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DIE PSYCHOANALYTISCHE ORGANISATIONSTHEORIEOrganisation als Bühne für unbewusste Vorgänge
GLIEDERUNG Teil 1:
1. Organisation als Metapher verstehen2. Das Wesen der Organisation als Kampf gegen Angst3. Rolle des Psychoanalytikers
Teil 2:1. Psychodynamik in Gruppen2. Aufgaben und Funktionen in Organisationen3. Beziehungen zwischen Einzelnen und innerhalb von
Gruppen4. Die Theorie der Gruppendynamik5. Psychodynamische Organisationsberatung6. Der Tavistock Group Relations-Ansatz
Teil 3:1. Diskussion2. Fallbeispiel: Kurzinterview3. Interaktiver Teil
TEIL 1
1. ORGANISATIONEN DURCH METAPHERN VERSTEHEN UND DEUTEN
Organisation ist komplex, vielseitig & paradox
Metaphern um Komplexität zu bewältigen Perspektivenwechsel durch Verstehen & deuten der Metaphern
lassen sich Verbesserungen aufzeigen
ORGANISATION ALS PSYCHISCHES GEFÄNGNIS
Organisationen werden durch unbewusste & bewusste Prozesse erzeugt und erhalten
Ideen & Vorstellungen, welche durch Prozesse erzeugt werden, halten Menschen gefangen
Unterform: Organisation als Ausdruck des Patriarchats Patriarchat als Gefängnis welches
Organisationsstrukturen produziert & reproduziert Es herrschen männliche Werte Bürokratischer Organisationsstil fördert rationale,
analytische, instrumentelle Werte ( männl. Werte)
WEITERE METAPHERN:Organisation als Abwehr der Sterblichkeit Mensch weiß, dass er sterblich ist
Verleugnet dies aber Organisation als Suche nach Unsterblichkeit Eigenes Leben soll in Organisationen
konserviert werden (Bsp: Familienbetrieb, Traditionen)
Organisation als „Lieblingsobjekt“ Wie Kind Lieblingsspielzeug hat, das ihm Halt
gibt & Angst hervorgerufen wird, wenn es sich verändert (z.B. Waschen des Teddybärs)
So hat Arbeitnehmer Organisation als haltgebendes Objekt prägt Identität
Organisationsentwicklung fällt schwer
BEZUG ZUM TAYLORISMUS
Taylorismus ist Ausdruck des inneren Kampfes einer gestörten, neurotischen Persönlichkeit
Taylor versucht Welt zu organisieren & kontrollieren
Wurzel in Taylors Kindheit: anal-zwanghafter Charakter (sexuelle Entwicklungsphase) durch hohe Disziplinierungsanforderungen & exzessive Sparsamkeit seitens seiner Eltern
Organisation als Ort unterdrückter Sexualität
2. DAS WESEN DER ORGANISATION ALS KAMPF GEGEN ANGST
Menschen leben ihr Leben als Gefangene ihrer Persönlichkeit
Psychoanalyse: Chance zur Freiheit durch Selbsterkenntnis versucht Ängste zu verstehen
Unbewusste Handlungsmotive (durch Angst determinierte Handlungen) erkennen
Auslöser der Ängste sind subjektiv & situationsabhängig
Organisation als soziales Abwehrsystem von Angst
ÄNGSTE Ängste sind meist unbewusst spielen eine Rolle bei der Angst vor Veränderung
von Organisationsstruktur (vgl. Lieblingsobjekt) Formen der Ängste:
Primitive Angst: Stets vorhanden, alles durchdringend Z.B. Trennungsangst, Angst im Universum verloren zu
gehen Organisation um Angst zu vermeiden
Angst die aus der Arbeit entsteht: Z.B. Angst vor Patientenverlust bei Krankenschwestern Organisation baut Abwehrmechanismen gegen Angst auf Organisationsveränderung schwer, wegen Veränderung
der Abwehrmechanismen Kontrollverlust
Personelle Angst: Private Erfahrungen werden in Arbeitsleben
hineingetragen (z.B. Trennung von Partner etc.) Im schlimmsten Fall: psychische Störungen
werden in Arbeit eingetragen
Neurotische Angst: Angst aus internalen Gefahren Werden durch „Waffen des Egos“ abgewehrt:
Verleugnung Regression Sublimierung Projektive Identifizierung
SOZIALE ABWEHRSYSTEME/INSTITUTIONELLE ABWEHR DER ANGST
Organisationsstruktur als soziale Waffe gegen Angst
Organisationsstruktur wird durch Abwehrmechanismen geformt & modifiziert
Wenn Angst nicht abgewehrt wird, ist Gruppe ineffektiv (Bion)
Angstabwehr hält Individuen in der Gruppe zusammen (Jacques)
Individuen externalisieren solche Impulse & internalisieren solche Objekte welche ansonsten zu psychotischen Ängsten führen
ABWEHR DER PARANOIDEN ANGST
Klein: Angst die Kind in ersten Lebensmonaten erlebt wir durch Spaltung & projektive Identifizierung abgewehrt
Jacques: das gleiche passiert bei Erwachsenen in einer Organisation „schlechte“ internale Objekte werden auf
Organisationsmitglied projiziert Folge: Angst wird externalisiert: man kennt Feind
& kann diesen meiden oder „bekämpfen“
ABWEHR DER DEPRESSIVEN ANGST
Klein: Kind erkennt das Objekt zugleich gut und böse sein kann (Mutter) depressive Angst
Erwachsener vermeidet depressive Angst durch Spaltung: Organisationsmitglieder in gut und schlecht aufgespalten
KONSEQUENZEN DER SOZIALEN ANGSTABWEHR
Organisationsstruktur durch Abwehrsystem determiniert
Soziales Abwehrsystem ist Ergebnis der Kollusion zwischen Organisationsmitgliedern Beeinflusst Entscheidungsfindung
Abwehr gegen Ängste sind gleichzeitig Abwehr der Realität keine Organisationsveränderung möglich kein bestehen auf Markt möglich
Abwehr der Angst benötigt viel Energie wenig Energie für Arbeit vorhanden Produktionseinbußen
3. ROLLE DES PSYCHONALYTIKERS IN ORGANISATION Als unabhängiger, nicht institutionalisierter,
Berater Angst herausarbeiten(Institutionalisierung: „Normen“ der Organisation um Angst abzuwehren)
Veränderung der „Normen“ ist schwer Veränderung bedeutet Angst
Gefahr: Gegenübertragung auf Psychoanalytiker (ist böse, will Veränderungen)
Ziel: Mitarbeiter müssen Angst auf bewusster Ebene bekämpfen Um effektiv zu arbeiten Um Marktfähig zu sein
Organisation als Patient!
TEIL 2
1. PSYCHODYNAMIK IN GRUPPEN
Was ist Psychodynamik? Beziehung zwischen inneren Instanzen und
Strebungen einer Person
Teil läuft unbewusst, also automatisch ab Diese unbewussten Vorgänge treten nicht nur bei
Einzelnen, sondern auch bei ganzen Gruppen und Organisationen auf
2. AUFGABEN UND FUNKTIONEN VON ORGANISATIONEN
Aufgabe jeder Organisation: Herausforderung das Risiko zu managen
Umgang mit allgemeinem und spezifischen Risiko erfordert enorme psychische Belastung Balanceakt zwischen: innerer Spannung
aufrechterhalten und den dadurch entstehenden Konfliktdruck auszuhalten ständiger Stressfaktor
Genau wie Einzelpersonen, zeigen auch ganze Institutionen bei Belastungen psychosoziale Abwehrmechanismen
BEISPIELE FÜR ABWEHRMECHANISMEN
Vermeidung: Im Extremfall Versuch Risiko ganz zu vermeiden;
konsequente Vermeidung bedeutet Untergang Omnipotente Verleugnung:
Im Kollektiv werden problematische Aspekte des Risikos nicht mehr wahrgenommen stattdessen von realitätsfernen Ideen überlagert („wir sind so gut, dass uns das nicht passieren kann)
Abspaltung und Projektion: Unbewusst werden Beunruhigungen des Risikos an
einzelne Personen oder Subsysteme weitergegeben (geringerer Status = „Sündenbock“)
AUSLÖSER FÜR ZUSAMMENBRUCH DER STEUERUNGSFUNKTION EINER ORGANISATION
Primäre Aufgabe → Risiko → Angst → entweder:
a) Verarbeitung misslingt → psychosoziale
Abwehrmechanismen
b) Verarbeitung gelingt → aufgabenorientierte Arbeit
AUFGABE JEDER ORGANISATION
Integrative Anstrengungen: 1. Schaffung einer Organisationskultur mit einem
Bewusstsein von Verantwortung und Zuständigkeit
2. Jeder Mitarbeiter als „work-group-leader“ kann Verantwortung für das Ganze übernehmen
3. Aus Fehlern lernen: fördert Risikobereitschaft und senkt Hemmschwelle Fehler zu begehen
4. Ständige Auseinandersetzungen mit dem allgemeinen und spezifischen Risiko des Unternehmens
3. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN EINZELNEN UND INNERHALB VON GRUPPEN/ORGANISATIONEN
Die Einflüsse Sigmund Freuds Konzept der Libido erklärt Gruppenverhalten
und ist für emotionale Beziehung der Mitglieder verantwortlich Beispiel: Kirche und Armee Prozess wird durch introjektive Identifikation
begleitet Gruppe als Anzahl von Individuen, die allesamt
das selbe Objekt als ihr Ich-Ideal übernommen und sich somit mit jedem Mitglied dieser Gruppe identifiziert haben
Leader als Vaterfigur, die Gruppenideal darstellt, welches das Ich an die Stelle Ich-Ideal lenkt und ermöglicht Autorität auszuüben
FÜHRUNG ALS CONTAINMENT Führungskraft als „Container“ in den Mitarbeiter
unverarbeitete Ängste/Konflikte/Gefühle als das Enthaltene (contained) projizieren können
Gruppendynamik bedingt Übertragungsverzerrung: Gefühl des „Benutztwerdens“ bei Führungskräften Regression (Absinken des Funktionsniveaus)
Ursprung der Container-contained Beziehung frühe Mutter-Kind-Beziehung:Bedürfnis unverarbeitete Anteile loszuwerden aber auch die Hoffnung das jemand anderes damit zurechtkommt bleibt Leben lang
In Krisen- und Stresssituationen: Bedürfnis zeigt sich und bewirkt Projektionen auf Führungspersonen
4. GRUPPENVERHALTEN: DIE THEORIE DER GRUPPENDYNAMIK (BION)
Beziehung zwischen Individuum und Gruppe: Person als Baustein der Gruppe Gleichzeitig aber auch als abgegrenzte Einheit
Gruppe entwickelt sich durch lernen aus Erfahrungversus
Ziel der Selbsterhaltung ohne Spannungen Spannungsverhältnis impliziert, dass jeder
Lernprozess und jede Veränderung in hohem Maße innerhalb der Gruppe unerwünscht ist
Wechselseitige Beeinflussung der Gruppenmitglieder in Meinung und Verhalten Wirkt sich auch auf Arbeitsverhalten aus Verwaltungstechnische und
betriebswirtschaftliche Probleme sind gleichzeitig personale und interpersonale Probleme diese äußern sich in organisatorischen Bedingungen
KONZEPT DER GRUPPENMENTALITÄT
Phänomen, dass sich durch plötzlich verbreitende, anonyme Meinungen, Stimmungen oder Handlungen äußert, die keiner Person direkt zugeordnet werden können
Das eigene Denken wird durch den Druck des anonymen Denkens (das Gruppe als Ganzes durch die Aufrechterhaltung der Anonymität impliziert akzeptiert) eingeschränkt/überlagert
Folge: Gruppenmentalität wirkt gegen die geäußerten Ziele des Einzelnen und für die Meinungen derjenigen, die zum maximalen Gruppenzusammenhalt beitragen egal welche Ziele dahinterstecken oder was mit den Einzelnen passiert (Ursache Mobbing)
Widerspruch: individueller Entfaltung innerhalb der Gruppe und Aspekten der Gruppenmentalität Hauptquelle von Spannungen und Konflikten
in zwischenmenschlichen Beziehungen Aufgabe des Menschen: Erhalt beider „Seiten“ zu
ermöglichen Durch Gruppenkultur: hat Vermittlerfunktion
und beinhaltet Struktur, Beschäftigungen und Organisationsform der Gruppe
Wechselspiel zwischen individuellen Bedürfnissen, Gruppenmentalität und Gruppenkultur
DIE THEORIE DER GRUNDANNAHMEN-GRUPPE
1. Abhängigkeit: Wohlergehen ist von leader abhängig
2. Paarbildung: Paar trägt Aufgabe etwas neues (Idee, Struktur) zu schaffen, dass die Gruppe glauben macht sie sei geschützt vor Zerstörung/Desintegration
3. Kampf/Flucht Übereinstimmende Grundannahme kann
rationale Arbeit beeinflussen Ziel: Überleben der Gruppe, nicht des Einzelnen Glaube: Mitglieder sind von alleine mit
Instinkten ausgestattet, die produktive Arbeit ermöglichen
DIE THEORIE DER ARBEITSGRUPPE
Gruppe kommt zusammen, um kreative Aufgabe zu lösen
Wählt Führer, um Produktivität zu steigern Glaube: lernen und Fähigkeiten weiterentwickeln
um guten Beitrag zu leisten Entwicklung resultiert daraus, ein Mitglied dieser
Gruppe zu sein
UNTERSCHIEDE IM FUNKTIONSNIVEAU BEIDER GRUPPEN
Arbeitsgruppe Grundannahmen-Gruppe
- Bezug zur Realität: Bewusstsein über Notwendigkeit der Aufgabenbearbeitung um ein Gleichgewicht der Belastungen innerhalb und außerhalb der Gruppe gewährleisten zu können
- Handelt wie ein geschlossenes System das die externe Realität ignoriert und sich vor ihr verteidigt
Beziehung auf Basis von Kooperation Suche nach einem gemeinsamen Arbeitsweg
- Definiert sich über Vergrößerung und Entwicklung
- Definiert sich über Stagnation und Regression
Die Gruppen stehen nicht nebeneinander, sondern die verschiedenen Mitglieder arbeiten in unterschiedlichen Formen nebeneinander Ein Konflikt entsteht nur da, wo die
Grundannahmen-Gruppe auf die Arbeitsgruppendynamik prallt
BEZUG DER THEORIE AUF KONFLIKTE IN ORGANISATIONEN
Konflikte in Organisationen: finden immer im Zusammenhang mit
Spaltungsprozessen statt Sind oft Resultat von Projektionen und
projektiven Identifizierungen Immer mit der unbewussten Teilnahme an einer
der Grundannahmezustände in Zusammenhang zu bringen
Psychodynamische und gruppendynamische Konflikte bedienen sich solcher Mechanismen, um Konflikte zu verwirklichen bzw. auszuagieren
5.PSYCHODYNAMISCHE ORGANISATIONSBERATUNG
Thematisiert Verbindung zwischen rationalen Abläufen und unbewussten Prozessen in einer Organisation
Stellt Konzepte für entwicklungsorientierte Arbeitsweisen in Unternehmen zur Verfügung
Lernende Organisation baut Ängste und Machtspiele in langem Prozess ab, der von Vertrauen und Mitarbeit gekennzeichnet ist
Form der angewandten und um betriebswirtschaftliche und systemische Kenntnisse erweiterten Psychoanalyse
Diagnose der strukturellen, interpersonellen und systemischen Dynamik der Organisation
Zentrale Aufgabe: Umgang einer Organisation mit der Realität herausfinden und offenen Umgang mit Belastungssituationen fördern:1. Bereitschaft, unbewusste Dimensionen
anzuerkennen2. Die rationalen Kompetenzen wieder stärken zu
können
Prozessorientierte Arbeitsweise: Berater als teilnehmender Beobachte hat genügend Handlungsspielraum um sich in
System einzufühlen und Arbeitshypothesen zu entwickeln
Dabei tritt er nicht sofort als „Experte“ auf Primäraufgabe als Kompassnadel für den Berater Methoden: Einzelberatung Coaching Teamentwicklung und –beratung Trainingsveranstaltungen Arbeitskonferenzen
6. DER TAVISTOCK GROUP RELATIONS-ANSATZ
Ganzheitlicher Ansatz Idee: Lernen aus Erfahrung emotionales
und nicht kognitives Lernen Annahme: Mensch ist von Natur aus
lernendes Wesen (Lebenstrieb ist immer bemüht Todestrieb zu überwinden) Liegt nahe, dass Menschen in Konfliktsituationen
bestrebt sind, etwas dagegen zu tun Umsetzung durch: klar definierte Grenzen, Rollen
und Primäraufgabe Oberstes Ziel: Jedes Mitglied soll sich durch
eigene Erfahrung im System erkennen Betrachtung von Individuum UND System-
als-Ganzes
TEIL 3
1. DISKUSSION: GRENZEN DER PSYCHONALYTISCHEN SICHWEISE
Stärken der Metaphern: Zeigen Wesen & Bedeutung von Organisationen Lassen uns unbewusste Prozesse aufdecken Decken Hindernisse im Bezug auf Veränderungen
auf
Grenzen der Metaphern: Auch bewusste Prozesse müssen einbezogen
werden Bieten Anlass für utopische Spekulationen
2. FALLSTUDIE:
KURZINTERVIEW
3. INTERAKTIVER TEIL
Interpretation des Fallbeispiels: Abwehrmechanismen ? Psychische Belastungen ? Privatisierung des Arbeitslebens ? „Beziehungsprobleme ?“ Sonstiges ?
LITERATUR Board R. de (1978). The Psychonanalysis of
Organizations. A Psychoanalytic Approach to Behaviour in Groups and Organizations. London: Tavistock (Kap.2-5, 9+10)
Lohmer, M. (Hrsg.) (2004). Psychodynamische Organisationsberatung. Konflikte und Potentiale in Veränderungsprozessen (2.Aufl). Stuttgar: Klett-Cotta (Kap. 1-4)
Morgan, G. (2008). Bilder der Organisation (4.Aufl.). Stuttgart: Klett-Cotta. (Kap. 1-4)
Obholzer, A.(1997). Das Unbewusste bei der Arbeit. In I. Eisenbach-Stangl & M. Ertl (Hrsg.), Unbewusstes in Organisationen: Zur Psychoanalyse von sozialen Systemen (S. 17-38). Wien: Facultas.
Vielen Dank für die
Aufmerksamkeit!!!