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Seite 10 Freitag, 23. Dezember 2011ARZBERG UND UMGEBUNG

„Schumann“-Porzellanfabrik: Eine Ausstellung und ein Buch widmen sich der Historie

Ein Buch spricht BändeJutta Bender und PeterHirsch präsentieren einenBilderband über die FabrikSchumann. Aus einemAusflug wird Leidenschaft.Ab 20. Januar entführengroße Fotos im Porzellan-ikon in die Geschichte desArzberger Unternehmens.

Von Peggy Biczysko

Arzberg – Ein Ausflug sollte es wer-den, mit dem Auto die Porzellanstra-ße entlang, vielleicht ein wenig stö-bern in den Werksverkäufen der üb-rig gebliebenen Fabriken. Sieben Jah-re ist es her, seit Jutta Bender und Pe-ter Hirsch sich auf den Weg machenund rein zufällig zuerst in Arzberglanden. Noch nie zuvor dagewesen,streckt die Neugier ihre Fühler aus,als das aus Sinsheim stammende Paarim Regen an der Jugendstil-Villa vor-beifährt. Der Torbogen mit der Auf-schrift „Porzellanfabrik“ zieht diebeiden magisch an. Heute wissenBender und Hirsch mehr als manchfrüherer Arbeiter der Carl SchumannAG über die Fabrik, ihre Menschen,ihre Produkte. In einem Buch – ges-tern druckfrisch im Arzberger Rat-haus vorgestellt – lassen die AutorenFotografien eindrucksvoll die Ge-schichte dieser Industrie-Brache er-zählen.

Krönung dieses Buches, das dieAutoren begleitend in einer Auflagevon 1000 Stück herausgeben, ist eineAusstellung vom 20. Januar bis 22.April kommenden Jahres im Porzel-lanikon Selb. Auf 300 Quadratme-tern, finanziell unterstützt von derOberfrankenstiftung, präsentierenGroß-Fotografien von Jutta Benderund Peter Hirsch den Aufstieg undNiedergang der Schumann-Fabrik, inder Ende der 1950er-Jahre rund 1100Menschen arbeiten.

Das ist lange her. Heute liegt – ab-gesehen von den abgebrochenen Ge-bäuden – alles in einem Dornrös-

chenschlaf. So, als hätte jeder seinenArbeitsplatz fluchtartig verlassenmüssen. „Die Ästhetik der Gebäudeund die Ästhetik des Verfalls habenuns fasziniert“, gestehen Bender undHirsch, deren Leben vor 2004 so reingar nichts mit Porzellan zu tun hat.Dass man vor dem Kaffeetrinken ein-mal das Porzellan auf den Kopfdreht, um zu sehen, welcher Stempelauf dem Boden prangt – all das wis-sen sie damals nicht. „Heute machendas viele unserer Freunde und Be-kannten in der Gegend um Heidel-berg und überall dort, wohin wirkommen“, schmunzeln sie über die

vor sieben Jahren aufgeflammte Lei-denschaft für das weiße Gold.

Speziell allerdings für Schumann.„Ausgerechnet, als wir vor dem Ge-bäude standen, kam ein ehemaligerMitarbeiter daher und schimpftefurchtbar über die Fabrik“, erzähltBender. Neugierig geworden, stöbernsie und ihr Partner in der Historie,klettern treppauf, treppab in der al-ten Fabrik, halten die verwaisten,verfallenen Ecken mit der Kamerafest. Immer wieder fahren sie seithernach Arzberg und begleiten die Fa-brik noch fünf Jahre, ehe sie 2009zum Großteil abgerissen wird.

„Mit der Ausstellung und demBuch wollen wir den Menschen inder Region ein bisschen helfen,selbstbewusster und stolz darauf zusein, was sie hier geschaffen haben“,erklären Bender und Hirsch ihre Mo-tivation. Made in Germany und dasKnow how am Beispiel eines inha-bergeführten Unternehmens sind ih-nen dabei wichtig. „Und wir werdenauch vorstellen, was mit einer Indus-trie-Brache passieren kann“, verrätPeter Hirsch.

Gespannt auf die Ausstellung sindPorzellanikon-Direktor Wilhelm Sie-men und sein Stellvertreter Wolf-gang Schilling, der an der Entste-hung des Buchs mitgewirkt hat. Ehedie Ausstellung öffnet, werden JuttaBender und ihr Partner sicherlichnoch öfter in der Region zu sehensein – einer Region, deren Menschen,Geschichte und Porzellan sie richtiggefesselt haben.

Übrig bleiben letztlich Schutt, Scherben und Erinnerungen: Die Porzellanmanufaktur Schumann war bekannt für ihre Durchbruchporzellane und Serien wie„Dresdener Rose“. Fotos: Bender und Hirsch

Begeistert präsentieren Peter Hirsch und Jutta Bender ihr neues Buch, undPorzellanikon-Direktor Wilhelm Siemen, sein Stellvertreter WolfgangSchilling sowie Bürgermeister Stefan Göcking (von links) sind schon sehrgespannt auf die Ausstellung. Foto: zys

In KürzeEmotionen werden

wachArzberg – „Von heute auf morgenstand plötzlich nur noch die Kaffee-tasse verlassen auf dem Tisch. DieSchließung der Porzellanfabriken istein Thema, das viele Leute in Arzbergüber Jahre gar nicht hören wollten.“Auch bei Bürgermeister Stefan Gö-cking werden Emotionen geweckt,als er das druckfrische Exemplar desBegleitbuchs zur Ausstellung „ÄraPorzellan“ gestern in Händen hält.„Meine gesamte Kindheit habe ich indiesem Schumann-Areal verbracht.Und dort habe ich mir auch meinerstes Geld durch Ferienarbeit ver-dient.“ Der Bürgermeister will dasBuch lieber zu Hause allein in Ruhegenießen, „denn da gibt es ein Stückweit Emotionen“.

Lektüre alsWeihnachtsgeschenk

Arzberg – Das Buch „Ära Porzellan“gibt es ab sofort in den Museums-Shops und bei der Stadt Arzberg zumPreis von 19,90 Euro. Nicht nur fürFreunde von Porzellan sicherlich einschönes Weihnachtsgeschenk.

Hier gibt es mehr alsPorzellan

Arzberg – „Es ist nicht nur das Por-zellan, das uns nach Arzberg lockt. Esmacht auch richtig Spaß hier.“ Dasversichert Peter Hirsch gestern ge-genüber der Frankenpost im Arzber-ger Rathaus. „Anders als bei uns imHeidelberger Raum haben wir hiernie Stress, selten einen Stau, könnenausspannen. Bei schlechtem Wetterkann man zum Beispiel die schönenMuseen in der Region besuchen.“Hirsch meint, die Menschen hiermüssten sich der Qualitäten ihrerLandschaft noch mehr besinnen undmiteinander dafür werben. Und wasihm noch auffällt: „So schöneChristbäume mit Porzellan behängtfindet man nirgends.“

35000 Kilometer ausEntdeckerlust

Arzberg – Jutta Bender und PeterHirsch fahren seit 2004 35000 Kilo-meter zwischen Arzberg und Sins-heim. 350 Kilometer einfache Stre-cke sind zu bewältigen, um Näheresüber Carl Schumanns Fabrik zu er-fahren.

Wirtschaft und Schmuckim normalen Leben

Arzberg – Weder mit Porzellan nochmit Fotografie oder dem Schreibenvon Büchern haben Jutta Bender undPeter Hirsch in ihrem normalen Le-ben zu tun. Sie ist Diplom-Designe-rin für Schmuck und Uhren, er ist Be-triebswirt und Wirtschaftsberater.Und Porzellan ist mittlerweile keinHobby mehr, sondern absolute Lei-denschaft. Längst ist das Paar ausSinsheim ausgerüstet mit jeder Men-ge Porzellan von Schumann, „aberauch von anderen Herstellern“, be-kennt Jutta Bender. Peggy Biczysko

Dieses Wappen, von der Stadt Arzberggesichert, befand sich über der Haupt-eingangstür der Villa.

In den Räumen derFabrik ist dasmeis-te so geblieben, wie zu dem Zeitpunkt,als die Menschen Arbeitsplätze undFabrik verließen.

KONTROLLEN HEUTE:

! Geschwindigkeitskontrollen auf denhochfränkischen Autobahnen! Handy-, Gurt-, Alkohol- und Drogen-kontrollen im Großraum Selb

Achtung: Als Kraftfahrzeugführer einMobiltelefon benutzt, indem es aufge-nommen oder gehalten wurde: 40 EuroBußgeld, ein Punkt im Flensburger Ver-kehrszentralregister

Britischen Studien zufolge muss dieFahrbeeinträchtigung durch das Telefo-nieren mit derjenigen gleichgesetzt wer-den, die unter Alkoholeinfluss erfolgt.

Anschlagtafel

Freitag, 23. Dezember! Arzberg

CVJM, 16.30 bis 17.30Uhr, Dreifachturn-halle, Handball-Training Mädchen (11 bis13 Jahre).CVJM, 17.30 bis 19Uhr, Dreifachturnhal-le, Handball-Training Herren.CVJM, 20 bis 21.45Uhr, Dreifachturnhal-le, Volleyball-Training Herren.CVJM, 20 bis 21Uhr, Gemeindehaus, Po-saunenchorprobe.

! Schirnding

Schirndinger Adventsfenster, 18Uhr, inder Schäferei Frank.

! Thiersheim

TSV, 17 bis 18Uhr, Schulturnhalle, Tur-nen mixed Kinder.TSV, 18 bis 19Uhr, Schulturnhalle, Schü-lerfaustball mixed.TSV, 18 bis 19.30Uhr, Tischtennis Ju-gend in der Vereinsturnhalle.TSV, 19 bis 20Uhr, Schulturnhalle, Ju-gendfaustball.TSV, 19.30 bis 22Uhr, Tischtennis Er-wachsene mixed in der Vereinsturnhalle.TSV, 20 bis 22Uhr, Schulturnhalle, Her-renfaustball.

! Thierstein

ZV, 19Uhr, Turnhalle, Kartenvorverkauffür „Opa wird 70“.

Samstag, 24. Dezember! Thiersheim

Fichtelgebirgsverein, Jahresrückblick amDienstag, 27. Dezember, um 19Uhr mitBildern in der TSV-Gaststätte.

! Hohenberg an der Eger

Schützengesellschaft, 13 bis 17Uhr, all-gemeines Schießtraining.

Polizei klärtÜberfall auf

Apotheke aufThierstein – Der Thiersteiner Apo-theken-Überfall ist geklärt. Die Kri-minalpolizei Hof hat am Montag ei-nen jungen Mann aus dem LandkreisWunsiedel festgenommen. Auf An-trag der Staatsanwaltschaft Hof wur-de Haftbefehl gegen den 18-Jährigenerlassen. Der Festgenommene sitztnun in Untersuchungshaft. Er istnach Angaben der Polizei akut sucht-krank. Wie berichtet, hatte sich derjunge Mann mit einer Sturmhaubemaskiert, als er die Thiersteiner Burg-Apotheke am späten Nachmittag des21. Oktober betrat. Er bedrohte dieApothekerin mit einer Pistole undverlangte von ihr die Herausgabevon Betäubungsmitteln. Um seinerForderung Nachdruck zu verleihen,hielt er der Apothekerin die Waffe anden Kopf. Er soll nach Informatio-nen unserer Zeitung ganz gezielt einbestimmtes Produkt verlangt habe.Nach dem Überfall soll der jungeMann laut AugenzeugenberichtenRichtung Höchstädt geflohen sein.Wie die Polizei gestern berichtet, wa-ren der Festnahme umfangreiche Er-mittlungen vorausgegangen. Die Be-amten befragen zahlreiche Zeugen.Am Montag klickten dann die Hand-schellen.

Von der Blüte zum UntergangDie Autoren sammelnwichtige Daten rund umdas Unternehmen.Ab 1901 gibt es in derFabrik elektrisches Licht.Die Hochzeit erlebt dieCarl Schumann AGMitte der 50er-Jahre.

Arzberg – „Hört man den NamenArzberg, denkt man gleich an Porzel-lan.“ So geht es nicht nur Jutta Ben-der und Peter Hirsch. „Beim NamenSelb muss man immer noch das WortRosenthal hinzufügen, ehe die Men-schen begreifen, dass es sich um dasberühmte Porzellan dreht.“ Arzberg– mit diesem Namen verbinden dieAutoren des Buches „Ära Porzellan –Wertschätzung der Vergangenheit“eine „Einzigartigkeit von Know howund Fertigkeiten“. Ganz wichtig istBender und Hirsch bei der Präsenta-tion ihrer Ausstellung im kommen-den Jahr, „dass wir die Wertschät-zung für dieses Schumann-Porzellanaus Arzberg auch den Jüngeren rü-berbringen können“.

In dem Buch, in dem zahlreicheBilder den Untergang einer Epochedokumentieren, schwenken dieAutoren auch mit Worten zurück indie Geschichte. Die wichtigen Eckda-ten vom Aufbau über die Hochzeitbis zum Niedergang der Fabrik inArzberg werden begleitet von eineminteressanten Sammelsurium vonBegebenheiten weltweit. In den Jah-

ren, als Christina Schumann 1884die Firmenleitung übernimmt –Frauen sind in solch einer Positioneine absolute Seltenheit zu jener Zeit–, erlässt Großbritannien 1887 einDekret, das vorschreibt, deutscheProdukte mit „Made in Germany“ zukennzeichnen, weil diese den briti-schen Waren immer mehr Konkur-renz machten. Wovor die Käufer ge-

warnt werden sollten, nämlich deut-sche Waren zu kaufen, entpuppt sichjedoch als Qualitätssiegel schlecht-hin – bis heute.

1897, in dem Jahr, in dem CarlSchumann heiratet, werden die Vor-bereitungen für die neue Porzellanfa-brik getroffen. Nach und nach ent-steht in Arzberg ein 60000 Quadrat-meter großes Areal, das sich übereine Gesamtlänge von 1,5 Kilome-tern erstreckt. Ab 1901 gibt es elektri-sches Licht in den Porzellanfabriken.Zuvor müssen Maler und Dreherselbst für die ausreichende Beleuch-tung ihres Arbeitsplatzes sorgen.1910 stehen neun Rundöfen und esgibt 500 Beschäftigte.

1923 wandelt Carl Schumann diePorzellanfabrik in eine Aktiengesell-schaft um. Der Ehrenbürger der StadtArzberg stirbt mit nur 55 Jahren1926. Nach dem Zweiten Weltkriegerreicht die Fabrik 1957/58 unterSohn Carl Schumann II ihre höchsteBlüte. Der Firmenchef stirbt 1975.Das Unternehmen wird 1990 an Dr.Schuppli verkauft, der 1994 die Pro-duktion einstellt. Am 3. März 1995schließt die Schumann-Fabrik ihrePforten – für immer. Peggy Biczysko

Die Villa, erbaut 1905, repräsentiert das Selbstbewusstsein eines erfolgreichenPorzellanunternehmers. Schumann identifizierte sich mit seinem Betrieb, daherist die Villa auch auf demWerksgelände gebaut.

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