DieDie Dialektisch-Behaviorale Therapie der
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Dr. med. Kirstin Bernhardt
Klinik für Psychosomatik und PsychotherapieDirektor: Prof. Dr. Hohagen
Diagnostische Kriterien der Diagnostische Kriterien der BPS nach DSM-IVBPS nach DSM-IV
1.1. Verzweifeltes Bemühen, ein reales oder Verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres imaginäres Alleinsein zu verhindernAlleinsein zu verhindern
2.2. Muster an Muster an instabilen und intensiven instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungenzwischenmenschlichen Beziehungen (Wechsel zwischen extremer Ideali-(Wechsel zwischen extremer Ideali-sierung und Abwertung)sierung und Abwertung)
3.3. Identitätsstörung Identitätsstörung (ausgeprägte und (ausgeprägte und andauende Instabilität des Selbstbildes)andauende Instabilität des Selbstbildes)
4.4. Impulsivität in mindestens zwei Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden potentiell selbstschädigenden BereichenBereichen (z.B. Geldausgeben, Sex, (z.B. Geldausgeben, Sex, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Freßanfälle)Fahren, Freßanfälle)
5.5. wiederkehrende wiederkehrende Suiziddrohungen, -Suiziddrohungen, -andeutungenandeutungen oder oder -versuche-versuche oder oder selbstverletzendes Verhaltenselbstverletzendes Verhalten
6.6. affektive Instabilitätaffektive Instabilität (ausgeprägte (ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung)Orientierung an der aktuellen Stimmung)
7.7. chronisches chronisches Gefühl der LeereGefühl der Leere
8.8. unangemessene, unangemessene, starke Wutstarke Wut oder oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollierenzu kontrollieren (z.B. häufige (z.B. häufige Wutausbrüche, andauernder Ärger, Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederkehrende Prügeleien)wiederkehrende Prügeleien)
9.9. vorübergehende, stressabhängige vorübergehende, stressabhängige paranoide Vorstellungen paranoide Vorstellungen oder oder schwere schwere dissoziative Symptomedissoziative Symptome
LeitsymptomLeitsymptom
Emotionale DysregulationEmotionale Dysregulation
Subjektiv wahrgenommene, Subjektiv wahrgenommene, nicht zuzuordnende An-nicht zuzuordnende An-spannung oder aversive spannung oder aversive ErregungErregung
SpannungskurveSpannungskurve
Anspannung
ZeitAuslöser
Auslöser
Gesunde
Borderline-Pat.
DBT-relevante VerhaltensmusterDBT-relevante Verhaltensmuster
Emotionale VulnerabilitätEmotionale Vulnerabilität Selbst-Invalidierung, Missach-Selbst-Invalidierung, Missach-
tung der eigenen Wahrneh-tung der eigenen Wahrneh-
mungmung Aktive PassivitätAktive Passivität Pseudo-KompetenzPseudo-Kompetenz Blockierte TrauerBlockierte Trauer
Prävalenz: ca. 4% Prävalenz: ca. 4%
ca. 80% der Betroffenen suchen ca. 80% der Betroffenen suchen therapeutische Unterstützung therapeutische Unterstützung (Torgersen, 1998) auf(Torgersen, 1998) auf
Ca. 19% der psychiatrischen Ca. 19% der psychiatrischen Patienten werden als BPS Patienten werden als BPS diagnostiziertdiagnostiziert
NeurobehavioralNeurobehaviorales es
EntstehungsmodEntstehungsmodellell(nach Bohus & Haaf 2001)(nach Bohus & Haaf 2001)
Frühe Traumata Neurobiologische Prädisposition
Störung der Affektregulation
hohe Dissoziationsneigung
Dysfunktionale Grundannahmen
mangelhafte psychosoziale Realtitätsorientierung
dysfunktionale Bewältigungsstrategien
Akzeptanz ↔ VeränderungAkzeptanz ↔ Veränderung
Patient Therapeut
DialektikDialektik Prinzip der wechselseitigen Prinzip der wechselseitigen
Beziehungen und der GanzheitBeziehungen und der Ganzheit
Prinzip der PolaritätPrinzip der Polarität
Prinzip des kontinuierlichen Prinzip des kontinuierlichen Wandels:Wandels:
These, Antithese und These, Antithese und SyntheseSynthese
Dialektische SpannungsbögenDialektische Spannungsbögen
Akzeptanz vs. VeränderungAkzeptanz vs. Veränderung Vertrauen vs. MisstrauenVertrauen vs. Misstrauen Offenheit vs. VerschlossenheitOffenheit vs. Verschlossenheit Nähe vs. DistanzNähe vs. Distanz Autonomie vs. AbhängigkeitAutonomie vs. Abhängigkeit
Dialektische Dialektische BehandlungsstrategienBehandlungsstrategien
1.) paradoxes Vorgehen1.) paradoxes Vorgehen2.) Einsatz von Metaphern2.) Einsatz von Metaphern3.) Advokatus-Diaboli-Technik3.) Advokatus-Diaboli-Technik4.) Ausdehnen („Extending“)4.) Ausdehnen („Extending“)5.) Aktivierung des „Wissenden 5.) Aktivierung des „Wissenden Zustandes“Zustandes“6.) aus Zitronen Limonade machen6.) aus Zitronen Limonade machen7.) natürliche Veränderungen 7.) natürliche Veränderungen zulassenzulassen
Dialektische Grundannahmen IDialektische Grundannahmen I Die Patientinnen geben sich MüheDie Patientinnen geben sich Mühe Die Patientinnen wollen sich ändernDie Patientinnen wollen sich ändern Die Patientinnen müssen noch mehr Die Patientinnen müssen noch mehr
Anstrengung und Motivation an den Anstrengung und Motivation an den Tag legen, um sich zu ändernTag legen, um sich zu ändern
Die Patientinnen haben zwar nicht Die Patientinnen haben zwar nicht alle ihre Schwierigkeiten selbst alle ihre Schwierigkeiten selbst herbeigeführt, aber sie müssen sie herbeigeführt, aber sie müssen sie trotzdem selbst lösentrotzdem selbst lösen
Dialektische Grundannahmen IIDialektische Grundannahmen II
Das Leben einer suizidalen BPS-Patientin Das Leben einer suizidalen BPS-Patientin ist in dieser Form unerträglichist in dieser Form unerträglich
Die Patientinnen müssen in allen rele-Die Patientinnen müssen in allen rele-vanten Lebensbereichen neue vanten Lebensbereichen neue Verhaltensweisen erlernenVerhaltensweisen erlernen
Die Patientinnen können in der Therapie Die Patientinnen können in der Therapie nicht versagennicht versagen
Therapeuten von BPS-Patientinnen Therapeuten von BPS-Patientinnen brauchen Unterstützungbrauchen Unterstützung
DBT ist ein integrativer DBT ist ein integrativer Therapiensatz!Therapiensatz!
Anwendung Anwendung kognitiverkognitiver und und verhaltens-verhaltens-therapeutischer therapeutischer Techniken (z.B. Problem-Techniken (z.B. Problem-lösen, Exposition, kognitive Umstruktu-lösen, Exposition, kognitive Umstruktu-rierung, Verhaltensanalysen, Kontingenz-rierung, Verhaltensanalysen, Kontingenz-mangement)mangement)
Elemente aus Elemente aus humanistischen Therapie-humanistischen Therapie-verfahrenverfahren (z.B. Gesprächs-, Gestalt-, (z.B. Gesprächs-, Gestalt-, Hypnotherapie)Hypnotherapie)
Integration zen-buddhistischer Integration zen-buddhistischer MeditationstechnikenMeditationstechniken
Betonung der DialektikBetonung der Dialektik, der Validierung , der Validierung und der therapeutischen Beziehungund der therapeutischen Beziehung
Strukturelle Merkmale der Strukturelle Merkmale der ambulanten DBTambulanten DBT
Dauer mindestens 2 JahreDauer mindestens 2 Jahre Bestandteile: Einzeltherapie, Fertig-Bestandteile: Einzeltherapie, Fertig-
keitentraining, Telefonberatung, keitentraining, Telefonberatung, SupervisionSupervision
mind. 150 h Einzel- und 100 h mind. 150 h Einzel- und 100 h GruppentherapieGruppentherapie
Einzel- und Gruppentherapie durch Einzel- und Gruppentherapie durch verschiedene Therapeutenverschiedene Therapeuten
wissenschaftlich evaluiertwissenschaftlich evaluiert
Phasen der ambulanten DBTPhasen der ambulanten DBT
1. Erlernen grundlegender 1. Erlernen grundlegender Fertigkeiten „zum Überleben“Fertigkeiten „zum Überleben“
2. Reduktion posttraumatischer 2. Reduktion posttraumatischer BelastungsreaktionenBelastungsreaktionen
3. Stärkung des Selbstvertrauens 3. Stärkung des Selbstvertrauens und Arbeit an individuellen und Arbeit an individuellen ZielenZielen
Therapieziele der stationären Therapieziele der stationären DBTDBT
1.1. Reduktion von Suizidalität und Reduktion von Suizidalität und SelbstverletzungSelbstverletzung
2.2. Reduktion Reduktion therapiegefährdenden therapiegefährdenden VerhaltensVerhaltens
3.3. Reduktion hospitalisierungs-Reduktion hospitalisierungs-fördernder Verhaltensmusterfördernder Verhaltensmuster
4.4. Generierung der erlernten Generierung der erlernten FertigkeitenFertigkeiten
Voraussetzungen:Voraussetzungen:
Eignung/Motivation im VorgesprächEignung/Motivation im Vorgespräch Suizidalität und Selbstverletzung im Suizidalität und Selbstverletzung im
VordergrundVordergrund keine direkte Übernahme aus dem keine direkte Übernahme aus dem
stationären Settingstationären Setting keine Suchterkrankung im Vorder-keine Suchterkrankung im Vorder-
grund grund kognitive Fähigkeit kognitive Fähigkeit
Phasen der stationären DBTPhasen der stationären DBT
Vorbereitungsphase (2 Wochen)Vorbereitungsphase (2 Wochen)
Hauptbehandlungsphase Hauptbehandlungsphase
(6 Wochen)(6 Wochen)
Abschiedsphase (4 Wochen)Abschiedsphase (4 Wochen)
VorbereitungsphaseVorbereitungsphase Diagnostik (SKID II)Diagnostik (SKID II) Aufklärung über Diagnose/ Behandlungs-Aufklärung über Diagnose/ Behandlungs-
konzeptkonzept Motivationsaufbau und -klärungMotivationsaufbau und -klärung Aufbau der therapeutischen BeziehungAufbau der therapeutischen Beziehung Integration in den StationsalltagIntegration in den Stationsalltag Einzeltherapie, Basis-, 5-Sinne-, Achtsam-Einzeltherapie, Basis-, 5-Sinne-, Achtsam-
keits- und Bezugsgruppekeits- und Bezugsgruppe Arbeit an Therapiezielen, Vorstellung im Arbeit an Therapiezielen, Vorstellung im
TeamTeam Behandlungs- und Non-Suizidvertrag Behandlungs- und Non-Suizidvertrag
HauptbehandlungsphaseHauptbehandlungsphase
Identifikation der wesentlichen Identifikation der wesentlichen ProblemverhaltensmusterProblemverhaltensmuster
Verhaltensanalyse der letzten Verhaltensanalyse der letzten SuizidversucheSuizidversuche
Anleitung zu Selbstbeobachtung und Anleitung zu Selbstbeobachtung und zu Verhaltensprotokollenzu Verhaltensprotokollen
Erkennen wiederkehrender Verhal-Erkennen wiederkehrender Verhal-tensmustertensmuster
zusätzliche Teilnahme an Körper-zusätzliche Teilnahme an Körper-therapie und Fertigkeitentrainingtherapie und Fertigkeitentraining
AbschiedsphaseAbschiedsphase
Integration in das gewohnte soziale Integration in das gewohnte soziale UmfeldUmfeld
Anwendung und Generierung der Anwendung und Generierung der erlernten Fertigkeiten im Alltagerlernten Fertigkeiten im Alltag
Kontaktaufnahme zum ambulanten Kontaktaufnahme zum ambulanten BehandlungsteamBehandlungsteam
Motivation für einen bewußten Motivation für einen bewußten Umgang mit dem Thema „Abschied“Umgang mit dem Thema „Abschied“
Behandlungsmodule der stationären DBT
WochenVorbereitungsphase Phase 1 Phase 2
2 128
Diagnostik
Bezugspflege
Einzeltherapie
Basisgruppe
Körpertherapie
Bezugsgruppe
Sozialer Dienst
Achtsamkeitsgruppe
5-Sinne-Gruppe
Fertigkeitentraining
Pharmakotherapie
bei Persönlichkeits-störungen
hoher Anteil an klinischer Population
hohe Achse-I-Komorbidität
Pharmakotherapie erfolgt ohne klare empirische Grundlage
off-label-use!!
erhebl. Störungen auf interakt. Ebene: versch. Therapeuten, Probleme der Compliance und Behandlungskontinuität
Festmedikation vs. Bedarfsmedikation vs. Medikation bei Krise
Psychopharmaka können die Ausprägung von Persönlichkeitsdimensionen modi- fizieren (Temperamentsvariablen)
Behandlung ist symptomorientiert, nicht störungsspezifisch
nur einzelne Merkmale und nicht die Ge- samtpersönlichkeit beeinflußt
Psychotherapie ist Grundlage der Be- handlung von PS, Pharmakotherapie sollte aber nicht erst bei Mißerfolg der PT bedacht werden
Langzeitbehandlung v.a. wenn langan- dauernde und schwere affektive Symptome das klinische Bild prägen
Behandlungsalgorhythmen nach Wedekind
1. Dopaminerges System
Kognitiv-perzeptionelle Symptome
(z.B. Mißtrauen, paranoide Ideen, Dissoziationen,
seltsames, exzentrisches Denken)
2. Serotonerges System
affektive Symptome
(z.B. Stimmungslabilität, Angst vor Zurück- weisung, übermäßiger Ärger, chronische Leere)
impulsive Symptome (zus. mit dopam. System)
(z.B. Suizidandrohungen, impulsive Aggressivität Suchtverhalten, geringe Frustrationstoleranz)
Erste Wahl:Erste Wahl:
Depressive ZuständeDepressive Zustände: SSRI: SSRI
Krisen-/AnspannungszuständeKrisen-/Anspannungszustände: : Atypische NeuroleptikaAtypische Neuroleptika
massive Stimmungsschwankungenmassive Stimmungsschwankungen: : mood-stabilizermood-stabilizer
NotfallkofferNotfallkoffer
wirksamste Fertigkeiten zur wirksamste Fertigkeiten zur Streßtoleranz, hierarchisch geordnetStreßtoleranz, hierarchisch geordnet
Ziel: Zeit überbrückenZiel: Zeit überbrücken überall anwendbar, immer überall anwendbar, immer
anwendbar, allein anwendbaranwendbar, allein anwendbar am Anfang häufig geübt, später am Anfang häufig geübt, später
„Schatz“ für die Krise„Schatz“ für die Krise
Steßtoleranzfertigkeiten:Steßtoleranzfertigkeiten:
sich ablenken (Aktivitäten, sich ablenken (Aktivitäten, Unterstützen, Gedanken, Gefühle Unterstützen, Gedanken, Gefühle beiseite schieben)beiseite schieben)
sich beruhigen mit Hilfe der 5 Sinnesich beruhigen mit Hilfe der 5 Sinne den Augenblick verändern den Augenblick verändern
(Phantasie, Sinngebung, Gebet, (Phantasie, Sinngebung, Gebet, Meditation)Meditation)
an das Pro & Contra denkenan das Pro & Contra denken
Beispiel:Beispiel:
1. Igelball kneten (3 min)1. Igelball kneten (3 min)
2. Mandala ausmalen (10 min) 2. Mandala ausmalen (10 min)
3. Gedanken-flic-flac (3 min)3. Gedanken-flic-flac (3 min)
4. Photos ansehen (4 min)4. Photos ansehen (4 min)
5. Hometrainer (10 min)5. Hometrainer (10 min)
6. Lieblingstee zubereiten, achtsam trinken6. Lieblingstee zubereiten, achtsam trinken
(10 min)(10 min)
7. Karte einer wichtigen Person schreiben (5 min)7. Karte einer wichtigen Person schreiben (5 min)
8. Putzen (8 min)8. Putzen (8 min)
9. Musik hören (12 min)9. Musik hören (12 min)
10. Duschen (12 min)10. Duschen (12 min)