Bewertung der Transparenzinitiativen imVerbraucherschutz aus rechtlicher SichtDr. Markus Kraus: April 2012 | © meyer.rechtsanwälte Partnerschaft
dr. markus kraus | 24.04.2012
Gliederung
Ausgangspunkt: Aufgabe der Lebensmittelkontrolle
Kontrollbarometer: Transparenz von KontrollergebnissenAusgangspunkt: Smiley SystemKontrollbarometer als Alternative?
Lebensmittelwarnung.deZielsetzung und Inhalt des InformationstoolsKritische Würdigung
Lebensmittelklarheit.de1. Inhalt und Zweck der Informationsplattform2. Kritische Würdigung
Zusammenfassung
dr. markus kraus | 24.04.2012
Lebensmittelkontrolle als traditioneller Verwaltungsvollzug
• Lebensmittelkontrolle stellt den Vollzug nationaler und europäischerVorschriften des Lebensmittelrechts sicher.
• Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (und AVV RÜb) verpflichten zurrisikoorientierten Kontrolle.
Dies bedeutet, dass sich die Kontrolldichte nach dem
• betriebsbezogenen Risiko• produktbezogenen Risiko sowie• dem Hygienemanagement
des Betriebs bestimmt.
Ausgangspunkt: Aufgabe der Lebensmittelkontrolle
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Sanktionen richten sich in Abhängigkeit der Schwere des Verstoßes nachdeutschem Recht
Zu den Sanktionsmechanismen zählen u.a.:
• Verwarnung• Ordnungswidrigkeiten-/Strafverfahren• Betriebsschließung• Rücknahme/Rückruf
Neben diesen klassischen Vollzugsaufgaben bzw.Sanktionsmechanismen soll die Lebensmittelüberwachung mit neuenAufgaben betraut werden.Diese betreffen die Information der Öffentlichkeit durch Veröffentlichungder Kontrollergebnisse.
Ausgangspunkt: Aufgabe der Lebensmittelkontrolle
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Als Informationsinstrumente sollen
• das Kontrollbarometer (ehemals „Smiley“) ! Transparenz von Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung
• das Internetportal „lebensmittelklarheit.de“! Indirekte Bewertung von Verbraucheranfragen im Internet
• das Internetportal „lebensmittelwarnung.de“dienen.
! Die Bewertung von Lebensmitteln führt zu einerWettbewerbsrelevanz (Produktvergleiche) und zu einem Eingriff inrechtlich relevante Bereiche der Unternehmen
! Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Legitimation undbundeseinheitlicher Rahmenbedingungen
Ausgangspunkt: Aufgabe der Lebensmittelkontrolle
dr. markus kraus | 24.04.2012
Ausgangssituation: Smiley System
Beschluss der Konferenz der Verbraucherschutzminister(VSMK) im September 2010:
• Bundesweite Einführung eines Systems, mit dem dieErgebnisse der amtlichen Kontrolle für den Verbrauchererkennbar werden sollen
• Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll zeitnahDurchführungsentwurf darlegen
• Beachtung folgender Kriterien:- Schaffung eines Rechtsrahmens- Geringer Verwaltungsaufwand für Lebensmittel
überwachungsbehörde- Kostenneutralität
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Ausgangssituation: Smiley System
Antrag der Fraktion „Die Linke“:
Übernahme des dänischen Systems
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Ausgangssituation: Smiley System
Massive rechtliche Bedenken:
• Negative Bewertungen = Grundrechtseingriff (Art. 12 GG)• Eingriff in Grundrechte bedarf legitimierender Ermächtigung
durch Gesetz, das- Beurteilungskriterien,- Anhörung der Betroffenen,- Sofortvollzug und Rechtsschutzmöglichkeit sowie- Kontrollzyklen/Nachkontrollen (Problem: Widerspruch
risikoorientierter Kontrolle)festlegt.
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Ausgangssituation: Smiley System
! Regierungskoalition lehnte Projekt ab.
! Vorschlag LAV – Arbeitsgruppe:
„Kontrollbarometer“
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Kontrollbarometer als Alternativkonzept?
• Projektgruppe LAV: Kontrollbarometer
• Verbraucher soll durch Pfeil über Farben (rot, gelb, grün) überHygienestatus informiert werden.
• Adressaten: - Gastronomie- Bäckereien und Metzgereien- Kantinen- Einzelhandel
• 2012: Einführung des Kontrollbarometers (so VSMK Mai 2011)
Zeitliche ErfassungTransparenz von Kontrollergebnissen
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Kontrollbarometer als Alternativkonzept?
• Beurteilungsgrundlage sind die in der AVV RÜb niedergelegtenKriterien:
• Verhalten des Lebensmittelunternehmers
• Verlässlichkeit der Eigenkontrollen
• Hygienemanagement
• Kriterien bilden Basis für graphische Darstellung im Barometer:• 0 – 40 Punkte: „Anforderungen erfüllt“• 41 – 60 Punkte: „Anforderungen teilweise erfüllt“• 61 – 80 Punkte: „Anforderungen unzureichend erfüllt“
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Kontrollbarometer als Alternativkonzept?
• Rechtliche Bedenken – ähnlich wie bei Smiley - bestehen auch hier.
• Kritik in tatsächlicher Hinsicht! Graphische Darstellung „verzerrt“ Kontrollergebnis, da emotional (rot,gelb, grün) gebunden.! Nennung von Unternehmen im Internet hat Dauerwirkung, die dem Anlassnicht gerecht wird.!Staat hat keine „Erziehungsfunktion“ ggü. Lebensmittelunternehmen.
• Fazit: Kontrollbarometer bedarf es nicht; existierende Kontrollmechanismen sindausreichend.
• Blockade zwischen VSMK und WiMK: Bund will von Rahmengesetzgebungs-kompetenz erst nach Einigung der Länder Gebrauch machen.
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
„Niedersächsicher Vebraucherschutzbeirat“ will Kompromiss erarbeiten:
• Freiwillige 3-jährige Übergangsfrist• Katalog soll Verbraucher leicht zugänglich sein (Internet)• Darstellung des Kontrollergebnisses durch Sonnensymbole (kein
emotionaler Bezug)
• Nur Veröffentlichung des aktuellen Ergebnisses (Historie frühererErgebnisse soll bei der Behörde geführt, nicht aber veröffentlichtwerden; Unternehmer kann aktuellen Bericht im Internetveröffentlichen).
• Nachkontrolle: - durch Überwachung binnen 4-6 Wochen - durch Sachverständigen (Auftrag: Unternehmer)
• Anhörung und Rechtsschutz nach § 123 VwGO
Transparenz von Kontrollergebnissen
dr. markus kraus | 24.04.2012
www.lebensmittelwarnung.de: Zielsetzung und Inhalt
• Veröffentlichung öffentlicher Warnungen oderInformationen i.S.v. § 40 LFGB
• Veröffentlichung durch Bundesländer oder BVL
• I.d.R. Hinweise über Rücknahme- oder Rückrufaktion oderInformationen über Lebensmittel und mit Lebensmittelnverwechselbarer Produkte
Publikation öffentlicher Warnungen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Publikation öffentlicher Warnungen
www.lebensmittelwarnung.de
dr. markus kraus | 24.04.2012
Würdigung
• Benennung des Lebensmittels und Unternehmers zurGefahrenabwehr ! entspricht Systematik von § 40 LFGB
• Aber: Ist § 40 LFGB mit Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002vereinbar und damit EU-rechtskonform?
• Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002: Öffentliche Information nurbei hinreichendem Verdacht, dass ein Lebensmittel ein Risiko fürdie Gesundheit mit sich bringt.
• § 40 LFGB ermächtigt bereits zur Information bzgl. zum Verzehrungeeigneter (ekelerregender) Produkte, von denen keineGesundheitsgefahr ausgeht.
Publikation öffentlicher Warnungen
dr. markus kraus | 24.04.2012
Würdigung
• Weitergehende Informationsrechte der Verwaltung dürften Art. 10Verordnung (EG) Nr. 178/2002 widersprechen ! Sperrwirkung vonArt. 10 Verordnung (EG) Nr. 178/2002.
• § 40 LFGB zudem kritisch wg. Normwiederholungsverbot
• EuGH, Rs. C-636/11 – Berger – (noch nicht amtlich veröffentlicht)Sollte der EuGH behördliche Warnungen vor Lebensmitteln, diekeine Gesundheitsgefahren zum Gegenstand haben, alsunionsrechtswidrig einstufen, wären diesbezügliche Informationenvon lebensmittelwarnung.de ebenfalls unionsrechtswidrig.
Publikation öffentlicher Warnungen
dr. markus kraus | 24.04.2012
www.lebensmittelklarheit.de: Ausgangssituation
• Finanzierung: BMELV
• Träger: Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv- Projektkoordination, -abwicklung- Mittelbewirtschaftung- begleitende Verbraucherforschung
• Erstellung und Betreuung des Internetportals:Verbraucherzentrale Hessen
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
www.lebensmittelklarheit.de
dr. markus kraus | 24.04.2012
Ziele des Projekts – Eigenwahrnehmung
• „Sammlung von Erkenntnissen über den Graubereich (?) zwischen offensichtlichem Rechtsverstoß und subjektiv wahrgenommener Täuschung“
• Vermeidung von Irreführung
• Verbesserungen im Lebensmittelrecht (LFGB,Lebensmittelbuch)
• Aufbau eines Diskussionsforums für alle Akteure
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Informationsbereich
Hehres Ziel:Verbraucher sollen in die Lage versetzt werden, die Kennzeichnungauf Lebensmittelverpackungen zu verstehen und selbst beurteilenzu können.
Auf welche Weise?Kennzeichnungselemente (freiwillige und verpflichtende)werden anhand von Produkt-Dummys erläutert
Themen?Klassiker: Imitate, Klebefleisch, Zusatzstoffe („frei von“),Nährwertkennzeichnung, Herkunftsangaben
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
www.lebensmittelklarheit.de
dr. markus kraus | 24.04.2012
Verfahren bei der Veröffentlichung eines Produkts
Die Veröffentlichung eines konkreten Produkts im Internetportalerfolgt durch die Portalredaktion der Verbraucherzentrale Hessennach Ablauf einer Frist, innerhalb derer der Hersteller zum Anliegender Verbraucher Stellung beziehen kann. Sie enthält:
• Produktfoto
• Zitat des Verbraucheranliegens
• Einordnung und Bewertung des Anliegens durchFachredaktion (hierbei soll unter anderem erläutert werden, wassich hinter bestimmten Begriffen verbirgt bzw. was bestimmteBegriffe nicht beinhalten)
• Stellungnahme des Herstellers (eine evtl. später nach der Fristeintreffende Stellungnahme würde auf der Produktseite ergänzt)
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Online gestellt werden folgende Fallgruppen:
!Fälle mit
Beispiele:
- Imitate: Pizza Margherita mit Analog-Käse ohneklärenden Hinweis
- Fruchtabbildungen ohne Fruchtzusatz- Kinder-Lebensmittel (vgl. Projekt „Kinderkampagne“
2004)- gesundheits- und nährwertbezogene Angaben- (Qualitäts-) Siegel/Zeichen- clean labelling („frei von“ Zusatzstoffen)- Natürlichkeit, Idylle, traditionelle Herstellung
! es sei denn:
[Typ: „Schwarzwälder Schinken“]
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
„Täuschungspotenzial“ (?)
legale Täuschung
dr. markus kraus | 24.04.2012
Nicht online gestellt werden sollen dagegen folgende Fallgruppen:
• Anfrage ist nicht Thema des Portals- Rechtsverstöße [! „gefühlte Täuschung“?]- Beanstandungen im Bereich derLebensmittelhygiene- Lebensmittelsicherheit (Lebensmittelunverträglichkeiten)
• Täuschungsvorwurf ist nicht ernst gemeint oder abwegigBsp: „Wo sind die Studenten im Studentenfutter?“
• Anfrage ist durch Verbraucherzentrale nicht überprüfbarRechtsprüfung setzt Klärung technischer (Vor-)fragen
voraus (Laboruntersuchungen, sensorische Prüfungen)
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Was passiert bei parallelem Verwaltungs- bzw. Wettbewerbsverfahren?
• Anfrage ist nicht Thema des Portals
! Rechtsverstöße [! „gefühlte Täuschung“!]
! Produkt wird dennoch online gestellt.
• Thematisierung gerichtlicher Auseinander-setzungen führt zu nicht zu rechtfertigenderPrangerwirkung.
! BMELV als Fördermittelgeber in der Pflicht.
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Was passiert bei gefestigter Verkehrs-/Branchenauffassung?
• „Alkoholfreies“ Bier hat 0,4% Restalkoholgehalt
• Zum Schaden der gezeigten Marke werden Vorbehaltetrotz Branchenauffassung problematisiert.
• Derartige Produkte sind – wenn überhaupt – alsanonymisierte Dummy-Abbildungen in das Portaleinzustellen.
! BMELV als Fördermittelgeber in der Pflicht.
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
Diskussionsbereich
Hehres Ziel: Verbraucher erhalten die Möglichkeit, über aktuelleKennzeichnungsfragen zu diskutieren
Wie?• moderierte Chats und Foren• zusätzliche „Expertenforen“ (?) für spezielle Fragen
Einzige Vorgaben:• keine Produktwerbung• keine Verunglimpfung von Produkten oder Herstellern
Das Internetportal der Verbraucherzentrale
dr. markus kraus | 24.04.2012
! Rechtsstaatlich nicht legitimierter Sekundärstandards bedarf esnicht, da die bestehenden Kontrollmechanismen genügen.
• Amtliche Kontrolle stellt die Einhaltung der gesetzlichenRegelungen/Lebensmittelsicherheit sicher.
• Überwachungsbehörden verfügen über eine Vielzahl vongerichtlich überprüfbaren Kontrollinstrumenten.
• Ferner ergreift die Lebensmittelwirtschaft eine Vielzahlqualitätssichernder privatrechtlicher Maßnahmen:
• Betriebliches Eigenkontrollensystem
• Externe, unabhängige Audits (wie IFS, GlobalGAP)
• Weitergehende stigmatisierende Maßnahmen durchVeröffentlichung von Kontrollergebnissen sind nicht nur rechtlichhöchst bedenklich, sondern überflüssig.
Zusammenfassung
dr. markus kraus | 24.04.2012
Kontakt
Dr. Markus Kraus
meyer.rechtsanwälte PartnerschaftSophienstraße 5, Etage 3D-80333 MünchenFon +49 (0) 89 - 85 63 88 0 - 0Fax +49 (0) 89 - 85 63 88 0 - 22E-Mail: [email protected]: www.meyerlegal.de