VB 07 FB Sozialpolitik
Delegiertenversammlung
IG Metall Verwaltungsstelle Salzgitter
am 15. Juni 2009
Wege aus der Krise
gewerkschaftliche Perspektivenim Wahl- und Krisenjahr 2009
Dr. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Kurzarbeit weiterhin auf hohem Niveau
0
200.000
400.000
600.000
800.000
1.000.000
1.200.000
1.400.000
Anzahl der Leistungsempfänger KuG Personen in KuG-Anzeigen
* für die Anzahl der Leistungsempfänger liegen für die Monate Januar bis April nur Schätzungen vor (vgl. Monatsbericht 05/2009)
Quelle: Daten Bundesagentur für Arbeit
2
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Krise führt auch zu Defiziten in den Sozialversicherungen
1,3
3,71,40,6
-0,7
-15
-4 -5
-17
-20
-15
-10
-5
0
5
2008
2009
2010
Kranken- und Pflege-versicherung
Renten-versicherung
Arbeitslosenversicherung
Prognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zur Entwicklung der Finanzen der Sozialversicherung, in Mrd. Euro
Quelle: Kieler Institut f. Weltwirtschaft, lt. Handelsblatt vom 30.04.2009
3
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Die Vorgeschichte der Krise
Vom „nationalen Sozialstaats-Kapitalismus“ zum
„globalen Finanzmarkt-Kapitalismus“
Vom „alten Klassen-Kompromiss“
zur „Neuen Maßlosigkeit“
4
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Der demokratische Sozialstaats-Auftrag
„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ (Art. 20 GG)
„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (Art. 14 GG)
„Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ (Art. 14 GG)
„Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz (...) in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden (...) .“ (Art. 15 GG)
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (...) ausgeübt.“ (Art. 20 GG)
aus: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
5
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Demokratieschädliche Anmaßung:Politik im Schlepptau der Finanzmärkte!
„Politik muss (...) heute mehr denn je mit Blick auf die
Finanzmärkte formuliert werden. (...)
Wenn man so will haben die Finanzmärkte quasi als ‚fünfte
Gewalt‘ neben den Medien eine wichtige Wächterrolle
übernommen. Wenn die Politik im 21. Jahrhundert in diesem
Sinn im Schlepptau der Finanzmärkte stünde, wäre dies
vielleicht so schlecht nicht.“
Rolf-E. Breuer (Deutsche Bank): Die fünfte Gewalt, in: Die Zeit, v. 27.04.2000, S. 21
6
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Beschleunigung der Privatisierung der Alterssicherung
Viertes Finanzmarkt-förderungsgesetz(2002)Die Anforderungen an denBörsenhandel werden gelockert, die Anlagemöglich-keiten von Fonds erweitert, der Handel mit Derivatenauch im Immobiliengeschäftwird erlaubt. In den Folge-jahren wandern immer mehrfaule US-Immobilien-kredite in die Bilanzendeutscher Banken.
„Das Gesetz ist eingebettet in eine
umfassende Strategie der
Bundesregierung zur Stärkung des
deutschen Finanzsystems (...) Die
Steuerreform 2000 erhöht die Attraktivität
des Standorts Deutschland und treibt die
Entflechtung der „Deutschland AG“
voran. Die Rentenreform beschleunigt
den Ausbau der privaten Altersvorsorge.“
Begründung des Gesetzentwurfs
7
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Der Finanzmarkt-Kapitalismus als Leitbild sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik
„Der Finanzplatz Deutschland muss
im Hinblick auf alternative
Investmentformen für institutionelle
Anleger wie Versicherungen und
Pensionsfonds attraktiver werden. Zu
einem leistungsfähigen
Finanzstandort gehört eine aktive
Private-Equity-Branche.
Finanzinvestoren legen inzwischen
jährlich rund 30 Milliarden Euro in
Deutschland an.“
Kurt Beck, Garrelt Duin,Sigmar Gabriel,Hubertus Heil,Heiko Maas,Andrea Nahles,Peer Steinbrück,Ludwig Stiegler,Brigitte Zypries(alle SPD),Impulspapier „Neue Werte schaffen“ zur Vorbereitungder Konferenz „PerspektivensozialdemokratischerWirtschaftspolitik“,November 2006
8
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Explosion der „Dax-Vorstands-Gehälter“- Entwicklung der Gesamtbezüge -
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500(Tausend Euro)
Quelle: Kienbaum, nach FAZ v. 30.Juni 2008
Dax-Vorstände:
Geschäftsführer:
Leitende Angestellte:
446 - 3.334 Ts. €
132 – 268 Ts. €
62 – 111 Ts. €
1987 1990 2000 2007
9
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
19,0
-1,2 0,0 0,0 0,4 1,3 2,87,0
11,8
19,9
57,9
-1,6 0,0 0,0 0,4 1,2 2,86,0
11,1
61,1
-10
0
10
20
30
40
50
60
70
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
2002 2007
Nettovermögen in Deutschland 2002 und 2007- Anteil der Dezile am Gesamtvermögen in Prozent -
Quellen: SOEP, Berechnungen des DIW Berlin
Polarisierung in der Vermögensverteilung schreitet voran
10
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Ist das Zeitfenster schon wieder zu?!?
„(…) Private Banken schaffen längst Fakten. Die Deutsche
Bank rühmt sich ihres riesigen Quartalsgewinns. Die Händler
anderer Häuser verdienen ebenfalls wieder Boni mit
Währungsspekulationen, und wo der Staat die Boni ausgesetzt
hat, steigen die Festgehälter. Hedgefonds weiten ihr Geschäft
aus. Und viele Banken locken ihre Kunden mit neuen
Renditeversprechen.
Es wird schon wieder gezockt im Kasino, und meist nach den
alten Regeln. (…)“
Quelle: U.J. Heuser, Da war doch was, in: Die Zeit, (24)04.06.2009,
S. 1
11
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Die Bausteine eines Zukunfts-Programms der IG Metall
„Aktiv aus der Krise-Gemeinsam für ein
gutes Leben“Der Aktionsplan der
IG Metall
„Frankfurter Appell
der IG Metall“
„Offensiv-KonzeptBeschäftigung- und Zukunftssicherung“
der IG Metall
12
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Solidarische Anti-Krisen-Politik:Sofort-Paket Beschäftigungsbrücke
Maßnahmen:
1. Abschlagsfreier Rentenzugang nach 40 Versicherungsjahren ab dem 60. Lebensjahr
2. Aussetzung der ab 2012 beginnenden Anhebung der Regelaltersgrenzen
3. Wiederaufnahme der öffentlichen Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit
4. Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitslose auf bis zu 36 Monate
Die Maßnahmen sollen zunächst auf fünf Jahre befristet werden.
Anschließend soll geprüft werden, ob eine Aufhebung „unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können.“
13
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Entwicklung des Rentenniveaus vor Steuern
52,1
42,5
44
45,7
47,448,1
40
45
50
55
2005 2010 2015 2020 2025 2030
Anmerkung: Das prozentuale „Rentenniveau vor Steuern“ entspricht der Bruttostandardrente eines sog. Eckrentners (45 Arbeitsjahre bei durchschnittlichem Jahreseinkommen) abzüglich des durchschnittlichen Eigenanteils der Rentner an der Kranken- und Pflegeversicherung im Verhältnis zum durchschnittlichem Jahreseinkommen der Aktiven abzüglich ihres durchschnittlichen Beitrags zur Sozialversicherung und zur zusätzlichen Altersvorsorge (Riester-Rente). Nicht enthalten sind die Verschlechterungen durch „Rente mit 67“ und den Ausgleichsfaktor.
14
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Eine Rente über Armutsniveauist immer schwieriger zu erreichen
Quelle: Arbeitnehmerkammer Bremen. Basis: Single, nach heutigen Werten.
2834
37
45
56
68
0
10
20
30
40
50
60
70
Durchschnittsverdiener 75 %-Verdiener 50 %-Verdiener
heute 2030
Anzahl an Beitragsjahren zur Deckung des Grundsicherungsbedarfs
15
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied 16
Trotz Riester-Rente: Versorgungsniveau sinkt!
53,6
50 49,7 49,448,7
47,9 47,7 47,7 47,5 47,3 47,2 47,1 46,7 46,2 46,1
1,31,5
1,8 2,1 2,3 2,6 2,8 3,0 3,4 3,63,8 4,1
42
44
46
48
50
52
54
1998 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
Gesetzl. Rente RiesterrenteHinweise: Rechnung für Standardrentner 45 Jahre Beitragszahlung aus Durchschnittsverdienst. Altersvorsorgeaufwand steigt von 1 Prozent in 2002 auf 4 Prozent in 2008 alle zwei Jahre um ein Prozentpunkt. Verzinsung der Riesterrente mit 4 Prozent p.a.; Riester-Rente wird wie Rente aus der GRV angepasst. Für Rentenzugänge vor 2010 wird unterstellt, dass kein Riester-Vertrag abgeschlossen wurde. Quelle: Rentenversicherungsbericht 2007, DRV-Bund
Gesamtversorgungsniveau vor Steuern in Prozent
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Fünf-Punkte-Programm der IG Metall„Für einen Neuen Generationenvertrag“
Die IG Metall fordert:
Keine Flickschusterei aus Wahlkampfgründen – sondern eine
solidarische Stabilisierung und Erneuerung der Alterssicherung!
1. Alle rein ins Solidarsystem – Für eine solidarische
Erwerbstätigenversicherung!
2. Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung – beides
muss drin sein!
3. Betriebsrenten für Alle!
4. Flexible Übergänge in den Ruhestand - statt „Rente mit 67“!
5. Gute Löhne für gute Renten!
17
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Verteilung der Beitragslast in der gRV- nach Regierungsplänen und IG Metall-Alternative -
22% 24%
11% 12%11% 12%
6%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
RV-Beitrag AG-Anteil AN-Anteil Privatvers. AN
Regierungspläne Alternativszenarioder IG Metall
plus 15-20 Mrd. € Steuerzuschuss
18
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Materialien zur Unterstützung der Debatte vor Ort
19
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Leitlinien eines solidarischen Ausweges aus der Krise
1. Keine Entlassungen in der Krise! Nach der Kurzarbeit: Beschäftigungs- und Industriepolitik durch öffentliche Mittel und Auflagen („Beteiligungsfonds“)!
2. „Wir wollen mehr Wirtschaftsdemokratie wagen“: Wo öffentliches Geld fließt müssen öffentliches Eigentum, öffentliche Einflussnahme und mehr Mitbestimmung folgen!
3. Für eine Neue Wirtschaftskultur: Weg vom Shareholder-Value-Irrsinn – hin zur nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen und Branchen!
4. „Die Finanzmärkte ins Schlepptau der Politik nehmen!“ Kontrolle, Regulierung und Umorientierung der Finanzmärkte – und ihrer Spieler!
5. Mehr Solidarität und Gerechtigkeit: Für eine offensive Umverteilung von Arbeits- und Sozialeinkommen, Vermögen und sozialen Lebenschancen!
6. Aufklären - Verantwortung übernehmen – Konsequenzen ziehen: Der Frankfurter Appell der IG Metall!
20
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
100.000 Menschen demonstrieren in Berlin
21
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Neuaufnahmen, Austritte und Streichungen Jahressumme bis Berichtsmonat (Statistik)
47.337 45.332 43.321
11.4249.174
9.533
38.42644.014
32.359
0
10.000
20.000
30.000
40.000
50.000
60.000
70.000
2007 2008 2009
Austritte Streichungen Neuaufnahmen
Berichtsmonat: Mai 2009
22
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Die Kampagne der IG Metall
23
VB 07
Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Vielen Dank!
24