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Erster eigener Standort für den Vorschussverein Rastatt: Die Poststraße 4 unweit des Schlosses ist seit 1905 Bankgebäude.
Bürgermeister Ludwig Sallinger.
Die liberale Mehrheit im Badischen Landtag konnte mit
wohlwollender Unterstützung durch den Großherzog
Friedrich I. in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts eine
Reihe von Reformgesetzen verabschieden, die Gesell-
schaft und Wirtschaft des Großherzogtums Baden grund-
legend veränderten und zu Auslösern eines rasanten
ökonomischen Wandels wurden, in dessen Verlauf sich
Baden bis 1914 von einem Agrarstaat zu einem moder-
nen Industrieland entwickelte. Insbesondere das Gewer-
begesetz von 1862 löste die einzelnen Branchen aus den
Fesseln der mittelalterlichen Zünfte. Die Gewerbefreiheit
steigerte die Nachfrage nach Kapital, dem Brenn- und
Schmierstoff jeder wirtschaftlichen Entwicklung, enorm.
So ist es kein Zufall, dass im deutschen Südwesten in
diesen Zeiten eine Reihe von Banken oder bankähnlichen
Einrichtungen entstanden. Häufig organisierten diese sich
nach dem genossenschaftlichen Prinzip, wie es Franz Her-
mann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen
wenige Jahre zuvor begründet hatten. Nach den Prinzi-
pien der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der
Selbstverwaltung und mit dem wesentlichen Zweck der
Kapitalansammlung und der Kreditgewährung für breite
Schichten der Bevölkerung gründeten sich auch innerhalb
eines kurzen Zeitraums in Rastatt und Baden-Baden Vor-
schussvereine.
erster VOrschussVerein in MittelbaDen
Dass der im Dezember 1867 gegründete Vorschussverein
Rastatt die Ehre für sich in Anspruch nehmen kann, als
erster auf der mittelbadischen Bühne präsent gewesen
zu sein, hängt zweifelsohne mit der großen Unterstüt-
zung zusammen, die er bei seiner Gründung durch die
lokale Politikprominenz erhielt. Von keinem Geringeren
als dem Rastatter Bürgermeister Ludwig Sallinger kam
die Anregung zur Gründung, und Sallinger war es auch,
der als erster Ausschussvorsitzender wirkte. Dies stattete
den neuen Verein nicht nur mit Reputation und Solidi-
tät aus, sondern bescherte ihm auch schon in der An-
fangsphase eine erstaunlich hohe Mitgliederzahl. Auch
das Geschäftsvolumen des Vorschussvereins stieg rasch,
nicht zuletzt aufgrund einer frühen Expansion mit der
Gründung erster Zweigvereine in Rotenfels (Januar 1869),
Durmersheim (Mai 1869) und Oberweier (Januar 1870).
150 Jahre VOlksbank DIE GESCHICHTE EINER REGIONALBANK
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Das Holland-Hotel um 1940.
War für mehr als sechs Jahrzehnte das Domizil des Vor-schussvereins und der späteren Vereinsbank Baden-Baden: Das 1892 neu von der Bank errichtete Gebäude in der Gernsbacher Straße 23.
1869 Frühe Expansion
Der Rastatter Verein verstand sich von Anfang an als Einrichtung für den gewerblichen Mittelstand im mittel-
badischen Raum. Zu den ersten Genossen zählten daher Selbstständige wie der Schreiner Ludwig Burbach aus
Rastatt, der Niederbühler Hirschwirt Wenzel Blödt, Freiberufler wie der Rastatter Chirurg Ambros Wieber, aber
auch Persönlichkeiten aus Iffezheim, Ötigheim und Niederbühl. So war es nur ein konsequenter Schritt, schon früh
die Errichtung von Zweigvereinen im Amtsbezirk ins Auge zu fassen und damit eine gewisse Marktabdeckung
zu erreichen. 1869 gründete sich in Rotenfels ein Filialverein, der auch für die Dörfer Bischweier, Oberweier und
Gaggenau zuständig war, und im selben Jahr ein Verein in Durmersheim, der die untere Hardt abdecken sollte.
Wie erfolgreich diese Strategie war, erkennt man nicht nur an den steigenden Mitgliederzahlen der gesamten
Genossenschaft, sondern auch an deren regionalen Verteilung. Im Juli 1869 verteilten sich die 421 Mitglieder wie
folgt: 201 Rastatt, 79 Rotenfels, 41 Durmersheim, 10 Bietigheim, 2 Elchesheim, 2 Förch, 5 Hügelsheim, 4 Iffez-
heim, 3 Kuppenheim, 2 Lichtenau, 6 Muggensturm, 12 Niederbühl, 2 Bischweier, 22 Oberweier, 10 Ötigheim, 3
Ottersdorf, 2 Plittersdorf, 6 Rauental, 2 Steinmauern, 5 Söllingen, 1 Sandweier, 1 Wagshurst.
Nicht ganz so schnell entwickelte sich der im Januar
1869 gegründete Vorschussverein Baden-Baden. So ho-
norig seine Gründerpersönlichkeiten auch waren – der Ei-
gentümer des Hotel Royal, Johann Thomas Kaub, als erster
Direktor des Vereins sei hier stellvertretend genannt –, der
Vorschussverein hatte lokale Bank-Konkurrenz, gegen-
über der es sich zu behaupten galt. Wirtschaftlicher Erfolg
war also ein Muss, wollte man sich der Treue und Iden-
tifikation der Mitglieder dauerhaft versichern. Anfänglich
haperte es auch damit, musste doch manche Generalver-
sammlung mangels erschienener Mitglieder als beschluss-
unfähig festgestellt werden. Während Rastatt einen fulmi-
nanten Start hinlegte, entwickelte sich das Baden-Badener
Pendant in einem langsameren Tempo, was auch darin be-
gründet sein dürfte, dass es sich Interessenten außerhalb
Baden-Badens nur bedingt öffnete. Konnte der Rastatter
Vorschussverein im Juli 1873 schon mit 1.135 Mitgliedern
aufwarten, betrug die Mitgliederzahl des Baden-Badener
Vereins 1885 lediglich 773. Erst mit der Expansion der
Volksbank Baden-Baden in die Fläche Anfang der 60er
Jahre des vergangenen Jahrhunderts änderte sich dieses
Verhältnis der beiden benachbarten Genossenschaftsban-
ken. 1968 zählte die Volksbank Rastatt 2.562, die Volks-
bank Baden-Baden jedoch 4.227 Mitglieder.
frühe spenDen
Was beide genossenschaftlichen Einrichtungen von Be-
ginn an einte: Sie verstanden und verstehen sich nicht
ausschließlich als gewinnorientierte Unternehmen. Sie
identifizierten sich in hohem Maße mit ihrem jeweiligen
Standort und den dort lebenden Menschen. Zeichen
dieser lokalen Verwurzelung waren die schon früh von
beiden Banken praktizierte Unterstützung der jeweiligen
Bürgergesellschaft, insbesondere von karitativen, kultu-
rellen und gemeinnützigen Vereinen, Organisationen und
Gruppierungen. Schon 1889 konnten sich die Freiwilligen
Feuerwehren aus Lichtental und Badenscheuern (heutige
Weststadt) über je 100 Reichsmark freuen, die von der
Generalversammlung des Vorschussvereins genehmigt
worden waren.
Zurück zur Entwicklung der beiden Banken: Bis zur
Jahrhundertwende führte die rasch fortschreitende In-
dustrialisierung zu einer immer sichtbarer werdenden
Konjunkturüberhitzung und damit zu einer Wirtschafts-
und im Zuge dessen Bankenkrise. Die Vorschussvereine
in Rastatt und Baden-Baden kamen gut durch diese Zeit,
und die Jahre bis zum Ersten Weltkrieg waren bei leichten
Schwankungen durchaus positiv. In Baden-Baden florier-
te der Fremdenverkehr und in Rastatt und dem Murgtal
hatte der weitere Ausbau der Murgtal-Bahnstrecke bele-
bende Effekte. Weitreichend war für den Vorschussverein
Rastatt die Entscheidung, das im Rahmen einer Zwangs-
versteigerung übernommene Haus in der Poststraße 4 zu
behalten und zum Bankgebäude umzubauen. Bis heute
ist dort eine Volksbank-Filiale beheimatet.
Während und nach dem Ersten Weltkrieg wirkte sich
die Inflation stark auf die Bilanzen der Banken aus – al-
lein im Jahr 1922 verzwölffachte sich die Bilanzsumme
der Vereinsbank Rastatt. Ein Jahr später war der Höhe-
punkt der Inflation erreicht. Der Jahresumsatz der Ver-
einsbank belief sich vor der Einführung der Rentenmark
auf neun Trillionen Papiermark. Die Folgejahre überstan-
den die beiden Vereinsbanken gut – und auch die Zeit
der Weltwirtschaftskrise mit wirtschaftlichem Verfall und
extrem hoher Arbeitslosigkeit konnten die Institute dank
vernünftiger Geschäftspolitik in den Krisenjahren aus ei-
gener Kraft überstehen.
Allererste Aufzeichnung: Das Original-Protokoll zurGründung des Vorschussvereins Rastatt vom Dezember 1867.
Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
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1940Männergesellschaft
Als erster weiblicher Lehrling wurde im
Oktober 1940 die Tochter eines Herrn
Braunagel eingestellt. Den Kriegszeiten
und den dadurch fehlenden männli-
chen Arbeitskräften geschuldet war
auch, dass sich 1942 unter den 17 Be-
schäftigten der Volksbank Baden-Ba-
den acht Mitarbeiterinnen befanden.
Nach dem Ende des Krieges wurde dies
allerdings schnell wieder „korrigiert“.
Im Geschäftsbericht des Jahres 1953
ist zu lesen: Die Bank hat 31 Mitarbei-
ter, darunter drei Vorstandsmitglieder,
22 Angestellte, vier Lehrlinge und zwei
Boten; „weibliche Angestellte beschäf-
tigt die Bank nicht“.
Direktorenzimmer um 1907 in Rastatt.
Hotelier Johann Thomas Kaub war erster Direktor des Vorschussvereins Baden-Baden.
Ab 1933 sorgten die von der Reichsregierung eingelei-
teten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für wirtschaftli-
che Erholung und Aufschwung. Positiv wirkte sich in der
Region aus, dass Rastatt wieder eine Garnison erhielt, in
Baden-Oos Kasernen gebaut wurden und die Grenzbe-
festigung am Rhein entstand. Die Bilanzen weiteten sich
aus, die Ertragslage normalisierte sich. Ab 1933 änderte
sich allerdings auch der Tenor in den Generalversamm-
lungsprotokollen. Der totalitäre Anspruch der NS-Diktatur
hinterließ ihre Spuren auch in der Baden-Badener und
Rastatter Bank. Vorstand und Aufsichtsrat fühlten sich
bemüßigt, die Reichsregierung und deren wirtschaftli-
chen Aktivitäten in überschwänglichen Worten zu loben.
Wirtschaftlicher aufschWunG
Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte für die Genossen-
schaftsbanken in der Region ein Neubeginn unter schwie-
rigen Voraussetzungen. Wie in den Gründungsjahren
ging es primär darum, die Not der Bevölkerung zu lin-
dern und Stabilität sowie wirtschaftliches Wachstum zu
fördern. Die Währungsreform 1948 mit der Einführung
der Deutschen Mark zeigte schnell positive Wirkung und
es folgten Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs. In
Rastatt führte die große Nachfrage nach verschiedensten
Gütern zu guten Erfolgen der etablierten Unternehmen
sowie zu einer weiteren Ansiedlung von Industrie. Handel
und Handwerk befanden sich im Aufschwung – dies galt
auch für Baden-Baden, wo es sich darüber hinaus positiv
bemerkbar machte, dass die Stadt Hauptquartier der fran-
zösischen Militärregierung wurde.
In der Folge wurden zunehmend Zahlstellen in der
Fläche eröffnet und bestehende Räumlichkeiten um-
und ausgebaut. Im Jahr des 90-jährigen Bestehens der
Volksbank Rastatt 1956 hat die Baden-Badener Bank das
Holland-Hotel am Leopoldsplatz erworben und dort ne-
ben dem Hotel ihre neue Hauptstelle eingerichtet. Damit
wurden die infrastrukturellen Voraussetzungen für die
kommenden Wachstumsjahre gelegt. Gleichzeitig hielt
immer häufiger zeitgemäße, für damalige Verhältnisse
innovative Technik Einzug: Beim Umbau des Bankgebäu-
des in der Rastatter Poststraße 4 wurde 1951 eine mo-
derne Nachttresor- und Briefabholungsanlage installiert.
So konnten Gelder nach Schalterschluss abgegeben und
Briefe abgeholt werden. Die Einführung der bargeldlo-
sen Lohnzahlungen führte zu einem sich ausweitenden
Kundenstamm, und die stetig steigende Zahl der zu bear-
beitenden Buchungsposten in den 1960er Jahren läutete
eine deutliche Schärfung des Profils und Geschäftsgebiets
der beiden Genossenschaftsbanken in Baden-Baden und
Rastatt. Die sich immer wieder überschneidenden ge-
schäftlichen Interessen beider Banken führten folgerichtig
1989 zur Fusion. Rechtzeitig konnte in diesem Jahr auch
das neu errichtete Verwaltungsgebäude am Schweigro-
ther Platz in der Baden-Badener Weststadt bezogen wer-
den. Aufgrund überhöhter Kreditrisiken und einer gleich-
zeitig sich auf die Region auswirkenden konjunkturellen
Talfahrt nahm die Volksbank Baden-Baden Rastatt in der
zweiten Hälfte der 1990er-Jahre die Solidarität der genos-
senschaftlichen Gruppe in Anspruch.
Die Jahre im neuen Jahrtausend waren geprägt von ei-
nem stetigen und gesunden Wachstum der Bank. Getra-
gen vom großen Vertrauen der Mitglieder und Kunden hat
sich die Volksbank zum Marktführer in ihrem Geschäftsge-
biet entwickelt. Die große Verbundenheit mit der Region,
ihren Unternehmen, den Menschen und Vereinen, bildet
die Basis für diesen lang anhaltenden Erfolg. Denn eines
ist unumstößlich: Die Geschichte der Volksbank wird auch
in Zukunft immer auch eine Geschichte der Region sein.
die technische Ära der Lochkartenanlagen ein. Eine ganz
besondere Idee setzte die Volksbank Baden-Baden um:
Ein Autofahrerschalter, gewissermaßen ein Bank-Drive-
in, wurde 1967 am Leopoldsplatz eingerichtet. Ohnehin
verfolgte die Volksbank ab den 1970er-Jahren in Baden-
Baden sehr innovative und außergewöhnliche Projekte.
Unter der Idee einer „Universalbank“ wurde die „actio-
nade“ eröffnet. Effekte, Sorten und Devisen, oder Gold-
und Silbermünzen zählten zum Angebot, zu dem auch
ein eigenes Café gehörte, in dem aktuelle Aktienkurse
zu verfolgen waren. Das Immobiliengeschäft mitsamt
Finanzierung wurde aufgebaut ebenso eine Reiseabtei-
lung mit eigenen actionade-Reisen. Die von der Bank
komplett organisierte Flugreise nach New York wurde
zum Verkaufshit: Allein bis 1973 flogen 20.000 Men-
schen in die amerikanische Metropole.
Mehrere Zusammenschlüsse wie etwa der Volksbank
Gernsbach mit Baden-Baden (1973) und der Raiffeisen-
bank Kuppenheim mit Rastatt (1978), der Aufbau weite-
rer Zweigstellen und der Neubau des neuen Bankgebäu-
des in der Rastatter Kaiserstraße 74 (1984) sorgten für Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
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Als am 11. Januar 1869 131 Männer im Hotel Hirsch den
Vorschussverein Baden und damit die Keimzelle der spä-
teren Volksbank Baden-Baden gründeten, befand sich die
Stadt an der Oos mitten in ihrer Blütezeit. In den zurück-
liegenden vier Jahrzehnten hatte sich Baden-Baden als
Kurort und gesellschaftliches Weltbad etabliert, zog ein
internationales sowie äußerst illustres Publikum an, darun-
ter Vertreter des deutschen und europäischen Adels sowie
zahlreiche Künstler. Franz Liszt wäre in diesem Zusammen-
hang zu nennen, ebenso wie Hector Berlioz, der speziell
zur Eröffnung des neu erbauten Theaters im August 1862
die Oper „Béatrice und Bénédict“ uraufführte. Untrenn-
bar mit Baden-Baden verbunden ist Johannes Brahms, der
zwischen 1865 und 1874 in den Sommermonaten einige
seiner weltberühmten Werke in Lichtental komponierte.
Clara Schumann lebte seit 1863 in Baden-Baden, und
auch Iwan S. Turgenjew hatte sieben Jahre lang seinen
festen Wohnsitz hier. Seine russischen Schriftstellerkolle-
gen Leo Tolstoi und Fjodor M. Dostojewski zog es eben-
falls immer wieder an die Oos. Beide verloren viel Geld im
Spielcasino, was sich in der Literatur niederschlug.
Wer nach den Gründen dieses beeindruckenden Auf-
stiegs eines kleinen Städtchens zur weltweit beachteten
Sommerhauptstadt Europas fragt, landet zwangsläufig
bei Jean Jacques Bénazet, der 1838 die Spielbank ge-
pachtet hatte, und dessen Sohn Edouard. Unter ihrer Re-
gie florierte nicht nur das Glücksspiel, sondern sie stellten
auch ein beachtliches kulturelles und gesellschaftliches
Programm auf die Beine. So fanden 1858 die ersten
Pferderennen in Iffezheim statt. In dieser Zeit profitier-
te Baden-Baden von den städtebaulichen Weichenstel-
lungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Stadtbaumeister
Friedrich Weinbrenner hatte das neue Bild der Stadt mit
seinem klassizistischen Baustil geprägt – das neue 1824
eröffnete Promenadenhaus (Kurhaus) gilt als Parade-
weinbrennerbau schlechthin.
Aber auch dem späteren deutschen Kaiserpaar Wil-
helm I. und Augusta verdankt Baden-Baden viel: Insbe-
sondere Augusta weilte oft und lange an der Oos, so-
dass ihre Tochter Luise den badischen Erbprinzen und
späteren Großherzog Friedrich kennenlernen konnte und
ihn 1856 heiratete. Unter Großherzog Friedrich I. erlebte
Baden-Baden eine lang anhaltende stabile Epoche wirt-
schaftlichen Aufschwungs und kulturellen Glanzes.
VOn brahMs bis ObaMa KLEINER ExKURS DER GESCHICHTE BADEN-BADENS
Das Conversationshaus mit seiner Kurpromenade war um 1896 das Zentrum der Sommerhauptstadt Europas.
Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
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In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden
auch prachtvolle Hotels. Zu nennen sind unter anderem
der Badische Hof, der als erstes Luxushotel gelten darf,
das Maison Messmer, das Hôtel l’Europe (der spätere Eu-
ropäische Hof), das Hôtel Stephanie-les-Bains (Brenners
Park-Hotel), das Hôtel d’Angleterre (Hotel Atlantic) und
das Hôtel de Hollande (Holland-Hotel), in dessen ehemali-
gem Speisesaal sich heute ein Bereich der Baden-Badener
Hauptfiliale der Volksbank befindet. Diese Hotels waren
auch zwingend notwendig. Zählte Baden-Baden im Jahr
1800 rund 400 Gäste, waren es 1825 schon 7.700 und
1860 knapp 47.000.
Von dieser Blütezeit im 19. Jahrhundert profitierten
auch die Handwerker. In der Chronik zum 100-jährigen
Bestehen der Volksbank Baden-Baden ist zu dieser Epo-
che nachzulesen: „Das Baugewerbe und das Handwerk
erlebten goldene Zeiten. Die Banken florierten, auch der
Vorschuß-Verein, der nach wie vor eine Domäne des Mit-
telstandes war. Und dem Mittelstand ging es gut.“
Als 1872 aufgrund des ausgerufenen Spielverbots das
Casino schließen musste und nach dem zu Ende gegan-
genen Deutsch-Französischen Krieg viele internationale
Gäste nicht mehr kamen, erinnerte sich Baden-Baden
an seine Wurzeln als römisches Soldatenbad und änder-
te seine Marketingstrategie: Die Aspekte Gesundheit,
Erholung und Kur standen fortan im Mittelpunkt. Das
Friedrichsbad wurde wieder eröffnet und zwei Jahrzehn-
te später nebenan das ausschließlich weiblichen Gästen
vorbehaltene Augustabad errichtet. 1962 wurde es ab-
gerissen. Zur Jahrhundertwende kam im Rotenbachtal
noch das weniger mondäne Landesbad, das heutige
Rheumazentrum, hinzu. Mit der Badekultur entwickelte
sich auch das sportliche Angebot: Die Gäste konnten rei-
ten, Golf spielen oder die neu angelegten Spazier- und
Wanderwege nutzen. In der Lichtentaler Allee eröffnete
1881 der erste deutsche Tennis-Club.
Die Strategie ging auf: Baden-Baden wandelte sich
erfolgreich und büßte nichts von seiner Anziehungs-
kraft auf Gäste ein. Dies zeigt auch ein Blick auf die
sich entwickelnde Verkehrsinfrastruktur. Der Mitte des
Jahrhunderts in Betrieb genommene eher bescheidene
Fachwerk-Stadtbahnhof wich in den 1890er-Jahren dem
heutigen prachtvollen Kuppelbau. Bis 1977 verband eine
Stichbahn die Innenstadt mit Baden-Oos und somit die
Kurstadt mit der Rheintalstrecke. Auch über den Luft-
weg war Baden-Baden zu erreichen: 1910 wurde in Ba-
den-Oos eine Luftschiffhalle für Zeppeline eingeweiht.
Im gleichen Jahr fuhr auch erstmalig die bis 1951 aktive
Straßenbahn. Für zehn Pfennig kam man vom Hinden-
burgplatz bis nach Lichtental.
Eines der bedeutendsten Baden-Badener Wirtschafts-
unternehmen um die Jahrhundertwende war die „Fir-
ma Fabrik Stolzenberg deutsche Bureaueinrichtungsge-
sellschaft mbH“ mit rund 500 Beschäftigten. Auf mehr
als 100 Spezialmaschinen wurden auf dem Ooser Be-
triebsgelände Holz-Büromöbel hergestellt. Und noch ein
weiteres Unternehmen verdient Aufmerksamkeit: 1909
begann in einem großen Fabrikneubau in der Innenstadt
die Produktion der seit langem etablierten Zigaretten-
marke „ABC“, der August Batschari Cigaretten. Rund
800 Beschäftigte zählte zu dieser Zeit das Unternehmen,
das in seinen besten Jahren bis zu 100 Millionen Zigaret-
ten und Zigarren monatlich herstellen sollte. Später zur
Reemtsma-Gruppe gehörend war die Batschari-Fabrik
bis in den Zweiten Weltkrieg hinein mit bis zu 2.000
Beschäftigten der größte Arbeitgeber Baden-Badens.
1905: 42 GrOsse hOtels
Der wichtigste Wirtschaftszweig Baden-Badens war aber
nach wie vor der Fremdenverkehr: Um 1905 wurden an
der Oos 42 große Hotels sowie 141 kleinere Betriebe,
Gasthäuser und Pensionen gezählt. Außerdem vermiete-
ten etwa ein Drittel aller Privathäuser Gästezimmer.
Mittlerweile hatten viele Vermögende Baden-Baden als
Wohnort entdeckt. Sie schätzten die kurzen Wege, die
Gartenanlagen, die Bäder, die Restaurants und die kultu-
relle Vielfalt mit Theater und Orchester. In diese heile Welt
platzte der Erste Weltkrieg, Baden-Baden wurde zur Laza-
rettstadt. In Sanatorien und Hotels wurden Verwundete
aufgenommen, und im Eichelgarten entstand ein großes
Baracken-Lazarett. Auch aus der Baden-Badener Bevölke-
rung wurden immer mehr Männer eingezogen, sodass die
Stadtchroniken davon berichten, dass Mitglieder des Kur-
orchesters die Straßenbahnen lenken mussten.
1923Späte Expansion
Im Gegensatz zu Rastatt verfolgte der
Vorschussverein Baden-Baden in den
ersten drei Jahrzehnten keine Expan-
sion. Er konzentrierte sich mit seinen
wirtschaftlichen Tätigkeiten lange Zeit
fast ausschließlich auf die Kernstadt
Baden-Baden. Hier war offenkundig
genug Kapital vorhanden, das angelegt
und auch im lokalen Umfeld über Kre-
dite platziert werden konnte. Die erste
räumliche Erweiterung des Geschäfts-
bereichs erfolgte erst im September
1923, als eine außerordentliche Gene-
ralversammlung die Verschmelzung der
Vereinsbank Baden-Baden mit dem seit
1912 bestehenden Kreditverein Oos ge-
nehmigte. Im Oktober 1933 übernahm
die Bank, wohl eher getrieben als ge-
wollt, die in Zahlungsschwierigkeiten
geratene Gewerbebank Lichtental. Erst
ab den 1960er-Jahren ist mit der Grün-
dung von „Zahlstellen“ in Ortschaften
des Umlandes – Sandweier, Balg, Sinz-
heim, Lichtental, im Rebland – eine stra-
tegische Expansion zu erkennen, traten
doch diese Zahlstellen teilweise in direk-
te Konkurrenz zu bereits in den Orten
bestehenden Genossenschaftsbanken.
Die Zeppelin-Luftschiffhalle im Jahr 1911, ein Jahr nach ihrer Eröffnung. In der Batschari-Zigarettenfabrik wurden in Spitzenzeiten bis zu 100 Millionen Zigaretten und Zigarren monatlich gefertigt.
Am 24. Januar 1910 fuhr erstmalig die elektrische Straßenbahn durch Baden-Baden.
Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
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en Unmittelbar nach dem Weltkrieg begann eine schwie-
rige Zeit für Baden-Baden: Die Stadt musste aufgrund
veränderter Steuergesetze mit bedeutend weniger Ein-
nahmen auskommen, und rückläufige Gästezahlen ver-
schärften zusätzlich ihre Finanzsituation. Manche Hotels
mussten schließen. In der Schlussphase der Inflation
druckte die Stadt in einem Monat 9.081 Billionen Mark.
Anfang der 1930er-Jahre hatte Baden-Baden deutsch-
landweit die höchste Pro-Kopf-Verschuldung.
Nach der Machtergreifung 1933 übernahmen die Natio-
nalsozialisten in Baden-Baden alle wichtigen Ämter und
Posten. Spätestens ab dem Jahr 1937 verschärften sich
die Übergriffe auf jüdische Bürgerinnen und Bürger. Die
1899 errichtete prächtige Synagoge wurde am Tag nach
der Reichspogromnacht am 10. November 1938 vollstän-
dig zerstört. In der Folgezeit wurden zahlreiche jüdische
Bürger nach Dachau und später ins Lager Gurs in den
Hochpyrenäen deportiert.
Auch im Zweiten Weltkrieg fiel Baden-Baden die Rol-
le einer Lazarettstadt zu. Während zahlreiche badische
Städte stark zerstört wurden, blieb Baden-Baden nahezu
verschont. Am 12. April 1945 wurde Baden-Baden Haupt-
quartier der französischen Besatzungsmacht. Zahlreiche
Hotels, aber auch das Kurhaus und die Kunsthalle dien-
ten als Unterkünfte und Dienststellen für rund 30.000
Mitglieder der französischen Streitkräfte. Anfang der
1950er-Jahre entstand mit der Cité ein eigenes französi-
sches Garnisonsviertel, das sich nach dem Abzug der Fran-
zosen im Jahr 1999 zu einem komplett neuen Stadtteil mit
Wohnbebauung und Gewerbebetrieben entwickelt hat.
Ein Meilenstein für Baden-Baden war unmittelbar nach
Kriegsende die Gründung des Südwestfunks, der am 31.
März 1946 erstmalig mit einem eigenen Programm aus
dem Hotel Kaiserin Elisabeth sendete. Das Studio fand
im Speisesaal Platz, die Regie kam im Frühstückszimmer
unter und der Fernschreiber stand in einem Badezim-
mer. Als erster SWF-Neubau entstand vier Jahre später
das Musikstudio „Auf der Funkhöhe“, das heutige Hans-
Rosbaud-Studio.
In den Nachkriegsjahren kehrte schnell Normalität in der
Kurstadt ein: 1950 eröffnete die Spielbank und mit der
Wiedereröffnung der Bäder startete die erste Kursaison.
Im Kurhaus fanden in den folgenden Jahren Wahlen zur
Miss Germany statt und auch der „Sportler des Jahres“
wird dort seit 1960 gekürt.
Immer wieder rückten Besuche von Persönlichkeiten
wie Kaiserin Soraya oder politisch bedeutende Gesprä-
che wie zwischen Konrad Adenauer und Charles de
Gaulle die kleine Stadt ins Rampenlicht der Weltöffent-
lichkeit. Und daran hat sich bis heute nichts verändert,
wie der erste Staatsbesuch in Deutschland von US-Prä-
sident Barack Obama im Jahr 2010 eindrucksvoll belegt.
Obama kam im Mai 2017 noch einmal an die Oos, um im
Kongresshaus den Deutschen Medienpreis entgegenzu-
nehmen.
In den Jahren des sogenannten Wirtschaftswunders
kümmerte sich die Stadtverwaltung vermehrt um die
Ansiedlung von Unternehmen, schuf westlich der B3 ein
Industriegebiet und wies Gewerbeflächen in der Rhein-
straße aus. Bis zu zehn Bewerbungen pro Bauplatz gin-
gen ein, wobei insbesondere die Branchen Pharmazie,
Kosmetik, Textilherstellung und elektrische Kleingeräte
bevorzugt wurden.
Infrastrukturell befasste sich die Stadt immer stärker
mit Verkehrskonzepten: Es entstand der Autobahnzu-
bringer mit der als „Tausendfüßler“ bekannten Oostal-
brücke (1958). Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde zuerst
der Schlossbergtunnel in Verbindung mit der Landesgar-
tenschau gebaut. Im Jahr 1989 konnte das Jahrhundert-
bauwerk „Michaelstunnel“ fertiggestellt werden, das es
ermöglichte, das Zentrum und den Leopoldsplatz vom
Durchgangsverkehr zu befreien.
Heute gilt Baden-Baden mit seinen rund 55.000 Ein-
wohnern nicht mehr nur als reine Kurstadt, sondern steht
insbesondere auch für bedeutende Kongresse und ein un-
gemein großes kulturelles Angebot. Neben dem Theater
und der Philharmonie sind in diesem Zusammenhang das
sich erfolgreich etablierte, 1998 eingeweihte Festspielhaus
zu nennen, das 2004 eröffnete Museum Frieder Burda so-
wie das 2009 hinzugekommene Kulturhaus LA 8.
Jahrhundertprojekt: Der Michaelstunnel wurde 1989 fertig gestellt.
Namensgebung der Genossenschaftin Baden-Baden
8.1.1869-1918
Vorschussverein Baden-Baden
1918-1942
Vereinsbank Baden-Baden eG
1943-1989
Volksbank Baden-Baden eG
1989
Volksbank Baden-Baden Rastatt eG
Im Jahr 1979 regelte noch ein Schutzmann den Verkehr auf dem Leopoldsplatz.
Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
Quelle: Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden
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In einem Rastatter Adressbuch findet sich erstmals 1869
unter der Rubrik „Gemeinnützige und gesellige Vereine“
auch der Vorschussverein, der mit seiner Gründung 1867
die Wurzel der heutigen Volksbank Baden-Baden Rastatt
darstellt. 200 Mitglieder sind damals registriert und das
Institut hatte sich schnell in der Stadt an der Murg eta-
bliert, die seit der ersten urkundlichen Erwähnung 1084
so manchen kriegerischen Sturm erlebt hatte. Man den-
ke dabei an die kriegerischen Auseinandersetzungen mit
Frankreich und hier insbesondere an den August 1689, als
Rastatt von Truppen Ludwig xIV. bis auf die Bernhardus-
kirche komplett zerstört wurde.
Damit lag nicht nur das kulturelle, sondern auch das
wirtschaftliche Leben brach. Wie schon das Rastatter
Stadtwappen mit der Weinleiter darauf hinweist, war im
Mittelalter hier der Umschlagplatz für Wein aus dem El-
sass und Salz aus Württemberg. Dazu kam auch die Sta-
tion für die Flößerei, wobei Schwarzwaldstämme über
Murg und Rhein bis Holland transferiert wurden. Zwi-
schen 1705 und 1771 war Rastatt mit dem prächtigen
Residenzschloss die Hauptstadt Badens. Was herausra-
gende wirtschaftliche Betriebe betraf, so gab es ab 1774
die Vorzeigeproduktion mit Metallwaren der Gebrüder
Johann und Benjamin Schlaff, eine „Stahl- und Kutschen-
fabrik“ (bis 1828). Dann kam nach 1815 der Entschluss
des Deutschen Bundes, in Rastatt eine große Festungs-
anlage gegenüber Frankreich zu errichten. Das lähmte bis
1890 die wirtschaftliche Entwicklung Rastatts in den Jah-
ren der andauernden Industriellen Revolution. Unbeein-
druckt davon zeigte sich die Bankiersfamilie Meyer, deren
Mitglied Joseph sich 1869 im Vorstand des neu gegrün-
deten Vorschussvereins als Kassier engagierte.
In Rastatt hatte der ab 1842 realisierte Festungsbau
Auswirkungen auf das gesamte Leben in den umgeben-
den Wällen. Positive Effekte spürten die Wirtshäuser,
denn es gab im Jahr 1869 immerhin 21 Brauereien und
fast 60 Gastwirtschaften, in denen sich vor allem die Sol-
daten trafen. Eine beeindruckende Zahl bei gerade ein-
mal 6.000 Einwohnern.
VerkehrsknOtenpunkt für tr anspOrte
Allerdings nur wenige Firmen, wie die noch heute exis-
tierende Metallwarenhandlung Heydt, profitierten vom
Militär. „Rastatt ist die Festung und das ist Badens Glück“
heißt es im Badner Lied. Aber das „Glück“ kommt erst
nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71.
Rastatt war durch die Fertigstellung des ersten Abschnitts
der Murgtalbahn 1869 zum Knotenpunkt für Transporte
in und aus dem wirtschaftlich aufblühenden Schwarz-
waldtal geworden, und durch die Entfestigung lockerte
sich das einer weiteren Entwicklung bisher im Wege ste-
hende Korsett. Schlagartig schnellte auch der Bierabsatz
der Rastatter Großbrauereien Streib, August Hatz und Carl
Franz nach oben. Nicht zuletzt deshalb, weil sich auch im
bis 1919 deutschen Elsass viele durstige Kehlen fanden,
die zu den Soldaten der Garnison dazukamen.
rastatt iM WanDel Der ZeitDER WIRTSCHAFTLICHE AUFSCHWUNG EINER GARNISONSSTADT
Stadtansicht um 1850.
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Nach 1890 erkannten der Militärzubehörhändler Adolf
Niederbühl und der Gemeinderat mit Bürgermeister Alf-
red Bräunig an der Spitze, dass die Stadt hinsichtlich Ge-
werbeansiedlung aktiv und Firmen der Standort Rastatt
schmackhaft gemacht werden müsste. Ein Höhepunkt
diesbezüglich war die erste Gewerbe- und Industrieaus-
stellung von 1901. Den Organisatoren gelang im Bereich
des Paradeplatzes hinter dem historischen Rathaus eine
Schau, die in ganz Baden Beachtung fand. Eingebettet
in diese Ausstellung war der 33. Verbandstag der „Cre-
ditgenossenschaften“, den der Vorschussverein Rastatt
gelungen organisierte.
Zaghafte wirtschaftliche Anfänge hatte es schon nach
1871 gegeben, als die Glockengießerei Schwaiger und
die bald europa- und weltweit agierenden Herdfabriken
„Stierlen & Vetter“, sowie „Unkel, Wolff & Zwiffelhofer“,
gegründet wurden. 1890 hatte Rastatt cirka 7.600 Ein-
wohner und die Zahl der Arbeitsplätze nahm stetig zu.
Auch ein Industriegebiet in Richtung Rauental bot einen
besonderen Anreiz für neue Industrieansiedlungen. Es
entstanden Firmen wie „Mayer & Grammelsbacher“ (Dia-
na-Gewehre), die Rollen- und Metallwarenfabrik Woerner
& Co., die „Süddeutsche Möbelindustrie“ der Gebrüder
Trefzger, die „Birnbaum-Furnier-Sägerei“ Loeffler, die
Eisengießerei Lehmann, die
Kartonagenfabrik von „Drey-
fuß & Roos“, die Schuhfabrik
„Samuel Weil & Söhne“,
die große, 1897 errichtete
Waggonfabrik, die Kupferhüt-
te Fahlbusch, die Werkzeug-
fabrik Reishauer oder die
Fabrikation der Thales-Re-
chenmaschine, um nur eini-
ge zu nennen. So verdoppelte
Rastatt in kurzer Zeit seine Ein-
wohnerschaft und zählte 1900 fast 14.000 Einwohner,
davon fast 5.000 Soldaten. Kurios waren die konkreten
Planungen für einen Rastatter Rheinhafen, die nach 1913
wieder verworfen wurden.
Der Erste Weltkrieg kostete nicht nur zahlreiche Opfer
in der Bevölkerung der Frontstadt, sondern schuf durch
den Versailler Vertrag eine vollkommen neue Si-
tuation – auch für Rastatt. Sie wurde wieder
Grenzstadt zu Frankreich und lag plötz-
lich in der entmilitarisierten Zone,
Im Juni 1901 fand der 33. Verbandstag der Spar- und Vorschussvereine in Rastatt statt.
Auf dem Höhepunkt der Inflation: Rastatter Notgeld.
die über 50 Kilometer auf beiden Rheinseiten eingerich-
tet wurde. Viele Unternehmen, wie etwa das von Adolf
Niederbühl, aber auch mehrere Gastwirtschaften mussten
in Folge des Kriegs aufgeben.
Die permanente Geldentwertung führte 1923 zur Hy-
perinflation. Rastatter Notgeld mit Nominalen von fünf bis
100 Milliarden wurde gedruckt und ausgegeben, wobei
ein Brot im Oktober 1923 eine halbe Billion kostete. Dies
entsprach später einer Rentenmark. Trotz wirtschaftlich
schwieriger Zeiten kam es in den Jahren der Weimarer Re-
publik auch zur Niederlassung einiger weiterer Unterneh-
men in Rastatt. Dazu gehörte im Dörfel eine Dependance
der Ernst Leitz-Werke aus Wetzlar. Zudem etablierten sich
die Akkumulatorenfabrik BERGA, die Fabrik für Tapeten
und Buntpapiere, WEROLA, und das Unternehmen basi
von Gründer Heinrich Schöberl.
Trotzdem stieg auch in Rastatt in dieser Zeit die Ar-
beitslosigkeit stark an und unübersehbar war, dass rechte
Gruppierungen großen Zuwachs erfuhren. Für jüdische
Unternehmer, die lange das Rastatter Wirtschaftsleben
mitgeprägt hatten, wurde es spätestens ab dem 1. April
Namensgebung der Genossenschaft in Rastatt
13.12.1867-1871
Vorschussverein Rastatt
Januar 1871
Umwandlung in eine Genossenschaft
aufgrund des Badischen Genossenschafts-
gesetzes
1911-1942
Vereinsbank Rastatt eG
1942-1989
Volksbank Rastatt eG
1989
Volksbank Baden-Baden Rastatt eG
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1933, dem so genannten „Boykotttag“, immer schwie-
riger in der badischen Stadt. Diese Situation sollte sich
bis zum 9./10. November, der Reichspogromnacht, noch
zuspitzen. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
wurden fast alle jüdischen Mitbewohner Rastatts ins In-
ternierungslager Gurs deportiert und mussten dort ein
schlimmes Schicksal ertragen.
Der Krieg stoppte die wirtschaftliche Entwicklung in
Rastatt, und im März 1940 sowie im Januar 1945 kam es
zu schweren Bombenangriffen, die viele Zivilopfer forder-
ten. Als Rastatt am 13. April 1945 kapitulierte, war etwa
ein Drittel der Stadt zerstört. Nach dem 8. Mai 1945 lag
Rastatt in der französischen Zone, und im Ahnensaal des
Schlosses tagte das „Tribunal Général“ und hielt Kriegs-
verbrecherprozesse ab. Ab 1948 ging der Wiederaufbau
Rastatts zügig voran, wobei viel Wohnraum neu geschaf-
fen wurde.
Im Zuge des Wirtschaftswunders der neuen Bundes-
republik gab es auch in Rastatt einen erheblichen wirt-
schaftlichen Aufschwung und bald verdoppelte sich in
der Großen Kreisstadt die Zahl der Einwohner. Neubau-
gebiete wurden erschlossen, so im erweiterten Zay, am
Röttererberg, im Münchfeld und in der Friedrichsfeste.
Neue Industriewerke kamen hinzu, zum Beispiel die
Rastatter Kunststoffwerke RAKU, die Automatenfabrik
ABA, Schaub-Lorenz und die neuen Verlagshäuser von
Greiser und Erich-Pabel. Durch Flüchtlinge aus der DDR,
später Aussiedler aus dem zerfallenen Ostblock und
Gastarbeiter, die in Rastatt ansässig wurden, entstand
eine sehr gemischte Bevölkerungsstruktur. Durch die
Verwaltungsreform anfangs der siebziger Jahre wurden
Niederbühl mit Förch, Ottersdorf, Plittersdorf, Rauental
und Wintersdorf eingemeindet. Rastatt wurde 1973 Sitz
des neuen Landkreises.
MerceDes -benZ in r astat t
Ein wirtschaftlicher Meilenstein war die Ansiedlung von
Mercedes-Benz in der Rastatter Rheinaue in den 1970er-
Jahren. Begonnen wurde mit einer Härterei und der Pro-
duktion von Getriebeteilen. Nach 1983 wurden Schalt-
getriebe produziert. 1992 begann eine weitere Ära, als
nach dem „Rastatter Ökokompromiss“ mit den Umwelt-
verbänden ein PKW-Montagewerk gegründet wurde.
Zunächst wurde die E-Klasse in Rastatt produziert, und
seit 1997 gilt das Werk mit der Produktion der A-Klasse
als die Wiege der Kompaktfahrzeuge der Marke mit dem
Stern. 2011 kam die B-Klasse hinzu und 2013 der GLA.
Heute bietet das Werk mehr als 7.000 Arbeitsplätze.
Rastatt selbst hat 2017 eine steigende Bevölkerungs-
tendenz bei mehr als 49.000 Einwohnern. Sie unterhält
fünf Städtepartnerschaften – Fano (Italien), New Britain
(USA), Ostrov (Tschechien), Orange (Frankreich), Woking
(Großbritannien) – und legt großen Wert auf kulturellen
Austausch. So hat Rastatt auch eine viel beachtete Städ-
tische Galerie, die 1990 eingeweihte BadnerHalle, und
seit 1993 findet alle zwei Jahre das größte Straßenthea-
terfestival Deutschlands, das „tête-à-tête“, statt.
1870Professionalisierung
Je erfolgreicher der neue Vorschuss-
verein Rastatt am Markt agierte,
desto mehr nahm der Geschäftsum-
fang zu. Die Intention der Gründer,
die Bankaktivitäten weitgehend über
ehrenamtliches Engagement zu be-
wältigen, stieß bald an ihre Grenzen.
Im Mai 1870 kündigte der Rastatter
Vereinskassier Meyer seinen Rücktritt
zur nächsten Generalversammlung
an, da das Ehrenamt im Vorschuss-
verein ihn derart in Anspruch nehme,
dass sein eigenes Geschäft, Grundla-
ge seiner wirtschaftlichen Existenz,
darunter leide. Ähnliches berichtete
auch der Vereinssekretär Premm. Die
Lösung dieses Problems lag auf der
Hand und wurde von der Generalver-
sammlung umgehend beschlossen:
Ein Drittel des jährlichen Reingewinns
wurden für die Entlohnung von Kas-
sier und Sekretär bereit gestellt, wo-
von der Kassier wiederum zwei Drit-
tel erhielt, der Sekretär ein Drittel.
Die als „Lobberle“ bezeichnete Stadtbahn an der Ecke Kaiser- und Kapellenstraße.
1871 Vereinsdiener
Weitgehend im Hintergrund agierte der jeweilige Vereinsdiener. Er öffnete und verschloss die Kassenräume,
überwachte die technischen Anlagen, sorgte für die Sauberkeit im und vor dem Bankgebäude, übernahm
die Verteilung von Einladungen und Bekanntmachungen, war im Grunde genommen unentbehrlich für den
reibungslosen Ablauf der Bankaktivitäten. Entsprechende Anerkennung erfuhr diese Funktion im Innenleben
der Bank. Der Rastatter Vereinsdiener Ludwig Mayer erhielt 1871 die respektable Summe von 75 Gulden Jah-
resgehalt und damit fast ein Drittel dessen, was der Vereinssekretär als Geschäftsführer des Unternehmens
verdiente (250 Gulden). Seinem Baden-Badener Kollegen Wilhelm Noffaier genehmigte der Vorstand im Jahre
1905 die Anschaffung einer Dienstuniform als äußeres Zeichen seiner Wichtigkeit und zwei Jahre später die
Anschaffung eines Dienstfahrrads, das mit 130 Reichsmark zu Buche schlug.
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Der Vorschussverein Rastatt war noch kein Jahr alt, da
startete in rasantem Tempo ein Infrastrukturprojekt, das
zweifelsohne als Meilenstein für die Erschließung und
den Aufschwung des gesamten Murgtals angesehen
werden kann: Im August 1868 begannen die Arbeiten
an der Bahnstrecke von Rastatt bis ins obere Murgtal.
Ungemein schnell kam der erste Streckenabschnitt voran.
Nach gerade einmal einem halben Jahr wurde Gernsbach
erreicht – und damit war die wichtigste Anbindung aus
Sicht der sich rasch entwickelnden Wirtschaft mit holz-
verarbeitender Industrie, Steinbrüchen und der aufblü-
henden Eisenwerke geschafft. Danach kam der weitere
Ausbau ins Stocken und dauerte unerwartet lange: Wei-
senbach wurde 1894 und Forbach erst 1910 an die Eisen-
bahn angebunden.
Bis es eine durchgehende Bahnverbindung von Rastatt
bis Freudenstadt, also zwischen dem Großherzogtum
Baden und dem Königreich Württemberg, geben sollte,
vergingen noch einmal 18 Jahre. Nicht zuletzt der Gerns-
bacher Unternehmer Casimir Rudolf Katz war es, der den
Vorteil für das Tal erkannte und daher den Bau der Bahn-
strecke stark vorantrieb. Dies geschah durchaus auch ei-
gennützig: Das Gernsbacher Werk „Katz & Klump“ war
eines der ersten Unternehmen, das Eisenbahnschwellen
und Telegrafenmasten herstellte.
ein tal iM WanDel DIE INDUSTRIAL ISIERUNG DES MURGTALS
Die harte Arbeit der Flößer wird auf einem Stahlstich aus dem 19. Jahrhundert anschaulich dargestellt.
1868Infrastrukturinvestitionen
Zu den ersten Geschäftspartnern des
Vorschussvereins Rastatt zählte im Som-
mer 1868 die Stadt Rastatt, die kurz-
fristig einen Überbrückungskredit von
7.000 Gulden zur Fertigstellung des
Murgtalbahnhofs benötigte. Die Ent-
scheidungswege waren kurz, die Solidi-
tät beider Partner stand außer Zweifel,
sodass das Geld innerhalb weniger Tage
zum bescheidenen Zinssatz von 4 Pro-
zent bereitstand. Der Vorschussverein
Baden-Baden wiederum zeichnete im
Sommer 1909 auf Wunsch des dortigen
Gemeinderats eine größere Menge Akti-
en zur Finanzierung der Luftschiffstation
auf dem Flugfeld in Baden-Baden-Oos.
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Im ausgehenden 19. Jahrhundert lag die Blütezeit der
über die Murg transportierten bis zu 30 Meter langen
Starkholzstämme, das sogenannte Holländerholz, schon
gut 100 Jahre zurück. Mit Hilfe der Bahn konnte die einer
Genossenschaft nicht unähnliche Murgschifferschaft, de-
ren Anfänge im Tal bis ins ausgehende 15. Jahrhundert zu-
rückreichen, ein anderes zukunftsfähiges Geschäftsmodell
aufbauen: den Handel mit Schnittholz, das besonders von
der aufblühenden Baubranche nachgefragt wurde.
Ohnehin herrschte seit der Reichsgründung 1871 auch
im Murgtal eine gewisse Aufbruchstimmung: Die Zeiten
der großen Armut und der Hungersnöte Mitte des 19.
Jahrhunderts waren vorbei und damit auch die Zeiten
der Auswanderung. Allein in Weisenbach meldeten sich
im Jahr 1851 etwa 13 Prozent der Gesamtbevölkerung
zur Auswanderung an. Die über Jahrhunderte hinweg
das Tal prägende Holzwirtschaft entwickelte sich vom
reinen Holzlieferanten hin zu einer vielfältigen Industrie,
die den Rohstoff direkt vor Ort weiterverarbeitete. So
wandelten sich innerhalb einer Generation das Bild des
Murgtals und die Arbeitsbedingungen. Immer mehr
Menschen arbeiteten fortan in den entstehenden Fabri-
ken und immer weniger auf dem Feld, im Wald oder
im Steinbruch. Die Landwirtschaft gehörte als Nebener-
werb allerdings noch lange zum Alltag.
1873: VOrschussVerein Gernsbach
Diese einsetzende Industrialisierung und der damit
verbundene wirtschaftliche wie gesellschaftliche Auf-
schwung im Murgtal zeigten sich nicht zuletzt auch da-
rin, dass in Gernsbach nach dem Vorbild des Rastatter
Vorschussvereins im Dezember 1872 ebenfalls ein Vor-
schussverein initiiert wurde. Im Alten Rathaus trafen sich
70 Murgtäler zur Gründung der Genossenschaftsbank.
Die Gründung selbst wurde im Januar 1873 vollzogen.
Als erster Direktor wurde Casimir Katz gewählt. In den
ersten Jahren befanden sich die Geschäftsräume in der
damaligen Apotheke von Engelbert Sonntag am Stadt-
buckel – heute das Restaurant „Altstadt Da Orazio“.
Mit der Spezialisierung der Holzverarbeitung begann
ab 1880 auch der Aufschwung der Papier- und Karto-
nagefabrikation. Die gute Verkehrs-Infrastruktur mit der
Bahn, die Murg als Energielieferant und neue Verfahren
zur Papierherstellung, der sogenannte Holzschliff, führ-
ten zu weiteren Unternehmensgründungen. Casimir Otto
Katz richtete 1882 die erste Holz-Schleiferei in Weisen-
bach ein und es entstanden in den Folgejahren mehrere
Holzstoff- und Papierfabriken mit teilweise hochspezia-
lisierten Produkten. Es gründeten sich Gruber & Weber
in Obertsrot, Casimir Kast in Gernsbach, Schultz & Cie.
(heute Glatfelter) in Gernsbach, die Badische Karton- und
Pappenfabrik mit Standorten in Gaggenau und Hilpert-
sau, Schoeller & Hoesch in Gernsbach und E. Holtzmann
& Cie. mit drei Standorten, Breitwies und Schlechtau in
Weisenbach sowie Wolfsheck in Langenbrand. Im Jahr
1925 arbeiteten allein bei Schoeller & Hoesch und Holtz-
mann jeweils mehr als 500 Menschen.
Bis heute prägt die Papierindustrie das Murgtal, und
es kommt nicht von ungefähr, dass sich mit der 1956 ins
Leben gerufenen Papiermacherschule heute die bundes-
weit einzige Ausbildungsstätte für die Papier-, Pappen-
und Holzstoffindustrie in Gernsbach befindet.
Die Fabrik von E. Holtzmann & Cie. in der Breitwies bei Weisenbach.
Das Viadukt über die Tennetschlucht zwischen Langenbrand und Gausbach im Jahr 1910.
Von der Holz- und Papierindustrie zur Metall verarbei-
tenden Industrie: Als Wiege der Metallverarbeitung gilt
die Gaggenauer Hammerschmiede, deren Ursprünge bis
ins 17. Jahrhundert reichen. Vor allem Schmiedeeisen
und Nägel wurden hergestellt. Im ausgehenden 18. Jahr-
hundert war die Produktpalette schon stark erweitert
worden und orientierte sich am Bedarf der Handwerker
und Landwirte. Als 1850 eine Kupolofengießerei und ein
Walzwerk eingerichtet wurden, war der Grundstock für
eine Eisengießerei und Maschinenfabrik gelegt.
In der Folge sind es zwei Namen, die mit dem Auf-
schwung der Gaggenauer Eisenwerke untrennbar verbun-
den sind: Da ist zum einen Michael Flürscheim, der die
Eisenwerke zu einem industriellen Großunternehmen mit
einer breiten Produktpalette aufbaute, und zum anderen
Theodor Bergmann. Als der Erfinder und Unternehmer
1879 in das Unternehmen einstieg, wurde es unter an-
derem um ein Emaillierwerk, eine Vernickelungsanstalt
und eine Kunstgießerei erweitert. Rund 200 verschiedene
Erzeugnisse wurden produziert, darunter auch Reklame-
Emailschilder, Automaten, Luftpistolen und Fahrräder.
1898Technischer Fortschritt
Ende August 1898 brann-
te erstmals elektrisches
Licht in den Geschäftsräu-
men des Vorschussvereins
Baden-Baden, zwei Jahre
später folgte eine elektri-
sche Schalter-Zeige-Vorrich-
tung und ab November
1906 war die Bank an das
Telefonnetz angeschlossen.
Auf großen Beifall der Ver-
treterversammlung Baden-
Baden stieß 1966 die An-
kündigung des Vorstandes,
zur Beschleunigung des
Kundenverkehrs bankeige-
ne Parkplätze mit Auto-
schaltern auszustatten.
Quelle: Kreisarchiv, Landkreis Rastatt
Quelle: Kreisarchiv, Landkreis Rastatt
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Nach dem Weggang Bergmanns 1893 wurde die Pro-
duktpalette reduziert und der Fokus auf den Bau von
Herden, Gusserzeugnissen und Fahrrädern gelegt. Bis
1908 wurde eine Viertelmillion Räder der Marke Bade-
nia verkauft. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Welt-
wirtschaftskrise 1929 konzentrierten sich die Eisenwerke
Gaggenau auf Kohle- und Gasherde und später auch auf
Elektroherde und Großküchenanlagen. Die im Zweiten
Weltkrieg zu 70 Prozent zerstörten Eisenwerke knüpf-
ten in der Nachkriegszeit wieder an den früheren Erfolg
an und beschäftigten Ende der 1950er-Jahre knapp 400
Menschen. Bis heute steht der Name Gaggenau für inno-
vative Koch- und Küchengeräte.
Theodor Bergmann legte mit seiner 1894 in Ottenau
gegründeten „Bergmanns Industriewerke GmbH“ den
Grundstock für die Automobilindustrie. Heute gilt das
Mercedes-Benz-Werk Gaggenau als ältestes Automobil-
werk der Welt.
Zwischen 1895 und 1899 stellte Bergmann 350 zwei-
und dreisitzige Automobile her. Das „Orient-Expreß“ ge-
nannte Fahrzeug hatte etwa sechs PS und brachte es auf
rund 40 Stundenkilometer. Doch mit so einer geringen
Stückzahl und damit der Herstellung eines Nischenpro-
dukts war Bergmann nicht zufrieden. Daher begann er
mit dem Bau von kleinen Omnibussen. 1905 wurde die
Automobilherstellung aus den Bergmann-Industriewer-
ken herausgelöst und von Georg Wiß als eigenständiges
Unternehmen mit dem Namen Süddeutsche Automobil-
fabrik GmbH (SAF) weitergeführt. Neben Omnibussen
wurden nun auch Lastwagen hergestellt, und als im Jahr
1907 das großherzogliche Paar erstmals in einem Auto-
mobil fuhr, kam dies einem Ritterschlag gleich. Denn das
Paar fuhr in einem Gaggenau-Omnibus. Wie stark die
SAF und der Ort Gaggenau in der Außenwirkung ver-
quickt waren, zeigt eine Begegnung von Kaiser Wilhelm
II. mit Georg Wiß. Der Kaiser soll den Fabrikanten mit
„Herr Gaggenau“ angesprochen haben.
1907 wurde die SAF von Benz & Cie. erworben, die
mit ihrer Produktion von Nutzfahrzeugen in Mannheim
die Kapazitätsgrenze erreicht hatten. Die Geschichte
des Benz-Werks in Gaggenau begann. Für die Stadt
und die Region sollte die Kraftfahrzeugindustrie zur
Initialzündung einer ungeahnten Wirtschafts- und
Bevölkerungsentwicklung werden. Nach dem Ersten
Weltkrieg hatte das Benz-Werk rund 2.000 Beschäftig-
te und im Jahr 1928 zählte das Daimler-Benz-Werk, wie
es nach der Fusion von Daimler und Benz im Jahr 1926
hieß, 4.400 Arbeiter. Während des Zweiten Weltkriegs
wurden ausschließlich Fahrzeuge für die Wehrmacht
gefertigt.
286.000 uniMOGs Gebaut
1944 lagen ein Großteil der Gaggenauer Innenstadt und
90 Prozent des Werks in Trümmern. Doch auf das Kriegs-
ende folgte bald der Wiederaufbau. 1949 wurde als ers-
tes Produkt ein Fünf-Tonnen-LKW gebaut. Bis 1967 pro-
duzierte das Gaggenauer Werk Schwerlastkraftwagen
für den Konzern. Als 1950 durch die Daimler-Benz AG
die Unimog-Entwicklungsgesellschaft erworben wurde,
begann eine weitere Erfolgsgeschichte: Bis 1990 wurden
mehr als 286.000 Unimog-Fahrzeuge gebaut.
Heute zählt das Mercedes-Benz-Werk in Gaggenau
rund 6.600 Mitarbeiter und fertigt Getriebe, Außenpla-
neten- und Portalachsen, Wandler und Pressteile für die
A- und B-Klasse und andere Fahrzeuge. Im Presswerk
Historische Aufnahme des Daimler-Benz-Werks in Gaggenau.
Am Sauberg im Einsatz: ein in Gaggenau gefertigter LKW.
1908Arbeitszeit
Auf einhellige Ablehnung der Banken-
welt stieß im November 1908 der An-
trag des Deutschen Bankbeamten-
Vereins, Ortsgruppe Baden-Baden, auf
Schließung „der Büros sämtlicher hie-
siger Banken an Samstagen um 12 Uhr
oder um 1 Uhr“. Nach Verhandlungen
mit der Ortsgruppe und Beratungen
mit den anderen örtlichen Banken ei-
nigte man sich schließlich darauf, den
Büroschluss an Samstagen von bisher
18 auf zukünftig 17 Uhr vorzuverlegen.
Kuppenheim werden seit 2011 mit weltweit moderns-
ten Karosseriepressen Außenhaut- und Strukturteile für
Mercedes-Benz gefertigt.
An der Schwelle zum 20. Jahrhundert kam es noch
zu zahlreichen weiteren Unternehmensgründungen, die
bis heute Strahlkraft auf die ganze Region haben. Um
nur einige zu nennen: 1890 machte sich Ferdinand Rah-
ner mit einer Sägemühle selbstständig und begründete
damit das heutige Holzwerk Rahner in Bad Rotenfels.
Die Metallwarenfabrik Josef König wurde 1901 als Im-
kereigerätefabrik gegründet, das Protektorwerk Florenz
Maisch hat seine Ursprünge im Jahr 1903 und die An-
fänge der Bauunternehmung Grötz liegen im Jahr 1904.
1925 ist das Geburtsjahr der Firma Stefan Hertweck als
Hersteller von Präzisionswerkzeugen und 1926 ließ sich
die Emailschilderfabrik von Adolf Dambach in Gaggenau
nieder. Die Volksbank ist seit 1922 in Gaggenau präsent,
als Zweigstelle der Vereinsbank Rastatt. Lebten 1867, als
sich in Rastatt der Vorschussverein gegründet hatte, rund
1.500 Menschen in Gaggenau, so sind es heute etwa
29.000.
Quelle: Geschäftsbericht - Daimler AG
Quelle: Geschäftsbericht 2016 / Daimler AG
Quelle: Geschäftsbericht 2016 / Daimler AG