Diagnose Demenz – und dann?
Auf dem Weg zu Lebensqualität für
Menschen mit Demenz und Begleitpersonen
Gabriele Kaes
Fachstelle Demenz Alterszentren Stadt Zürich
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 2
Nichts über uns, ohne uns!
Helga Rohra
«… Was bleibt, wenn "der Geist schwindet"?
Woran halte ich mich, wenn mein Alltag
brüchig wird?»
«Was jetzt zählt, ist viel Geduld und Liebe
zu sich selbst. Dies sind die ersten und
wichtigsten Schritte aus der Krise. …»
Buch S. 12
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 3
Die Zeit nach der Diagnose…
Erst einmal Verdauungszeit…
Sich informieren und austauschen, sich öffnen und Bezugspersonen einbeziehen…
Bewusst wohltuende Dinge tun… Genussvolle Momente alleine und gemeinsam leben
Absprachen treffen, die Bedürfnisse aller Beteiligten einbeziehen
Aufbau eines Netzwerks von Angehörigen, persönlichen und professionellen Begleitpersonen
Angebote nutzen
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 4
Nichts über uns, ohne uns!
Christian Zimmermann, Peter Wissmann
«… Ich denke, es gibt zwei zentrale Punkte:
Der eine, in dem es einem eröffnet wird.
Betroffene erleben Erschrecken, Schock, ein
Gefühl von Verzweiflung und vermutlich auch
erst einmal Abwehr.
Bei dem anderen Punkt nach dem ersten
Schreck steht eine Entscheidung an. Soll ich
in eine Depression flüchten, mich gar vom
Balkon werfen oder soll ich das Neue, das da
in mein Leben tritt, zu akzeptieren
versuchen?»
Buch S. 48
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 5
DEMENZ
mit Person
„ W a s d u h a s t “
PERSON
mit Demenz
„ W e r d u b i s t “
Personzentrierte Begleitung Tom Kitwood
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 6
Auf dem Weg zumPerspektivenwechsel
Fachwissen
Empathie
wertschätzende Haltung
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 7
Kurzzeit-gedächtnis
Langzeit-gedächtnis
Deklarativexplizit
Semantisch Episodisch
Prozeduralmeist implizit
Fertigkeiten / Abläufe
Wie etwas zu tun ist:
Gemüse rüsten
Einfache Hausarbeit
Singen, Musizieren
Handwerkliches
Spiele
Stricken
Redewendungen
Sprichwörter
Gebete
Gedichte
Bleiben sehr lange erhalten!
Nutzbar zur Tagesgestaltung,
Bestärkung, zum Trost und
zur Identitätsstiftung
Gedächtnis
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 8
Begleitsymptome
Betroffene Menschen nehmen
Störungen wahr… im Innen… im Aussen
Angst
Trauer
Scham
Reizbarkeit
Aggressivität
Agitiertheit (angetrieben)
Apathie
Depression
Ermüdung
Rückzug,
Kontaktscheu
Hohe Verletzlichkeit
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 9
Schutzstrategienvon Menschen (mit Demenz)
Relativieren
Überspielen
Humorisieren
Floskeln und Ablenkungsmanöver
Leugnen, Fremdbeschuldigen
Konfabulieren (ergänzen, ausschmücken)
Rückzug in die Innenwelt
dem Gefühls-Chaos ausgel iefert
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 10
Verletzlichkeitbei Menschen mit Demenz und Angehörigen
Wie geht es mir in verletzlichen Lebensphasen?
Wie verhalte ich mich dann?
Wie möchte ich behandelt werden? Wie nicht?
Grundsätzliche Phänomene verletzlicher Menschen
Rückzug und Abwehr (Schutzstrategien)
Reizbarkeit
Bedürfnis nach achtsam, respektvollem Kontakt, menschlicher Bestätigung und Halt
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 11
Personzentrierte
Begleitung
nach Tom Kitwood
Verstehende, wertschätzende Beziehung,
die Bedürfnisse nach:
Kontakt, Einbezug, Integration in die Gemeinschaft
Beschäftigung, Aufgaben und Anregungen, kreative
Ausdrucksmöglichkeiten und
Zuwendung, Identitätsstiftung & Trost einbezieht
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 12
Ausdrucksverhalten von Menschen mit Demenz
Der Abbau bei Menschen mit Demenz bezieht sich
auf die kognitiven Fähigkeiten:
– Gedächtnis- und Orientierungsstörungen
– Sprachstörungen
– Planung, Einschätzung und Beurteilung
– Entscheidungsfähigkeit
– Erkennungsfähigkeit
– Funktionalität und Motorik / Körperwahrnehmung
zunehmend alltagsrelevante Einschränkungen
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 13
Ausdrucksverhalten von Menschen mit Demenz
Emotionen und emotionaler
Ausdruck bleiben erhalten:MmD sind sehr authentisch, können sich weniger an
normativen Verhaltensweisen im sozialen Kontext orientieren
Braucht sensible Interpretation des individuellen
Ausdrucksverhaltens (verbal, non- und paraverbal),
um Befinden und Bedürfnisse zu erfassen
Und das Fördern und Erkennen kreativer
Ausdrucksmöglichkeiten
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 14
Ausdrucksverhalten Ein Beispiel aus dem Alterszentrum Doldertal
Lampione
Rot ist die Liebe
Es ist ein Zugang
Und es gäbe auch eine schöne Bluse
3 Damen und 1 Herr
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 15
Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt…
Gerät auch das Angehörigen-System aus der Bahn.
Belastungen in allen Lebensdimensionen:
Emotional, Körperlich, Sozial, Finanziell, Strukturell…
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 16
Was beeinflusst die Stärke der Belastung?
Ausgangslage der Angehörigen-Situation
Art der emotionalen Beziehung/en, gemeinsame
Geschichte und Entwicklung
Vorhandensein von echter Wahlfreiheit zur
Übernahme von Betreuungsaufgaben
Rahmenbedingungen
Wissen, Unterstützung und Haltung des Umfelds
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 17
Unterstützungs-möglichkeiten
Hausarzt/HausärztinSozialdienste Gemeinde
ALZ Gipfeltreffen, Ferien, KulturangeboteBeratung und Schulungen
Pro Senectute
Gerontologische Beratungsstelle SiLMemory-Klinik EntlisbergPflegezentren
Memory-Klinik Waidspital
Alzheimer Vereinigung
Spitex
KirchenSeelsorge
Alterszentren, Tageszentren, Ferienaufenthalte, Pflegewohn-gruppen …
Entlastungsdienst CHKanton ZH
Freunde, Kolleg/innenNachbarn, Freiwillige …
Beratung, Unterstützung und Fachwissen
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 20
Lebensqualität für Menschenmit und ohne Demenz
De-Mens oder Pro-Mens?
Gemeinsames Erleben und wirkliches sich
Angenommen fühlen, sind zentrale Quellen der
Wertverwirklichung und Sinnerfahrung für alle
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 21
Nichts über uns, ohne uns!
Kate Swaffer
In ihrem Buch beschreibt sie, was sie im
Alltag erfahren und herausgefordert hat
und welche Mythen der Demenz sie
behindert haben.
Sie plädiert engagiert für einen humanen,
gleichberechtigten Umgang mit Menschen
mit Demenz, der ihnen eine bessere
Lebensqualität ermöglicht.
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 22
«20 Dinge, die man einer Person mit Demenz
nicht sagen oder antun sollte» von Kate Swaffer
Streite dich nicht mit mir über Triviales
Sage nicht: «Weisst du noch, als…»
Denke nicht, dass deine Worte oder dein Verhalten meine Gefühle nicht verletzen, nur weil ich nicht in der Lage bin, es dir direkt zu sagen
Sprich nicht in meiner Gegenwart mit jemand anderem über mich
Nimm nicht an, dass ich nicht kommunizieren kann, nur weil ich Dinge nicht in Worte fassen kann
Sag nicht «Aber das habe ich dir doch soeben gesagt» oder «Das hast du mich bereits gefragt»
Denke nicht, ich würde keine Schmerzen fühlen oder hätte keine Gefühle
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 23
Wichtigster und herausforderndster Grundsatz in der Begleitung verletzlicher Menschen?
EntschleunigungFür achtsame, wertschätzende Wahrnehmung der Person
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 24
Begegnungsclowns für Menschen mit DemenzRosa & Olga
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 25
Begleitende von Menschen mit Demenz
Wichtigste Grundvoraussetzung für gelingende Begleitung von Menschen mit Demenz sind verständnisvolle und achtsame Begleitpersonen
Dafür braucht es Fachwissen und Entlastung in einer Sorgetragenden Gemeinschaft (Gesellschaft)
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 26
Fragen? Jetzt und auch später…
«Geniessen, um geniessbar
zu sein»Therese von Avila
Herzlichen Dank für
Ihr Interesse
Und nicht vergessen, als Begleitperson
auch für sich selber Sorge zu tragen
Diagnose Demenz – und dann?28. Februar 2019, Seite 27
Literaturtipps…
Von Betroffenen
• Helga Rohra: Ja zum Leben trotz Demenz? Medhochzwei, 2016
• Christian Zimmermann, Peter Wissmann: Auf dem Weg mit Alzheimer. Wie sich mit einer Demenz leben lässt. Mabuse, 2014
• Kate Swiffer: "Was zum Teufel geschieht in meinen Hirn?" Ein Leben jenseits der Demenz. Hogrefe, 2017
Für Angehörige / Bezugspersonen
• Huub Buijssen: Die magische Welt von Alzheimer. 25 Tipps, die das Leben mit Demenzkranken leichter und erfüllter machen. Beltz, 2012
• Pauline Boss: Da und doch so fern. Vom liebevollen Umgang mit Demenzkranken. Rüffer & Rub, 2011
• Stefanie Becker: Demenz. Den Alltag mit Betroffenen positiv gestalten. Ein praktischer Ratgeber für Angehörige. Beobachter Edition in Zusammenarbeit mit Alzheimer CH, 2018
• Udo Baer, Gabi Schotte-Lange: Das Herz wird nicht dement. Rat für Pflegende und Angehörige. Beltz, 2017
• John Zeisel: "Ich bin noch hier!" Menschen mit Demenz kreativ begleiten – eine neue Philosophie. Hogrefe, 2011
Vertieftendes Fachwissen
• Irene Bopp-Kistler: demenz. Fakten Geschichten Perspektiven. Rüffer & Rub, 2016