Mag. Dr. Guido Reiter
Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ)
Biologie, Ökologie und Naturschutzbiologie
einheimischer Fledermäuse
Dietz C., von Helversen O. & D. Nill (2007): Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. Kosmos Naturführer.
Kunz T. & S. Parsons (2009): Ecological and Behavioral Methods for the study of bats. 2nd Edition. The John Hopkins University Press.
Altringham J.D. (1996): Bats – Biology and Behaviour. Oxford Univ. Press.
Neuweiler G. (1993): Biologie der Fledermäuse. Thieme Verlag.
Empfehlenswerte Bücher
• Evolution und Artenvielfalt• Morphologie• Ökomorphologie• Reproduktionsbiologie• Populationsbiologie• Ultraschall-Echoorientierung• Nahrungsökologie – Jagdverhalten• Quartierökologie• Verhalten• Winterschlaf – Phänologie• Methoden in der Fledermausforschung• Gefährdung heimischer Fledermäuse• Schutz heimischer Fledermäuse
Inhalt
Aktiver Flug
Hohes Lebensalter
Spermien sind lange lebensfähig
Ultraschall-Echoorientierung
Vielzahl ökologischer Nischen
Charakteristika der Lebensform Fledermaus
Evolution der Fledermäuse
Adaptive Radiation der Säugetiere im Eozän (56 bis 36 Mio. Jahre)
In dieser Epoche sind viele rezente Säugetier- und auch Fledermausfamilien entstanden.
in Wyoming Skelettfund einer „Urfledermaus“ Onychonycteris finney („Bekrallte Fledermaus“) frühes Eozän (ca. 52 Mio. Jahre alt) mittelgroß, kurze Flügel und Krallen an allen Flügelfingern Form und Ausprägung der Schädelbasis zeigen, dass die Hörschnecke von Onychonycteris finney kleiner war als jene aller rezenten und echoortenden Fledermausarten - somit war noch keine Ultraschall-Echoorientierung möglich Fazit: Die Fledermäuse konnten zuerst Fliegen, die Ultraschall- Echoorientierung entstand später. Kiefer- und Zahnmerkmale ließen weiter schließen, dass Onychonycteris finney insectivor war.
Simmons et al. (2008): Nature 451.
Evolution der Fledermäuse
Evolution der Fledermäuse
Weitere Fossilnachweise aus dem Eozän (z.B. Icaronycteris index) waren ebenfalls insectivor
aber
für einige Gattungen ist aufgrund deren relativer Cochlea-Größe (im Vergleich zur Schädelgröße) bereits eine Echoortung anzunehmen (z.B. Archaeonycteris, Palaeochiropteryx, Hassianycteris).
Evolution der Fledermäuse
Simmons (2005): Science 307.
Onychonycteris, Icaronycteris, u.a.
aktuell rund 1200 Fledermausarten in 19 Familien bekannt
vermutlich jedoch deutlich mehr Arten
bis vor kurzem wurden die „Schwesterngruppen“ (Unterordnungen) Flughunde (Megachiroptera) und Fledermäuse (Microchiroptera) unterschieden
neueste molekulargenetische Studien zeigen jedoch, dass die Flughunde näher mit der Gruppe der „Hufeisennasen- Verwandten“ verwandt sind, als mit den übrigen echoortenden Fledermäusen
Diversität der Fledermäuse
man unterscheidet daher aktuell:
Diversität der Fledermäuse
Pteropodiformes Vespertilioniformes
Pteropodidae Hufeisennasen- Verwandte
5 Familien 13 Familien
Evolution der Fledermäuse
Simmons (2005): Science 307.
Konsequenz aus den Verwandtschaftsverhältnissen:
Echoorientierung der Fledermäuse ist zweimal unabhängig voneinander entstanden (Hufeisennasen- Verwandte und Vespertilioniden)
oder
die Echoorientierung wurde in der Evolution der Pteropodidae wieder aufgegeben
Diversität der Fledermäuse
Mögliches Szenario nach Dietz et al. (2007):
Die Echoorientierung war zum Zeitpunkt der Aufspaltung noch nicht perfekt unbewegte Objekte (Früchte, Blüten) konnten noch nicht vom Hintergrund unterschieden werden.
Die Flughunde haben mit der Spezialisierung auf das Früchtefressen eine noch nicht perfektionierte Echoorientierung wieder aufgegeben.
Die insectivore Gruppe perfektionierte hingegen die Echoorientierung.
Die Echoorientierung der Früchte fressenden Blattnasenfledermäuse Südamerikas war so weit entwickelt, dass sie zur Lokalisation von unbewegten Objekten eingesetzt werden konnte.
Diversität der Fledermäuse
Fotos: A.Zahn
Fotos: H. Mixanig und A. Zahn
Fotos: P. Angeli, J. Meyer, G. Reiter und A. Zahn
Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts galt die Biodiversität der Wirbeltiere als weitgehend erfasst.
Seit den 1950er Jahren sind einige Arten wieder entdeckt worden (Plecotus austriacus, Myotis brandtii).
Zugrunde lag das morphologische Artkonzept (typologische Artkonzept).
Nachteil: Kryptische Arten (verschiedene Arten, die aber nach Merkmalen kaum oder gar nicht zu unterscheiden sind) sind nicht zu entdecken.
Diversität der europäischen Arten
nach Dietz (2008)
Möglichkeiten zur Entdeckung kryptischer Arten:
1. Statistische Auswertung morphologischer DatenAnhand großer Serien können zahlreiche morphologische Merkmale und Messwerte statistisch ausgewertet werden.
2. Untersuchung des FortpflanzungsverhaltensDabei wird das eigentliche biologische Artkonzept (auch populationsgenetisches Artkonzept genannt) zugrunde gelegt: „Arten sind Gruppen natürlicher Populationen die sich untereinander kreuzen können, und die von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind“.
Kryptische Arten
3. MolekulargenetikDabei nutzt man Sequenzunterschiede zwischen verschiedenen Arten als Merkmale und geht davon aus, dass getrennte Arten über eine artspezifische genetische Ausstattung verfügen.
Somit sollten die Haplotypen innerhalb einer Art nur relativ gering variieren und zwischen Arten relativ groß sein, da es aufgrund eines fehlenden genetischen Austausches durch Selektion zur Anhäufung von Sequenzunterschieden kommt.
Aufgrund des Fokus auf einer genetischen Isolation wird das zugrunde liegenden Artkonzept als genetisches Artkonzept bezeichnet.
Kryptische Arten
Für molekulargenetische Studien müssen zunächst Gene ausgewählt werden, die man relativ leicht fassen, d.h. die man mit Hilfe der PCR (Polymerase Chain-Reaction) vervielfältigen kann.
Gewebeprobe der Fledermaus (Flughaut, u.U. auch Kot)
Häufig: mitochondrielle Gene gewählt (mDNA).
Problem: ab welchen Sequenzunterschieden kann man von getrennten Arten sprechen
Molekulargenetische Methoden
Für Säugetiere spiegelt ein Cytochrom-b-Sequenzunterschied von über 5% die anhand morphologischer Merkmale beschriebene Artaufteilung weitestgehend wider.
Die intrapsezifischen Cytochrom-b-Sequenzunterschiede liegen dagegen bei gut untersuchten Arten meist bei unter 2% und nur selten bei über 4%.
Bei morphologisch klar abgegrenzten Arten einer Gattung können dagegen Sequenzunterschiede von bis zu 18,7% auftreten
Molekulargenetische Methoden
Kryptische Arten• Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) - Zwergfledermaus (P. pipistrellus)
• Nymphenfledermaus (Myotis alcathoe) - Bartfledermaus (M. mystacinus)
• Kleines Mausohr (Myotis oxygnathus) - Punisches Mausohr (Myotis punicus)
• Alpen-Langohr (Plecotus macrobullaris) - Balkanlangohr (Plecotus kolombatovici) - Sardisches Langohr (Plecotus sardus).
• Myotis escalerai – Fransenfledermaus (Myotis nattereri)
• Myotis spp. aus der M. nattereri-Linie
Grün = Vorkommen in Österreich bestätigt
Blau = Vorkommen in Österreich bestätigt, Artstatus unklar
Pipistrellus pipistrellus vs. Pipistrellus pygmaeus
Dietz & v. Helversen (2004)
Pipistrellus pipistrellus vs. Pipistrellus pygmaeus
Dietz & v. Helversen (2004)
Plecotus macrobullaris
Fotos: G. Reiter und D. Nill
Myotis alcathoe
Fotos: G. Reiter
Myotis alcathoe vs. Myotis mystacinus
Dietz & v. Helversen (2004)
Konzentration der Diversität in den Tropen Abnahme der Artenzahlen gegen Norden auch in Europa
Diversität der Fledermäuse
Willig & Selcer (1989): J.o.Biogeography Dietz et al. (2007)
Diversität der Fledermäuse
Fenton M.B. (1972). C.J.o.Zoology
Nischenüberlappung vergleichbar
Nischenbreite größer
Aktuelle Artenliste Österreich
Art FFH- Anhang
Rote Liste
Kleine HufeisennaseRhinolophus hipposideros
II & IV VU
Große HufeisennaseRhinolophus ferrumequinum
II & IV CR
Fam. Rhinolophidae
Aktuelle Artenliste ÖsterreichFam. Vespertilionidae: Gattung Myotis
Wasserfledermaus – Myotis daubentonii IV LC
Teichfledermaus – Myotis dasycneme II & IV --
Brandtfledermaus – Myotis brandtii IV VU
Nymphenfledermaus – Myotis alcathoe IV --
Bartfledermaus – Myotis mystacinus IV NT
Fransenfledermaus – Myotis nattereri IV VU
Wimperfledermaus – Myotis emarginatus II & IV VU
Bechsteinfledermaus – Myotis bechsteinii II & IV VU
Mausohr – Myotis myotis II & IV LC
Kleines Mausohr – Myotis oxygnathus II & IV CR
Aktuelle Artenliste ÖsterreichFam. Vespertilionidae: Gattungen Nyctalus bis Hypsugo
Abendsegler – Nyctalus noctula IV NE
Kleinabendsegler – Nyctalus leisleri IV VU
Zwergfledermaus – Pipistrellus pipistrellus IV NT
Mückenfledermaus – Pipistrellus pygmaeus IV DD
Rauhhautfledermaus – Pipistrellus nathusii IV NE
Weißrandfledermaus – Pipistrellus kuhlii IV VU
Alpenfledermaus – Hypsugo savii IV EN
Aktuelle Artenliste Österreich
Fam. Vespertilionidae: Gattungen Vespertilio bis Plecotus
Zweifarbfledermaus – Vespertilio murinus IV NE
Breitflügelfledermaus – Eptesicus serotinus IV VU
Nordfledermaus – Eptesicus nilssonii IV LC
Mopsfledermaus – Barbastella barbastellus II & IV VU
Braunes Langohr –Plecotus auritus IV LC
Alpen-Langohr – Plecotus macrobullaris IV DD
Graues Langohr – Plecotus austriacus IV VU
Aktuelle Artenliste Österreich
Art FFH- Anhang
Rote Liste
LangflügelfledermausMiniopterus schreibersii
II & IV RE
Fam. Miniopteridae
Fam. Molossidae
Art FFH- Anhang
Rote Liste
Europ. BulldogfledermausTadarida teniotis
II & IV --
Wie viele Fledermausarten leben auf Barro Colorado Island ? (BCI ist eine Insel im Panamakanal mit ca. 16 km2 Fläche)
ca. 70 Arten !
Foto: C. Ziegler
Fotos: A. Lang & C. Ziegler
Centurio senex Chrotopterus auritus
Fotos: A. Zahn & C. Ziegler
MacrodermaMacroderma gigasgigas Noctilio leporinus