
oder Teamsitzungen, wird zwar von allen Befragten als dringend notwendig
erachtet, läßt sich jedoch aufgrund hierfür nicht einplanbarer Zeiten im
Stationsalltag nicht durchführen.
Patientenbezogene Kommunikationen zwischen den verschiedenen Professionen
sind damit entweder primär anlaßgebunden (d.h. sie setzen ein bereits
eingetretenes Ereignis beim Patienten voraus, auf das reagiert werden
muß) oder aber sind gebunden an die berufliche und personale Nähe zwi
schen den Versorgenden. Dafür sp r i c h t , daß i n den Befragungen eine weit
aus engere Zusammenarbeit zwischen den Pflegekräften und dem Krankengym
nasten erkennbar wird, als zwischen dem Pflegepersonal auf der einen, dem
Psychologen und den ärztlichen Mitarbeitern auf der anderen Seite, wenn
es um Absprachen i n der alltäglichen Versorgung geht.
Formal verfügt das AVK über eine, wie bereits dargelegt, Koordinations
s t e l l e , die im Untersuchungszeitraum l e d i g l i c h für wenige Wochen perso
nell besetzt war.
6.1.1.3.1.2 UKS
Am UKS i s t die BAH örtlich der Medizinischen P o l i k l i n i k (PMED 300, Son
dersprechstunde) zugeordnet und einmal wöchentlich dort direkt erreich
bar. Der Kontakt zwischen Patienten i n den stationären Bereichen und der
BAH s t e l l t sich, sofern die Patienten zuvor keinen Kontakt zur BAH hat
ten, durch Vermittlung der Pflegekräfte oder Koordinationspflegekraft
her. Allerdings haben die Befragungen im stationären pflegerischen Be
reich auch ergeben, daß das Pflegepersonal nicht durchgängig über die An
wesenheitszeiten und Verfügbarkeit eines Mitarbeiters der BAH am UKS i n
formiert sind.
- 64 -
Informationsdefizite auf Seiten des Pflegepersonals h i n s i c h t l i c h der An
gebote der BAH sind einerseits bedingt durch die räumliche Distanz zwi
schen stationären und poliklinischen Bereichen der Versorgung aidskranker
Patienten auf verschiedenen Stationen und Abteilungen bei zum Teil gerin
gen Patientenzahlen. Auf der anderen Seite gehören Kontakte zwischen dem
Pflegepersonal i n den stationären Bereichen und Mitarbeitern der BAH
nicht zum Stationsalltag. Die hier vom Pflegepersonal wahrzunehmende Ver
m i t t l e r r o l l e i s t diesen weniger präsent als beispielsweise i n Bereichen,
in denen die BAH i n die Arbeitsabläufe eingebunden i s t .
Versorgungswirksam kommt am UKS die durch eine Krankenschwester besetzte
Koordinationsstelle zur Geltung (nähere Angaben zur Funktion der Koordi
nationsstelle v g l . Abschnitt 6.3.1 bis 6.3.3). Im Bereich der stationären
Versorgung übernimmt die Koordinationsschwester für den Patienten w i c h t i
ge Informations- und Kontakthilfen.
Zwischen Koordinationsschwester, BAH und dem Krankenhausseelsorger be
standen zum Untersuchungszeitpunkt informell geregelte Zusammenarbeits
formen bei der patientenbezogenen Kommunikationen und die gemeinsamen Be
sprechungen zur Optimierung der Versorgung von aidskranken Patienten.
Eine intensive Beratung der Patienten sowie ihrer Freunde und Angehörigen
kann entsprechend den Wünschen der Patienten von einem dieser Dienste er
folgen.
6.1.1.3.1.3 RVK
Über die Regel Versorgung hinausgehende und speziell für den AIDS-Bereich
zuständige Versorgungsangebote bestehen mit Ausnahme der durch einen
Krankenpfleger besetzten Koordinationsstelle am RVK ni c h t . Die Arbeits
weise des Koordinationspflegers entspricht der der Koordinationspflege am
UKS (Kontaktaufnahme mit dem Patienten im Rahmen der stationären Versor
gung, Patientenberatung und -begleitung im Übergang von der stationären
zur ambulanten Versorgung). Außerdem nimmt der krankenhausübliche Sozial
dienst seine Aufgaben im Zusammenhang mit der Versorgung von aidskranken
Patienten i n t e n s i v i e r t wahr ( v g l . Abschnitt 6.3.3.1.3).
- 65 -
In der Übersicht sind die über die Regel Versorgung (ärztliche und pflege
rische Versorgung) hinausgehenden Versorgungsangebote der drei Kranken
häuser zusammengefaßt. Dabei werden krankenhausübliche Versorgungsangebo
te (hausinterne Ressourcen) und sogenannte "neue" Versorgungsangebote un
terschieden:
Abbildung 4 : Versorgungsangebote der Krankenhäuser
Krankenhaus 13
hausinterne Ressourcen "neue" Versorgungsangebote
AVK Sozialdienst BAH Psychologe Krankengymnast (Koordi nati onspf1ege)
UKS Sozialdienst BAH Krankenhausseelsorger Koordi nati onspf1ege
RVK Sozialdienst Koordi nati onspf1ege
6.1.1.3.2 Zusammenfassung
Dem Ziel ganzheitlicher Versorgung und Betreuung wird i n den verschiede
nen Krankenhäusern, wie die Übersicht z e i g t , mit unterschiedlichen Graden
der Integration verschiedener Fachkompetenzen begegnet. Die Unterschiede
betreffen sowohl die Angebotsbreite als auch die organisatorische Inte
gration der Versorgungsangebote i n den stationären Versorgungsablauf.
Hinsichtlich letzterem muß berücksichtigt werden, daß dahingehende Koope
rationsprozesse nicht als abgeschlossen bezeichnet werden können.
Fragen der Effektivität der verschiedenen Modelle wird unter Berücksich
tigung folgender Gesichtspunkte nachzugehen sein:
Angeführt sind l e d i g l i c h jene Versorgungsangebote, die im Zusammenhang mit AIDS i n den Krankenhäusern besonders a k t i v i e r t wurden. Nicht ausgeschlossen i s t , daß auch am AVK und RVK der seelsorgerische Dienst des Krankenhauses i n Anspruch genommen wird.
- 66 -
- Problem- und Nachfragestruktur in den verschiedenen Krankenhäusern un
ter Berücksichtigung der jeweiligen Patientenstruktur (Sozialstruktur,
Patientenzahl),
- Entscheidungsprozesse für oder gegen eine Beanspruchung vorhandener
Versorgungsangebote (Anlaß, Entscheidungskompetenz),
- Flexibilität vorhandener Hilfen auf aktuelle, nicht planbare Akutsitua
tionen und
- Versorgungslücken, soweit sich diese aus der Problem- und Bedarfslage
von Betroffenen erschließen lassen.
Darüber hinaus i s t für eine ganzheitlich ausgerichtete Versorgung von Be
deutung, daß alle Mitarbeiterinnen der Pflegeabteilungen fachliche und
psychosoziale Kompetenz für eine ganzheitliche Versorgung besitzen bzw.
erwerben. Voraussetzung hierfür i s t nicht nur eine gute Ausbildung im
Vorfeld der beruflichen Tätigkeit, sondern auch die Integration f o r t l a u
fender Qualifikation im Arbeitsprozeß und - bei Bestehen eines i n t e r d i s
ziplinären therapeutischen Teams - die I n i t i i e r u n g und Wahrnehmung didak
tischer Möglichkeiten praxisbezogener Fortbildung i n fachlich-somatischer
und psychosozialer Kompetenz.
6.1.1.4 Pflegerische Versorgung (Information und Dokumentation)
Innerhalb der Expertendiskussion (Angehörige von Gesundheits- und Sozial
berufen, Wissenschaftler) herrscht Konsens darüber, daß bei chronisch
verlaufenden Erkrankungen eine möglichst genaue Ermittlung und Prognose
physischer, psychischer und sozialer Ressourcen der Patienten zum Aus
gangspunkt des Versorgungshandelns genommen werden muß.
Angesprochen sind damit Aspekte der Rehabilitation bzw. der Möglichkei
ten, die der Bewahrung oder Wiederherstellung größtmöglicher Selbständig
ke i t und Unabhängigkeit des Patienten dienen.
Unabhängig von dem Ausmaß offensichtlicher Krankheitsbefunde i s t bei der
Versorgung von aidskranken Patienten eine ganzheitliche Problemsicht ge
f o r d e r t , die danach f r a g t , welche - von Seiten des Versorgungssystems zu
- 67 -
lösenden - Probleme sich für den Patienten über medizinisch d e f i n i e r t e
Krankheitsmanifestationen hinaus ergeben.
Eine auf maximale Problemorientierung angelegte Versorgung setzt insbe
sondere auf pflegerischer Ebene neben qualitativen Personalausstattungs-
aspekten wie Planungswissen, Kooperationsfä'higkeit mit anderen Berufs
gruppen und den Patienten geeignete Planungsinstrumente (pflegerisch
o r i e n t i e r t e Informations- und Dokumentationssysteme) voraus ( v g l . Fran-
cois-Kettner/Kern 1988, Engelke/Sommerfeld 1987, Exchaqet/Pi11ard 1986,
Juchli 1985, 1987).
Ein anforderungsgerechtes Informations- und Dokumentationssystem kann un
ter arbeitsorganisatorischen Gesichtspunkten dazu beitragen, den Versor
gungsprozeß besser zu planen und Informationsdefizite im schicht- und
personenübergreifenden Versorgungsablauf zu minimieren.
Ein guter Überblick über die Gesamtheit der anfallenden ärztlichen wie
pflegerischen Arbeiten sowohl beim einzelnen Patienten als auch bezogen
auf die Gesamtheit der Patienten erhöht die Möglichkeiten gezielter In
tervention und verringert "ad hoc-Planungen", die zu Defiziten i n der Ko
operation zwischen den Mitarbeiterinnen führen können.
Im Hinblick auf die Konzeption zum Pflegeprozeßmodell ermöglicht die Nut
zung entsprechender Formblätter eine systematische Analyse der Erfolge
bzw. Mißerfolge pflegerischer Maßnahmen, Pflegeverläufe können auf der
Basis ihrer Dokumentation überprüft, k o r r i g i e r t und nachvollzogen werden.
Eine Analyse vorliegender Dokumentationen kann ferner substanziierte An
gaben über Versorgungs- und Betreuungsbedarf aidskranker Patienten er
bringen und ganzheitliche Aspekte er f o l g t e r Versorgung sichtbar werden
lassen.
- 68 -
6.1.1.4.1 AVK
Die am AVK für die Versorgung von aidskranken Patienten zuständigen Sta
tionen verfügen über ein integriertes Informations- und Dokumentationssy
stem (Dokumentationsgrundlage für ärztliche und pflegerische Patientenin
formationen), das aufgrund seiner Formblätter die Voraussetzung zur pa
tientenorientierten Pflege im a r b e i t s t e i l i g e n Stationsablauf b i e t e t .
Die Station B wurde als l e t z t e im März dieses Jahres auf dieses neue In
formations- und Dokumentationssystem umgestellt.
Eine Schulung der Pflegekräfte auf die damit möglich gewordene Pflege
anamnese und Pflegeplanung i s t geplant.
6.1.1.4.2 UKS
Am UKS verfügen alle Pflegeabteilungen s e i t 1987 über ein einheitliches
integriertes Informations- und Dokumentationssystem. Die Pflegekräfte
sind aufgrund von Schulungsmaßnahmen mit der Durchführung der Pflegeanam
nese und -planung ver t r a u t . Auf den untersuchten Stationen wird bei j e
dem Patienten eine Pflegeanamnese durchgeführt, bei Patienten mit hohem
Pflegeaufwand Pflegeplanung.
Behandlungs- und pflegebezogene Informationen über den einzelnen Patien
ten sind so aufgrund der für a l l e an der Versorgung Beteiligten zugängli
chen Dokumentation gesichert (zur Bedeutung von Pflegeplanung und -doku-
mentation v g l . Ackermann 1986, Fi echter/Meier 1981, Juckel 1985, Peil/Un
kelbach 1985, Schomburg 1984).
6.1.1.4.3 RVK
Am RVK finden die sogenannten "klassischen" Krankenunterlagen, bestehend
aus einer Krankenakte und davon getrennt der Fieberkurve sowie diversen
Zwischeninformationsträgern (Temperaturenbuch, Kladden, Z e t t e l n ) , Anwen
dung.
- 69 -
Eine patientenorientierte Versorgung, insbesondere auf patienteneigene
Ressourcen abzielende Versorgung, steht hier - bezüglich der Vorausset
zungen zur Dokumentation entsprechender Informationsgrundlagen - vor der
Schwierigkeit, Informationssicherheit für a l l e am Versorgungsprozeß be
t e i l i g t e n Berufsgruppen herzustellen. (Eine ausführliche Darstellung der
Nachteile "klassischer" Krankendokumentation und der Bedeutung ihrer Neu
gestaltung findet sich bei Ohm, i n : Engelke/Büchner u.a. 1987, S. 55 f f . )
6.1.1.5 Zusammenfassung
Die i n den untersuchten Krankenhäusern unterschiedlichen Voraussetzungen
zur Informations- und Dokumentationsgestaltung werden h i n s i c h t l i c h der
Fragestellungen zur Beurteilung der Effektivität der Versorgung Berück
sichtigung finden müssen.
Die Unterschiede betreffen:
- Ausgestaltung und Handhabung der Dokumentationssysteme: Das UKS verwendet ein Dokumentationssystem der Firma Optiplan mit kran-
kenhaus- und zum Teil stationsspezifischen Modifikationen der Formblät
tergestaltung und kann in bezug auf die Handhabung des Systems auf zwei
Jahre Vorsprung gegenüber dem AVK zurückblicken;
das AVK verwendet das Dokumentationssystem der Firma Hinz;
das RVK verwendet die sogenannten "klassischen" Dokumentationssysteme;
- die Pflegeorganisation: Ausschließlich am UKS wird nach dem Gruppenpflegesystem gearbeitet,
d.h. eine bestimmte Anzahl von Pflegekräften i s t für bestimmte Patien
ten (-zimmer) zuständig;
am AVK und RVK dominiert die Funktionspflege;
- die Qualifikation zur Durchführung von Pflegeplanung: Ausschließlich am UKS sind die Pflegekräfte aufgrund von entsprechenden
Schulungen und durch Einsatz einer Innovationsschwester im Hause mit
der Pflegeplanung ve r t r a u t .
- 70 -
6.2 Stationäre Versorgung und situative Verbesserungsmöglichkeiten
für die Patienten
Abmilderung und Umkehr psychomentaler Abbauprozesse sowie psychische An
passung an verbleibende Einschränkungen infolge HIV-bedingter Krankheits
folgen auf der einen Seite und Erhalt befriedigender Sozialbeziehungen
(gegebenenfalls Wiederherstellung oder Stiftung neuer) auf der anderen
Seite können als allgemeine L e i t l i n i e psychosozialer Versorgung angesehen
werden.
Unter diesen Gesichtspunkten e r f o l g t innerhalb dieses Abschnitts eine Be
trachtung
- der Besuchszeiten,
- des Rooming-in und
- anderen Verfahren zur Wahrung der persönlichen Integrität.
6.2.1 AVK
Auf beiden Stationen wurden zur Verbesserung der Versorgungssituation der
Patienten z e i t l i c h eingeschränkte Besuchszeiten aufgehoben.
Auf Wunsch des Patienten, also nicht nur i n Krisenzeiten, wird die stän
dige Anwesenheit dem Patienten vertrauter Personen aus dem sozialen Um
f e l d grundsätzlich ermöglicht (Rooming-in).
Eine Verbesserung der Kontakte zwischen den Patienten auf der Station
wird dadurch angestrebt, daß es den Patienten gestattet i s t , sich gegen
s e i t i g i n den Krankenzimmern zu besuchen.
Außerdem verfügen beide Stationen über einen für Patienten Tag und Nacht
zugänglichen Aufenthaltsraum, der nicht nur für die Patienten untereinan
der, sondern auch für Patienten und Personal als Ort der Kommunikation
angesehen werden kann. I n i t i i e r t sind damit ebenfalls Verbesserungen der
Kontakte zwischen Patienten und Krankenhauspersonal.
- 71 -
Dem Respekt und der Wahrung der Privat- und Intimsphäre des einzelnen Pa
tienten gelten folgende Regelungen:
- den Patienten wird das Recht zugestanden, in "ihren" Zimmern nicht ge
stört zu werden (Türschild "Nicht stören"), sofern der gesundheitliche
Zustand dies zuläßt,
- die Mitarbeiterinnen der Stationen sind angewiesen, vor Betreten der
Patientenzimmer anzuklopfen.
Als situationsverbessernd kann l e t z t l i c h auch die auf beiden Stationen
großzügig gehandhabte Genehmigung von Patiententelefonen angesehen wer
den. Aus Sach- und Geldspenden wurden zudem Fernsehgeräte für die Patien
tenzimmer angeschafft und stehen den Patienten jederzeit zur Verfügung.
6.2.2 UKS
Grundsätzlich werden auf den drei am UKS untersuchten Stationen die Be
suchszeiten f l e x i b e l gehalten und bei Bedarf Rooming-in ermöglicht.
Entscheidungskriterium für eine 24-Stunden-Anwesenheit von "außenstehen
den" Begleitpersonen des Patienten i s t auf der dermatologischen Abteilung
(032) der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des jeweiligen Patienten.
Das heißt, Rooming-in i s t nur bei Vorliegen gesundheitlicher Krisen (auf
fällige Verschlechterung des Allgemeinzustandes, hoher Pflegeaufwand)
möglich.
Auf der Inneren Abteilung ( I s o l i e r s t a t i o n , 067) findet Rooming-in auf
Wunsch des Patienten s t a t t , also unabhängig vom aktuellen gesundheitli
chen Status des Patienten.
Aufgrund der kurzen Liegezeiten und geringen Anzahl von aidskranken Pa
tienten auf der neurologischen Fachabteilung (004) hat sich die Frage
nach Entscheidungskriterien für Rooming-in auf dieser Station bislang
nicht g e s t e l l t .
- 72 -
Andere, auf si t u a t i v e Verbesserungen abzielende Maßnahmen waren auf den
untersuchten Stationen am UKS nicht erkennbar.
6.2.3 RVK
Grundsätzlich gelten auf der I I . Inneren K l i n i k am RVK die krankenhausüb
lichen Besuchszeiten. Bei Vorliegen gesundheitlicher oder psychischer
Krisen i s t jedoch auch außerhalb der Besuchszeiten die Anwesenheit von
Freunden oder Verwandten zugelassen, die im Ei n z e l f a l l Rooming-in nicht
ausschließt.
Handlungsleitende Entscheidungskriterien für die Genehmigung zum Rooming-
in waren auf der pflegerischen Leitungsebene nicht d e t a i l l i e r t bekannt.
6.3 Schnittstellenbereich zwischen stationärer und ambulanter Versor
gung
Wie unter 6.1.1.2 dargelegt, wurden im Januar 1988 an den untersuchten
Krankenhäusern zentrale Informations- und Koordinationsstellen geschaf
fen. Anstellungsträger für die seit dem vierten Quartal 1988 im p r a k t i
schen Einsatz befindlichen Koordinationspflegekräfte i s t der Deutsche Be
rufsverband für Krankenpflege (DBfK), Regional verband B e r l i n , Mitglied im
Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPW).
Insgesamt wurden i n Berlin drei Pflegekräfte (eine Krankenschwester, zwei
Krankenpfleger) mit jeweils 40 Wochenstunden e i n g e s t e l l t . Mit einer Lauf
ze i t von insgesamt vier Jahren endet der Modellversuch Ende 1991 ( v g l .
ISG 1988).
- 73 -
6.3.1 Aufgaben der Koordinationspflegekräfte
Das Aufgabenfeld der Koordinationskräfte umfaßt unter direkt patientenbe
zogenen Aspekten wesentlich Arbeiten, die der Sicherung umfassender Ver
sorgung von aidskranken Patienten dienen, wenn diese bei Krankenhausent
lassung weiterhin der pflegerischen Versorgung bedürfen.
Personell wie fachlich bedeutet die Einrichtung von Koordinationsstellen
eine Ergänzung der i n den Krankenhäusern eingerichteten Sozialdienste,
die bislang ausschließlich für die Organisation der häuslichen Pflege zu
ständig waren.
Dabei i s t die Koordinationsstelle ausdrücklich als eigenständiger Bereich
neben dem Sozialdienst zu verstehen, wobei ein erheblicher Kooperations
bedarf zwischen Sozial dienst und Koordinationsstelle besteht. Das heißt,
daß die Stellung der/des Koordinationsschwester/-pflégers entsprechend
den Aufgabenzielen ( v g l . Anlage 3) und den damit verbundenen Arbeitskom
plexen (so wie diese sich in der Praxis als sinnvoll herausstellen) im
Verlauf des Modellversuchs d e f i n i e r t werden muß.
Bei der Pflegeübernahme von aidskranken Patienten durch ambulante Versor
gungseinrichtungen bedarf es einer d e t a i l l i e r t e n Pflegeüberleitung (Anga
be und Dokumentation von Pflegedaten, umfassende soziale Anamnese, Siche
rung der hausärztlichen Betreuung vor Krankenhausentlassung). Die zusätz
l i c h im AIDS-Bereich eingesetzten Krankenschwestern und -pfleger (Koordi
nationskräfte sowie AIDS-Team der Sozialstationen) haben in diesem Zusam
menhang umfangreiche organisatorische Aufgaben zu übernehmen, wie bei
spielsweise
- Kontakte zu Hausärzten,
- medizinisch-pflegerische Organisation (z.B. Entsorgung von i n f i z i e r t e m
Material ) ,
- Organisation des alltäglichen Lebens,
- Kontakte zu Selbsthilfegruppen,
- Aktivierung und Einbeziehung privater oder organisierter Selbsthilfe
ressourcen,
- Aufrechterhaltung der Kontakte zum Krankenhaus u.a.m.
- 74 -
In Anbetracht der erst kurzen Laufzeit des Modellversuchs war es den be
fragten Koordinationskräften jedoch noch nicht möglich, generalisierende
Aussagen über den tatsächlichen Umfang ihrer Arbeit und der Arbeitsabläu
fe zu machen.
6.3.2 Inha l t l i c h e Anforderungen an die Überleitung von stationärer zu
ambulanter Versorgung
Die Koordinationskräfte beschreiben die Anforderungen an eine e r f o l g r e i
che Überleitung des Patienten von der stationären zur ambulanten Versor
gung folgendermaßen: Aus der Sicht des Patienten s p i e l t das Gefühl wie
die Erfahrung von Sicherheit im Versorgungsablauf und die Informiertheit
über zur Verfügung stehende i n s t i t u t i o n e l l e und selbsthilfebezogene H i l
fen eine entscheidende Rolle.
Merkmale umfassender Versorgung aus Patientensicht sind ferner:
- Unterstützung bei Entscheidung für Hilfsangebote,
- H i l f e bei der Kontaktherstellung zu Versorgungs- und anderen H i l f s e i n
richtungen,
- die Gewißheit, daß "neue" Betreuende grundlegend über die Befindlich
keit des Patienten informiert sind (z.B. Krankheitsstatus, psychische
und soziale Situation) und
- Vorhandensein eines/r Ansprechpartner(s)In beim Wechsel von der s t a t i o
nären zur ambulanten Versorgung.
Die Kooperationspflegekraft übernimmt hier wesentliche Aufgaben der psy
chosozialen Versorgung, da es von i h r abhängt, ob eine weitere und siche
re Versorgung des Patienten nach der Krankenhausentlassung gewährleistet
i s t . Sie i s t also nicht nur mit der Vermittlung zwischen den verschiede
nen Einrichtungen und Mitarbeitern betraut, sondern auch Ansprechpartne
r i n für die vielfältigen Ängste und Sorgen der Patienten bezüglich deren
nahen Zukunft.
- 75 -
Auf Seiten der behandelnden und betreuenden Einrichtungen setzt dies vor
aus:
- optimale Informiertheit der Pflegekräfte und Sozialarbeiterinnen Uber
den im Ei n z e l f a l l vorliegenden Versorgungs- und Betreuungsbedarf,
- Vorhandensein von Rückkoppelungsmöglichkeiten zwischen ambulanten und
stationären Bereichen zur Abklärung von Informationslücken und
- gleicher (optimaler) Wissensstand über die Krankheit AIDS und den damit
verbundenen pflegerischen und auf die soziale Situation des Patienten
bezogenen Aufgaben bzw. Arbeiten.
6.3.3 Kooperationspartner
Abbildung 5 zeigt die von den Koordinationskräften im Zeitverlauf zu l e i
stenden Arbeitsschritte unter Einbeziehung a l l e r zur Verfügung stehenden
Gesundheits- und sozialen Einrichtungen sowie zentral b e t e i l i g t e n Per
sonen.
6.3.3.1 Organisatorische Anforderungen
Eine erfolgreiche Koordination des Übergangs von der stationären zur am
bulanten Versorgung kann nur dann erfolgen, wenn geklärt i s t ,
- ob eine Versorgung in der häuslichen Umgebung des Patienten möglich i s t
oder
- ob der entlassungsfähige Patient i n einem anderen als seinem Haushalt
versorgt werden kann/wird und
- welche Sozial Station bzw. private Hauspflege und welcher niedergelasse
ne Arzt die Versorgung übernehmen kann/wird.
- 76 -
Abbildung 5: KooperationspartnerIKoordinationspflege
b e t e i l i g t e Personen
Einholen von Patienteninformationen
- Patient - Pflege - Arzt - Bezugsperson - ggf. Seelsorger/Psychologe
Einholen von Patienteninformationen
- Patient - Pflege - Arzt - Bezugsperson - ggf. Seelsorger/Psychologe
Absprachen mit - Sozi a l a r b e i t e r n
Sozial dienst - Soz i a l a r b e i t e r n
K 0 0 R D
Kontaktaufnahme zuständige Sozial Station
- Einsatzleitung
K 0 0 R D
ggf. Kontaktaufnahme mit anderer Sozial-station/Hauspflege
- Einsatzleitung
LI I N A T 1 I 0 N S
1 I 0 N S Kontakt mit nieder - Arzt
1 I 0 N S
gelassenem Arzt - Sprechstundenhilfe K R A F T
K R A F T
Planung - Stationsarzt
K R A F T
des Entlassungstermins
- Pflege - Sozial dienst - ggf. Seelsorger/Psychologe
des Entlassungstermins
- Pflege - Sozial dienst - ggf. Seelsorger/Psychologe
Kontakt mit anderen - Freunde Hilfspersonen (Freunde) - Angehörige
Kontakt mit - Organisator der BAH BAH - Helfer
Pers. Kontaktherstellung zwischen Patient und Betreuenden
- Pflegekraft der Sozial-station/Hauspflege
- ggf. Helfer
Pers. Kontaktherstellung zwischen Patient und Betreuenden
- Pflegekraft der Sozial-station/Hauspflege
- ggf. Helfer
- 77 -
Unter zeitlichen Gesichtspunkten i s t hier von entscheidender Bedeutung,
- wann und von wem die Koordinationspflegekraft bzw. die So z i a l a r b e i t e r n
des Sozialdienstes über stationär liegende Patienten Kenntnis erhält,
- wann die erste Kontaktaufnahme mit dem jeweiligen Patienten zur Klärung
oben genannter Sachverhalte e r f o l g t und
- bezogen auf die konkrete Entlassungssituation, ob die Entlassungspraxis
der Krankenhäuser dem Koordinationsbedarf Rechnung tragen.
Bevor im folgenden auf die zum Untersuchungszeitpunkt an den drei Kran
kenhäusern praktizierten Verfahren der Koordination stationärer und ambu
lanter Versorgung eingegangen wird, i s t auf folgende Veränderungen bezüg
l i c h der von den Sozialdiensten zu leistenden Arbeiten hinzuweisen:
Die Untersuchungsergebnisse lassen erkennen, daß die Sozialdienste an a l
len drei Krankenhäusern zunehmend Ei g e n i n i t i a t i v e bei der Wahrnehmung i h
rer Aufgaben gegenüber aidskranken Patienten zeigen. Das heißt, das sonst
übliche Verfahren, erst auf Anforderung von Seiten der Pflegebereiche ak
t i v zu werden, hat sich dahingehend gewendet, daß die zuständigen Sozial-
arbeiterlnnen selbst Informationen über Neuaufnahmen und Koordinationsbe
darf einholen.
6.3.3.1.1 AVK
Die Organisation der Versorgung von aidskranken Patienten am AVK i s t ge
kennzeichnet durch eine enge Zusammenarbeit zwischen stationärem Bereich,
Sozial Stationen und niedergelassenen, spezialisierten Hausärzten (Ar
beitskreis AIDS - Niedergelassene Ärzte B e r l i n , v g l . Abschnitt 5.2). Die
ses als das "Schöneberger Modell" bekannt gewordene Versorgungsmodell
( v g l . Heise/L'age 1988, Kochen 1987) sieht i n dieser Form der Zusammenar
beit praktikable Voraussetzungen zur Reduktion der stationären Liegezei
ten auf das medizinisch Erforderliche.
- 78 -
In der Stationspraxis i s t es die Sozialarbeiterin (Sozialdienst des Kran
kenhauses), die zentral die Koordination des stationären ambulanten Über
ganges e i n l e i t e t . Das heißt:
- Klärung der gesundheitlichen Situation von Patienten, die voraussicht
l i c h innerhalb der folgenden sieben Tage entlassen werden können ("Ist
häusliche Pflege e r f o r d e r l i c h " ) ,
- Klärung der sozialen Situation (häusliche Gegebenheiten, soziales Um
f e l d ) ,
- Information und Beratung des Patienten über Pflege- und andere H i l f s
möglichkeiten und
- Information der Sozial s t a t i o n .
Die Pflegekräfte der Sozial Stationen nehmen von sich aus noch während der
stationären Phase Kontakt mit den Patienten auf ( i n der Regel ein einma
l i g e r Besuch 2 bis 3 Tage vor der Entlassung) und erhalten auf diesem We
ge die notwendigen Pflegeinformationen.
Die hierzu befragten Mitarbeiterinnen von Sozial Stationen (AWO, HIV-e.V.
und Private Pflegestation Depner) betonen, daß sie aufgrund des direkten
Kontaktes mit dem Personal der Pflegeabteilungen im Krankenhaus sowie
eigener Sichtnahme der gesundheitlichen Situation des Patienten über aus
reichend Informationen zur reibungslosen Übernahme des Patienten nach
Krankenhausentlassung verfügen.
Entlassungsentscheidungen erfolgen am AVK generell i n Absprache mit dem
Patienten und seiner Begleitpersonen sowie nach Abklärung bzw. Sicherung
der häuslichen Versorgung.
Organisatorisch verursachte z e i t l i c h e Engpässe bei der Übernahme der
häuslichen Versorgung durch die Sozialstation (ad hoc-Entlassungen ohne
entsprechende Verfügbarkeit personeller und z e i t l i c h e r Kapazitäten auf
Seiten der Sozial station) treten so nicht auf.
- 79 -
6.3.3.1.2 UKS
Im Untersuchungszeitraum befand sich die Koordinationsstelle i n der Phase
des Ausbaus bzw. ihrer Integration i n die bestehenden ärztlichen, pflege
rischen und sozialen Dienste.
Im Hinblick auf eine festgelegte Aufgabenteilung bei der Organisation des
Übergangs von stationärer zu ambulanter Versorgung läßt sich deshalb noch
keine Differenzierung zwischen Koordinationsstelle und Sozialdienst
t r e f f e n .
Neben einer eher auf informeller Ebene stattfindenden kollegialen Zusam
menarbeit und sachbezogenen Kommunikation zwischen Koordinationsschwester
und Mitarbeiterin des Sozialdienstes findet regelmäßig einmal wöchentlich
ein berufsübergreifendes "Meeting" a l l e r an der Versorgung von aidskran
ken Patienten Beteiligten s t a t t (Ärzte, Pflegekräfte, Koordinationsschwe
st e r , Sozialarbeiterin, Mitarbeiter der BAH, Seelsorger). Die Teilnahme
an diesem "Meeting" i s t f r e i w i l l i g . Das "Meeting" hat informierenden
(Neuaufnahmen und Entlassungen von aidskranken Patienten, Einzelfallbe
sprechungen, versorgungsstrategische Absprachen) und fortbildenden Cha
rakter (Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, Aktualisierung des Wis
sensstandes über AIDS).
Aufgrund dezentraler Versorgung aidskranker Patienten auf den normalen
Stationen im Haus bei zeitweise geringen Patientenzahlen pro Station hat
dieses "Meeting" entscheidende Bedeutung für die Planung und Organisation
der ambulanten Versorgung (frühzeitige Information über neue Patienten
und bevorstehende Entlassungen, Ermittlung der jeweiligen Bedarfslage).
Die Kontaktaufnahme zwischen Koordinationsschwester bzw. Sozialarbeiterin
und Patienten wird von ersteren selbst e i n g e l e i t e t , so daß das Pflegeper
sonal i n den stationären Bereichen hier nicht mit administrativen Aufga
ben belastet i s t .
Die Mitarbeiterinnen der ambulanten Pflegeeinrichtungen (Sozialstationen,
private Hauspflegestellen) nehmen nach Information durch die Koordina-
- 80 -
ti o n s s t e l l e i n den letzten Tagen des stationären Aufenthaltes direkten
Kontakt mit dem jeweiligen Patienten auf und erheben dort den zugrunde
liegenden Pflege- und Versorgungsbedarf.
Allen befragten Mitarbeiterinnen der in die Untersuchung einbezogenen am
bulanten Pflegeeinrichtungen war die Koordinationsschwester am UKS per
sönlich bekannt, so daß hier von einer kontinuierlichen beruflichen Kom
munikation zwischen dem Krankenhaus und den ambulanten Pflegeeinrichtun
gen ausgegangen werden kann.
6.3.3.1.3 RVK
Koordinationsstelle und Sozialdienst sind am RVK zuständig für die Orga
nisation der ambulanten Versorgung entlassungsfähiger Patienten mit HIV-
Symptomatik. Zur Entwicklung konstruktiver Zusammenarbeitsformen zwischen
stationären Bereichen, Sozialdienst und Koordinationsstelle konnten nach
Aussagen des Koordinationspflegers noch keine für a l l e verbindlichen Re
gelungen zur kontinuierlichen und sachbezogenen Kommunikation zwischen
den verschiedenen Berufs- und Kompetenzbereichen gefunden werden.
Hinzu kommt, daß seit Einrichtung der Koordinationsstelle im vierten
Quartal 1988 bis zum Zeitpunkt der Befragung kaum Patienten mit HIV-Symp
tomatik entlassen wurden, die das Versorgungsangebot der Koordinations
pflege d e f i n i t i v hätten i n Anspruch nehmen müssen. Entweder lag kein ent
sprechender - durch ambulante Pflegeeinrichtungen zu übernehmender -
Pflegebedarf vor, oder aber die Patienten verfügten über ein ausreichen
des und funktionsfähiges Netzwerk (Expertengespräch).
Da eine bedarfsorientierte Zusammenarbeit zwischen Koordinationspflege
und Sozial Station ebenfalls anlaßgebunden i s t (einen tatsächlichen Koor
dinationsbedarf voraussetzt), ließen sich zwischen p o t e n t i e l l betreuenden
Sozial Stationen und Koordinationsstelle noch keine verbindlichen Regelun
gen für das Überleitungsverfahren entwickeln. Ein Verfahren, daß Mitar
beiterinnen von Sozial Stationen bereits während des Krankenhausaufenthal
tes Kontakt mit betroffenen Patienten aufnehmen, hat sich am RVK bislang
- 81 -
nicht realisieren lassen. Informationstechnisch kommen sogenannte Pflege-
überleitungsbögen (siehe Anlage 4) zur Erfassung pflegerischer und sozia
l e r Patientendaten zur Anwendung, die entweder vom Sozialdienst oder vom
Koordinationspfleger ausgefüllt werden.^
Der Kontakt zwischen Koordinationspfleger und betroffenen Patienten
s t e l l t sich am RVK über regelmäßiges Aufsuchen der Stationen und gezielte
Kontaktaufnahme mit Patienten durch den Koordinationspfleger her.
Zwischen der pflegerischen Abteilungsleitung, Stationsärzten und Koordi
nationspfleger findet ein nicht formal geregelter Informationsaustausch
bezüglich Neuaufnahmen, bevorstehenden Entlassungen und Versorgungspla
nungen s t a t t , so daß nach Meinung des Koordinationspflegers Informations
sicherheit betreffs erforderlicher Übernahmen von Koordinationsaufgaben
besteht.
Pflegeüberleitungsbögen gehören nicht zu den krankenhausinternen Dokumentationsunterlagen, sondern werden von den Sozial Stationen an die Pflegeabteilungen der Krankenhäuser ausgegeben.
- 82 -
7. Arbeitsanforderungen und -belastungen bei der Versorgung AIDS-kranker Patienten
Wie i n Kapitel 6 bereits angemerkt, kommt dem Pflegesektor bei der Ver
sorgung und Betreuung besondere Bedeutung b e i . Dies g i l t i n besonderem
Maße bei der Versorgung von Patienten mit unheilbaren, chronisch verlau
fenden Erkrankungen.
Pflege und psychosoziale Betreuung stehen, solange es keine zur Heilung
führende Behandlung von HIV-Infizierten und AIDS-Kranken g i b t , im Vorder
grund des Versorgungshandelns. Damit verbundene Arbeitsanforderungen an
den Pflegebereich sind im übergreifenden Sinne:
- die Pflege der Erkrankten (Grund- und Behandlungspflege, psychosoziale
Betreuungsaspekte), die i n ihrer optimalen Durchführung der Gesamtper
sönlichkeit des einzelnen Patienten mit seinen Anforderungen an eine
umfassende, die körperlichen und psychischen Bedürfnisse gleichermaßen 1 ̂
berücksichtigende Versorgung gerecht wird ,
- die Koordination ambulanter Pflege und Unterstützungsmaßnahmen (z.B.
psychosoziale Betreuung, Haushaltsführung) und
- d i e Aktivierung des patienteneigenen privaten Umfeldes; Informationen
über die Krankheit AIDS, ihren Besonderheiten sowie Beratung und Anlei
tung privater Betreuungspersonen, häufig psychische Unterstützung der
selben.
Die im AIDS-Bereich e x p l i z i t geforderte und von seiten des pflegerischen
wie ärztlichen Personals i n die Arbeit mit den Patienten aufgenommene Be-
Dieser Arbeitsaspekt wird gemeinhin als Pflegeaufwand bezeichnet, während die nachfolgenden Arbeitsaspekte i n ihrer Bedeutung für den Erf o l g pflegerischen und ärztlichen Handelns bislang wenig thematisiert werden. Eine umfassende Pflege schließt jedoch die nachfolgenden Arbeitsaspekte unabhängig von der zugrundeliegenden Pflegeintensität (Bedarf an Grund- und Behandlungspflege) zwingend mit e i n . (Hypothetisch kann angenommen werden, daß mit Verringerung der Pflegeintensität der Anteil an Koordinations- und Beratungsaufgaben zunimmt. )
- 83 -
rücksichtigung psychischer und sozialer Versorgungskomponenten machen
grundsätzliche Probleme bei der Bewältigung der pflegerischen Arbeit
deutlich.
Auf der Ebene des Versorgungshandelns wird dies insbesondere sichtbar,
wenn z e i t l i c h e Ressourcen für patientennahe Arbeiten entweder nicht in
ausreichendem Maße zur Verfügung stehen oder aber andere - nicht weniger
notwendige Arbeiten - tendenziell vernachlässigt werden müssen.
Vor dem Hintergrund, daß es sich bei allen untersuchten Pflegeabteilungen
nicht um "AIDS-Stationen" handelt, daß also Patienten mit anderen Erkran
kungen das Recht auf gleiche umfassende Versorgung beanspruchen können,
werden hier zum Teil Kapazitätsgrenzen d e u t l i c h , einhergehend mit Schuld
gefühlen auf Seiten der Pflegekräfte.
Im Rahmen der Anhörung zur Situation im Pflegebereich bei Versorgung von
aidskranken Patienten äußert der Ausschuß des Nationalen AIDS-Beirates
die Befürchtung, daß der Bestand an Pflegekräften im AIDS-Bereich ange
sichts der hohen Belastungen nicht gehalten werden könne, zum Teil be
r e i t s schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt Engpässe zu verzeichnen sind
( v g l . BT-AIDS, Enquete-Arbeitsunterlage Nr. 431, April 1989).
Im folgenden sollen die von den Pflegekräften thematisierten speziellen
Anforderungen im Sinne von Mehraufwand bei der Pflege aidskranker Patien
ten eingegangen werden.
Trotz der i n den verschiedenen Bereichen unterschiedlichen Organisation
pflegerischer Arbeit und unterschiedlichem Patientenaufkommens (AIDS-Pa-
tienten) werden Anforderungen und Belastungen, die aus der Versorgung
dieser Patienten r e s u l t i e r e n , nahezu identisch beschrieben, so daß eine
Unterscheidung nach Krankenhaus und Pflegeabteilung an dieser Stelle we
der sinnvoll noch zweckmäßig i s t .
Das große öffentliche Interesse an AIDS und an dem ärztlichen wie pflegerischen Tätigkeitsfeld h i n s i c h t l i c h der Bemühungen um Behandlungserfolge können hier als Wegbereiter des großen Engagements i n diesen Bereichen gesehen werden.
- 84 -
7.1 Arbeitsanforderungen und -beiastungen aus der Sicht der Pflege
kräfte
Die Teilnehmerinnen der Befragungen i n den stationären Bereichen gaben
an, daß die Versorgung aidskranker Patienten auf allen Ebenen der pflege
rischen Arbeit einhergeht mit einem nennenswerten Mehraufwand an zu l e i
stenden pflegerischen Tätigkeiten.
Im Bereich der patientennahen Arbeiten werden vor allem Versorgungsaspek
te genannt, die im Zusammenhang mit der
- Grundpflege (aidstypische Durchfälle, Hautpflege, Waschen) und
- Kommunikation zwischen Patienten und Pflegepersonal stehen.
Die hohe Belastung, die i n diesen Zusammenhängen erfahren wird, erklärt
sich möglicherweise durch die große - zum Teil persönliche - Nähe, die
aufgrund des intensiven Betreuungsverhältnisses zwischen Patienten und
Pflegepersonal entsteht. Die Befragungen bestätigen, daß insbesondere der
Zeitanteil für Kommunikationen zwischen Patienten und Pflegepersonal er
heblich gestiegen i s t .
Dafür verantwortlich scheint jedoch nicht nur der Anspruch nach patien
te n o r i e n t i e r t e r Versorgung auf Seiten des Pflegepersonals zu s e i , sondern
ebenso das für stationäre Versorgungsbereiche ungewöhnlich ausgeprägte
Selbstbewußtsein der Patienten.
Insbesondere Patienten, die der Betroffenengruppe der homosexuellen Män
ner angehören, weisen einen hohen Informationsgrad über die Krankheit
AIDS auf. Sie zeigen darüber hinaus aber auch beträchtliche Fähigkeiten,
Gespräche über ihre Probleme, Bedürfnisse und Situation gegenüber anderen
- o f t nicht weniger aktuellen - Stationsbelangen bei den Pflegekräften
durchzusetzen.
- 85 -
Kommunikation mit den Patienten beinhaltet:
- Information und Beratung,
- alltägliche Gespräche und
- Trost und Beistand.
In diesen Zusammenhängen wird von den Pflegekräften als besonders bela
stend angegeben
- das Leiden und der Tod von vergleichsweise jungen Patienten,
- d i e H i l f l o s i g k e i t gegenüber dem Krankheitsgeschehen (substantiiert bei
spielsweise bei aidstypischen Durchfällen) und
- die Betreuung privater Bezugspersonen, insbesondere wenn es sich um
Mütter oder andere Angehörige handelt.
Zugleich wird von den Befragten auch ein Anstieg von patientenfernen Ar
beiten angegeben, die essentiell auf AIDS zurückzuführen sind. Genannt
werden:
- Dokumentationsarbeiten (psychosoziale Betreuungsaspekte, Laboreintra
gungen, Forschungsdaten, Medikamenteneintragungen),
- Beschaffung technischer Geräte (Infusiomaten, Sauerstoffbomben),
- Vor- und Nachbereitung diagnostischer Maßnahmen.
In einigen Bereichen fühlen sich die Pflegekräfte h i n s i c h t l i c h v e r b i n d l i
cher Hygienevorschriften (Infektionsgefahren für Patienten sowie Pflege
personal) unzureichend informiert oder mit ständig neuen - zum Teil ein
ander widersprechenden - Informationen k o n f r o n t i e r t . Lediglich auf zwei
der fünf untersuchten Stationen wußte man von der Existenz eines soge
nannten "Hygiene-Ordners", der für a l l e Pflegekräfte der Station zugäng
l i c h i s t und in dem Erkenntnisse aus dem Bereich der Hygiene, Desinfek
t i o n sowie Hygienestandards dokumentiert sind.
Auch Mängel in der Koordination zwischen pflegerischem und ärztlichem
Personal behindern die Patientenorientierung. Es komme häufig dazu, daß
ärztliche Anordnungen (Behandlungspflege, Medikamente) innerhalb von we-
- 86 -
nigen Stunden und von verschiedenen Ärzten abgesetzt und wieder neu ange
setzt werden.
Neben den damit verbundenen Dokumentationsarbeiten für das pflegerische
Personal sind die Pflegekräfte zudem damit betraut, den jeweiligen Pa
tienten jedesmal neu über den Therapiewechsel zu informieren, aufzuklären
und zu beruhigen. Wiederholt sich dieser Vorgang mehrmals am Tag, sind
Informationssicherheit auf Seiten des Patienten sowie auf Seiten der
Pflegekräfte nicht mehr gewährleistet, infolgedessen die Beziehung zwi
schen Pflegepersonal und Patienten erheblich gestört werden kann.
Zusammenfassend kann als Ergebnis der durchgeführten Untersuchung ange
nommen werden, daß die bekanntermaßen hohe psychische Arbeitsbelastung im
AIDS-Bereich verstärkt wird durch
- einen allgemeinen Arbeitszuwachs im Bereich der patientenfernen Arbei
ten, ohne Möglichkeiten der Delegation von Arbeiten an andere Beschäf
t i g t e ;
- Informationsunsicherheiten, beispielsweise h i n s i c h t l i c h neuer Hygiene
bestimmungen, häufiger Therapiewechsel und anderes mehr, und
- Koordinationsdefizite zwischen ärztlichem und pflegerischem Personal.
- 87 -
8. Ausblick
Die Immunschwächekrankheit AIDS i s t eine Krankheit mit weitreichenden so
zialen Konsequenzen für die von AIDS Betroffenen auf der einen Seite und
für das Gesundheitswesen (z.B. Kostenentwicklung) auf der anderen Seite.
Eine Minderung der mit AIDS verbundenen Folgen kann nur erreicht werden,
wenn gezielt auf die Krankheit AIDS reagiert wird.
Die Vorstudie zur "Behandlung, Versorgung und Betreuung von AIDS-Kranken
in Berlin" l i e f e r t eine erste Bestandsaufnahme, mit welchen Innovationen
das Gesundheitswesen i n Berlin (West) auf den durch AIDS entstandenen
Problemdruck reagiert hat.
Zu nennen sind insbesondere
- die unterschiedlichen Modelle zur Verzahnung stationärer und ambulanter
Versorgung ( P o l i k l i n i k , das "Schöneberger Modell", Einrichtung von Ko
ordinationsstellen) und
- die Sicherstellung der Koordination ärztlicher, pflegerischer Versor
gung und Selbsthilfeorganisationen (Berliner AIDS-Hilfe).
Innerhalb der stationären Versorgungseinrichtungen wurden über die Stan
dardversorgung hinausgehende Versorgungsangebote eingerichtet, die we
sentlich auf die Bewältigung psychosozialer Versorgungsaspekte abzielen.
Im Rahmen der Model 1programme der Bundesregierung wurden ambulante Pfle
geeinrichtungen (Sozialstationen) personell um sogenannte "AIDS-Teams"
erweitert. Die I n s t i t u t i o n des AIDS-Teams z i e l t spezifisch auf die zu
sätzlichen Anforderungen bei der Versorgung von aidskranken Patienten ab,
weist also einen hohen Grad an Spezifität für diese Krankheit auf.
Für eine Bewertung der neuen Strukturen und ihrer Flexibilität im Hin
blick auf die daran geknüpften Ziele einer problemadäquaten Versorgung
von AIDS-Patienten f e h l t es derzeit noch an fundierten Kenntnissen über
- 88 -
die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse, die hier von den Gesund
heitseinrichtungen bewältigt werden müssen.
Außerdem s t e l l t sich die Frage, mit welcher internen und externen Ar
b e i t s t e i l u n g , Organisation, Kompetenzabstimmung und Kontrolle die einzel
nen neu geschaffenen Institutionen auf die Patienten und die jeweils i n
dividuellen Bedürfnislagen reagieren.
Im Hinblick auf die Entwicklung tragfähiger Versorgungsmodelle weisen die
Untersuchungsergebnisse auf Belastungsgrenzen bei den Beschäftigten der
Gesundheits- und Sozialeinrichtungen h i n . Hier sind sorgfältige Abklärung
von Arbeitsbelastungen, die bei der Versorgung von aidskranken Patienten
auftreten, erforderlich und konzeptionelle Überlegungen, welche Maßnahmen
zu ihrer Überwindung beitragen können.
Schließlich bieten d i f f e r e n z i e r t e Kenntnisse der neuen Strukturen und An
gebote, die im Rahmen der Berliner Versorgung von AIDS-Kranken entstanden
sind, auch unter qualitativen Gesichtspunkten günstige Voraussetzungen
für einen Erfahrungstransfer in andere Bereiche der Versorgung chronisch
Kranker.
- 89 -
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Anhang
Seite
Anlage 1: ModelIprojekte i n Berlin 97
Anlage 2: Informations- und Dokumentationssystem (HIV-e.V.) 104
Anlage 3: Modell projekt: Koordinationspflege 113
Anlage 4: Standard-Pflegeüberleitungsbogen 114
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Anlage 1
Model lprojekte in Berlin
Quelle: ISG 1989.
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Standort Berlin
Übersicht Bei dem Berliner Projekt, an dessen Konzeption die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales maßgeblich beteiligt war, handelt es sich um ein auf mehreren Ebenen angelegtes Modell, dessen Bausteine sich gegenseitig ergänzen und das als integriertes Gesamtkonzept zu verstehen ist. Es gliedert sich in folgende Teilprojekte, die zunächst kurz skizziert und im Anschluß ausführlicher dargestellt werden:
1. Übergreifende Dienste
a) Mobiles Informations- und Beratungsteam
Dieses aus einer Ärztin, einem Psychologen, einem Sozialarbeiter und einer Krankenschwester zusammengesetzte Team bietet projekt- und institutionsübergreifend Fortbildung und Praxisbegleitung an. In geringerem Umfang werden auch Beratungen für Erkrankte und deren Angehörige durchgeführt.
b) Klinische Koordinatoren
Drei Schwerpuiiktjdiniken wurde jeweils eine Fachkraft zugeordnet, die alle zur Einleitung einer ambulanten Versorgung notwendigen Koordinationsaufgaben innerhalb wie außerhalb der Klinik übernimmt.
2. Personalverstärkung für Sozialstationen
Bei den Trägern der Sozialstationen werden Krankenpflegepersonen und Sozialarbeiter gefördert. Zusätzlich werden bei HIV e.V., einem Dienst, der im gesamten Stadtgebiet Pflegen übernimmt, Krankenpflegestellen gefördert.
Bis Ende 1988 haben fünf Modellprojekte die Arbeit aufgenommen, und zwar bei folgenden Trägern:
AWO, Caritas, DPWV, DRK, HTV e.V. (DPWV).
Die Gespräche zwischen dem Diakonischen Werk und der Senatsverwaltung über eine Beteiligung am Modellprojekt sind noch nicht abgeschlossen.
Die Modellmitarbeiter übernehmen die Betreuung von AIDS-Kranken in Zusammenarbeit mit den Sozialstationen ihres Trägers. In einzelnen Fällen werden AHDS-Kranke auch ohne Beteiligung regulärer Mitarbeiter der Sozialstationen gepflegt. Grundsätzlich sollen die Modellmitarbeiter aber nicht die Rolle der "ATDS-Pflegeperson" übernehmen, sondern vielmehr als Multiplikatoren ihre Kenntnisse und Erfahrungen an das Pflegepersonal weitergeben; einzelne Teams bieten auch trägerbezogen Fortbildung an. Eine Ausnahme bilden die Mitarbeiter von HTV e.V., deren Tätigkeit ausschließlich die ambulante Versorgung Erkrankter ist.
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3. Häusliche Kinderkrankenpflege
Um die speziellen Anforderungen einer fachlichen Begleitung und Beratung HTV-positiver Schwangerer und Mütter sowie der Betreuung ihrer Kinder erfüllen zu können, werden beim Verein für die häusliche Kinderkrankenpflege e.V. zusätzliche Stellen für Kinderkrankenpflege und Familienpflege gefördert.
4. Wohnprojekte
Die Planungen für die in der Konzeption angelegten betreuten Wohngemeinschaften für HIV-Positive und AIDS-Erkrankte unter Trägerschaft von Arbeiterwohlfahrt und Caritas sind noch nicht abgeschlossen.
Die Einzelprojekte kooperieren im Rahmen ihrer Arbeit in vielfältigen Formen miteinander. Darüber hinaus ist ein kontinuierlicher Informations- und Erfahrungsaustausch durch institutionalisierte Treffen aller Berliner Projektmitarbeiter gewährleistet.
Bislang wurden in Berlin insgesamtf53/AIDS-Patienten von Modellmitarbeitern betreut. Die Betreuungen umfassen me gesamte Spannbreite der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Erfahrungen.
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Beschreibung der Einzelprojekte
Projekt Mobiles Informations- und Beratungsteam (DRK)
Stellen- 1 Ärztin, 1 Psychologe, 1 Sozialarbeiter, 1 Krankenschwester, struktur alle Stellen sind besetzt
Arbeits- Seit Oktober 1987 bietet das Mobile Informations- und Beratungsteam Fortbil-schwerpunkte dungsveranstaltungen an, die allen Mitarbeitern der ambulanten Dienste, Klini
ken sowie Selbsthilfegruppen offenstehen. Die interdisziplinäre Zusammensetzung des Teams ermöglicht es, medizinische, pflegerische, psychische und soziale Themen anzusprechen. Einzelne Veranstaltungen werden in Zusammenarbeit mit externen Personen, etwa mit anderen Modellmitarbeitern oder mit Mitarbeitern der Berliner AIDS-Hilfe, durchgeführt. Im ersten Jahr seiner Tätigkeit wruden 109 Veranstaltungen durchgeführt, davon 72 Grund- und 37 Aufbauveranstaltungen. Die Hälfte der Veranstaltungen richtete sich an Mitarbeiter von Sozialstationen (von jeder zweiten Sozialstation nahmen Mitarbeiter teil); weitere Veranstaltungen fanden an Krankenpflegeschulen, bei Selbsthilfegruppen, im Rahmen der Hauspflegeausbildung etc. statt. Erreicht wurden 1.440 Teilnehmer, darunter zur Hälfte Krankenpflegepersonen und zu einem Drittel hauspflegekräfte.
Darüber hinaus werden fallbezogene Beratungen für die genannten Gruppen, für Ärzte, Drogentherapieeinrichtungen, Behörden sowie Angehörige und Partner der Erkrankten angeboten. Im ersten Jahre wurden mehr als 300 Einzelberatungen durchgeführt.
In einigen Fällen haben die Tearnmitglieder direkt bei der Versorgung von Patienten mitgearbeitet. Dieser Bereich der Arbeit nimmt einen immer größeren Raum ein. Neben der konkreten Hilfe wird die Mitarbeit bei der Versorgung auch deshalb für wichtig gehalten, weil die eigenen praktischen Erfahrungen die Akzeptanz der angebotenen Beratungskompetenz erhöhen.
Anmerkungen Die Freiwilligkeit der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen wird als wesentliche Voraussetzung für deren Effizienz gesehen. Erste Erfahrungen zeigen, daß Gruppen, bei denen die Teilnahme angeordnet worden war, nicht oder nur in geringem Maße zur persönlichen Auseinandersetzung mit der Krankheit AIDS und deren Folgen zu motivieren waren.
Ein wichtiger Aspekt der Arbeit ist die Mitarbeit in fachbezogenen Gremien. (In Berlin gibt es einen Arbeitskreis AIDS niedergelassener Arzte, einen Gesprächskreis AIDS für Krankenpflegepersonal, einen AJJDS-Arbeitskreis von Sozialarbeitern, an denen die Modellmitarbeiter teilnehmen.) Die unterschiedlichen Erfahrungen werden im Team zusammengetragen und diskutiert und fließen in die weitere Arbeit ein.
Besondere Anforderungen werden in Berlin im Bereich der ambulanten Versorgung Drogenabhängiger gesehen, weshalb diese Klientel inzwischen stärker berücksichtigt wird; die Zusammenarbeit mit Drogentherapeuten und -beratern wurde intensiviert.
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Projekt Klinische Koordinatoren
Träger Deutscher Berufsverband für Krankenpflege (MitgHedsorganisation im DPWV)
Stellen- 3 KrankenschwesternZ-pfleger; struktur alle Stellen sind besetzt
Arbeits- Drei Kliniken, die die Zentren der stationären Behandlung AIDS-Kranker in Schwerpunkte Berlin bilden (Augusfe-Victoria-Krankenhaus, Rudolf-Virchow-Krankenhaus,
Universitätsklinikum Steglitz), ist jeweils ein Mitarbeiter zugeordnet. Sie übernehmen die Aufgabe, die Patienten aus dem stationären in den ambulanten Bereich zu begleiten. Im Kontakt mit den Patienten und häufig auch deren Angehörigen werden in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern, Sozialstationen und allen weiteren für die ambulante Versorgung relevanten Institutionen einzelfallbezogen die Rahmenbedingungen für eine ambulante Versorgung geschaffen.
Anmerkungen Die Institution des Koordinators stieß in den Kliniken zunächst nicht auf uneingeschränkte Akzeptanz. Mit der Unterstützung der Pflegedienstleistungen konnten anfängliche Ressentiments jedoch weitgehend ausgeräumt werden, so daß die Funktion des Koordinators inzwischen als wichtig anerkannt wird.
Projekt AWO
Stellen- 1 Sozialarbeiterin, 4 Krankenpflegepersonen; struktur alle Stellen sind besetzt
Arbeits- Beratung, Betreuung und Pflege von AEDS-Kranken; Schwerpunkte einzelfallbezogene Berratungen von Pflegepersonal bei Problemen der Pflege,
Praxisbegleitung' und in geringem Umfang Fortbildungsveranstaltungen für Sozialstationen der AWO
Anmerkungen Durch eine Zusammenarbeit mit dem "Treffpunkt Hilfsbereitschaft", einer Vermittlungsstelle für ehrenamtliche Helfer im sozialen Bereich konnte bereits für eine Betreuung ein Helfer gewonnen werden.
Projekt Caritas
Stellen- 1 Sozialabeiterin, 4 Krankenpflegepersonen; struktur alle Stellen nicht besetzt
Arbeits- Beratung, Betreuung und Pflege von AIDS-Kranken; Schwerpunkte einzelfallbezogene Beratungen bei Problemen der Pflege, Praxisbegleitung und in
geringem Umfang Fortbildungsveranstaltungen, meist für Mitarbeiter der Caritas
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Projekt
Stellenstruktur
Arbeitsschwerpunkte
DPWV
1 Sozialarbeiterin, 2 Krankenpflegepersonen (seit Herbst 1988); 2 Krankenpfle gesteilen gegenwärtig unbesetzt
sozialarbeiterische Betreuung von Patienten, die von Mitgliedsorganisationen des DPWV gepflegt werden: Abordnung der Krankenschwester zu einer DPWV-Sozialstation, von dort aus krankenpflegerische Betreuung vor allem von AIDS-Erkrankten, die in einer Drogentherapie-WG wohnen; vorübergehend Mitarbeit des Pflegers bei HTV e.V. (Koordination, Notdienst); Koordination des Arbeitskreises Selbsthilfegruppen und AIDS, an dem die DPWV organisierten Gruppen Hydra (Prostituierte), Mann-O-Meter (Homosexuelle), die Berliner AJDS-Hilfe, HTV e.V. und andere teilnehmen
Anmerkungen Nach dem ursprünglichen Konzept bildeten vier Krankenpflegepersonen und eine Sozialarbeiterin ein bei der Geschäftestelle des DPWV angesiedeltes Mobiles Pflegeteam, dessen Hilfeleistungen von den vom DPWV getragenen Sozialstatio-nen abgerufen werden konnten. Das Angebot wurde jedoch nur teilweise von den ambulanten Diensten angenommen. Diese Erfahrung führte zu einer Änderung des Konzepts in Richtung auf eine dezentrale Anbindung der Krankenpflegekräfte an ausgewählte Sozialstationen; lediglich die Sozialarbeiterin soll weiterhin von der Geschäftsstelle aus operieren. Das Konzept ist noch nicht in allen Details festgeschrieben, sondern wird gegenwärtig mit den Sozialstationen des DPWV diskutiert.
Projekt DRK
Stellenstruktur
1 Sozialarbeiterin, 2,5 Krankenschwestern; 1,5 Krankenpflegestellen noch unbesetzt
Arbeits- Die Krankenschwestern haben erst im September ihre Arbeit im Modell aufge-schwerpunkte nommen und befanden sich bis zum Jahreswechsel in der Einarbeitungszeit
(Hospitationen, eigene Fortbildung etc.).
Anmerkungen Ab Januar sollen sie zu unterschiedlichen Sozialstationen des DRK abgeordnet werden und dort bei der Betreuung von AIDS-Patienten mitarbeiten sowie als Multiplikatoren ihre Kenntnisse weitergeben.
Projekt HTV e.V. (DPWV)
Stellen- 2 Krankenpflegestelle (4 x 0,5); alle Stellen sind besetzt struktur
Arbeits- Pflege von AIDS-Erkrankten, z.T. in Zusammenarbeit mit anderen Diensten Schwerpunkte
Anmerkungen Bei einzelnen Pflegen wurde die Sozialarbeiterin des DPWV hinzugezogen. In dem halben Jahr seit Beginn der Förderung von HIV e.V. waren die Modellmitarbeiter bereits an einer großen Anzahl von Pflegen beteiligt. Neben engen Kontakten zu einer Schwerpunktldinik und zur Berliner AJDS-Hilfe, über die Patienten vermittelt wurden, bestehen gute Kontakte zur Gruppe der Homosexuellen.
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Projekt Häusliche Kinderkrankenpflege
Stellen- 1 Kinderkrankenschwester, 1 Famüienpflegerin; eine weitere Kinderkranken-struktur schwesternsteile wurde zu einer zweiten Famüienpflegestelle umgewidmet (bis
lang nicht besetzt)
Arbeits- Betreuung von Kindern HTV-infizierter Mütter, in der Regel mit eher präventi-schwerpunkte vem Charakter, da bei den Kindern nicht in jedem Fall Krankheitsbilder mani
fest sind; häufig kurzzeitige Betreuung, in einzelnen Fällen auch Dauerpflegen; Familienpflege, z.B. bei einem Krankenhausaufenthalt der Mutter; Beratung von HIV-infizierten Schwangeren, Begleitung beim Übergang aus der Klinik nach Hause, Anleitung bei der Säuglings- und Kinderpflege
Anmerkungen Die Modellrnitarbeiterinnen sind in die Arbeit des externen Pflegedienstes integriert. Enge Kontakte bestehen zu Mitarbeitern des Modellprojekts 'AIDS und Kinder' zu mehreren Entbindungs- und Kmderkliniken, zur Berliner AIDS-Hilfe (bei der es eine Frauen-Selbsthilfegruppe gibt und die auch als Vermittler fungiert) und zu Drogenberatungsstellen.
Forschungsgruppe Gesundheitsrisiken und Präventionspolitik
Das Krankheits- und Sterbegeschehen in i n d u s t r i a l i s i e r t e n Ländern wird
hauptsächlich von chronischen Erkrankungen bestimmt, deren Verursachungen
weitgehend in den Bereichen Umwelt/Arbeit/Lebensweise liegen. Nach ihrer Ma
nife s t a t i o n sind sie medizinisch meist nicht mehr heilbar. Auf die Verhütung
des Ausbruchs solcher Krankheiten richten sich konkurrierende Strategien.
Sie unterscheiden sich h i n s i c h t l i c h des Interventionsfelds, der wissen-
schaftlich-disziplinären Untermauerung und der I n s t i t u t i o n a l i s i e r u n g . Die
Forschungsgruppe untersucht und vergleicht Risikokonzepte, Wirkungen und
Entwickungsbedingungen unterschiedlicher präventiver Interventionen und
Strategien.
Mitglieder der Forschungsgruppe:
Dipl.-Chem. Barbara Maria Köhler, Ph.D.
Dr. r e r . p o l . Hagen Kühn
Priv.-Doz. Dr. r e r . p o l . Rolf Rosenbrock (Leiter)
Dipl.-Pol. Andreas Salmen