DFG-Projekt „Jugendsprache im Längsschnitt“Leitung: Prof. Dr. Norbert Dittmarwww.jugendsprache–berlin.de
JuSpiL – Korpus „Jugendsprache im Längsschnitt“
Datenerhebung, Dokumentation und erste Ergebnisse
Daniel Steckbauer und Nils BahloFreie Universität Berlin
Münster, 22.November 2008
Inhalt
1. Erhebung natürlicher Daten2. Technische Mittel der Dokumentation3. Transkription gesprochener Sprache4. Diskursmarker in der Jugendsprache – UND und EY
Münster, 22.November 2008
1. Erhebung natürlicher Daten
Natürlichkeit der Daten
- Ziel: Phänomene und Strukturen der Gespräche selbst, direkt und unmittelbar zu erheben und zu dokumentieren
- zu vermeiden: reflektierende oder nachträgliche Einschätzungen, Beurteilungen oder Rekonstruktionen von Gesprächen durch die Beteiligten oder andere Personen
- Metaverfahren wie Gedächtnisprotokolle, Interviews und Fragebögen als unzureichende, im Höchstfall ergänzende Methoden anzusehen
Münster, 22.November 2008
1. Erhebung natürlicher Daten
Natürlichkeit- Beobachterparadoxon: Gespräch soll so dokumentiert sein, dass sich die Beteiligten so verhalten, als würden sie nicht beobachtet werden- sollen spontan entstehen, und typisch / charakteristisch für die besondere Lebenswelt der Teilnehmer sein
Vollständigkeit- Gespräche sollten möglichst in Gänze und vollständig dokumentiert sein (nicht nur das kommunikative Ereignis selbst, sondern auch der jeweils funktional relevante Kontext)- zwei verschiedene Arten: Gesprächskorpus (vollständig dokumentierte Gespräche, mit Anfangs- und Beendigungsphase) vs. Ereigniskorpus
(kommunikative Ereignisse, kürzere Gesprächsequenzen)Störfreiheit
- Beobachterparadoxon: Datenerhebung selbst ein sozial-kommunikativer Vorgang, der den zu dokumentierenden Kommunikationsprozess beeinflusst und somit verändert- je genauer ein kommunikatives Geschehen dokumentiert werden soll, umso größer muss der technische Aufwand sein und umso größer ist der verändernde Einfluss auf das zu dokumentierende Ereignis
Zur Authentizität der Gespräche
Münster, 22.November 2008
1. Erhebung natürlicher Daten
Zwei Alternativen zur Umgehung des Beobachterparadoxons:
- pseudo-offene Aufnahme(grundsätzliche Aufnahmebereitschaft wird eingeholt,Aufnahme wird ohne Ankündigung des Starts durchgeführt)
- provisorisch-verdeckte Aufnahme(nach erfolgter Aufnahme Offenlegung und nachträgliches Einholen der
Einverständniserklärung)
Münster, 22.November 2008
2. Technische Mittel der Dokumentation
Technische Mittel der Dokumentation:
- je mehr Technik eingesetzt wird, umso besser die hergestellte Aufnahme, aber umso größer der Einfluss auf die Aufnahmesituation und umso geringer die Authentizität
- wichtig: Aufnahmen sollen so qualitativ hochwertig wie möglich sein, da eine nachträgliche Verbesserung nicht mehr möglich ist
- Entscheidung, ob Ton- oder Videoaufnahme aber: Videoaufnahmen auch für die reine verbale
Gesprächsanalyse von Vorteil (erleichtert Sprecheridentifikation, indexikalische Verweise als Interpretationshilfe, illustriert den situativen Zusammenhang)
- Miniaturisierung der Technik (Mikrophone UND Aufnahmegeräte) erleichtert die unauffällige oder verdeckte Aufnahme
Münster, 22.November 2008
2. Technische Mittel der Dokumentation
Aufnahmetypen und KorpusdokumentationVier Typen von Gesprächsaufnahmen (Sager 2001: 1031f)
- statische Aufnahme:- Interaktionspartner und Aufnahmeapparatur sind stationär
- punktuelle Aufnahme:- aus einer stationären größeren Gruppe werden verschiedene Subgruppen mit einer mobilen Aufnahmeapparatur aufgenommen
- konspektive Aufnahme:- eine mobile Gruppe wird von einer stationären Aufnahmeapparatur aufgenommen (z.B. Überwachungskamera)
- dynamische Aufnahme- mobile Gruppe wird mit mobiler Aufnahmeapparatur aufgenommen
Münster, 22.November 2008
2. Technische Mittel der Dokumentation
Software für die computergestützte Aufbereitung der Daten
- EXMARaLDA (Thomas Schmidt, Uni Hamburg)http://www1.uni-hamburg.de/exmaralda/
- ELAN (MPI Nimwegen)http://www.mpi.nl/tools/elan.html
- PRAAT (Institut für Phonetik, Uni Amsterdam)http://www.fon.hum.uva.nl/praat/
Münster, 22.November 2008
3. Transkription gesprochener Sprache
- jede Entscheidung für ein bestimmtes Layout bzw. für eine bestimmte Transkriptionskonvention impliziert zugrundeliegende Interessen und eine zugrundeliegende Theorie
Transkription ist ein theoriegeleiteter Prozess der Datenkonstruktion (Selting 2001: 1059)
Münster, 22.November 2008
3. Transkription gesprochener Sprache
Korpus „Jugendsprache“:
- Verwendung des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems GAT (Selting et al. 1998)
- Softwaregestützte, XML-basierte Transkription mit EXMARaLDA (Partiturschreibweise)
Münster, 22.November 2008
3. Transkription gesprochener Sprache
Zeilenschreibweise (GAT)
Beispiel aus: Selting et al. 1998, Basistranskript „Der widerliche Kerl“
- jeder Redebeitrag ohne Simultansprechen beginnt in einer neuen Zeile- das Untereinander der Zeilen bildet ikonisch das Nacheinander der Sprecherbeiträge ab rückt die Sequentialität in den Vordergrund
Münster, 22.November 2008
3. Transkription gesprochener Sprache
Partiturschreibweise (Export aus EXMARaLDA)
- jedem Sprecher ist eine Zeile in der Partitur zugeordnet- gesamte Partitur wird fortlaufend weitergeführt stellt ikonisch die Gleichzeitigkeit der Gesprächsbeiträge der Teilnehmer dar
Münster, 22.November 2008
- Transkription als Annäherung an die zu untersuchenden Daten
- intensive Beschäftigung mit dem Material führt zu Ideen und Hypothesen (direkt am Material)
- Transkription als wichtiger und produktiver Teil der Forschung
Münster, 22.November 2008
4. Diskursmarker in der Jugendsprache
Das-Jugendsprache-im-Längsschnitt-Korpus
- Von 2005 bis 2008 Sprachaufnahmen im Zeltlager der DSJ- Ein Freundeskreis von Jungen und Mädchen aus Berlin- ca. 150 Stunden Gesprächsaufnahmen:
Verdeckte Aufnahmen in den Zelten, in verschiedenen Situationen am Tage, Spontan-aufnahmen, Handygespräche mittels Software,Fotografien von Briefen und Grüßen
- Die Technik/Methodik in den Jahren 2005 - 2008
Münster, 22.November 2008
4. Diskursmarker in der Jugendsprache
DefinitionGünthner und Auer (2003)
Diskursmarker sind:- topologisch durch ihre „periphere“ syntaktische Stellung gekennzeichnet.- selbständige Syntagmen, voran- oder nachgestellt- optional- DM erfüllen eine Reihe von unterschiedlichen diskursbezogenen Funktionen.- DM können prosodisch selbständig sein.- DM sind teilweise homophon mit Adverbien, Konjunktionen etc., unterscheiden sich aber im Bezug auf ihre syntaktische Rolle.
Münster, 22.November 2008
4. Diskursmarker in der JugendspracheBeispiele der „herkömmlichen“ Diskursmarker
UND
Münster, 22.November 2008
4. Diskursmarker in der Jugendsprache
Beispiele jugendsprachlicher Diskursmarker
EY
Münster, 22.November 2008
Diskrusmarker in der Jugendsprache
Intonation: ey man
Time (s)0 2.133
Pitc
h (H
z)
125
5000.566429033
eyman-praatkomplett IntonationOriginal
ey man <<acc> geht mal von hinta unsa:m ZELT weg;>
Münster, 22.November 2008
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!