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Paul Krugman, geboren 1953, lehrt an der Princeton University
und ist einer der bedeutendsten und bekanntesten Wirtschats-
wissenschatler der Welt. 2008 erhielt er den Wirtschatsnobel-
preis. Er gilt als der wichtigste politische Kolumnist Amerikas und
als sprachgewaltigster Ökonom unserer Zeit.
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Paul Krugman
Die neueWeltwirtschaftskrise
Mit einem Nachwort von Irwin L. Collier
Aus dem Englischen von Herbert Allgeier und Friedrich Griese
Campus VerlagFrankurt/New York
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Bibliografische Inormation der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Datensind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufar.ISBN 978-3-593-38933-2
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das giltinsbesondere ür Vervielältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungenund die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Copyright © 1999, 2009. Alle deutschsprachigen Rechte beiCampus Verlag GmbH, Frankurt/Main.Umschlaggestaltung: Kathrin Steigerwald, HamburgSatz: Fotosatz L. Huhn, LinsengerichtDruck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmGedruckt au säurereiem und chlorrei gebleichtem Papier.Printed in Germany
Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
Dieses Buch ist die aktualisierte und um drei Kapitel erweiterte Neuaulagedes 1999 im Campus Verlag unter dem Titel Die große Rezession erschienenenBuches. Die amerikanische Originalausgabe erschien 1999 bei W. W. Norton &Company, New York, unter dem Titel The Return of Depression Economics. DieNeuaulage erschien 2008 bei W. W. Norton & Company, New York, unter demTitel The Return of Depression Economics and the Crisis of 2008. Copyright © 1999, 2008 Paul Krugman. This translation is published by ar-rangement with W. W. Norton & Company, Inc.
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Inhalt
Vorwort ür die deutsche Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Der große Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Warnung überhört: Lateinamerikas Krisen . . . . . . . . . .
. Japans Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Die Asienkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Politik der Unvernunt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Masters o the Universe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Greenspans Blasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Die Schattenwirtschat des Bankwesens . . . . . . . . . . . .
. Das Echo aller Furcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. Keynes kehrt zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Über den Autor von Irwin L. Collier . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort für die deutsche Ausgabe
Gegen Ende dieses Buches erkläre ich, dass die eigentliche Knapp-
heit in der Welt von heute, anders als in den dreißiger Jahren des
vorigen Jahrhunderts, keine Knappheit »der Ressourcen oder gar
der Tugend, sondern der Erkenntnis« ist. Besonders akut scheint
diese Knappheit derzeit in der deutschen Regierung zu sein, was
nicht nur ür Deutschland, sondern ür ganz Europa ein Problem
auwirt.
Zum Hintergrund: Gegenwärtig hat die Finanz- und Wirt-
schatskrise, die in den Vereinigten Staaten begann, ein zweites
Epizentrum entwickelt, diesmal in der Peripherie Europas. Die
Schwierigkeiten der austrebenden Volkswirtschaten Europas
erinnern stark an rühere Probleme in Asien und Lateinamerika –
Lettland ist das neue Argentinien, die Ukraine das neue Indone-
sien. Nimmt man noch die geplatzten Häuserblasen in einigen
höherentwickelten Volkswirtschaten Europas wie Spanien und
Großbritannien hinzu, so ist dadurch ein europaweiter Konjunk-
tureinbruch entstanden, der durchaus so ernst sein könnte wie
der in Amerika. Deutschland ist auch ohne eine Häuserblase nicht
immun: Der Export ist merklich zurückgegangen, und unabhän-
gige Forschungsinstitute sagen die schlimmste Rezession seit dem
Ende des Zweiten Weltkrieges.
Europa braucht wie die Vereinigten Staaten unbedingt einen
iskalischen Stimulus, um den Einbruch der privaten Ausgaben
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wettzumachen. Doch im Unterschied zu den Vereinigten Staaten
besitzt Europa keine gemeinsame Regierung. Deshalb ist es darau
angewiesen, dass die Regierungen der größeren EU-Mitgliedslän-
der zu einer koordinierten Anstrengung bereit sind. Und damit
sind wir beim deutschen Problem.
Aus unerindlichen Gründen scheinen deutsche Spitzenpoliti-
ker das ungeheure Ausmaß der Krise oder die Notwendigkeit einer
energischen Reaktion einach nicht zu begreien. Kanzlerin Merkel
erklärte, an einem »sinnlosen Wettbewerb um Milliarden« werde
sie sich nicht beteiligen. Peer Steinbrück, ihr Finanzminister, ging
noch weiter: Nicht genug damit, dass er es ablehnte, selbst einen
ernstzunehmenden Plan zur Stimulierung der Wirtschat vorzu-
legen, gri er die Pläne anderer europäischer Regierungen an und
war insbesondere Großbritannien vor, einem »krassen Keynesia-
nismus« zu huldigen. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der
Keynesianismus, wie in diesem Buch erläutert wird, alles andere
als krass – er ist der Schlüssel, um die derzeitige Lage zu begreien
und mit ihr ertig zu werden.
Dass die deutsche Regierung es »nicht kapiert«, hat weiter rei-
chende Folgen, als man vielleicht denkt. Die Europäische Union
ist eine hochgradig integrierte Volkswirtschat, und das bedeutet,
dass es ür ein einzelnes Land sehr schwierig ist, eine iskalische
Expansion im Alleingang zu schaen. Wenn Frankreich beispiels-
weise ein unilaterales Programm der iskalischen Stimulierung
betreibt, um Arbeitsplätze zu schaen, werden viele der neuen
Arbeitsplätze nicht in Frankreich entstehen, sondern in anderen
europäischen Ländern – aber die zusätzliche Verschuldung wird
allein Frankreich tragen. Es bedar wirklich einer koordinierten
Expansion, weil sonst ür alle einzelnen Länder ein Anreiz besteht,
zu wenig zu tun – und damit bliebe die gesamteuropäische Ant-
wort au die Krise weit hinter dem zurück, was jetzt nötig ist.
Eine koordinierte europäische Antwort wird es jedoch nicht
geben, wenn die größte Volkswirtschat Europas nicht erkennt,
dass jetzt gehandelt werden muss.
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Vorwort ür die deutsche Ausgabe 9
Frau Merkel und ihre Beamten glauben anscheinend noch
immer, hier herrschten die normalen Regeln der Wirtschat, jene
Regeln, die dann gültig sind, wenn man mit Geldpolitik noch etwas
ausrichten kann. Sie haben nicht begrien, dass in Europa genau
wie in den Vereinigten Staaten mittlerweile ein Depressionsklima
eingezogen ist, in dem die normalen Regeln nicht mehr gelten. So-
bald wir wieder normale Verhältnisse haben, werde ich jenen, die
wie Herr Steinbrück iskalische Disziplin predigen, gern die ihnen
gebührende Ehre erweisen. Sich jetzt aber an die Orthodoxie zu
klammern, ist hochgradig destruktiv – ür Deutschland, Europa
und die Welt.
Paul Krugman
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Einleitung
Die meisten Ökonomen – soern sie sich überhaupt mit dem Thema
beschätigen – halten die Weltwirtschatskrise der dreißiger Jahre
ür eine unnötige, vermeidbare Tragödie. Wenn nur der Präsident
der Vereinigten Staaten von Amerika Herbert Hoover angesichts
des Konjunkturrückgangs weniger Haushaltsdisziplin geübt hätte;
wenn nur die Notenbank (Federal Reserve) nicht au Gedeih und
Verderb zulasten der heimischen Wirtschat am Goldstandard
estgehalten hätte; wenn nur der Staat den bedrohten Banken mit
Liquidität zu Hile geeilt wäre, um dem Bankenansturm, der sich
1930/31 anbahnte, rühzeitig zu wehren – dann hätte der Börsen-
krach des Jahres 1929 nie solche Konsequenzen zeitigen können.
Alles wäre bei einer ganz normalen, schon bald vergessenen Re-
zession geblieben. Und da ja Ökonomen wie Politiker ihre Lektion
anscheinend gelernt haben, wird sich eine Depression dieses Kali-
bers bestimmt niemals wiederholen. Kein heutiger Finanzminis-
ter würde Andrew Mellons berühmtem Ratschlag olgen und mit
einer Radikalkur alles vor die Hunde gehen lassen (alles »liquidie-
ren« – Arbeitsplätze, Börse, Farmer, Immobilien et cetera), um das
System gleichsam von Grund au zu sanieren.
Aber ist diese Zuversicht wirklich gerechtertigt? Ende der neun-
ziger Jahre geriet eine Gruppe asiatischer Volkswirtschaten – die
zusammengenommen immerhin ür ein Viertel der Weltproduk-
tion sorgten und eine Bevölkerung von rund 700 Millionen au-
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wiesen – in eine Wirtschatskrise, die in geradezu beängstigender
Weise an die große Depression der dreißiger Jahre erinnerte. Wie
in den Dreißigern schlug die Krise gleich einem Blitz aus heiterem
Himmel zu, wobei die meisten Kommentatoren noch eine Fort-
setzung des Booms prognostizierten, als der Abschwung längst
an Dynamik gewonnen hatte; und wie in den Dreißigern erwie-
sen sich die gängigen wirtschatlichen Rezepte als unwirksam,
vielleicht sogar als kontraproduktiv. Die Tatsache, dass so etwas in
unserer modernen Welt überhaupt noch geschehen konnte, hätte
jedem, der einen Sinn ür Geschichte hat, einen Schauer über den
Rücken jagen sollen.
Mir jedenalls erging es so. Die erste Aulage dieses Buches ent-
stand als Reaktion au die Asienkrise der neunziger Jahre. Wäh-
rend manche Beobachter diese Krise als speziisch asiatisches
Phänomen betrachteten, sah ich sie als ein schlechtes Omen ür
uns alle – als Warnung, dass die Probleme nachhaltiger Konjunk-
tureinbrüche keineswegs aus der modernen Welt verschwunden
sind. Es stimmt mich durchaus nicht röhlich, dass ich mit meinen
Beürchtungen Recht behalten habe: Während diese Neuaulage
in Druck geht, kämpt ein Großteil der Welt – und zuvörderst die
Vereinigten Staaten – mit einer Finanz- und Wirtschatskrise, die
der großen Depression der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts
eher noch stärker ähnelt, als dies bei der Asienkrise der neunziger
Jahre der Fall war.
Dabei glaubten wir, wirtschatliche Schwierigkeiten der Art,
wie Asien sie vor gut zehn Jahren erlebte und wie sie die Welt heute
erneut bedrohen, inzwischen im Gri zu haben und somit ver-
hindern zu können. Mochten in den schlechten alten Zeiten auch
große, ortgeschrittene Länder mit stabilen Regierungen – wie
Großbritannien in den zwanziger Jahren – mit längeren Stagna-
tions- und Delationsperioden ihre Probleme gehabt haben: An-
gesichts der wissenschatlichen Erkenntnisortschritte von John
Maynard Keynes bis Milton Friedman, dachten wir, sollte es kün-
tig kein Problem mehr sein, derlei Entwicklungen zu unterbinden.
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Einleitung 13
Mochten kleinere Länder – etwa Österreich 1931 – rüher einmal
den internationalen Kapitalströmen machtlos gegenübergestan-
den haben: Heute dürte es angesichts des Sachverstands von
Banken und Regierungen (ganz zu schweigen vom Internationa-
len Währungsonds) keine Schwierigkeit mehr sein, rasch ein ge-
eignetes Maßnahmenpaket zu schnüren, um solche Krisen recht-
zeitig zu managen. Früher mochten Regierungen – wie 1930/31 die
amerikanische – hillos zugesehen haben, wie ihr Bankensystem
zusammenbrach; doch in der modernen Welt gibt es ja schließlich
die Einlagengarantie und außerdem eine mächtige Zentralbank,
die solche Entwicklungen zu verhindern weiß, indem sie die be-
drohten Einrichtungen rechtzeitig mit Liquidität versorgt. Zwar
war kein vernüntiger Mensch so vermessen zu glauben, nun
seien alle wirtschatlichen Probleme ein ür alle Mal vom Tisch;
aber wir hatten schon das Geühl, dass es so dick wie in den zwan-
ziger und dreißiger Jahren nie mehr kommen könne.
Eigentlich aber hätten wir bereits vor zehn Jahren sehen müs-
sen, dass unser Selbstbewusstsein arg überzogen war. Japan
steckte ast die gesamten neunziger Jahre über in einer ökono-
mischen Falle, die Keynes und seinen Zeitgenossen vollkommen
vertraut vorgekommen wäre. Die kleineren asiatischen Volkswirt-
schaten wiederum stürzten praktisch über Nacht vom Boom in
die Baisse – doch auch das Drehbuch ihres Niedergangs könnte ge-
radewegs einem Werk der Wirtschats- und Finanzgeschichte der
dreißiger Jahre entstammen.
Ich verglich das Ganze damals mit ehedem hoch inektiösen,
dank der modernen Medizin aber längst als besiegt geltenden Bak-
terien, die sozusagen in einer neuen Variante augetaucht waren,
gegen welche die üblichen Antibiotika nichts ausrichten konn-
ten. Hier ein kurzer Auszug aus der Einleitung zur ersten Aulage:
»Noch reilich ist die Zahl der Oper gering. Dies kann jedoch ür
alle anderen nur heißen, alles daranzusetzen, um möglichst rasch
neue Gegenmittel und prophylaktische Maßnahmen zu entwi-
ckeln, damit weitere Oper vermieden werden.«
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Nun, wir waren dumm genug, den Rat nicht zu beolgen. Und
jetzt hat es uns erwischt.
Ein Großteil dieser neuen Aulage beschätigt sich mit der Asien-
krise der neunziger Jahre, die sich als eine Art Vorläuer der globa-
len Krise herausstellt, mit der wir es gegenwärtig zu tun haben.
Ergänzend indet sich jedoch auch umangreiches neues Material,
das Licht au die Frage weren soll, wie es dazu kommen konnte,
dass die Vereinigten Staaten sich in einer ähnlichen Situation wie-
deranden wie Japan ein Jahrzehnt zuvor, dass es Island nicht viel
anders erging als damals Thailand und dass die ursprünglichen
Krisenländer der neunziger Jahre sich mit Schrecken erneut am
Rande des Abgrunds sahen.
Über dieses Buch
Ich will es vorweg sagen: Es handelt sich im Kern um eine analyti-
sche Abhandlung. Es geht mir also weniger um das Was, sondern
um das Warum. Das Ziel ist, einige zentrale Zusammenhänge zu
verstehen: Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen? Wie
können sich die betroenen Länder aus ihrer Misere bereien? Wie
können wir Ähnliches in Zukunt verhindern? Letztlich geht es
also darum, die Theorie des Falles zu entwickeln (wie man an den
Business Schools sagen würde). Wir müssen versuchen, System in
die Sache zu bekommen.
Gleichzeitig kam es mir jedoch darau an, ein allzu trockenes
und theorielastiges Vorgehen zu vermeiden. Der Leser wird also
nicht mit mathematischen Gleichungen belästigt, so wenig wie
mit schwer verständlichen Diagrammen. Und ich habe mich auch
bemüht, Fachjargon möglichst beiseite zu lassen. Als an akade-
mische Verhältnisse gewöhnter Ökonom würde es mir bestimmt
nicht schwer allen, ein Buch mit sieben Siegeln zu schreiben.
Solche Fachpublikationen haben ja auch durchaus ihren Sinn
und spielten eine wichtige Rolle im Erkenntnisprozess, dessen
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Einleitung 15
Ergebnisse ich hier präsentiere. Doch worau es jetzt ankommt,
sind sachgerechte politische Maßnahmen. Und um diese zu er-
möglichen, müssen die gewonnenen Ideen und Einsichten einem
breiteren Publikum – und nicht nur Fachkollegen – au möglichst
verständliche Weise dargeboten werden. Im Übrigen sind die Glei-
chungen und Diagramme der Volkswirtschatslehre sowieso nur
das Gerüst, mit dessen Hile das intellektuelle Gebäude errichtet
wird. Sobald Letzteres steht, kann man das Gerüst wieder enter-
nen. Übrig bleiben sollte nur klarer, verständlicher Text.
Der Leser wird auch eststellen, dass ungeachtet des analyti-
schen Grundanliegens viel Erzählerisches im Spiel ist. Dies hat
zum einen damit zu tun, dass der Erzähladen – die Entwicklung
der Ereignisse – häuig wichtige Anhaltspunkte daür lieert, wel-
che Theorie des Falles denn sinnvoll ist. (Beispiel: Eine undamen-
talistische Sicht der Wirtschatskrise – die gleichsam annimmt,
dass eine Volkswirtschat immer nur die Strae bekomme, die sie
verdient – muss den sonderbaren Zuall erklären können, warum
so viele oenkundig ganz verschiedene Volkswirtschaten bin-
nen weniger Monate so tie in den Schlamassel gerieten.) Als wei-
terer Punkt kommt hinzu, dass der Erzähladen erst den nötigen
Kontext ür die Erklärungsversuche schat, zumal die wenigsten
Leser mit der Entwicklung und den Geschehnissen der letzten ein-
einhalb Jahre hinreichend vertraut sein dürten. Nicht jeder wird
zum Beispiel wissen, was Mohamad Mahathir im August 1997 in
Kuala Lumpur von sich gab, und kaum jemand wird die Verbin-
dungslinien zu dem ziehen können, was Donald Tsang ein Jahr
später in Hongkong tat. Nun, dieses Buch soll dem Gedächtnis des
Lesers au die Sprünge helen.
Eine Anmerkung zum Thema »intellektueller Stil«: Wirtschats-
autoren sind ot versucht, sich prätentiös zu geben, vor allem bei so
ernsten Themen. Natürlich geht es um sehr wichtige Dinge, nicht
selten um Leben und Tod. Doch viele von ihnen scheinen zu glau-
ben, dass ein ernstes Thema einen gespreizten Stil erordere, dass
große Fragen große Worte verlangten, dass Inormelles und Locke-
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res da keinen Platz habe. Tatsache ist aber, dass man neuen und
unverstandenen Phänomenen au spielerische Weise viel eher au
den Grund kommt. Das Wort »spielerisch« benutze ich hier übri-
gens in voller Absicht. Denn den Salbungsvollen und Hochtraben-
den, die alles Lockere grundsätzlich ür unter ihrer Würde halten,
gelingt es selten, ür rischen Wind zu sorgen – in der Ökonomie so
wenig wie anderswo. Nehmen wir olgende Aussage als relativ ty-
pisches Beispiel: »Japan leidet derzeit an undamentalen Abstim-
mungsdeiziten, weil sein staatsorientiertes Wachstumsmodell zu
struktureller Inlexibilität ührt.« Das hört sich gelehrt an, doch
der Inormationswert geht gegen Null. Bestenalls bringt der Satz
zum Ausdruck, dass die Probleme groß und die Lösungen schwie-
rig sind – und Letzteres ist möglicherweise auch noch alsch. Neh-
men wir demgegenüber an, ich illustriere Japans Schwierigkeiten
anhand eines unterhaltsamen Beispiels, etwa dem Au und Ab in
einer Babysitting-Kooperative (dieses Beispiel wird in der Tat noch
mehrach autauchen). Manchem Leser mag so etwas zu läppisch
erscheinen, manch einen mag es gar beremden. Doch dieses
spielerisch-lockere Vorgehen verolgt einen wichtigen Zweck: Es
erönet nämlich eine neue Sicht au die Sache und legt in unse-
rem Fall den Schluss nahe, dass es ür Japan vielleicht tatsächlich
einen überraschend einachen Weg aus der Krise gibt (jedenalls
partiell). Erwarten Sie also kein hochgestochenes Buch! So ernst
es mir mit meinem Anliegen ist, so locker und unprätentiös soll
es – im Interesse der Sache – bei der Darstellung zugehen.
Und damit beginnen wir nun unsere Reise, ausgehend von jener
Welt, wie sie sich uns vor wenigen Jahren noch darbot.
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Kapitel
Der große Irrtum
2003 war es, als Robert Lucas, Proessor an der Universität von Chi-
cago und Wirtschatsnobelpreisträger des Jahres 1995, in seiner
präsidialen Ansprache zur Erönung der Jahrestagung der Ame-
rican Economic Association einen bemerkenswerten Satz von sich
gab. Nachdem er zunächst über die Entstehung der Makroökono-
mik als Antwort au die Weltwirtschatskrise der dreißiger Jahre
reeriert hatte, erklärte er, dass es ür diese Disziplin nun an der
Zeit sei, einen Schritt nach vorne zu machen: »Das zentrale Pro-
blem der Depressionsvermeidung«, sagte er, »ist in jeder prakti-
schen Hinsicht gelöst.«
Damit wollte Lucas natürlich nicht zum Ausdruck bringen,
dass der Konjunkturzyklus – das Au und Ab des unregelmäßi-
gen Wechsels zwischen Schrumpung (Rezession) und Wachstum
(Expansion), das uns über gut eineinhalb Jahrhunderte begleitet
hat – nunmehr gänzlich der Vergangenheit angehöre. Wohl aber
behauptete er, dass der Zyklus so weit gezähmt, mithin unter Kon-
trolle sei, dass der Nutzen weiterer Bemühungen au diesem Ge-
biet trivial erscheine: Die Glättung der kleineren Schwankungen
im Wirtschatswachstum, so Lucas, brächte nur unbedeutende
Steigerungen des Gemeinwohls. Daher sei es an der Zeit, Themen
wie das langristige Wirtschatswachstum ins Zentrum der Au-
merksamkeit zu rücken.
Lucas war mit seiner Meinung, die Vermeidung ausgedehnter
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und tie greiender Rezessionen sei als Problem vom Tisch, kei-
neswegs allein. Ein Jahr später hielt auch Ben Bernanke, ehemals
Proessor in Princeton, bevor er zur Fed ging und bald darau ihr
Vorsitzender wurde, unter dem Titel The Great Moderation (rei
übersetzt: Die gelungene Zähmung) eine bemerkenswert opti-
mistische Rede. Darin vertrat er ganz ähnlich wie Lucas die Au-
assung, dass die moderne makroökonomische Politik die Kon-
junktur inzwischen im Gri habe – oder genauer: das Problem
zumindest so weit unter Kontrolle, dass es allenalls noch kleinere
Unpässlichkeiten, aber keine schweren Krisen mehr verursachen
könne.
Blickt man heute, nur wenige Jahre später, au diese orschen
Aussagen zurück, wirkt ihre Naivität angesichts einer weltweit wü-
tenden, nur allzu sehr an die dreißiger Jahre erinnernden Finanz-
und Wirtschatskrise geradezu erschütternd. Was diesen Optimis-
mus noch seltsamer macht, ist die Tatsache, dass ökonomische
Probleme gravierender, an die Große Depression erinnernder Art
auch in den neunziger Jahren keineswegs aus der Welt waren. Im
Gegenteil. Es gab sie in einer Reihe von Ländern – darunter Japan,
der zweitgrößten Volkswirtschat der Welt.
Freilich waren die Vereinigten Staaten zu Beginn dieses Jahr-
zehnts noch von depressionsartigen Problemen verschont geblie-
ben. Gleichzeitig schien die Inlation – die Geißel der siebziger
Jahre – endlich unter Kontrolle zu sein. Hinzu kam, dass die relativ
beruhigenden Wirtschatsnachrichten in ein politisches Umeld
eingelagert waren, das seinerseits den Optimismus stützte: Die
Welt schien den Marktwirtschaten gewogener zu sein als je zuvor
in ast neunzig Jahren.
Der Siegeszug des Kapitalismus
Dieses Buch dreht sich um wirtschatliche Zusammenhänge; doch
alles Wirtschatliche spielt sich in einem politischen Rahmen ab.
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Der große Irrtum 19
Die Welt, wie sie sich uns noch vor ein paar Jahren darstellte, lässt
sich daher nur richtig deuten, wenn wir das grundlegende politi-
sche Faktum der neunziger Jahre mit berücksichtigen: den Zusam-
menbruch des Sozialismus, und zwar nicht nur au politischer,
sondern auch au intellektueller Ebene.
Ausgangspunkt dieser Entwicklung war ausgerechnet China.
Man kann es noch immer nicht ganz begreien, dass Deng Xiao-
ping sein Land 1978 au einen in der Konsequenz kapitalistischen
Weg brachte – nur drei Jahre nach dem Sieg der Kommunisten in
Vietnam und nur zwei Jahre nach der internen Niederlage der ra-
dikalen Maoisten, die ja eine neue Kulturrevolution anstrebten.
Es ist allerdings zu vermuten, dass Deng damals nicht völlig klar
war, wohin dieser Weg letztlich ühren würde. Au jeden Fall aber
brauchte der Rest der Welt sehr lange, um zu begreien, dass ein
Milliardenvolk still und leise Abschied vom Maoismus genommen
hatte. Selbst Anang der neunziger Jahre hatten viele Intellektuelle
noch immer nicht richtig verstanden, welcher Wandel in China im
Gange war. Die Bestseller jener Zeit malten noch immer das Bild
vom Kamp zwischen dem großen Dreigestirn Europa, Amerika
und Japan. China tauchte allenalls als sekundäre Größe au, mit-
unter als Teil eines sich entwickelnden Yen-Blocks.
Eine andere Veränderung jedoch war allen klar. Gemeint ist der
Zusammenbruch der Sowjetunion.
Niemand kann so recht erklären, was dem Sowjetregime eigent-
lich wideruhr. In der Rückschau neigen wir dazu, das ganze Sys-
tem ür von Grund au unsolide zu halten, weshalb der Zusam-
menbruch unvermeidlich gewesen sei – irgendwann. Wir sollten
aber nicht vergessen, dass es ein Herrschatssystem war, das
Bürgerkrieg und Hungersnot überdauerte, das wider alle Erwar-
tungen die Nazis besiegte, das durch Mobilisierung seiner wissen-
schatlichen und industriellen Ressourcen sogar der Atommacht
Amerika Paroli zu bieten vermochte. Dass es mit diesem System so
plötzlich zu Ende ging – nicht mit einem Knall, sondern mit einem
Seuzer! –, ist im Grunde eines der großen Rätsel der politischen
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20 Die neue Weltwirtschatskrise
Ökonomie. Vielleicht war es ja wirklich nur eine Frage der Zeit –
möglicherweise lässt sich der revolutionäre Eier (jenseits aller Be-
reitschat, Andersdenkende im Namen eines höheren Gemein-
wohls einen Kop kürzer zu machen) tatsächlich nur über zwei,
vielleicht drei Generationen konservieren. Vielleicht auch lag es
am Kapitalismus, dem es gar nicht einiel, sich in der ihm zuge-
schriebenen Dekadenz zu präsentieren, sodass das sozialistische
System immer stärker unterminiert wurde. Ich persönlich halte
es ür denkbar (ohne nun empirische Belege anühren zu können),
dass der wirtschatliche Austieg der kapitalistischen Volkswirt-
schaten Asiens die Sowjetherrscher au subtile, doch nachhaltige
Weise demoralisierte, stellte er doch den lebenden Gegenbeweis zu
der These dar, der Sozialismus habe die Geschichte (beziehungs-
weise die Zukunt) au seiner Seite. Verstärkend hinzu kam sicher-
lich der krätezehrende, nicht zu gewinnende Krieg in Aghanis-
tan, erner die oenkundige Unähigkeit der Sowjetwirtschat,
Ronald Reagans Aurüstung zu kontern. Doch was auch immer die
Gründe gewesen sein mögen – 1989 brach die Sowjetherrschat in
Osteuropa urplötzlich zusammen, und 1991 geschah Gleiches mit
der Sowjetunion selbst.
Die Auswirkungen dieses Zusammenbruchs waren überall au
der Welt spürbar, mal mehr, mal weniger direkt. Gewinner war
stets der Kapitalismus, dessen politische und ideologische Vor-
herrschat nun immer deutlicher wurde.
Erstens natürlich anden sich mehrere hundert Millionen Men-
schen, die bis dahin unter marxistischer Herrschat gelebt hatten,
plötzlich als Bürger von Staaten wieder, die sich den Märkten ö-
neten. Es überrascht allerdings, dass sich dies in gewisser Weise
als die am wenigsten durchschlagende Konsequenz des Zusam-
menbruchs des Sowjetreiches erweisen sollte. Entgegen der allge-
meinen Erwartung nämlich stürmten die »Volkswirtschaten im
Übergang« nicht ungestüm au die Weltmärkte und entwickelten
sich nicht zu bevorzugten Investitionsräumen ür internationa-
les Kapital. Im Gegenteil. Den meisten Ländern iel der Übergang
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Der große Irrtum 21
ausgesprochen schwer. Ostdeutschland zum Beispiel wurde zum
deutschen Mezzogiorno, einem sozial- und inanzpolitischen
Problemgebiet, dem es schwer iel, au die Beine zu kommen. Erst
jetzt, ast zwei Jahrzehnte nach dem Fall des Kommunismus, schä-
len sich ein paar Länder heraus – Polen, Estland, Tschechien –, in
denen sich wirtschatlicher Erolg einzustellen scheint. Und Russ-
land selbst ist ür den Rest der Welt überraschenderweise zu einer
enormen Quelle inanzieller und politischer Instabilität gewor-
den. Doch mehr zu diesem Thema in Kapitel 6.
Eine direkte weitere Auswirkung des Zusammenbruchs des
Sowjetregimes bestand darin, dass jene Länder, die au die Unter-
stützung der Sowjetunion vertraut hatten, nun plötzlich au sich
selbst gestellt waren. Da jedoch einige dieser Länder den Gegnern
des Kapitalismus als Ideal und Idol gegolten hatten, versetzten die
plötzliche Armut dieser Staaten – und die Erkenntnis ihrer Ab-
hängigkeit von der UdSSR – der Legitimität aller dieser Bewegun-
gen einen schweren Schlag. Solange Kuba die heldenhate Nation
spielte, die als kleiner Zwerg den starken USA die Zähne zeigte, war
es den Revolutionären in ganz Lateinamerika ein äußerst will-
kommenes Symbol des Kampes – weit brauchbarer natürlich als
die grauen Bürokraten im ernen Moskau. Die Schäbigkeit und
Tristesse des nachsowjetischen Kuba ist daher nicht nur an sich
desillusionierend; sie macht auch schmerzlich klar, dass der Hel-
denstatus der Vergangenheit nur möglich war, weil jene Bürokra-
ten dem Land stark unter die Arme gegrien hatten. Eine ähnli-
che Rolle spielte bis in die neunziger Jahre hinein Nordkorea. Trotz
seiner gespenstischen Verhältnisse übte das Land au viele Radi-
kale – insbesondere unter den südkoreanischen Studenten – eine
nicht geringe Faszination aus. Seit aber die Bevölkerung buchstäb-
lich zu verhungern begann, weil die Unterstützung aus Russland
ausblieb, ist natürlich auch die Faszination dahin.
Eine weitere mehr oder weniger direkte Folge des sowjetischen
Zusammenbruchs ist das Verschwinden der vielen radikalen Be-
wegungen, die – ungeachtet ihrer hohen und reineren revolutio-
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nären Ansprüche – aktisch von Moskau abhängig waren: Moskau
lieerte die Waen, sorgte ür die nötige Ausbildung und stellte die
inanziellen Mittel bereit. In Europa hörte man immer wieder das
Argument, die radikalen Terroristen der siebziger und achtziger
Jahre – Baader-Meinho in Deutschland, die Rote-Armee-Brigaden
in Italien – seien die wahren Marxisten, ohne Verbindung zu den
korrupten Altkommunisten in Russland. Doch inzwischen ist klar,
dass sie sogar sehr stark von der Unterstützung aus dem Sowjet-
block lebten. Als diese Hile ausblieb, waren auch jene Bewegun-
gen am Ende.
Vor allem aber zerstörte der demütigende Niedergang der So-
wjetunion den sozialistischen Traum. Anderthalb Jahrhunderte
lang ungierte die Idee des Sozialismus – jeder nach seinen Mög-
lichkeiten, jedem nach seinen Bedürnissen – als intellektuelles
Sammelbecken ür alle, die von der Hand des Marktes nicht viel
hielten. Nationalistische Führer berieen sich au sozialistische
Ideale, um Auslandsinvestitionen einen Riegel vorzuschieben
oder Auslandsschulden au die elegante Weise loszuwerden; Ge-
werkschatler bedienten sich sozialistischer Rhetorik, um höhere
Löhne durchzusetzen; sogar Geschätsleuten waren sozialistische
Prinzipien mitunter willkommen, wenn es galt, Zölle oder Sub-
ventionen einzuordern. Jene Staaten, die im Prinzip trotzdem
au reie Märkte setzten, taten dies vorsichtig und eher verschämt,
weil sie beürchteten, eine allzu oene und kompromisslose
Marktorientierung könne ihnen den Vorwur einer brutalen, in-
humanen, unsozialen Politik einbringen.
Wer aber vermag heute noch das sozialistische Vokabular zu ver-
wenden, ohne dabei zu erröten? Als Kind der ünziger und sech-
ziger Jahre weiß ich aus eigener Erahrung, welchen Glanz die Idee
der Revolution – die Vorstellung von mutigen Männern im Dienste
der Geschichte – ausstrahlte. Das alles ist heute dahin. Nach all sei-
nen Säuberungen und Gulags war Russland so rückständig und
korrupt wie eh und je. Nach all seinen »großen Sprüngen« und
Kulturrevolutionen entschied sich China ür den wirtschatlichen
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Erolg als das höchste Ziel. Freilich gibt es noch immer einige ra-
dikale Linke, die dickköpig darau beharren, wahrer Sozialismus
sei doch noch nirgendwo ausprobiert worden. Und da sind erner
die gemäßigten Linken, die mit nachvollziehbareren Gründen be-
haupten, dass jemand, der den Marxismus-Leninismus ablehnt,
deswegen nicht gleich ins Lager von Milton Friedman wechseln
müsse. Dies ändert aber nichts daran, dass die Sache der Kapitalis-
musgegner inzwischen ihrer Seele beraubt ist.
Erstmals seit 1917 leben wir also in einer Welt, in der Eigentums-
rechte und reie Märkte als Eckpeiler, nicht nur als widerwillig ak-
zeptierte Hilsinstrumente au Zeit gelten, und in der die unschö-
nen Seiten einer Marktwirtschat – Ungleichheit, Arbeitslosigkeit,
Ungerechtigkeit – als schlichte Notwendigkeiten akzeptiert wer-
den. Wie bereits in der viktorianischen Zeit, so verdankt der Kapi-
talismus seine Dominanz auch heute weniger seinen Erolgen (die
jedoch, wie wir gleich sehen werden, durchaus vorhanden sind),
sondern der Tatsache, dass es keine brauchbare Alternative gibt.
Dieser Zustand wird allerdings nicht ewig währen. Es werden
neue Ideologien kommen, neue Träume. Und zwar umso eher,
je länger die momentane Wirtschatskrise andauert und je ein-
schneidender sie wirkt. Derzeit jedoch ührt der Kapitalismus
weltweit unangeochten das Regiment.
Die Zähmung der Konjunktur
Die Erzeinde kapitalistischer Stabilität waren schon immer Krieg
und Krise. Krieg gibt es noch immer, keine Frage. Doch jene Kriege,
die dem Kapitalismus in der Mitte des 20. Jahrhunderts ast den
Exitus bescherten, waren massive Konlikte zwischen Großmäch-
ten – und es gibt wenig Grund anzunehmen, dass uns ein solcher
Krieg in absehbarer Zukunt wieder blühen könnte.
Doch wie steht es mit Wirtschatskrisen? Wir erinnern uns,
dass die Weltwirtschatskrise der dreißiger Jahre um ein Haar Ka-
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pitalismus samt Demokratie zerstört hätte und dass sie mehr oder
weniger direkt in den Krieg mündete. Danach allerdings olgte in
den Industrienationen eine Generation lang eine Phase nachhal-
tigen wirtschatlichen Wachstums. Rezessionen waren in dieser
Zeit kurz und mild, die darau olgenden Auschwünge krätig
und ausgedehnt. Ende der sechziger Jahre hatte man in den USA
schon so lange keine Rezession mehr erlebt, dass wirtschatswis-
senschatliche Konerenzen sich mit Themen beassten wie: »Ist
der Konjunkturzyklus ein Phänomen von gestern?«
Die Frage war voreilig. Die siebziger Jahre waren ein Jahrzehnt
der Staglation, sprich: rückläuiger Konjunktur gepaart mit In-
lation. Den beiden Energiekrisen von 1973 und 1979 olgten die
schlimmsten Rezessionen seit den dreißiger Jahren. Gleichwohl
tauchte die Frage zu Beginn der neunziger Jahre erneut au. Und
wie wir gerade sahen, schlugen auch Robert Lucas und Ben Ber-
nanke vor ein paar Jahren in die gleiche Kerbe, als sie behaupteten,
dass – ungeachtet gelegentlicher Rücksetzer – die Tage wirklich
schwerer Rezessionen, geschweige denn weltweiter Depressionen,
ein ür alle Mal hinter uns lägen.
Was ist von einer solchen These nun zu halten (einmal davon
abgesehen, dass eine schwere Rezession in letzter Zeit tatsächlich
nicht mehr vorkam)? Zur Beantwortung der Frage bedar es eines
kleinen theoretischen Exkurses. Fragen wir uns zunächst einmal,
was es mit dem Konjunkturzyklus eigentlich au sich hat. Oder
noch konkreter: Warum geraten Marktwirtschaten in Rezessio-
nen?
Man könnte meinen, die Antwort sei klar – Rezessionen ent-
stünden aus diesem oder jenem mehr oder weniger einleuchten-
den Grund. Tatsache aber ist, dass eine Rezession nichts Normales,
sondern den Ausnahmeall darstellt, wie bei näherem Nachden-
ken rasch erkennbar ist (denn der Markt schat es ja in der Regel
ganz gut, Angebot und Nachrage in der Balance zu halten). Ein
wirtschatlicher Abschwung – und insbesondere ein schwerer – ist
nun aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass das Angebot groß
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und die Nachrage gering ist. Es gibt olglich Arbeitswillige, doch
keine Jobs; exzellente Fabriken, doch keine Produktionsauträge;
oene Läden, doch nicht genügend Kunden. Eine selektive Nach-
ragelücke (bestimmte Erzeugnisse betreend) lässt sich meist
leicht erklären: Wenn Produkt A in großen Mengen produziert
wird, die Verbraucher aber das Konkurrenzprodukt B vorziehen,
bleibt Produkt A eben liegen. Doch wie kann es dazu kommen,
dass die Nachrage nach Gütern und Dienstleistungen generell zu
schwach ist? Müssen die Leute ihr Geld denn nicht ür irgendetwas
ausgeben?
Das Verständnisproblem besteht zum Teil jedenalls darin,
dass man sich zumeist schlicht kein Bild davon zu machen ver-
mag, was bei einem wirtschatlichen Abschwung geschieht. Es
gibt indes ein sehr schönes Beispiel, mit dem sich nicht nur er-
klären lässt, wie eine Rezession entsteht, sondern das mir selbst
auch immer wieder zu neuen Ideen und Einsichten verhilt. (Wer
meine rüheren Bücher kennt, wird sich an das Beispiel erinnern.)
Der Hintergrund ist übrigens nicht erunden; die Kooperative be-
ziehungsweise Interessengemeinschat gab es also wirklich. In
Kapitel 3 – im Zusammenhang mit der Erklärung der japanischen
Malaise – wird das Beispiel dann allerdings in erweiterter Form
eine wichtige Rolle spielen.
Ursprünglich stammt die Geschichte von Joan und Richard
Sweeney, die sie in einem 1978 veröentlichten Artikel mit dem
Titel Monetary Theory and the Great Capitol Hill Baby-sitting Co-op
Crisis (Geldtheorie und die große Krise der Babysitting-Koopera-
tive von Capitol Hill) ür ihre Erläuterungen verwendeten. Auch
hier wieder gilt: Der Titel mag unernst klingen, doch geht es natür-
lich um ausgesprochen seriöse Themen.
In den siebziger Jahren waren die Sweeneys Mitglieder eines
solchen Babysitting-Kreises, eines Zusammenschlusses junger
Paare (in diesem Fall hauptsächlich Personen, die im US-Kongress
beschätigt waren) zum Zweck der wechselseitigen Kinderbe-
treuung, um so mehr Freizeit zu gewinnen. Der Teilnehmerkreis
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war ungewöhnlich groß (etwa 150 Paare). Dies bedeutete, dass an
potenziellen Babysittern kein Mangel herrschte. Allerdings war
die Größe der Organisation auch Managementprobleme au. Vor
allem galt es sicherzustellen, dass jedes der beteiligten Paare auch
seinen airen Arbeitsanteil übernahm.
Wie bei derartigen Tausch- beziehungsweise Gegenseitigkeits-
systemen meist der Fall, versuchte auch der Capitol-Hill-Kreis das
Problem durch die Ausgabe von Berechtigungsscheinen zu lösen:
Coupons, die dem Besitzer jeweils eine Dienstleistung im Umang
von einer Stunde Babysitten garantierte. Wer also die Kinder eines
anderen Paares hütete, erhielt von den die Dienstleistung in An-
spruch nehmenden Eltern die entsprechende Anzahl Coupons.
Dieses System war vom Prinzip her narrensicher: Es garantierte
automatisch, dass im Laue der Zeit jedes Paar genauso viele Stun-
den ableistete, wie es in Anspruch nahm.
Ganz so problemlos lief die Sache aber eben doch nicht. Es stellte
sich nämlich heraus, dass für das reibungslose Funktionieren eines
solchen Systems eine bestimmte Umlaufmenge an Coupons erfor-
derlich ist. Hatte ein Paar zum Beispiel mehrere Abende in Folge frei,
jedoch nichts Besonderes vor, tendierte es dazu, sich für die Zukunft
eine Couponreserve anzulegen. Diesem Horten stand natürlich ein
entsprechender Abbau der Couponvorräte anderer Paare gegen-
über, doch über einen längeren Zeitraum gesehen waren alle Paare
wohl daran interessiert, hinreichend viele Coupons zu besitzen, um
zwischen den diversen Babysitting-Runden bei Bedarf mehrmals
hintereinander ausgehen zu können. Die Ausgabe der Coupons al-
lerdings war bei dieser Kooperative eine recht komplizierte Angele-
genheit: Die Paare erhielten bei Eintritt welche und waren gehalten,
die Coupons bei Austritt zurückzuerstatten; sie entrichteten jedoch
auch ihre Mitgliedsgebühren in Form von Coupons, welche dann zur
Entlohnung der Funktionsträger verwendet wurden. Die Details sind
hier jedoch unwichtig. Der Punkt ist, dass plötzlich die Situation ein-
trat, dass sich nur relativ wenige Coupons im Umlauf befanden – zu
wenige jedenfalls für die Bedürfnisse der Kooperative.
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Die Konsequenzen waren seltsam. Paare, die den Eindruck hat-
ten, ihre Couponvorräte seien zu gering, gingen ungern aus und
versuchten verstärkt, Babysitting-Stunden abzuleisten. Doch erst
die Entscheidung eines Paares, auszugehen, war die Chance eines
anderen Paares, Stunden abzuleisten und Coupons zu gewinnen.
Die Gelegenheiten zum Babysitten wurden olglich immer rarer,
was wiederum die Konsequenz hatte, dass die Paare ihre Coupon-
reserven immer weniger gern angrien, sie sich vielmehr lieber
ür besondere Gelegenheiten auhoben, weshalb die Gelegenhei-
ten zum Babysitten noch rarer wurden ...
Kurz gesagt: Die Kooperative geriet in eine Rezession.
So weit, so gut. Doch was halten Sie eigentlich von diesem Bei-
spiel?
Falls Sie einigermaßen ratlos sind – weil Sie sich vielleicht sagen:
Ich dachte, ich erahre hier etwas über die weltwirtschatliche
Krise. Was soll da Babysitten? –, haben Sie etwas Wichtiges noch
nicht begrien: Wer komplexe Systeme verstehen will (sei es das
globale Wetter oder die globale Wirtschat), muss mit Modellen
arbeiten, das heißt mit vereinachten Darstellungen des jeweiligen
Systems. Nur so lassen sich die grundlegenden Funktionszusam-
menhänge verstehen. Diese Modelle können unterschiedliche For-
men annehmen. Manchmal sind es Gleichungssysteme, manch-
mal Computerprogramme (denken wir an die Simulationen au
der Wetterkarte). Mitunter aber handelt es sich dabei um so etwas
wie die Modelllugzeuge, mit denen die Konstrukteure die Unter-
suchungen im Windkanal durchühren: kleinmaßstäbliche Aus-
ührungen, mit denen sich viel besser experimentieren lässt. In
ähnlicher Weise ist die Capitol-Hill-Kooperative eine Volkswirt-
schat im Miniormat – vielleicht die denkbar kleinste Wirtschat,
in der eine Rezession autreten kann. Doch es handelte sich zwei-
ellos um eine richtige Rezession – genauso real, wie der Autrieb,
den die Traglächen eines Modelllugzeugs erzeugen, ein echter
Autrieb ist. Und in gleicher Weise, wie das Verhalten des Modells
den Konstrukteuren wichtige Hinweise au das Verhalten des Jum-
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bos lieert, ermöglicht uns unser Babysitting-Beispiel wichtige
Einsichten bezüglich der Frage, weshalb Volkswirtschaten gut
oder schlecht unktionieren.
Falls Sie aber eher beremdet sind – weil Sie sich vielleicht sagen:
Es geht hier um wichtige und ernsthate Dinge, was soll da diese
läppische kleine Parabel von amerikanischen Yuppies! –, muss ich
Sie ebenalls rügen. Erinnern Sie sich daran, was ich in der Einlei-
tung sagte? Eine gewisse Lockerheit – die Bereitschat zu Gedan-
kenspielen – macht die Sache nicht nur unterhaltsam, sondern ist
gerade heute von zentraler Bedeutung. So wenig man einem Flug-
zeugkonstrukteur trauen sollte, der nicht mit Modellen arbeitet,
so wenig sollte man auch einem Wirtschatsexperten trauen, der
das Spiel mit Modellen ür unter seiner Würde hält.
Wie wir noch sehen werden, ist unser humoriges Babysitting-
Beispiel sogar ein ganz hervorragendes Instrument zum besseren
Verständnis der ganz und gar nicht humorigen Probleme realer
Volkswirtschaten. Die theoretischen Modelle, die in den Wirt-
schatswissenschaten in der Regel verwendet werden (hauptsäch-
lich mathematische Konstrukte), sind demgegenüber natürlich
weit komplizierter. Gleichwohl lassen sich ihre Hauptergebnisse
normalerweise in leicht verständliche Parabeln übersetzen, ähn-
lich wie bei unserem Babysitting-Beispiel. (Falls nicht, ist dies meist
ein Hinweis darau, dass mit dem Modell etwas nicht stimmt.) Ich
werde au unseren Babysitter-Club deshalb noch mehrach zu
sprechen kommen, und zwar in unterschiedlichen Zusammen-
hängen. Zunächst wollen wir uns aber mit zwei zentralen Fragen
beschätigen, die sich aus unserem Beispiel ergeben: Wie kommt
es zu Rezessionen? Was kann man gegen sie tun?
Erstens also: Warum geriet die Kooperative überhaupt in eine Re-
zession? Sehen wir uns zunächst an, woran es nicht lag: Der Grund
lag nicht in einer schlechten Dienstleistungsqualität. Vermutlich
machten die Babysitter ihre Arbeit ganz gut, vielleicht auch nicht.
Jedenalls ist das hier nicht das Problem. Auch gab es keine Ver-
zerrungen, Ungerechtigkeiten oder Vetternwirtschat. Und auch
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mit »technologischen« Gründen (im Sinne ehlender Anpassung
an neue Entwicklungen) hatte das Marktversagen nichts zu tun.
Um es zusammenzuassen: Das Problem lag nicht au der Produk-
tionsseite. Es herrschte vielmehr einach ein Mangel an »eektiver
Nachrage«. Es wurde zu wenig ür die angebotenen Dienstleistun-
gen (Babysitting-Stunden) ausgegeben, weil die Leute ihr Geld (das
heißt ihre Coupons) lieber horteten. Die entscheidende Schlussol-
gerung ür das reale Wirtschatsleben lautet: Das konjunkturelle
Au und Ab hat möglicherweise wenig oder überhaupt nichts mit
den wirtschatlichen Stärken und Schwächen undamentalerer
Art zu tun. Anders ausgedrückt: Auch »guten« Volkswirtschaten
kann Schlimmes widerahren!
Zweitens: Was kann man gegen eine Rezession tun? Die Swee-
neys berichten, dass es in ihrem Fall ziemlich schwierig war, den
»Verwaltungsrat« der Kooperative – in dem hauptsächlich Juris-
ten saßen – davon zu überzeugen, dass es sich im Kern um ein
rein technisches Problem handelte, ür das es eine recht einache
Lösung gab. Die Funktionäre jedoch gingen zunächst so vor, als
handle es sich um ein strukturelles Problem, au das man direkt
mit Reglementierungsmaßnahmen reagieren müsse. Es wurde
also eine Vorschrit erlassen, derzuolge jedes Paar verplichtet
war, monatlich mindestens zweimal auszugehen. Schließlich aber
setzten sich doch die Ökonomen durch, und das Couponangebot
(die umlauende »Geldmenge«) wurde erhöht. Die Wirkung war
rappant: Angesichts größerer Couponreserven gingen die Paare
nun wieder häuiger aus; dadurch gab es mehr Möglichkeiten zum
Babysitten, was die Bereitschat zum Ausgehen noch mehr ver-
stärkte – und so weiter. Das BBP der Kooperative (das Brutto-Ba-
bysitting-Produkt, gemessen in Kinderbetreuungseinheiten) stieg
krätig an. Halten wir uns noch einmal deutlich vor Augen: Diese
positive Entwicklung hatte weder etwas mit einer qualitativ ver-
besserten Dienstleistung noch mit irgendwelchen strukturellen
Reormen zu tun. Ausschlaggebend war allein die Tatsache, dass
der monetäre Engpass beseitigt wurde. Anders ausgedrückt: Re-
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zessionen lassen sich einach dadurch bekämpen, dass man Geld
druckt – der Rest ergibt sich in der Regel von allein.
Zurück zum volkswirtschatlichen Konjunkturzyklus.
Die Wirtschat selbst eines kleinen Landes ist natürlich weit
komplexer als im Falle unseres Babysitting-Kreises. Zum Beispiel
dient in einer Volkswirtschat das Geld nicht nur zur Beriedigung
momentaner Bedürnisse, sondern es wird auch in die Zukunt
investiert (stellen wir uns analog vor, jemand gibt einen Teil sei-
ner Coupons nicht zum Babysitten aus, sondern um einen neuen
Kinderlaustall bauen zu lassen). In der großen Welt gibt es erner
einen Kapitalmarkt. Er ermöglicht es denen, die reie Mittel besit-
zen, ihr Kapital gegen Zinsen an jene zu verleihen, die aktuellen
Bedar haben. Doch die Grundzusammenhänge sind trotzdem die
gleichen: Eine Rezession ist normalerweise dadurch bedingt, dass
die Öentlichkeit insgesamt versucht, Geld zu horten (oder – was
au dasselbe hinausläut – mehr zu sparen als zu investieren). Dem
kann in der Regel leicht und wirksam begegnet werden, indem
man einach mehr »Coupons« ausgibt.
Die Couponbereitsteller der modernen Welt sind bekanntlich
die Zentralbanken: Federal Reserve, Europäische Zentralbank,
Bank von Japan und so weiter. Ihre zentrale Augabe besteht darin,
die Wirtschat gut am Lauen zu halten, indem die zirkulierende
Geldmenge je nach Bedar vergrößert oder verkleinert wird.
Wenn aber alles so einach ist – warum kommt es dann über-
haupt zu konjunkturellen Einbrüchen? Warum drucken die Zen-
tralbanken nicht einach genug Geld, um die Wirtschat dauerhat
au Vollbeschätigungsniveau zu halten?
Was die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg angeht, wussten die
Verantwortlichen einach nicht, wie sie dem Problem begegnen
sollten. Heute aber sind sich die Ökonomen – von Milton Fried-
man bis zu den Linken im Spektrum – praktisch einig, dass die
Weltwirtschatskrise durch einen Zusammenbruch der eektiven
Nachrage verursacht wurde und dass die US-Notenbank (Fed) gut
daran getan hätte, die Geldmenge erheblich auszuweiten, um den
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Der große Irrtum 31
Abschwung rechtzeitig zu bremsen. Damals jedoch waren diese
Zusammenhänge schlicht unbekannt. Tatsächlich herrschte bei
vielen ührenden Ökonomen eine Art moralistischer Fatalismus,
der die Depression als unvermeidliche Folge vorausgehender Ex-
zesse begri – und damit als heilsamen Prozess: Die Erholung, er-
klärte Schumpeter, »ist nur dann echt, wenn sie sich aus sich selbst
heraus entwickelt. Jeder künstlich herbeigeührte Auschwung
bedeutet nur, dass der Heilungsprozess der Krise abgewürgt wird.
Die unbeseitigten Missverhältnisse werden so durch neue Fehl-
korrekturen nur noch verstärkt, was die nächste (und vielleicht
schlimmere) Krise absehbar macht.«
Diese atalistische Sicht verschwand nach dem Zweiten Welt-
krieg. Eine Generation lang bemühten sich die meisten Länder um
aktive Steuerung der Konjunktur, und dies mit beträchtlichem Er-
olg. Die Rezessionen waren mild, Arbeitsplätze gab es in der Regel
genug. Ende der sechziger Jahre begannen daher viele zu glauben,
die Konjunktur habe man nun weitgehend im Gri. Sogar Richard
Nixon versprach eine »Feinabstimmung« der Volkswirtschat.
Doch das war Hybris. Die einer jeden Vollbeschätigungspolitik
immanente Geahr trat in den siebziger Jahren oen zutage. Ist die
Zentralbank nämlich allzu optimistisch in Bezug au die Zahl der
möglichen neuen Arbeitsplätze und bringt sie olglich zu viel Geld
in Umlau, so ührt dies zu Inlation. Hat sich die Inlationserwar-
tung aber erst einmal tie in den Köpen der Menschen estgesetzt,
so lässt sie sich nur durch eine Phase hoher Arbeitslosigkeit wie-
der austreiben. Kommt dann noch ein preissteigerndes externes
Ereignis hinzu (zum Beispiel eine Verdoppelung des Ölpreises), ist
die Konstellation ür einen krätigen, wenn nicht gar verheeren-
den Konjunkturrückgang perekt.
Bis Mitte der achtziger Jahre jedoch war die Inlation wieder
au ein akzeptables Niveau gesunken, das Öl sprudelte erneut, und
die Zentralbanken schienen endlich begrien zu haben, wie man
die Dinge handhaben muss. Die autretenden wirtschatlichen
Schocks schienen den allgemeinen Eindruck, dass derlei Probleme
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Der große Irrtum 33
bürokratischen, unbeweglichen Großunternehmen wie IBM be-
herrscht bleiben würden. Gängig war zudem die Vorstellung, auch
in Zukunt werde alles lauen wie beim Fax, Videogerät und Kas-
settenrekorder: Piige Amerikaner erinden; gesichtslose japani-
sche Hersteller machen daraus marktähige Produkte.
Doch in den neunziger Jahren erkannte man allmählich, dass
die Inormationsindustrien im Begri waren, die gesamte Wirt-
schat zu revolutionieren – nach außen wie nach innen.
Über den letztendlichen wirtschaftlichen Nutzen der Infor-
mationstechnologie kann man nach wie vor geteilter Meinung
sein. Unbestreitbar ist jedoch, dass die neuen Technologien
sichtbarere Auswirkungen auf unsere Arbeitsweise und -organi-
sation hatten als alles, was in den zwanzig oder dreißig Jahren
davor die Welt bewegte. Der typische amerikanische Arbeitneh-
mer sitzt heute ja in einem Büro. Von 1900 bis in die achtziger
Jahre hatte sich an den Einrichtungen und Abläufen von Büros
praktisch nichts geändert. Überall ziemlich das gleiche Bild:
Schreibmaschinen, Aktenschränke, Mitteilungen, Sitzungen.
(Zugegeben, das Durchschlagpapier wurde durch den Xerox-Ko-
pierer überflüssig.) Dann aber änderte sich alles binnen kürzes-
ter Zeit: vernetzte PCs auf allen Schreibtischen, E-Mail, Internet,
Videokonferenzen, Telearbeit. Dies war ein qualitativer, unver-
kennbarer Wandel, der in einer Weise das Gefühl des Fortschritts
vermittelte, wie dies rein quantitative Verbesserungen nicht ver-
mögen. Und es war nicht zuletzt dieses Fortschrittsgefühl, das
dem Kapitalismus neues Leben einhauchte und ihn mit neuem
Optimismus verband.
Zumal die neuen Industrien auch das Romantische am Ka-
pitalismus wiederbelebten: die Idee des heroischen Unterneh-
mers, der eine bessere Mausefalle baut als sein Konkurrent und
damit verdientermaßen reich wird. Seit den Tagen Fords war es
mit dieser heldenhaften Gestalt ja immer mehr bergab gegan-
gen. In der Wirtschaft dominierten die Großunternehmen, in
denen keineswegs romantische Innovatoren das Sagen hatten,
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sondern Bürokraten, die sich in wenig oder nichts von ihren
staatlichen Pendants unterschieden. 1968 diagnostizierte Ken-
neth Galbraith:
»Mit dem Austieg des modernen Unternehmens, dem Au-
kommen der durch moderne Technologie und Planung benötigten
Organisation sowie der Trennung zwischen Kapitaleignern und
Unternehmensührung hat der ›Unternehmer‹ als Einzelperson
im voll entwickelten Industriebetrieb keinen Platz mehr.«
Doch wen konnte schon ein Kapitalismus begeistern, der mehr
oder weniger einem Sozialismus ohne Gerechtigkeit glich?
Durch die Inormationsindustrien geriet diese industrielle
Ordnung jedoch ins Wanken. Wie im neunzehnten Jahrhundert,
so schrieben auch jetzt wieder bemerkenswerte Individuen Ge-
schichte: Männer und (gelegentlich wenigstens) Frauen, die eine
piige Idee hatten, sie in der Garage oder am Küchentisch ent-
wickelten und letztlich reich wurden. Wirtschatsmagazine boten
wieder interessanten Lesesto, und wirtschatlicher Erolg and
wieder Bewunderung in einer Weise, wie dies über ein Jahrhun-
dert lang nicht mehr der Fall gewesen war.
Dies bereitete den Boden ür marktwirtschatliche Ideen. Vor
vierzig Jahren hatten die Anhänger der Marktwirtschat – jene,
die von Wert und Nutzen des reien Unternehmertums überzeugt
sind – ein Imageproblem: Sagten sie »Privatunternehmen«, dachte
jeder gleich an General Motors; redeten sie vom »Geschätsmann«,
hatten die meisten das Bild vom Mann im Nadelstreienanzug vor
Augen. In den neunziger Jahren aber war plötzlich die Vorstellung
wieder da, dass Reichtum und Tugendhatigkeit (zumindest aber
Kreativität) durchaus miteinander vereinbar sind.
Was aber den Optimismus wirklich anheizte, war der sich weit-
hin ausbreitende Wohlstand – nicht nur in den Industrienationen
(tatsächlich gab es dort sogar gehörige Deizite im Hinblick au die
allgemeine Teilhabe am Wohlstand), sondern auch in vielen Län-
dern, die man vor nicht allzu langer Zeit noch als honungslose
Fälle abgeschrieben hatte.
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Der große Irrtum 35
Die Früchte der Globalisierung
Der Terminus »Dritte Welt« war ursprünglich ein stolzes Etikett.
Jawaharlal Nehru prägte ihn, und gemeint waren die blockreien
Länder, jene also, die sich ihre Unabhängigkeit bewahrten und
sich weder dem Westen noch der Sowjetunion anschlossen. Bald
jedoch wurde die politische Absicht von den ökonomischen Reali-
täten verdrängt: »Dritte Welt« wurde zum Synonym ür rückstän-
dig, arm, unterentwickelt. Nicht gerechte Forderungen verband
man ortan mit dem Begri, sondern Honungslosigkeit.
Dies änderte sich mit der Globalisierung, das heißt mit dem
Technologie- und Kapitaltranser von den Hochlohnländern in die
Niedriglohnländer und der daraus resultierenden Zunahme lohn-
intensiver Exporterzeugnisse aus der Dritten Welt.
Wir können uns schon gar nicht mehr so recht vorstellen, wie die
Welt vor der Globalisierung eigentlich aussah. Drehen wir die Uhr
also für einen Moment zurück und werfen wir einen Blick auf die
Dritte Welt, wie sie sich vor einer Generation präsentierte (und heute
in vielen Ländern noch immer präsentiert). Eine Handvoll kleiner
ostasiatischer Länder hatte damals gerade begonnen, durch ihr ra-
sches Wirtschaftswachstum die Aufmerksamkeit der Weltöffent-
lichkeit auf sich zu ziehen; Entwicklungsländer wie die Philippinen,
Indonesien oder Bangladesch hingegen hatten praktisch überhaupt
keine Fortschritte gemacht, sondern waren noch immer vorwie-
gend Rohstofflieferanten und Importeure von Industriegütern. Eine
schwache, ineffiziente Industrie versorgte die heimischen Märkte
mehr schlecht als recht, geschützt durch Einfuhrkontingentierung;
Arbeitsplätze waren unter diesen Vorzeichen natürlich Mangelware.
Gleichzeitig führte der zunehmende Bevölkerungsdruck dazu, dass
den verzweifelten Bauern nur zwei Optionen blieben: entweder in
einer zunehmend ertragsschwachen Landwirtschaft ihr Dasein zu
fristen oder sich auf andere Weise irgendwie eine Existenzmöglich-
keit zu suchen – etwa als Müllverwerter auf den Abfallhalden am
Rande der Großstädte der Dritten Welt.
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Angesichts dieser trostlosen Situation gaben sich die Arbeits-
kräte in Jakarta oder Manila schon mit einem Hungerlohn zu-
rieden. Doch um die Mitte der siebziger Jahre konnte man mit
billiger Arbeitskrat allein au dem Weltmarkt ür Industriegüter
nicht mehr konkurrieren. Die speziischen Vorteile der Industrie-
länder – Inrastruktur und technisches Know-how, Größe der
Märkte und Nähe zu Lieeranten, politische Stabilität und soziale
Anpassungsähigkeit (wobei Letzteres ganz entscheidend ist ür
eine unktionierende, eiziente Wirtschat) – schienen sogar eine
zehn- oder zwanzigache Lohndierenz wettzumachen. Selbst die
Radikalen schienen an diesen immanenten Vorteilen der entwi-
ckelten Länder zu verzweieln: Die Forderungen nach einer neuen
internationalen Wirtschatsordnung zielten in den siebziger Jah-
ren hauptsächlich au höhere Rohstopreise – und weniger da-
rau, die Länder der Dritten Welt an das Niveau der modernen In-
dustrienationen heranzuühren.
Dann aber änderte sich etwas. Durch eine Kombination von
Faktoren, die wir bis heute nicht ganz durchschauen – niedrigere
Zollschranken, bessere Nachrichtenübermittlung, billigerer Lut-
verkehr –, verringerten sich die Standortnachteile der Entwick-
lungsländer. Im Großen und Ganzen ist es reilich noch immer
günstiger, in der Ersten Welt zu produzieren. Dies zeigt auch die
Tatsache, dass nicht wenige Unternehmen, die ihre Produktions-
stätten nach Mexiko oder Ostasien verlegten, nach einiger Zeit
wieder zurückkehrten, weil sie mit den Nachteilen eines solchen
Standorts nicht zurechtkamen. Trotzdem aber gab es jetzt eine be-
trächtliche Zahl von Branchen, in denen die Entwicklungsländer
ihr niedriges Lohnniveau als Wettbewerbsvorteil au den Welt-
märkten nutzen konnten. Länder, die ehedem Jute oder Kaee ex-
portierten, begannen nun, stattdessen Hemden oder Turnschuhe
zu produzieren.
Natürlich verdienen die Arbeitskräte in diesen Textil- oder
Schuhabriken zwangsläuig sehr wenig, und die Arbeitsbedin-
gungen sind meist beklagenswert schlecht. Ich sage »zwangsläu-
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Der große Irrtum 37
ig«, weil die Arbeitgeber ihr Geschät ja nicht aus Wohlahrts-
gründen betreiben. Sie werden natürlich versuchen, so wenig wie
möglich zu zahlen, und das Lohnminimum richtet sich nach den
verügbaren Beschätigungsalternativen. Leider handelt es sich in
vielen dieser Fälle noch um extrem arme Länder.
Gleichwohl kam es in jenen Ländern, in denen die neuen Ex-
portindustrien Fuß fassten, unzweifelhaft zu einer deutlichen
Verbesserung der Lebensverhältnisse der breiten Bevölkerung.
Dies hat zum Teil damit zu tun, dass eine aufstrebende Industrie
ihre Arbeitskräfte mit leicht überdurchschnittlichen Löhnen an-
werben muss. Wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass das Wachs-
tum der verarbeitenden Industrie – und die im Halbschatten des
neuen Exportsektors entstehenden Arbeitsplätze – spürbare Aus-
wirkungen auf den Rest der Volkswirtschaft hatten. Der Druck
auf den ländlichen Bereich ließ nach, sodass die Löhne dort
stiegen; die Zahl der auf jedwede Arbeit angewiesenen Arbeits-
losen in den Städten sank, sodass die Fabriken miteinander um
Arbeitskräfte zu konkurrieren begannen, was auch die Löhne
in den Städten steigen ließ. Wo sich dieser Prozess lange genug
fortsetzen konnte – etwa in Südkorea oder Taiwan –, haben die
Löhne inzwischen das Niveau fortgeschrittener Länder erreicht.
(In konkreten Zahlen ausgedrückt: 1975 betrug der durchschnitt-
liche Stundenlohn eines Südkoreaners nur fünf Prozent dessen,
was ein US-Amerikaner verdiente. 2006 waren es bereits 62 Pro-
zent.)
Der Nutzen, den ein exportinduziertes Wirtschatswachstum
in den Schwellenländern ür die breite Masse mit sich brachte, ist
nichts Spekulatives, sondern sehr wohl messbar. Indonesien zum
Beispiel ist zwar noch immer so arm, dass sich der Fortschritt in
Kalorien angeben lässt. Zwischen 1968 und 1990 stieg die Pro-
Kop-Aunahme von 2 000 au 2 700 Kalorien pro Tag, und die
Lebenserwartung erhöhte sich von 46 au 63 Jahre. Ähnliche Ver-
besserungen lassen sich im gesamten paziischen Gürtel beobach-
ten, ja selbst in Ländern wie Bangladesch. Sie anden keineswegs
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deshalb statt, weil etwa gutmeinende Leute im Westen besonders
hilsbereit gewesen wären – die Auslandshile (die ja nie sehr groß
war) ging in den neunziger Jahren praktisch au Null zurück. Und
sie waren auch nicht der menschenreundlichen Politik der jewei-
ligen Landesregierung zu verdanken – es zeigte sich ja leider sehr
bald, dass diese Regierungen so schäbig und korrupt waren wie eh
und je. Die positive Entwicklung war vielmehr das indirekte und
unbeabsichtigte Ergebnis des Verhaltens seelenloser multinatio-
naler Konzerne und ragieriger einheimischer Unternehmer, die
beide nichts anderes im Sinn hatten, als sich die Proitchancen,
die mit niedrigen Löhnen einhergingen, nicht entgehen zu las-
sen. Ein besonders erreuliches Schauspiel war und ist dies gewiss
nicht. Doch so niedrig die Motive der Beteiligten auch gewesen
sein mögen, im Ergebnis vermochten sich Hunderte Millionen
von Menschen aus äußerster Armut zu bereien und zu Lebens-
verhältnissen zu gelangen, die mitunter zwar noch immer men-
schenunwürdig waren, aber dennoch eine deutliche Verbesserung
darstellten.
Wieder einmal also konnte sich der Kapitalismus mit guten
Gründen den Erolg au die Fahnen schreiben. Die Sozialisten hat-
ten es ja lange genug versprochen und versucht. Es gab ja eine Zeit,
als die Dritte Welt völlig au Fünjahrespläne stalinscher Machart
ixiert war und sich davon den Entwicklungsschub ins zwanzigste
Jahrhundert versprach. Und selbst als die Sowjetunion ihren Nim-
bus der Fortschrittlichkeit längst eingebüßt hatte, glaubten viele
Intellektuelle noch immer, die armen Länder könnten der Armuts-
alle nur entkommen, indem sie den Weltmarkt meiden und dem
Wettbewerb mit den entwickelteren Nationen aus dem Weg gehen.
Im Laue der neunziger Jahre aber war an konkreten Beispielen
ganz oenkundig geworden, dass rasche Entwicklung tatsächlich
möglich und keineswegs Träumerei war – und dass der Schlüssel
zum Erolg nicht in stolzer sozialistischer Isolation bestand, son-
dern genau dem Gegenteil: möglichst starker Integration in den
globalen Kapitalismus.
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Der große Irrtum 39
Skeptiker und Kritiker
Nicht alle reilich waren nach dem Zusammenbruch des Kommu-
nismus mit dem Zustand der Weltwirtschat zurieden. Während
es den Amerikanern bemerkenswert gut ging, konnten dies andere
Industrieländer weniger von sich behaupten. Japan zum Beispiel
war seit Beginn der neunziger Jahre, als die Spekulationsblase ge-
platzt war, nicht mehr au die Beine gekommen, und Europa litt
noch immer an »Eurosklerose«, das heißt ortdauernder hoher
Arbeitslosigkeit, insbesondere unter den Jungen, selbst in Zeiten
guter Konjunktur.
Doch auch in den USA war der allgemeine Wohlstand durchaus
nicht ganz so allgemein. Die Segnungen des Wirtschatswachs-
tums verteilten sich vielmehr recht ungleich: Die Vermögens- wie
auch Einkommensunterschiede nahmen in einer Weise zu, wie
man dies seit den Tagen des Großen Gatsby – den zwanziger Jah-
ren – nicht mehr erlebt hatte, und den amtlichen Zahlen zuolge
waren die Reallöhne vielach sogar gesunken. Man muss diese
Zahlen nicht au die Goldwaage legen, um zweielsrei eststellen
zu können: Es gab mindestens 20 oder 30 Millionen Amerikaner
am unteren Ende der Verteilungsskala, die von der lorierenden
amerikanischen Wirtschat nicht nur nicht proitierten, sondern
sogar Einbußen hinnehmen mussten.
Anderen wiederum trieben andere Missstände die Röte ins Ge-
sicht. Die niedrigen Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen
in den angesprochenen Exportindustrien der Dritten Welt waren
häuig Anlass zu moralisierender Kritik – es war ja schließlich o-
ensichtlich, dass es diesen Beschätigten nach den Maßstäben
der Industrieländer ganz elend ging, und die Kritiker hatten meist
wenig Verständnis ür den Einwand, schlechte Jobs ür schlechten
Lohn seien besser als gar keine Jobs. Zweiellos stichhaltiger war
der kritische Hinweis der Humanitaristen, dass große Teile der
Welt von den Segenswirkungen der Globalisierung noch immer
völlig unberührt sind: Arika vor allem ist noch immer ein Konti-
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nent mit wachsender Armut, epidemischen Krankheiten und bru-
talen Konlikten.
Und wie immer gab es auch Kassandrarue. Das reilich war seit
den dreißiger Jahren nie anders gewesen. Stets gab es Stimmen, die
eine neue Depression im Anmarsch sahen. Vernüntige Beobach-
ter hatten gelernt, derlei Warnungen nicht allzu ernst zu nehmen.
Und so erklärt sich, weshalb die ominösen Entwicklungen, die in
der ersten Hälte der neunziger Jahre Lateinamerika ergrien und
die, wie wir heute wissen, die Möglichkeit einer Wiederkehr der
Depressionsproblematik andeuteten, im Allgemeinen ignoriert
wurden.
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hegten Sympathie ür Augusto Pinochets brutales Regime; doch
die ökonomischen Reormen, die er in Chile eingeleitet hatte, er-
wiesen sich als äußerst erolgreich und wurden auch weiterge-
ührt, als Chile 1989 endlich zur Demokratie zurückand. Chiles
Rückkehr zu den »viktorianischen Tugenden« – stabile Währung
und reie Märkte – gewann immer mehr Aumerksamkeit, als
sich das Wirtschatswachstum zu beschleunigen begann. Endlich
schienen auch die Lateinamerikaner zu begreien, dass es im bis-
herigen Stil nicht weitergehen konnte. Die Schuldenkrise, die 1982
begonnen hatte, durchzog ast das ganze Jahrzehnt. Den meisten
dämmerte, dass nur eine radikale Umorientierung der Region
einen Ausweg bot.
Lateinamerika beschritt also den Weg der Reorm. Staatsbe-
triebe wurden privatisiert, Importbeschränkungen augehoben,
Haushaltsdeizite abgebaut. Ganz vorrangig war die Bekämpung
der Inlation. Manche Länder ergrien, wie wir noch sehen wer-
den, sehr drastische Maßnahmen, um wieder Vertrauen in ihre
Währung zu schaen. Und diese Bemühungen hatten auch rasch
Erolg. Nicht nur verbesserte sich die wirtschatliche Leistungsä-
higkeit; auch das Vertrauen der ausländischen Investoren kehrte
zurück. Länder, die in den achtziger Jahren wie Finanzparias be-
handelt wurden – noch 1990 bekam ein Gläubiger, der aus einem
lateinamerikanischen Kreditgeschät aussteigen und seine For-
derungen an weniger risikoscheue Investoren abtreten wollte, im
Durchschnitt nur dreißig Cent pro Kreditdollar –, avancierten zu
Hätschelkindern der internationalen Finanzmärkte: Es lossen
nun wieder Gelder in einem Umang ins Land, dass sich die Bank-
kredite, deretwegen die Schuldenkrise seinerzeit ausgebrochen
war, wie Peanuts ausnahmen. Die internationalen Medien began-
nen von einem »neuen« Lateinamerika zu reden, und vor allem
das »mexikanische Wunder« hatte es ihnen angetan. Im Septem-
ber 1994 enthielt der jährliche World Competitiveness Report (Be-
richt über die globale Wettbewerbsähigkeit), herausgegeben von
den Veranstaltern der berühmten Davoser Konerenzen, eine spe-
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zielle Botschat vom Helden der Stunde, dem mexikanischen Prä-
sidenten Carlos Salinas.
Drei Monate später jedoch schlitterte Mexiko in die größte Fi-
nanzkrise seiner Geschichte. Die sogenannte Tequila-Krise ver-
ursachte eine der schlimmsten Rezessionen, die einem einzelnen
Land seit den dreißiger Jahren widerahren war. Die dadurch aus-
gelösten Erschütterungen breiteten sich über ganz Lateinamerika
aus; nur haarschar schrammte das argentinische Bankensystem
an einem Zusammenbruch vorbei. Im Rückblick muss man est-
stellen, dass die Tequila-Krise eigentlich ein Omen war – eine
Warnung, dass die Märkte launisch sein können und dass die gute
Presse von heute nicht gegen die Vertrauenskrise von morgen
schützt.
Doch die Warnung wurde ignoriert. Um dies zu verstehen, müs-
sen wir uns Lateinamerikas große Krise, die oenbar nie so recht
verstanden wurde, etwas näher ansehen.
Mexikos Entwicklung seit den achtziger Jahren
Unähigkeit konnte man Mexikos Regierung gewiss nicht vor-
weren. Der engste Beraterkreis des Präsidenten – die sogenann-
ten Científicos – bestand aus gut ausgebildeten jungen Männern,
die aus Mexiko ein modernes Land machen wollten und glaubten,
dass dies nur über eine starke Integration in die Weltwirtschat
möglich sei. Ausländische Investoren waren willkommen, ihre
Eigentumsrechte wurden respektiert und garantiert. Angesichts
einer so progressiven Regierung kamen sie auch in Scharen und
begannen bei der Modernisierung des Landes eine zentrale Rolle
zu spielen.
Spaß beiseite: Die obige Beschreibung gilt natürlich nicht einer
mexikanischen Regierung der neueren Zeit, sondern dem Regime
von Proorio Díaz, der Mexiko von 1876 an ein Vierteljahrhundert
lang regierte, bis ein Volksaustand seiner Herrschat 1911 ein
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Ende setzte. Und die stabile Regierung, die sich nach einem Jahr-
zehnt des Bürgerkriegs schließlich etablierte, war populistisch
und nationalistisch ausgerichtet und demzuolge misstrauisch
gegenüber ausländischen Investoren allgemein und gegenüber
allem US-Amerikanischen im Besonderen. Mitglieder des neuen
Regimes, der »Institutionellen Revolutionspartei« (PRI), wie sie
sich vollmundig nannte, betrieben zwar durchaus eine Moderni-
sierung Mexikos, aber eben au ihre eigene Weise: Die Entwick-
lung der Industrien war heimischen Unternehmen vorbehalten,
die den heimischen Markt belieerten, durch Zölle und Importbe-
schränkungen von besseren, eizienteren ausländischen Wettbe-
werbern abgeschottet. Ausländisches Geld war zwar willkommen,
aber nur, solange damit keine ausländische Einlussnahme be-
ziehungsweise Kontrolle verbunden war. Und die Regierung hatte
auch nichts dagegen, dass sich einheimische Firmen bei US-Ban-
ken Kapital liehen, solange die Stimmrechtsaktien dieser Unter-
nehmen in lokalen Händen blieben.
Diese nach innen gerichtete Wirtschatspolitik mag zwar in-
eizient gewesen sein, denn abgesehen von den maquiladoras
(exportorientierten Fabriken, die au eine schmale Zone an der
Grenze zu den USA beschränkt waren), koppelte sich Mexiko völlig
von der beginnenden Globalisierung und den damit verbundenen
Chancen ab. Einmal etabliert, wurde diese Entwicklungspolitik
aber zu einem tie im politischen und gesellschatlichen System
des Landes verankerten Element, verteidigt von einem »eisernen
Dreieck«: Industrieoligarchen (mit privilegiertem Zugang zu Kre-
dit- und Einuhrgenehmigungen), Politikern (die von der Großzü-
gigkeit der Industriebosse proitierten) und Gewerkschaten (die
eine »Arbeiteraristokratie« relativ gut bezahlter, in den geschütz-
ten Branchen tätiger Arbeiter vertraten). Bis in die siebziger Jahre
hinein ist allerdings auch estzustellen, dass Mexiko sehr darau
bedacht war, sich inanziell nicht zu übernehmen. Das Wachstum
ließ zwar zu wünschen übrig, doch es gab auch keine Krisen.
Ende der siebziger Jahre jedoch war es mit dieser traditionellen
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Umsichtigkeit plötzlich vorbei. Die mexikanische Wirtschat er-
lebte einen ieberhaten Auschwung, hauptsächlich inolge der
Entdeckung neuer Ölvorkommen, hoher Ölpreise und mächtiger
Kredite von ausländischen Banken. Nur wenige erkannten die
Warnzeichen, als die Wirtschat heißzulauen begann und immer
mehr Geld ins Land strömte. Zwar gab es in den Medien einzelne
Berichte, die au wachsende Finanzprobleme hindeuteten, doch
dies änderte nichts an der allgemeinen Ansicht, Mexiko (und La-
teinamerika insgesamt) sei ein relativ sicherer Anlageplatz. Diese
Selbstgeälligkeit und Sorglosigkeit lässt sich leicht in Zahlen as-
sen: Noch im Juli 1982 lag die Rendite au mexikanische Staatsan-
leihen sogar leicht unter derjenigen von (allgemein als risikolos
geltenden) Weltbankanleihen. Zahlungsprobleme schien man bei
Mexiko oenbar ür unmöglich zu halten.
Doch schon Mitte des olgenden Monats log eine mexikanische
Regierungsdelegation nach Washington, um dem amerikanischen
Finanzminister die böse Nachricht zu überbringen: Mexiko sei
pleite und müsse seinen Schuldendienst einstellen. Schon wenige
Monate später hatte die Krise bereits den größten Teil Lateiname-
rikas (und darüber hinaus noch weitere Länder) erasst, nachdem
die Banken begonnen hatten, ihre Kredite einzurieren und Rück-
zahlung zu verlangen. Alle Kräte wurden augeboten: Hilskre-
dite von der US-Regierung und von internationalen Institutionen
wie der Bank ür Internationalen Zahlungsausgleich; Umschul-
dungen; sogenannte »konzertierte Kredite« (bei denen die Banken
mehr oder weniger gezwungen wurden, den entsprechenden Staa-
ten das ür die Zinszahlungen benötigte Geld zu leihen). So ver-
mochten die meisten der Länder zwar dem totalen Oenbarungs-
eid zu entgehen. Doch der Preis ür die Vermeidung der völligen
Finanzkatastrophe war eine tiee Rezession, geolgt von einem
nur zögerlichen, häuig unterbrochenen Auschwung. 1986 lag
das reale Pro-Kop-Einkommen Mexikos um zehn Prozent unter
dem Niveau von 1981, und die Reallöhne, augeressen von einer
durchschnittlichen Inlationsrate von über 70 Prozent in den vo-
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und umgeben von einem hochkarätigen Stab überwiegend am
MIT ausgebildeter Wirtschatswissenschatler.
Ich habe absichtlich von Salinas Bestimmung zum Nacholger
gesprochen. Mexikos politisches System der Jahre 1920 bis 1990
war wahrhat einzigartig. Au dem Papier war Mexiko zwar eine
repräsentative Demokratie, und in den letzten Jahren hat sich
das Land erstaunlicherweise auch zu einer solchen entwickelt.
Doch 1988, als Salinas gewählt wurde, erinnerte das System eher
an Chicagoer Verhältnisse rüherer Tage als an eine Demokratie.
Mexiko besaß ein Einparteiensystem, in dem man die Stimmen
durch Patronage zu kauen plegte, und wo immer es trotzdem
eng wurde, hal man durch kreative Stimmenauszählung nach.
Am verwunderlichsten war an diesem System aber die Tatsache,
dass der Präsident in seiner sechsjährigen Amtszeit zwar wie ein
absoluter Monarch schalten und walten konnte, eine Wiederwahl
aber ausgeschlossen war. Zwischenzeitlich seltsamerweise reich
geworden, plegte er also nach Ablau von sechs Jahren das Feld
zu räumen und die Zügel einem von ihm benannten Nacholger in
die Hand zu geben, den die PRI dann nominierte und der damit die
Wahl praktisch schon gewonnen hatte.
1988 aber beand sich dieses System – wie Mexiko insge-
samt – unter Druck. Salinas hatte es diesmal bei den Parlaments-
wahlen mit einem echten Herausorderer zu tun: Cuauhtémoc
Cárdenas, Sohn eines populären rüheren Präsidenten, der Sali-
nas’ marktwirtschatlichen Reormansatz mit einem traditionel-
leren, antikapitalistischen Populismus konterte. Die Wahl ging
knapp aus – und Cárdenas gewann sie. Doch die amtliche Auszäh-
lung ührte dann seltsamerweise doch zu einem anderen Ergeb-
nis. Salinas wurde Präsident. Stärker als je einer seiner Vorgänger
stand er nun aber unter Erolgsdruck. Dabei konnte er sein hoch
qualiiziertes, am MIT ausgebildetes Beraterteam mehr als gut ge-
brauchen.
Die Erolge der Salinas-Jahre basierten au zwei entscheidenden
politischen Schachzügen. Der erste davon betra die Beendigung
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der Schuldenkrise. Anang 1989 ließ die US-Regierung – die ameri-
kanischen Präsidentschatswahlen waren gerade vorbei – eine un-
erwartete Bereitschat erkennen, unangenehmen Realitäten ins
Auge zu blicken. Sie räumte schließlich ein, was ohnehin schon
lange kein Geheimnis mehr war: dass sich viele US-Bausparkas-
sen mit Steuergeldern verspekuliert hatten und vor dem Bank-
rott standen. Unterdessen gab Finanzminister Nicholas Brady in
einer überraschenden Rede bekannt, dass die Lateinamerikaner
ihre Schulden nicht voll zurückzahlen könnten und dass man sich
daher irgendwie über einen Schuldenerlass einig werden müsse.
Der sogenannte Brady-Plan war allerdings mehr eine Absichts-
erklärung als ein Plan – denn Bradys Rede entsprang im Grunde
bürokratischen Intrigen, die jeder Satireshow zur Ehre gereichen
würden: Jene Regierungsbeamten, die über die nötige Sachkom-
petenz zur Ausarbeitung eines unktionierenden Plans verügten,
wurden bewusst im Dunkeln gelassen, weil man Widerstände
beürchtete. Doch der Brady-Vorstoß bot den außerordentlich
ähigen Mexikanern die Chance, die sie brauchten. Binnen weni-
ger Monate legten sie ihrerseits einen praktikablen Plan vor, der
schließlich dazu ührte, dass Mexiko einen Großteil seines Schul-
denberges in »Brady-Bonds« mit herabgesetztem Nennwert um-
gewandelt bekam.
Quantitativ war der Schuldenerlass eher bescheiden, doch er
markierte einen psychologischen Wendepunkt. Er besäntigte
jene Mexikaner, die schon lange au Zahlungsverweigerung ge-
drängt hatten, weil sie sahen, dass die ausländischen Banken we-
nigstens bereit waren, den Mexikanern nicht noch das allerletzte
Hemd vom Leib zu reißen. Jedenalls trat die Schuldenkrise poli-
tisch in der Folge in den Hintergrund. Die ausländischen Anleger
wiederum, die zuvor aus Angst um ihr Geld wenig zu Investitio-
nen geneigt gewesen waren, werteten die Schuldenregelung als
Schlussstrich unter diese Unsicherheitsphase und ließen die Gel-
der wieder ließen. Die Zinssätze, zu denen sich Mexiko gezwun-
gen gesehen hatte, um das Kapital im Land zu halten, ielen nun
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rasch. Dadurch verschwand auch das Haushaltsdeizit sehr bald,
da die Zinslast entsprechend sank. Binnen eines Jahres hatte sich
Mexikos inanzielle Lage völlig gewandelt.
Die Schuldenregelung war aber nicht der einzige Joker, den Sa-
linas aus dem Ärmel zog. 1990 überraschte er die Welt mit seinem
Vorschlag eines Freihandelsabkommens mit den USA und Kanada
(zwischen diesen beiden Ländern bestand ein solches Abkommen
bereits). In quantitativer Hinsicht war das vorgeschlagene »Nord-
amerikanische Freihandelsabkommen« (NAFTA) eigentlich von
geringerer Bedeutung, als viele glaubten: Der US-Markt war ja oh-
nehin ür mexikanische Erzeugnisse schon ziemlich oen, und
inolge der bereits von de la Madrid eingeleiteten Handelslibera-
lisierung hatte sich auch Mexiko selbst dem reien Handel schon
ein gutes Stück – wiewohl nicht ganz – geönet. Doch wie schon
der Schuldenerlass, so sollte auch das NAFTA-Abkommen ein Si-
gnal setzen und einen psychologischen Wendepunkt markieren.
Indem Salinas die Önung Mexikos ür ausländische Waren und
ausländisches Kapital nicht nur zu einer rein mexikanischen Ini-
tiative, sondern zum Bestandteil eines internationalen Vertra-