CHEM - NEWS XVIII
A4 Titel Neu_Umwelt.qxd 01.06.2004 11:21 Uhr Seite 2
CHEM – NEWS XVIII
IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Copyright: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Alle Rechte vorbehalten ISBN 3-902338-92-x Gesamtkoordination: Mag. Dr. Thomas Jakl, Leiter der Abteilung V/2 – Stoffbezogener Umweltschutz, Chemiepolitik, Risikobewertung und Risikomanagement, Stubenbastei 5, 1010 Wien
April 2009
CHEM - NEWS XVIII
aktuelle
stoffpolitische Schwerpunkte des BMLFUW -
Abteilung für stoffbezogenen
Umweltschutz - Chemiepolitik (Abteilung V/2, April 2009)
Die aktuelle und frühere Ausgaben der Chem - News sind auch unter folgender Adresse im Internet verfügbar: umwelt.lebensministerium.at/umweltnet Bereich Chemie/Chemnews
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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INHALTSVERZEICHNIS
EDITORIAL: DIE NATUR „VERBESSERN“ – WAS SAGT DER HAUSVERSTAND?___________ 7
1. EU-RECHTSMATERIEN ________________________________________________ 12 1.1 REACH nach der Vorregistrierung – die nächsten Schritte ______________________ 12
1.2 Stoffbeschränkungen durch REACH - eine Analyse ____________________________ 18
1.3 Die Gremien der ECHA – eine erste Bilanz ___________________________________ 21
1.4 Mehr Informationen über besorgniserregende Stoffe in Produkten_______________ 30
1.5 Endgültiger Ausstieg aus Ozon abbauenden Stoffen ___________________________ 35
2. INTERNATIONALE CHEMIEPOLITIK _______________________________________ 37
2.1 Vorschau betreffend die 2. Internationale Konferenz zu Chemikalienmanagement ICCM II___________________________________________ 37
2.2 Vorschau COP IV Stockholm _______________________________________________ 40
2.3 Vertragsstaatenkonferenz Montreal Protokoll ________________________________ 46
2.4 Internationales Quecksilber Abkommen – die Geburt einer neuen Konvention _____ 49
3. NATIONALES STOFFRECHT ____________________________________________ 52
3.1 Novelle zur Chemikalienverordnung ________________________________________ 52
4. AKTUELLE ENTWICKLUNGEN ___________________________________________ 56
4.1 RUSCH - Ressourcenpotenzial und Umweltbelastung der Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber in Österreich_____________________________________ 56
4.2 Nanotechnologie – österreichischer Aktionsplan im Plan?_______________________ 65
4.3 IFCS Forum VI – Substitutionsschwerpunkt, Ergebnisse und follow up ____________ 67
4.4 The Role of Science in Precautionary Decision-Making, 30th and 31st March 2009, Rückblick auf den Internationalen Workshop in Wien__________________________ 74
5. ÖSTERREICHISCHE CHEMIKALIENINSPEKTION ______________________________ 79
5.1 Überwachungsschwerpunkt in den Bundesländern 2008, Einhaltung der Bestimmungen betreffend Nickel (Ein Resümee)_________________ 79
5.2 Das Sicherheitsdatenblatt gemäß der REACH-Verordnung ______________________ 82
5.3 Der Vollzug der Verordnung über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien vom 17.6.2008, (EG) 689/2008 ______________________ 86
5.4 Dr. Rudolf Aigner - ein Nachruf von Thomas Jakl _____________________________ 90
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Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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EDITORIAL Von Thomas Jakl
DIE NATUR „VERBESSERN“ – WAS SAGT DER HAUSVERSTAND?
Österreich kann nach der Entscheidung im Umweltrat seine
Gentechnikverbote aufrecht erhalten. Was steckt hinter der Skepsis
der Österreicherinnen und Österreicher gegenüber der Gentechnik und
anderen Trends? Ist es einfach dumpfe Technologiefeindlichkeit oder
steckt da mehr dahinter?
Die von renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestaltete –
übrigens hochinformative - Internet–Plattform „Dialog Gentechnik“ wählt zum
Thema „Biotechnologie“ folgenden Einstieg:
„Rote und grüne Biotechnologie sind für viele Menschen heute gängige Begriffe.
Erstere versucht, biotechnologische Methoden für die Medizin nutzbar zu machen;
letztere beschäftigt sich mit der Veränderung von Pflanzen mit dem Ziel, deren
Eigenschaften zu verbessern oder sie mit ganz neuen Eigenschaften auszustatten.“
Eine Technologie soll also Eigenschaften von Pflanzen verbessern. Welchen
Ansprüchen genügen sie denn nicht – diese Pflanzeneigenschaften, dass sie
verbesserungsbedürftig sind? Nun wohl in erster Linie denen der produzierenden
und verarbeitenden Industrie – denn sie ist es ja, die von herbizid- oder schädlings-
resistenten Nutzpflanzen profitiert, da sicherere und höhere Erträge erwartet
werden dürfen oder die Verarbeitung vereinfacht wird, respektive höherwertige
Produkte hervorbringt und so die Wertschöpfung erhöht.
Aus Industriesicht nachvollziehbar ist es daher, wenn der Leiter der Abteilung für
Nahrungsmittelwissenschaft eines weltweit führenden Konzerns im „Spiegel“–
Interview unverblümt feststellt: „Wir verbessern die Natur“. Trotzdem – so der
Forschungschef desselben Unternehmens in diesem Interview: „Wir werden in
Europa kein Genfood vermarkten. Wenn es der Konsument nicht will, werde ich es
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ihm nicht servieren“. Wie? Da verbessert man Pflanzeneigenschaften oder
verbessert gar die Natur und kaum kommt die Gentechnik ins Spiel, wollen die
Leute das dann gar nicht? Kann nicht sein. Ist aber so und zwar deutlich. EU-weit
finden gentechnisch hergestellte Nahrungsmittel nur in knapp mehr als einem
Viertel der Bevölkerung Unterstützung.
Österreich und die Gentechnik – ein gespanntes Verhältnis
Wie denken denn nun Herr und Frau Österreicher über die Segnungen der Gen- und
Biotechnologie in ihren einzelnen Anwendungsfeldern. Sehr aufschlussreich sind in
diesem Zusammenhang die Aussagen einer aktuellen Eurobarometer–Studie.
Die Unterstützung für gentechnisch veränderte Nahrung (GV–Nahrung) ist hier-
zulande noch deutlich schwächer als im EU–Durchschnitt. Nun ist eines offensicht-
lich: Die KonsumentInnen und Konsumenten haben von den zurzeit durchgeführten
gentechnischen Manipulationen im Nahrungsmittelbereich so gut wie keinen
Vorteil. Dass sich das rasch ändern könnte, wenn GV–Nahrung etwas billiger,
gesünder, ärmer an Pestizidrückständen, umweltverträglicher oder in besonderer
Weise behördlich genehmigt wäre, machen die Resultate ebenfalls deutlich. Träfen
alle diese fünf Aspekte zu – das Blatt in ganz Europa würde sich wenden und
gentechnisch veränderte Nahrungsmittel stießen mehrheitlich auf Unterstützung
denn auf Ablehnung. In ganz Europa? Nein! Ein kleines Land in seinem Herzen hörte
auch unter diesen Umständen nicht auf, der Gentechnologie Widerstand zu leisten.
Selbst unter aus gentechnologischer Sicht paradiesischen Zuständen, dass alle fünf
Bedingungen zuträfen und diese Produkte derart klare Vorteil böten: Österreich
mag sie einfach nicht.
Nun gut, könnte man einwenden – vielleicht fühlt man in Österreich eine besonders
große Unsicherheit – fühlt sich vielleicht nicht ausreichend informiert… . Auch nicht
wahr: generell fühlt man sich bei uns recht sicher und vertraut mit Begriffen wie:
Genmanipulierte Nahrung, Gen-Therapie oder Nanotechnologie. Nur 4 Länder
weisen hier bessere Werte auf als Österreich. Ja – aber was ist mit der „weißen
Biotechnologie“ also die industrielle Biotechnologie, welche die Herstellung
verschiedenster Produkte (Chemikalien, Pharmawirkstoffe, Hilfsstoffe für die
verarbeitende Industrie, etc.) im Fokus hat. In diesen Zweig werden ja große
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Hoffnungen gesetzt – von den Biotreibstoffen über Biokunststoffe bis hin zu
Pflanzen als Großproduzenten für Pharmazeutika und Medizinprodukte. Da kann
man doch jetzt praktisch gar nicht mehr dagegen sein. Also wenigstens in diesem
Segment zur Produktion von Substanzen für medizinische Anwendungen sollte die
öffentliche Meinung doch den Einsatz von gentechnologischen Eingriffen in das
Erbmaterial von Pflanzen stützen. Tut sie auch. In ganz Europa. Na ja in fast ganz
Europa, wenn man es genau nimmt. Richtig: Einzig Österreich lehnt die Gentech-
nologie auch für diesen Bereich ab.
Österreich – ein Land der notorischen Skeptiker?
Also doch: Bei diesem seltsamen Bergvolk herrscht generelle Technologie-
Feindlichkeit, Modernisierungsverweigerung und Fundamentalopposition gegen
jedweden Fortschritt - nach dem Motto „atomfrei“, „genfrei“ „nanofrei“. Nein, so
einfach machen wir es uns zum Glück nicht - zumal diese drei Sinnlosslogans ja
auch eine lebens- und materiefreie Welt bedingen würden. Zweifelsohne hat
unsere Ablehnung der Nutzung von Kernenergie schon einen Stellenwert in der
Identitätsstiftung der österreichischen Nation, dass sich Sängerknaben und
Lipizzaner warm anziehen müssen - hinsichtlich der Anwendung von Nanotech-
nologie etwa liegt Österreich im guten europäischen Mittelfeld, was die Akzeptanz
betrifft. Nun sind die Anwendungsformen der Nanotechnologie (in der Oberflächen-
eigenschaften dominieren und quantenphysikalische Effekte verstärkt in den
Vordergrund treten) extrem vielfältig und in vielen Fällen auch mit unmittelbaren
Vorteilen für Konsumentinnen und Konsumenten verknüpft. Etwa Möbeloberflächen
- durch Nanostrukturen wasserabweisend gemacht, superschnelle Quanten-
computer, Werkstoffe mit Nanoausrüstung, die je nach Temperatur reversibel
getrennt und vereint werden können, mit intelligenten Nanostrukturen und
Chemikalien ausgerüstet, Sportunterwäsche, die Schweißgeruch unterbindet und
vieles mehr. Vielfach unbestreitbar nützliche Anwendungen denen ein noch sehr
schwer fassbares Risiko (mögliche Zelltoxizität, Gesundheitsgefährdungen analog
der Feinstaubproblematik etc.) gegenübersteht. Vor allem aber wird Nanotechno-
logie offenbar als nicht derartig invasiv und ethisch bedenklich empfunden wie der
mit der Gentechnologie verbundene Eingriff in das Erbmaterial– der Eingriff in den
Code des Lebens.
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Wie halten wir es mit der Moral?
Die ethische Komponente etwa erweist sich in Österreich als besonders stark
verwurzelt. 70 % unserer Landsleute sind beispielsweise gänzlich oder überwiegend
der Auffassung, dass schon ab dem Zeitpunkt der Befruchtung einer menschlichen
Eizelle von einem menschlichen Wesen zu sprechen ist. Eine Rate, die lediglich von
Griechenland und Zypern übertroffen wird, deren Bevölkerung sich überwiegend
zum griechisch-orthodoxen Glauben bekennt. Auch über Folgerisiken gendiagnosti-
scher Methoden etwa macht sich die österreichische Bevölkerung mehr Gedanken
als sonst jemand in der EU – nur jede(r) 5. Österreicher(in) würde den Behörden
freiwillig Zugriff zu personenbezogenen genetischen Daten gestatten – während
etwa in Spanien weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung dazu bereit ist.
Welche Motive sollen nun vor diesem Hintergrund die Basis für staatliches Handeln
bilden? Hier dominiert EU – weit das Grundprinzip, dass dieses Handeln sich als
Umsetzung wissenschaftlicher Überlegungen und Befunde zu begreifen habe.
Governance wird also in der EU dominierend als Vollzug wissenschaftlicher
Erkenntnis empfunden. Nur untergeordnete Bedeutung haben im EU-Maßstab die
moralisch-ethische Beurteilung durch Expertengremien oder moralisch-ethisch
fundierte Prozesse in welche auch die Bevölkerung unmittelbar eingebunden ist.
Nicht so in Österreich, das in diesem Fragenkomplex ganz deutliche Konturen
abseits vom europäischen Mainstream entwickelt. Hier sieht man die Umsetzung
wissenschaftlicher Erkenntnisse und die moralisch-ethische Bewertung unter
Miteinbeziehung der Bevölkerung als nahezu gleichberechtigte Komponenten zur
Steuerung des staatlichen Handelns während EU weit der wissenschaftlichen
Komponente ein viermal höheres Gewicht beigemessen wird.
Ist dies nichts anderes als die Übersetzung des österreichischen Grantler- und
Nörglertums in Misstrauen in die Wissenschaft? Ich denke, diese Befunde sprechen
eine andere Sprache – eine Sprache des Selbstbewusstseins und der Erfahrung.
Einerseits fühlen sich die Österreicherinnen und Österreicher sicher in ihren
Meinungen und sind auch der Ansicht, diese aus gutem Grund zu vertreten. Man hat
hierzulande wohl gelernt, dass sich Prophezeiungen und Verheißungen, welche die
Einführung neuer Technologie begleiten, oft nur zum Teil bewahrheiten und dass
der Preis, der letztendlich zu bezahlen ist – die Folgekosten in Form von Umwelt-
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und Gesundheitsrisiken - selten im Vorfeld korrekt erfasst und abgeschätzt wird.
Zum anderen legt man Wert darauf, sich seine eigene Meinung zu bilden und liefert
sich nicht blind den Expertengremien aus, sondern besteht in gewissem Sinne
darauf, selbst klar gemacht zu gekommen, was die konkreten Chancen und Risiken
einer neuen Technologie sind.
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1. EU-RECHTSMATERIEN
1.1 REACH nach der Vorregistrierung – die nächsten Schritte Materie:
Am 1. Dezember 2008 endete die Phase der Vorregistrierung bei der europäischen
Chemikalienagentur (ECHA). Durch die Vorregistrierung konnten Unternehmen, die
Phase-in-Stoffe (sprich: Altstoffe) importieren oder herstellen, den Rechtsanspruch
erwerben, die in der REACH-Verordnung vorgesehenen Registrierfristen zu nutzen.
Die Zahl der Vorregistrierungen lag mit ca. 2,75 Millionen weit über den erwarteten
Werten und hat die ECHA, bei der diese Daten zusammenlaufen, vor erhebliche
EDV-technische Probleme gestellt. Durch einen entsprechenden Einsatz von Perso-
nalressourcen konnte die Vorregistrierung schließlich erfolgreich abgeschlossen
werden. Ein guter Zeitpunkt, eine Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf die
nächsten Schritte zu geben.
Ergebnisse der Vorregistrierung
Die Vorregistrierung musste elektronisch über das REACH-IT-Portal vorgenommen
und dabei folgende Angaben gemacht werden (Art. 28 (1)):
• Stoffname
• Name und Adresse der Firma und einer Kontaktperson
• Vorgesehener Mengenbereich und Registrierfrist
• Namen ähnlicher Stoffe, die für die Anwendung von QSAR- oder Analogie-
betrachtungen relevant sein können
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die erfolgten Vorregistrierungen, gegliedert
nach der nationalen Herkunft der einreichenden Firmen. Als Vorregistrierung gilt
jeweils die Meldung eines bestimmten Stoffes von einem bestimmten Unterneh-
men.
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Abbildung 1: Statistik der Vorregistrierungen (Quelle: ECHA)
Die bei weitem meisten Vorregistrierungen stammen aus Deutschland, gefolgt von
Großbritannien, Frankreich und Polen. Österreich hat mit knapp 35.500
Vorregistrierungen einen Anteil von ca. 1,3 %. Von den europaweit etwa 65.000
vorregistrierenden Firmen wurden insgesamt ungefähr 146.000 Stoffe eingereicht.
Diese Stoffe können über eine von der ECHA veröffentlichten Datenbank eingese-
hen werden1. Diese Information ist allerdings wenig aussagekräftig, da einige
Firmen das System missbraucht und das gesamte EINECS2-Inventar sowie auch alle
sogenannten NLP3-Stoffe gemeldet haben, obwohl davon auszugehen ist, dass sie
nur wenige dieser Stoffe tatsächlich registrieren werden. Nicht zuletzt diese
Überstrapazierung hat zu einer Überlastung des IT-Systems geführt und nicht nur
dem EDV-Team der ECHA, sondern auch den Betrieben, die ihre Vorregistrierungen
ordnungsgemäß über REACH-IT einreichen wollten, enorme Schwierigkeiten
bereitet. Angesichts dieser Probleme hat die ECHA am letzten Tag der Einrei-
chungsfrist (1. Dezember 2008) auch Übermittlungen per e-mail akzeptiert (insge-
1 http://apps.echa.europa.eu/preregistered/pre-registered-sub.aspx#rowsCOunt 2 EINECS = European Inventory of Existing Chemical Substances 3 NLP = No longer Polymers; siehe http://ecb.jrc.ec.europa.eu/esis/index.php?PGM=nlp
4493
7435
7975
1891
3113
5607
1201
2992
080
7297
3
4403
839
760
3669
735
494
3053
624
477
1481
814
394
1048
410
295
9323
7546
5189
4641
4430
4063
3375
2613
27690
156
20758
548
881835
0
200000
400000
600000
800000
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samt betraf dies etwa 1000 Vorregistrierungen), die bis Mitte Dezember 2008
nachträglich in das REACH-IT übergeführt wurden.
Die Abbildung 2 gibt einen statistischen Überblick über die aufgrund der gemelde-
ten Stoffmengen vorgesehenen Registrierfristen. Danach müssen Registrierungs-
dossiers für ca. ein Fünftel der Stoffe bis zur ersten Registrierfrist, dem
1. Dezember 2010, und für die Hälfte der Stoffe bis 1. Juni 2013 bei der ECHA
eingereicht werden.
Abbildung 2: Registrierfristen (%-Angaben beziehen sich auf Stoffe,
Quelle: ECHA)
Die vollständigen Informationen über die Vorregistrierungen sind vorerst nur der
ECHA verfügbar, werden aber voraussichtlich ab März/April 2009 auch den zustän-
digen Behörden der Mitgliedstaaten für ihre Vollzugsaufgaben zur Verfügung
stehen.
Derzeitige Problemstellung:
Die REACH-Verordnung sieht in Artikel 29 vor, dass alle Vorregistranten, alle
Hersteller oder Importeure von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, die als
registriert gelten (Artikel 15) sowie alle Firmen, die bereits registriert haben, für
den betreffenden Stoff ein „Substance Exchange Information Forum“ (SIEF) bilden.
Dieses dient vor allem dem Austausch von Informationen über Studienergebnisse
(Artikel 10a, vi. und vii.), um die Mehrfachdurchführung von Studien zu vermeiden.
2010, 22%
2013, 47% 2018, 31%
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Ein SIEF-Teilnehmer muss, bevor er neue Studien durchführt, abklären, ob solche
Daten zur Verfügung stehen und muss diese Daten jedenfalls dann heranziehen,
wenn es sich um Versuche an Wirbeltieren handelt.
Mit der Vorregistrierung eines Stoffes ist automatisch die Teilnahme der betreffen-
den Firma an einem „pre-SIEF“ verbunden, einer von der ECHA zur Verfügung
gestellten IT-Plattform, in der jeder Teilnehmer die Informationen über die
anderen Vorregistranten des betreffenden Stoffes erfahren kann. Die folgende
Abbildung gibt einen statistischen Überblick über die Zahl der Teilnehmer in pre-
SIEFs. Für ca. 30.000 Stoffe hat nur jeweils ein Unternehmen vorregistriert.
Abbildung 3: statistischer Überblick über die Anzahl der Teilnehmer in pre-SIEFs
Strategie:
Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass zahlreiche Eintragungen fehlerhaft sind,
z.B. aufgrund der Angabe eines (irrtümlich) falschen Namens. Solche Fehlangaben
können unter anderem dazu führen, dass sich Firmen im „falschen SIEF“ befinden.
91344353219810
3951 2112 1825 987226
110
21
10
100
1000
10000
100000
1-910
-2425
-4950
-7475
-99
100-1
99
200-4
99
500-9
99
1000
-4999
>500
0
number of participants in a pre-SIEF
num
ber o
f pre
-SIE
Fs
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Es ist daher im Interesse aller Beteiligten, dass solche Fehler im Rahmen der SIEF-
Bildung möglichst rasch behoben werden. Die ECHA unterstützt diese Fehlersuche4.
Die Organisierung der SIEFs ist nicht Aufgabe der ECHA, sondern der Unternehmen
selbst. Die REACH-Verordnung gibt auch nicht vor, in welcher Rechtsform dies zu
erfolgen hat (z.B. durch Bildung von Konsortien). Die ECHA bietet jedoch eine logis-
tische Unterstützung, indem zum Beispiel die Möglichkeit im REACH-IT geboten
wird, dass sich eine Firma freiwillig die Koordinationsfunktion als „SIEF formation
facilitator“ übernimmt. Alle SIEF-Teilnehmer sind verpflichtet, anderen Teilneh-
men auf Anfrage Auskunft zu geben und bestehende Studien zur Verfügung zu
stellen. Liegen erforderliche Studien nicht vor, dann muss im SIEF eine Einigung
darüber erfolgen, wer den Versuch durchführt, wie die Kosten aufgeteilt und die
Informationen ausgetauscht werden. Weigert sich der Eigentümer einer bestehen-
den Studie, diese bekannt zu geben, dann hat dies zur Folge, dass er keine
Registrierung durchführen kann. Nach Ablauf eines Jahres kann die ECHA beschlie-
ßen, dass diese Studie – von einer anderen Firma des SIEF - wiederholt wird, wobei
sich auch die erste Firma an den Kosten beteiligen muss.
Es gibt bisher keine Erfahrungen, ob und wie gut dieser in der REACH-Verordnung
vorgesehene SIEF-Prozess ablaufen wird. Der Erfolg wird zweifellos stark vom
Engagement der beteiligten Unternehmen abhängen. Der Europäische Chemie-
verband CEFIC stellt eine eigene REACH-Plattform zur Verfügung5 und bietet neben
verschiedenen Leitfäden6 auch ein spezielles IT-Tool7 an. Bei jenen SIEFs, die aus
vielen Teilnehmern bestehen, ist vorgesehen, diesen je nach deren konkreter
Interessenslage verschieden Rollen zuzuordnen – vom führenden SIEF-Mitglied bis zu
jenem, das voraussichtlich gar keine Registrierung durchführen wird, weil es unter
eine der Ausnahmebestimmungen (z.B. Artikel 2.7c, 2.7d, 6(3) und 7(6)) fällt – und
dadurch eine Fokussierung der Diskussion auf wenige besonders interessierte
Teilnehmer zu erreichen.
4 Vor Ablauf der Frist für die Vorregistrierung wurden etwa 9000 Fälle von möglichen
Namensfehlern durch die ECHA per e-mails geprüft, für 17.000 Stoffe wurde beim CAS nachgefragt, ob die korrekten Namen/Synonyme angegeben wurde. Diese Prüfungen werden laufend fortgesetzt.
5 http://www.reachlink-eu.com/ 6 Siehe zum Beispiel die von CEFIC veröffentlichten REACH Industry Preparation Letters 7 https://www.siefreach.com/wps/portal
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Es obliegt auch und vor allem der ECHA, durch ein optimal funktionsfähiges
REACH-IT System, einen reibungslosen Ablauf dieser Prozesse sicherzustellen,
wofür sich die österreichischen Vertreterinnen und Vertreter in den Gremien der
ECHA nachhaltig einsetzen.
Internet:
• ECHA-Info zur Vorregistrierung: http://echa.europa.eu/pre-registration_de.asp
• ECHA-Leitfäden: http://guidance.echa.europa.eu/
• Österreichischer REACH-Helpdesk: www.reachhelpdesk.at
• REACH-Portal der WKÖ: http://wko.at/REACH
Ansprechpartner:
Dr. Martin Wimmer
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 18
1.2 Stoffbeschränkungen durch REACH - eine Analyse
Materie:
Unter der früheren europäischen Chemikaliengesetzgebung wurden Beschränkungen
und Verbote des Inverkehrsetzens und Verwendens von gefährlichen Chemikalien
im Rahmen der Richtlinie Nr. 76/769/EG („Verbotsrichtlinie“) eingeführt. Für den
Fall, dass ein neuer Stoff in die dortige Liste aufgenommen werden sollte, war die
Erlassung einer neuen Richtlinie zur Änderung der Verbotsrichtlinie erforderlich.
Das damit verbundene Mitentscheidungsverfahren nahm in der Regel mehrere Jahre
in Anspruch.
Mit der neuen EU-Chemikaliengesetzgebung wird der Rechtsbestand der alten
Verbotsrichtlinie mit nur wenigen Änderungen als Anhang XVII in die REACH-Verord-
nung aufgenommen, und zwar am 1. Juni 2009. Ab diesem Zeitpunkt hat dieser
daher nicht mehr Richtlinien-, sondern Verordnungscharakter. Künftige Änderungen
sind also nicht mehr in nationales Recht umzusetzen, sondern haben direkte
Gültigkeit und sind in den Mitgliedstaaten zu vollziehen.
Zukünftig können Beschränkungen unter REACH dann erlassen werden, wenn
entweder ein Mitgliedstaat oder die ECHA (auf Veranlassung der Kommission) ein
entsprechendes Dossier gemäß Anhang XV erstellt, falls es angebracht erscheint,
Risikoreduktion auf europäischer Ebene zu betreiben. Dieses Anhang XV-Dossier hat
Angaben über Gefahren und Risiken, Informationen über Alternativen und Begrün-
dungen für Beschränkungen auf Gemeinschaftsebene zu enthalten. Es kann auch
eine sozioökonomische Bewertung enthalten. Das Dossier soll als Entscheidungs-
grundlage für entsprechende Entscheidungen der Kommission geeignet sein. Wie
bisher sollen aktuell eingestufte CMR (KEF-krebserzeugend, erbgutverändernd,
fortpflanzungsgefährdend) – Stoffe ohne vorherige Erstellung eines Anhang XV-
Dossiers für die allgemeine Öffentlichkeit verboten werden. In allen anderen Fällen
befassen sich bei der Agentur 2 Komitees mit dem Dossier: das Komitee für Risiko-
bewertung (Committee for Risk Assessment) und das Komitee für Sozioökonomische
Analyse (Committee for Socioeconomic Analysis). Die Bewertungsergebnisse dieser
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beiden Komitees dienen als Entscheidungsgrundlage für die Kommission in Hinblick
auf Verbots- oder Beschränkungsvorschläge.
Derzeitige Problemstellung:
Der bisher geltende Anhang wurde in Hinblick auf folgende Aspekte überarbeitet:
• Aufgrund der Tatsache, dass es sich in Hinkunft um eine EU-Verordnung
handelt, mussten die Richtlinienbestimmungen legistisch stringenter – i.e.
als inhaltlich bestimmte Normen für einen generellen Adressatenkreis -
formuliert werden. So war es z.B. erforderlich, Sätze wie „Die Mitglied-
staaten wenden diese Bestimmung ab 1. Jänner 2010 an“ zu streichen und
das Datum an geeigneter Stelle im verbliebenen Text einzufügen.
• In Fällen, in denen es nicht mehr erforderlich war, spezielle Ausnahmebe-
stimmungen für einzelne Mitgliedstaaten aufrecht zu erhalten, wurden diese
gestrichen. Dies ist beispielsweise der Fall bei polychlorierten Terphenylen
(PCT).
• Abgelaufene Fristen (für Reviews etc.) wurden ebenfalls eliminiert.
• Auch wurden etliche Bestimmungen gestrichen, die sich auf andere Rechts-
materien bezogen, insbesondere auf das Abfallrecht, wo nicht nur die
Verbringung von Abfällen, sondern punktuell auch der Gehalt an bestimmten
gefährlichen Stoffen (wie toxischen Schwermetallen) in Fertigwaren geregelt
ist (z.B. Batterien, Elektronische Geräte, Leuchtstofflampen etc.).
• Persistente Organische Verbindungen (POPs) wurden aus dem Anhang heraus-
genommen, weil sie durch die EG-Verordnung über persistente organische
Schadstoffe umfassend (hinsichtlich Herstellung, Inverkehrbringen und
Verwendung) geregelt wurden (bekanntestes Beispiel: Polychlorierte
Biphenyle = PCB).
• Der Anhang wurde ferner in Bezug auf verschiedene Formulierungen verein-
heitlicht, die aufgrund seiner ursprünglichen Entstehung (aus einzelnen
Richtlinien) darin enthalten waren.
• Schließlich waren einige Korrekturen im Bereich fachlicher Details, wie den
Stoffbezeichnungen, erforderlich.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 20
• Zitate alter Richtlinien wurden im Zuge dieser Überarbeitung ebenfalls
angepasst.
Einige Absätze dieses Anhanges wurden bis zuletzt kontroversiell diskutiert, wobei
vor allem eine noch verbliebene letzte Verwendung von Asbest in einem Industrie-
sektor (Chloralkalielektrolyse von Kochsalz) für Debatten sorgte.
Letztlich konnte beim Treffen der zuständigen Behörden am 20. Februar 2009 eine
Einigung der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten erzielt werden – und
damit der Weg für den modifizierten Anhang XVII endlich frei gegeben werden.
Strategie:
Mit Inkrafttreten des Anhangs XVII von REACH wird die Aufhebung sämtlicher
nationaler Regelungen erforderlich, die früher zur Umsetzung der entsprechenden
EG-Richtlinien erlassen wurden, sofern diese keine Umsetzung von sog. Ermächti-
gungsklauseln bzw. Verpflichtungen für die MS (vgl. Etablierung von Meldeverpflich-
tungen) enthalten. Auf nationaler Ebene bleiben jene Regelungen erhalten, die
außerhalb des von der EU erlassenen harmonisierten Rechtsbestandes im Bereich
der Verbote und Beschränkungen liegen.
Verhandlungspartner:
Verhandlungspartner für zukünftige neue Beschränkungsmaßnahmen sind auf
nationaler Ebene primär die Wirtschaft bzw. das Wirtschaftsministerium, im
Bereich der europäischen Gemeinschaft die im Komitologieverfahren involvierten
Institutionen.
Ansprechpartner:
Dr. Raimund Quint
Mag. Franz Weinberger
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1.3 Die Gremien der ECHA – eine erste Bilanz
Materie:
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) wurde im Jahre 2007 durch die REACH
Verordnung Nr. 1907/2006 geschaffen und hat die Aufgabe, die Registrerung,
Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe zu verwalten. Sie
besteht aus einem Verwaltungsrat, einem Direktor mit einem ihm unterstehenden
Sekretariat, drei Ausschüssen, einem Forum und einer Widerspruchskammer. Im
Folgenden werden die bisherigen Arbeiten und Erfahrungen in diesen Gremien
beschrieben.
Derzeitige Problemstellung:
Die ECHA ist zentrale europäische Anlaufstelle für die Daten der europäischen
Unternehmen, die sie zu beurteilen und zu verwalten hat. Sie veröffentlicht hierzu
entsprechende Empfehlungen und orientierende Leitfäden. Über ihre Ausschüsse
wirkt die ECHA an den einzelnen in der REACH-Verordnung detailliert festgelegten
Funktionen im Rahmen von Verfahrensabläufen - zum Beispiel der Dossier- und
Stoffbewertung, der Beschränkung oder der Zulassung - mit. Die Aufgaben der
einzelnen Gremien der ECHA sind in Titel X der REACH-Verordnung detailliert
festgelegt.
Strategie:
Organigramm der ECHA und REACH-IT
Der Mitarbeiterstab des Direktors besteht derzeit aus etwa 220 Personen und
gliedert sich nach derzeitigem Stand (Februar 2009) in vier Untereinheiten, die für
die Themengebiete „Kooperation“, „Bewertung“, „Registrierung und IT“ und
„Ressourcen“ zuständig sind (vgl. Abbildung 3).
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 22
Abbildung 4: Organigramm der ECHA
Der Aufbau des für die Datenverwaltung erforderlichen EDV-Systems REACH-IT
stellte im vergangenen Jahr zweifellos die größte Herausforderung für die ECHA
dar. Die Abbildung 2 zeigt eine schematische Übersicht über die vorgesehenen
Funktionalitäten von REACH-IT. Danach soll die gesamte Kommunikation der ECHA
mit den europäischen Unternehmen, den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten
und der breiten Öffentlichkeit über REACH-IT abgewickelt werden. Die Installierung
dieses Systems ist längst noch nicht abgeschlossen, immer wieder traten und treten
Komplikationen auf, die unter anderem zu Verzögerungen und Zeitverzug führen,
der besonders seitens der Wirtschaft heftig kritisiert wird. Durch entsprechende ad-
hoc Lösungen und verstärkten Personaleinsatz konnte immerhin die Phase der
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Vorregistrierung erfolgreich abgeschlossen werden8. Der Vollzugang der Mitglied-
staaten zu REACH-IT soll bis April 2009 bewältigt werden.
Abbildung 5: Vorgesehene Funktionalitäten von REACH-IT
Der Verwaltungsrat
Der Verwaltungsrat (Management Board) ist das oberste Entscheidungsgremium der
ECHA. Er beschließt (im Einvernehmen mit der Kommission) Arbeitsprogramme,
Personalplanungen und Budgets der ECHA, bestimmt ihre(n) Exekutivdirektor(in)
und auch die Mitglieder der Widerspruchskammer. Das Management Board befindet
zudem über die personelle Zusammensetzung sowie prozeduralen Geschäfts-
ordnungen der Ausschüsse der ECHA. Die strategischen Grundsatzentscheidungen
zur generellen Ausrichtung der ECHA unterliegen dem Management Board innerhalb
des von der REACH VO definierten Mandats. Dieses Gremium hat demnach
Aufgaben, die einem "Aufsichtsrat" eines Unternehmens sehr nahe kommen. Jedes
EU-Mitgliedsland ist durch eine Person vertreten, die EU-Kommission entsendet
drei, das EU-Parlament zwei Mitglieder (mit Stimmrecht). Darüber hinaus ist je
ein(e) Repräsentant(in) der Industrie, der Umweltverbände und der Arbeit-
8 siehe dazu auch den Beitrag „REACH nach der Vorregistrierung“
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nehmer(innen)verbände vertreten. Ein eigenes Sekretariat der ECHA betreut den
Verwaltungsrat, dessen Vorsitz seit September 2008 vom Leiter der chemie-
politischen Abteilung des BMLFUW (Dr. Thomas Jakl) geführt wird.
Die drei Ausschüsse der ECHA
Die drei für die Entscheidungsprozesse der ECHA maßgeblichen Ausschüsse sind:
• Mitgliedstaatenausschuss (MSC)
• Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC)
• Ausschuss für sozioökonomische Fragen (SEAC)
Die Mitglieder dieser Ausschüsse werden aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen
von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen und vom Verwaltungsrat ernannt. Im MSC ist
ein Vertreter pro Mitgliedstaat vorgesehen, in RAC und SEAC bis zu zwei Vertreter.
Den Vorsitz in den Ausschüssen stellt die ECHA. Nähere Informationen über
Aufgaben, personelle Besetzung, Termine und Ergebnisse der Sitzungen finden sich
auf der Website der ECHA9. In den ersten Sitzungen der Ausschüsse standen admi-
nistrative Aspekte und allgemeine Fragen zur Entscheidungsfindung (z.B.
Geschäftsordnung) im Vordergrund. Im Laufe des Jahres 2008 wurden zunehmend
auch inhaltliche Aufgaben in Angriff genommen. Die Tagungen der Ausschüsse
finden in Helsinki statt.
Der Mitgliedstaatenausschuss MSC hat eine wesentliche Entscheidungsfindung zu
Entwürfen im Rahmen der Stoffbewertung sowie bei Vorschlägen zur Ermittlung von
besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHC). Er besteht aus 27 Mitgliedern
(jeweils ein Mitglied pro Mitgliedstaat), bis zu fünf weiteren Experten und dem
Sekretariat, das den Vorsitz stellt. Der österreichische Vertreter im MSC ist
Dr. Stessel10.
Im Jahr 2008 beschäftigte sich der MSC insbesondere mit Arbeitsmethoden zur
Beurteilung von SVHC und mit der Prüfung von Testvorschlägen. Ein weiterer
Schwerpunkt war die Behandlung von Stellungnahmen und Einsprüchen zu SVHC-
Dossiers nach Anhang XV. Der MSC hatte insbesondere über folgende fünf 5 SVHC zu
9 Informationen über die Ausschüsse der ECHA:
http://echa.europa.eu/about/organisation/committees_en.asp 10 siehe http://www.umweltnet.at/article/archive/24934
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entscheiden: C10-13- Chloralkane (SCCP), Hexabromcyclododekan (HBCDD),
Anthrazen, 5-Tert-butyl-2,4,6-trinitro-m-xylen (Moschusxylen) und Cyclododekan.
Vier der vorgeschlagenen Stoffe wurden nach Diskussion der von den Mitglied-
staaten eingereichten Zulassungsdossiers in die Kandidatenliste aufgenommen, für
einen Stoff (Cyclododekan) waren nicht genügend Informationen für eine Aufnahme
in die Liste vorhanden. Zusätzlich zu den vier genannten Stoffen wurden weitere
11 Stoffe als SVHC in die Kandidatenliste ohne größere Diskussion aufgenommen, da
im öffentlichen Konsultationsverfahren entweder keine Einwände geäußert wurden
(Triethylarsenat) oder keine Kommentare abgegeben wurden, die eine substan-
zielle Änderung der eingereichten Daten erfordert hätten.
Am 14. Jänner 2009 veröffentlichte die ECHA einen Entwurf für die Aufnahme von
acht dieser Kandidatenstoffe für den Anhang XIV auf ihrer Website11, darunter
unter anderem die drei Weichmacher Dibutylphthalat (DBP), Bis(2-
ethyl(hexyl)phthalat) (DEHP) und Benzylbutylphthalat (BBP). Diese Auswahl
erfolgte nach den Priorisierungskriterien der ECHA (vgl. Artikel 57 (3)) auf
Grundlage der verfügbaren Informationen zu den inhärenten Eigenschaften, der
Verwendung und möglichen Freisetzung und der Tonnagen.
Mit der Publikation dieses Vorschlags leitete die ECHA einen öffentlichen Konsul-
tationsprozess bis 14. April 2009 ein. Danach ist es Aufgabe des MSC unter Berück-
sichtigung der eingegangenen Kommentare eine Stellungnahme abzugeben. Für
DEHP hat der österreichische Vertreter (Dr. Stessel) die Funktion des Rapporteurs
übernommen.
Der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) unterstützt die ECHA bei der Meinungs-
bildung hinsichtlich der Bewertung des Risikos, das von der Verwendung von Stoffen
für den Menschen bzw. die Umwelt ausgeht. Im Ausschuss werden insbesondere
jene Verwendungen von Stoffen beurteilt, für die um Zulassung angesucht wird.
Dabei werden auch die entsprechenden Risiko-Management-Maßnahmen, welche
Teil des Zulassungsantrags sind, berücksichtigt. Eine weitere Aufgabe des Ausschus-
ses ist die Evaluierung von Beschränkungsanträgen für Stoffe und deren Verwen-
dungen, wobei geprüft wird, ob die empfohlenen Beschränkungen das geeignete
11 Siehe http://www.echa.europa.eu/chem_data/candidate_list_en.asp
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Instrument zur Verminderung des Risikos darstellen. Etwaige Risiken, die von alter-
nativen Stoffen und Technologien ausgehen könnten, werden hier ebenfalls berück-
sichtigt und bewertet. Schließlich bewertet der Ausschuss auch Vorschläge zur
harmonisierten Einstufung von Stoffen als kanzerogen, mutagen oder reproduk-
tionstoxisch (Kategorien 1-3), oder als inhalationsallergen (fallweise können auch
andere Eigenschaften bewertet werden, wenn Bedarf für eine gemeinschaftsweite
Harmonisierung besteht).
Der RAC hat neben den Dossiers, welche von den Mitgliedstaaten oder der ECHA
(Beschränkung, Einstufung) bzw. der Industrie (Zulassung, Einstufung noch nicht
harmonisiert eingestufter Stoffe) erstellt werden, auch die Kommentare interes-
sierter Parteien (öffentliche Kommentierung) zu berücksichtigen.
Alle Mitgliedstaaten, mit Ausnahme von Malta, haben Mitglieder nominiert, wobei
12 Länder, darunter auch Österreich, je 2 Vertreter benannten. Ein Mitglied
stammt aus Norwegen, da beschlossen wurde Vertreter aus den EEA-Ländern als
volle Mitglieder aufzunehmen. Somit ergibt sich eine Gesamtzahl von
30 Mitgliedern, deren Expertise in verschiedenen Bereichen der Risikobewertung
und des Risikomanagements liegt. Viele Mitglieder haben mehrjährige Erfahrung in
der Bewertung von Chemikalien und waren, oder sind bereits in anderen
vergleichbaren Gremien tätig (SCOEL, SCHER/CSTEE, TCNES oder TC C&L). Bei
Bedarf werden fünf weitere permanente Mitglieder nominiert werden. Es wurde
außerdem beschlossen, dass Vertreter von 15 verschiedenen Stakeholder-
Organisationen als Beobachter an den Treffen teilnehmen können. Die
eingeladenen Organisationen vertreten Konsumentenschutz, Handel, Kleine- und
Mittelunternehmen (KMU), Wissenschaft, sowie Tier - und Umweltschutz. Synergien
mit internationalen Gremien wie OECD, EFSA, EMEA oder SCOEL, die ebenfalls mit
Risikobewertung befasst sind, sollen genutzt werden. Die fixe Teilnahme eines
Vertreters der OECD an den RAC-Meetings ist ebenfalls vorgesehen, da ein starker
sachlicher Zusammenhang mit OECD-Programmen zu Methodik und Ergebnissen der
Risikobewertung HPV-Programm besteht – seit 1990 wurden in der OECD 788 Stoffe
bewertet. Eine enge Zusammenarbeit des RAC ist mit dem Ausschuss für
Sozioökonomische Analysen (SEAC) vorgesehen, da in beiden Ausschüssen die
gleichen Dossiers (Beschränkung/Zulassung) bewertet werden. Eine RAC-SEAC-
Arbeitsgruppe wurde gegründet, in der Vertreter aus beiden Ausschüssen an der
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Koordinierung der Arbeitsabläufe arbeiten. Für Österreich sind Frau Dr. Annemarie
Losert und Herr Dr. Erich Pospischil im RAC vertreten12.
Nachdem mittlerweile die ersten Einstufungsdossiers der Mitgliedstaaten bei der
ECHA eingelangt sind, wurden Rapporteure und Co-Rapporteure für die einzelnen
Dossiers ernannt und die Bewertungsarbeit aufgenommen. Im Laufe des kommen-
den Jahres wird auch mit den ersten Beschränkungsdossiers gerechnet.
Der Ausschuss für sozio-ökonomische Analyse (SEAC) erarbeitet die Stellung-
nahmen der ECHA zu Zulassungsanträgen, Vorschlägen für Beschränkungen sowie zu
allen weiteren sozioökonomischen Fragestellungen aus. Im Rahmen eines
Zulassungsverfahrens werden die sozioökonomischen Faktoren, die mit der Verwen-
dung eines Stoffes in Zusammenhang stehen, sowie die Verfügbarkeit, Angemessen-
heit und technische Machbarkeit von alternativen Stoffen und/oder Technologien
bewertet. Die von einem Mitgliedsstaat oder der ECHA im Auftrag der Europäischen
Kommission im Rahmen eines Beschränkungsverfahrens eingereichten Dossiers
werden im Hinblick auf die sozio-ökonomische Auswirkungen bewertet. Die
Kommentare von interessierten Parteien zu den eingereichten Zulassungen bzw.
Beschränkungen - z.B. in Form einer eigenen sozio-ökomischen Analyse - sind zu
beurteilen und zu kommentieren.
Der SEAC hat derzeit 32 Mitglieder, die bei Bedarf von Beratern begleitet werden
können. Es besteht auch die Möglichkeit auf Antrag der Ausschussmitglieder oder
des Verwaltungsrates, Stakeholder als Beobachter zu den Sitzungen einzuladen. Für
spezielle Fragestellungen können eigene Arbeitsgruppen eingerichtet werden.
Österreich wird im SEAC durch Frau Mag. Simone Fankhauser und Herrn Dr. Stephan
Schwarzer vertreten13. Bisher wurden zwei Sitzungen abgehalten. Eine interimisti-
sche Arbeitsgruppe befasst sich mit der Erstellung eines Schulungs- bzw. Trainings-
plans und der Entwicklung von Lösungsansätzen zur Bewältigung der Aufgaben des
SEAC. Auch die Teilnahme von Stakeholdern wurde diskutiert. Einen weiteren
Themenschwerpunkt bildete die Frage der Arbeitsweise in Bezug auf zukünftig
einlangende Beschränkungsdossiers und die Arbeitsplanung für die Jahre 2008 und
2009.
12 http://www.umweltnet.at/article/archive/24934 13 http://www.umweltnet.at/article/archive/24934
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Das Forum der ECHA
Das Forum ist für koordinierende Aufgaben bei der Durchsetzung der REACH-
Verordnung – die in den Aufgabenbereich der Mitgliedstaaten fällt - zuständig. Es
besteht aus 27 Mitgliedern (jeweils ein Mitglied pro Mitgliedstaat), einem
Sekretariat und bis zu fünf weiteren Experten, die bei Bedarf aufgenommen
werden können. Der Vorsitzende wird aus den Mitgliedern gewählt, derzeit hat
diese Aufgabe die deutsche Vertreterin im Forum inne. Österreich ist im Forum
durch Herrn Dr. Gernot Wurm vertreten14.
Das Forum hat folgende Aufgaben:
• Verbreitung bewährter Verfahren und Problemanalyse
• Entwicklung harmonisierter Durchsetzungsprojekte und Inspektionen
• Koordinierung des Austauschs von Inspektoren
• Ermittlung von Durchsetzungsstrategien
• Entwicklung von Arbeitsmethoden und Hilfsmitteln für die Inspektoren
• Entwicklung eines Verfahrens für den elektronischen Informationsaustausch
• erforderlichenfalls Kontaktaufnahme mit Industrie und KMU, einschlägiger
internationaler Organisationen und anderen interessierten Kreisen
• Prüfung von Vorschlägen für Beschränkungen bzgl. Durchsetzbarkeit
• Mitwirkung bei den Berichtsvorgaben für die Mitgliedstaaten
In bisher drei Sitzungen wurden neben der Klärung administrativer und organisato-
rischer Fragen vor allem mehrere Arbeitsgruppen eingesetzt, in denen folgende
Themen bearbeitet werden:
• Entwicklung von Mindestkriterien für Inspektionen
• Datenzugang zu REACH-IT für Inspektoren
• Entwicklung eines Systems für den elektronischen Informationsaustausch
(Diskussion über den Einsatz des ICSMS15 für Vollzugsbelange)
• Durchführung eines koordinierten Überwachungsprojekts zur Registrierung,
Vorregistrierung und Sicherheitsdatenblättern
14 http://www.umweltnet.at/article/archive/24934 15 ICSMS: Internet supported Information and Communication System fort he Pan-European Market
Surveillance of Technical Products
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• Vorbereitung eines weiteren Durchsetzungsprojektes im Jahr 2010
Ein weiteres wichtiges Diskussionsthema bildet auch die Vernetzung und Zusam-
menarbeit mit anderen Institutionen, die Regelungs- und Überwachungsaufgaben
für Chemikalien haben, wie beispielsweise SLIC16, IMPEL17, CLEEN18 oder Zollbehör-
den. Mit der SLIC-CHEMEX-Arbeitsgruppe, die sich 2009/2010 den Schwerpunkt
„Chemical Risk Management at Workplace“ gesetzt hat, wurde eine gemeinsame
Arbeitsgruppe gebildet.
Die Widerspruchskammer
Die Widerspruchskammer ist ein aus zwei Mitgliedern und einem Vorsitzenden
bestehendes Gremium, das Einsprüche gegen Entscheidungen der ECHA (nach
Artikel 91) prüft und beurteilt. Vorsitzender und Mitglieder der Widerspruchs-
kammer werden vom Verwaltungsrat ernannt, die erforderlichen Qualifikationen
wurden mit der Kommissionsverordnung (EG) Nr. 238/200719 festgelegt. Das
Bestellungsverfahren für Mitglieder der Widerspruchskammer ist noch nicht
gänzlich abgeschlossen. Ihre Funktion ist dadurch nicht beeinträchtigt.
AnsprechpartnerInnen:
Dr. Martin Wimmer (Abt. V/2)
Dr. Thomas Jakl (Abt. V/2)
Dr. Annemarie Losert (Umweltbundesamt)
Mag. Simone Fankhauser (Umweltbundesamt)
Dr. Gernot Wurm (Amt der Kärntner Landesregierung)
Dr. Helmut Stessel (Amt der Steiermärkischen Landesregierung)
16 SLIC: Senior Labour Inspectors Committee 17 IMPEL: Implementation and Enforcement of Environmental Law 18 CLEEN: Chemicals Legislation European Enforcement Network 19 http://echa.europa.eu/appeals/board_of_app/board_app_compos_en.asp
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1.4 Mehr Informationen über besorgniserregende Stoffe in Produkten seit Oktober 2008
Materie:
Enthält mein T-Shirt oder das Spielzeug meiner Kinder besorgniserregende
Chemikalien? Muss ich bei der Entsorgung meines alten Mobiltelefons oder
Computers spezielle Dinge beachten? Setzt mein Lieferant ohne mein Wissen
besorgniserregende Stoffe ein und sind daher Verkaufseinbrüche bei meinem
Produkt (= Erzeugnis) zu befürchten?
Dieser zentralen Fragen hat sich die neue Chemikalien-Verordnung REACH
angenommen: seit Oktober 2008 müssen Hersteller/Importeure an den
„Empfänger“ ihrer Produkte (dazu zählt unter bestimmten Umständen auch der/die
Konsument/in) Informationen über im Produkt enthaltene besonders besorgnis-
erregende Stoffe zur Verfügung stellen. Ab dem Jahr 2011 gilt unter bestimmten
Umständen sogar eine weiterreichende Informationspflicht an die Europäische
Chemikalienagentur ECHA („Notifizierungspflicht“). Produzenten in der EU und
Importeure aus Drittstaaten unterliegen hierbei denselben Regeln.
Derzeitige Problemstellung:
Ein vorrangiges Ziel von REACH ist die verstärkte Verpflichtung zur Weitergabe von
Daten in der sogenannten „Lieferkette“. Damit sollen Chemikalien (Einzelstoffe,
deren Gemische und - jetzt neu - auch chemikalienhaltige Erzeugnisse wie z.B.
Textilien, Elektronikgeräte, Einrichtungsgegenstände, Kinderspielzeug etc. sicherer
gemacht werden (Reduktion der Exposition von Mensch/Umwelt bzw. in weiterer
Folge Substitution besonders gefährlicher Stoffe).
Welche Stoffe in Erzeugnissen lösen Informationspflichten aus?
Eine besondere Bedeutung hat die sogenannte Kandidatenliste für zulassungspflich-
tige Stoffe (SVHC - Substances of Very High Concern) gemäss REACH Artikel 5920.
Eine erste Version der Liste wurde im Oktober 2008 von der Chemikalienagentur
20 SVHC-Kandidaten-Liste: http://echa.europa.eu/chem_data/candidate_list_en.asp
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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ECHA veröffentlicht (15 Stoffe) und soll laufend ergänzt werden. Das Aufscheinen
eines Stoffes auf der Kandidatenliste zieht Informationspflichten für Stoffe als
solche und Stoffe in Gemischen (z.B. Sicherheitsdatenblatt) aber insbesondere auch
für Erzeugnisse mit sich. Allerdings sind derzeit erst 15 von schätzungsweise
insgesamt mehreren hundert weltweit existierenden, besonders besorgnis-
erregenden Stoffen auf der Kandidatenliste zu finden. Eine Reihe von Nichtregie-
rungsorganisationen kritisieren diesen Umstand und haben eine Liste mit allen
Stoffen, die ihrer Meinung nach „besonders besorgniserregend“ sind, publiziert
(z.B. SIN-Liste 21).
Informationspflichten in der Lieferkette allgemein
REACH sieht Informationspflichten „die Lieferkette hinunter“ vor: beispielsweise
vom Hersteller eines Ausgangstoffes für Textilfarben hin zum Produzent der Farb-
stoffmischung und weiter zum Hersteller eines gefärbten T-Shirts (bzw. unter
bestimmten Umständen auch zum/zur Endverbraucher/in).
REACH enthält aber auch verstärkte Informationsverpflichtungen „in der
Lieferkette hinauf“, so muss beispielsweise der Hersteller eines Textilfarbstoffes
an den Lieferanten des/der Ausgangstoffe(s) Details über die Verwendung des
Stoffes liefern (Beispielsweise: Information, dass Stoff in Farbgemischen für
Textilien eingesetzt wir, in welchen Mengen etc. - siehe REACH Artikel 34, Artikel
37-39). Nur so kann der/die Hersteller der/des Ausgangsstoffe(s) einen vollständi-
gen „Stoffsicherheitsbericht“ für die Registrierung und die notwendigen Ergänzun-
gen im Sicherheitsdatenblatt betreffend „Expositionsszenarien“ durchführen.
Sitzt der Hersteller eines Stoffes, Gemisches oder Erzeugnisses außerhalb der EU,
ist laut REACH der jeweilige Importeur oder der von der Firma installierte
sogenannte „Alleinbeauftragte“ (beide haben rechtlich Sitz in der EU) verantwort-
lich. Das heißt, der Importeur bzw. Alleinbeauftragte muss die entsprechenden
Informationen innerhalb der Lieferkette weitergeben (und den Behörden auf
Verlangen zur Überprüfung zur Verfügung stellen).
21 Die sogenannte SIN-Liste: http://www.sinlist.org
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Informationspflichten für Erzeugnisse im Detail
Seit Oktober 2008 gilt: Enthält das Erzeugnis einen Stoff, der auf der SVHC-Kandi-
datenliste aufscheint (maßgeblich ist das Datum der Publikation der Liste) in einer
Konzentration > 0,1 Gewichts-%, müssen an den Empfänger „ausreichend Informa-
tionen“ über „sicheren Umgang“ zur Verfügung gestellt werden (REACH Artikel
33.1). Das können beispielsweise Angaben zur sicheren Entsorgung des Produktes
oder sonstige Angaben über Möglichkeit der Vermeidung der Exposition von
Mensch/Umwelt sein. Zur Verfügung gestellt müssen allerdings nur Informationen
werden, die dem Hersteller „verfügbar“ sind. Ausreichend bedeutet als Minimum
die Angabe des Stoffnamens. Der Grund, warum der jeweilige Stoff auf der Liste ist
(z.B. da krebserregend), ist in der Kandidatenliste ersichtlich (ECHA Website). Auf
Verlagen müssen obige Informationen innerhalb von 45 Tagen auch an Konsumen-
ten/innen kostenlos weitergegeben werden (Artikel 33.2).
Ab 2011 gilt: Hersteller von Fertigwaren, die Kandidatenstoffe enthalten, müssen
diese Verwendung unter bestimmten Umständen bei der ECHA „notifizieren“
(Artikel 7). Dies tritt ein wenn: der Hersteller eine Exposition von Mensch/Umwelt
während „vorhersehbarer Verwendung inklusive Entsorgung“ nicht ausschließen
kann und Stoff in > 0,1 % in Erzeugnis enthalten und Stoff in den Erzeugnissen
> 1 Tonne pro Produzent/Importeur pro Jahr enthalten ist. Notifizierung bedeutet
Angabe der genauen Art der Verwendung, die eingesetzten Mengen, Angaben zum
Hersteller, etc. (Artikel 7.4.). Die Notifizierungspflicht entfällt natürlich, wenn
diese Daten vorher schon im Rahmen einer Registrierung zur Verfügung gestellt
wurden. Kann der Hersteller eine Exposition von Mensch/Umwelt während der
vorhersehbaren Verwendung bzw. Entsorgung jedoch sehr wohl ausschließen
(Beweislast trägt Hersteller), muss der „Empfänger“ der Fertigware nur entspre-
chend „instruiert“ werden (Artikel 7.3 bzw. siehe auch oben Artikel 33).
Weiters wurde eine Sicherheitsbestimmung eingeführt: Besteht der Verdacht, dass
trotz entgegenlautender Angaben der Hersteller ein Stoff (irgendein Stoff, muss
nicht auf Kandidatenliste sein) von einem Erzeugnis freigesetzt wird und ein Risiko
für Mensch oder Umwelt besteht, kann die Chemikalienagentur eine nachträgliche
Registrierung fordern (Artikel 7.5). Aufgrund der dann vorliegenden Daten könnten
selbstverständlich weitere Behördenschritte (z.B. Beschränkungsverfahren) folgen.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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Anmerkung: Eine Registrierungspflicht besteht in jedem Fall dann, wenn Stoff
absichtlich von Fertigware freigesetzt wird, wie beispielsweise Tinte aus Kugel-
schreiber.
Zu erwähnen ist, dass für die Vollziehbarkeit obiger Bestimmungen vor allem die
Frage der Interpretation der 0,1 %-Grenze bei sehr komplexen Produkten (Auto,
Fertigteilhaus, etc.) von großer Relevanz ist.
Die globale Dimension
Erzeugnisse bzw. deren Ausgangs- und Entsorgungsprodukte zirkulieren weltweit:
So wird beispielsweise geschätzt, dass 95 % der weltweiten Spielzeugproduktion aus
China stammt, Textilien machen in Indien laut Experten bereits rund 15 % des
gesamten Exportvolumens aus und Länder in S-O-Asien sind bekanntermaßen
wichtige Erzeuger von Elektronikgeräten. Auf der anderen Seite stellt beispiels-
weise (illegal gehandelter) Elektronikschrott ein ernst zu nehmendes Problem für
viele afrikanische Staaten dar. Weiteres interessantes Detail: nach Aussagen von
Herstellern wird beispielsweise ein Mobiltelefon nach nur 18 bis 24 Monaten gegen
ein neues Gerät ersetzt. Trotz des möglichen Gehalts an vielen besonders
gefährlichen Stoffen (Arsen, Cadmium, Blei, Quecksilber, Nickel, bromierte
Flammschutzmittel etc.) werden nur < 5 % aller Mobiltelefone zurückgegeben und
einem Recycling zugeführt, der Großteil „verschwindet“.
Nicht nur die EU (REACH) sieht Informationspflichten für Erzeugnisse vor, auch
andere Staaten haben ähnliche Vorgaben festgelegt (z.B. Kennzeichnung von
Elektronikgeräten in China mit Angabe der Zeit, ab der mit der Freisetzung von
Stoffen aus einem Produkt zu rechnen ist, Angaben über besorgniserregende bzw.
krebserregende Stoffe auf Produkten/Kinderspielzeug in den USA, etc.). Daneben
gibt es vielfach interne Standards bei weltweit agierenden Firmen oder in bestimm-
ten Branchen (z.B. IKEA, Sony-Ericsson, General Motors, Automobilhersteller,
Elektronikbranche, etc.). Die Möglichkeit der Schaffung von weltweit gültigen
Empfehlungen für Informationspflichten für Erzeugnisse wird derzeit im Rahmen
des Globalen Chemikalien-Management-Systems SAICM geprüft.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 34
Strategie:
• Informationen über REACH-Bestimmungen zu Erzeugnissen und Einladung an
Betroffene zur Mitteilung von Erfahrungen22,
• Mitarbeit an entsprechenden REACH-Leitlinien der EU
• Langfristig Aufnahme aller „besonders besorgniserregenden Stoffe“ in die
„REACH-SVHC-Kandidatenliste“
• Mitarbeit an Empfehlungen für global gültige Informationspflichten für
Erzeugnisse im Rahmen von SAICM
Termine:
• Oktober 2008: Veröffentlichung der ersten Kandidatenliste von „besonders
besorgniserregenden Stoffen“
(http://echa.europa.eu/chem_data/candidate) Start von Informations-
pflichten nach Artikel 33 von REACH
• 1. Juni 2011: Start der Notifizierungspflicht nach Artikel 7 von REACH (für
Erzeugnisse, wo Hersteller Exposition nicht ausschließen kann)
• Mai 2009: Internationale Konferenz für Chemikalienmanagement (ICCM 2)
beschäftigt sich im Rahmen des SAICM-Prozesses unter anderem mit dem
Thema „Chemikalien in Erzeugnissen“ (Abschluss der Arbeiten bis spätestens
2020).
AnsprechpartnerInnen:
Mag. Renate Paumann
Dr. Martin Wimmer
22 http://umwelt.lebensministerium.at/article/archive/20523
http://www.reachhelpdesk.at/pflichten/informationspflichten/kandidatenliste
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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1.5 Endgültiger Ausstieg aus Ozon abbauenden Stoffen
Materie:
Neufassung der EG-Ozonverordnung
Derzeitige Problemstellung:
Mit Hilfe der bestehenden EG-Ozonverordnung (Verordnung (EG) Nr. 2037/2000)
wurde ein weitgehender Ausstieg aus Ozon abbauenden Stoffen in der EU erreicht.
Im Vergleich zum Basisjahr 1986 beträgt die Reduktion des Verbrauches dieser
Stoffe über 99 %. Die erzielten Erfolge sollten daher mit Hilfe dieser Verordnung
nachhaltig festgeschrieben und die restlichen verbliebenen Anwendungen über die
nächsten Jahre endgültig eliminiert werden. Durch die neue Verordnung soll auch
ein klares Zeichen gesetzt werden, dass neue Ozon abbauende Stoffe nicht mehr
auf den Markt kommen sollen.
Weiters muss die Ozonverordnung an die Änderung des Montrealer Protokolls aus
dem Jahr 2007 angepasst werden, in welcher der Ausstieg aus teilhalogenierten
Fluorchlorkohlenwasserstoffen (HFCKW) weiter beschleunigt wurde.
Zur weiteren Beschleunigung der Regeneration der Ozonschicht werden weiters
Anstrengungen unternommen, Emissionen von vollhalogenierten Fluorchlorkohlen-
wasserstoffen (FCKW) aus so genannten „Lagern“ zu vermindern. Diese Emissionen
stammen vor allem aus Dämmplatten, die zur Isolierung in Gebäuden eingebaut
wurden. Die als Treibgase darin enthaltenen FCKW werden über Jahre und
Jahrzehnte in die Luft abgegeben. Da FCKW nicht nur Ozon abbauend wirken,
sondern auch starke Treibhausgase darstellen, sind Reduktionen dieser Emissionen
auch als klimawirksame Maßnahmen zu betrachten. Die gespeicherten Mengen an
Treibhausgasen in Dämmstoffen entsprechen ca. 2 Jahresemissionen Österreichs an
sämtlichen Kyotogasen.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 36
Strategie:
Grundlegendes Ziel der Novelle ist eine Modernisierung der bestehenden Ozonver-
ordnung im Sinne einer besseren Rechtssetzung. Die wichtigsten Änderungen
betreffen die Streichung mittlerweile obsoleter Vorschriften und eine grundlegende
Überarbeitung der Berichterstattungspflichten.
Durch die Überarbeitung werden die Ausstiegspläne an die letzten Änderungen des
Montrealer Protokolls angepasst und bestehende Ausnahmen werden weiter
eingeschränkt.
Vorschriften zur Rückgewinnung und Zerstörung Ozon abbauender Stoffe werden
weiter verschärft mit dem Ziel, diese Verpflichtung für möglichst viele Bereiche
verbindlich festzulegen.
Zur Vermeidung expandierender Märkte werden neue Stoffe in die Verordnung
aufgenommen und werden in Zukunft einer Berichtspflicht oder auch Verboten
unterliegen.
Verhandlungspartner:
Ratsarbeitsgruppe Umwelt, Europäisches Parlament
Termine:
Die Abstimmung des Europäischen Parlaments über den Vorschlag der Kommission
fand bereits Mitte März 2009 statt. Bei einer Einigung in erster Lesung, wie sie von
Rat und Parlament angestrebt wird, ist mit Inkrafttreten der neuen Regelung im
Herbst zu rechnen.
Ansprechpartner:
Dr. Paul Krajnik
Dr. Johann Steindl
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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2. INTERNATIONALE CHEMIEPOLITIK
2.1 Vorschau betreffend die 2. Internationale Konferenz zu Chemikalienmanagement ICCM II
Materie:
Die für die 2. Internationale Chemikalienmanagementkonferenz in Genf (11. bis
15. Mai 2009) vorgesehenen Highlights sind:
• Review des Fortschritts im Bereich des internationalen Chemikalienmanage-
ments entsprechend der Dubai-Erklärung zu SAICM (Strategic Approach to
International Chemicals Management);
• Beurteilung der Performance der Funktionen der Internationalen Konferenz
ICCM als einem "overarching global policy forum" zu Fragen des internatio-
nalen Chemikalienmanagements;
• Informationsaustausch auf breiter Ebene zwischen StaatenvertreterInnen und
den wesentlichen internationalen Organisationen (UNEP; ILO; UNIDO;
UNITAR; FAO) und Nicht-Regierungsorganisationen (Umwelt NGOs und
Industrie), die sich im Chemikalienmanagement engagieren;
• Überprüfung der Umsetzung von SAICM sowie Erarbeitung neuer Maßnahmen
im Bereich des internationalen Chemikalienmanagements:
o ICCM2 wird einerseits die Umsetzung der internationalen Chemiestrate-
gie SAICM seit ihrer Annahme 2006 (bei österreichischer EU-Präsident-
schaft) prüfen, andererseits in der Funktion der Konferenz als High
Level internationales Forum für multi-stakeholder und multi - sektorale
Diskussion neue Politikfelder aufgreifen. Daher werden bei der Evaluie-
rung der SAICM - Umsetzung als Schwerpunktthemen primär die
Bereiche Nanotechnologie und Chemikalien in Fertigwaren sowie auch
E-Abfall und Blei in Farben angezogen werden; auch die Dakar-
Erklärung zu Substitution und Alternativen (beschlossen im Rahmen des
VI. Forums des Intergovernmental Forums on Chemical Safety,
IFCS) wird hier einfließen.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 38
o ICCM II muss sich auch um die langfristige Finanzierung der Strategie
kümmern, um das Erreichen des Johannesburg-Ziels der globalen
Chemikaliensicherheit im Jahr 2020 zu ermöglichen.
o Über das Berichtswesen betreffend die Performance aller sogenannten
stakeholders ist zu entscheiden.
o Verfahrensregeln sind zu klären. Insbesondere die Frage von Unter-
organen der Strategie SAICM ist in entsprechenden Verfahrensregeln zu
finalisieren. Nach EU-Wunsch soll IFCS durch ein Unterorgan von SAICM
ersetzt werden, das den Austausch wissenschaftlich-technischer
Information garantieren kann.
o Bezüglich Budget und zu Aktivitäten der Zeitspanne zwischen den
Konferenzen sind die Entscheidungen zu treffen.
Strategie:
Das BMLFUW hat zum „awareness–raising“ die neueste SAICM–Publikation, die das
von UNEP gestellte SAICM-Sekretariat gemeinsam mit der WHO erstellt hat, auf
seine Website gestellt (http://www.umweltnet.at/article/articleview/73076/1/7063.
Mitarbeit im Schwerpunktbereich „Chemikalien in Fertigwaren“ mit Betonung des
Substitutionsprinzips sowie im Bereich der Verfahrensregeln.
Joint ICCM-Side Event, Genf, 13.5.2009 (mit Deutschland und UNIDO): "Green
industry - Innovative approaches to sound chemicals management": Präsentation
von “Chemical Leasing”.
Verhandlungspartner:
Zurzeit ist Schweden der SAICM Focal Point der UN-Region WEOG und damit auch
für Österreich zuständig.
In Österreich befasst das BMLFUW mittels der SAICM-Plattform alle mit SAICM und
den Themen der IGOs UNEP, ILO, UNIDO, UNITAR und FAO befassten Ministerien
und andere sogenannte stakeholder.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
39
Termine:
• ICCM II 11. bis 15. Mai (www.umweltnet.at/article/articleview/73076/1/7033/),
Genf
• Joint ICCM-Side Event, Genf, 13.5.2009 (mit Deutschland und UNIDO): "Green
industry- Innovative approaches to sound chemicals management"
AnsprechpartnerInnen:
Dr. Helga Schrott
Mag. Renate Paumann
Dr. Michael Wittmann
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 40
2.2 Vorschau COP IV Stockholm
Materie:
Seit Jahrzehnten wird vor den Gesundheits- und Umweltrisiken von persistenten
organischen Schadstoffen (Persistent Organic Pollutants, POPs) gewarnt. Diese
Chemikalien, die man auch das „Dreckige Dutzend“ nannte, werden weithin als
Pestizide (Bsp.: DDT) und Industriechemikalien (Bsp.: Polychlorierte Biphenyle
(PCB) in Transformatoren und Kondensatoren) eingesetzt. POPs werden weiträumig
verfrachtet und lagern sich an Orten weitab ihrer Entstehung (beispielsweise an
den Polen oder in den Alpen) an. Sie sind nicht nur persistent, sondern behalten
auch lange ihre Giftigkeit, was Auswirkungen auf das endokrine System von
Menschen und Wildtieren hat. Bei COP IV soll die POP-Liste nun das erste Mal
erweitert werden, indem etwa Lindan, PBDEs oder PFOS in die entsprechenden
Anhänge des Übereinkommens aufgenommen werden.
Das Stockholmer Übereinkommen vom 22. Mai 2001 über POPs beschränkt Herstel-
lung, Verwendung, Handel, Abfallströme und Emissionen von POPs. Die Globale
Umweltfazilität GEF stellt den Interimsmechanismus bezüglich der Finanzierung der
Umsetzung des Übereinkommens dar.
Position:
1. Aufnahme neuer POP in die Anlagen A oder C des Übereinkommens:
Ein Schwerpunkt dieser Tagung wird – entsprechend den Empfehlungen des POP-
Prüfungsausschusses (POPRC) - die Aufnahme folgender gefährlicher Chemikalien in
die Anlagen A und C des Übereinkommens sein:
• Polybromierte Diphenylether (PBDE), nämlich 2,2',4,4'-Tetrabrom-
diphenylether (BDE-47, CAS-Nr. 40088-47-9) und 2,2',4,4',5-Pentabrom-
diphenylether (BDE-99, CAS-Nr. 32534-81-9) und andere in handelsüblichem
Pentabromdiphenylether enthaltene Tetra- und Pentabromdiphenylether,
2,2',4,4',5,5'-Hexabromdiphenylether (BDE-153, CAS-Nr. 68631-49-2),
2,2',4,4',5,6'- Hexabromdiphenylether (BDE-154, CAS-Nr. 207122-15-4),
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
41
2,2',3,3',4,5',6-Heptabromdiphenylether (BDE-175, CAS-Nr. 446255-22-7),
2,2',3,4,4',5',6-Heptabromdiphenylether (BDE-183 CAS-Nr. 207122-16-5) und
andere in handelsüblichem Octabromdiphenylether enthaltene Hexa- und
Heptabromdiphenylether;
• Chlordecon;
• Hexabrombiphenyl (PBB);
• Alpha-Hexachlorcyclohexan;
• Beta-Hexachlorcyclohexan;
• Lindan;
• Perfluoroctansulfonsäure (CAS-Nr. 1763-23-1), ihre Salze und Perfluoroctan-
sulfonylfluorid (CAS-Nr. 307-35-7) mit folgenden Ausnahmeregelungen für die
Verwendung:
o Fotoresistlacke und Antireflexbeschichtungen für fotolithografische
Prozesse;
o fotografische Beschichtungen von Filmen, Papieren und Druckplatten;
o Antischleiermittel für nicht-dekoratives Hartverchromen (Chrom VI) und
Netzmittel für überwachte Galvanotechniksysteme;
o Hydraulikflüssigkeiten für die Luft- und Raumfahrt;
o Feuerlöschschäume, die vor dem Verbot in Verkehr gebracht wurden,
dürfen bis zu zwei Jahre nach Inkrafttreten des von der Konferenz der
Vertragsparteien gefassten Beschlusses weiter verwendet werden.
• Pentachlorbenzol.
Das entsprechende Mandat Dok. 6617/1/09 betreffend den Vorschlag für einen
Beschluss des Rates zur Festlegung des Standpunktes im Namen der Gemeinschaft
zu den Vorschlägen zur Änderung der Anlagen A, B und C des Stockholmer Überein-
kommens ist am 6. April 2009 als A-Punkt vom EU-Rat (Justiz) angenommen
worden.
2. GMP – Globaler Plan betreffend Umweltmonitoring:
In periodischen Abständen soll das Übereinkommen auf seine Effizienz betreffend
Gesundheits- und Umweltschutz vor POP überprüft werden. Für jede UN-Region
sind bestimmte vergleichbare Daten zur Verfügung zu stellen. Österreich hat sich
bis dato über das INTERREG III B–Projekt MONARPOP eingebracht.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 42
3. Non-Compliance:
Ein Nicht-Einhaltungsmechanismus ist eine Priorität auch für Österreich, da
ansonsten das Übereinkommen über weite Strecken „zahnlos“ bleibt. Hierbei ist zu
beachten, dass die Entwicklungsländer die Erfüllung ihrer Verpflichtungen an
finanzielle Fragen knüpfen. Die EU sieht den Nicht-Einhaltungsmechanismus als
Instrument, das den Zugang zur Globalen Umweltfazilität GEF samt deren „POP-
Fenster“ fördert.
4. Synergien23:
Bei der 4. Vertragsstaatenkonferenz soll das Ergebnis der AHJWG zu Kooperation
und Koordination betreffend Rotterdamer, Basler und Stockholmer Übereinkommen
angenommen werden. Die finale Struktur der Zusammenarbeit soll bei einer
Spezialkonferenz gemeinsam mit der 10. Sitzung des Verwaltungsrates des
Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP Governing Council/Global
Ministerial Environment Forum) 2010 entschieden werden.
5. Langfristige Finanzierung – Überprüfung der Globalen Umweltfazilität GEF:
GEF hat seit den 90er-Jahren ein Projekt-Portfolio zu POP entwickelt, die 2001 zur
Annahme von Guidelines (www.gefweb.org/documents/C.17.4.pdf) for POPs-
enabling activities durch das oberste Organ der GEF (GEF Council) führten.
23 Note by the Secretariat:
1. The Ad Hoc Joint Working Group on Enhancing Cooperation and Coordination among the Basel, Rotterdam and Stockholm Conventions, at its third meeting, requested the Executive Director of UNEP, in consultation with the Director-General of FAO, in providing the secretariat for the conventions, to prepare a proposal on financing coordinated extraordinary meetings of the Conferences of the Parties to the Basel, Rotterdam and Stockholm Conventions.
2. In response to that request, it is proposed that the coordinated extraordinary meetings of the Conferences of the Parties: (a) Be held in coordination with the tenth special session of the UNEP Governing
Council/Global Ministerial Environment Forum, in 2010; (b) Be held over one day and be preceded by a two-day joint open-ended preparatory
meeting; (c) Be funded through the technical cooperation trust fund of the Basel Convention and the
voluntary special trust funds of the Stockholm and Rotterdam Conventions, for the conference services and participant travel costs of the meetings. This will require new and additional funding from donors.
3. A cost estimate for the funding of the coordinated extraordinary meetings is set out in the annex to the present note. Since the venue of the tenth special session of the Governing Council/Global Ministerial Environment Forum has not yet been determined, the estimate is based on Geneva costings. The estimate provides for funding participant travel for representatives of developing countries and countries with economies in transition on the basis of one representative for each of the three conventions to which an eligible country is Party
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
43
Aufbauend auf den Entscheidungen der 3. Vertragsstaatenkonferenz soll die GEF-
Guidance weiter ausgebaut werden. Derzeit gilt die POP Focal Area Strategie für
den Zeitraum 2007 – 2010, die insbesondere fokussiert auf:
• Nationale Durchführungspläne (NIPs);
• Partnerschaften zur NIP - Umsetzung;
• Umwelttechnologien, die zur Reduktion von POPs bzw. deren Substitution
führen;
Die EU unterstützt die geltende GEF-Strategie bzw. insbesondere, dass GEF der
prioritäre Finanzierungsmechanismus des Stockholmer Übereinkommens über POP
bleibt.
6. Berichtswesen:
Österreich hat seine Berichtspflichten erfüllt und Kommentare zur Benutzer-
Innenfreundlichkeit des elektronischen Berichtsformates abgegeben.
7. Entwicklungszusammenarbeit:
Von besonderer Relevanz sind in diesem Zusammenhang die für die technische
Umsetzung des Übereinkommens relevanten Zentren, wobei die Region Afrika und
WEOG Cleaner Production-Zentren angaben, primär werden aber die Basel-Zentren
genannt. Die EU favorisiert jene Zentren, die einen Konnex zu internationalen
Programmen aufweisen.
8. Technische Richtlinien im Bereich POP und Abfall:
Österreich setzt sich für eine effiziente Zusammenarbeit mit den ExpertInnen des
Basler Übereinkommens ein. Geprüft wird auch die Einführung eines PCB
(Polychlorierte Biphenyle)-Elimination Club, der Informationsaustausch fördern soll.
9. Nationaler Durchführungsplan:
Österreich hat seinen Nationalen Durchführungsplan (samt nationalem Aktionsplan)
im August 2008 sowohl an das Sekretariat zur Vorlage an die
4. Vertragsstaatenkonferenz als auch an die Europäische Kommission übermittelt
sowie seine nationalen Prioritäten bekannt gegeben. Der vom Sekretariat vorzule-
gende Synthesebericht wird daher unterstützt. Für Entwicklungsländer relevant ist
besonders der Bezug zu GEF (siehe 5.))
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 44
10. BAT/BEP (Best Available Technologies/Best Environmental Practices–Guidelines:
Diese Guidelines wurden auf der 3. Vertragstaatenkonferenz beschlossen.
Österreich ist von Beginn an in dieser Gruppe als Berichterstatterin für den Sektor
Verbrennung von medizinischen Abfällen vertreten und wird auch bei der notwen-
digen Aktualisierung dieser Guidelines weiter mitarbeiten. Als Modell für die
Organisation der Zusammenarbeit der ExpertInnen könnte jenes der Gruppe „Dioxin
Toolkit“ dienen, die sich v.a. mit Emissionsfaktoren der Technologien beschäftigt.
11. Dioxin – Toolkit:
Die 4. Vertragsstaatenkonferenz soll über weiteres Update dieses Instruments zur
Erfassung und Bewertung von Dioxin- und Furanemissionen entscheiden. Der
Konferenz wird der Bericht des ExpertInnentreffens (Genf, 3. bis 5.12.2008) vorlie-
gen, das zu einem Auftrag von UNEP DTIE an das UBA Wien als Umweltschutzfach-
stelle des Bundes zur Emissionsmessung bei Proben aus Afrika geführt hat. Für das
„task team on brick production“ wird vom UBA eine Analyse von Ascheproben aus
Ziegelbrennereien in Afrika (Kenia u.a.) sowie die Analyse von Bodenproben aus der
Umgebung der Ziegelbrennerei auf die Parameter PCDD/F, PCB und HCB durchge-
führt werden.
12. DDT-Register:
Das Übereinkommen eröffnet die Möglichkeit, gegen Registrierung einer Ausnahme
das Eliminierungsgebot betreffend DDT aufzuschieben. Nur Indien hat bis dato
erklärt, seine Ausnahme vom DDT-Verbot weiter verlängern zu wollen; die EU
unterstützt die restriktive Anwendung dieser Möglichkeit.
Strategie:
entsprechend der EU-Position.
Verhandlungspartner:
WPIEI bzw. allgemeine Koordination in der halbjährlichen SAICM-Plattform,
Fachkoordination in den POPs-/PBT-Treffen mit UBA, AGES, NGOs…
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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Termine:
• POPRC-5: 12. bis 16.10.2009, Genf
• COP IV: 4. bis 8.5.2009, Genf
AnsprechpartnerInnen:
Dr. Helga Schrott
DI Susanna Eberhartinger-Tafill
Dr. Andrea Nouak (Abt. V/9)
Mag. Andreas Moser (Abt. VI/3)
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 46
2.3 Vertragsstaatenkonferenz Montreal Protokoll
Materie:
Neueste Entwicklungen unter dem Montreal Protokoll
20. Vertragsstaatenkonferenz in Doha, Katar, November 2008
Derzeitige Problemstellung:
Im Jahr 2007 beschloss die 19. Vertragsstaatenkonferenz des Montreal Protokolls,
den Ausstieg aus teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (HFCKW) zu
beschleunigen und für Entwicklungsländer um 10 Jahre vorzuverlegen. In der Folge
mussten weitere wichtige Weichenstellungen für die Zukunft des Protokolls
getroffen werden. Zu diesen Entscheidungen zählte die Frage der Wiederauffüllung
des Multilateralen Fonds, die Durchführung von Projekten zur Sammlung und
Zerstörung Ozon abbauender Stoffe in den Entwicklungsländern, das weltweite
Ende der Produktion von FCKW-hältigen Asthmasprays und die Verhinderung des
Einsatzes von Ersatztechnologien mit klimaschädlicher Wirkung.
Strategie:
Die Wiederauffüllung des Multilateralen Fonds, aus dem Umstellungsprojekte der
Entwicklungsländer auf nicht Ozonschicht schädigende Technologien finanziert
werden, für die Jahre 2009-2011 stellte einen der zentralen Verhandlungspunkte
der diesjährigen Vertragsstaatenkonferenz dar. Sie stand im engen Zusammenhang
mit dem im Vorjahr beschlossenen geänderten HFCKW-Ausstiegsplan für die
Entwicklungsländer. Da die ersten Reduktionsschritte für 2013 bzw. 2015 angesetzt
wurden, ist ein schnelles Anlaufen der Ausstiegsprojekte erforderlich.
Im Sinne der Erzielung von Synergiewirkungen zwischen multilateralen Abkommen
wird erstmalig versucht, klimaschutzrelevante Fragestellungen bereits in der
Projektplanung zu berücksichtigen, um den Einsatz fluorierter Gase, die als
Treibhausgase dem Kyoto Protokoll unterliegen, jedoch in vielen Fällen auch als
Ersatzstoffe für Ozon abbauende Stoffe (ODS) verwendet werden könnten, in den
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
47
Entwicklungsländern zu vermeiden. Der Multilaterale Fonds wurde mit insgesamt
490 Mio. US $ wiederaufgefüllt und stellt somit Finanzmittel in ähnlicher Höhe wie
im vergangenen Triennium bereit.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden Aktivitäten zur Sammlung und Zerstörung Ozon
abbauender Stoffe in Entwicklungsländern. In den meisten Ländern entsteht durch
den fortschreitenden Ausstieg aus Ozon abbauenden Stoffen zunehmend der
Bedarf, Stoffe einer Abfallbehandlung, insbesondere Zerstörung durch Hochtempe-
raturverbrennung, zuzuführen. Im kommenden Triennium wird daher der Multi-
laterale Fonds erstmals entsprechende Pilotprojekte zur Sammlung, Recycling und
Zerstörung Ozon abbauender Stoffe durchführen.
Große Fortschritte wurden auch im Bereich Asthmasprays erzielt. Durch die
generelle Verfügbarkeit von Alternativen zu FCKW-hältigen Produkten erscheint ein
vollständiger Ausstieg bis 2010 realisierbar. Das Ende der FCKW-Ausnahme für
Asthmasprays fällt auch mit dem FCKW-Totalausstieg der Entwicklungsländer
zusammen. Zwar besteht für Entwicklungsländer noch die Möglichkeit, nach dem
Totalausstieg aus FCKW essenzielle Verwendungszwecke zu beantragen, für die
Evaluierung und die eventuelle Bewilligung der Anträge werden jedoch dieselben
Kriterien wie für Industriestaaten herangezogen werden. Aufgrund der weltweiten
Verfügbarkeit von Alternativen bestehen nur sehr geringe Chancen für die
Genehmigung von Ausnahmen durch die Vertragsstaatenkonferenz.
Eine weitere richtungsweisende Entscheidung betrifft klimaschädliche Stoffe,
insbesondere fluorierte Gase. Diese wirken nicht Ozon abbauend, haben jedoch
aufgrund ihres hohen Treibhauspotentials (GWP) negative Auswirkungen auf das
Klima. Im Jahr 2005 entstand ein gemeinsamer Bericht des „Technology and
Economic Assessment Panel (TEAP)“ unter dem Montreal Protokoll und des
„Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)“ unter der Klimakonvention, in
welchem die möglichen negativen Auswirkungen eines Ersatzes von Ozonschicht
schädigenden Stoffen durch klimaschädliche Gase aufgezeigt wurde.
In der Folge wurde mehrfach versucht, einem solchen Trend entgegenzuwirken,
insbesondere in der Entscheidung zum beschleunigten HFCKW-Ausstieg, wo die
Vertragsstaaten aufgerufen wurden, bei Umstellungsmaßnahmen Klimaeffekte
ebenfalls zu berücksichtigen. Die Zusammenarbeit zwischen den Konventionen wird
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 48
durch die gemeinsame Abhaltung eines „Dialoges“ über Auswirkungen von Alterna-
tiven zu Ozon abbauenden Stoffen mit hohem Treibhauspotential (GWP)
intensiviert.
Verhandlungspartner:
Vertragsstaaten zum Montreal Protokoll
Termine:
• Dialogue on high global warming potential alternatives for ozone depleting
substances (Genf, 13. Juli 2009)
• Workshop on management and destruction of ODS banks and implications to
Climate Change (Genf, 14. Juli 2009)
• 29. Open-Ended Working Group zum Montreal Protokoll (Genf, 15. bis
18. Juli 2009)
Ansprechpartner:
Dr. Paul Krajnik
Dr. Johann Steindl
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
49
2.4 Internationales Quecksilber Abkommen – die Geburt einer neuen Konvention
Materie:
UNEP Governing Council erteilt Verhandlungsmandat zur Ausarbeitung einer
Quecksilber Konvention
Derzeitige Problemstellung:
Quecksilber ist ein giftiges Schwermetall, das insbesondere in Form seiner Verbin-
dungen, z.B. Salze, Methylquecksilber etc. als starkes Gift wirkt. Es akkumuliert
sich im Körper, führt zu chronischen Vergiftungen und ruft Schäden an den Organen
und im Gehirn hervor. Aufgrund seiner Flüchtigkeit – es ist das einzige bei Raum-
temperatur flüssige Metall - führt Quecksilber zu starker Luft- und Wasserver-
schmutzung und gelangt auch die Nahrungsmittelkette des Menschen.
Strategie:
Die grundlegende Strategie zur Reduktion von Quecksilberemissionen und zum
Ersatz von Quecksilber in Produkten und Verfahren stellt ein rechtlich verbindliches
internationales Umweltabkommen dar, das die Vertragsstaaten verpflichtet
entsprechende Maßnahmen zur Erreichung von Reduktionszielen zu setzen.
Im Rahmen des vergangenen Treffens des UNEP Governing Council von 16. bis 20.
Februar in Nairobi wurde von der internationalen Staatengemeinschaft die Ausar-
beitung einer Quecksilber-Konvention beschlossen. Die Inhalte dieser zukünftigen
Vereinbarung wurden in Form eines Mandats für ein Intergovernmental Negotiating
Committee (INC) festgelegt. Dieses Committee beginnt mit der Ausarbeitung des
Rechtstextes der Konvention im Laufe der nächsten Monate, der Prozess wird in
voraussichtlich 2 bis 3 Jahren abgeschlossen sein. Das Mandat für das INC wird vom
nächsten UNEP Governing Council Anfang 2011 nochmals überarbeitet. Möglicher-
weise wird die Konvention im Rahmen dieses Prozesses auf andere Chemikalien
erweitert.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 50
Für die Arbeit des INC wurde ein sehr umfassendes Mandat erteilt: Das zukünftige
Abkommen wird sich auf sämtliche Bereiche erstrecken, wo Quecksilber verwendet
bzw. emittiert wird. Beispielhaft zu nennen ist die Reduktion der Emissionen aus
Verbrennungsprozessen, insbesondere bei der kalorischen Stromerzeugung und bei
der Zementproduktion. Weiters wird der internationale Handel mit Quecksilber
eingeschränkt, und wo Alternativtechnologien verfügbar sind, sollen diese zum
Einsatz gelangen - durch verpflichtenden Umstieg bis hin zu entsprechenden
Quecksilber-Verboten. Diese Verpflichtung soll vor allem die Umstellung bei
industriellen Prozessen wie der Chloralkalielektrolyse (Herstellung von Chlor,
Wasserstoff und Natronlauge), oder aber auch bei Produkten wie Thermometern
erleichtern und langfristig zum Totalausstieg aus Quecksilber basierten Techno-
logien führen.
Das Ziel, Emissionen von Quecksilber zu reduzieren, betrifft grundsätzlich auch
Energiesparlampen. Diese enthalten in geringsten Mengen Quecksilber (einige mg,
in jedem Fieberthermometer ist ca. 500 Mal mehr Quecksilber enthalten), da dies
zum Auslösen des Leuchtvorganges benötigt wird. Das Metall wird in den Lampen
chemisch nicht verändert und kann zurück gewonnen und wiederverwendet
werden. Durch flächendeckende Verwendung der Sparlampen kann in Österreich
jährlich etwa die doppelte Energiemenge des Kraftwerks Freudenau eingespart
werden; darüber hinaus sind im Falle der Energiegewinnung durch kalorische
Kraftwerke nicht nur zusätzliche Kohlendioxid-Emissionen zu berücksichtigen,
sondern auch die durch diese Art der Energiegewinnung bedingten zusätzlichen
Emissionen an Quecksilber. D.h., der Einsatz Quecksilberlampen führt langfristig
auch zu einer Verminderung der Quecksilberemissionen.
Verhandlungspartner:
Im INC vertretene Staaten
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
51
Termine:
• Open-Ended Working Group zur Vorbereitung des INC in der 2. Jahreshälfte
2009
• Beginn der Arbeit des INC Anfang 2010
Ansprechpartner:
Dr. Paul Krajnik
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 52
3. NATIONALES STOFFRECHT
3.1 Novelle zur Chemikalienverordnung
Materie:
Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Stoffen, Zubereitungen und Fertig-
waren sowie Bestimmungen über das Sicherheitsdatenblatt sowie Kennzeichnung
von F-Gase-hältigen Erzeugnissen und Einrichtungen
Derzeitige Problemstellung:
1) Anpassung von bisher geltendem (alten!) EU-Chemrecht (StoffRL) an Reach-VO (SDBl und Prüfmethoden bezüglich Einstufung von Chemikalien)
Mit der in den MS direkt anwendbaren EU-VO Nr. 1907/2006 REACH-VO wurde auf
der EU-Ebene der erste Teil eines neues Chemikalienrechts etabliert, der sich auf
die Bereiche Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkungen und Verbote
von Chemikalien erstreckt. In einem zweiten Schritt wurde mit Beginn dieses
Jahres der Bereich Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien in
der CLP-VO 1272/2008 neu strukturiert und geregelt, der an ein neues international
geltendes Chemikalienregime („GHS-System“) anknüpft.
Die neuen CLP-Bestimmungen bezüglich Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung
von Chemikalien sind erst nach Ablauf einer Übergangsperiode (für Stoffe grund-
sätzlich ab Dezember 2010, für Zubereitungen grundsätzlich ab Mitte 2015), in der
die alten diesbezüglichen Bestimmungen der Stoff-RL und ZubereitungsRL weiter
gelten, anzuwenden.
Angesichts dieser angesprochenen Veränderungen ist leicht nachvollziehbar, dass
das alte allgemeine Chemikalienrecht, das im Wesentlichen auf von den MS
national umzusetzenden diesbezüglichen Richtlinien sukzessive – in Entsprechung
des Inkrafttretens der neuen direkt geltenden Regelungen - abzulösen und somit in
einer angemessenen Form eine Überführung in das neue Chemikalienrecht sicherzu-
stellen ist.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
53
Durch die 2006 erlassene Reach-V werden im wesentlichen Bereiche des Chemika-
lienrechts geregelt, die bisher in der StoffRL bzw. in ihren Anhängen oder in
Nebenrichtlinien (Prüfmethoden bezüglich Einstufung von Chemikalien, Sicher-
heitsdatenblatt, Anmeldung - jetzt Registrierung von Chemikalien) erfasst waren
und die entsprechende nationale Adaptierungen erforderlich machen werden.
2) Kennzeichnung von F-Gase- hältigen Erzeugnissen und Einrichtungen
Die zur Ausführung der „EU-VO Nr. 842/2006 über bestimmte fluorierte Treibhaus-
gase“ erlassene Kommissionsverordnung (EG) Nr. 1494/2007 ermöglicht den MS, das
Inverkehrbringen von in der VO aufgeführten, fluorierte Gase enthaltenden
Erzeugnisse und Einrichtungen in ihrem Land von der Kennzeichnung in ihrer
jeweiligen Amtssprache abhängig zu machen. Österreich nützt diese Option und
verlangt diesfalls eine Kennzeichnung in deutscher Sprache verpflichtend.
Strategie:
Mit der RL 2006/121/EG (ÄnderungsRL zur Stoffrichtlinie 67/548/EWG) nahm die EU
die oben dargestellte Aufgabe der Anpassung in Angriff; mit dieser RL wird die
StoffRL an die zuerst in Reach in Kraft tretenden neuen Regelungen, die auch
dergestalt im bisherigen Chemikalienrecht geregelt waren, angepasst. Im wesentli-
chen betrifft dies Bestimmungen bezüglich der Sicherheitsdatenblätter für
Chemikalien und Festlegung von Prüfmethoden bezüglich Einstufung von Chemika-
lien, die entweder aus der StoffRL bzw. ihren diesbezüglichen Anhängen heraus-
genommen wurden bzw. die diesbezüglichen Anhänge oder Nebenrichtlinien sogar
gänzlich aufgehoben wurden. Mit der vorliegenden Novelle zur ChemV wurde die
österreichische ChemV an die neuen Gegebenheiten angepasst und die RL
2006/121/EG in nationales Recht als reine Umsetzung übernommen; somit wurden
auch die entsprechenden ChemV-Regelungen abgeändert.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 54
Im Einzelnen gilt daher mit dieser Novelle, BGBl. II Nr. 393/2008 vom
13. November 2008 Folgendes:
A. Prüfmethoden bezüglich Einstufung von Chemikalien:
Die Prüfmethoden für die Beurteilung der gefährlichen Eigenschaften von Stoffen
und Zubereitungen waren EU-rechtlich im Anhang V der RL 67/548/EWG festgelegt.
Unter gleichzeitiger Aufhebung des Anhangs V der RL 67/548/EWG wurden in einer
auf Art. 13 der REACH-V gestützten EK-Verordnung der EK nunmehr diese Prüf-
methoden ohne inhaltliche Änderungen in das Reach-Regime integriert und sind
somit direkt anwendbar. Es wurden daher die entsprechenden Regelungen in der
ChemV angepasst. Deshalb mussten sämtliche Verweise in der derzeitigen ChemV
1999 umgestellt werden. Die Bestimmungen über die Durchführung von Tierver-
suchen gemäß der RL 86/609/EWG (Öst. „Tierversuchsgesetz“) bleiben weiterhin
aufrecht. Die früher im Anhang V RL 67/548/EWG festgelegten Prüfmethoden
finden sich nunmehr in der EU Verordnung der EK Nr. 440/2008.
B. Sicherheitsdatenblatt-Regelungen:
Dasselbe gilt auch für das im Chemikalienrecht im Zentrum stehende „Sicherheits-
datenblatt für gefährliche Stoffe und Zubereitungen“ (bisher Anhang F der ChemV
1999); mit der REACH-V waren die SDB-Richtlinie 91/155/EWG und die entspre-
chenden Artikel der RL 67/548/EWG („StoffRL“) und 99/45/EG („ZubereitungsRL“)
aufgehoben worden. Inhalt und Form eines Sicherheitsdatenblattes finden sich
nunmehr unverändert in Art. 31 und Anhang II der REACH-V; es erfolgte daher auch
eine entsprechende Anpassung in der Novelle. Arbeitnehmerschutzrechtliche
Bestimmungen wie in § 25 Abs. 5 ChemV (derzeit) bleiben von REACH unberührt
und daher auch von dieser Novelle.
C. Kennzeichnung von F-Gase- hältigen Erzeugnissen und Einrichtungen
§ 13 Abs. 3 ChemV setzt die Bestimmung gemäß Art. 7 der EU-F-Gase-Verordnung
842/2006 in puncto Kennzeichnung bestimmter dort definierter Produkte und
Einrichtungen, die treibhauswirksame Gase enthalten,- näher ausgeführt durch
Kommissionsverordnung (EG) Nr.1494/2007- um. Die Bestimmung dient dazu die in
der EU-VO festgelegte direkt geltende Kennzeichnungspflicht derart näher festzu-
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
55
legen, dass sie zwingend in deutscher Sprache zu erfolgen hat, wenn die Erzeug-
nisse oder Einrichtungen in Österreich erstmalig in der Europäischen Gemeinschaft
in Verkehr gesetzt werden.
Verhandlungspartner:
• Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend
• Wirtschaftskammer Österreich
Ansprechpartner:
Dr. Johann Steindl
Mag. Franz Weinberger
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 56
4. AKTUELLE ENTWICKLUNGEN
4.1 RUSCH - Ressourcenpotenzial und Umweltbelastung der Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber in Österreich
Hubert Reisinger (Umweltbundesamt), Thomas Jakl, Raimund Quint (beide BMLFUW
V/2), Gerald Schöller, Brigitte Müller (TU Wien), Alarich Riss (Umweltbundesamt)
und Paul H. Brunner (TU Wien)
Problemstellung und Lösungsweg:
Die Verwendung von Schwermetallen stellte in der Vergangenheit neben bedeuten-
dem volkswirtschaftlichem Nutzen auch eine Bedrohung von Mensch und Umwelt
dar. Obwohl weitreichende gesetzliche Maßnahmen zur Anwendungsbeschränkung
von Schwermetallen veranlasst wurden, ist deren Menge in der Anthroposphäre
immer noch beträchtlich. Das Wissen über Gebrauch und Verbleib von Schwer-
metallen ist notwendig, um zukünftig einerseits Emissionen zu reduzieren und
andererseits das Ressourcenpotenzial des vorhandenen Bestands zu nutzen.
Im Projekt RUSCH wurden im Auftrag des Lebensministeriums vom Umweltbundes-
amt und der TU-Wien Stoffflussmodelle des Systems „Österreich“ für die Metalle
Blei, Cadmium und Quecksilber erstellt, um deren Quellen, Pfade, Lager und
Senken zu untersuchen. In weiterer Folge wurden ausgewählte, schwermetall-
haltige Produkte untersucht, um Möglichkeiten für eine weitere Verringerung der
Blei-, Cadmium- und Quecksilberbelastung zu identifizieren.
Schwermetallbilanzen:
Blei
Die Bleibilanz für Österreich ist vor allem durch Import und Export von Handels-
gütern, Rohstoffen und auch Abfällen geprägt (siehe Abbildung 4). Sowohl der
Anteil, welcher aus der Umwelt stammt (Abbau von mineralischen Rohstoffen,
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
57
atmosphärische Deposition) als auch jener, der in Boden, Gewässer und
Atmosphäre emittiert wird, ist demgegenüber vergleichsweise gering.
Innerhalb Österreichs wird ein nicht unerheblicher Teil des Bleis im Kreis geführt;
dies betrifft im Wesentlichen Bleiakkumulatoren sowie weitere Recycling- und
Altgüter aus Haushaltungen. Damit wird das Ressourcenpotenzial von Altstoffen
bereits zu einem beträchtlichen Teil ausgeschöpft. In Hinkunft werden auch die
Bleifrachten aus bestehenden Lagern (Wasserleitungen, Stromkabel) zu bewirt-
schaften sein.
Eine direkte Auswirkung auf die Umweltmedien ist aus der Bleibilanz nicht abzule-
sen. Probleme dürften vermutlich nur lokal auftreten, wie etwa im Falle von
Schießplätzen (Bleimunition), von Industriestandorten oder auf landwirtschaftli-
chen Flächen, die stark mit Blei belastetem Wirtschaftsdünger, Klärschlamm oder
Kompost gedüngt werden. Allerdings zeigt die Stoffbilanz die großen Bleilager in
Industrie, Haushaltungen und Abfallwirtschaft; dies ist ein Hinweis darauf, dass die
Outputs dieser Lager (z.B. Bleiwaren, Bleiakkumulatoren, Wasserleitungen) in
Zukunft vorsichtig und kontrolliert bewirtschaftet werden müssen.
Abbildung 6: Bleiflüsse und -lager in Österreich 2005, in kt/a (Berechnungen TU-Wien,
Umweltbundesamt).
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 58
Cadmium
Die Cadmiumbilanz für Österreich ist vor allem durch zwei Produktgruppen – Ni-Cd-
Batterien und Elektrogeräte, die solche Batterien enthalten – geprägt. Sie sind
sowohl für den Hauptanteil der Cadmiumimporte als auch für einen Großteil der
Cadmiumexporte verantwortlich.
Innerhalb Österreichs werden erhebliche Cadmiumfrachten über Abfälle, Alt- und
Recyclinggüter im Kreis geführt (siehe Abbildung 5). Allerdings stellen diese
Kreisläufe kein gezieltes Recycling dar sondern ein Mitschleppen eines unerwünsch-
ten Schadstoffes.
Abbildung 7: Cadmiumflüsse und -lager in Österreich 2005, in t/a (Berechnungen TU-Wien,
Umweltbundesamt).
Quecksilber
Den maßgebenden Fluss stellt die Abfallfracht aus Industrie und Gewerbe dar (siehe
Abbildung 6). Die Gesamtimporte und -exporte machen demgegenüber nur etwas
mehr als die Hälfte aus, was bedeutet, dass eine weitaus größere Menge an
Quecksilber innerhalb Österreichs (zu einem großen Teil ungewollt) im Kreislauf
geführt als importiert bzw. exportiert wird.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
59
Für diese großen Quecksilberfrachten im Abfall bzw. in Altgütern sind vor allem
Produktgruppen wie Elektroaltgeräte (EAG), Hg-Dampflampen, Gasentladungs-
lampen und Batterien verantwortlich. Quecksilber wird zum überwiegenden Teil für
die Zahnmedizin importiert. Die Exporte beschränken sich auf die Ausfuhr von
Rückständen der EAG-Behandlung sowie Quecksilber, welches in Elektrogeräten und
Batterien enthalten ist. Das anthropogene Quecksilberlager wird vor allem
Deponien (rund 60 t) bestimmt. Amalgamplomben in Zähnen dominieren das
Quecksilberlager von rund 20 t in privaten Haushalten.
Abbildung 8: Quecksilberflüsse und -lager in Österreich, 2005, in t/a (Berechnungen TU-Wien,
Umweltbundesamt).
Im Vergleich zu Blei und Cadmium ist der relative Anteil der Quecksilberfracht, der
in die Umwelt gelangt deutlich höher. Den maßgeblichen Eintragspfad (in die
Lithosphäre und Gewässer) stellen Ausschwemmungen des Oberbodens dar. Diese
betragen über 20 % der gesamten „exportierten“ Quecksilberfrachten.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 60
Schwermetallfrachten in ausgewählten Produkten:
Bleirohre
Grobe Abschätzungen des Altbestandes ergaben, dass noch rund 20.000 t Bleirohre
in Bauwerken zu finden sind, diese stellen etwa 15 % des gesamten anthropogenen
Bleilagers dar.
Um beurteilen zu können, ob Bleirohre ein toxikologisches oder ökologisches
Problem darstellen, müssten genauere Erhebungen über mögliche zukünftige
Transportpfade, Exposition und Wirkungen auf Zielorganismen des Bleis durchge-
führt werden.
Werden diese Altbestände auf Baurestmassendeponien entsorgt, müssen Grenz-
werte für Blei im Gesamtgehalt bzw. im Eluat eingehalten werden (Deponiever-
ordnung 2008). Eine Verwertung von Blei ist jedenfalls einer Deponierung vorzuzie-
hen.
Bleimunition
Die Hauptemissionsquelle von Blei ist das Verschießen von Bleischrot und bleihalti-
ger Projektilmunition auf Schießplätzen und in der Jagd. Über diese Wege gelangen
rund 600 t Blei jährlich direkt in die Umwelt (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Bleifrachten in verschossener Munition in Österreich im Jahr 2005 in t/Jahr (Abschätzung Umweltbundesamt).
Schrotmunition Projektilmunition Summe [t/Jahr]
Sportschießen 298 131 429
Jagd 149 3 152
Gesamt 447 134 581
Folgende Umweltbeeinträchtigungen sind mit dem Einsatz von Blei in der Jagd und
beim Sportschießen verbunden:
• Vergiftung der Vögel (Bleivergiftung ist z. B. die Haupttodesursache von
Fischadlern in Brandenburg (NABU 2007)) durch Akkumulation in der
Nahrungskette.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
61
• Gefährdung der Konsumenten von Wildbret durch überhöhte Bleiwerte
(Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittel- und Umweltchemie &
Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittelhygiene 2002).
• Sehr hohe Bleiwerte auf Schießplätzen, die speziell auf sauren Böden durch
Auswaschungsprozesse zu einer Gefährdung von Pflanzen und Tieren führt
(Umweltbundesamt 2007).
Wegen des hohen Umweltgefährdungspotenzials wurde die Verwendung von
Bleischrot bereits in mehreren europäischen Staaten verboten. Mit Weicheisen-
schrot steht eine effiziente Alternative zur Verfügung.
In Hinblick auf ein Phase-Out von bleihaltiger Projektilmunition werden zum
Beispiel in Schweden wirtschaftliche Anreize untersucht, mit denen Mitglieder von
Sportvereinen und Jagdverbänden dazu motiviert werden sollen, ihre Munition auf
bleifreie Alternativen umzustellen.
Bleigewichte in der Fischerei
Auch in der Fischerei wird Blei in Form von Bleigewichten direkt in der Natur einge-
setzt. Es wird geschätzt, dass rund 33 t Blei pro Jahr mit verloren gegangenen
Bleigewichten in die Umwelt gelangen. Mit Gewichten aus Zinklegierungen oder
Stahl stehen Alternativen zur Verfügung, die ein deutlich geringeres Umweltgefähr-
dungspotenzial aufweisen. Deshalb wurden Bleigewichte für die Fischerei bereits in
einigen europäischen Staaten verboten (KEMI 2007).
Nickel-Cadmium-Batterien
Ni-Cd-Batterien (inklusive Akkumulatoren) sind derzeit für knapp 60 % der gesam-
ten Cadmiumfracht in Konsumgütern verantwortlich. Die rund 390 t an jährlich
anfallenden Ni-Cd-Akkumulatoren/Batterien verteilen sich zu etwa 2/3 auf kleine,
tragbare Akkus (Rundzellen) für Elektro- und Elektronikgeräte, der Rest dient
industriellen Anwendungen.
Im Falle der kleinen, gasdichten Akkumulatoren werden rund 34 % getrennt
gesammelt. Auf Grund von Problemen bei der Restmüllanalytik ist unklar, wie hoch
der Anteil der Ni-Cd-Akkumulatoren/Batterien ist, der im Restmüll landet bzw. in
den Haushalten gehortet wird.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 62
Ni-Cd-Akkumulatoren werden jedoch zusehends durch alternative Technologien
ersetzt, dies betrifft vor allem Anwendungen wie Mobiltelefone, Unterhaltungs-
elektronik, Notebooks etc., so dass damit zu rechnen ist, dass der Konsum in
Zukunft zurückgehen wird. Die derzeit bestehenden Lager werden langfristig abge-
baut und die anfallenden Cadmiumfrachten zu entsorgen sein.
Akkumulatoren in Elektroautos
In Zukunft werden Elektroautos mit großer Wahrscheinlichkeit viel häufiger genutzt
werden als heute. Lithium-Ionen-Akkumulatoren, vielleicht auch Nickel-Metall-
hydrid-Akkumulatoren, werden möglicherweise die Energiespeicher für diese
Fahrzeuge sein. Es wird angenommen, dass Lithium-Ionen-Akkus und Nickel-Metall-
hydrid-Akkus weniger toxisch sind als Nickel-Cadmium-Akkus. Dennoch wird auch
das Umweltgefährdungspotenzial derartiger Akkus als bedeutend eingestuft.
Deshalb ist anhand von verifizierbaren Stoffflussanalysen sicherzustellen, dass diese
Produkte nach Gebrauch lückenlos zurückgegeben und umweltfreundlich behandelt
bzw. entsorgt werden, und dass bei Unfällen, Bränden und dergleichen keine
umweltschädigenden Belastungen entstehen.
Zahnamalgam
Auch wenn die Verwendung von Amalgam in der Zahnmedizin zurückgeht, so stellt
das Quecksilber im Zahnamalgam der ÖsterreicherInnen mit 18 t immer noch bei
weitem das größte Quecksilberlager in den Haushalten dar.
In Österreich müssen zahnärztliche Behandlungsanlagen, an denen Amalgam verar-
beitet bzw. entsorgt wird, mit Amalgamabscheidern ausgestattet sein (AEV
Medizinischer Bereich). Damit wurde ein wichtiger Emissionspfad für Quecksilber
aus Zahnamalgam deutlich reduziert. Dennoch gelangen jährlich rund 350 kg
Quecksilber aus Zahnamalgam in den Restmüll und weitere 350 kg über das
Abwasser der Zahnarztpraxen, das ungereinigte Rauchgas der Krematorien und die
Erdbestattung in die Umwelt. Eine weitere Verringerung der Nutzung von Zahn-
amalgam würde daher erheblich zum Umweltschutz in Österreich beitragen. Die
Ausstattung aller Krematorien mit Rauchgasreinigungseinrichtungen ist nicht nur
wegen der Quecksilberemissionen ein Gebot der Stunde.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
63
Quecksilber-Fieberthermometer
Im Oktober 2007 wurde für drei Wochen eine „Rückholaktion“ für alte Quecksilber-
Fieberthermometer durchgeführt. Diese wurden in den Apotheken zum deutlich er-
mäßigten Preis von 1 € gegen ein digitales Fieberthermometer ausgetauscht. Ohne
große Werbekampagne wurden in dieser relativ kurzen Zeit rund eine Million
Quecksilber-Fieberthermometer und damit eine Tonne Quecksilber eingesammelt.
Es wird angenommen, dass eine Wiederholung der Aktion zu einer weiteren
deutlichen Verringerung des Quecksilberlagers in den österreichischen Haushalten
und damit zu einer deutlichen Verringerung der Umweltgefährdung beitragen
könnte.
Empfehlungen:
Als begleitende Maßnahme sollte eine Monitoring-Methode entwickelt werden, um
die Flüsse und Bestände an schwermetallhaltigen Gütern mit genügender Genauig-
keit zu bestimmen. Die auf eine solche Weise erhaltenen Resultate können als
Grundlage für Entscheidungen bezüglich Umweltschutz und Ressourcenschonung
dienen.
Jedenfalls sollten folgende Maßnahmen zur Verringerung des Schwermetall-
einsatzes, zur Verringerung anthropogener Lager und zur Verringerung der Umwelt-
auswirkungen gesetzt werden:
• ein Verbot von Bleischrot in der Jagd und beim Sportschießen,
• Untersuchungen zu den Auswirkungen der Nutzung von Bleiprojektilmunition
in der Jagd und Bleigewichten in der Fischerei in Österreich, um festzustel-
len, ob Verbote derartiger Produkte notwendig und gerechtfertigt sind,
• Sanierung von Schießplätzen deren Böden mit Blei belastet sind,
• Motivation zur vermehrten Rückgabe gebrauchter Batterien und Akkumu-
latoren
• Studie über die Umweltgefährdung von Nickel-Metallhydrid-Akkumulatoren
und Lithium-Ionen-Akkumulatoren
• ein beschleunigtes Phase-Out von Zahnamalgam
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 64
• eine EU weite Verordnung zu Krematorien inklusive Emissionsgrenzwerten
und entsprechende Ausstattung aller österreichischer Krematorien mit
Emissionsminderungstechnologien.
Zusätzlich könnte es sinnvoll sein die Rückgabeaktion für Quecksilberthermometer
zu wiederholen und sich dabei mit Hilfe einer Informationskampagne auf jene
ÖsterreicherInnen zu konzentrieren, die bisher noch nicht erreicht wurden.
Literaturverzeichnis:
• AEV Medizinischer Bereich (BGBl. II Nr. 268/2003): Verordnung des Bundes-
ministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über
die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Krankenanstalten, Pflege-
anstalten, Kuranstalten und Heilbädern.
• Deponieverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 39/2008): Verordnung des Bundes-
ministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über
Deponien.
• KEMI – Swedish Chemicals Agency (2007): Lead in articles – a government
assignment reported by the Swedish Chemicals Agency and the Swedish
Environmental Protection Agency. Report 5/07, Sundbyberg, Sweden.
• NABU – Naturschutzverband Deutschland (2007): Seeadler durch Munition
gefährdet – Bleivergiftungen häufigste Todesursache.
http://brandenburg.nabu.de/.
• Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittel- und Umweltchemie &
Schweizerische Gesellschaft für Lebensmittelhygiene (2002): Mitteilungen
aus Lebensmitteluntersuchungen 93 (2002) 4. http://www.bag.admin.ch/.
• Umweltbundesamt (2007): Müller, D.: Tontaubenschießplatz Treflling. Wien.
http://www.umweltbundesamt.at.
Ansprechpartner:
Dr. Hubert Reisinger (Umweltbundesamt)
Dr. Raimund Quint (Abt. V/2)
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
65
4.2 Nanotechnologie – österreichischer Aktionsplan im Plan?
Materie:
Das Lebensministerium koordiniert (in Erfüllung des aktuellen Regierungs-
programms) gegenwärtig in Zusammenarbeit mit einem externen Beratungsunter-
nehmen die Arbeiten zur Erstellung eines „Österreichischen Aktionsplans für
Nanotechnologie“. An der Erstellung des Plans sind eine Reihe von Ministerien
(BMG, BMLFUW, BMASK, BMVIT, BMWF) und andere relevante österreichische
Akteure beteiligt.
Mit der Erstellung des Österreichischen Aktionsplanes Nanotechnologie werden
mehrere Ziele verfolgt: Darstellung der bereits erfolgenden Aktivitäten
national/international; Aufzeigen von möglichen Chancen in/für Österreich;
Identifizierung möglicher Risiken für Mensch/Umwelt sowie vorhandener Wissens-
lücken. Daraus folgend liegt der Schwerpunkt auf der Formulierung des österreichi-
schen Handlungsbedarfs sowie konkreter Maßnahmen auf nationaler, EU- und inter-
nationaler Ebene (z.B. Österreichische Forschungsprojekte, Förderprogramme,
Ausarbeitung von Empfehlungen für Mitgestaltung gesetzlicher Vorgaben unter
Miteinbeziehung der Entwicklungen in EU/global, Maßnahmen zur Schließung von
Wissenslücken etc.).
Durch die Fokussierung auf die österreichische Situation wird ein wesentlicher
Mehrwert gegenüber bereits existierenden vergleichbaren Aktionsplänen (z.B.
Europäische Kommission, Schweiz, Deutschland, Niederlande) erzielt.
Derzeitige Problemstellung:
In die Erstellung des Aktionsplanes sind eine Reihe von Akteuren mit unterschied-
lichen Sichtweisen bzw. Interessen involviert. Zu den Aufgaben der Prozess-
organisation zählen unter anderem die Sicherstellung des Informationsflusses
zwischen den Gruppen/Akteuren, Gewährleistung einer strukturellen Stringenz
bzw. die Moderation von themenübergreifenden Materien. Alle Akteure sollen den
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 66
Aktionsplan am Ende mittragen können (müssen aber nicht in allen Punkten einer
Meinung sein).
Strategie:
In der ersten Jahreshälfte 2009 werden vier Arbeitsgruppen für ihre Bereiche die
Ist-Situation und Handlungsempfehlungen ausarbeiten. Die vier Arbeitsgruppen
sind:
• AG Gesundheit inkl. ArbeitnehmerInnenschutz: Leitung BM für Gesundheit
(BMG) in Kooperation mit BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
(BMASK)
• AG Umwelt: Leitung Lebensministerium in Kooperation mit Umweltbundes-
amt GmbH
• AG Innovation, Forschung und Wissenschaft: Leitung BM für Verkehr,
Innovation und Technologie (BMVIT) in Kooperation mit BM für Wissenschaft
und Forschung (BMWF)
• AG Wirtschaft : Leitung Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)
Darauf folgt die Fertigstellung des Aktionsplanes und die Formulierung eines
Ministerratsvortrages.
Termine:
Die fachlichen Arbeiten an diesem Aktionsplan sowie der darauf folgende politische
Entscheidungsprozess sollen bis Ende 2009 abgeschlossen werden.
Ansprechpartnerin:
Mag. Renate Paumann
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
67
4.3 IFCS Forum VI – Substitutionsschwerpunkt, Ergebnisse und follow up
Materie:
Substitution – das Ersetzen problematischer Substanzen und Prozesse durch
bessere, zumindest weniger problematische – ist seit jeher ein wesentliches
Werkzeug der Chemiepolitik. Auch in der Industrie kommt der Substitution bei
Produktentwicklung und Innovation große Bedeutung zu. Da wie dort gilt der
Grundsatz „Das Bessere ist der Feind des Guten“
Im September 2008 fand in Dakar, Senegal, das 6. Treffen des Intergovernmental
Forum for Chemical Safety (IFCS) statt. Eine Plenarsitzung, vorbereitet und
organisiert von Österreich, war dem Thema „Substitution und Alternativen“
gewidmet.
In dieser Plenarsitzung sollte Substitution nicht im Hinblick auf den Ersatz einzelner
problematischer Substanzen besprochen werden, sondern generell, als umfassende
und vorausschauende Strategie.
Die Diskussion mit verschiedenen Stakeholdern, Regierungsvertretern aus allen
Weltregionen, NGO- und Industrievertretern verwendete eine weite Definition von
Substitution, die insbesondere auch nicht-chemische Alternativen umfasst.
Praktische Aspekte standen im Vordergrund, Rechtsfragen blieben weit gehend
ausgeklammert.
Unter dem Vorsitz von Michael Wittmann präsentierten acht internationale
Experten Ihre Beiträge:
• Ken Geiser, University of Massachusetts Lowell USA: Substitution and
Alternative Assessment: Framing, Practice and Opportunities
• Lothar Lissner Kooperationsstelle Hamburg, Germany: How to promote
substitution effectively – practical lessons from case studies
• Richard Kiaka, iLima, Kenya: Dependency syndrome as the underlying
challenge to substitution of toxic chemicals in developing countries and
economies
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• Jorge Pérez, National Cleaner Production Center, Mexico: Chemical Leasing
Business Model: a strategic approach for sustainable management of
chemicals
• Dolores Romano, ISTAS, Spain: Workers promoting substitution – case
studies, tools, databases
• Michael Streek, Schülke & Mayr GmbH, Germany: Substitution strategy of a
manufacturer of disinfectants
• Jorge Méndez, Ministry of Health, Mexico: Lessons learned to phase out DDT
from Mexican Malaria Programme
• Joel Tickner, University of Massachusetts Lowell, USA: Establishing tools and
criteria for facilitating application of substitutes: opportunities and
challenges
Ken Geiser entwarf in seiner Präsentation eine Substitutionsstrategie, die Leitbild
zukünftiger Chemiepolitik und eines nachhaltigen Chemikalienmanagements sein
könnte. Vermehrte Forschung und Entwicklung neuer innovativer und nachhaltiger
Produktionsweisen, die Anwendung neuer ungefährlicher oder weniger gefährlicher
Chemikalien sind notwendige Bestandteile der Substitutionsstrategie. Sie bewirkt
damit die Verbreitung besserer Alternativen in Produkten, am Arbeitsplatz und in
Abfallströmen.
Im Produktionsprozess kann die Substitutionsstrategie auf verschiedenen Interven-
tionsebenen ansetzen:
Auf der Materialebene kann eine Chemikalie durch eine bessere Chemikalie ersetzt
werden.
Auf der Prozessebene kann der Prozess durch einen ersetzt werden, in dem die
Chemikalie nicht mehr benötigt wird.
Auf der Serviceebene kann die mit Hilfe der Chemikalie erbrachte Dienstleistung
anders erbracht werden.
Auf der Systemebene kann der gesamte Geschäftszweig so umgestaltet werden,
dass die Verwendung problematischer Chemikalien nicht mehr nötig ist.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
69
International gibt es in der aktuellen Chemiepolitik mehrere Regelwerke, die
Substitution vorschreiben:
• Der US Clean Air Act verlangt eine Substitutionsanalyse zum Ersatz von
FCKW.
• REACH sieht Substitution im Rahmen des Zulassungsverfahrens Substitution
vor
• Das Stockholmer Übereinkommen (POPs-Konvention) schreibt bei der
Aufnahme neuer Substanzen eine Alternativenbewertung durch das POP
Review Committee (POPRC) vor.
Im Jahr 2005 hat der Staat Massachusetts das Toxics Use Reduction Institute
beauftragt, eine einjährige Alternativenbewertung für fünf problematische
Chemikalien durchzuführen:
• Blei, Perchlorethylen, Formaldehyd, Di (2-ethylhexyl) phthalate und Chrom 6
Das Ziel war dabei, Alternativen zu identifizieren und im Hinblick auf Kosten,
Leistung und Gesundheits- und Umwelteigenschaften zu bewerten. Ergebnis war die
TURI Five Chemicals Alternatives Assessment Study, die auch im Internet
veröffentlicht wurde (http://www.turi.org/library/turi_publications/five_chemicals_study).
Methode der TURI 5 Chemikalien Studie:
1. Schritt: Identifikation der Verwendungsarten der Chemikalie
2. Schritt: Reihung der Verwendungsarten nach Umwelt- und Gesundheits-
relevanz
3. Schritt: Identifikation aller möglichen Alternativen
4. Schritt: Untersuchung der Alternativen
5. Schritt: Reihung der Alternativen für die Studie
6. Schritt: Durchführung der Alternativenbewertung
• Technisch
• Finanziell
• Umwelt- und Gesundheitseffekte
7. Schritt: Anzeige der Ergebnisse
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 70
Neben einer klaren und nachvollziehbaren Methodik zur Identifikation und Bewer-
tung von Alternativen, wofür die Methodik der TURI-Studie vorbildlich sein könnte,
braucht eine Substitutionsstrategie auch ebenso klare und nachvollziehbare Abläufe
für die Implementierung besserer Alternativen, ausreichende wissenschaftliche
Information, ein umfassendes Chemikalienbewertungsschema, einen breiten gesell-
schaftlichen Konsens über das Ziel einer nachhaltigen Wirtschaftsweise sowie die
Unterstützung verschiedener Stakeholder.
Lothar Lissner unterschied 3 Situationen des Substitutionsprozesses mit spezifischen
Problemen, regulativen Optionen und gewünschten Ergebnissen:
• Im ersten Fall ist keine bessere Alternative verfügbar, diese ist erst zu
entwickeln. Forschung und Entwicklung in dieser Phase wären entsprechend
zu unterstützen Unter REACH wäre eine befristete Zulassung zur Entwicklung
tauglicher besserer Alternativen zu nutzen. Gewünschtes Ergebnis dieser
Phase wäre die Entwicklung einer neuen Zubereitung oder eines umgestalte-
ten Prozesses.
• Im zweiten Fall sind bereits (z.B. als Pilotprojekte) existierende Technolo-
gien zu übernehmen. Regulative Option für diesen Fall wäre ein Mix aus
Anreizen und ordnungsrechtlichen Interventionen, das gewünschte Ergebnis
die mittelfristige Implementierung der Alternative
• Im dritten Fall wurde die Substitution von einem Teil der Branche bereits
umgesetzt. Hier wäre Information und eine zwingende Vorschreibung der
Substitution, wenn nötig mit Ausnahmen, das Mittel der Wahl. Gewünschtes
Ziel: Vollständige Implementierung einer Lösung, die sich in der Praxis
bewährt hat.
In der letzten Präsentation stellte Joel Tickner Werkzeuge dar, die derzeit im
Internet öffentlich verfügbar sind (Datenbanken über sicherere Alternativen):
• CLEANTOOL (http://www.cleantool.org)
• PPGEMS & CleanerSolutions Database (http//:www.turi.org)
• PESTICIDES (http://www.pesticideinfo.org)
• USEPA Pollution Prevention Programs (http://www.epa.gov)
• IFCS substitution and alternatives tools (http://www.who.int/ifcs/en/)
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
71
Ebenfalls im Internet sind zahlreiche Informationsquellen verfügbar, in denen
global oder branchenweise bessere Alternativen beschrieben und bewertet werden.
Substitution ist in den seltensten fällen einfach, aber mit den richtigen Werkzeugen
und mit Unterstützung von Wissenschaft und Politik in der Regel machbar. Eine
Substitutionsstrategie geht über einzelne Verbote und Beschränkungen hinaus und
bezieht eine breitere Palette von Substanzen und den Produktionsprozess in die
Beurteilung mit ein, damit die beste verfügbare Alternative tatsächlich umgesetzt
wird. Eine verlässliche Alternativenbewertung ist dabei unbedingt erforderlich.
Regierungen spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie Werkzeuge zur Verfügung
stellen, Unterstützung geben, um den Substitutionsprozess zu erleichtern.
Nach einer kurzen Plenardiskussion wurde eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von
Michael Wittmann beauftragt, Empfehlungen auszuarbeiten, die in einer späteren
Plenarsitzung beschlossen wurden. Die Dakar Recommendations on Substitutions
and Alternatives sind in dieser Ausgabe der ChemNews enthalten.
Zeitgleich mit dem IFCS Forum VI in Dakar fand am 17. September 2008 in Brüssel
eine Konferenz zum Thema Substitution, veranstaltet von der Nichtregierungs-
organisation Chemsec statt. Dabei stellten vor allem große Unternehmen ihre
Substitutionsprogramme vor und Chemsec präsentierte unter dem Titel SIN –
Substitute It Now! eine Liste von Chemikalien, die nach dem Wunsch der Organisa-
tion ins REACH-Zulassungsverfahren kommen sollten.
Die Kooperationsstelle Hamburg hat mit einigen Partnern das Projekt eines
Internetportals zur Substitution gestartet, das alle notwendigen Informationen und
Werkzeuge zur Bewertung von Alternativen und zur Implementierung von Substitu-
tionsprozessen enthalten soll. Das österreichische Umweltministerium hat seine
finanzielle Unterstützung für dieses Projekt zugesagt.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 72
Dakar Recommendations on Substitution and Alternatives Having met in Dakar at the invitation of the Government of Senegal at the sixth session of the Intergovernmental Forum on Chemical Safety from 15-19 September 2008,
Mindful of the overarching goal from the (WSSD) Johannesburg Summit Plan of Implementation: to achieve, by 2020, that chemicals are used and produced in ways that lead to the minimization of significant adverse effects on human health and the environment,
Defining substitution as the replacement or reduction of hazardous substances in products and processes by less hazardous or non-hazardous substances, or by achieving an equivalent functionality via technological or organizational measures, including the use of traditional low- and non-chemical practices,
Having regard to the Strategic Approach to International Chemicals Management (SAICM), in particular to paragraphs 14(j) and 15(g) of the Overarching Policy Strategy,
Recognizing that most existing multilateral environmental agreements, such as the Stockholm Convention, and many national regulatory policies in the chemicals policy area advocate or mandate substitution and the use of alternatives,
Building on the IFCS Forum V recommendations on Tools and Approaches for Applying Precaution in the Context of Chemicals Safety,
Acknowledging the need to promote and support the development and implementation of, and further innovation in, environmentally sound and safer alternatives, including cleaner production, informed substitution of chemicals of particular concern and non-chemical alternatives,
Recognizing that some existing economic policies and other incentives work against substitution and support continued use of dangerous materials,
Considering the costs of inaction with regards to substitution of harmful materials as demonstrated by the global health effects of lead in petrol and paint,
Recognizing the challenges that exist for industry, government, and other stakeholders in developing and applying substitutes,
Understanding the important role of workers, communities and other stakeholders in providing critical information and implementing alternatives,
Taking into account the needs and situations of developing countries and countries with economies in transition to address chemical issues,
The Forum recommends the following actions:
1. For all stakeholders to inform, increase awareness and educate the public, media, enterprises, workers, regulators and administrations about alternative substances and technologies;
2. For governments to support international regulatory frameworks to promote the substitution of dangerous substances, with clear objectives and timelines, supported by national plans;
3. For governments and international organizations to support culturally and economically appropriate tools, technical and administrative capacity of developing countries and countries with economies in transition to develop and adopt alternative substances and technologies;
4. For governments, international organizations, industry, and other stakeholders to promote global substitution of substances which have already been carried out in some parts of the world owing to their widely known and acknowledged harmful impacts on human health and the environment;
5. For governments and international organizations to identify the substances and uses of highest priority concern (carcinogens, mutagens, endocrine disrupters, PBT, vPvB, sensitizers and neurotoxicants) through an international and publicly accessible database on hazardous properties of existing substances;
6. For governments and international organizations to develop an international portal on substitution to raise awareness of a broad range of potential alternatives and to encourage adoption of tested, proven and documented alternatives. This portal should include tools and processes for alternatives assessment and an alternatives database that can be used across sectors and countries;
7. For governments and international organizations to implement a transparent alternatives assessment process in considering exemptions for substances nominated for substitution in national and international chemicals agreements;
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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8. For governments and international organizations to promote publicly accessible systems for collecting information on chemical uses through supply chains, including substances in articles;
9. For governments to support research and development of safe and effective alternatives to chemicals or processes of particular concern by adopting tools such as subsidies and incentives that contribute to favourable regulatory framework and business conditions;
10. For governments and other stakeholders to support the adoption of existing alternatives by a wide range of enterprises in developed, developing and countries in transition through a mixture of incentives, technical support and regulations taking into account sectoral driving and impeding factors;
11. For governments, industry, and other stakeholders to provide mechanisms for training workers, plant operators, environment and health and safety officials and technicians, and others on substitution methodologies and implementation of safer alternatives;
12. For governments and international organizations to establish an international technical support network to facilitate application of safer materials, processes and products in industrial and agricultural settings, via the UNIDO/UNEP Cleaner Production Centre network, agricultural support services and other agencies;
13. For industry associations to encourage chemical producers to take responsibility for the impacts of their products throughout the entire life cycle;
14. For governments, international organizations and industry to effectively engage product manufacturers and retailers and their supply chains in dialogue about development and application of safer alternatives at a global level;
15. For governments and non-governmental organizations to strengthen the capacity of the civil society to promote effective and efficient advocacy for the formulation and implementation of alternative substances, technologies, and processes in all levels of economic development; and
16. For governments and industry to ensure that potentially affected parties, particularly workers, are involved in substitution decision-making to ensure safer alternatives are implemented.
Ansprechpartner:
Dr. Michael Wittmann
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 74
4.4 The Role of Science in Precautionary Decision-Making, 30th and 31st March 2009, Rückblick auf den Internationalen Workshop in Wien
Materie:
Am 30. und 31. März 2009 veranstaltete das Lebensministerium in der Diplomati-
schen Akademie in Wien einen Internationalen Workshop zum Thema „The Role of
Science in Precautionary Decision-Making“, also zur Rolle der Wissenschaft in
vorsorgeorientierten Entscheidungsprozessen, insbesondere in der Umwelt- und
Gesundheitspolitik.
Das Vorsorgeprinzip ermöglicht Maßnahmen zum Schutz vor schweren oder irrever-
siblen Umwelt- oder Gesundheitsgefährdungen auch dann, wenn die Bedrohung
nicht mit letzter wissenschaftlicher Sicherheit erwiesen ist. Dieser Grundsatz ist
deshalb so bedeutsam, weil Wissenschaft ein fortlaufender ergebnisoffener Prozess
und somit „Unsicherheit“ der wissenschaftlichen Forschung immanent ist. Vielmehr
kann durch neue Studien die Sicherheit oder Unsicherheit einer Annahme wesent-
lich erschüttert werden. Der Umwelt- und Gesundheitspolitiker muss aber
Entscheidungen treffen, auch wenn die zugrundeliegenden Daten nicht eindeutig
sind.
Zahlreiche Experten aus dem In- und Ausland diskutierten in Wien Fragen, die das
Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik betreffen: Es wurden die Grenzen
des Risikobewertungsverfahren aufgezeigt und bessere Alternativen dargestellt, die
etwa in Schweden und San Francisco Teil der vorsorgenden Umweltpolitik sind.
Nationale Umweltpolitiken wurden ebenso erörtert wie die Anwendung des Vorsor-
geprinzips auf die Nanotechnologie.
Im Anschluss werden das Konferenzprogramm sowie der Entwurf der Schlussfolge-
rungen der Vorsitzenden abgedruckt.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
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International Workshop on
“THE ROLE OF SCIENCE IN PRECAUTIONARY DECISION-MAKING”
Monday, March 30th and Tuesday, March 31st 2009, Vienna
Final Programme
Monday, March 30th 2009 9.30 REGISTRATION 10.00 OPENING Reinhard Mang, Secretary General, Federal Ministry for the Environment, Austria 10.30 1. Science vs. Precaution?
• David Gee (European Environment Agency, Copenhagen; Denmark): The prevention of early onset, late emergence diseases & dysfunctions: role of the Precautionary Principle
• Franz Xaver Perrez (Federal Office for the Environment, International Affairs Division; Switzerland): Science as a legal term in international environmental law
• Steffen Hansen (Institute of Environment & Resources, Technical University of Denmark): Regulatory nanotoxicology – applying the “Late lessons from early warnings” to nanotechnology
• Debbie Raphael (Department of the Environment, San Francisco; USA): Precautionary decision-making: the use of alternatives assessment in the face of public concern and scientific uncertainty
• David Michaels (Department of Environmental and Occupational Health, Washington; USA): “Sound Science” or sounds like science?
• Les Levidow (Open University, UK): Policy framings of scientific uncertainty: science-based regulation?
• Discussion 13.00 LUNCH (Diplomatic Academy) 14.00 2. Science and Precaution in Practice
• Marco Martuzzi (WHO, Rome, Italy): Precaution and scientific evidence on health effects • Helmut Gaugitsch (Environmental Federal Agency, Vienna, Austria): Science informing Austrian
GMO Policy • Ethel Forsberg (KEMI, Sweden): Science informing Swedish Chemicals Policy
15.00 Working Groups: • Working Group A facilitated by Jessica Schifano (Lowell Center for Sustainable Production):
Communicating Precautionary Measures to Industry and to the Public • Working Group B facilitated by Brian Wynne (University of Lancaster, UK): The Scientific Expert’s
Disclaimer for Informing Political Decision-Makers • Working Group C facilitated by Joel Tickner (Lowel Center for Sustainable Production): Advancing
tools for precaution in science policy Tuesday, March 31st 2009 9.30 3. Science and Precaution in Environmental Policy
• Reports from Monday’s Working Groups • Andrew Stirling (University of Sussex, UK): Science and Politics • David Santillo (Greenpeace, Exeter, UK): Science and precaution: an evaluation of the Commission's
Communication on the precautionary principle • Michael Getzner (University of Klagenfurt, Austria): Science, Precaution and Cost-Benefit Analysis • David Quist (GenØk - Centre for Biosafety, Norway): An excess of objectivity? Scientific expertise and
the challenge to achieve precautionary policy outcomes • Joel Tickner: Science for Solutions: Bringing Science and Precaution together to Protect Ecosystems,
Health and Future Generations • Discussion • Conclusions of the chairs
13.00 END OF WORKSHOP
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 76
International Workshop on “THE ROLE OF SCIENCE IN PRECAUTIONARY DECISION-MAKING” Monday, March 30th and Tuesday, March 31st 2009
Draft Conclusions of the Chairs
In this workshop, its presentations, working groups and discussions, many ideas
about science and its role in informing policy decisions were raised.
There was a broad consensus that in order to protect health and the environment,
we need to take a precautionary approach in risk policy decision-making.
The decision-making tool of precaution is fully compatible with the scientific
method. There can be no contradiction between Science and precaution:
Science makes hypotheses about the way things are and tries to prove them.
Science can develop alternative ways to comfort human needs, to provide services
to society. What science does not: Science does not tell us what to do. It is for the
policy-maker to take decisions, aiming at actions to reach a desirable state.
• Benefit of science is not that it delivers “truth” but that it makes arguments
falsifiable.
• Referring issues to “science” does not make them “apolitical”.
• “Science” can not replace but help the political decision making.
The requirement of fully proving the cause- effect relation beyond any doubt
before taking preventive measures has been called “sound science”. Yet it is not
science, but a policy strategy of “manufacturing uncertainty.
To keep political responsibility where it belongs in a democratic society, with the
legitimated officials, we have to keep science and politics separated.
Good policy decisions have to be informed by available scientific evidence
including information about uncertainties.
As risk assessment is the standard instrument for informing policy-makers for risk
policy decisions, it was discussed intensively
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
77
Some limitations of risk assessment were identified:
• Entry point is risk factor, not policy option
• Does not capture the reality of policy making
• Partial: only measurable, established health impacts. Not suitable for
uncertain determinants.
• Reactive, focused on damage limitation (epidemiological roots), limited
emphasis on benefits
• Narrow model of health
A need for better scientific information and better policy decision-making were
identified: Tools must facilitate decisions which are going to be political so it is
important to define the level of uncertainty that is acceptable. “When do we know
enough to act?” To what extent can we reduce uncertainty and how much can we
achieve value consensus? Can the quality of the science be evaluated? Calls for
more science won’t necessary solve this problem.
In the area of science, more interdisciplinary research could help to adequately
assess multicausal processes and the systemic nature of our environment.
In regulatory science, there is the need to go beyond risk assessment as the
primary tool to inform risk policy decision to new instruments that ask not only for
the safety of an activity but also for the benefit to society
Several tools for better scientific information were discussed. We identified the
need to better communicate uncertainties and unknowns.
Socio-economic analysis, life-cycle analysis, health impact assessment and
cumulative effects analysis are among the instruments to improve decision-making
under uncertainty.
In the area of politics, there is the need for the transparent setting of societal
goals, involving all relevant stakeholders. Consideration of societal benefits could
be the way to break the deadlock of paralysis by analysis. In the appraisal of
benefits, everyone can have a voice, laymen and scientists alike. Considering
benefits in the course of a decision-making process with broad public participation
can lead to decisions that are broadly accepted and seen as legitimate.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 78
At several points of the discussion, we found that Precaution Promotes Better
Science
(“Late Lessons from Early Warnings”, p194.):
“The use of the PP can also bring benefits beyond the reduction of health and
environmental impacts, stimulating both more innovation, via technological
diversity and flexibility, and better science”
Precaution should be the underlying paradigm for the entire decision-making
process. Starting with a precaution-oriented assessment phase, including adequate
degrees of openness and transparency, facilitated by a communication process that
also tackles with possible uncertainties and how they are being dealt with.
Science informing precautionary decision making should be an open process aiming
at a portfolio of instruments and solutions.
Internet:
Beiträge zur Konferenz:
• http://www.umweltnet.at/article/articleview/74769/1/7043
• http://www.umweltnet.at/article/articleview/74772/1/7043
Ansprechpartner:
Dr. Michael Wittmann
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
79
5. ÖSTERREICHISCHE CHEMIKALIENINSPEKTION
5.1 Überwachungsschwerpunkt in den
Bundesländern 2008, Einhaltung der Bestimmungen betreffend Nickel (Ein Resümee)
Die Rechtslage:
Aufgrund von Änderungen im Anwendungsbereich des neuen Lebensmittel- und
Verbraucherschutzgesetzes 2006 ergab sich auch eine Änderung der Zuständig-
keiten hinsichtlich der Vollziehung der nickelrechtlichen Bestimmungen vom
Gesundheitsministerium zum Umweltministerium.
Die alte Nickelverordnung auf Basis des Lebensmittelgesetzes 1975 wurde durch
eine Novelle, BGBL II Nr. 114/2007, zur chemikalienrechtlichen Chem-VerbotsV
2003 im Frühjahr 2007 inhaltlich abgelöst. Die maßgebliche Bestimmung, mit der
Nickelbeschränkungen festgelegt sind, ist nunmehr der § 17a ChemVerbotsV 2003.
Gemäß dieser Regelung sind das Inverkehrsetzen und die Verwendung von Nickel
und seiner Verbindungen in Fertigwaren, die unmittelbar und länger mit der Haut
in Berührung kommen, wie beispielsweise in
• Ohrringen,
• Halsketten, Armbändern und Ketten, Fußringen und Fingerringen,
• Uhren (Gehäuse, Bänder, Spanner),
• Nietknöpfen, Spangen, Nieten, Reißverschlüssen und Metallmarkierungen,
wenn sie in Kleidungsstücken vorkommen
dann verboten, wenn die Nickelfreisetzung von Teilen dieser Fertigwaren, die
unmittelbar und länger mit der Haut in Berührung kommen 0,5 μg/cm² Oberfläche
pro Woche übersteigt. Für Stäbe in jedweder Form, die in durchstochene Ohren
oder in andere durchstochene Körperteile eingeführt werden, beträgt der Freiset-
zungsgrenzwert 0,2 μg/cm² Oberfläche pro Woche.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 80
Der Inhalt dieser Regelung orientiert sich an den EU-rechtlichen Vorgaben der RL
94/27/EG und der RL 2004/96/EG, die im Bereich „Nickel“ Änderungs- bzw.
AnpassungsRL der RL 76/769/EWG darstellen. Für die Bestimmung der Einhaltung
der obigen Freisetzungsgrenzwerte wurden in der EU eigene genormte Prüfmetho-
den festgelegt; diese sollen sicherstellen, dass die nach diesen Normen ermittelten
Ergebnisse valide sind bzw. eine vergleichbare Aussagekraft besitzen. Diese Normen
finden sich in Anhang D zur Chem-VerbotsV 2003.
Wirkung von Nickel auf den menschlichen Organismus:
Die Nickelallergie ist die häufigste Kontaktallergie; die Sensibilisierung auf Nickel
des menschlichen Körpers entsteht allmählich durch Kontakt mit metallischen
Objekten, wenn diese Stunden bis Tage mit der Haut in Berührung kommen.
Nickel kann als oberflächliche Beschichtung oder als Legierungsbestandteil des
metallischen Gegenstandes vorhanden sein. Die Normierung von so genannten
„Freisetzungsgrenzwerten“ von bestimmten nickelhältigen Produkten soll die
Bildung einer Nickelallergie verhindern.
Schwerpunktprogramm:
Die oben geschilderte Kompetenzänderung und auch die steigende Zahl von
Vertreiberketten, die nickelhältige Produkte in Österreich in Verkehr setzen,
veranlassten das Umweltministerium in einer Schwerpunktaktion gemeinsam mit
den Chemikalienkontrollorganen der Bundesländer einen Überwachungsschwer-
punkt in Bezug auf die Einhaltung der Beschränkungsmaßnahmen des § 17a
ChemVerbotsV 2003 in Österreich zu setzen.
Im Rahmen dieses Schwerpunktprojektes wurden im Zeitraum Jänner bis Juli 2008
von den Chemikalieninspektoren der Bundesländer insgesamt 92 Proben an
42 Standorten gezogen. Die Proben umfassten die Produktgruppen Halsketten,
Gürtelschnallen und –nieten, Knöpfe, Ringe, Anhänger, Ohrstecker, Armketten und
Armreifen, Fußketten und Piercingteile. Im Zuge der Probenziehung wurden
allgemeine Informationen, Firmendaten und Produktinformationen gemäß der
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
81
Checkliste für Inspektionen sowie Daten zum Wissen im Betrieb über die Regelun-
gen zum Thema „Nickel“ erhoben.
Von insgesamt 42 besuchten Standorten war das diesbezügliche Wissen um die
nickelrechtlichen Bestimmungen im Betrieb nur bei 18 Standorten vorhanden, bei
größeren Unternehmen war die vorhandene Information standortspezifisch unter-
schiedlich.
Die chemischen Analysen zur Prüfung der Nickellässigkeit gemäß ÖNORM EN 1811
wurden in der Prüfstelle des Umweltbundesamt durchgeführt:
Bei Anhängern (Ketten) wurde die mit der Haut in Berührung kommende Proben-
fläche (Innenseite), bei den Knopfproben die äußere Kontaktfläche geprüft. Bei den
Ringproben wurde die Innenseite und ein Drittel der äußeren Berührungsfläche
getestet. Ohrstecker und Piercings wurden im Hinblick auf die durch die Haut
gestochenen Probenteile und die Haut berührenden Teile sowie die Innenseite der
Verschlüsse untersucht. Die nichtaussagekräftigen Flächen wurden mit Paraffin-
wachs (mit 5 % Paraffinöl) beschichtet. Insgesamt wurden 101 Prüfstücke der
Extraktion in einer künstlichen Schweißlösung unterzogen. Die Anzahl der Prüf-
stücke ist höher als die Probenanzahl, da bei einigen Proben mehrere Prüfstücke
getestet wurden, z.B. Halskette und Anhänger bzw. bei Gürtelproben z.B. Gürtel-
schnalle und –niete.
Bei insgesamt 8 von 101 getesteten Prüfstücken konnten Überschreitungen der
zulässigen wöchentlichen Nickelfreisetzung festgestellt werden (ca. 8 %). Die Über-
schreitungen traten bei 3 Gürtelproben (Gürtelschnallenbestandteile, Nieten) und
bei 4 Knöpfen auf; die Ergebnisse wurden zur weiteren Veranlassung den Bezirks-
verwaltungsbehörden übermittelt.
Ansprechpartner:
Mag. Franz Weinberger
Umweltbundesamt
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 82
5.2 Das Sicherheitsdatenblatt gemäß der REACH-Verordnung
Die Anforderungen an ein Sicherheitsdatenblatt und die Beschreibung der notwen-
digen Inhalte finden sich nunmehr in Art. 31 und Anhang II der REACH-V EG Nr.
1907/2006, mit der u.a. die RL 91/155/EG („SicherheitsdatenblattRL“) aufgehoben
wurde. Inhalt und Form eines auf Basis der REACH-V zu erstellenden Sicherheits-
datenblattes haben sich im Vergleich zu einem auf Grundlage der RL 91/155/EG
nicht wesentlich geändert. Neu ist die inhaltliche Verbindung eines Sicherheits-
datenblattes an den sog. Stoffsicherheitsbericht – wie sich aus der Einleitung zu
Anhang II ergibt:
Die im Sicherheitsdatenblatt enthaltenen Angaben müssen mit den Angaben im
Stoffsicherheitsbericht, sofern dieser vorgeschrieben ist, übereinstimmen. Wurde
ein Stoffsicherheitsbericht erstellt, so wird das einschlägige Expositions-
szenarium/werden die einschlägigen Expositionsszenarien in einen Anhang des
Sicherheitsdatenblatts übernommen, damit unter den entsprechenden Positionen
des Sicherheitsdatenblatts problemlos darauf verwiesen werden kann. Ein Stoff-
sicherheitsbericht ist im Regelfall (für Stoffe ab 10 Tonnen Jahresproduktion oder
Einfuhrmenge in die EU) dann zu erstellen, wenn der Stoff zu registrieren ist.
Weitere Detailänderungen betreffen die Notwendigkeit zur Angabe der Email-
Adresse der sachkundigen Person, die für das Sicherheitsdatenblatt verantwortlich
ist, die Reihenfolge der Kapitel des Sicherheitsdatenblattes, die notwendigen
Eintragungen, wenn die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kenn-
zeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen angewandt wird, sowie die
Pflicht zur Angabe der Registrierungsnummer im Sicherheitsdatenblatt, für Stoffe,
die gemäß der REACH-V bei der ECHA registriert sind.
Die Abgabemodalitäten für das Sicherheitsdatenblatt sind in die REACH-V ohne
inhaltliche Änderungen aus dem früheren EU-Recht übergeführt worden.
Eine „automatische“ Übermittlungspflicht für ein Sicherheitsdatenblatt an berufli-
che Abnehmer besteht demnach – wie bisher – in der Regel für gefährliche Stoffe
und Zubereitungen, und neu für Stoffe, die persistente, bioakkumulierbare und
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
83
toxische oder sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Eigenschaften gemäß
den Kriterien des Anhangs XIII der REACH-V aufweisen, oder wenn der Stoff in die
gemäß Artikel 59 Absatz 1 erstellte Liste aufgenommen wurde. Auf Verlangen ist
auch für Zubereitungen, die als nicht gefährlich eingestuft sind, ein Sicherheits-
datenblatt abzugeben, wenn die nicht gefährliche Zubereitung einen gesundheits-
gefährlichen, umweltgefährlichen oder für den Arbeitnehmerschutz relevanten
(Stoff für den ein MAK- oder TRK-Wert festgelegt ist) Stoff in einer Konzentration
von 1 Massenprozent oder mehr enthält. In Österreich gelten die zusätzlichen –
nicht EU-weit harmonisierten - Abgabepflichten weiter: für Zubereitungen, die in
Österreich vertrieben werden, ist das Sicherheitsdatenblatt auch an die Umwelt-
bundesamt GmbH zur Aufnahme in das Sicherheitsdatenblattregister zu übermitteln
(ohne Aufforderung). Auf Verlangen ist das Sicherheitsdatenblatt auch jedem nicht
berufsmäßigen Abnehmer kostenlos auszuhändigen, also auch an Konsumenten
(private Verbraucher) zu übergeben.
In einer Novelle, BGBl. II Nr. 393/2008, zur ChemV 1999 sind die Bestimmungen des
§ 25 ChemV 1999 auf die inhaltlichen Anforderungen des Art. 31 und Anhang II der
REACH-V angepasst worden und der bisherige Anhang F der ChemV 1999, in dem die
Anforderungen an die Erstellung eines Sicherheitsdatenblattes festgelegt waren, ist
aufgehoben worden.
Auch in der REACH-V kommt dem Sicherheitsdatenblatt eine zentrale Funktion
hinsichtlich der „Erstübermittlung“ von Informationen für den Anwender eines
Produktes und auch für den Vollzug zu.
Der nun geltende Artikel 31 der REACH-V verwendet teilweise eine andere
Terminologie als das ChemG 1996 und die ChemV 1999 – ohne dass diese inhaltliche
Auswirkungen hätte. In der REACH-V ist vom „zur Verfügung stellen“ an „Abneh-
mer“, die Rede wobei die Abnehmer in Artikel 31 Abs. 4 der REACH-Verordnung als
„nachgeschaltete Anwender“ und „Händler“ im Sinne der REACH-V beschrieben
sind. Zu den nachgeschalteten Anwendern zählen gemäß der Beschreibung dieses
Begriffes in Artikel 3 Z 13 der REACH-V, der prinzipiell alle berufsmäßigen Verwen-
der von chemischen Stoffen und Zubereitungen erfasst, jeder, der in weitestem
Sinne im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit mit Chemikalien umgeht, egal ob etwa
im Chemielabor, in einem Handwerksbetrieb, im Spital oder in der Landwirtschaft,
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 84
nicht aber Händler und so genannte „Verbraucher“ (darunter sind private
Konsumenten im Sinne der Konsumentenschutzregelungen zu verstehen). Diese
Abgrenzungen stehen auch im Einklang mit dem einschlägigen österreichischen
Recht, insbesondere mit den Definitionen für gewerbsmäßige Tätigkeiten im Sinne
des § 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. 194/1994 idgF. und in § 25 Abs. 2 Z 1
ChemG 1996. Somit besteht gemäß der REACH-Verordnung prinzipiell die Verpflich-
tung, als Lieferant der beschriebenen Stoffe und Zubereitungen die zugehörigen
Sicherheitsdatenblätter an alle beruflichen Abnehmern, die diese beruflich (zu
Erwerbszwecken) einsetzen, zu übermitteln.
Eine Ausnahme hievon gibt es – in Bezug auf berufliche Abnehmer - nur für Stoffe
und Zubereitungen, die (in identischer Verpackung, Verpackungsgröße, Kennzeich-
nung, etc.) auch für „Verbraucher“ abgegeben werden. Wenn solche Chemikalien
mit ausreichenden Hinweisen, die die sichere Verwendung in ähnlicher Art und
Weise abdecken, wie die Angaben im Sicherheitsdatenblatt, versehen sind, braucht
das Sicherheitsdatenblatt auch dem nachgeschalteten Anwender nur auf Verlangen
– also nicht unaufgefordert – zur Verfügung gestellt zu werden.
Der Begriff des „zur Verfügung Stellens“ wird in der REACH-V mit der gleichen
Bedeutung wie in Artikel 14 der Richtlinie 1999/45/EG verwendet. Gemeint ist
damit nichts anderes als die auch schon bisher in Artikel 1 Abs. 1a und 1b der
Richtlinie 91/155/EWG präzisierte Verpflichtung, Informationen auf einem Sicher-
heitsdatenblatt zu liefern bzw. spätestens bei der ersten Abnahme kostenlos zu
übermitteln und unter bestimmten Voraussetzungen bei jeder Überarbeitung
erneut zu übermitteln.
Der Zweck dieser Regelungen besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass der
Verwender (nachgeschaltete Anwender) die Sicherheitsdatenblätter studiert,
allenfalls Arbeitnehmer instruiert und damit in die Lage versetzt wird, die entspre-
chenden Vorkehrungen für eine sichere Lagerung, Verwendung und Entsorgung der
jeweiligen Stoffe und Zubereitungen zu treffen.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
85
Der Abgeber des Sicherheitsdatenblattes hat dieses daher in der Form, wie es in
der REACH-V verankert ist, aktiv, kostenlos, in Papierform oder elektronisch zu
übermitteln, sei es das ursprüngliche Sicherheitsdatenblatt oder ein überarbeitetes
Sicherheitsdatenblatt bei relevanten Änderungen. In diesem Zusammenhang ist es
als nicht den chemikalienrechtlichen Anforderungen genügend anzusehen, wenn die
Abnehmer der Stoffe oder Zubereitungen nur eine Information erhalten, wann wo
und wie sie das zugehörige Sicherheitsdatenblatt „abrufen“ können, da damit keine
„Übermittlung“ bewirkt wird und es nicht als gesichert angesehen werden kann,
dass der Abnehmer tatsächlich über das Sicherheitsdatenblatt verfügt.
Ansprechpartner:
Mag. Hermann Götsch
Mag. Franz Weinberger
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 86
5.3 Der Vollzug der Verordnung über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien vom 17.6.2008, (EG) 689/2008
Materie:
Mit dieser Verordnung wird das seit 1989 bestehende gemeinsame Notifikations-
system betreffend die Aus- und Einfuhr bestimmter Chemikalien, die wegen ihrer
Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt in der EU oder den
Mitgliedstaaten verboten sind oder strengen Beschränkungen unterliegen, aus
Drittländern bzw. in Drittländer weiter ausgebaut. Die Verordnung setzt das
Rotterdamer Übereinkommen (siehe http://www.lebensministerium.at/ umwelt
Bereich Chemikalien/Internationale Übereinkommen) sowie unter anderem die
Exportverbote des Stockholmer Übereinkommens über POP um. Die der Ausfuhr-
notifikation unterliegenden Chemikalien finden sich in Anhang I der Verordnung und
können unter "search for a chemical" in der Europäischen Datenbank EDEXIM
(http://edexim.jrc.ec.europa.eu) abgefragt werden. Die EU wendet hierbei das
sogenannte PIC-Verfahren, das die Ausfuhr von einer Zustimmung des Importlandes
abhängig macht, auch für jene Chemikalien an, die aufgrund von EU-internen
Verboten/strengen Beschränkungen in die Ächtungsliste des Rotterdamer Überein-
kommens aufgenommen werden könnten (sogenannte Anhang I Teil 2 oder Teil 3
Chemikalien).
Alle aus der EU ausgeführten gefährlichen Chemikalien sind analog dem In-Verkehr-
Setzen im Binnenmarkt zu kennzeichnen. Weiters ist vom Ausführer ein Sicher-
heitsdatenblatt gemäß Artikel 31 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europä-
ischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung,
Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) beizufügen,
wobei die Informationen betreffend die Kennzeichnung und das Sicherheitsdaten-
blatt so weit wie möglich in der/den Amtssprache(n) oder aber in einer oder
mehreren Hauptsprachen des Bestimmungslandes oder des vorgesehenen Einsatz-
gebietes zu verfassen sind.
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009
87
Gemeinsame Behörde der EU ist die Consumer Product Safety and Quality (CPS & Q)
Unit (http://ecb.jrc.ec.europa.eu/) (ehemals Europäisches Chemikalienbüro -
ECB). Bezeichnete Nationale Behörde (Designated National Authority, kurz: DNA) ist
gemäß § 20 Chemikaliengesetz 1996 (BGBl. I Nr. 53/1997 idF BGBl. I Nr. 98/2004)
der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.
In § 20 ChemG Abs. 4 finden sich weiter gehende Beschränkungen der Ausfuhr.
Soweit das In-Verkehr-Setzen von Stoffen, Zubereitungen und Fertigwaren sowie
Pestiziden gemäß ChemG, einer auf ChemG beruhenden Verordnung oder gemäß
einer anderen Regelung des Bundes beschränkt oder verboten ist, ist auch die
Ausfuhr unzulässig, sofern in den angeführten Regelungen nicht anderes bestimmt
ist.
NEU:
Für alle Ausfuhrnotifikationen gemäß Artikel 7, die nach dem 1. November 2008 der
bezeichneten Nationalen Behörde übermittelt wurden, ist nunmehr die Mitwirkung
des Zolls vorgesehen. Artikel 17 Abs. 2 lautet: „Die Ausführer geben in ihrer
Ausfuhranmeldung (Feld 44 des Einheitspapiers oder entsprechende Angabenfelder
in einer elektronischen Ausfuhranmeldung) gemäß Artikel 161 Absatz 5 der Verord-
nung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des
Zollkodex der Gemeinschaften die jeweiligen Kennnummern gemäß Artikel 7
Absatz 2, Artikel 13 Absatz 1 oder Artikel 13 Absatz 9 der vorliegenden Verordnung
an und bestätigen damit die Einhaltung der betreffenden Verpflichtungen.“
Dazu ist eine Information des Bundesministeriums für Finanzen (https://findok.
bmf.gv.at/findok/link?gz=%22BMF-010311%2F0089-IV%2F8%2F2008%22&gueltig=2008
1022&segid=%2237410.1.1+21.10.2008+18%3A01%3A41%3A67%22) ergangen.
Weitere Neuerungen:
PIC-Verfahren:
Bei den in Anhang I Teil 2 aufgeführten Chemikalien, die zur Ausfuhr in OECD-Län-
der bestimmt sind, kann die bezeichnete nationale Behörde des Ausführers in
Absprache mit der Kommission im Einzelfall beschließen, dass keine ausdrückliche
Chem – News XVIII, Aktuelle Stoffpolitische Schwerpunkte der Abteilung V/2, April 2009 88
Zustimmung erforderlich ist, wenn die Chemikalie zum Zeitpunkt der Einfuhr in das
betreffende OECD-Land dort lizenziert, registriert oder zugelassen ist.
Bei in Anhang I Teil 2 und Teil 3 aufgeführten Chemikalien, die zur Ausfuhr in
andere Drittländer bestimmt sind, kann die bezeichnete nationale Behörde des
Ausführers in Absprache mit der Kommission im Einzelfall beschließen, dass die
Ausfuhr stattfinden darf, wenn innerhalb von 60 Tagen keine Antwort auf einen
Antrag auf ausdrückliche Zustimmung eingegangen ist und wenn amtliche
Nachweise der einführenden Vertragspartei des Rotterdamer Übereinkommens oder
des sonstigen Landes darüber vorliegen, dass die Chemikalie lizenziert, registriert
oder zugelassen wurde.
Definition “Ausführer”:
„Ausführer“ ist jede der folgenden Personen, unabhängig davon, ob es sich um
natürliche oder juristische Personen handelt:
• die Person, in deren Namen eine Ausfuhranmeldung abgegeben wird, also die
Person, die zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung Vertragspartner des
Empfängers in einer Vertragspartei oder in einem sonstigem Land ist und die
befugt ist, über die Verbringung der betreffenden Chemikalie aus dem Zoll-
gebiet der Gemeinschaft zu entscheiden;
• in Fällen, in denen kein Ausfuhrvertrag geschlossen wurde oder der Vertrags-
partner nicht im eigenen Namen handelt, die Person, die befugt ist, über die
Verbringung der Chemikalie aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft zu
entscheiden;
• in Fällen, in denen nach dem Ausfuhrvertrag die Verfügungsrechte über die
Chemikalien einer außerhalb der Gemeinschaft niedergelassenen Person
zustehen, der in der Gemeinschaft niedergelassene Vertragspartner.
Position/Strategie:
Die neue Verordnung muss Teil des Vollzugsschwerpunkts im Bereich der Sicher-
heitsdatenblätter bzw. des SDB-Registers sein. Die ChemG-Novelle wird den Bezug
auf die Vorgängerverordnung durch den Bezug auf die neue Verordnung ersetzen.
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Verhandlungspartner:
• Zoll
• ChemikalieninspektorInnen
Termine:
ChemikalieninspektorInnentagung, Bad Schallerbach, OÖ, Mai 2009
AnsprechpartnerInnen:
Dr. Helga Schrott
DI Barbara Perthen-Palmisano
Ing. Karl Markt
Bundesministerium für Finanzen
Bundesländer
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5.4 Dr. Rudolf Aigner - ein Nachruf
von Thomas Jakl
Mit dem Tod Dr. Rudolf Aigners im vergangenen November verliert die österreichi-
sche Chemikalieninspektion eine ihrer stärksten Stützen. Es war sein persönlicher
Stil in dem es ihm gelang inhaltliche Kompetenz mit sozialer Kompetenz zu
verschmelzen und so dem Chemikalienrecht im Burgenland zu einem hohen
Stellenwert zu verhelfen und das Schutzniveau in seiner Heimat zu sichern.
Dr. Aigner vollzog europäisches und österreichisches Stoffrecht mit Herz, Hirn und
Verstand und lieferte für uns alle in diesem Netzwerk der Chemikalieninspektion
Arbeitenden ein eindrucksvolles Beispiel. Er kannte in „seinem Burgenland“ die
wichtigsten Ansprechpartner, die ausschlaggebenden Betriebe und die handelnden
Personen und stand mit ihnen in Kontakt. Er steckte sich selbst hohe Ziele, formu-
lierte eigene Schwerpunktprogramme, die er mit beeindruckender Konsequenz
durchzog. Nicht selten waren wir nach seinen Präsentationen im Rahmen unserer
Koordinationstreffen schwer beeindruckt.
Rudi Aigner hat fachlich Maßstäbe gesetzt und mit seiner Vollzugspraxis ein Modell
für Österreich und weit darüber hinaus geprägt. Für uns von ministerieller Seite
waren seine Beiträge und Kommentare auch deshalb so wertvoll, weil seine
Beurteilung von stoffrechtlichen Vorschriften schonungslos war, was die Anwend-
barkeit der Bestimmungen für den Vollzug anbelangt. So waren es manchmal mit
Leidenschaft geführte, hitzige Diskussionen zu einzelnen Bestimmungen, jedoch
hatten wir den Tisch nie verlassen ohne eine für alle vertretbare Lösung zu finden
und konnten dann bei einem Glas Rotwein – auch das musste natürlich bei Rudi
Aigner stets ein Burgenländer sein – über unsere eigenen Charakterzüge und
Argumentationsketten schmunzeln.
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Man konnte mit Rudolf Aigner nicht nur hervorragend zusammen arbeiten, diskutie-
ren und sich austauschen, es war auch jede Unterhaltung mit ihm ein Gewinn aus
menschlicher Sicht. So groß der Verlust auch für unseren Arbeitsbereich sein mag,
ungleich größer ist der Schmerz seiner Familie – ihr gilt unser ganzes Mitgefühl.