CMS Deutschland
Aktuelles ArbeitsrechtEin Überblick über aktuelle Gesetzgebung und Rechtsprechung
Dr. Oliver Simon Dr. Tilmann Restle, LLM (Tilburg University)
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner Rechtsanwalt, Senior Associate
CMS Hasche Sigle, Stuttgart CMS Hasche Sigle, Stuttgart
Coaching Day, 8. Februar 2019
Überblick über die neuesten Entwicklungen im Arbeitsrecht (aktuelle
Gesetzgebung und Rechtsprechung), verdeutlicht anhand der einzelnen
Phasen des Arbeitsverhältnisses, d.h.
• Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
AGG-konforme Stellenausschreibung
Schriftformerfordernis des TzBfG gilt auch für Altersgrenzen in Arbeitsverträgen
• Begründung des Arbeitsverhältnisses, u.a.,
Erhöhung des Mindestlohns zum 01.01.2019 und 01.01.2020
Wirksamkeit von sachgrundlosen Befristungen ("Vorbeschäftigungsverbot")
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Inhalt (1/3)
2Coaching Day I 8. Februar 2019
Überblick über die neuesten Entwicklungen im Arbeitsrecht (aktuelle
Gesetzgebung und Rechtsprechung), verdeutlicht anhand der einzelnen
Phasen des Arbeitsverhältnisses, d.h.
• Durchführung des Arbeitsverhältnisses, u.a.
Einführung eines Anspruchs auf zeitlich begrenzte Teilzeit ("Brückenteilzeit")
Vergütung für Fahrt- und Reisezeiten – was ist Arbeitszeit?
Reform der EU-Entsenderichtlinie
A1-Bescheinigungen bei Auslandseinsätzen in EU-Ausland
Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge
Haftung des Arbeitgebers bei Grippeschutzimpfung durch externe Betriebsärzte
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Mitarbeiterbefragungen
Inhalt (2/3)
3Coaching Day I 8. Februar 2019
Überblick über die neuesten Entwicklungen im Arbeitsrecht (aktuelle
Gesetzgebung und Rechtsprechung), verdeutlicht anhand der einzelnen
Phasen des Arbeitsverhältnisses, d.h.
• Beendigung des Arbeitsverhältnisses, u.a.
Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts über das Erreichen der Regelaltersgrenze
Datenschutzrechtlich zulässige Verwertung von Videoaufzeichnungen für Kündigungen
Zeitpunkt und Inhalt der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung
Urlaubsabgeltung bei unterlassener Aufforderung zum Urlaubsantritt
Inhalt (3/3)
4Coaching Day I 8. Februar 2019
"Deutsch als Muttersprache" in Stellenausschreibung
(BAG v. 29.06.2017 – 8 AZR 402/15)
Ausgangsfall
• Der in der Ukraine geborene Kläger ist russischer Muttersprachler.
• Die Beklagte suchte Hilfskräfte zur vorübergehenden Unterstützung eines
Redakteurs beim Verfassen eines Buchs (u.a. für Schreibarbeiten).
• Die Stellenausschreibung enthielt als Anforderung u.a. "Deutsch als
Muttersprache".
• Nachdem der Kläger eine Absage erhielt, klagte er auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2 AGG ("Schmerzensgeld") wegen Diskriminierung aufgrund seiner
ethnischen Herkunft. Die Anforderung "Deutsch als Muttersprache" in der
Stellenausschreibung lege nahe, dass er im Bewerbungsprozess wegen seiner
ethnischen Herkunft diskriminiert worden sei.
Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
- AGG-konforme Stellenausschreibung -
5Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Muttersprache ist diejenige Sprache, die man von Kind auf oder als Kind gelernt
hat.
• Die Muttersprache ist daher typischerweise mit der ethnischen Herkunft verknüpft.
• Mit der Formulierung: "Deutsch als Muttersprache", bringt ein Arbeitgeber zum
Ausdruck, dass er nur Interesse an Bewerbungen von im deutschen Sprachraum
aufgewachsenen Personen hat.
• Die Formulierung: "Deutsch als Muttersprache" stell deshalb eine Diskriminierung
des Klägers (russischer Muttersprachler) wegen seiner ethnischen Herkunft dar.
• Daher Anspruch auf Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG Klage erfolgreich!
• Praxistipp: Keine Verwendung von Formulierungen in Stellenanzeigen mit Bezug
zur sprachlichen Herkunft ("Muttersprache"), sondern stattdessen: " sehr gute
Kenntnisse der deutschen Sprache", "verhandlungssichere Kenntnisse der
deutschen Sprache"
Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
- AGG-konforme Stellenausschreibung -
6Coaching Day I 8. Februar 2019
"Junges und dynamisches Unternehmen" in Stellenausschreibung
(BAG v. 23.11.2017 – 8 AZR 604/16)
Ausgangsfall
• Die Klägerin ist 1961 geboren und verfügt über einen Studienabschluss in der
Fachrichtung Informatik.
• Die Arbeitgeberin ist ein im Jahr 2004 gegründetes Unternehmen.
• Im Jahr 2014 schaltete die Arbeitgeberin eine Stellenanzeige für Software-
Entwickler und beschrieb sich in der Stellenanzeige als "junges und dynamisches
Unternehmen".
• Die Bewerbung der Klägerin auf die Stellenanzeige war erfolglos. Daraufhin
klagte sie auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ("Schmerzensgeld") und
machte geltend, dass die Selbstbeschreibung "junges und dynamisches
Unternehmen" nahe lege, dass sie von der Arbeitgeberin wegen ihres Alters im
Bewerbungsprozess nicht berücksichtigt worden sei.
Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
- AGG-konforme Stellenausschreibung -
7Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Die Auslegung der Stellenausschreibung ergibt, dass die Verwendung der
Formulierung: "jung und dynamisch", nur eine Aussage über das Unternehmen
selbst trifft (Unternehmensalter, Beweglichkeit und Wandlungsfähigkeit des
Unternehmens).
• Die Formulierung "jung und dynamisch" trifft somit keine Aussage über die bei der
Beklagten tätigen Mitarbeiter und trifft daher auch keine Aussage hinsichtlich
erwünschter Eigenschaften von Bewerbern.
• Eine Selbstbeschreibung: "junges und dynamisches Unternehmen", verstößt
daher nicht gegen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.
• Kein Anspruch auf Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG Klage erfolglos!
Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
- AGG-konforme Stellenausschreibung -
8Coaching Day I 8. Februar 2019
Das Schriftformerfordernis nach § 14 Abs. 4 TzBfG gilt auch für die
Vereinbarung von Altersgrenzen (BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15)
Ausgangsfall
• Der Arbeitnehmer war ab dem 01.07.2009 als Facharzt für Radiologie für den
Arbeitgeber tätig.
• Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers enthielt eine Regelung, dass das
Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des Monats endet, in dem der
Arbeitnehmer das Regelaltersrentenalter erreicht.
• Am 31.08.2014 erreichte der Arbeitnehmer das Regelaltersrentenalter.
• Vor Gericht berief sich der Arbeitnehmer darauf, sein Arbeitsverhältnis habe nicht
mit Erreichen des Regelaltersrentenalter geendet, sondern bestehe fort. Da ihm
kein von beiden Parteien unterzeichneter Arbeitsvertrag ausgehändigt worden sei,
sei die Regelung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des
Regelaltersrentenalters wegen Verstoßes gegen das Schriftformgebot unwirksam.
Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
- Altersgrenzen und Schriftform nach TzBfG -
9Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Auch Regelungen in Arbeitsverträgen über die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses aufgrund des Erreichens einer Altersgrenze müssen die
Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetzes einhalten. Denn auch bei diesen
Regelungen handelt es sich um eine Befristung des Arbeitsverhältnisses.
• Eine wirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses erfordert insbesondere die
Wahrung der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG), d.h. ein schriftliches Angebot eines
befristeten Arbeitsverhältnisses und eine schriftliche Annahme des Angebots vor
Arbeitsaufnahme.
• Der Zugang eines von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrages beim
Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber nach Arbeitsaufnahme wahrt die Schriftform nicht.
• Praxistipp: Auch bei Befristungen in Form von Altersgrenzen sollte die
Einhaltung des Schriftformerfordernisses durch interne Prozesse, Richtlinien oder
Vorgaben sichergestellt und so dokumentiert werden, dass die Einhaltung der
Schriftform auch noch nach langer Zeit sicher nachvollzogen werden kann.
Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
- Altersgrenzen und Schriftform nach TzBfG -
10Coaching Day I 8. Februar 2019
Zweite Mindestlohnanpassungsverordnung vom 13.11.2018 (MiLoV2)
• Der Mindestlohn betrug seit 01.01.2017 EUR 8,84 brutto pro Stunde.
• Anhebung des Mindestlohns durch MiLoV2:
ab 01.01.2019 auf EUR 9,19 brutto pro Stunde
ab 01.01.2020 auf EUR 9,35 brutto pro Stunde
• Die Anhebung des Mindestlohns kann bei Mini-Jobs ("450-Euro-Jobs") und Midi-
Jobs (Verdienst zwischen EUR 450,01 und EUR 850,00 brutto pro Monat) dazu
führen, dass die Verdienstgrenze (450-Euro-Grenze bzw. 850-Euro-Grenze)
überschritten wird und die sozialversicherungsrechtliche Privilegierung für Mini-
Jobs entfällt bzw. bei Midi-Jobs höhere Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen
sind.
• Das Risiko der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund
unzutreffender sozialversicherungsrechtlicher Bewertung der Beschäftigung trifft
in der Praxis regelmäßig den Arbeitgeber!
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Erhöhung des Mindestlohns -
11Coaching Day I 8. Februar 2019
• Praxistipp: Zur Verhinderung ungewollter Überschreitung von Verdienstgrenzen
Regelung im Arbeitsvertrag zur automatischen Absenkung der Arbeitsstunden zur
Einhaltung 450-Euro-Grenze bzw. 850-Euro-Grenze treffen.
• Beispiel für Mini-Jobs:
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Erhöhung des Mindestlohns -
12Coaching Day I 8. Februar 2019
"Sollte das monatliche Arbeitsentgelt auf Grund einer Gesetzesänderung,
einer Änderung der Rechtsprechung, eines Tarifvertrages, einer
Betriebsvereinbarung, einer betrieblichen Übung oder aus sonstigen Gründen
die gesetzliche Entgeltgrenze für die geringfügige Beschäftigung im Sinne des
Sozialversicherungsrechts (zur Zeit EUR 450,00) übersteigen, wird die
wöchentliche Arbeitsstundenzahl des Arbeitnehmers bis zur Einhaltung der
gesetzlichen Entgeltgrenze für die geringfügige Beschäftigung im Sinne des
Sozialversicherungsrechts (zur Zeit EUR 450,00) angepasst."
Vorbeschäftigungsverbot (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG) verfassungsgemäß
(BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14)
Ausgangsfall
• § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG: Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne
sachlichen Grund ist unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber jemals zuvor
ein Arbeitsverhältnis bestanden hat ("Vorbeschäftigungsverbot").
• BAG seit 2011: § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist dahin auszulegen, dass keine
Vorbeschäftigung i.S.d. TzBfG vorliegt und damit sachgrundlose Befristung
möglich ist, wenn das Ende eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben
Arbeitgeber schon mehr als 3 Jahre zurückliegt.
• Im Jahr 2014: Vorlage des ArbG Braunschweig sowie Verfassungsbeschwerde an
das BVerfG zur Klärung, ob die zeitliche Einschränkung des
Vorbeschäftigungsverbots durch das BAG ("3-Jahres-Grenze")
verfassungsgemäß ist oder ob nach dem TzBfG ein zeitlich uneingeschränktes
Vorbeschäftigungsverbot gilt.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Sachgrundlose Befristung: Vorbeschäftigung -
13Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BVerfG
• Zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist
verfassungsgemäß "3-Jahres-Grenze" des BAG ist verfassungswidrig!
• Kein Vertrauensschutz für "Altfälle" (BAG, Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16)!
• Vorbeschäftigungsverbot gilt jedoch ausnahmsweise nicht, wenn es zur
Verhinderung von "Kettenbefristungen" nicht notwendig ist (Einzelfallbetrachtung!)
• Vom Vorbeschäftigungsverbot auszunehmen sein können insbesondere:
Vorbeschäftigungen, die sehr lange zurückliegen (BAG, Urt. v. 23.01.2019 – 7 AZR
733/16: 8 Jahre noch nicht sehr lange zurückliegend),
Vorbeschäftigungen, die ganz anders geartet waren,
Vorbeschäftigungen, die nur von sehr kurzer Dauer waren.
Beispiele: geringfügige Nebenbeschäftigungen währen Schul- oder Studienzeit, Tätigkeit
als Werkstudierender, Tätigkeit als studentischer Mitarbeiter an Universität/Hochschule
• Wegen des Erfordernisses der Einzelfallbetrachtung ist eine rechtssichere
sachgrundlose Befristung nur noch ohne jegliche Vorbeschäftigung möglich!
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Sachgrundlose Befristung: Vorbeschäftigung -
14Coaching Day I 8. Februar 2019
Arbeitsverhältnis durch Weiterbeschäftigung nach Ausbildungsende
(BAG, Urt. v. 20.03.2018 – 9 AZR 479/17)
Ausgangsfall
• Der Auszubildende legte die letzte, zum Bestehen seiner Ausbildung erforderliche
Prüfung am 22.08.2014 erfolgreich ab; das Bestehen wurde ihm sofort mitgeteilt.
• Die Ausbildungsleiterin des Arbeitgebers bestätigte gegenüber dem Auszubilden-
den am 25.08.2014, dass er die Abschlussprüfung am 22.08.2014 bestanden ha-
be und das Ausbildungsverhältnis am 29.08.2014 mit der Zeugnisausgabe ende.
• Vom 25.08.2014 bis 29.08.2014 war der Auszubildende weiterhin bei seiner
Ausbildungsstelle gegen Ausbildungsvergütung tätig.
• Für die Zeit vom 30.08.2014 bis 29.08.2016 wurde ein sachgrundlos befristetes
Arbeitsverhältnis vereinbart.
• Der Auszubildende berief sich vor Gericht auf die Unwirksamkeit der Befristung
wegen Verstoßes gegen das Vorbeschäftigungsverbot (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Weiterbeschäftigung nach Ausbildungsende -
15Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Bei Weiterbeschäftigung Auszubildender nach Ende der Berufsausbildung mit
Wissen des Ausbildenden, ohne dass jedoch über die Weiterbeschäftigung
ausdrücklich eine Vereinbarung getroffen wird, entsteht kraft Gesetzes ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis (vgl. § 24 BBiG).
• Die Ausbildung endet bereits zu dem Zeitpunkt, zu welchem dem Auszubildenden
alle zum Bestehen der Abschlussprüfung erforderlichen Prüfungsergebnisse
verbindlich bekannt gegeben worden sind (mündliche Bekanntgabe genügt!).
• Zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Weiterbeschäftigung muss der
Ausbildende selbst (bei juristischen Personen die gesetzlichen Vertreter, z.B.
Geschäftsführer) bzw. müssen sonstige Mitarbeiter des Ausbildenden mit
Vollmacht zum Abschluss von Arbeitsverträgen jedoch Kenntnis haben, dass:
die vom Auszubildenden erzielten einzelnen Prüfungsergebnisse zum Bestehen der
Abschlussprüfung ausreichend sind und
der Auszubildende weiterbeschäftigt wird.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Weiterbeschäftigung nach Ausbildungsende -
16Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Kenntnis anderer Personen muss sich der Ausbildende zurechnen lassen, wenn:
diese eine herausgehobene Position und Funktion im Unternehmen mit einer ähnlich
selbständigen Stellung wie ein gesetzlicher Vertreter oder ein zum Abschluss von
Arbeitsverträgen bevollmächtigter Vertreter haben (regelmäßig gegeben bei
Ausbildungsleiter), und
die Weiterleitung der Kenntnis der anderen Person an den Ausbildenden durch
unsachgemäße Betriebsorganisation verzögert wird.
• Daher unbefristetes Arbeitsverhältnis ab dem 25.08.2014, da Kenntnis der
Ausbildungsleiterin von Bestehen Abschlussprüfung sowie Weiterbeschäftigung
und da der Arbeitgeber nicht darlegen konnte, dass der Informationsfluss bei ihm
ordnungsgemäß organisiert war Befristung ab 29.08.2014 unwirksam!
• Praxistipp: Ausbildungswesen so organisieren, dass eine zeitnahe Übermittlung
von Informationen über Prüfungsergebnisse und das Bestehen von
Abschlussprüfungen an die zur Einstellung von Arbeitnehmern berechtigten
Personen erfolgt.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Weiterbeschäftigung nach Ausbildungsende -
17Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Studie Bitkom: "Wirtschaftsschutz in der digitalen Welt" (2017)
Mehr als 1000 befragte Unternehmen aus allen Branchen
53 % der befragten Unternehmen sind in den vergangenen zwei Jahren Opfer von
Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl gewesen
Bei 62 % der betroffenen Unternehmen waren Täter aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter
Gesamtschaden für deutsche Unternehmen: fast 55 Milliarden Euro pro Jahr
• Beispielhafte Gründe für Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl:
Digitalisierung erleichtert Spionage / Zugriffsmöglichkeiten
Gesteigerte Mobilität in der Arbeitswelt / häufiger Jobwechsel
Fehlende Awareness
Outsourcing und Zusammenarbeit mit Dienstleistern
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
18Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
19Coaching Day I 8. Februar 2019
Verabschiedung
EU - Geschäftsgeheimnisschutzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2016/943)
Entwurf „Gesetz zum Schutz
von Geschäftsgeheimnissen“ (GeschGehG-E)
08.06.2016
19.04.2018
09.06.2018Ablauf Umsetzungsfrist EU - Geschäftsgeheimnisschutzrichtlinie
04.10.20181. Beratung GeschGehG-E im Bundestag
1. Halbjahr 2019
?? Inkrafttreten GeschGehG
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Geschäftsgeheimnis derzeit:
Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist jede im Zusammenhang mit einem
Geschäftsbetrieb stehende nicht offenkundige, sondern nur einem begrenzten
Personenkreis bekannte Tatsache, an deren Geheimhaltung der
Unternehmensinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat und die
nach seinem bekundeten oder erkennbaren Willen auch geheim bleiben soll.
An die Manifestation des Geheimhaltungswillens sind dabei keine
überzogenen Anforderungen zu stellen. Es genügt im Einzelfall, wenn sich
dieser Wille aus der Natur der geheim zu haltenden Tatsache ergibt.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
20Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Geschäftsgeheimnis nach GeschGehG (künftig!):
Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und
Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die
üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder
ohne weiteres zugänglich /// und daher von wirtschaftlichem Wert ist und ///
Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren
rechtmäßigen Inhaber ist.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
21Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
22Coaching Day I 8. Februar 2019
Gegenstand von
angemessenen
Geheimhaltungs-
maßnahmen
Geschäftsgeheimnis
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• "Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" mehr als (nur) "bekundeter oder
erkennbarer Wille"
Wichtig: Ohne angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen kein Geheimnisschutz!
Geheimnisinhaber muss zwingend Maßnahmen ergreifen, wenn Geschäftsgeheimnisse
geschützt sein sollen
Unwirksame Maßnahme (z.B. unwirksame vertragliche Vereinbarung) nicht ausreichend
• Geheimnisinhaber ist im Streitfall beweisbelastet für angemessene Maßnahmen
• Kein bestimmter "Maßnahmenkatalog" für angemessene Geheimhaltungs-
maßnahmen durch Geschäftsgeheimnisschutz-Richtlinie und GeschGehG-E
vorgegeben!
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
23Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Maßstab für "angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" nach der
Gesetzesbegründung zum GeschGehG-E:
Angemessenheit Geheimhaltungsmaßnahmen abhängig von Art des konkreten
Geschäftsgeheimnisses
Physische Zugangsbeschränkungen und Vorkehrungen sowie vertragliche
Sicherungsmechanismen als mögliche Maßnahmen
Keine Kennzeichnung jeder einzelnen Information erforderlich. Ausreichend, wenn:
• Maßnahmen für bestimmte Kategorien von Informationen ergriffen werden (z.B.
technische Zugangshürden) oder
• Maßnahmen durch allgemeine interne Richtlinien und Anweisungen oder auch in
Arbeitsverträgen vorgegeben werden
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
24Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Bei der Beurteilung der Angemessenheit können nach der Gesetzesbegründung
zum GeschGehG-E insbesondere berücksichtigt werden:
der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten
die Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses für das Unternehmen
die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen
die Art der Kennzeichnung des Geschäftsgeheimnisses
die vereinbarten vertraglichen Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
25Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Geheimhaltungsklausel/-vereinbarung muss wirksam sein, um angemessene
Geheimhaltungsmaßnahme sein zu können, d.h.:
sie muss inhaltlich eindeutig sein (ohne selbst das Geschäftsgeheimnis zu
verraten),
sie muss angemessen sein (insbes. nicht zu allgemein / zu weit),
sie darf kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthalten, da ein solches
nur bei Zusage einer Karenzentschädigung wirksam ist,
sie darf kein Verbot der berechtigten Nutzung von Erfahrungswissen enthalten.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
26Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Ansprüche des Geheimnisinhabers gegen den Rechtsverletzer bei unbefugter
Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses insbesondere
auf:
Beseitigung und Unterlassung,
Vernichtung, Herausgabe, Rückruf, Entfernung und Rücknahme vom Markt,
Auskunft über rechtsverletzende Produkte.
• Ansprüche des Geheimnisinhabers auf Beseitigung/Unterlassung, Vernichtung,
Herausgabe, Rückruf, Entfernung und Rücknahme vom Markt sowie Auskunft
bestehen verschuldensunabhängig bei Rechtsverletzungen durch Beschäftigte,
die im unmittelbaren inneren Zusammenhang mit Aufgaben des Beschäftigten
erfolgen, auch gegen den Inhaber eines Unternehmens (Arbeitgeber).
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
27Coaching Day I 8. Februar 2019
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
(GeschGehG)
• Ansprüche gegen den Arbeitgeber bestehen aber auch bei "Einbringung" von
Geschäftsgeheimnissen durch neu eintretende Arbeitnehmer, da das Verbot der
unbefugten Erlangung, Nutzung oder Offenlegung fremder Geschäftsgeheimnisse
auch dann gilt, wenn:
das Geschäftsgeheimnis über einen neu eintretenden Arbeitnehmer erlangt worden ist
und
der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der eigenen Erlangung, Nutzung oder Offenlegung des
Geschäftsgeheimnisses weiß oder wissen müsste, dass der neu eintretende Arbeitnehmer
das Geschäftsgeheimnis zuvor unbefugt genutzt oder offengelegt hat.
Begründung des Arbeitsverhältnisses
- Schutz von Geschäftsgeheimnissen -
28Coaching Day I 8. Februar 2019
Schaffung eines Anspruchs auf zeitlich begrenzte Verringerung der
Arbeitszeit ("Brückenteilzeit")
• Ein Anspruch auf Brückenteilzeit setzt voraus (§ 9a Abs. 1 TzBfG):
Bestand des Arbeitsverhältnisses seit mehr als 6 Monaten
Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 45 Arbeitnehmer (Auszubildende zählen
nicht mit!)
Zeitraum der Verringerung der Arbeitszeit muss mindestens 1 Jahr betragen und darf 5
Jahre nicht übersteigen
• Der Arbeitgeber kann beantragte Brückenteilzeit ablehnen (§ 9a Abs. 2 TzBfG):
aus betrieblichen Gründe (entspricht den Ablehnungsmöglichkeiten bei einem Antrag auf
zeitlich unbegrenzte Teilzeit gem. § 8 Abs. 4 TzBfG),
zusätzlich bei kleineren Unternehmen mit in der Regel mehr als 45 aber höchstens 200
Arbeitnehmern, wenn sich bereits 1 Arbeitnehmer pro 15 Arbeitnehmer in Brückenteilzeit
befindet (für Staffelung unbeachtlich sind Arbeitnehmer in zeitlich unbegrenzter Teilzeit/
Teilzeit in Elternzeit!) Beurteilungsstichtag ist Beginn der beantragten Brückenteilzeit.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Änderungen im Teilzeitrecht -
29Coaching Day I 8. Februar 2019
Schaffung eines Anspruchs auf zeitlich begrenzte Verringerung der
Arbeitszeit ("Brückenteilzeit")
• Während einer Brückenteilzeit ist keine weitere Verringerung der Arbeitszeit nach
dem TzBfG möglich (§ 9a Abs. 4 TzBfG).
• Ein erneuter Antrag auf Brückenteilzeit ist erst 1 Jahr nach Rückkehr zur
ursprünglichen Arbeitszeit möglich (§ 9a Abs. 5 Satz 1 TzBfG).
• Bei einem rechtmäßig aus betrieblichen Gründen abgelehnten Antrag ist ein
erneuter Antrag auf Brückenteilzeit erst wieder 2 Jahre nach der Ablehnung
möglich (§ 9a Abs. 5 Satz 2 TzBfG).
• Bei einem aus Zumutbarkeitsgründen rechtmäßig abgelehntem Antrag bei
kleineren Arbeitgebern ("mehr als 1 Arbeitnehmer pro 15 Arbeitnehmer in
Brückenteilzeit") ist ein erneuter Antrag auf Brückenteilzeit erst wieder 1 Jahr seit
der Ablehnung möglich (§ 9a Abs. 5 Satz 3 TzBfG).
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Änderungen im Teilzeitrecht -
30Coaching Day I 8. Februar 2019
Schaffung eines Anspruchs auf zeitlich begrenzte Verringerung der
Arbeitszeit ("Brückenteilzeit")
• Verfahren zur Beantragung von Brückenteilzeit entsprechend dem Verfahren bei
Beantragung zeitlich unbegrenzter Teilzeit:
Der Antrag muss mindestens 3 Monate vor Beginn der Brückenteilzeit gestellt werden.
In dem Antrag muss der Umfang der Arbeitszeitverringerung genannt werden; die
gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit soll angeben werden (kein Muss!).
Es ist kein schriftlicher Antrag erforderlich. Der Antrag kann auch in Textform (z.B. per E-
Mail) gestellt werden.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Antrag mit dem Arbeitnehmer zu erörtern.
Der Arbeitgeber muss einen Antrag auf Brückenteilzeit (die gewünschte Arbeitszeit
Verringerung und/oder die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit) spätestens 1 Monat vor
dem Beginn der beantragten Brückenteilzeit schriftlich (!) ablehnen andernfalls gilt der
Antrag als genehmigt (§ 9a Abs. 3 Satz 1 TzBfG i.V.m. § 8 Abs. 5 Satz 2 und 3 TzBfG).
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Änderungen im Teilzeitrecht -
31Coaching Day I 8. Februar 2019
Änderung der Beweislast bei Wunsch nach Arbeitszeitverlängerung
• Schon bisher: Ein Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber seinen Wunsch nach
Verlängerung der Arbeitszeit mitteilt, muss bei der Besetzung freier Arbeitsplätze
bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden, es sei denn, dringende
betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter stehen
der Berücksichtigung entgegen (§ 9 TzBfG).
• Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz kommt in Betracht, wenn
der Arbeitgeber den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 9 TzBfG besetzt.
• Künftig muss der Arbeitgeber:
nicht nur beweisen, dass Arbeitszeitwünsche anderer Arbeitnehmer oder dringende
betriebliche Gründe der Berücksichtigung des Arbeitnehmers entgegenstehen,
sondern auch beweisen, dass kein freier Arbeitsplatz vorhanden war oder der
Arbeitnehmer für den freien Arbeitsplatz nicht mindestens gleich geeignet war wie der vom
Arbeitgeber bevorzugte Arbeitnehmer.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Änderungen im Teilzeitrecht -
32Coaching Day I 8. Februar 2019
Änderung der Rahmenbedingungen für Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG)
• Ohne vertragliche Vereinbarung beträgt die wöchentliche Arbeitszeit bei Arbeit auf
Abruf nicht mehr 10 Stunden pro Woche, sondern 20 Stunden pro Woche
(§ 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG)
Beachte: Ohne vertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeit droht bei Abrufarbeit auf
Basis geringfügiger Beschäftigungen ("450-Euro-Jobs") eine Überschreitung der Grenze
für Entgeltgeringfügigkeit Das Risiko der Nachzahlung von
Sozialversicherungsbeiträgen liegt in der Praxis in der Regel beim Arbeitgeber!
• Bei Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit für Abrufarbeit darf der Arbeitgeber
höchsten 25 Prozent zusätzliche Arbeitszeit abrufen und bei Vereinbarung einer
Höchstarbeitszeit diese höchstens um 20 Prozent unterschreiten (§ 12 Abs. 2
TzBfG).
• Der Referenzwert für Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen ist
regelmäßig die durchschnittliche Arbeitszeit in den unmittelbar vorangegangenen
3 Monaten (mindestens jedoch die vertraglich vereinbarte bzw. ohne
Vereinbarung geltende Mindestarbeitszeit).
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Änderungen im Teilzeitrecht -
33Coaching Day I 8. Februar 2019
Berechnung des Urlaubsentgelts nach Verringerung der Arbeitszeit
(BAG, Urt. v. 20.03.2018 – 9 AZR 486/17)
Ausgangsfall
• Die Arbeitnehmerin war seit 01.03.2012 bis 31.07.2015 in einer 5-Tage-Woche mit
einer Arbeitszeit von insgesamt 35 Stunden pro Woche beschäftigt.
• Mit Wirkung ab dem 01.08.2015 reduzierte die Arbeitnehmerin ihre Arbeitszeit auf
20 Stunden pro Woche, arbeitete aber weiterhin an 5 Tagen pro Woche.
• In der Zeit vom 10.08.2015 bis 22.02.2016 nahm die Arbeitnehmerin insgesamt
47 Tage Urlaub. Den Anspruch auf den genommenen Urlaub (47 Tage) hatte die
Arbeitnehmerin schon vor der Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 20 Stunden
erworben.
• Für die 47 Urlaubstage berechnete die Arbeitgeberin das Urlaubsentgelt (§ 11
BUrlG) auf der Grundlage der aktuellen Teilzeitquote von 20 Stunden pro Woche.
Die Arbeitnehmerin forderte daraufhin für die 47 Urlaubstage die Zahlung von
Urlaubsentgelt auf Basis ihrer vorherigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Urlaubsentgelt nach Arbeitszeitverringerung -
34Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Nach der Rechtsprechung des EuGH darf der Wechsel von einer Vollzeittätigkeit
in eine Teilzeittätigkeit nicht dazu führen, dass der zum Wechselzeitpunkt noch
nicht verbrauchte Erholungsurlaub durch Kürzung an den Umfang der
Teilzeittätigkeit angepasst wird, sofern der Erholungsurlaub vor dem Wechsel vom
Arbeitnehmer nicht mehr genommen werden konnte.
• Die Rechtsprechung des EuGH zum Kürzungsverbot bei einem Wechsel von
Vollzeit in Teilzeit ist nicht nur auch auf Fälle der (weiteren) Reduzierung einer
Teilzeittätigkeit, sondern auch auf die Berechnung des Urlaubsentgelts
anzuwenden.
• Das Urlaubsentgelt der Arbeitnehmerin für Urlaubsansprüche, die sie vor der
Reduzierung der Arbeitszeit erworben hatte, aber erst nach der Reduzierung
genommen hatte, war daher so zu berechnen, als läge die Arbeitszeit der
Arbeitnehmerin weiterhin bei 35 Stunden pro Woche Klage erfolgreich!
• Praxistipp: Urlaubsansprüche möglichst noch vor Arbeitszeitreduzierung erfüllen!
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Urlaubsentgelt nach Arbeitszeitverringerung -
35Coaching Day I 8. Februar 2019
Vergütung für Fahrt zum ersten Kunden und der Fahrt vom letzten
Kunden nach Hause (BAG, Urt. v. 25.04.2018 – 5 AZR 424/17)
Ausgangsfall
• Der Arbeitnehmer ist als Aufzugs- und Inspektionsmonteur im Außendienst
beschäftigt und Mitglied des Betriebsrats.
• Mit dem ihm zur Verfügung gestellten Fahrzeug fuhr der Arbeitnehmer von zu
Hause direkt zum ersten Kunden und vom letzten Kunden direkt nach Hause.
• Den Betrieb des Arbeitgebers suchte der Arbeitnehmer nur für organisatorische
Angelegenheiten (z.B. Abgabe von Wochenberichten), die Versorgung mit
Ersatzteilen oder seine Tätigkeit als Betriebsratsmitglied auf.
• Der Arbeitnehmer machte geltend, dass die Fahrt zum ersten Kunden und die
Fahrt vom letzten Kunden nach Hause voll zu vergüten sei. Der Arbeitgeber trug
vor, die Fahrten seien bereits mit der "Nahauslösung" gem. Bundestarifvertrag für
Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie abgegolten.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Vergütung bei Außendiensttätigkeit -
36Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Auch direkte Fahrten zum ersten Kunden, die der Arbeitnehmer von zu Hause
beginnt, und auch Fahrten vom letzten Kunden direkt nach Hause stellen
Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne dar (§ 611a Abs. 2 BGB).
• Auch diese Fahrten sind grundsätzlich so zu vergüten, wie die eigentliche
Tätigkeit.
• Für Reisezeiten des Arbeitnehmers, die nicht zur eigentlichen Tätigkeit zählen
(anders z.B. bei Fernfahrern), kann jedoch eine abweichende Vergütung
vereinbart werden, sofern durch die gesamte gezahlte Vergütung die Vorgaben
des Mindestlohngesetzes eingehalten werden.
• Der Bundestarifvertrag für Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und
Elektroindustrie enthält mit der "Nahauslösung" eine solche abweichende
Vergütungsregelung Klage erfolglos!
• Praxistipp: Gesonderte mindestlohnkonforme Regelung über Vergütung von
Reisezeiten treffen, falls aufgrund der Tätigkeit des Arbeitnehmers erforderlich.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Vergütung bei Außendiensttätigkeit -
37Coaching Day I 8. Februar 2019
Ausschluss der Vergütung von An- und Abfahrtszeiten durch
Betriebsvereinbarung (LAG Düsseldorf, Urt. v. 14.12.2018 – 10 Sa 96/18)
Ausgangsfall
• Der Arbeitnehmer ist als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt.
• Morgens fährt er regelmäßig direkt von zu Hause zu seinem ersten Kunden und
abends von seinem letzten Kunden wieder direkt nach Hause.
• Beim Arbeitgeber ist durch Betriebsvereinbarung geregelt, dass die ersten 20
Minuten der Anfahrtszeit zum ersten Kunden und die ersten 20 Minuten der
Abfahrtszeit vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen.
• Für den Zeitraum von März bis August 2017 wurden dem Arbeitnehmer An- und
Abfahrtszeiten im Umfang von 68,40 Stunden nicht vergütet.
• Der Arbeitnehmer forderte, ihm 68,40 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gut zu
schreiben. Er machte geltend, sein Arbeitsvertrag enthalte keine Regelung über
einen Abzug von Fahrtzeiten. Dieser gehe deshalb der Betriebsvereinbarung vor.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Vergütung für An- und Abfahrtszeiten -
38Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des LAG Düsseldorf
• Auch wenn ein Arbeitnehmer die An- bzw. Abfahrt zum ersten bzw. letzten
Kunden direkt zu Hause beginnt bzw. beendet, stellen die An- und Abfahrt Arbeit
im vergütungsrechtlichen Sinn dar, die grundsätzlich voll zu vergüten ist.
• Für Fahrtzeiten, die nicht zur eigentlichen Tätigkeit zählen, kann jedoch eine
abweichende Vergütung vereinbart werden.
• Durch Betriebsvereinbarung kann wirksam auch zum Nachteil des Arbeitnehmers
von den Regelungen seines Arbeitsvertrags abgewichen werden, wenn der
Arbeitsvertrag „betriebsvereinbarungsoffen“ ist.
• Nach der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2013 sind arbeitsvertragliche
Regelungen, die vom Arbeitgeber vorformuliert sind (AGB) und „kollektiven
Bezug“ haben, auch ohne ausdrückliche Regelung "betriebsvereinbarungsoffen".
• Beim Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers hat es sich um AGB gehandelt. Die
Regelung in der Betriebsvereinbarung zu den An- und Abfahrtszeiten betraf alle
Servicetechniker im Außendienst ("kollektiver Bezug") Daher Klage erfolglos!
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Vergütung für An- und Abfahrtszeiten -
39Coaching Day I 8. Februar 2019
Einschränkung des Grundsatzes der "Betriebsvereinbarungsoffenheit"
(BAG, Urt. v. 11.04.2018 – 4 AZR 119/17)
• Der Grundsatz der Betriebsvereinbarungsoffenheit bei vom Arbeitgeber
vorformulierten Regelungen (AGB) mit „kollektivem" Bezug gilt nicht:
für ausdrückliche arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge.
für Arbeitsverträge, bei denen vereinbart wird, dass "im Übrigen" oder "soweit keine
anderen Vereinbarungen getroffen worden sind", betriebliche Regelungen Anwendung
finden.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Grenzen der Betriebsvereinbarungsoffenheit -
40Coaching Day I 8. Februar 2019
Vergütung für erforderliche Reisezeiten (Hin- und Rückreise)
(BAG, Urt. v. 17.10.2018 – 5 AZR 553/17)
Ausgangsfall
• Der Arbeitnehmer ist bei einem Bauunternehmen als technischer Mitarbeiter auf
Baustellen im In- und Ausland beschäftigt.
• Im Jahr 2015 wurde der Arbeitnehmer auf eine Baustelle nach China entsandt.
• Auf Wunsch des Arbeitnehmers buchte der Arbeitgeber für die Hin- und Rückreise
keinen Direktflug, sondern einen Flug mit Zwischenstopp in Dubai.
• Die Tage der Hin- und Rückreise (insgesamt 4 Tage) erhielt der Arbeitnehmer mit
jeweils 8 Stunden pro Tag vergütet.
• Der Arbeitnehmer machte gerichtlich geltend, ihm sei die gesamte Reisezeit für
die Hin- und Rückreise zu vergüten, und forderte Vergütung für weitere 37
Stunden.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Vergütung für erforderliche Reisezeiten -
41Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Auch wenn ein Arbeitnehmer eine Dienstreise zu Hause beginnt und zu Hause
beendet, stellen die Hin- und Rückreise Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn dar
(§ 611a Abs. 2 BGB).
• Zu vergüten sind jedoch nur erforderliche Reisezeiten.
• Gibt der Arbeitgeber das Verkehrsmittel und den Reiseverlauf vor, ist diejenige
Reisezeit erforderlich, die benötigt wird, um nach den Vorgaben des Arbeitgebers
das Reiseziel zu erreichen.
• Ist die Auswahl des Verkehrsmittels und/oder des Reiseverlaufs dem
Arbeitnehmer überlassen, ist er im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, das
kostengünstigste Verkehrsmittel und/oder den kostengünstigsten Reiseverlauf zu
wählen, d.h. bei Flugreisen grundsätzlich einen Direktflug.
• Ohne Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit/Nichtverfügbarkeit eines Direktflugs,
war daher vom Arbeitgeber nur die Reisezeit für einen Direktflug erforderlich und
auch nur diese zu vergüten, nicht aber die Zeit für den "Umweg" über Dubai.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Vergütung für erforderliche Reisezeiten -
42Coaching Day I 8. Februar 2019
Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen, arbeitszeitrechtlichen und
betriebsverfassungsrechtlichen Sinn
• Eine allgemeine arbeitsrechtliche Definition, was "Arbeitszeit" ist, existiert nicht.
• Der Begriff der Arbeitszeit kann daher im jeweiligen Kontextes (Arbeitsschutz,
Vergütung, betriebliche Mitbestimmung) einen unterschiedlichen Inhalt haben.
• Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinn (ArbZG):
Das Arbeitszeitgesetz begrenzt die Heranziehung des Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung,
insbesondere durch tägliche Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen und tägliche Ruhezeiten.
Für die Einordnung als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist entscheidend, ob der
Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers Zeit aufwendet und diese Zeitspanne nicht im
Sinne einer Ruhezeit für eigene (Erholungs-)Zwecke verwenden kann.
Arbeitszeit im Sinne des ArbZG liegt daher z.B. vor bei Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst.
Keine Arbeitszeit im Sinne des ArbZG sind hingegen Reisen mit Bus, Flugzeug und Zug,
wenn dem Arbeitnehmer vollständig freigestellt ist, wie er die Reisezeit nutzt, z.B. für
private Angelegenheiten oder zum Schlafen (BAG Urt. v. 11.07.2006 - 9 AZR 519/05).
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Begriff der Arbeitszeit -
43Coaching Day I 8. Februar 2019
Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen, arbeitszeitrechtlichen und
betriebsverfassungsrechtlichen Sinn
• Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinn:
Vergütungsrechtliche Arbeitszeit ist grundsätzlich die Zeitspanne, während der der Arbeit-
nehmer seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit erbringt.
Unerheblich für die Einordnung als vergütungsrechtliche Arbeitszeit ist die Einordnung der
Zeitspanne im arbeitszeitrechtlichen Sinne. Dass eine Zeitspanne vergütungsrechtliche
Arbeitszeit ist, führt nicht dazu, dass es sich automatisch auch um arbeitszeitrechtliche
Arbeitszeit handelt und umgekehrt.
• Arbeitszeit im mitbestimmungsrechtlichen Sinn (BetrVG):
Mitbestimmungsrechtliche Arbeitszeit ist der Zeitraum, in dem die Arbeitnehmer ihre
vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen haben.
Der mitbestimmungsrechtliche Arbeitszeitbegriff ist wegen seines Zwecks (Gewährleis-
tung sinnvoller Arbeitszeit- und Freizeiteinteilung) weit auszulegen. Er kann auch Zeiten
umfassen, die keine Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinn und/oder keine Arbeitszeit
im vergütungsrechtlichen Sinn sind (z.B. Rufbereitschaft ohne enge zeitl. u. örtl. Bindung).
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Begriff der Arbeitszeit -
44Coaching Day I 8. Februar 2019
Reform der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Arbeitnehmer-
entsendung (Richtlinie (EU) 2018/957 v. 28.06.2018)
• Welche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen desjenigen Landes, in welches
Arbeitnehmer entsandt werden ("Aufnahmestaat"), während der Entsendung
gelten, ist derzeit in der EU-Entsenderichtlinie 96/71/EG v. 16.12.1996 geregelt.
• Die Entsenderichtlinie 96/71/EG ordnet keine voll umfassende Geltung des
Rechts des Aufnahmestaates während der Entsendung an, sondern nur die
Geltung bestimmter Regelungen des Aufnahmestaates, z.B.
Mindestlohnvorschriften, Vorschriften über Mindestruhezeiten ("Kern zwingender
Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen")
• Entsandte Arbeitnehmer können daher häufig zu günstigeren Konditionen
eingesetzt werden als vergleichbare lokale Arbeitnehmer.
• Um für die Zukunft Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, ist die bisherige
Entsenderichtlinie durch Verabschiedung der Richtlinie (EU) 2018/957 reformiert
worden, v.a. durch Erweiterung der zwingend während der Entsendung
anwendbaren Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmestaats.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Reform der EU-Entsenderichtlinie -
45Coaching Day I 8. Februar 2019
Reform der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Arbeitnehmer-
entsendung (Richtlinie (EU) 2018/957 v. 28.06.2018)
• Insbesondere folgende Änderungen bei Entsendungen durch die "Reform-RL":
Bereits ab dem ersten Entsendungstag Bindung an sämtliche Vergütungsvorschriften im
Aufnahmestaat (nicht nur an gesetzliche Vorschriften, sondern auch an
allgemeinverbindliche Tarifverträge).
Begrenzung von Entsendung auf 12 Monate; Verlängerung auf 18 Monate auf Antrag
möglich.
Nach Ablauf von 12 Monaten (bzw. 18 Monaten) gelten die gesamten verbindlichen
Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmestaates; ausgenommen sind nur
Vorgaben zur Begründung/Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie die betriebliche
Altersversorgung.
Bei Ablösung eines bereits entsandten Arbeitnehmers durch einen anderen Arbeitnehmer,
der die gleiche Tätigkeit am gleich Ort ausführt, werden die Entsendungsdauern addiert
("keine Umgehung der 12 Monate bzw. 18 Monate durch rollierenden Mitarbeitereinsatz").
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Reform der EU-Entsenderichtlinie -
46Coaching Day I 8. Februar 2019
Reform der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Arbeitnehmer-
entsendung (Richtlinie (EU) 2018/957 v. 28.06.2018)
Der Straßenverkehrssektor wird ebenfalls von der neuen Entsenderichtlinie erfasst
werden, sobald die im sog. Mobilitätspakt der EU enthaltenen sektorspezifischen
Rechtsvorschriften in Kraft treten.
• Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Reform-Richtlinie bis 30.07.2020 in
nationales Recht umsetzen.
• Praxistipp: Rechtzeitig prüfen, ob unternehmensinterne Prozesse und Abläufe
an die Vorgaben des reformierten Entsenderechts angepasst werden müssen.
Die EU-Mitgliedstaaten müssen Informationen über die in ihrem Staatsgebiet
zwingend anzuwendenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen auf einer
einzigen nationalen Website veröffentlichen. Die EU-Kommission veröffentlicht
auf ihrer Webseite wiederum die Adressen der einzelnen nationalen Websites.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Reform der EU-Entsenderichtlinie -
47Coaching Day I 8. Februar 2019
Sozialversicherungsrecht bei Auslandsentsendung / Bindungswirkung
einer A1-Bescheinigung (EuGH, Urt. v. 06.09.2018 – C-527/16)
Ausgangsfall
• Von Januar 2012 bis Februar 2014 erbrachte das in Ungarn ansässige
Unternehmen Martimpex Fleischzerlegungsarbeiten für einen in Österreich
ansässigen Schlachthofbetreiber. Die Arbeiten wurde im Schlachthof in Österreich
von dorthin entsandten Arbeitnehmern erledigt.
• Sowohl vor als auch nach diesem Zeitraum waren Zerlegungsarbeiten von dem
ebenfalls in Ungarn ansässigen Unternehmen Martin-Meat ausgeführt worden.
• Der ungarische Sozialversicherungsträger bestätigte den von Martimpex nach
Österreich entsandten Arbeitnehmern – teilweise auch erst rückwirkend – in "A1-
Bescheinigungen" die Anwendbarkeit ungarischen Sozialversicherungsrechts
während der Entsendung.
• Die österreichischen Sozialversicherungsträger stellten hingegen durch Bescheid
eine Versicherungspflicht der von Martimpex entsandten Arbeitnehmer in
Österreich fest. Gegen diesen Bescheid klagte Martimpex vor Gericht.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Sozialversicherung bei Auslandsentsendung -
48Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des EuGH
• Für Arbeitnehmer, die aus einem EU-Mitgliedstaat in einen anderen EU-
Mitgliedstaat zur Arbeitsleistung entsandt werden, gilt weiterhin das
Sozialversicherungsrecht des entsendenden EU-Mitgliedstaats, sofern:
die Entsendung voraussichtlich nicht länger als 24 Monate dauert und
der entsandte Arbeitnehmer keinen anderen entsandten Arbeitnehmer ablöst.
• Das Ablöseverbot ist arbeitsplatzbezogen. Eine Ablöse liegt auch dann vor, wenn
der bisherige Arbeitnehmer durch den Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers
ersetzt wird.
• Das während der Entsendung geltende Sozialversicherungsrecht wird von dem
Träger desjenigen Mitgliedstaats bescheinigt ("A1-Bescheinigung"), dessen
Sozialversicherungsrecht während der Entsendung gilt.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Sozialversicherung bei Auslandsentsendung -
49Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des EuGH
• A1-Bescheingungen können auch noch während der Entsendung und sogar auch
noch rückwirkend für vergangene Zeiträume ausgestellt werden.
• A1-Bescheingungen haben gegenüber allen europäischen Behörden und
Gerichten Bindungswirkung bis der die A1-Bescheingungen ausstellende
Sozialversicherungsträger sie widerruft oder für ungültig erklärt (einzige
Ausnahmen: Betrug und Rechtsmissbrauch).
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Sozialversicherung bei Auslandsentsendung -
50Coaching Day I 8. Februar 2019
A1-Bescheinigung bei Tätigkeit im EU-Ausland
• A1-Bescheinigung sind für jegliche Personaleinsätze im europäischen Ausland
erforderlich, auch für Dienstreisen mit Dauer von wenigen Stunden.
• Seit 01.01.2019 müssen A1-Bescheinigungen von Arbeitgebern elektronisch bei
den zuständigen deutschen Sozialversicherungsträgern beantragt werden (sofern
während des Auslandseinsatzes deutsches Sozialversicherungsrecht gilt).
• Beantragung von A1-Bescheinigungen bei:
gesetzlicher Krankenversicherung für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer,
Deutscher Rentenversicherung Bund für privat krankenversicherte Arbeitnehmer,
Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungsträger für nicht gesetzliche
krankenversicherte Personen, die aufgrund Mitgliedschaft in berufsständischen
Versorgungseinrichtungen von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung befreit sind.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- A1-Bescheinigung bei Auslandsentsendung -
51Coaching Day I 8. Februar 2019
A1-Bescheinigung bei Tätigkeit im EU-Ausland
• Stellt der zuständige deutsche Sozialversicherungsträger fest, dass deutsches
Sozialversicherungsrecht auch während des Auslandseinsatzes gilt, muss die
elektronische Übermittlung der Daten der A1-Bescheinigung innerhalb von drei
Arbeitstagen an den Arbeitgeber erfolgen.
• Der Arbeitgeber muss die Bescheinigung nach Erhalt unverzüglich ausdrucken
und dem Arbeitnehmer aushändigen (§ 106 Abs. 1 Satz 3 SGB IV).
• A1-"Dauerbescheinigungen" sind möglich, jedoch nicht als "pauschale" zeitlich
unbegrenzte "Dauerbescheinigung".
• A1-"Dauerbescheinigungen" werden nur für einen begrenzten Zeitraum (max. 5
Jahre) bezogen auf konkrete(n) Mitgliedstaat(en) ausgestellt.
• Voraussetzung für eine A1-"Dauerbescheinigung": gewöhnlich (mindestens an
einem Tag im Monat oder 5 Tagen im Quartal) ist in den kommenden 12 Monaten
von Auslandseinsätzen in dem/den konkreten Mitgliedstaat(en) auszugehen
(Prognose!). Die einzelne Auslandseinsätze müssen noch nicht feststehen.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- A1-Bescheinigung bei Auslandsentsendung -
52Coaching Day I 8. Februar 2019
A1-Bescheinigung bei Tätigkeit im EU-Ausland
• Anträge auf Ausstellung von A1-"Dauerbescheinigungen" müssen bei der
Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA ) gestellt
werden.
• In anderen EU-Mitgliedstaaten (in jüngerer Zeit vor allem in Österreich und
Frankreich) erfolgen Prüfungen, ob Arbeitnehmer während Auslandseinsätzen die
notwendigen Papiere mitführen, d.h. auch A1-Bescheinigungen (u.a. ad-hoc-
Kontrollen an Flughäfen, aber auch auf Firmengelände/Montagestellen möglich)
• Falls im Rahmen von Kontrollen die Vorlage einer A1-Bescheinigung nicht
möglich ist, drohen Buß- oder Verwarnungsgelder.
• Die Beantragung von A1-Bescheinigungen erst während oder nach dem
Auslandseinsatz sollte daher nur im absoluten Ausnahmefall erfolgen.
• Denn der Aufwand zur "Beseitigung" von bereits verhängten
Sanktionen/Maßnahmen dürfte regelmäßig größer sein, als der Aufwand für die
Beantragung von A1-Bescheinigungen im Voraus.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- A1-Bescheinigung bei Auslandsentsendung -
53Coaching Day I 8. Februar 2019
A1-Bescheinigung bei Tätigkeit im EU-Ausland
• Praxistipp: Wenn die Ausstellung einer A1-Bescheinigung nicht mehr rechtzeitig
vor dem Auslandseinsatz möglich ist, sollte der Arbeitnehmer zumindest eine
Kopie des Antrags auf Ausstellung der A1-Bescheinigung mitführen damit die
Antragstellung gegenüber ausländischen Stellen nachgewiesen werden kann.
• Praxistipp: Damit eine rechtzeitige Beantragung von A1-Bescheinigungen
möglich ist, sollte durch Aufstellung interner Richtlinien, Prozesse oder Vorgaben
sichergestellt werden, dass Dienstreisen rechtzeitig mitgeteilt werden.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- A1-Bescheinigung bei Auslandsentsendung -
54Coaching Day I 8. Februar 2019
Vergütung für Dauer eines Arztbesuchs während der Arbeitszeit
(LAG Niedersachsen, Urt. v. 08.02.2018 – 7 Sa 256/17)
Ausgangsfall
• Regelmäßige tägliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers von 07:15 Uhr bis 16:15 Uhr.
• Der Arbeitnehmer nahm in der Zeit von 10:15 Uhr bis 11:45 Uhr einen Arzttermin
bei einem Facharzt für Orthopädie war.
• Einen Arzttermin außerhalb seiner Arbeitszeit konnte der Arbeitnehmer aufgrund
der Sprechzeiten des Orthopäden (nur bis 15:00 Uhr) nicht erhalten.
• Für die Zeit des Arztbesuchs (1,5 Stunden) zahlte der Arbeitgeber keine
Vergütung.
• Der Arbeitnehmer forderte daraufhin die Zahlung von Vergütung für die Dauer des
Arztbesuchs. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Manteltarifvertrag für den
Groß- und Außenhandel Niedersachsen sehe die Fortzahlung von Vergütung bis
zu 4 Stunden im Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis vor.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Arztbesuch während der Arbeitszeit -
55Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des LAG Niedersachsen
• Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich versuchen, eine Arbeitsversäumnis
aufgrund von Arztterminen zu vermeiden.
• Hält ein Arzt Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeit ab und sprechen keine
medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, muss der Arbeitnehmer
Sprechstundentermine außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen.
• Nur wenn der Arzt sich auf den Terminwunsch des Arbeitnehmers nach einem
Termin außerhalb der Arbeitszeit nicht einlassen kann oder will, stellt ein
Arztbesuch während der Arbeitszeit eine unverschuldete Arbeitsversäumnis dar.
• Aufgrund der Sprechstunde des Orthopäden nur bis 15:00 Uhr war ein
Arztbesuch für Arbeitnehmer nur innerhalb seiner Arbeitszeit möglich.
• Der Arztbesuch war somit ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis und die Zeit
des Arztbesuchs vom Arbeitgeber zu vergüten Klage erfolgreich!
• Praxistipp: Vergütung für Zeiten von Arztbesuchen nach Möglichkeit abbedingen.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Arztbesuch während der Arbeitszeit -
56Coaching Day I 8. Februar 2019
Haftung des Arbeitgebers bei Grippeschutzimpfung durch Betriebsarzt
(BAG, Urt. v. 21.12.2017 – 8 AZR 853/16)
Ausgangsfall
• Die Arbeitgeberin betreibt ein Herzzentrum (Krankenhaus).
• Bei der Arbeitgeberin freiberuflich beschäftigte Betriebsärzte boten per E-Mail in
eigenem Namen allen Beschäftigten der Arbeitgeberin eine freiwillige
Grippeschutzimpfung während der Mittagszeit im Speisesaal an.
• Die Kosten der Grippeschutzimpfung wurden von der Arbeitgeberin getragen.
• Die Arbeitnehmerin (Tätigkeit als Controllerin) ließ sich impfen.
• Nach der Impfung klagte die Arbeitnehmerin gegen die Arbeitgeberin auf
Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Impfschäden. Im Anschluss an die
Impfung sei es bei ihr zu starken Schmerzen mit erheblicher
Bewegungseinschränkung gekommen, die bis heute andauerten. Eine
Erwerbstätigkeit sei nicht mehr möglich.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Arbeitgeberhaftung für Grippeschutzimpfung -
57Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Es ist kein Vertrag über eine medizinische Behandlung (Grippeschutzimpfung)
zwischen der Arbeitgeberin und der Arbeitnehmerin zustande gekommen,
sondern nur zwischen Arbeitnehmerin und den freiberuflich tätigen Betriebsärzten
Betriebsärzte waren freiberuflich tätig und hatten Grippeschutzimpfung im eigenen Namen
angeboten.
Grippeschutzimpfung war freiwillig und nicht Bestandteil der betriebsärztlichen Aufgaben.
Grippeschutzimpfung im Speisesaal (nicht in Behandlungsraum).
Bloße Übernahme der Kosten durch Arbeitgeberin führt nicht zu Behandlungsvertrag
zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin.
• Rücksichtnahmepflichten aus dem Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB) haben
die Arbeitgeberin nur verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Ärzte mit ausreichender
fachlicher Qualifikation die Impfung durchführen ("ordnungsgemäße Auswahl").
• Kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld Klage erfolglos!
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Arbeitgeberhaftung für Grippeschutzimpfung -
58Coaching Day I 8. Februar 2019
Unwirksamkeit von Ausschlussfristen bei Erfassung von Ansprüchen
auf Mindestlohn (BAG, Urt. v. 18.09.2018 – 9 AZR 162/18)
Ausgangsfall
• Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers vom 01.09.2015 sah folgende Regelung zu
Ausschlussfristen vor:
"Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit
dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb
von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei
schriftlich geltend gemacht worden sind."
• Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.08.2016 forderte der
Arbeitnehmer im Januar 2017 die Abgeltung von 19 Urlaubstagen aus dem Jahr
2016 und machte geltend, der Abgeltungsanspruch sei noch nicht verfallen, da
die Ausschlussfristenregelung unwirksam sei, da sie auch den vertraglich nicht
verzichtbaren Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn erfasse.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Ausschlussfrist / Anspruch auf Mindestlohn -
59Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Die Vereinbarung von Ausschlussfristen für den Anspruch auf gesetzlichen
Mindestlohn ist kraft Gesetzes unwirksam (§ 3 Satz 1 MiLoG).
• Die Klausel im Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers erfasst inhaltlich und sprachlich
alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, d.h. den
Anspruch auf Urlaubsabgeltung, aber auch den Anspruch auf Mindestlohn.
• Da Ausschlussfrist in einem nach Inkrafttreten des Mindestlohns (01.01.2015)
abgeschlossenem Arbeitsvertrag vereinbart wurde, gibt sie die zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses geltende Rechtslage unzutreffend wieder und ist damit
intransparent und insgesamt unwirksam nach den Vorschriften der AGB-Kontrolle.
• Die Unwirksamkeit gilt auch für Ausschlussfristenregelungen in sog. "Altverträgen"
(d.h. vor dem 01.01.2015 abgeschlossene Verträge), die bei Vertragsänderungen
nach dem 01.01.2015 erneut vereinbart oder bestätigt worden sind, z.B. durch die
Regelung: "alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag bleiben
unberührt".
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Ausschlussfrist / Anspruch auf Mindestlohn -
60Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Klauseln in "Altverträgen", die bei Vertragsschluss hingegen transparent waren
und erst aufgrund späterer Gesetzesänderungen intransparent werden (z.B.
durch Inkrafttreten des Mindestlohns zum 01.01.2015), werden aufgrund der
späteren Gesetzesänderung hingegen nicht insgesamt unwirksam, sondern nur
hinsichtlich des – im Nachhinein – unzutreffend erfassten Anspruchs.
• Für eine wirksame Ausschlussfristenregelung hätte der Arbeitsvertrag des
Arbeitnehmers den Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn klar und deutlich von
der Ausschlussfristenregelung ausnehmen müssen, z.B.:
"Die Ausschlussfrist gilt nicht:
(1) für die Haftung aufgrund Vorsatzes,
(2) für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder
(3) für Ansprüche des Arbeitnehmers, die kraft Gesetzes dieser Ausschlussfrist entzogen
sind (z.B. AEntG, MiLoG, BetrVG, TVG)."
• Anspruch nicht verfallen Klage auf Urlaubsabgeltung erfolgreich!
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Ausschlussfrist / Anspruch auf Mindestlohn -
61Coaching Day I 8. Februar 2019
Abmahnung wegen Weigerung der Herausgabe privater Handynummer
regelmäßig unwirksam (LAG Thüringen, Urt. v. 16.05.2018 – 6 Sa 442/17)
Ausgangsfall
• Der Arbeitnehmer war im Gesundheitsamt als Sachbearbeiter im Bereich
Hygiene/Infektionsschutz beschäftigt.
• Für erforderliche Einsätze außerhalb der Dienstzeiten (z.B. Ausbruch
hochinfektiöser Krankheiten, Probleme mit Trinkwasser, Belastung von Wasser in
Schwimmbädern und Badeseen) bestand aus Kostengründen nur an Samstagen,
Sonntagen, Feiertagen und Brückentagen eine Rufbereitschaft in der Zeit
zwischen 19:01 Uhr und 06:59 Uhr.
• Für die Rufbereitschaftszeiten wurde ein Diensthandy zur Verfügung gestellt.
• Außerhalb der Dienst- und Rufbereitschaftszeiten sollte versucht werden,
irgendeinen der 7 im Bereich Hygiene/Infektionsschutz tätigen Arbeitnehmer unter
seiner privaten Handynummer zu erreichen.
• Nachdem der Arbeitnehmer die Herausgabe seiner Handynummer verweigerte,
mahnte ihn der Arbeitgeber hierfür ab.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Abmahnung wegen Fehlverhaltens -
62Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des LAG Thüringen
• Die Pflicht zur Herausgabe der privaten Handynummer an den Arbeitgeber stellt
einen äußerst schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Arbeitnehmers dar.
• Die Pflicht zur Herausgabe der privaten Handynummer an den Arbeitgeber ist
aufgrund der Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Arbeitnehmers datenschutzrechtlich regelmäßig unzulässig.
• Der Arbeitnehmer muss seine private Handynummer nur an den Arbeitgeber he-
rausgeben, wenn der Arbeitgeber ohne Kenntnis der Handynummer im konkreten
Einzelfall eine Aufgabe, für die der Arbeitnehmer eingestellt ist, nicht, nicht voll-
ständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann und dem Arbeitgeber eine
andere Organisation der Aufgabenerfüllung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
• Die Aufgabenerfüllung des Arbeitgebers wäre hier auch auf andere Weise als
durch Anruf unter der privaten Handynummer möglich und zumutbar gewesen
(Einrichtung durchgehender Rufbereitschaft und Zurverfügungstellung eines
Diensthandys) Abmahnung unwirksam!
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Abmahnung wegen Fehlverhaltens -
63Coaching Day I 8. Februar 2019
Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei freiwilliger anonymer
Mitarbeiterbefragung (BAG, Beschl. v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16)
Ausgangsfall
• Die Arbeitgeberin betreibt ein Universitätsklinikum.
• Im Jahr 2015 führte die Arbeitgeberin eine anonyme freiwillige
Mitarbeiterbefragung durch.
• Für die Mitarbeiterbefragung wurden an die Mitarbeiter Fragebögen in Papierform
übermittelt. Die Fragebögen enthielten verschiedene Themenkomplexe, z.B. "Ihre
Arbeitsumgebung", "Ihre Arbeitsbedingungen" und "Krankenhausleitung und
Mitarbeitervertretung".
• Der Betriebsrat machte geltend, die Mitarbeiterbefragung unterliege deshalb
seiner Mitbestimmung, da es sich bei der Mitarbeiterbefragung um eine
mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes und bei dem
verwendeten Fragebogen um einen mitbestimmungspflichtigen
Personalfragebogen handele.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Mitbestimmung des Betriebsrats -
64Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Die freiwillige anonyme Mitarbeiterbefragung ist keine nach § 87 Abs. 1 Nr. 7
BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes:
Die Befragung erfolgt ohne konkreten Anlass auf Gefährdungen oder Handlungsbedarf im
Arbeitsschutz. Eine solche wäre für ein Mitbestimmungsrecht jedoch Voraussetzung.
Die Befragung erfolgt anonym und ermöglicht keine Rückschlüsse auf Arbeitsbedingungen
an bestimmten Arbeitsplätzen. Die Befragung ist daher auch keine mitbestimmungspflich-
tige Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 ArbSchG.
• Bei dem verwendeten Fragebogen hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht
nach § 94 BetrVG.
Das Ausfüllen des Fragebogens erfolgt anonymisiert und ist absolut freiwillig. Es besteht
kein Risiko für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer.
Das dem Schutz des Persönlichkeitsrechts bei Verwendung von Personalfragebögen
dienende Mitbestimmungsrecht ist daher nicht einschlägig.
• Dem Betriebsrat steht bei der Mitarbeiterbefragung kein Mitbestimmungsrecht zu.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Mitbestimmung des Betriebsrats -
65Coaching Day I 8. Februar 2019
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Auflistung von An- und
Abwesenheitszeiten in einer Excel-Tabelle (BAG, Beschl. v. 23.10.2018 –
1 ABN 36/18)
Ausgangsfall
• Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus. Die Anwesenheit des Personals wird
nicht durch Zeiterfassungssysteme festgehalten.
• Bis Anfang des Jahres 2016 wurden bei der Arbeitgeberin händische
Anwesenheitslisten geführt und Kürzel für verschiedene Tatbestände verwendet,
z.B. "X" für Anwesenheit, "K" für krank und "U" für Urlaub.
• Die Arbeitgeberin beschloss, dass die Anwesenheitszeiten statt in händischen
Anwesenheitslisten künftig in Excel-Tabellen erfasst werden sollen (ebenfalls
wieder unter Verwendung von Kürzeln).
• Der Betriebsrat machte vor Gericht geltend, er habe bei der Einführung der
Erfassung von Anwesenheitszeiten mittels Excel-Tabellen ein zwingendes
Mitbestimmungsrecht.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Mitbestimmung des Betriebsrats -
66Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Der Betriebsrat hat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Einführung
und Anwendung technischer Einrichtungen (u.a. Software), die dazu bestimmt
sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87
Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
• "Überwachen" ist sowohl das Sammeln von Informationen als auch das
Auswerten von bereits vorliegenden Informationen.
• Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht bereits, wenn die "technische
Einrichtung" die objektive Möglichkeit zur Überwachung der Arbeitnehmer bietet.
• Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht somit auch bei "alltäglicher
Standardsoftware" wie Microsoft Excel, wenn diese so verwendet wird, dass sie
die objektive Möglichkeit zur Überwachung von Arbeitnehmern bietet.
• Eine "Geringfügigkeitsschwelle" unterhalb der das Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats nicht eingreift, besteht nicht Das vom Betriebsrat geltend
gemachte Mitbestimmungsrecht war daher gegeben!
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Mitbestimmung des Betriebsrats -
67Coaching Day I 8. Februar 2019
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Betrieb eines Twitter-
Accounts durch den Arbeitgeber (LAG Hamburg, Beschl. v. 13.09.2018 –
2 TaBV 5/18)
Ausgangsfall
• Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit insgesamt 30 Kinos. Für alle Kinos
unterhält die Arbeitgeberin einen einzigen Twitter-Account.
• Antworten von angemeldeten Twitter-Nutzern auf Tweets der Arbeitgeberin sind
auf ihrem Twitter-Account sowie grundsätzlich für alle angemeldeten Twitter-
Nutzer sichtbar. Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin, kann nur Twitter selbst
löschen, nicht jedoch die Arbeitgeberin.
• Die Twitter-Funktionen "Antwort" kann die Arbeitgeberin selbst weder aktivieren
noch deaktivieren.
• Der Gesamtbetriebsrat machte geltend, die Arbeitgeberin hätte vor
Inbetriebnahme des Twitter-Accounts zwingend die Zustimmung des Betriebsrats
einholen müssen, und verlangte die sofortige Schließung der Twitter-Seite.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Mitbestimmung des Betriebsrats -
68Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des LAG Hamburg
• Mit der Nutzung eines eigenen Twitter-Accounts mit der dazugehörigen Twitter-
Seite bietet die Arbeitgeberin ihren Kunden eine Plattform, sich über ihr
Unternehmern und ihre Mitarbeiter öffentlich zu äußern.
• Von Kunden auf Twitter eingestellte Antworten zum Verhalten und zur Leistung
von Arbeitnehmern der Arbeitgeberin sind sowohl für die Arbeitgeberin als auch
grundsätzlich für registrierte Twitter-Nutzer sichtbar.
• Sofern die Antworten entsprechende Aussagen beinhalten, kann die Arbeitgeberin
diese namentlich oder situationsbedingt einem bestimmtem Arbeitnehmer
zuordnen und zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwenden.
• Der Twitter-Account der Arbeitgeberin (einschl. dazugehöriger Twitter-Seite) ist
somit bereits aufgrund der "Antwort"-Funktion eine technische Einrichtung, die zur
Überwachung der Leistung und der Verhaltens der Arbeitnehmer "bestimmt" ist.
• Der Arbeitgeber hätte vor Inbetriebnahme des Twitter-Accounts zwingend die
Zustimmung des Gesamtbetriebsrat einholen bzw. ersetzen lassen müssen.
Durchführung des Arbeitsverhältnisses
- Mitbestimmung des Betriebsrats -
69Coaching Day I 8. Februar 2019
Hinausschieben der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei
Erreichen der Regelaltersgrenze (BAG, Urt. v. 19.12.2018 – 7 AZR 70/17)
Ausgangsfall
• Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers enthielt eine Regelung, nach der das
Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersrente in der gesetzlichen
Rentenversicherung endet.
• Am 20.01.2015 (d.h. wenige Tage vor Erreichen der Regelaltersgrenze am
31.01.2015) vereinbarten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass das
Arbeitsverhältnis erst am 31.07.2015 endet.
• Am 04.03.2015 vereinbarten Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Erhöhung der
wöchentlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers.
• Der Arbeitnehmer berief sich vor Gericht darauf, die Vereinbarung über das
Hinausschieben des Endes seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, sodass
sein Arbeitsverhältnis nicht am 31.07.2015 ende.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Hinausschieben des Beendigungszeitpunks -
70Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Bei Vorliegen einer Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen
der Regelaltersgrenze endet, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch
Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt ohne
weitere Voraussetzungen (ggf. mehrfach) hinausschieben (§ 41 Satz 3 SGB VI).
• Die Regelung des § 41 Satz 3 SGB VI über das Hinausschieben des
Beendigungszeitpunkts ohne weitere Voraussetzungen ist wirksam. Sie verstößt
nicht gegen europäisches Recht (EuGH, Urt. v. 28.02.2018 – C-46/17).
• Die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts ist vor
dem Erreichen der Regelaltersgrenze getroffen worden (20.01.2015).
• Die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts ist auch
nicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die Erhöhung der Arbeitszeit.
getroffen worden (6 Wochen zeitliche Differenz) Klage erfolglos!
• Praxistipp: In Vereinbarungen über das Hinausschieben des Beendigungszeit-
punkts keine weiteren Änderungen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Hinausschieben des Beendigungszeitpunks -
71Coaching Day I 8. Februar 2019
Datenschutzrechtlich zulässige Auswertung von Aufzeichnungen aus
offener Videoüberwachung (BAG, Urt. v. 23.08.2018 – 2 AZR 133/18)
Ausgangsfall
• Die Arbeitnehmerin war in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit
angeschlossener Lottoannahmestelle beschäftigt.
• In dem Tabak- und Zeitschriftenhandel war eine offene Videoüberwachung
installiert.
• Als der Arbeitgeber im dritten Quartal 2016 einen Fehlbestand bei den
Tabakwaren bemerkte, wertete er im August 2016 die Videoaufzeichnungen aus.
• Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Arbeitnehmerin an zwei Arbeitstagen im
Februar 2016 Kundengelder nicht in die Registrierkasse gelegt hatte.
• Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos. Die Arbeitneh-
merin berief sich darauf, die Auswertung der Aufzeichnungen sei unzulässig ge-
wesen. Die Kündigung könne nicht auf die Aufzeichnungen gestützt werden.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Verhaltensbedingte Kündigung -
72Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Die Videoaufzeichnungen aus der datenschutzrechtlich zulässigen offenen
Videoüberwachung durfte der Arbeitgeber datenschutzrechtlich auch noch bis
August 2016 speichern und aus Anlass seines Verdachts auswerten.
• Der Arbeitgeber durfte alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um
seine Darlegungs- und Beweislast in einem etwaigen Rechtsstreit um die
Kündigung und/oder das Bestehen von Schadensersatzansprüche zu erfüllen.
• Auch im August 2016 konnte der Arbeitgeber noch arbeitsrechtliche Sanktionen
ergreifen und etwaige Schadensersatzansprüche geltend machen.
• Weder musste der Arbeitgeber die Aufzeichnungen unverzüglich ungesehen
löschen, noch musste er sie unverzüglich ohne konkreten Verdacht komplett
auswerten.
• Die verdachtsabhängige Auswertung der Aufzeichnungen der Videoüberwachung
durch den Arbeitgeber im August 2016 war datenschutzrechtlich zulässig (nach
"altem" und nach "neuem" Datenschutzrecht (Art. 6 Abs. 1 UA. 1 lit. f.) DS-GVO).
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Verhaltensbedingte Kündigung -
73Coaching Day I 8. Februar 2019
Zeitpunkt der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor
Ausspruch einer Kündigung (BAG, Urt. v. 13.12.2018 – 2 AZR 378/18)
Ausgangsfall
• Die Arbeitnehmerin ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
• Dezember 2016: Die Arbeitgeberin beantragte beim Integrationsamt die
Zustimmung zur Kündigung der Arbeitnehmerin.
• 20.02.2017: Das Integrationsamt erteilte seine Zustimmung zur Kündigung.
• 07.03.2017 bzw. 15.03.2017: Die Arbeitgeberin hörte den Betriebsrat und die
Schwerbehindertenvertretung zur Kündigung der Arbeitnehmerin an.
• 24.03.2017: Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2017.
• Die Arbeitnehmerin machte geltend, die Kündigung sei unter anderem deswegen
unwirksam, weil die Schwerbehindertenvertretung nicht rechtzeitig angehört
worden sei.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Beteiligung d. Schwerbehindertenvertretung -
74Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen oder eines einem
schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Menschen ist ohne
ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam
(§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
• Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung über die Kündigung eines
schwerbehinderten Menschen oder eines einem schwerbehinderten Menschen
gleichgestellten Menschen unverzüglich zu unterrichten, sie vor einer Kündigung
anzuhören und ihr die getroffene Entscheidung (insbes. Kündigungsentschluss)
unverzüglich mitzuteilen (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX).
• Entgegen dem Gesetzeswortlaut ist die Kündigung eines schwerbehinderten
Menschen oder eines einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten
Menschen jedoch nicht deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die
Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht
unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht
unverzüglich mitgeteilt hat.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Beteiligung d. Schwerbehindertenvertretung -
75Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Entscheidend für die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung ist nur, ob die
Schwerbehindertenvertretung zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Ausspruch der
Kündigung über die Kündigungsabsicht unterrichtet, angehört und über die
Entscheidung des Arbeitgebers (Kündigungsentschluss) informiert worden ist.
• Für den Inhalt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und die Dauer der
Frist für eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung gelten die
Vorgaben und Fristen für die Anhörung des Betriebsrats entsprechend (§ 102
BetrVG).
• Praxistipp: Unterrichtung, Anhörung und Information der
Schwerbehindertenvertretung bei Existenz eines Betriebsrats nach Möglichkeit
(Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte) parallel zur Anhörung des Betriebsrats
durchführen.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Beteiligung d. Schwerbehindertenvertretung -
76Coaching Day I 8. Februar 2019
Urlaubsabgeltung bei nicht erfolgter Aufforderung des Arbeitgebers zur
Inanspruchnahme von Urlaub (EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-684/16)
Ausgangsfall
• Der Arbeitnehmer war vom 01.08.2001 bis 31.12.2013 bei der Arbeitgeberin
beschäftigt.
• Mit Schreiben vom 23.10.2013 bat die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer, noch nicht
genommenen Urlaub (53 Urlaubstage) bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am
31.12.2013 zu nehmen. Der Arbeitnehmer nahm daraufhin 2 Tage Urlaub.
• Mit Schreiben vom 23.12.2013 forderte der Arbeitnehmer die Abgeltung von 51
Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013 (insgesamt EUR 11.979,00 brutto).
• Das Bundesarbeitsgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob der Urlaub des
Arbeitnehmers abzugelten sei, obwohl der Arbeitnehmer in der Lage gewesen sei,
seinen Urlaub bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses "in natura" zu nehmen, und
die Arbeitgeberin ihn auch darum gebeten hatte, seinen Urlaub zu nehmen.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Aufforderung zum Urlaubsantritt -
77Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des EuGH
• Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nicht zu Inanspruchnahme von Urlaub
zwingen (kein "Zwangsurlaub").
• Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer jedoch in die Lage versetzen, seinen
Urlaubsanspruch wahrzunehmen, indem er den Arbeitnehmer konkret und in
völliger Transparenz:
auffordert – erforderlichenfalls förmlich – den ihm zustehenden Urlaub zu nehmen und
dem Arbeitnehmer rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende
des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird.
• Die Beweislast für die Aufforderung zur Inanspruchnahme von Urlaub und die
Mitteilung über den Verfall von Urlaub am Ende des Bezugszeitraums bzw.
Übertragungszeitraums trägt der Arbeitgeber.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Aufforderung zum Urlaubsantritt -
78Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des EuGH
• Nimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufforderung und Mitteilung
keinen Urlaub, steht Europarecht einem Verfall des Urlaubsanspruchs gem. § 7
Abs. 3 BUrlG am Ende des Bezugs- bzw. Übertragungszeitraums nicht entgegen.
• Ein Verfall von Urlaub am Ende des Bezugs- bzw. Übertragungszeitraums ohne
Aufforderung und Mitteilung des Arbeitgebers alleine deshalb, weil der
Arbeitnehmer lediglich keinen Urlaub beantragt hat (so die bisherige
Rechtsprechung des BAG zu § 7 Abs. 3 BUrlG), ist hingegen für den
europarechtlich zwingenden Mindesturlaub (4 Wochen pro Kalenderjahr)
europarechtswidrig und damit unwirksam.
• Praxistipp: Für jedes Urlaubsjahr rechtzeitige Aufforderung der Arbeitnehmer zur
Inanspruchnahme von Urlaub (so rechtzeitig, dass der Urlaub noch tatsächlich
genommen werden kann) und Erteilung eines Hinweises auf den Verfall des
Urlaubs. Darüber hinaus ausdrückliche Regelung zum Verfall übergesetzlichen
Urlaubs am Jahresende treffen.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Aufforderung zum Urlaubsantritt -
79Coaching Day I 8. Februar 2019
Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden
Arbeitsverhältnis (BAG, Urt. v. 22.01.2019 – 9 AZR 45/16)
Ausgangsfall
• Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers endete durch dessen Tod im laufenden
Arbeitsverhältnis.
• Zum Zeitpunkt seines Todes hatte der Arbeitnehmer noch Anspruch auf Urlaub in
Höhe von 25 Tagen (bestehend aus gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub).
• Die Ehefrau des verstorbenen Arbeitnehmers verlangte vom Arbeitgeber die
Abgeltung von 25 Urlaubstagen in Höhe von insgesamt EUR 5.857,75 brutto. Der
Anspruch auf Urlaubsabgeltung stehe ihr als Erbin ihres verstorbenen
Ehemannes zu.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Urlaubsabgeltung im Todesfall -
80Coaching Day I 8. Februar 2019
Entscheidung des BAG
• Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen
werden kann, ist abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
• Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG setzte ein Urlaubsabgeltungsanspruch
der Erben voraus, dass der Arbeitnehmer das Ende des Arbeitsverhältnisses
"überlebt", da der Abgeltungsanspruch nur in diesem Fall vererbt werden konnte.
• Der EuGH hatte auf Vorlage des BAG jedoch entschieden, dass bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers der zum Zeitpunkt des
Todes noch nicht genommene Urlaub abzugelten ist und der Abgeltungsanspruch
auf die Erben des Arbeitnehmers übergeht (EuGH, Urt. v. 06.11.2018 – C-569/16
und C-570/16).
• Bei der gebotenen europarechtskonformen Auslegung von § 7 Abs. 4 BUrlG war
der Abgeltungsanspruch daher auf die Erbin übergegangen Klage erfolgreich!
• Praxistipp: Abgeltung übergesetzlichen Urlaubs vertraglich ausschließen bzw.
prüfen, ob vererbte Ansprüche bereits verfallen sind (Ausschlussfristen!).
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Urlaubsabgeltung im Todesfall -
81Coaching Day I 8. Februar 2019
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82Coaching Day I 8. Februar 2019
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Coaching Day I 8. Februar 2019