Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. Eckhard Klieser
Dienstort: Evangelische Kliniken Gelsenkirchen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte - eine empirische Analyse
Inaugural-Dissertation zur
Erlangung eines Doktorgrades der Medizin einer
Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von Julia Bozena Pach
aus Oberhausen (Rhld) 2012
Dekan: Prof. Dr. med. K. Überla Referent: Prof. Dr. med. E. Klieser Korreferent: Prof. Dr. med. M. Brüne Tag der mündlichen Prüfung: 04.07.2013
Meiner Familie gewidmet
1
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 6 1.1 Definitionen eingeschränkter beruflicher Leistungsfähigkeit 6
1.2 Ursachen und begünstigende Faktoren für eine eingeschränkte
berufliche Leistungsfähigkeit 8
1.3 Situation der Ärzte 9
1.4 Feststellung der Berufsunfähigkeit bei Ärzten unter Berücksichtigung
von Verfälschungstendenzen 11
2. Zielsetzung 15
3. Methode 16
3.1 Stichprobe 16
3.2 Definition der Berufsunfähigkeit 16
3.3 Datensammlung 16
3.3.1 MMPI-2 18
3.3.2 16 PF-R 19
3.3.3 MWT 20
3.3.4 SKT 20
3.3.5 cI-Test 20
3.3.6 Abbauindex 21
3.3.7 Fragebogen zur Lebensgeschichte 21
3.4 Auswertung 21
4. Ergebnisse 25
4.1 Stichprobe 25
4.1.1 Alters- und Geschlechtsverteilung 25
4.1.2 Familienstand 27
4.1.3 Gebietsbezeichungen 27
4.1.4 Diagnosen 28
4.1.5 Beurteilung der bisherigen Therapie 31
4.1.6 Selbsteinschätzung des Schweregrades der Probleme 31
2
4.1.7 Selbsteinschätzung der finanziellen Lage 32
4.1.8 Erreichen des individuellen Berufszieles 32
4.2 Testergebnisse 33
4.2.1 MMPI-2 33
4.2.1.1 Validitätsskalen 33
4.2.1.2 Klinische Basisskalen 33
4.2.1.3 Aggravationstendenz (F-minus-K) 34
4.2.1.4 Wiener und Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen 34
4.2.1.4 Weitere Zusatzskalen 35
4.2.2 16 PF-R 35
4.2.3 MWT 37
4.2.4 SKT 37
4.2.5 cI-Test 38
4.2.6 Abbauindex 38
4.2.7 Zur Frage der Berufsunfähigkeit 38
4.3 Zusammenhänge verschiedener Variablen mit der Berufsunfähigkeit 39
4.3.1 Zusammenhänge zwischen Alters- und Geschlechtsverteilung und
Berufsunfähigkeit 39
4.3.2 Zusammenhänge zwischen Familienstand und Berufsunfähigkeit 40
4.3.3 Zusammenhänge zwischen Gebietsbezeichnung und
Berufsunfähigkeit 40
4.3.4 Zusammenhänge zwischen Diagnose und Berufsunfähigkeit 42
4.3.5 Zusammenhänge zwischen der bisherigen Therapie und der
Berufsunfähigkeit 44
4.3.6 Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung des
Schweregrades und der Berufsunfähigkeit 45
4.3.7 Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung der finanziellen
Lage und der Berufsunfähigkeit 46
4.3.8 Zusammenhänge zwischen dem Erreichen des individuellen
Berufszieles und der Berufsunfähigkeit 46
4.3.9 Unterschiede im MMPI-2 Profil hinsichtlich der Berufsunfähigkeit 47
4.3.9.1 Validitätsskalen 47
4.3.9.2 Klinische Basisskalen 47
4.3.9.3 Aggravationstendenz (F-minus-K) 48
3
4.3.9.4 Wiener und Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskala 48
4.3.9.5 Weitere Zusatzskalen 48
4.3.10 Unterschiede der 16 PF-R Mittelwertprofile hinsichtlich der
Berufsunfähigkeit 49
4.3.11 Unterschiede bezüglich der Berufsunfähigkeit im MWT 51
4.3.12 Unterschiede bezüglich der Berufsunfähigkeit im SKT 51
4.3.13 Zusammenhang zwischen cI-Test und Berufsunfähigkeit 51
4.3.14 Zusammenhang zwischen Abbau-Index und Berufsunfähigkeit 52
5. Diskussion 53
5.1 Bedeutung des Themas 53
5.2 Methodisches 53
5.3 Ergebnisse 54
5.3.1 Alter und Geschlecht 54
5.3.2 Familienstand 55
5.3.3 Gebietsbezeichnungen 55
5.3.4 Diagnosen 56
5.3.5 Bisherige Therapie 58
5.3.6 Selbsteinschätzung des Schweregrades 59
5.3.7 Selbsteinschätzung der finanziellen Lage und des Erreichens des
individuellen Berufszieles 59
5.3.8 MMPI-2 59
5.3.8.1 Klinische Basisskalen 59
5.3.8.2 Zusatzskalen 62
5.3.8.3 Hinweise auf Verfälschungstendenzen 63
5.3.9 16 PF-R 66
5.3.10 Hirnleistungstests 67
5.4 Folgerungen und Ausblick 68
6. Zusammenfassung 71
7. Literaturverzeichnis 74
4
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Verteilung der Fachgebiete aller Begutachteten 28
Tab. 2: Selbsteinschätzung des Schweregrades 32
Tab. 3: Übersicht der 16 PF-R Stenwerte der gesamten Stichprobe 37
Tab. 4: Verteilung der Fachgebiete der Berufsunfähigen 41
Tab. 5: Verteilung der Fachgebiete der nicht Berufsunfähigen 42
Tab. 6: Übersicht der 16 PF-R Stenwerte der Berufsunfähigen 50
Tab. 7: Übersicht der 16 PF-R Stenwerte der nicht Berufsunfähigen 50
Tab. 8: Kreuztabelle Berufsunfähigkeit zu zerebraler Insuffizienz 51
Tab. 9: Kreuztabelle Berufsunfähigkeit zu Abbauindex 52
5
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Altersverteilung aller Begutachteten 25
Abb. 2: Altersverteilung aller männlichen Begutachteten 26
Abb. 3. Altersverteilung aller weiblichen Begutachteten 26
Abb. 4: Anzahl der geltend gemachten Diagnosen 29
Abb. 5: Verteilung der geltend gemachten Diagnosen 30
Abb. 6: Verteilung der gutachterlichen Diagnosen 30
Abb. 7: Mittelwerte der MMPI-2 Basisskalen aller Begutachteten 34
Abb. 8: Mittelwerte der 16 PF-R Primärskalen aller Begutachteten 36
Abb. 9: Altersverteilung der Berufsunfähigen 39
Abb. 10: Altersverteilung der nicht Berufsunfähigen 40
Abb. 11: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach Gutachtendiagnose 43
Abb. 12: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach bei Antragsstellung geltend
gemachter Diagnose 43
Abb. 13: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach Anzahl der geltend gemachten
Diagnosen 44
Abb. 14: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach bisheriger Therapie 45
Abb. 15: Selbsteinschätzung des Schweregrades nach Berufsunfähigkeit 46
6
1. Einleitung
Auch Ärzte erkranken. Dies führt in einigen Fällen dazu, dass sie in der Folge
unfähig sind, weiter ärztlich tätig zu sein, gelegentlich auch zu dem Wunsch, die
ärztliche Tätigkeit aufzugeben, ohne dass eine fassbare, eine Berufsunfähigkeit
begründende, Erkrankung vorläge.
In der vorliegenden Arbeit wurde die durch psychische Erkrankungen bedingte
Berufsunfähigkeit von Ärzten zum Thema gemacht.
1.1 Definitionen eingeschränkter beruflicher Leistungsfähigkeit
Zur Beschreibung von Zuständen eingeschränkter beruflicher Leistungsfähigkeit
existieren verschiedene Konzepte und unterschiedlich definierte Begriffe. Die in
Deutschland gängige Terminologie wird im Folgenden erläutert:
Der Gesetzgeber unterschied für die gesetzliche Rentenversicherung bis 2000
zwischen einer Berufsunfähigkeit, bei der der Versicherte einen ihm
zumutbaren Beruf wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr ausüben kann
und Erwerbsunfähigkeit, bei der keinerlei Beruf, der ein mehr als nur
geringfügiges Einkommen erbringt, ausgeübt werden kann.
Seit Januar 2001 wird nur noch der Fall einer Erwerbsminderung abgesichert.
Teilweise erwerbsgemindert sind dabei Versicherte, die wegen Krankheit oder
Behinderung weniger als sechs, aber mehr als drei Stunden unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein können, voll
Erwerbsunfähig ist, wer weniger als drei Stunden tätig sein kann. Eine
Einschränkung der Verweisung auch auf weniger angesehene oder einträgliche
Beschäftigungen, wie sie die Berufsunfähigkeit darstellte, ist dabei für die
gesetzlich Rentenversicherten nicht mehr vorgesehen (SGB VI, 2012).
Ärzte sind als Freiberufler über eine Pflichtmitgliedschaft in den
Versorgungswerken der regional organisierten Ärztekammern versichert. In
Deutschland gibt es zurzeit 17 Ärztekammern.
7
Berufsunfähigkeit wird von den verschiedenen Versorgungswerken
unterschiedlich definiert, wobei grundsätzlich der Fall der Berufsunfähigkeit
abgesichert wird. Eine Verweisung auf eine Tätigkeit außerhalb der ärztlichen
Tätigkeitsfelder ist von keinem der Versorgungswerke vorgesehen.
Einige der Versorgungswerke fordern für die Feststellung der Berufsunfähigkeit
lediglich die dauernde oder vorübergehende Unfähigkeit zur Ausübung des
Berufes infolge eines körperlichen Gebrechens oder einer Schwäche seiner
körperlichen oder geistigen Kräfte, wobei bei vorübergehender
Berufsunfähigkeit eines niedergelassenen Mitgliedes die Praxis während der
Dauer des Ruhegeldbezuges durch einen Vertreter fortgeführt werden kann
(Sächsische Ärzteversorgung, 2008).
Andere Versorgungswerke, so auch die in der vorliegenden Arbeit untersuchte
Ärztekammer Nordrhein, definieren die Berufsunfähigkeit besonders
weitreichend unter Bezug auf die Approbation, was dazu führt, dass es keine
teilweise Berufsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit auf Zeit gibt.
Ausgeschlossen wird hier jede ärztliche Tätigkeit, also jede Tätigkeit, bei der die
ärztliche Vorbildung ganz oder teilweise verwandt werden kann. Anspruch auf
Berufsunfähigkeitsrente besteht außerdem nicht, wenn die ärztliche Praxis
durch Vertreter oder Assistenten weitergeführt wird (Nordrheinische
Ärzteversorgung, 2011).
Diese sehr strenge Definition bedeutet für den berufsunfähigen Arzt eine
komplette Aufgabe seines Arztberufes, den er unter Mühen erlangt hat und der,
trotz der oben beschriebenen Schwierigkeiten, in der öffentlichen
Wahrnehmung immer noch die Berufsprestige-Skala anführt (Institut für
Demoskopie Allensbach, 2011).
2011 bezogen in Deutschland 2.253 Ärzte eine Berufsunfähigkeitsrente, dies
entspricht 0,5% der gesamten Ärzteschaft (Bundesärztekammer, 2012). In der
Ärzteversorgung Nordrhein waren es 2010 mit 376 Empfängern einer
Berufsunfähigkeitsrente 0,8% der Mitglieder (Nordrheinische Ärzteversorgung,
2012).
8
Daneben existiert ein seit der oben genannten Gesetzesänderung
expandierender Markt an privaten Versicherungen, auf deren unterschiedliche
Konzepte hier nicht weiter eingegangen wird.
1.2 Ursachen und begünstigende Faktoren für eine
eingeschränkte berufliche Leistungsfähigkeit
Die wachsende Bedeutung psychischer Erkrankungen als Risikofaktor für die
Entwicklung einer eingeschränkten beruflichen Leistungsfähigkeit ist
mittlerweile allgemein anerkannt (u. a. Dohrenbusch and Balg, 2011; Michon et
al., 2008; Lang and Hellweg, 2006).
Weltweit liegen psychische Erkrankungen unter den häufigsten Ursachen für
eine mittel- bis schwergradige Behinderung.
Die WHO führt Depressionen mit einer Gesamtprävalenz von 98,7 Millionen
hierbei an dritter Stelle an. Unter den 20 führenden, zu Behinderung führenden
Erkrankungen finden sich sieben Diagnosen aus dem Kapitel V (psychische-
und Verhaltensstörungen) der ICD-10.
In den Ländern mit hohem Einkommen ist die Bedeutung der psychischen
Erkrankungen noch deutlich ausgeprägter (WHO, 2008).
In der Europäischen Union leidet derzeit 38,2% der Bevölkerung innerhalb
eines Jahres an mindestens einer psychischen Störung (Wittchen et al., 2011).
Auch für Deutschland ist bei den Gründen für verminderte Erwerbsfähigkeit der
zunehmende Stellenwert psychischer Erkrankungen festzustellen. Lagen die
psychischen Störungen bei den Rentenzugängen wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit der Deutschen Rentenversicherung 1990 noch mit 13,8% an
zweiter Stelle hinter Skelett-, Muskel- und Bindegewebserkrankungen (29,7%),
so standen sie 2010 mit 39,3% klar an erster Stelle. Die nun zweitplatzierten
Skelett-, Muskel- und Bindegewebserkrankungen fielen auf einen Anteil von
14,7% (Statistik der Deutschen Rentenversicherung, 2011).
9
Neben den die Statistik der zu Berentung führenden psychiatrischen Diagnosen
anführenden Depressionen sind die für die Untergruppe der unter
Vierzigjährigen am häufigsten als Einzelursache für Erwerbsminderungen
auftretenden Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis von
Bedeutung.
Des Weiteren werden Persönlichkeiten des Cluster B, im Einzelnen die
antisozialen, histrionischen, emotional instabilen und narzisstischen
Persönlichkeiten, mit früherem Eintreten von verminderter Erwerbsfähigkeit in
Verbindung gebracht. Vermeidende, dependente, schizoide und paranoide
Persönlichkeiten sind ebenfalls statistisch signifikant mit einem höheren Risiko,
eine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit zu entwickeln,
verbunden (Lang and Hellweg, 2006).
Eine niederländische Forschergruppe konnte 2008 feststellen, dass
Persönlichkeitseigenschaften wie Neurotizismus, eher externer Attributionsstil
und geringes Selbstwertgefühl das Risiko für eingeschränkte Arbeitsfähigkeit
unabhängig von eventuell bestehenden psychischen Erkrankungen erhöhen
(Michon et al., 2008).
Auch Dohrenbusch und Balg stellten die Bedeutung nicht krankheitswertiger
Persönlichkeitsmerkmale und stabiler Verhaltensmuster als eine spätere
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit begünstigend heraus (Dohrenbusch and Balg,
2011).
Interpersonelle Konflikte konnten als wichtigster Prädiktor für
Erwerbsunfähigkeit bei einer Studie an 15.348 finnischen Angestellten
herausgestellt werden (Appelberg et al., 1996)
1.3 Situation der Ärzte
Im Hinblick auf Gründe für eine eingeschränkte berufliche Leistungsfähigkeit
und diese begünstigende Faktoren liegen also einige Untersuchungen vor.
10
Die aktuelle Studienlage zur Ärztegesundheit im Allgemeinen und insbesondere
zur Berufsunfähigkeit bei Ärzten in Deutschland ist jedoch noch sehr gering und
wenig aussagekräftig.
In einer kleinen Studie des Instituts für medizinische Psychologie der Universität
Heidelberg konnten bei zuvor wegen Depressionen, Substanzabhängigkeit oder
„Burnout“ hospitalisierten Ärzten neben der hohen zeitlichen Beanspruchung
die wachsenden bürokratischen Anforderungen und die doppelte Belastung aus
dem Versuch, Familienleben und Beruf zu vereinen als krankheitsfördernd
ausgemacht werden (Zwack et al., 2012).
Die Erkenntnis, dass beruflicher Stress im Sinne der Konstellation „Hohe
Anforderungen – geringe Kontrolle“ und Gratifikationskrisen ein Risiko für die
psychische Gesundheit, insbesondere für das Auftreten von Depressionen
darstellt konnte auch und gerade für den ärztlichen Bereich in einem
umfassenden Übersichtsartikel, der die Internationale Studienlage
berücksichtigt, solide belegt werden. Als weitere Faktoren wurden hohe
psychische und zeitliche Anforderungen, belastende Beziehungen zu Patienten,
zu Kollegen, zu anderen Berufsgruppen sowie Vorgesetzten identifiziert
(Angerer et al., 2008).
Ein Überblick über die internationale Studienlage unter besonderer
Berücksichtigung des „Norwegian Physicians’ Survey“ konnte zeigen, dass
einige psychische Erkrankungen wie Depressionen und Substanzabhängigkeit
im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei Ärzten gehäuft auftreten. Das
Auftreten psychischer Erkrankungen wurde als mit geringer Kontrolle über
Arbeitsabläufe, Zeitdruck, Schlafmangel und emotional fordernden Patienten
assoziiert aufgezeigt. Ferner stellte sich heraus, dass Ärzte weniger häufig
selbst professionelle Hilfe suchen und Selbstmedikation mit fließenden
Übergängen zu Substanzmissbrauch ein verbreitetes Phänomen ist (Tyssen,
2007).
Eine Untersuchung zum arbeitsbezogenen Stress bei an einer schwedischen
Universitätsklinik angestellten Ärzten konnte Zeitdruck als häufigsten und am
11
intensivsten empfundenen Stressor identifizieren, dieser trat bei der
untersuchten Stichprobe vor allem im Zusammenhang mit dem Konflikt
zeitlicher Anforderungen zwischen klinischer und wissenschaftlicher Arbeit auf.
Für die weiblichen Studienteilnehmer war ferner die Vereinbarkeit von Familie
und Arbeit mit höherem Stress verbunden (Lindfors et al., 2009).
1.4 Feststellung der Berufsunfähigkeit bei Ärzten unter
Berücksichtigung von Verfälschungstendenzen
Ein amerikanischer Artikel aus dem Jahre 1998, der sich mit der Situation
privater Berufsunfähigkeitsversicherer insbesondere bei der Beurteilung von
Antragsstellern aus dem ärztlichen Bereich beschreibt einen Anstieg der
Anträge auf Berufsunfähigkeitsrente. Die Autoren vermuten als Ursache hierfür,
dass die in den 1990er stattgehabten Veränderungen der Arbeitsbedingungen
in den Vereinigten Staaten dazu geführt haben, dass die finanziellen Vorteile
einer anerkannten Berufsunfähigkeit die Vorzüge einer ärztlichen Tätigkeit
übertreffen. Anhand von Fallbeispielen werden Empfehlungen zur
Begutachtung von Antragsstellern gegeben, diese beinhalten neben einer
kompletten multiaxialen Diagnostik nach dem DSM IV das Einholen von
Informationen Dritter, die Durchführung einer psychologischen Testung,
insbesondere eines MMPI-2 sowie, zumindest in einigen Fällen, die
Überwachung durch private Ermittler (Wall and Appelbaum, 1998)
Die Feststellung der Berufsunfähigkeit erfolgt hierzulande nach Antragsstellung
an die zuständige Ärzteversorgung mittels eines Gutachtenverfahrens.
Um den speziellen Herausforderungen der Begutachtung der beruflichen
Leistungsfähigkeit zu begegnen und die Kriterien, die zur Entscheidungsfindung
führen, inhaltlich und methodisch angemessener, transparenter und
nachvollziehbarer zu machen, hat die deutsche Gesellschaft für
psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie (DGPM) mit dem
Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) eine Leitlinie zur
12
Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen
herausgegeben.
In diesen Leitlinien wird angeraten, unterschiedliche diagnostische Methoden
und Ebenen zu verwenden. Der Einsatz geeigneter psychologischer
Testverfahren wird empfohlen.
Darüber hinaus sollen die vom Antragssteller vorgebrachten Beschwerden
grundsätzlich mittels geeigneter Methoden validiert werden, um
Verfälschungstendenzen wie Simulation, Aggravation, Dissimulation und
Verdeutlichungstendenz zu identifizieren.
Simulation wird als das bewusste und absichtliche Vortäuschen einer
krankhaften Störung zu bestimmten, klar erkennbaren Zwecken, insbesondere
um materielle und andere unmittelbare Vorteile zu erhalten, definiert, wobei das
Vorkommen bei sozialrechtlichen Beurteilungen als gering veranschlagt wird.
Die Aggravation wird als die bewusst intendierte, verschlimmernde bzw.
überhöhende Darstellung einer vorhandenen Störung zum Zweck der
Erlangung von (materiellen) Vorteilen definiert. Die Abgrenzung zur
Verdeutlichungstendenz besteht darin, dass es sich bei der
Verdeutlichungstendenz um ein nicht bewusst gesteuertes Verhalten handelt,
das das Gegenüber vom Vorhandensein der geschilderten Symptome
überzeugen soll, ohne dass materielle oder andere direkte Vorteile ersichtlich
sind. Die Aggravation wird hier als in 20 – 40% der Begutachtungen in
verschiedener Ausprägung auftretend beschrieben, die Verdeutlichungstendenz
als auch außerhalb der Gutachtensituation häufiges Phänomen (DGPM et al.,
2012).
Die erste Untersuchung zu eingeschränkter Kooperativität bei neurologisch-
psychiatrischen Begutachtungen in Deutschland erfolgte 2006. Bei 44,3% der
Begutachteten wurde der Verdacht auf eine unzureichende Kooperativität
ausgesprochen. In der Untergruppe der psychischen Störungen traf dies auf
44,4% zu (Merten et al., 2006).
Diese Ergebnisse bestätigten sich in einer deutschen Studie zum Auftreten von
Verfälschungstendenzen in psychiatrischen und psychologischen
Begutachtungen, in der für 44,6% der Untersuchten eine relevante Tendenz zur
13
Aggravation ihrer Beschwerden beziehungsweise zur Dissimulation ihrer
Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden konnte (Stevens et al., 2008).
Der Nachweis einer Verfälschungstendenz erfordert systematische Prüfungen
unter Einbeziehung testpsychologischer Methoden, zum Beispiel Wiener und
Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen und die Korrekturskala des MMPI-2
(Dohrenbusch et al., 2011).
Wegen der besonderen Bedeutung kognitiver Einbußen zur Beurteilung einer
Berufsunfähigkeit wird außerdem empfohlen, diese über eine gesonderte
neuro- oder leistungspsychologische Befunderhebung zu prüfen (Merten and
Dohrenbusch, 2010).
1999 stellten Slick und Sherman fest, dass der diagnostische Prozess
hinsichtlich Verfälschungstendenzen trotz Fortschritten im diagnostischen
Prozedere weiterhin schwierig und weitgehend idiosynkratisch bleibe. Nach
ausführlicher Wertung der vorliegenden Literatur schlugen sie standardisierte
Kriterien für das Vorliegen verfälschter kognitiver Dysfunktion vor, die, analog
zu anderen Diagnoseschemata für Erkrankungen, die nicht zu 100%
zweifelsfrei diagnostiziert werden können, eine Unterteilung in definitive,
wahrscheinliche und möglicher Verfälschung ermöglichen.
Auch hier wird die Verwendung der Validitätsskalen beziehungsweise von
Indizes aus dem MMPI-2 namentlich empfohlen.
Für alle Untersuchungen zu Verfälschungstendenzen gilt jedoch die
Einschränkung, dass diese nur sehr selten zugeben werden und auch durch
eine differenzierte diagnostische Herangehensweise nicht zweifelsfrei bewiesen
oder ausgeschlossen werden können, so dass der tatsächliche Anteil an
Verfälschungen nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann (Slick, Sherman et
al., 1999).
Es ist noch wenig darüber bekannt, was die zur Anerkennung einer
Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit nicht ausreichend Beeinträchtigten
oder Verfälschungstendenzen zeigenden Antragssteller auszeichnet.
14
Eine amerikanische Studie konnte bei 19% der Antragssteller auf eine Rente
wegen geminderter Erwerbsfähigkeit Verfälschungstendenzen identifizierten.
Der einzige Prädiktor hierfür war ein vom Antragssteller berichteter
Substanzmissbrauch (Griffin et al., 1997).
Eine neuere mexikanische Studie zur Simulation bei Rentenbegehren wegen
verminderter Erwerbsfähigkeit konnte feststellen, dass die als simulierend
eingestuften Antragssteller signifikant seltener depressive Symptome oder
pathologische Befunde im EEG oder der kranialen Computertomographie
zeigten. Darüber hinaus waren sie besser ausgebildet und zeigten eine längere
Krankschreibung im Vorfeld des Rentenverfahrens auf als die nicht als
simulierend eingestuften Antragssteller (Quezada-Ortega et al., 2006).
15
2. Zielsetzung
In dieser Arbeit wurden psychologische Gutachten zur Frage der
Berufsunfähigkeit von Ärzten, die aufgrund psychischer Beschwerden einen
Rentenantrag eingereicht hatten, untersucht.
Neben einer Analyse, welche psychischen Erkrankungen tatsächlich zur
Berufsunfähigkeit führten oder zur Begründung von Berufsunfähigkeit geltend
gemacht wurden, wurde insbesondere untersucht, welche Antragssteller
vorgaben, berufsunfähig zu sein, ohne die Bedingungen zu erfüllen.
Über die zahlenmäßige Erfassung des Anteils dieser Gruppe an den
Antragsstellern hinaus wurde untersucht, was sie demographisch,
anamnestisch und testpsychologisch charakterisiert und von den als
berufsunfähig Anerkannten unterscheidet.
Außer der Untersuchung aktueller psychopathologischer Auffälligkeiten wurden
hierbei auch störungsunabhängige Persönlichkeitseigenschaften, die eine
mögliche Disposition für ein Rentenbegehren darstellen könnten, berücksichtigt.
Im Sinne der hier behandelten Fragestellung wurde des Weiteren besonderes
Augenmerk auf Hinweise für eine Verfälschungstendenz im Sinne einer
Aggravation gelegt.
16
3. Methode
3.1 Stichprobe
An einer anfallenden Stichprobe wurden an der Abteilung für Psychiatrie und
Psychotherapie der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen (Ärztlicher Leiter
Prof. Dr. E. Klieser) für die Nordrheinische Ärzteversorgung Ärzte auf ihre
Berufsunfähigkeit hin begutachtet. Die begutachteten Ärzte machten
psychische Beeinträchtigungen zur Begründung eines Anspruches auf
Berufsunfähigkeitsrente geltend.
Die gutachterliche Untersuchung basierte auf einem ausführlichen freien
Interview, einer modifizierten Version des Fragebogens zur Lebensgeschichte
von Lazarus und weiteren psychodiagnostischen Verfahren.
Die gutachterliche Diagnosestellung erfolgte nach den Kriterien der ICD-10.
3.2 Definition der Berufsunfähigkeit
Gemäß § 10, Absatz 1 der Satzung der Nordrheinischen Ärzteversorgung ist
Berufsunfähigkeit wie folgt definiert: „Berufsunfähig ist ein Mitglied, wenn es
infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner
körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, eine ärztliche Tätigkeit
auszuüben. Ärztliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, bei der die ärztliche Vorbildung
ganz oder teilweise verwandt werden kann.“ (Nordrheinische Ärzteversorgung,
2011)
3.3 Datensammlung
Ausgewertet wurden 90 medizinisch-psychologische Gutachten, die im
Zeitraum vom 27.07.2000 bis zum 01.07.2007 erstellt wurden.
17
Aus den Gutachten wurden als Basisdaten Alter und Geschlecht des
Begutachteten entnommen.
Neben der grundsätzlichen Frage, ob die beantragte Berufsunfähigkeit
festgestellt werden konnte, wurden die im Rahmen der Begutachtung gestellten
Diagnosen ausgewertet.
Die bei Antragstellung an erster Stelle zur Begründung der Berufsunfähigkeit
angeführten Diagnosen wurden ebenfalls erhoben und nach dem ICD-10 (WHO
and DIMDI, 2011) eingeordnet, soweit dies noch nicht im Antrag erfolgt war.
Ebenso wurde die Anzahl der bei Antragstellung angeführten Diagnosen
ermittelt.
Es wurde eruiert, ob eine psychiatrische Therapie stattgefunden hatte, und,
wenn ja, beurteilt, ob diese nach den Kriterien des Facharztstandards als
adäquat einzuschätzen war.
Aus dem Fragebogen zur Lebensgeschichte wurden das Fachgebiet, der
Familienstand, die Selbsteinschätzung der finanziellen Lage und des
Schweregrades der vorliegenden Probleme sowie das Erreichen
beziehungsweise Nichterreichen des ursprünglichen Berufszieles entnommen.
Das testpsychologische Inventar bestand aus Persönlichkeitstests und
Leistungstests. Erstere setzten sich im Einzelnen aus dem
normalpsychologischen 16 Persönlichkeitsfaktoren-Fragebogen (16PF-R) von
Cattell und dem klinischen Persönlichkeitsinventar Minnesota Multiphasic
Personality Inventory – 2 (MMPI-2) zusammen.
Zur Hirnleistungsdiagnostik wurden der Mehrfach-Wortwahl-Test (MWT), der
Syndrom-Kurztest (SKT), der cerebrale-Insuffizienz-Test (cI-Test) sowie der
Abbauindex nach Sturm et al. verwandt.
Der 16PF war in 81 der Gutachten enthalten. Aus dem 16PF wurden die Sten-
Werte der 16 Persönlichkeitsfaktoren erhoben.
Ein MMPI wurde bei 88 Antragsstellern erhoben. Zwei Gutachten enthielten
kein MMPI. In 88 Gutachten lagen also 13 Basisskalen, bestehend aus drei
18
Validitätsskalen und zehn klinischen Skalen vor. 58 Gutachten enthielten
zusätzlich 101 Unterskalen.
Aus den MMPI wurden die bei allen vorhandenen Versionen vorliegenden T-
Werte der 13 Basisskalen verwandt. Aus den in der Langform vorliegenden
Tests wurden zusätzlich die T-Werte ausgewählter Zusatzskalen erhoben.
Aus den vorhandenen Hirnleistungstests wurden der Abbauindex, der in 82
Gutachten vorlag, sowie die Ergebnisse des MWT, der in 84 Fällen enthalten
war, des SKT, von dem 77 zur Verfügung standen, und des cI-Testes, der
85mal zur Verfügung stand, entnommen.
3.3.1 MMPI-2
Das verwendete Minnesota Multiphasic Personality Inventory-2 (Hathaway and
McKinley, 2000) ist ein mehrdimensionales Verfahren zur störungsorientierten
Erfassung der Persönlichkeit. Er eignet sich von der Anlage her besonders zur
Unterscheidung zwischen psychisch Kranken im Sinne der Zugehörigkeit zur
einer der etablierten Krankheitskategorien und Gesunden. In den Gutachten
fand die deutsche Adaptation Verwendung.
Ausgewertet wurden im Rahmen der Begutachtung die folgenden Skalen:
Die Validitätsskalen L (Lügenskala), F (Seltenheitsskala) und K
(Korrekturskala), die Auskunft darüber geben, ob der Proband sich
selbstbeschönigend, mit Übertreibung seiner Probleme oder die Mitteilung von
Problemen zurückhaltend beschrieben hat.
Als klinische Skalen wurden die Basisskalen Hd (Hypochondrie), D
(Depression), Hy (Hysterie, Konversionsstörung), Pp (Psychopathie,
Soziopathie, antisoziale Persönlichkeitsstörung), Mf (männliche versus
weibliche Interessen), Pa (Paranoia), Pt (Psychasthenie), Sc (Schizophrenie),
Ma (Hypomanie) und Si (soziale Introversion) gebildet.
Weiterhin wurden bei einem Teil der Probanden Zusatzskalen berechnet.
Für die Skalen D, Hy, Pp, Pa und Ma wurden Wiener und Harmons Subtil-
Offensichtlich-Subskalen (Wiener and Harmon, 1946) gebildet, die zur
19
Beurteilung einer Simulations- bzw. Dissimulationstendenz zusätzlich
herangezogen werden können.
Die weiteren in der vorliegenden Arbeit berücksichtigten Skalen tragen folgende
Bezeichnungen:
Aus den Inhaltsskalen (Butcher et al., 1989) ASP (antisoziales Verhalten), WRK
(berufliche Probleme) und TRT (negative Behandlungsindikatoren), aus den
Inhaltskomponentenskalen (Ben-Porath and Sherwood, 1993) ASP1
(antisoziale Einstellungen), ASP2 (antisoziale Handlungen) und TRT1 (niedrige
Motivation) sowie aus den Harris-Lingoes-Subskalen (Harris and Lingoes,
1955) Ma1 (mangelnde Moral) und sc4 (Ich-Mangel im Wollen).
Die T-Werte sind mit einem Mittelwert von 50 und einer Streuung von 10
verteilt.
Im Testmanual erfolgt zur Interpretation für die Validitätsskalen und die
klinischen Basisskalen jeweils eine Graduierung des T-Wert-Niveaus in fünf
Stufen (niedrig – mittel – erhöht – hoch – sehr hoch).
3.3.2 16 PF-R
Der 16-Persönlichkeits-Faktoren-Test-R (Cattell et al., 1998) ist ein
normalpsychologischer Persönlichkeitstest, der mittels eines multifaktoriellen
Fragebogens die Persönlichkeit des Probanden durch Ermittlung der jeweiligen
Merkmalsausprägung auf 16 bipolaren Skalen beschreibt. Der Test nimmt für
sich in Anspruch, grundlegende, überdauernde Persönlichkeitseigenschaften zu
erfassen.
Die 16 Skalen sind wie folgt benannt: Skala A (Wärme), Skala B (Logisches
Schlussfolgern), Skala C (emotionale Stabilität), Skala E (Dominanz), Skala F
(Lebhaftigkeit), Skala G (Regelbewusstsein), Skala H (soziale Kompetenz),
Skala I (Empfindsamkeit), Skala L (Wachsamkeit), Skala M (Abgehobenheit),
Skala N (Privatheit), Skala O (Besorgtheit), Skala Q1 (Offenheit für
Veränderung), Skala Q2 (Selbstgenügsamkeit), Skala Q3 (Perfektionismus) und
Skala Q4(Anspannung).
20
Die Stenwerte verteilen sich mit einem Mittelwert von 5,5 und einer Streuung
von 2 Punkten.
3.3.3 MWT
Der Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest wurde in den Parallelformen A
(Lehrl et al., 1991) und B (Lehrl, 1992) verwendet. Er ist ein Leistungstest zur
Messung des allgemeinen prämorbiden Intelligenzniveaus und wurde so
konstruiert, dass er weitgehend unabhängig von sekundären Abbauprozessen
oder psychogenen Leistungsbeinträchtigungen ist.
3.3.4 SKT
Der Syndrom-Kurz-Test (Erzigkeit, 1977) ist ein Leistungstest zur Erfassung
kognitiver Leistungsstörungen im klinischen Bereich, der aufgrund seines
Aufbaus auch bei ausgeprägten kognitiven Störungen und anderweitigen
Einschränkungen, beispielsweise der Sehfähigkeit oder der manuellen
Geschicklichkeit, eingesetzt werden kann.
3.3.5 cI-Test
Der cerebrale-Insuffizienz-Test (Lehrl and Fischer, 1997) ist ein
Screeningverfahren, das bereits leichte kognitive Einschränkungen detektieren
soll.
3.3.6 Abbauindex
Der Abbauindex wurde (Sturm et al., 1975) aus den Untertests allgemeines
Wissen und allgemeines Verständnis des Verbalteils und den Untertests
21
Zahlen-Symbol-Test und Mosaik-Test des Handlungsteils des Hamburg-
Wechsler-Intelligenztests für Erwachsene berechnet.
Er beruht auf der Annahme, dass die Untertests des Verbalteiles als
„beständige Tests“ unempfindlicher auf erworbene Hirnleistungsstörungen
reagieren als die als „unbeständige Tests“ eingestuften Untertests aus dem
Handlungsteil und soll daher eine Einschätzung der Ausprägung des kognitiven
Abbaus erlauben.
3.3.7 Fragebogen zur Lebensgeschichte
Der Fragebogen zur Lebensgeschichte (Lazarus and Zimmer, 1972), hier in
einer für die Gutachten überarbeiteten Version vorliegend, erhebt umfassende
biographische und krankheitsbezogene Daten.
3.4 Auswertung
Die statistische Auswertung erfolgte mittels des Computerprogramms SPSS für
Windows Version 11.0.1.
Für die nominal skalierten Variablen Geschlecht, Berufsunfähigkeit,
Gutachtendiagnose, Antragsdiagnose und Familienstand wurden im ersten
Auswertungsschritt die Häufigkeiten und Modalwerte berechnet.
Für das Alter der Begutachteten wurden für die gesamte Stichprobe sowie
unterteilt nach Geschlecht und Berufsunfähigkeit Median und arithmetisches
Mittel, Minimum, Maximum und Variationsbreite (Range) sowie die
Standardabweichung und der Standardfehler berechnet.
Mittelwertsdifferenzen wurden mittels t-Tests auf Signifikanz überprüft.
Für die Beurteilung der bisherigen Therapie als auch für die
Selbsteinschätzungen des Schweregrades, der finanziellen Lage und des
Erreichens des individuellen Berufsziels wurde jeweils ein Mann-Whitney U-
22
Test durchgeführt, um zu prüfen, ob sich die Stichproben der Berufsunfähigen
gegenüber den nicht Berufsunfähigen in der Verteilung der Rangplätze
signifikant voneinander unterscheiden.
Aus den Basisskalen des MMPI-2 wurden die Mittelwerte der T-Werte für die
gesamte Stichprobe sowie für die Untergruppen der Berufsunfähigen und der
nicht Berufsunfähigen bestimmt. Zur Bestimmung eines möglichen
Zusammenhanges zwischen der Ausprägung der verschiedenen Skalen und
der Frage der Berufsunfähigkeit wurden die Mittelwertsdifferenzen zwischen
den beiden Gruppen mittels eines t-Tests auf Signifikanz geprüft.
Als Maß für eine Aggravationstendenz wurde in Anlehnung an den F-minus-K-
Index (Gough, 1947, 1950) die Differenz zwischen den T-Werten der
Seltenheitsskala F und der Korrekturskala K berechnet. Es wurden auch hier
die Mittelwerte für die als berufsunfähig und die als nicht berufsunfähig
Begutachteten getrennt berechnet und sodann zur Prüfung eines
Zusammenhanges mit dem Vorliegen der Berufsunfähigkeit ein t-Test für die
Mittelwertsdifferenzen der so erhaltenen Werte durchgeführt.
Als weiteres Maß für eine Aggravationstendenz gingen die Subskalen von
Wiener und Harmon in die Analyse ein, indem jeweils die Differenz zwischen
der offensichtlichen und der subtilen Subskala der Skalen D (Depression), Hy
(Hysterie, Konversionsstörung), Pp (Psychopathie, Soziopathie, antisoziale
Persönlichkeitsstörung), Pa (Paranoia) und Ma (Hypomanie) berechnet wurde.
Die sich hieraus ergebenden Mittelwerte wurden erneut für die gesamte
Stichprobe und für die beiden Gruppen getrennt berechnet. Letztere wurden
ebenfalls per t-Test auf einen stochastischen Zusammenhang zur
Berufsunfähigkeit überprüft.
Darüber hinaus wurden aus den Zusatzskalen die Inhaltsskalen ASP
(Antisoziales Verhalten), WRK (Berufliche Probleme) und TRT (Negative
Behandlungsindikatoren) sowie die Inhaltskomponentenskalen ASP1
(Antisoziale Einstellungen), ASP2 (Antisoziale Handlungsweisen) und TRT1
(Niedrige Motivation) und die Harris-Lingoes-Subskalen MA1 (Mangelnde
Moral) und sc4 (Ich-Mangel im Wollen) als mögliche Indikatoren für eine
erhöhte Aggravationsbereitschaft nach dem gleichen Vorgehen auf einen
Zusammenhang mit der Berufsunfähigkeit überprüft.
23
Für die im 16PF-R abgebildeten Persönlichkeitsfaktoren wurde zunächst das
Mittelwertprofil aller Untersuchten auf Abweichungen zur Normalpopulation
untersucht. Zur Prüfung eines Zusammenhanges zur Berufsunfähigkeit wurden
sodann die Mittelwerte der Sten-Werte der Berufsunfähigen und der nicht
Berufsunfähigen verglichen. Die Mittelwertsdifferenzen wurden einem t-Test
unterzogen, um zu prüfen, ob sich signifikante Unterschiede grundlegender
Persönlichkeitsmerkmale zwischen den Berufsunfähigen und den nicht
Berufsunfähigen ermitteln lassen.
Aus den vorliegenden Leistungstests wurden die Ergebnisse des Abbauindex
anhand der für die jeweilige Altersgruppe zu erwartenden Ergebnisse in
altersgemäßen versus nicht altersgemäßen Abbau eingeordnet. Für diese
beiden Gruppen wurde der Zusammenhang zur Berufsunfähigkeit mittels
Kontingenzanalyse mit Kreuztabelle und Chi-Quadrat geprüft.
Für die Ergebnisse des SKT wurde zunächst für die gesamte Stichprobe
arithmetisches Mittel, Minimum, Maximum und Variationsbreite (Range) sowie
die Standardabweichung und der Standardfehler berechnet. Für die Gruppen
der Berufsunfähigen und der nicht Berufsunfähigen erfolgte eine gesonderte
Berechnung der Mittelwerte, die Mittelwertsdifferenz wurde im Hinblick auf
einen Zusammenhang mit der Berufsunfähigkeit einem t-Test unterzogen.
Für den cI-Test wurde der Zusammenhang zwischen Berufsunfähigkeit und
dem Vorliegen einer zerebralen Insuffizienz nach den Kriterien des cI-Tests
mittels Kontingenzanalyse mit Kreuztabelle und Chi-Quadrat geprüft.
Für den MWT wurden für die gesamte Stichprobe sowie für die Subgruppen der
Berufsunfähigen und der nicht Berufsunfähigen arithmetisches Mittel, Minimum,
Maximum, Variationsbreite (Range), Standardabweichung und Standardfehler
bestimmt. Die Mittelwertsdifferenz der beiden Untergruppen wurde mittels t-Test
auf Signifikanz geprüft.
24
Die Standardabweichung wurde jeweils in Klammern hinter dem betreffenden
Wert als SD angegeben, der Standardfehler analog als SE.
Für die gesamte Auswertung wurde das Signifikanzniveau von 5% gewählt, bei
Nichterreichen des Signifikanzniveaus wurde p<0,1 als Tendenz gewertet.
25
4. Ergebnisse
4.1 Stichprobe
4.1.1 Alters– und Geschlechtsverteilung
Zum Zeitpunkt des Gutachtens betrug das Alter aller Begutachteten im Mittel
52,8 (SD 7,463) Jahre, der jüngste Begutachtete war 33 Jahre alt, der Älteste
64 Jahre. Der Altersgipfel aller Begutachteten lag bei 58 Jahren.
Alter
6360575451484542393633
Anz
ahl
10
8
6
4
2
0
Std. Dev = 7,46 Mean = 53N = 90,00
Abbildung 1: Altersverteilung aller Begutachteten
In der nach Geschlechtern getrennten Betrachtung fanden sich bei den
Männern die meisten Antragssteller im Alter von 55 beziehungsweise 58
Jahren. Der jüngste männliche Begutachtete war 36 Jahre alt, der Älteste 63
Jahre. Der Altersdurchschnitt aller Männer betrug 53,53 (SD 7,031) Jahre.
Bei den Frauen zeigte sich der Altersgipfel bei 48 Jahren. Das durchschnittliche
Alter der weiblichen Begutachteten lag bei 51,66 (SD 8,066) Jahren, die jüngste
Frau war 33 Jahre alt, die Älteste 64 Jahre alt.
26
Der Altersunterschied zwischen den männlichen und weiblichen Begutachteten
war nicht signifikant (p=0,249).
Alter
646260585654525048464442403836
Anz
ahl
7
6
5
4
3
2
1
0
Std. Dev = 7,03 Mean = 54N = 55,00
Abbildung 2: Altersverteilung aller männlichen Begutachteten
Alter
6563615957555351494745434139373533
Anz
ahl
5
4
3
2
1
0
Std. Dev = 8,07 Mean = 52N = 35,00
Abbildung 3: Altersverteilung aller weiblichen Begutachteten
27
4.1.2 Familienstand
Der Familienstand war in 84 der Gutachten angegeben. 52 der Antragssteller
waren zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung verheiratet (61,9%), 17 getrennt,
geschieden oder verwitwet (20,2%), die Restlichen 15 (17,9%) waren ledig.
4.1.3 Gebietsbezeichnungen
In der vorliegenden Stichprobe waren 63 (70%) der begutachteten Ärzte
Fachärzte, 27 (30%) hatten keine Gebietsbezeichnung. Unter den männlichen
Begutachteten fanden sich 42 (76,4%) mit gegenüber 13 (23,6%) ohne
Gebietsbezeichnung, bei den weiblichen Begutachteten 21 (60%) mit
gegenüber 14 (40%) ohne Gebietsbezeichnung.
Der Unterschied zwischen den Geschlechtern war gemäß Chi-Quadrat (p=0,09)
nicht signifikant. Tendenzweise waren die Männer relativ häufiger Fachärzte als
die Frauen.
Es fand sich eine breite Verteilung verschiedener Fachrichtungen. Unter den
Ärzten mit Gebietsbezeichnung stellten die Fachärzte für Innere Medizin (15
Begutachtete entsprechend 16,7%)die größte Gruppe, einschließlich je eines
Vertreters der Kardiologie und der Geriatrie. Fachärzte für Anästhesie und aus
dem nervenärztlichen Fachgebiet folgten mit je sieben Personen entsprechend
7.8%, wobei sich die nervenärztliche Gruppe aus je zwei Neurologen,
Psychiatern und Fachärzten beider Gebiete sowie einem Nervenarzt
zusammensetzte. HNO und Allgemeinmedizin waren mit jeweils fünf Ärzten
(5,6%) vertreten, Dermatologie und Radiologie mit je vier (4,4%) sowie
Ophthalmologie und Orthopädie mit je drei Ärzten (3,3%). Je zwei Ärzte fanden
sich aus Arbeitsmedizin, Chirurgie und Urologie (2,2% entsprechend). Die
Fachrichtungen Strahlentherapie, Pädiatrie, Labormedizin, Gynäkologie, waren
je einmal vertreten (jeweils 1,1%).
28
Tabelle 1: Verteilung der Fachgebiete aller Begutachteten
27 30,0 30,0 30,015 16,7 16,7 46,7
7 7,8 7,8 54,4
7 7,8 7,8 62,25 5,6 5,6 67,85 5,6 5,6 73,34 4,4 4,4 77,84 4,4 4,4 82,23 3,3 3,3 85,63 3,3 3,3 88,92 2,2 2,2 91,12 2,2 2,2 93,32 2,2 2,2 95,61 1,1 1,1 96,71 1,1 1,1 97,81 1,1 1,1 98,91 1,1 1,1 100,0
90 100,0 100,0
kein FacharztInnerenervenärztlichesFachgebietAnästhesieAllgemeinmedizinHNODermatologieRadiologieOrthopädieOphtalmologieChirurgieArbeitsmedizinUrologieStrahlentherapiePädiatrieLabormedizinGynäkologieTotal
ValidFrequency Percent Valid Percent
CumulativePercent
4.1.4 Diagnosen
Die überwiegende Anzahl der 90 Begutachteten hatte eine (22 Antragssteller,
24,4% entsprechend) oder zwei (21 Antragssteller, 23,3% entsprechend)
Diagnosen zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht. Drei
Diagnosen machten 17 Ärzte geltend (18,9%), vier Diagnosen (7,8%) wurden
von sieben Antragsstellern angeführt, fünf Diagnosen von acht Begutachteten (8,9%). Mehr als fünf
Diagnosen waren bei insgesamt 15 Personen (16,7%) der Stichprobe
angegeben worden.
29
Anzahl der Diagnosen
>554321
Anz
ahl d
er A
ntra
gsst
elle
r
30
20
10
0
Abbildung 4: Anzahl der geltend gemachten Diagnosen
Bezüglich der Einordnung der an erster Stelle bei Antragsstellung angeführten
Diagnosen nach der ICD-10 überwogen Krankheiten aus dem Kapitel V -
psychische und Verhaltensstörungen, darunter wiederum deutlich die Gruppe
der affektiven Störungen (F30 – F39) mit 51 Nennungen (56,7%). Mit 14
Nennungen (15,6%) folgt die Gruppe der neurotischen, Belastungs- und
somatoformen Störungen (F40 – F48), danach die Gruppe der organischen,
einschließlich symptomatischer, psychischer Störungen (F00 – F09) mit noch
sieben Nennungen (7,8%). Aus der Gruppe Schizophrenie, schizotype und
wahnhafte Störungen (F20 – F29) wurden drei Diagnosen angeführt (3,3%),
aus den psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
(F10 - F19) zwei Diagnosen (2,2%). Je einmal (1,1%) wurden Diagnosen aus
den Gruppen der Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und
Faktoren (F50 – F59), der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 –
F69), der Entwicklungsstörungen (F80 – 89) und der Verhaltens- und
emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit (F90 – F98) geltend
gemacht.
Unter den neun restlichen Diagnosen fanden sich sieben, die nicht aus dem
Kapitel V stammen, jeweils zwei (2,2%) aus den Kapiteln IX - Krankheiten des
Kreislaufsystems und XIII - Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems- und des
Bindegewebes und je eine (1,1%) aus den Kapiteln VI – Krankheiten des
Nervensystems, XVIII - Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde,
30
die andernorts nicht klassifiziert sind und XXI – Faktoren, die den
Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des
Gesundheitswesens führen.
F4
F3
F2
F0
Andere
Abbildung 5: Verteilung der geltend gemachten Diagnosen
Missing
keine
F6
F4
F3
F2
F1
F0
Andere
Abbildung 6: Verteilung der gutachterlichen Diagnosen
Betrachtete man die nach dem Gutachten gestellten Diagnosen, fand sich eine
etwas andere Verteilung. An der Spitze standen auch hier die affektiven
31
Störungen mit 34 Nennungen (38,2%), bereits an zweiter Stelle folgten jedoch
die organischen, einschließlich symptomatischen, psychischen Störungen mit
19 Diagnosen (21,3%).
Mit zehn gestellten Diagnosen aus dieser Gruppe (11,2%) standen die
neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen an dritter Stelle.
Bei neun der Begutachteten (10,1%) wurde eine Diagnose aus dem Spektrum
der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 – 69) als gutachterliche
Hauptdiagnose gestellt
Aus der Gruppe der psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen fanden sich sieben Diagnosen (7,9%) gegenüber zwei bei
Antragsstellung geltend gemachten Diagnosen aus dieser Gruppe.
Zwei der Gutachtendiagnosen (2,2%) stammten nicht aus dem Kapitel V -
psychische und Verhaltensstörungen.
4.1.5 Beurteilung der bisherigen Therapie
Eine Beurteilung der bisherigen therapeutischen Bemühungen war für 89 der
Gutachten möglich. In 44 Fällen (49,4%) war der Antragsstellung eine als
adäquat zu beurteilende Therapie vorausgegangen. 35 (39,3%) der
Begutachteten hatten im Vorfeld nicht dem Facharztstandard für die
Gutachtendiagnose entsprechende Therapien durchgeführt. Bei 10 der
untersuchten Ärzte hatte keinerlei psychiatrische Therapie stattgefunden.
4.1.6 Selbsteinschätzung des Schweregrades der Probleme
Bei der in fünf Grade („leicht“, „mittelschwer“, „sehr schwer“, „extrem schwer“
und „unerträglich“) unterteilten Selbstbeurteilungsskala lag der Median der 80
bearbeiteten Skalen bei „extrem schwer“. Die Verteilung im Einzelnen ist der
folgenden Tabelle zu entnehmen, wobei Doppelnennungen als zwischen den
vorgegebenen Stufen liegend behandelt wurden.
32
Tabelle 2: Selbsteinschätzung des Schweregrades
1 1,1 1,3 1,33 3,3 3,8 5,0
2 2,2 2,5 7,5
20 22,2 25,0 32,5
8 8,9 10,0 42,5
28 31,1 35,0 77,5
6 6,7 7,5 85,0
12 13,3 15,0 100,080 88,9 100,010 11,190 100,0
leicht bis mittelschwermittelschwermittelschwer bis sehrschwersehr schwersehr schwer bisextrem schwerextrem schwerextrem schwer bisunerträglichunerträglichTotal
Valid
keine AngabeMissingTotal
Frequency Percent Valid PercentCumulative
Percent
4.1.7 Selbsteinschätzung der finanziellen Lage
Mit 38 Nennungen schätzte der überwiegende Teil der Begutachteten (50%) die
eigene finanzielle Lage auf der dreiteiligen Skala als „mittel“ ein. 24 beurteilten
diese als „schlecht“ (31,6%).
Als „gut“ bewerteten 10 Antragssteller ihre aktuelle finanzielle Lage (13,2%).
In einem Fall fand sich eine Doppelnennung von „schlecht“ und „mittel“, in drei
von „mittel“ und „gut“. In 14 Fällen war vom Begutachteten keine Einschätzung
vorgenommen worden.
4.1.8 Erreichen des individuellen Berufsziels
Über das Erreichen des individuellen Berufsziels hatten 68 der Begutachteten
Angaben gemacht. 23 (33,8%) gaben an, ihr Berufsziel erreicht zu haben, 26
(38,2%) verneinten dies. 19 (27,9%) Befragte beurteilten ihr individuelles Ziel
als teilweise erreicht.
33
4.2 Testergebnisse
4.2.1 MMPI-2
4.2.1.1 Validitätsskalen
In der Betrachtung der L-(Lügen)-Skala ergab sich für die gesamte Stichprobe
ein niedriger Mittelwert von 46,90 (SE 1,02). Dies spricht für eine mögliche
Simulation und gegen eine selbstbeschönigende Darstellung.
Auf der F-(Seltenheits)-Skala lag der Mittelwert bei 61,01 (SE 1,22). Dies ist ein
leicht erhöhter Wert und spricht für ein wahrscheinlich gültiges Protokoll.
Für die K-(Korrektur)-Skala lag der Mittelwert mit 46,11 (SE 0,89) im mittleren
Niveau, was als Balance zwischen Selbstschutz und Öffnung interpretiert wird.
4.2.1.2 Klinische Basisskalen
Unter den klinischen Skalen war die Skala D (Depression) mit einem sehr
hohen Mittelwert von 80,33 (SE 1,17) die Auffälligste. Personen, die T-Werte
über 75 erzielen, werden im Manual als zurückgezogen, von Problemen
überwältigt, hoffnungslos, schuldbeladen, Gefühlen der Wertlosigkeit und
Unzulänglichkeit erlebend, sich intensiv mit Tod und Suizid beschäftigend,
verzagt und verlangsamt in Gedanken und Handlungen beschrieben.
Hohe Mittelwerte ergaben sich für die Skalen Hd (Hypochondrie): 69,69 (SE
1,21), Hy (Hysterie, Konversionsstörung): 73,41 (SE 1,17), Pp (Psychopathie,
Soziopathie, antisoziale Persönlichkeitsstörung): 66,02 (SE 1,13), Pt
(Psychasthenie): 73,41 (SE 1,43), Sc (Schizophrenie): 69,66 (SE 1,17) und Si
(soziale Introversion): 67,33 (SE 1,21).
Erhöht war der Mittelwert der Pa-(Paranoia)-Skala: 64,56 (SE 1,29).
Auf mittlerem Niveau fanden sich die Skalen Mf (männliche versus weibliche
Interessen): 54,56 (SE 1,19) und Ma (Hypomanie): 48,77 (SE 0,97).
34
SiMaScPtPaMfPpHyDHdKFL
Mitt
elw
erte
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Abbildung 7: Mittelwerte der MMPI-2 Basisskalen aller Begutachteten
4.2.1.3 Aggravationstendenz (F-minus-K)
Die Differenz der T-Werte der Skalen F und K rangierten zwischen -19 und 62,
im Mittel betrug sie 14,90 (SE 1,79).
4.2.1.4 Wiener und Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen
Auf der offensichtlichen Depressions-Subskala ergab sich für alle Probanden
ein Mittelwert von 81,37 (SE 1,60), auf der subtilen ein Mittelwert von 54,96 (SE
1,06). Die Differenz zwischen der offensichtlichen und der subtilen Skala betrug
im Mittel 26,40 (SE 2,01).
Für die offensichtliche Hysterie-Subskala war der Mittelwert 73,49 (SE 1,28), für
die subtile 49,96 (SE 1,41). Die Differenz lag im Mittel bei 23,53 (SE 2,12).
Bei der Pp-(Psychopathie, Soziopathie, antisoziale Persönlichkeitsstörung)-
Skala befand sich der Mittelwert der offensichtlichen Subskala bei 68,47 (SE
35
1,53), der der subtilen Subskala bei 56,40 (SE 1,32), der Mittelwert der
Differenz lag bei 12,07 (SE 1,71).
Die Betrachtung der Subskalen der Pa-(Paranoia)-Skala ergab einen Mittelwert
von 63,56 (SE 1,58) für die offene und 61,21 (SE 1,38) für die subtile Subskala.
Die Differenz betrug im Mittel 2,35 (SE 1,74).
Der Mittelwert der offensichtlichen Subskala der Ma-(Hypomanie)-Skala lag bei
56,93 (SE 1,37), der Mittelwert der subtilen bei 39,56 (SE 1,14). In der
Berechnung der Differenz fand sich ein Mittelwert von 17,37 (SE 1,73).
4.2.1.4 Weitere Zusatzskalen
Für die Inhaltsskala ASP (antisoziales Verhalten) fand sich ein Mittelwert von
47,56 (SE 1,49), für WRK (berufliche Probleme) lag er bei 70,23 (SE 1,43), für
TRT (negative Behandlungsindikatoren) betrug er 64,79 (SE 1,66).
Für die untersuchten Inhaltskomponentenskalen errechneten sich die folgenden
Mittelwerte:
ASP1 (antisoziale Einstellungen): 45,00 (SE 1,49), ASP2 (antisoziale
Handlungsweisen): 52,84 (SE 1,36), TRT1 (niedrige Motivation): 67,39 (SE
1,76).
Für die eingeschlossenen Harris-Lingoes-Subskalen ergaben sich folgende
Mittelwerte:
MA1 (mangelnde Moral): 45,18 (SE 1,37), sc4 (Ich-Mangel im Wollen): 79,96
(SE 1,82).
4.2.2 16 PF-R
Die ausgeprägteste Abweichung vom Durchschnitt fand sich auf der Skala C
(emotionale Stabilität). Mit einem Stenwert von 2,95 (SE 0,21) wich die
Stichprobe aller Begutachteten stark in Richtung emotionale Instabilität ab.
Leichte Abweichungen fanden sich für die Skalen B (in Richtung logisches
Schlussfolgern (hoch)), F (in Richtung Ernsthaftigkeit), H (in Richtung
Schüchternheit), I (in Richtung Empfindsamkeit), M (in Richtung
36
Abgehobenheit), O (in Richtung Besorgtheit), Q1 (in Richtung Offenheit für
Veränderung), Q2 (in Richtung Selbstgenügsamkeit) und Q4 (in Richtung
Anspannung). Die übrigen Dimensionen waren in Relation zur
Normierungsstichprobe durchschnittlich ausgeprägt, extrem vom Durchschnitt
der allgemeinen Population abweichende Werte kamen nicht vor.
Die Sten-Werte im Einzelnen finden sich in Tabelle 3.
Q4Q3Q2Q1ONMLIHGFECBA
Mitt
elw
erte
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Abbildung 8: Mittelwerte der 16 PF-R Primärskalen aller Begutachteten
37
Tabelle 3: Übersicht der 16 PF-R Stenwerte der gesamten Stichprobe
81 8 1 9 4,86 ,20 1,780
81 7 3 10 7,43 ,21 1,884
81 7 1 8 2,95 ,21 1,91081 8 1 9 4,73 ,22 2,01381 9 1 10 3,52 ,21 1,89281 9 1 10 5,73 ,24 2,13981 7 1 8 3,52 ,22 2,00181 9 1 10 7,16 ,25 2,28881 9 1 10 4,93 ,25 2,21881 8 2 10 7,21 ,21 1,88981 9 1 10 6,23 ,25 2,21581 9 1 10 7,28 ,23 2,093
81 8 2 10 6,60 ,22 1,954
81 7 3 10 7,12 ,21 1,93381 9 1 10 5,31 ,26 2,37081 7 3 10 6,56 ,23 2,03781
A (Wärme)B (LogischesSchlußfolgern)C (emotionale Stabilität)E (Dominanz)F (Lebhaftigkeit)G (Regelbewußtsein)H (Soziale Kompetenz)I (Empfindsamkeit)L (Wachsamkeit)M (Abgehobenheit)N (Privatheit)O (Besorgtheit)Q1 (Offenheit fürVeränderung)Q2 (Selbstgenügsamkeit)Q3 (Perfektionismus)Q4 (Anspannung)Valid N (listwise)
Statistic Statistic Statistic Statistic Statistic Std. Error StatisticN Range Minimum Maximum Mean Std.
Deviation
4.2.3 MWT
Im MWT erzielten die Probanden einen mittleren IQ von 126,3 (SE 1,35), der
niedrigste Wert betrug 86, der höchste 143, entsprechend einer Variationsbreite
von 57.
4.2.4 SKT
Der Gesamtwert im SKT rangierte zwischen 0 und 23 mit einem Mittelwert von
6,16 (SE 0,54).
38
4.2.5 cI-Test
Nach den Kriterien des cerebrale-Insuffizienz-Tests waren 60 der Probanden
als insuffizient einzustufen, dies entspricht 70,6% der 85 vorliegenden Tests.
Unauffällig im Sinne des cI-Tests schnitten 25 (29,4%) der Probanden ab.
4.2.6 Abbauindex
In 21 Fällen (25,6%) war der Abbauindex altersgemäß oder sogar darunter
liegend, in 61 (74,4%) größer als erwartet als Anzeichen für einen als
pathologisch einzustufenden kognitiven Abbau. Im Mittel lag er bei allen
Begutachteten bei 27,305 % (SE 1,879).
4.2.7 Zur Frage der Berufsunfähigkeit
Nach erfolgter Begutachtung konnte bei 89 der begutachteten Ärzte die Frage
der Berufsunfähigkeit beantwortet werden, dies entspricht 98,9%. Bei Einem
war die Frage nicht zu beantworten.
Bei 45 Ärzten wurde Berufsunfähigkeit festgestellt, dies entspricht 50% der
gesamten Stichprobe bzw. 50,6% der zur Beurteilung Gekommenen, bei 44
konnte keine Berufsunfähigkeit festgestellt werden, entsprechend 48,9% aller
bzw. 49,4% der beurteilbaren Antragssteller.
39
4.3 Zusammenhänge verschiedener Variablen mit der
Berufsunfähigkeit
4.3.1 Zusammenhänge zwischen Alters- und
Geschlechtsverteilung und Berufsunfähigkeit
Das Durchschnittsalter der als berufsunfähig Beurteilten lag bei 54,22 (SD
6,571, Range 24) Jahren. Nach Geschlechtern aufgeteilt ergab sich für die
männlichen Berufsunfähigen ein Durchschnittsalter von 54,61 (SD 6,55, Range
24) Jahren, für die weiblichen eines von 53,59 (SD 6,755, Range 22) Jahren.
Alter
63615957555351494745434139
Anz
ahl
7
6
5
4
3
2
1
0
Std. Dev = 6,57 Mean = 54N = 45,00
Abbildung 9: Altersverteilung der Berufsunfähigen
Entsprechend betrug das durchschnittliche Alter aller nach der Begutachtung
nicht als berufsunfähig Beurteilten 51,2 (SD 8,091, Range 31)Jahre, das der
Männer 52,1 (SD 7,483, Range 26) Jahre, jenes der nicht berufsunfähigen
Frauen 49,83 (SD 8,939, Range 31)Jahre.
Die als berufsunfähig beurteilten Begutachteten waren also im Mittel 3,02 Jahre
älter als die als nicht berufsunfähig beurteilten, die Mittelwertsdifferenz war aber
nicht signifikant auf dem 5%-Niveau (p=0,056).
40
Alter
6563615957555351494745434139373533
Anz
ahl
7
6
5
4
3
2
1
0
Std. Dev = 8,09 Mean = 51N = 44,00
Abbildung 10: Altersverteilung der nicht Berufsunfähigen
4.3.2 Zusammenhänge zwischen Familienstand und
Berufsunfähigkeit
Es waren keine statistisch signifikanten Zusammenhänge festzustellen.
4.3.3 Zusammenhänge zwischen Gebietsbezeichnung und
Berufsunfähigkeit
Bei der Betrachtung der 45 als berufsunfähig beurteilten Ärzte waren die Ärzte
ohne Gebietsbezeichnung und die Internisten mit je elf Vertretern am häufigsten
vertreten (jeweils 24,4% der gesamten Gruppe der Berufsunfähigen
entsprechend). Es folgten mit 4 Personen die Vertreter des nervenärztlichen
Fachgebietes (8,9%), danach drei Orthopäden (6,7%). Dahinter fanden sich mit
je zwei Vertretern (4,4%) Chirurgie, Radiologie, Urologie, Anästhesie und
Ophthalmologie. Je einmal (2,2%) fanden sich unter den Berufsunfähigen
Ärzten Fachärzte für HNO, Pädiatrie, Dermatologie, Allgemeinmedizin,
Arbeitsmedizin und Labormedizin.
41
Tabelle 4: Verteilung der Fachgebiete der Berufsunfähigen
11 24,4 24,4 24,411 24,4 24,4 48,9
4 8,9 8,9 57,8
3 6,7 6,7 64,42 4,4 4,4 68,92 4,4 4,4 73,32 4,4 4,4 77,82 4,4 4,4 82,22 4,4 4,4 86,71 2,2 2,2 88,91 2,2 2,2 91,11 2,2 2,2 93,31 2,2 2,2 95,61 2,2 2,2 97,81 2,2 2,2 100,0
45 100,0 100,0
kein FacharztInnerenervenärztlichesFachgebietOrthopädieChirurgieRadiologieUrologieAnästhesieOphtalmologieHNOPädiatrieDermatologieAllgemeinmedizinArbeitsmedizinLabormedizinTotal
ValidFrequency Percent Valid Percent
CumulativePercent
Unter den 44 nicht als berufsunfähig eingestuften Begutachteten stellten
wiederum die Ärzte ohne Gebietsbezeichnung mit 15 Personen (34,1% der
nicht Berufsunfähigen) die größte Gruppe. Mit fünf Vertretern folgten die
Anästhesisten (11,4%), die Internisten fanden sich, gemeinsam mit den
Fachärzten für HNO und Allgemeinmedizin mit je 4 Personen erst an dritter
Stelle (je 9,1%). Dermatologie und nervenärztliches Fachgebiet waren jeweils
dreimal vertreten (6,8%), die Radiologie zweimal (4,5%). Aus den Gebieten
Strahlentherapie, Ophthalmologie, Gynäkologie und Arbeitsmedizin fand sich in
diesem Teil der Stichprobe je ein Arzt (2,3%).
42
Tabelle 5: Verteilung der Fachgebiete der nicht Berufsunfähigen
15 34,1 34,1 34,15 11,4 11,4 45,54 9,1 9,1 54,54 9,1 9,1 63,64 9,1 9,1 72,73 6,8 6,8 79,5
3 6,8 6,8 86,4
2 4,5 4,5 90,91 2,3 2,3 93,21 2,3 2,3 95,51 2,3 2,3 97,71 2,3 2,3 100,0
44 100,0 100,0
kein FacharztAnästhesieInnereHNOAllgemeinmedizinDermatologienervenärztlichesFachgebietRadiologieStrahlentherapieOphtalmologieGynäkologieArbeitsmedizinTotal
ValidFrequency Percent Valid Percent
CumulativePercent
4.3.4 Zusammenhänge zwischen Diagnose und Berufsunfähigkeit
Für die organischen, einschließlich symptomatischer, psychischen Störungen
(F00 - F09) war festzustellen, dass alle 19 Begutachteten mit einer organischen
Störung als berufsunfähig beurteilt wurden. Bei den Diagnosen aus der Gruppe
der psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10
– F19) standen zwei nicht als berufsunfähig Anerkannte fünf berufsunfähigen
Antragsstellern gegenüber.
Häufiger nicht zu einer anerkannten Berufsunfähigkeit führten Diagnosen aus
dem Spektrum der affektiven Störungen (F30 – F39), hier wurden 20
(entsprechend 58,8% der so klassifizierten Begutachteten) als nicht
berufsunfähig beurteilt, 14 als berufsunfähig, Diagnosen aus der Gruppe der
neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40 – F49) mit sieben
Berufsunfähigen gegenüber drei nicht Berufsunfähigen sowie Diagnosen von
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 – F69), wobei alle neun in der
letztgenannten Gruppe Klassifizierten nicht als berufsunfähig anerkannt wurden
(p<0,001).
43
Gutachtendiagnose
keineF6
F4F3
F2F1
F0Andere
Anza
hl
30
20
10
0
Berufsunfähig
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 11: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach Gutachtendiagnose
geltend gemachte Vordiagnose
F4
F3
F2
F0
Andere
Anz
ahl
30
20
10
0
Berufsunfähig
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 12: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach bei Antragsstellung geltend gemachter
Diagnose
Bezüglich der Anzahl der bei Antragsstellung angegebenen Diagnosen der
nach der Begutachtung als berufsunfähig Beurteilten stellten die jeweils zwölf
Personen (26,7% der 45 Berufsunfähigen) mit nur einer und die mit mehr als
fünf Diagnosen die größte Gruppe, elfmal waren drei Diagnosen geltend
44
gemacht worden (24,4%), sechsmal zwei (13,3%), je zweimal (4,4%) vier bzw.
fünf Diagnosen.
Unter den als nicht berufsunfähig Beurteilten hatten 15 (34,1%) bei der
Antragsstellung zwei Diagnosen geltend gemacht, neun (20,5%) eine Diagnose,
sechs (13,6%) drei oder fünf Diagnosen, fünf (11,4%) vier Diagnosen und drei
(6,8%) mehr als fünf Diagnosen. In der Darstellung als Balkendiagramm ergab
sich folgendes Bild:
Anzahl der geltend gemachten Vordiagnosen
>554321
Anz
ahl
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Berufsunfähig
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 13: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach Anzahl der geltend gemachten Diagnosen
4.3.5 Zusammenhänge zwischen der bisherigen Therapie und der
Berufsunfähigkeit
In der nach der Beurteilung der Berufsunfähigkeit getrennten Betrachtung der
vor der Antragsstellung durchgeführten psychiatrischen Therapien zeigte sich,
dass 26 als nicht berufsunfähig anerkannte Antragssteller bislang keine
adäquate Therapie erhalten hatten während dies nur für neun der als
berufsunfähig anerkannten galt. Unter den bereits adäquat behandelten
Begutachteten fanden sich 29 als berufsunfähig Anerkannte gegenüber 15 nicht
Anerkannten (p=0,001).
45
psychiatrische Therapie
adäquatinadäquatkeine
Anz
ahl
40
30
20
10
0
Berufsunfähigkeit
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 14: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach bisheriger Therapie
4.3.6 Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung des
Schweregrades und der Berufsunfähigkeit
In der nach dem Vorliegen von Berufsunfähigkeit getrennten Betrachtung
schätzen sich die nicht als berufsunfähig Anerkannten tendenziell als schwerer
betroffen ein als die Berufsunfähigen (p=0,056).
46
Schweregrad
unerträglich
extrem schwer
sehr schwer
mittelschwer
Anza
hl
20
15
10
5
0
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 15: Selbsteinschätzung des Schweregrades nach Berufsunfähigkeit
4.3.7 Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung der
finanziellen Lage und der Berufsunfähigkeit
Im Hinblick auf die Selbsteinschätzung der finanziellen Lage ergaben sich keine
statistisch signifikanten Zusammenhänge zur Beurteilung der Frage der
Berufsunfähigkeit.
4.3.8 Zusammenhänge zwischen dem Erreichen des individuellen
Berufszieles und der Berufsunfähigkeit
Das Erreichen oder Nichterreichen des individuellen Berufszieles stand in
keinem Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach der
Berufsunfähigkeit.
47
4.3.9 Unterschiede im MMPI-2 Profil hinsichtlich der
Berufsunfähigkeit
4.3.9.1 Validitätsskalen
Bezüglich der Mittelwertsdifferenzen der drei Validitätsskalen L (Lügenskala), F
(Seltenheitsskala) und K (Korrekturskala) ergaben sich keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Gruppen der Berufsunfähigen und der nicht
Berufsunfähigen.
4.3.9.2 Klinische Basisskalen
Signifikante Mittelwertsdifferenzen fanden sich für die folgenden Skalen:
Pt (Psychasthenie), der Mittelwert der Berufsunfähigen lag bei 69,87 (SE
2,061), was als hoch interpretiert wird, der der nicht Berufsunfähigen lag noch
darüber im sehr hohen Bereich bei 77,12 (SE 1,825). Die nicht berufsunfähigen
Antragssteller machen also noch ausgeprägtere Beschwerden im Sinne von
Zwangsgedanken, Zwangshandlungen, übertriebenen Ängsten und Sorgen,
eine negative Befindlichkeit, einen hohen moralischen Anspruch,
Selbstbeschuldigungen für Misserfolge und harte Bemühungen um
Impulskontrolle geltend (p=0,010).
Si (soziale Introversion), die Berufsunfähigen erzielten einen erhöhten
Mittelwert von 64,67 (SE 1,868), die nicht Berufsunfähigen einen hohen
Mittelwert von 70,12 (SE 1,406), sie beschrieben sich also als schüchterner,
weniger sozial durchsetzungsfähig und geschickt sowie als eigenbrötlerischer
(p=0,022).
Tendenzielle Unterschiede der Mittelwerte ergaben sich für die Skalen Pp
(Psychopathie, Soziopathie, antisoziale Persönlichkeitsstörung), der Mittelwert
der Berufsunfähigen betrug hierbei 64,04 (SE 1,505), der der nicht
Berufsunfähigen 68,09 (SE 1,665) (p=0,074) und Pa (Paranoia) mit einem
48
Mittelwert von 62,42 (SE 1,638) für die Berufsunfähigen respektive 66,79 (SE
1,974) für die nicht Berufsunfähigen (p=0,091).
Die nicht Berufsunfähigen machten demnach auf beiden Skalen eine als hoch
zu interpretierende Ausprägung geltend, im Gegensatz zu den Berufsunfähigen,
die jeweils noch in den Bereich der erhöhten Ausprägung fielen.
Für die übrigen sechs klinischen Basisskalen waren keine bedeutsamen
Unterschiede der Mittelwerte beider Gruppen zu vermerken.
4.3.9.3 Aggravationstendenz (F-minus-K)
Die nicht Berufsunfähigen erzielten einen Mittelwert von 16,70 (SE 2,477), die
Berufsunfähigen von 13,18 (SE 2,571), der Unterschied war jedoch statistisch
nicht signifikant (p=0,328).
4.3.9.4 Wiener und Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen
Eine signifikante Mittelwertsdifferenz war für die Skala Pa (Paranoia)
festzustellen, hier zeigte sich, dass die als berufsunfähig Beurteilten mit einem
mittleren Offensichtlich-minus-Subtil-Wert von -2 (SE 3,078) dazu neigten,
paranoide Symptome dissimulierend zu beschreiben, während die als nicht
berufsunfähig Beurteilten, die einen Mittelwert von 5,52 (SE 1,862) erzielten,
diese aggraviert geltend machten (p=0,043).
Für die übrigen Subtil-Offensichtlich-Subskalen waren keine signifikanten
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zu vermerken.
4.3.9.5 Weitere Zusatzskalen
Eine tendenzielle Mittelwertsdifferenz zwischen den beiden Gruppen fand sich
für die Skala ASP2 (antisoziale Handlungen), die nicht als berufsunfähig
49
Anerkannten erzielten einen Mittelwert von 50,76 (SE 1,503), die
Berufsunfähigen von 55,71 (SE 2,394) (p=0,072).
Für die anderen untersuchten Zusatzskalen ASP (antisoziales Verhalten), WRK
(berufliche Probleme), TRT (negative Behandlungsindikatoren), ASP1
(antisoziale Einstellungen), TRT1 (niedrige Motivation), Ma1 (mangelnde Moral)
und sc4 (Ich-Mangel im Wollen) fanden sich keine Zusammenhänge zur
Berufsunfähigkeit.
4.3.10 Unterschiede der 16 PF-R Mittelwertprofile hinsichtlich
der Berufsunfähigkeit
Betrachtete man die Mittelwertprofile der beiden Untergruppen getrennt, zeigten
sich signifikante Unterschiede zum einen auf der Skala B (logisches
Schlussfolgern) (p=0,016), zum anderen auf der Skala C (emotionale Stabilität)
(p=0,015).
Ein tendenzieller Unterschied bestand für die Skala F (Lebhaftigkeit) (p=0,097).
Das logische Schlussfolgern war bei den berufsunfähigen Probanden mit einem
Mittelwert von 6,93 (SE 0,29) dabei immer noch leicht über dem Durchschnitt
der Normalbevölkerung, bei den nicht Berufsunfähigen hingegen mit einem
Mittelwert von 7,93 (SE 0,28) stark über dem Durchschnitt liegend ausgeprägt.
Bezüglich der emotionalen Stabilität beschrieben sich beide Gruppen als stark
unterdurchschnittlich emotional stabil, bei den nicht Berufsunfähigen war dies
jedoch mit einem Mittelwert von 2,44 (SE 0,21) signifikant stärker zum
emotional instabilen Pol verschoben als bei den Berufsunfähigen, die einen
Mittelwert von 3,48 (SE 0,36) erzielten.
Bei der Skala F (Lebhaftigkeit) machten die nicht Berufsunfähigen eine
tendenziell ernsthaftere Persönlichkeitsstruktur geltend als die Berufsunfähigen
(im Mittel 3,17, SE 0,21 gegenüber 3,88, SE 0,36).
Für die übrigen Dimensionen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede im
Hinblick auf die Berufsunfähigkeit.
50
Tabelle 6: Übersicht der 16 PF-R Stenwerte der Berufsunfähigen
40 1 9 4,93 ,33 2,068 4,276
40 3 10 6,93 ,29 1,831 3,353
40 1 8 3,48 ,36 2,253 5,07640 1 9 5,02 ,35 2,236 4,99940 1 10 3,88 ,36 2,267 5,13840 2 10 5,90 ,35 2,205 4,86240 1 8 3,87 ,35 2,186 4,77940 1 10 7,02 ,38 2,412 5,82040 1 9 5,02 ,35 2,213 4,89740 2 10 6,98 ,33 2,057 4,23040 1 10 6,25 ,36 2,307 5,32140 1 10 6,90 ,38 2,394 5,733
40 3 10 6,50 ,28 1,797 3,231
40 3 10 6,90 ,35 2,205 4,86240 1 10 5,30 ,36 2,301 5,29240 3 10 6,52 ,32 2,050 4,20440
A (Wärme)B (LogischesSchlußfolgern)C (emotionale Stabilität)E (Dominanz)F (Lebhaftigkeit)G (Regelbewußtsein)H (Soziale Kompetenz)I (Empfindsamkeit)L (Wachsamkeit)M (Abgehobenheit)N (Privatheit)O (Besorgtheit)Q1 (Offenheit fürVeränderung)Q2 (Selbstgenügsamkeit)Q3 (Perfektionismus)Q4 (Anspannung)Valid N (listwise)
Statistic Statistic Statistic Statistic Std. Error Statistic StatisticN Minimum Maximum Mean Std.
DeviationVariance
Tabelle 7: Übersicht der 16 PF-R Stenwerte der nicht Berufsunfähigen
41 2 9 4,80 ,23 1,470 2,161
41 3 10 7,93 ,28 1,822 3,320
41 1 6 2,44 ,21 1,343 1,80241 1 9 4,44 ,27 1,747 3,05241 1 8 3,17 ,21 1,377 1,89541 1 10 5,56 ,33 2,086 4,35241 1 6 3,17 ,27 1,759 3,09541 1 10 7,29 ,34 2,182 4,76241 1 10 4,83 ,35 2,246 5,04541 4 10 7,44 ,27 1,704 2,90241 1 10 6,22 ,34 2,151 4,62641 4 10 7,66 ,27 1,697 2,880
41 2 10 6,71 ,33 2,112 4,462
41 3 10 7,34 ,25 1,622 2,63041 1 10 5,32 ,38 2,464 6,07241 3 10 6,59 ,32 2,049 4,19941
A (Wärme)B (LogischesSchlußfolgern)C (emotionale Stabilität)E (Dominanz)F (Lebhaftigkeit)G (Regelbewußtsein)H (Soziale Kompetenz)I (Empfindsamkeit)L (Wachsamkeit)M (Abgehobenheit)N (Privatheit)O (Besorgtheit)Q1 (Offenheit fürVeränderung)Q2 (Selbstgenügsamkeit)Q3 (Perfektionismus)Q4 (Anspannung)Valid N (listwise)
Statistic Statistic Statistic Statistic Std. Error Statistic StatisticN Minimum Maximum Mean Std.
DeviationVariance
51
4.3.11 Unterschiede bezüglich der Berufsunfähigkeit im MWT
Zwischen den Gruppen der Berufsunfähigen und der nicht Berufsunfähigen
ergab sich hinsichtlich des Abschneidens im MWT kein signifikanter
Unterschied.
4.3.12 Unterschiede bezüglich der Berufsunfähigkeit im SKT
In der nach dem Vorliegen der Berufsunfähigkeit getrennten Betrachtung der
Testergebnisse ergab sich keine statistisch signifikante Differenz zwischen den
Mittelwerten der beiden Gruppen.
4.3.13 Zusammenhang zwischen cI-Test und Berufsunfähigkeit
Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer
zerebralen Insuffizienz nach den Kriterien des cI-Tests und dem Vorliegen einer
Berufsunfähigkeit (p<0,001).
Tabelle 8: Kreuztabelle Berufsunfähigkeit zu zerebraler Insuffizienz
Count
20 21 415 39 44
25 60 85
nicht berufsunfähigberufsunfähig
Berufsunfähigkeit
Total
ungestört insuffizientZerebrale Insuffizienz
Total
52
4.3.14 Zusammenhang zwischen Abbau-Index und
Berufsunfähigkeit
Unter den als berufsunfähig Begutachteten fanden sich signifikant mehr
Personen, deren Abbauindex über dem für ihr Alter zu erwartenden Wert lag
(p=0,005).
Tabelle 9: Kreuztabelle Berufsunfähigkeit zu Abbauindex
Count
16 25 415 36 41
21 61 82
nicht berufsunfähigberufsunfähig
Berufsunfähigkeit
Total
Abbauindexaltersgemäßoder weniger
Abbauindexgrößer alserwartet
Abbauindex
Total
53
5. Diskussion
5.1 Bedeutung des Themas
Zur Berufsunfähigkeit bei Ärzten ist noch wenig bekannt, obwohl das Thema bei
dem zunehmenden Ärztemangel und vor dem Hintergrund der
demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft unzweifelhaft weiter an
Bedeutung gewinnen wird.
Die anwachsende Bedeutung der psychischen Erkrankungen für eine
Minderung der Erwerbsfähigkeit ist mittlerweile gut dokumentiert (u.a.
Dohrenbusch and Balg, 2011; Statistik der Deutschen Rentenversicherung,
2011; WHO, 2008; Michon et al., 2008; Lang and Hellweg, 2006).
5.2 Methodisches
In der Beurteilung der Aussagekraft der vorliegenden Arbeit sind die
grundsätzlich für retrospektive Studien bestehenden allgemeinen
Einschränkungen zu beachten. Insbesondere ist auch bei Vorliegen eines
signifikanten Unterschiedes zwischen den verglichenen Gruppen kein Beweis
für einen Kausalzusammenhang erbracht.
Speziell bleibt bei der vorliegenden Untersuchung unklar, ob die verwendete
Stichprobe für die deutsche Ärzteschaft oder auch nur die Versicherten der
Ärztekammer Nordrhein repräsentativ ist, da keine zum Vergleich
ausreichenden Daten erhältlich waren.
Als positiv ist jedoch der mit 90 Gutachten relativ hohe Umfang der Stichprobe
zu bewerten, der nahe legt, dass die in dieser Arbeit gefunden Ergebnisse auch
über die untersuchte Stichprobe hinaus zumindest teilweise Gültigkeit haben.
Ebenfalls als günstig ist das Vorliegen einer umfänglichen Testung mit
objektiven, validierten Tests in den Gutachten zu sehen. Dies relativiert die im
Untersuchungsansatz bedingte Einschränkung der zur Auswahl stehenden
Parameter. Die untersuchten Gutachten wurden primär mit der Intention der
Beantwortung der Frage nach der Berufsunfähigkeit erstellt und nicht unter dem
54
Gesichtspunkt einer Untersuchung der unterschiedlichen Eigenschaften
berufsunfähiger und nicht berufsunfähiger Antragssteller.
Zur Feststellung von Verfälschungstendenzen in Gutachten gibt es zurzeit noch
keinen allgemein anerkannten Goldstandard, die Erstellung eines MMPI-2 wird
jedoch sowohl national (Dohrenbusch et al., 2011; Merten and Dohrenbusch,
2010) als auch international (Slick, Sherman et al., 1999; Wall and Appelbaum,
1998) empfohlen.
In der vorliegenden Arbeit wurden aus den Daten des MMPI-2 neben den von
allen oben genannten Autoren empfohlenen Validitätsskalen noch zusätzliche,
Verfälschungstendenzen implizierende, Indizes berechnet (Gough, 1947, 1950;
Wiener and Harmon, 1946), wobei die Subtil-Offensichtlich-Subskalen nach
Wiener und Harmon auch von Dohrenbusch et al. zur Beurteilung von
Aggravation und Dissimulation ausdrücklich empfohlen werden. Durch diesen
mehrschichtigen Ansatz wird neben der grundsätzlichen Feststellung von
Verfälschungstendenzen zusätzlich eine differenziertere Betrachtung der diese
Verfälschungstendenzen betreffenden Merkmale ermöglicht.
Die vorliegenden Leistungstests zur Erfassung kognitiver Defizite erlaubten
leider keine Beurteilung möglicher Verfälschungstendenzen.
5.3 Ergebnisse
5.3.1 Alter und Geschlecht
Die als berufsunfähig beurteilten Antragssteller waren tendenziell älter als die
nicht Berufsunfähigen. Dies mag darin begründet sein, dass die zur
Anerkennung der Berufsunfähigkeit geltend gemachten Erkrankungen bei den
Berufsunfähigen bereits länger bestanden und in dieser Zeit entweder durch
Fortschreiten gravierendere Einschränkungen verursacht hatten oder durch
zunehmende Chronifizierung beziehungsweise häufigerem Vorliegen einer
Therapieresistenz eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit unwahrscheinlich
gemacht hatten.
Um diese Überlegungen zu belegen, fehlen jedoch weitergehende
Informationen über Verlauf und Dauer der jeweiligen Erkrankungen.
55
5.3.2 Familienstand
Aufgrund der vorliegenden Daten war kein Zusammenhang zwischen
Familienstand und Berufsunfähigkeit festzustellen, die im Fragebogen zur
Lebensgeschichte implementierte Mehrfachauswahl erlaubte jedoch keine
Unterscheidung zwischen in einer Partnerschaft befindlichen und ohne feste
Partnerschaft lebenden Untersuchten. Möglicherweise existieren zwischen
diesen Untergruppen Unterschiede in Bezug auf das Auftreten einer
Berufsunfähigkeit.
In der finnischen Studie zur Bedeutung interpersoneller Konflikte zur
Vorhersage einer geminderten Erwerbsfähigkeit zeigte sich, dass
alleinstehende Frauen trotz vorliegender interpersoneller Konflikte am
Arbeitsplatz weniger häufig eine Minderung der Erwerbsfähigkeit entwickeln als
Verheiratete. Verheiratete Frauen ohne interpersonelle Konflikte am
Arbeitsplatz waren hingegen nicht gehäuft von Erwerbsminderung betroffen, für
Männer ließ sich kein Einfluss des Familienstandes nachweisen (Appelberg et
al., 1996). Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass Frauen
intensiveren Stress durch die Doppelbelastung durch Familie und Beruf
erleben, die in der deutschen Untersuchung pathogenetischer Aspekte der
Ärztegesundheit als krankheitsfördernd ausgemacht wurde (Zwack et al, 2012).
In der letztgenannten Untersuchung wurden jedoch keine weitergehenden
Unterscheidungen nach Geschlecht oder Familienstand getroffen.
5.3.3 Gebietsbezeichnungen
In der untersuchten Stichprobe lag die Quote der Ärzte ohne
Gebietsbezeichnung bei 30%, bundesweit lag sie für alle Ärzte bei 29,4%. Unter
den Ärzten mit Gebietsbezeichnung stellten sowohl in der untersuchten Gruppe
als auch in der Gesamtpopulation der deutschen Ärzte die Fachärzte für Innere
Medizin die größte Gruppe (16,7% respektive 13,4%). Die bundesweit zehn
häufigsten Fachgebiete, namentlich nach der Inneren Medizin die
Allgemeinmedizin, die Chirurgie, die Anästhesiologie, die Frauenheilkunde und
Geburtshilfe, das nervenärztliche Fachgebiet, die Kinder- und Jugendmedizin,
56
die Radiologie, die Augenheilkunde sowie die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
waren sämtlich vertreten. Unter Berücksichtigung der sich aus der Vielzahl der
Fachgebiete ergebende geringen Anzahl der Vertreter pro Fachgebiet in der
untersuchten Gruppe erscheint eine zahlenmäßige Gegenüberstellung der
letztgenannten im Einzelnen nicht sinnvoll, die Gesamtschau lässt jedoch die
untersuchte Stichprobe in der Verteilung der Fachgebiete durchaus
repräsentativ für die deutsche Ärzteschaft erscheinen (Bundesärztekammer,
2012).
5.3.4 Diagnosen
Der Befund, dass nahezu sämtliche Diagnosen aus dem Kapitel V – psychische
und Verhaltensstörungen entstammt, ergibt sich aus der Anlage der Stichprobe.
Die in dieser Arbeit gemachte Beobachtung, dass Erkrankungen aus der
Gruppe der affektiven Störungen (F30 – F39) sowohl die bei der
Antragsstellung angeführten Diagnosen als auch die gutachterlichen Diagnosen
anführen, geht mit der Bedeutung der affektiven Störungen unter den
psychiatrischen Erkrankungen insgesamt konform. Insbesondere die
Depressionen sind neben den Angststörungen die häufigsten psychischen
Erkrankungen. Hierzu findet sich eine Vielzahl von Studien, die Angaben über
die Häufigkeit depressiver Erkrankungen sind jedoch breit gestreut (Berger et
al., 2009).
Der Vergleich der bei Antragsstellung angeführten Diagnosen mit den nach der
Begutachtung gestellten Diagnosen legt nahe, dass die diagnostische
Einteilung im Rahmen der Begutachtung präziser erfolgte als im Vorfeld. Dies
mag an der differenzierteren Herangehensweise in der Gutachtensituation
liegen, die in einem deutlich großzügigeren Zeitrahmen und unter Verwendung
umfangreicherer Tests erfolgen konnte als es für die Diagnosefindung im
Rahmen der ambulanten oder stationären Behandlung möglich ist. Darüber
hinaus erfolgte die initiale Diagnostik nicht in allen Fällen fachärztlich. Die
diagnostische Treffsicherheit erscheint dennoch deutlich höher als die von
Quezada-Ortega 2005 in seiner Untersuchung angeführten 3% (Quezada-
Ortega et al., 2005).
57
Die herausragende Bedeutung der Depressionen als Ursache einer
verminderten Erwerbsfähigkeit ist ebenfalls gut untersucht und belegt (u.a.
Dohrenbusch and Balg, 2011; Michon et al., 2008; WHO, 2008; Lang and
Hellweg, 2006), dies bestätigte sich in der vorliegenden Arbeit allerdings nur
teilweise.
Nur 14 von insgesamt 34 Begutachteten mit einer affektiven Störung waren
auch berufsunfähig, während alle 19 Begutachteten mit einer organischen
Störung (F00 – F09) als berufsunfähig beurteilt wurden. Am anderen Ende des
Spektrums wurde bei keinem der neun Begutachteten mit einer Diagnose einer
Persönlichkeits- und Verhaltensstörung (F60 – F69) die Berufsunfähigkeit
festgestellt.
Der Befund, dass die Mehrheit der Begutachteten, die unter einer affektiven
Störung litten, als nicht berufsunfähig beurteilt wurden, mag zum einen von der
strengen Definition der Berufsunfähigkeit durch die Ärzteversorgung Nordrhein
herrühren (Nordrheinische Ärzteversorgung, 2012). Die unterschiedlichen
Definitionen einer geminderten Erwerbsfähigkeit erschweren den Vergleich mit
anderen nationalen und internationalen Untersuchungen. Es ist anzunehmen,
dass bei einem nicht unerheblichen Teil der Betroffenen zum
Gutachtenzeitpunkt sehr wohl eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit vorlag,
dass diese aber nicht den genannten, weitreichenden Kriterien der
Ärzteversorgung Nordrhein genügte. Zum anderen spielt sicherlich die Wertung
der Prognose und der therapeutischen Optionen eine Rolle. Diese ist in der
Gesamtschau für die Gruppe der affektiven Störungen als positiver zu bewerten
als für die Gruppe der organischen Störungen, in der sich fortschreitende
Abbauprozesse wie Demenzen und irreversible Folgezustände einer
organischen Schädigung finden.
Dass Personen mit einer Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung als
Hauptdiagnose nicht aufgrund des Vorliegens dieser Diagnose berufsunfähig
waren, überrascht nicht, da sich die in dieser Gruppe klassifizierten Störungen
überwiegend bereits in der Adoleszenz oder noch früher manifestieren, und
daher davon auszugehen ist, dass die Störung bereits während des Studiums
und der anschließenden Berufstätigkeit bestanden haben ohne diese unmöglich
zu machen.
58
Letzteres lässt sich durchaus mit den aus vorhergehenden Untersuchungen
erzielten Ergebnissen, dass sowohl krankheitswertige Persönlichkeitsstörungen
als auch nicht krankheitswertige Persönlichkeitsmerkmale eine spätere
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit begünstigen (Lang and Hellweg, 2006; Michon
et al., 2008; Dohrenbusch and Balg, 2011)in Einklang bringen.
Einerseits sind auch hier die sehr strengen Kriterien für eine Berufsunfähigkeit,
die die Ärzteversorgung Nordrhein anlegt, in Betracht zu ziehen. Andererseits
wird die Berufstätigkeit durch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale,
insbesondere in Ausprägungen, die die Klassifikation als Persönlichkeitsstörung
erlauben, erschwert. Im Gegensatz zur ICD-10, in der allgemein eine gestörte
soziale Funktionsfähigkeit bei Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung angeführt
wird (WHO and DIMDI, 2011) wird im DSM-IV der berufliche Funktionsbereich
als durch die Persönlichkeitsstörung beeinträchtigter wichtiger Funktionsbereich
in den Kriterien für das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung explizit erwähnt
(American Psychiatric Association, 2000).
Es ist daher vorstellbar, dass die durch eine Persönlichkeitsstörung
entstehenden Konflikte zu einer verstärkten Nachfrage nach vorzeitiger
Berentung durch diese Personengruppe führen.
5.3.5 Bisherige Therapie
Der hochsignifikante Zusammenhang zwischen der Beurteilung der bisherigen
therapeutischen Bemühungen und dem Vorliegen einer Berufsunfähigkeit ergibt
sich aus den von der Ärzteversorgung vorgegebenen Rahmenbedingungen für
die Feststellung einer solchen. Da eine Berufsunfähigkeitsrente auf Zeit nicht
vorgesehen ist, kann die Berufsunfähigkeit erst ausgesprochen werden, wenn
davon auszugehen ist, dass dauerhaft keine ausreichende Besserung des
Zustandes des Begutachteten zu erwarten ist. Dies kann wiederum erst nach
Ausschöpfen der therapeutischen Möglichkeiten konstatiert werden
(Nordrheinische Ärzteversorgung, 2011).
59
5.3.6 Selbsteinschätzung des Schweregrades
Die Beobachtung, dass die nicht als berufsunfähig Begutachteten ihre
Probleme tendenziell als schwerwiegender einstuften als die tatsächlich
Berufsunfähigen kann als Hinweis für eine Neigung zur Aggravation gedeutet
werden.
5.3.7 Selbsteinschätzung der finanziellen Lage und des Erreichens
des individuellen Berufszieles
Für beide Angaben war kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden
Gruppen festzustellen. Da die dieser Arbeit zugrundeliegenden Daten keine
nähere Beurteilung hinsichtlich möglicher Verfälschungstendenzen bei der
Selbstbeurteilung dieser Fragen zulässt und hierzu auch keine aktuellen
Forschungsergebnisse zum Vergleich vorliegen, erscheint eine Interpretation
spekulativ.
5.3.8 MMPI-2
5.3.8.1 Klinische Basisskalen
Für die Skala D (Depression) fand sich ein sehr hoher Mittelwert von 80,33 (SE
1,17) für die Gesamtheit der Begutachteten, ohne dass sich ein signifikanter
Unterschied im Hinblick auf das Vorliegen der Berufsunfähigkeit nachweisen
ließ.
Diese Skala wurde mit den Daten psychiatrischer Patienten entwickelt, bei
denen zum Untersuchungszeitpunkt depressive Störungen vorlagen.
Für die gesamte Stichprobe ist die hohe Ausprägung daher gut durch die
bereits beschriebene hohe Prävalenz affektiver Störungen zu erklären. Es
erscheint jedoch bemerkenswert, dass sich die nicht als berufsunfähig
60
Beurteilten als ebenso stark beeinträchtigt beschreiben wie die
Berufsunfähigen.
Auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, dass bei einigen Antragsstellern
zum Untersuchungszeitpunkt ein derart schwerer Befund vorlag, aber aufgrund
noch nicht ausgeschöpfter Therapieoptionen noch keine endgültige
Berufsunfähigkeit attestiert werden konnte, wäre für die jeweils gesamte
Untergruppe ein Unterschied zu erwarten gewesen. Das Fehlen dieses
Unterschiedes könnte durch eine erhöhte Neigung zur Aggravation der
depressiven Symptome bei den nicht Berufsunfähigen bedingt sein.
Für die Skalen Hd (Hypochondrie), Hy (Hysterie) und Sc (Schizophrenie)
ergaben sich hohe Mittelwerte für die gesamte Stichprobe, ein Unterschied
zwischen den beiden Untergruppen war nicht feststellbar.
Im Testmanual werden die folgenden Beschreibungen für Personen mit einem
hohen T-Wert-Niveau auf diesen Skalen vorgeschlagen:
Hd (Hypochondrie): Überreaktion auf eine möglicherweise existierende
körperliche Erkrankung, Übertreibung somatischer Probleme, wechselhafte,
vielfältige Beschwerden, extreme Selbstbezogenheit und Selbstsucht, verbittert,
zynisch, fordernd, pessimistisch, defätistische Einstellungen.
Hy (Hysterie): Verleugnung und Dissoziation, spezifische funktionelle
Beschwerden, naiv, wenig einsichtsfähig, fordernd und histrionisch, kokett.
Sc (Schizophrenie): ungewöhnliche Ideen, bizarre Handlungen, zurückgezogen
und entfremdet, unkonventionell, Selbstzweifel und Identitätsprobleme,
Konzentrations- und Denkschwäche.
Aufgrund der weniger klaren Zuordnung zu einer bestimmten Diagnose nach
dem ICD-10 bietet die allgemeine Erhöhung der T-Werte für diese Skalen im
Hinblick auf die fehlenden Unterschiede zwischen den Untergruppen für sich
genommen wenig Ansatz für spezifischere Interpretationen.
Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Untergruppen fanden sich, bei
ebenfalls hoher Ausprägung der mittleren T-Werte aller Begutachteten, für die
Skalen Pt (Psychasthenie) und Si (soziale Introversion).
Für beide Skalen machten die nicht als berufsunfähig beurteilten Begutachteten
jeweils noch ausgeprägtere Beschwerden geltend.
61
Für die Psychasthenieskala fand sich bei ihnen ein sehr hoher Mittelwert von
77,12 (SE 1,825), bei den Berufsunfähigen ein ebenfalls noch hoher Mittelwert
von 69,87 (SE 2,061). Die nicht berufsunfähigen Antragssteller führten also
noch stärkere Beeinträchtigungen im Sinne von Zwangsgedanken,
Zwangshandlungen, übertriebenen Ängsten und Sorgen, eine negative
Befindlichkeit, einen hohen moralischen Anspruch, Selbstbeschuldigungen für
Misserfolge und harte Bemühungen um Impulskontrolle an als die
Berufsunfähigen.
Für die Skala Si (soziale Introversion) beschrieben sich die nicht
Berufsunfähigen mit einem hohen Mittelwert von 70,12 (SE 1,406) als
schüchterner, weniger sozial durchsetzungsfähig und geschickt sowie als
eigenbrötlerischer als die Berufsunfähigen das mit einem für sich betrachtet nur
erhöhten Mittelwert von 64,67 (SE 1,868) taten.
Für die in der gesamten Stichprobe im Mittel hoch ausgeprägte Skala Pp
(Psychopathie, Soziopathie, antisoziale Persönlichkeitsstörung) und die für alle
Untersuchten im Mittel erhöhten T-Werte der Skala Pa (Paranoia) fand sich
eine tendenzielle Differenz zwischen den Mittelwerten der beiden
Untergruppen, die als berufsunfähig Anerkannten machten auch hier geringere
Ausprägungen im Sinne erhöhter T-Wert-Niveaus geltend als die nicht
berufsunfähigen Antragssteller, die im Mittel hohe Werte erzielten.
Dass die nicht für berufsunfähig Befundenen sich auf den genannten Skalen als
schwerer gestört beschreiben als die Berufsunfähigen lässt grundsätzlich Raum
für zwei verschiedene Deutungen. Einerseits könnte sich hierin eine erhöhte
Aggravationsneigung bei Antragsstellern, die nicht die formalen Kriterien für
eine Berufsunfähigkeit erfüllen, wiederspiegeln, andererseits könnten sich hier
Wesensmerkmale abbilden, die die Berufstätigkeit für die Betroffenen
erschweren und in der Folge den Wunsch nach einer vorzeitigen Berentung
begünstigen, ohne hierfür ausreichende Beeinträchtigungen zu bedingen.
62
5.3.8.2 Zusatzskalen
Bei der Betrachtung der Mittelwerte aller Begutachteten in den Zusatzskalen
fand sich das auffälligste T-Wert-Niveau für die Harris-Lingoes-Subskala sc4
(Ich-Mangel im Wollen). Der Mittelwert betrug 79,96 (SE 1,82). Hohe Werte auf
dieser Skala zeigen an, dass das Leben vom Probanden als Last empfunden
wird, er sich übermäßig Sorgen macht, bei Belastungssituationen in Phantasien
zurückzieht und Todeswünsche hat, das Vorliegen einer Depression ist in
Betracht zu ziehen. Unterschiede hinsichtlich der Berufsunfähigkeit waren nicht
festzustellen, so dass sich hieraus keine über die bereits bezüglich der
Basisskala D (Depression) geäußerten Überlegungen hinausgehenden
Schlussfolgerungen ableiten lassen.
Interessant ist, dass sich bei der Inhaltsskala WRK (berufliche Probleme), die
Einstellungen zeigt, die typischerweise zu Problemen im Beruf führen, für die
gesamte Stichprobe ein Mittelwert von 70,23 (SE 1,43) ergab. Als Beispiele für
derartige Einstellungen werden im Testmanual ein niedriges Selbstwertgefühl,
Konzentrationsstörungen, Zwanghaftigkeit, Anspannung, Stress und
Entscheidungsprobleme angeführt. Neben im Hinblick auf verminderte
Erwerbsfähigkeit ungünstigen Persönlichkeitseigenschaften (s.o.) findet sich
hier der auch für Ärzte im Besonderen bereits als pathogenetisch bedeutsam
erkannte Stress (Zwack et al., 2012; Angerer et al., 2008; Tyssen, 2007). Die
Werte unterscheiden sich jedoch nicht in signifikanter Art und Weise für die
beiden Untergruppen.
Für die Inhaltsskala TRT (negative Behandlungsindikatoren) ergab sich
insgesamt ein Mittelwert von 64,79 (SE 1,66), für ihre Inhaltskomponentenskala
TRT1 (niedrige Motivation) ein Mittelwert von 67,39 (SE 1,76). Ein statistischer
Zusammenhang mit dem Vorliegen der Berufsunfähigkeit bestand jedoch nicht.
Dies entsprach nicht den Erwartungen, da hohe Werte auf diesen Skalen mit
negativen Einstellungen gegenüber medizinischer oder psychotherapeutischer
Behandlung und geringer Änderungsmotivation einhergehen. Angesichts des
signifikanten Zusammenhanges zwischen der Beurteilung der bisherigen
therapeutischen Bemühungen und der Berufsunfähigkeit wäre ein Unterschied
63
zwischen den berufsunfähigen und den nicht berufsunfähigen Antragsstellern
zu erwarten gewesen.
Die tendenzielle Mittelwertsdifferenz für die Inhaltskomponentenskala ASP2
(antisoziale Handlungen) zwischen den Berufsunfähigen und den nicht
Berufsunfähigen ist bei fehlender Differenz für die zugehörige Inhaltsskala ASP
(antisoziales Verhalten) nicht aussagekräftig interpretierbar.
5.3.8.3 Hinweise auf Verfälschungstendenzen
Die gesamte Stichprobe erzielte einen niedrigen Mittelwert von 43,90 (SE 1,02)
auf der L-(Lügen)–Skala, ohne dass sich für die Untergruppen der
Berufsunfähigen und der nicht Berufsunfähigen ein signifikanter Unterschied
nachweisen ließ.
Mittlere und niedrige Ausprägungen auf dieser Skala sprechen gegen eine
selbstbeschönigende Darstellung im Sinne eines Eingeständnisses kleiner
Mängel und Charakterfehler. Niedrige T-Werte unter 50 können eine mögliche
Simulation anzeigen und als Tendenz zur Überbetonung von
Krankheitssymptomen interpretiert werden.
In der Zusammenschau mit den unauffälligen Mittelwerten auf der F-
(Seltenheits)-Skala und der der K–(Korrektur)–Skala lässt sich jedoch hieraus
keine Besondere Tendenz zur Simulation in der untersuchten Gruppe ableiten.
Diese Einschätzung wird zusätzlich durch die Betrachtung der
Aggravationstendenz (F–minus–K) gestützt. Für die deutsche Adaptation wird
angegeben, dass Profile mit einer T-Wert-Differenz größer 40 wahrscheinlich
ungültig sind und nur mit großer Vorsicht interpretiert werden sollten (Hathaway
and McKinley, 2000). Da der Mittelwert der gesamten Gruppe bei 14,90 (SE
1,79) lag, und sich keine signifikanten Unterschied zwischen den beiden
Untergruppen fanden, ist auch hier keine Tendenz zur Verfälschung
festzustellen.
64
Bei der Betrachtung der Subtil-Offensichtlich-Subskalen nach Wiener und
Harmon fand sich für die gesamte Stichprobe bei den Depressions-Subskalen
die ausgeprägteste Differenz zwischen den offensichtlichen (Mittelwert 81,37
(SE 1,60)) und den subtilen Items (Mittelwert 54,96 (SE 1,06)). Die gesamte
Stichprobe machte also verstärkt offensichtliche depressive Beschwerden
geltend während subtile depressive Beschwerden im Verhältnis auffällig gering
ausgeprägt angeführt wurden.
Für die Hysterie-Subskalen betrug der Mittelwert für die offensichtliche Skala
73,49 (SE 1,28), für die Subtile 49,96 (SE 1,41). Auch das Vorliegen
dissoziativer Symptome und histrionischer Wesensmerkmale wurde also in
auffälliger Weise durch verstärkte Bejahung offensichtlicher Items geltend
gemacht während die subtilere Beschwerdeabfrage unauffällige Werte ergab.
Für die übrigen Subtil-Offensichtlich-Subskalen fanden sich keine derart
ausgeprägten Differenzen.
Obschon Wiener und Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen zur Aufdeckung
von Verfälschungstendenzen auch für den deutschsprachigen Raum empfohlen
werden (Dohrenbusch et al.; 2011), existieren keine empirischen Daten zur
Verwendung dieser Subskalen für die deutsche Adaptation, weswegen im
Testmanual zu einer vorsichtigen Interpretation geraten wird (Hathaway and
McKinley, 2000). Für die amerikanische Version des MMPI-2 schlägt Greene in
seinem Manual zur Interpretation vor, dass eine Simulationstendenz vorliegen
könnte, wenn alle fünf offensichtlichen Subskalen T-Werte über 69 und alle fünf
subtilen Subskalen T-Werte um die 50 aufweisen. Liegt die genannte
Konstellation, wie in der vorliegenden Arbeit, nur für einige der Subskalen vor,
schätzt er die Bedeutung als unklar ein und rät zu interpretativer Zurückhaltung
(Greene, 2010).
Im Vergleich zwischen den Untergruppen der Berufsunfähigen und der nicht
Berufsunfähigen zeigte sich eine signifikante Mittelwertsdifferenz lediglich für
die Paranoia-Subskalen. Während die als berufsunfähig Beurteilten paranoide
Symptome eher dissimulierend beschrieben (Offensichtlich-Subtil-Wert von -2
(SE 3,078)), machten die als nicht berufsunfähig begutachteten Antragsteller
paranoide Beschwerden verstärkt geltend (Mittlere Differenz 5,52 (SE 1,862).
65
Obschon hier eine statistisch signifikante Differenz zwischen den beide
Gruppen festzustellen war, muss festgestellt werden, dass die absoluten
Differenzen zwischen den offensichtlichen und den subtilen Items nach den
oben erwähnten Interpretationskriterien nicht als richtungsweisend zu beurteilen
wäre.
Zusammenfassend ließen sich mit den hier verwendeten Methoden allenfalls
Hinweise auf das Vorkommen von Verfälschungstendenzen hinsichtlich
bestimmter klinischer Basisskalen feststellen.
Dieser Befund überrascht, da zum einen bisherige Untersuchungen zum
Auftreten von Verfälschungstendenzen diese in einer Größenordnung von über
40% nahelegen (Merten et al., 2006; Stevens et al. 2008), zum anderen die
Verwendung der Validitätsskalen, insbesondere der Korrekturskala, auch für
den deutschen Sprachraum zum Nachweis von Verfälschungstendenzen
empfohlen wird (Dohrenbusch et al., 2011; Merten and Dohrenbusch, 2010).
Wie jedoch bereits Slick und Sherman anmerkten, stellt die Tatsache, dass die
zur Feststellung von Verfälschungstendenzen vorgeschlagenen Kriterien nicht
erfüllt werden, noch keinen Beweis dafür dar, dass keine
Verfälschungstendenzen vorliegen (Slick, Sherman et al., 1999).
Da es unwahrscheinlich erscheint, dass in der vorliegenden Stichprobe oder gar
bei Ärzten mit Berentungsbegehren insgesamt Verfälschungstendenzen nicht in
nennenswerter Weise vorkommen, liegt der Schluss nahe, dass der reale Anteil
an Verfälschung mit dem hier gewählten Ansatz nicht erfasst werden konnte.
Möglicherweise sind Ärzte aufgrund ihrer berufsspezifischen Vorbildung in der
Lage, Beschwerden überzeugender zu aggravieren, dass dies jedoch über die
weite Verteilung von Spezialgebieten allgemein zutreffen könnte, erscheint
wenig überzeugend. Auch wenn es hierzu keine Untersuchungen gibt, legt die
klinische Erfahrung nahe, dass die Kenntnisse über psychische Erkrankungen
in den somatischen Fächern begrenzt sind.
Vor diesem Hintergrund könnte auch bedeutsam sein, dass sich bei Wiener und
Harmons Subtil-Offensichtlich-Skalen durchaus für einzelne Skalen Hinweise
auf Aggravation feststellen ließen, nicht aber für die allgemeinen
Validitätsskalen.
66
5.3.9 16 PF-R
Für alle mit dem 16 PF-R untersuchten Antragssteller fiel auf, dass sie sich im
Mittel als deutlich emotional instabiler, stimmungslabiler und empfindlicher als
der Durchschnitt der allgemeinen Population beschrieben. Darüber hinaus
machten die nicht Berufsunfähigen auf dieser Skala eine signifikant stärkere
Verschiebung zum emotional instabilen Pol geltend.
Da dieser Test von seiner Konzeption her grundlegende, überdauernde
Persönlichkeitseigenschaften abbilden soll, findet sich hier also ein Hinweis
darauf, dass primär emotional instabile Persönlichkeiten nicht nur, wie bereits in
der Literatur (Lang and Hellweg, 2006; Michon et al., 2008) beschrieben, ein
erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer geminderten Erwerbsfähigkeit
aufweisen, sondern insbesondere bei stärkerer Ausprägung dieses Merkmales
gehäuft eine frühzeitige Berentung begehren.
Als alternatives Erklärungsmodell kommt selbstverständlich auch hier eine
verstärkte Verfälschungstendenz in Frage, die leider anhand des vorliegenden
Datenmaterials nicht weiter aufgeklärt werden konnte.
Weiterhin unterschieden sich die nicht Berufsunfähigen in signifikanter Weise
bezüglich der Skala B (logisches Schlussfolgern) von den Berufsunfähigen,
wobei die nicht berufsunfähigen Antragssteller höhere Werte im Sinne einer
besseren kognitiven Funktion erzielten als die Berufsunfähigen. Dieses
Ergebnis zeigt eine Übereinstimmung zu den Ergebnissen der
Hirnleistungstests. Niedrige Werte auf dieser Skala können außerdem durch
Depressivität bedingt sein, was den Unterschied zwischen den Gruppen
möglicherweise weiter vergrößert hat.
Tendenziell beschrieben sich die nicht Berufsunfähigen zudem als noch
weniger lebhaft, ernster, zurückhaltender und vorsichtiger als die
Berufsunfähigen, die aber ebenfalls eine etwas ernsthaftere
Persönlichkeitsstruktur geltend machten, als sie der Durchschnitt der
allgemeinen Bevölkerung zeigt.
67
5.3.10 Hirnleistungstests
Bezüglich des prämorbiden Intelligenzniveaus ergaben sich aus dem MWT
keine unerwarteten Befunde, insbesondere keine Hinweise darauf, dass sich
das prämorbide Intelligenzniveau im Hinblick auf eine spätere Berufsunfähigkeit
unterschieden hätte. Der mittlere IQ lag bei 124,6. Für den
Intelligenzstrukturtest (Liepmann et al., 2007) liegen Mittelwerte für
verschiedene Berufsgruppen vor, für Ärzte wird der mittlere IQ mit 118
angegeben.
Der SKT ergab keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den
Mittelwerten der beiden Gruppen. In Anbetracht des Umstandes, dass
hirnorganische Leistungsbeeinträchtigungen für die Berufsunfähigkeit von
großer Bedeutung sind, verwundert es, dass sich keine Differenzen fanden.
Das mag bedeuten, dass Beeinträchtigungen der Leistung im SKT zwar eine
notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für das Vorliegen einer
demenziellen Störung, die zur Berufsunfähigkeit führt, sind.
Im cI-Test, der bereits leichte kognitive Einschränkungen aufzeigen soll, fand
sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem als insuffizient
einzustufenden Testergebnis und der Feststellung der Berufsunfähigkeit. Von
44 als berufsunfähig Beurteilten zeigten 39 ein insuffizientes Ergebnis in cI-
Test.
Von den 41 nicht Berufsunfähigen zeigten allerdings immerhin 21 ebenfalls ein
insuffizientes Ergebnis.
Der Befund ist kongruent mit den bereits mehrfach erwähnten Kriterien der
Ärzteversorgung Nordrhein. Insbesondere die Forderung, dass jede Tätigkeit,
bei der die ärztliche Vorbildung ganz oder teilweise verwandt werden kann,
unmöglich sein soll (Nordrheinische Ärzteversorgung, 2011), ist vor allem bei
Vorliegen einer kognitiven Beeinträchtigung vorstellbar. Dass auch unter den
noch Berufsfähigen kognitive Einschränkungen vorkommen, spricht dem nicht
entgegen, da leichte Einschränkungen noch keine absolute Berufsunfähigkeit
bedingen müssen. Leider kann aus dem Test keine Aussage über das mögliche
Vorliegen von Verfälschungstendenzen abgeleitet werden.
68
Die Ergebnisse des cI-Tests finden sich im Abbauindex nach Sturm wieder.
Auch hier zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem über
dem für das jeweilige Alter zu erwartendem Abbau und der Berufsunfähigkeit.
5.4 Folgerungen und Ausblick
Für die hier untersuchten Parameter hatten also vor allem die Beurteilung der
bisherigen Therapien und das Vorliegen einer kognitiven Beeinträchtigung
prädiktiven Wert für die Feststellung einer Berufsunfähigkeit.
Bezüglich der Diagnosen war zwar für die organischen Störungen und die
Persönlichkeitsstörungen ein Zusammenhang zum Vorliegen beziehungsweise
Nichtvorliegen der Berufsunfähigkeit nachzuweisen, für das Gros der
Diagnosen, vor allem für die zahlenmäßig bedeutsamsten affektiven Störungen,
lag jedoch kein derart eindeutiger Zusammenhang vor. Überraschenderweise
war für die Ausprägung der klinischen Skalen des MMPI keine Beziehung zum
Vorliegen der Berufsunfähigkeit festzustellen. Diesbezüglich besteht
Klärungsbedarf, was die Gründe hierfür angeht.
Weiterer Forschungsbedarf besteht sicherlich auch bezüglich der Bedeutung
spezieller Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen beziehungsweise
Persönlichkeitsstörungen im Zusammenhang mit geminderter Erwerbsfähigkeit
und Rentenbegehren.
Einige Merkmale, wie negative Einstellungen gegenüber Therapien und geringe
Änderungsmotivation oder ein niedriges Selbstwertgefühl, Zwanghaftigkeit und
Entscheidungsprobleme, fanden sich, ohne dass ein statistisch signifikanter
Unterschied hinsichtlich der Beurteilung der Berufsunfähigkeit vorgelegen hätte,
in bemerkenswerter Ausprägung, was die Frage aufwirft, ob diese
Eigenschaften, wenn nicht für eine Berufsunfähigkeit, so doch ein erhöhtes
Risiko für ein Rentenbegehren darstellen. Um dieser Frage nachzugehen wäre
jedoch der Vergleich zu einer entsprechenden Stichprobe ohne Antrag auf
Berufsunfähigkeit vonnöten gewesen.
69
Andere Eigenschaften fanden sich gerade bei den nicht Berufsunfähigen in
auffälligerer Art beziehungsweise wurden gerade von den nicht
Berufsunfähigen in noch höherem Ausmaß geltend gemacht. Dies konnte in der
vorliegenden Arbeit zum einen für emotionale Instabilität und, tendenziell,
antisoziale Persönlichkeitsmerkmale, zum anderen für
Persönlichkeitseigenschaften, wie sie im DSM-VI dem Cluster C zugeordnet
werden und sich im MMPI-2 auf den Skalen Pt (Psychasthenie) und Si (soziale
Introversion) wiederspiegeln, nachgewiesen werden.
Nachdem diese Persönlichkeitstypen von Lang und Hellweg, die in ihrem Artikel
den Stand der Forschung zu Risikofaktoren für vorzeitige Berentung ausführlich
würdigen, als mit einem höheren Risiko für eine Einschränkung der beruflichen
Leistungsfähigkeit benannt wurden (Lang and Hellweg, 2006), sollte auf der
Grundlage der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung eine weitere
Aufklärung der Bedeutung spezieller Persönlichkeitsmerkmale für die
Berufstätigkeit, den Wunsch nach vorzeitiger Berentung und schlussendlich die
Entwicklung einer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit erfolgen.
Derartige Untersuchungen stehen natürlich vor den bereits erwähnten
Problemen der sowohl national als auch international unterschiedlichen
Definitionen eingeschränkter beruflicher Leistungsfähigkeit, die einen Vergleich
untersuchter Stichgruppen sowie den Schluss auf größere Populationen
erschweren, und den speziellen Schwierigkeiten beim Nachweis von
Verfälschungstendenzen.
Entgegen den Erwartungen haben sich, jedenfalls für die hier untersuchte
Stichprobe, die verwendeten Validitätsskalen und Indizes aus dem MMPI-2 als
nicht geeignet erwiesen, Verfälschungstendenzen aufzudecken und können
daher zumindest für die Fragestellung der Berufsunfähigkeit psychisch kranker
Ärzte nicht empfohlen werden.
Auch wenn die gutachterliche Beurteilung diesbezüglich selbstverständlich, wie
in der Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer
Erkrankungen empfohlen, durch die Gesamtschau unterschiedlicher
diagnostischer Methoden und Ebenen erfolgen sollte (DGPM et al., 2012),
wären genauere Erkenntnisse zur Eignung validierter psychologischer
70
Testverfahren sicherlich hilfreich, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit der
Entscheidungskriterien weiter zu verbessern.
Allgemein für den Nachweis von Verfälschungstendenzen bei den für Fragen
der geminderten Erwerbsfähigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnenden
psychischen Erkrankungen, aber auch speziell für den deutschsprachigen
Raum besteht diesbezüglich noch immenser Forschungsbedarf.
Zu klären, ob sich Ärzte bezüglich des Vorliegens von Verfälschungstendenzen
quantitativ oder qualitativ von der allgemeinen Bevölkerung unterscheiden,
erscheint zwar weniger vordringlich, aber zumindest aus Sicht der
Versorgungswerke durchaus wirtschaftlich relevant und im Sinne des
allgemeinen Strebens nach Erkenntnis auch interessant.
71
6. Zusammenfassung
Psychische Erkrankungen haben bei den Ursachen für eine Minderung der
Erwerbsfähigkeit in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung
gewonnen.
Über die Situation der Ärzte in Deutschland ist hinsichtlich der
Berufsunfähigkeit, die für diese Gruppe, die in Versorgungswerken
pflichtversichert ist, regional unterschiedlich definiert ist, wenig bekannt.
Dies gilt sowohl allgemein für psychische Erkrankungen als Ursache der
Berufsunfähigkeit als auch für die speziellen Eigenschaften der Antragssteller,
die nicht die Kriterien einer Berufsunfähigkeit erfüllen.
Die materiellen Anreize einer vorzeitigen Berentung bedingen das Auftreten von
Verfälschungstendenzen. Zur ihrer Feststellung existieren Empfehlungen, die
die Verwendung der Validitätsskalen und einiger spezieller Indizes aus dem
MMPI-2 beinhalten, jedoch keine Untersuchungen, die die Eignung dieser für
die spezielle Situation der Begutachtung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
aufgrund psychischer Erkrankungen belegen.
In der vorliegenden Arbeit wurden 90 psychologische Gutachten zur Frage der
Berufsunfähigkeit von Ärzten aus dem Versorgungswerk Nordrhein untersucht.
Unter Ausnutzung der in den Gutachten vorliegenden Informationen inklusive
umfänglicher psychologischer Testungen wurde untersucht, was die gesamte
Stichprobe sowie die Untergruppen der berufsunfähigen beziehungsweise nicht
berufsunfähigen Antragsteller charakterisiert und unterscheidet.
Spezielles Augenmerk wurde auf Hinweise für Verfälschungstendenzen gelegt,
wobei aus dem MMPI die Validitätsskalen, der F-K-Index und Wiener und
Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen verwendet wurden.
Die berufsunfähigen Ärzte waren im Mittel mit 54 Jahren tendenziell älter als die
nicht Berufsunfähigen mit 51 Jahren. Letztere stuften sich selbst tendenziell als
schwerer betroffen ein.
Zur Begründung der Berufsunfähigkeit wurde bei Antragsstellung am häufigsten
(56,7%) eine affektive Störung angeführt. Von den nach Begutachtung so
Klassifizierten wurden 58,8% als nicht berufsunfähig beurteilt.
72
Signifikante Zusammenhänge zwischen Diagnose und Berufsunfähigkeit fanden
sich für die Diagnose einer organischen Störung, diese waren sämtlich
berufsunfähig, und die einer Persönlichkeitsstörung, für die sämtlich keine
Berufsunfähigkeit festgestellt werden konnte.
In der Beurteilung der bisherigen Therapien konnte bei bislang inadäquaten
therapeutischen Bemühungen die Berufsunfähigkeit signifikant seltener
festgestellt werden als bei angemessener Vorbehandlung.
Auf den klinischen Skalen des MMPI erreichte die gesamte Stichprobe ein in
Mittel sehr hohes T-Wert-Niveau auf der Depressionsskala sowie hohe
Mittelwerte für die Skalen Hd (Hypochondrie), Hy (Hysterie,
Konversionsstörung), Pp (Psychopathie, Soziopathie, antisoziale
Persönlichkeitsstörung), Pt (Psychasthenie), Sc (Schizophrenie) und Si (soziale
Introversion) und einen erhöhten Mittelwert für die Skala Pa (Paranoia). Auffällig
hohe Ausprägungen zeigten sich des Weiteren auf den Zusatzskalen sc4 (Ich-
Mangel im Wollen), WRK (berufliche Probleme) und TRT (negative
Behandlungsindikatoren).
Bezüglich der Berufsunfähigkeit machten die nicht Berufsunfähigen signifikant
höhere Werte auf den Skalen Pt und Si sowie tendenziell höhere Werte auf den
Skalen Pp und Pa geltend.
Die Analyse der Validitätsskalen ergab für die gesamte Stichprobe auf der L-
(Lügen)-Skala einen niedrigen Mittelwert ohne Unterschied zwischen den
Untergruppen. Die übrigen Validitätsskalen sowie der F-K-Index zeigten
unauffällige T-Werte.
Bei den Subtil-Offensichtlich-Subskalen nach Wiener und Harmon fand sich im
Mittel für alle Begutachteten eine auffällige Häufung offensichtlicher gegenüber
subtiler Beschwerden für die Depressions- und die Hysterie-Subskalen.
Die nicht Berufsunfähigen zeigten auf der Paranoia-Subskala signifikant höhere
Differenzen zwischen offensichtlichen und subtilen Beschwerden ohne das die
jeweiligen Ausprägungen absolut auffällig waren.
In der Beschreibung ihrer Primärpersönlichkeit machten alle Untersuchten im
Mittel eine deutliche Verschiebung zum emotional instabilen Pol geltend, für die
nicht Berufsunfähigen war dies in signifikanter Weise stärker ausgeprägt. Sie
erzielten außerdem signifikant höhere Werte für logisches Schlussfolgern und
73
beschrieben sich tendenziell als ernster und weniger lebhaft als die
Berufsunfähigen.
In den Hirnleistungstest ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen
einem kognitiven Abbau und dem Vorliegen der Berufsunfähigkeit, das
prämorbide Intelligenzniveau unterschied sich nicht.
Einige Ergebnisse, wie die hohe Übereinstimmung von organischen Störungen
und der mit diesen Diagnosen typischerweise einhergehenden kognitiven
Einbußen oder der Zusammenhang zwischen dem Ausschöpfen der
therapeutischen Möglichkeiten und dem jeweiligen Vorliegen der
Berufsunfähigkeit sind mit der in den untersuchten Gutachten angelegten
Definition der Berufsunfähigkeit kongruent und bedürfen kaum weiterer
Interpretation.
Die bei den nicht Berufsunfähigen festgestellte stärkere Ausprägung spezieller
Beschwerden, Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen könnte auf eine
Aggravation dieser durch nicht die Kriterien einer Berufsunfähigkeit erfüllenden
Antragssteller hinweisen, alternativ aber auch Merkmale abbilden, die die
Berufstätigkeit für die Betroffenen erschweren und den Wunsch nach einer
vorzeitigen Berentung begünstigen.
Das Auftreten von Verfälschungstendenzen in Begutachtungen wurde durch
vorangehende Untersuchungen in der Größenordnung um 40% eingeschätzt.
Obschon sich vereinzelt Hinweise auf Aggravation ergeben haben, sind diese
unter Berücksichtigung der existierenden Literatur nicht zur Feststellung einer
solchen ausreichend. Entgegen den Erwartungen haben sich die verwendeten
Validitätsskalen und Indizes aus dem MMPI-2 als nicht geeignet erwiesen,
Verfälschungstendenzen aufzudecken und können daher zumindest für die
Fragestellung der Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte nicht empfohlen
werden.
74
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Danksagung Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. med. E. Klieser sowohl für die Überlassung des Themas der Dissertation als auch für die exzellente fachliche und die motivierende persönliche Betreuung während dieser Arbeit.
Lebenslauf Persönliche Daten Name Julia Bozena Pach geb. Bergmann Geburtstag/-ort 13.06.1975 in Oberhausen (Rhld.) Familienstand verheiratet Schulausbildung 1981 – 1985 Falkensteingrundschule in Oberhausen 1985 – 1994 Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen Abitur Hochschulausbildung 1994 – 2001 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum 8/1996 Physikum 8/1997 Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 3/2000 Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 2000/2001 Praktisches Jahr:
- Abteilung für Innere Medizin des Evangelischen Krankenhauses Herne
- Klinik für Chirurgie des Evangelischen Krankenhauses Herne
- Neurochirurgische Universitätsklinik des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer
10/2001 Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und Approbation Weiterbildung 2009 Fachärztin für Neurologie 2010 Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Beruflicher Werdegang 2001 – 2002 Ärztin im Praktikum in der Neurochirurgischen
Universitätsklinik des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer
2003 Ärztin im Praktikum in der Abteilung für
Geriatrie / Neurologie des Elisabeth Krankenhauses Recklinghausen
2003 – 2004 Assistenzärztin in der Abteilung für
Geriatrie / Neurologie des Elisabeth Krankenhauses Recklinghausen
2005 – 2006 Assistenzärztin in der Klinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen
2006 – 2007 Assistenzärztin in der Neurologischen Abteilung des
Evangelischen Krankenhauses Herne Seit 2007 Assistenzärztin in der Klinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen