Einführung in die historische Demo(geo)graphie
Begrifflichkeit und Tendenzen
Ziele des Kurses• Aktivierung, Strukturierung, Vertiefung des
Fachwissens (Begrifflichkeiten, Theorien, Vernetzungen)
• räumliche Orientierung in Donauraum und Balkan
• Zeitliche Orientierung in einzelner Entwicklungsphasen der gesellschaftlichen Strukturen (ethnische und konfessionelle Demographie)
• Strukturierung kulturhistorischer Kenntnisse
• Veranschaulichung der Haupttendenzen der historischen Demogeographie in Ostmitteleuropa (Karpatenbecken) und am Balkan (Südosteuropa)
• Erarbeitung der Kenntnisse über ethnischen und konfessionellen Gruppen im Donauraum und am Balkan
• Einübung der Fachkompetenzen durch Quellenanalyse und statistisches Denken
• Sensibilisierung für aktuelle Probleme der Gesellschaften von Donauraum und Balkan
Lernerfolgskontrolle
• Aktive Teilnahme in der Präsenzzeit
• Mündliche Prüfung
Mind map
Lehr- und Lernziele• Beschreibung der Aufgabebereiche von
Demographie, historischer Demographie und historische Demogeographie
• Einordung unter den Disziplinen (Interdisziplinarität)
• Aktivierung des Vorwissens zu Grundbegriffen der Demographie
• Definieren von Grundbegriffen der Demographie
• Einübung von Diagrammanalysen
Demographie
• eine wissenschaftliche Disziplin
• untersucht die Geschichte der Bevölkerung
• andere Disziplinen mit Bevölkerungsforschung: Geographie, Soziologie mit anderem Fokus
Gegenstand der Demographie
• statistische und theoretische Entwicklung der Bevölkerung
• Bevölkerungsstrukturen
• Bevölkerungsbewegung
• zahlenmäßige Gliederung
• geografische Verteilung
• Umwelt- und soziale Faktoren, die für Veränderungen verantwortlich sind
Bevölkerungsstruktur
• Zusammensetzung der Bevölkerung aus Gruppierungen, die sich durch bestimmte Merkmale voneinander unterscheiden
• z.B. Alter, Geschlecht, Nationalität, Zugehörigkeit zu Haushalten bestimmter Größe usw.
Bevölkerungsbewegung
1. natürliche Bevölkerungsbewegung
• Fertilität, Mortalität
• Verhaltenskomplexe: Heirats- und Scheidungsverhalten
• Bevölkerungsentwicklung Veränderung der Bevölkerung nach Zahl und Altersstruktur
• Bevölkerungsverteilung und deren Veränderungen
2. Territoriale / räumliche Mobilität
• Migration: die Bewegung von Einzelpersonen im geographischen Raum
• temporäre und räumliche Unterschiede
• dauerhafte oder vorübergehende
• Binnenmigration /nationale Migration: Wohnortwechsel
• Internationale Migration / Auswanderung, Emigration, Immigration, interkontinentale Migration
Soziale Mobilität• Gegenstand der Soziologie
• Bewegung von Einzelpersonen und/oder Gruppen zwischen unterschiedlichen sozio-ökonomischen Positionen
• Vertikale: Aufstieg/ Abstieg durch Berufwechsel im sozialen Beziehungsraum
• Horizontale: trotz Berufswechsel Zugehörigkeit zur gleichen Schicht /Klasse
• Intra- und Intergenerationenmobilität
Gängige Methoden der Demographie• Statistik: Erforschung der Regelmäßigkeiten und
Gesetzmäßigkeiten • Quellen:
Stichproben, Steuerlisten, Bewohnerlisten, Volkszählungen, Kirchen- und Ortsfamilienbücher (seit Mittelalter), staatliche Register der Standesämter, weitere schriftliche Quellen
• demographische Prognosenkünftigen Geburtenverhalten, Sterblichkeit, Zu- und Abwanderung
• Beschreibungs- und Erklärungsmodelle umstritten und nicht von langer DauerTheorie der Fertilität, Mortalität, Migration, Struktur des Bevölkerungsbestandes
Begriffe
Demographischer Übergang / Wandel
• modellhafte Beschreibung des Übergangs von hohen zu niedrigen Sterbe- und Geburtenrate, des Bevölkerungswachstums
• Weltweit einheitliche Tendenz von hohen zu niedrigen Geburten- und Sterbeziffern seit 1970er Jahre (Pillenknick)
Diagrammanalyse• Was veranschaulichen die Modelle?
• Was ist für die einzelnen Phasen typisch?
• Was sind die Vor- und Nachteile der Modellen?
• Können wir zeitlich die Phasen einordnen?
• Was sind die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Modellen?
4-Phasen-Modell
Phase 1.• Stark schwankende Geburten- und Sterberate,
auf hohem Niveau
• Kein wesentliches Bevölkerungswachstum
Phase 2. • sinkende Sterberate, gleich bleibender
Geburtenrate
• Steigen des Jugendquotienten
• sich laufend vergrößerter Geburtenüberschuss
Phase 3. • sinkende Geburtenrate, schneller als die
Sterberate• abnehmender Geburtenüberschuss
Phase 4. • Geburten- und Sterberate auf niedrigem Niveau • Kein wesentliches Bevölkerungswachstum
(oder durch Einwanderung)
Sonderform: • Bevölkerungsabnahme: Sterberate überlappt
Geburtenrate
4-Phasen-Modell• entwickelt: 1930er Jahre, bzw. nach 1945
chronologische Einteilung (westliche Welt):
• Phase 1.: preindustrielle Zeit bis 1840
• Phase 2.: 1840-1910
• Phase 3: 1910-1980/90
• Phase 4: seit den 1980er Jahren bis heute
5-Phasen-Modell
Phase 1. prätransformative Phase:• hohe, kaum voneinander abweichende Geburten- und
Sterberate• sehr geringes Bevölkerungswachstum
Phase 2. frühtransformative Phase: • Geburtenrate konstant hoch• langsam absinkende Sterberate• Öffnung der Bevölkerungsschere
Phase 3. mitteltransformative Phase: • abfallende Sterberate, langsam zurückgehende Geburtenrate• Höchststand des Bevölkerungswachstums• gekennzeichnet vom Wirtschaftsaufschwung durch
demografisches Fenster (Rate der Erwerbsfähigen und Erwerbsunfähigen)
Phase 4. spättransformative Phase• kaum sinkende Sterberate• stark abnehmende Geburtenrate • schließende Bevölkerungsschere• „zweiter demographischer Wandel“
Phase 5. posttransformative Phase: • stabile und niedrige Geburten- und Sterberate • geringes Bevölkerungswachstum, kaum
Schwankungen
• entwickelt in 1970er Jahre
Variables Modell
1 Frankreich, 2 Deutschland, 3 Dritte Welt
• Entwickelt in 1980er Jahre• unterschiedliche Transformationsprozesse in
einem flexiblen Modell
• zeitliche Verschiebung und unterschiedliche Dauer des demographischen Überganges in Europa
• Beginn in England, Dauer ca. 2 Jahrhunderte, Deutschland, Niederlande ca. 70, 90 Jahre
• Veranschaulichung der unterschiedlichen Ausprägung von Bevölkerungsschere
• Frankreich: fast gleichzeitiger Rückgang der Sterbe- und Geburtenrate
Demographisch-ökonomisches Paradox
• Mit dem Wohlstand geht die Geburtenrate zurück
• Senkung der Kinderzahl trotz gestiegenen Realeinkommens in Industrieländern, auch beim Mittelstand der Entwicklungs- und Schwellenländern
• Je höheres Pro-Kopf-Einkommen und Bildungsgrad, desto niedrigere Geburtenrate
Fertiliät
• Geburtenrate, Geburtenziffer
• Anzahl der Lebendgeborenen pro Jahr bezogen auf 1000 Einwohner
Gebutenrate Europa 2006
Fertilitätsrate • Fruchtbarkeitsrate
• wie viele Kinder eine Frau durchschnittlich im Laufe des Lebens auf die Welt setzt
• bestandserhaltende Geburtenrate:
2,1 Kinder pro Frau
Erhaltung der Bevölkerungszahl ohne Migration in modernen Gesellschaften mit geringer Säuglings- und Kindersterblichkeit
Mortalität
• Sterberate, Sterbeziffern
• Anzahl der Todesfälle pro Jahr bezogen auf 1000 Einwohner
• altersspezifische Mortalität: z. B. Kindersterblichkeit: Todesfälle pro Altersklasse pro Zeit
Migrationsrate
• Migranten bezogen auf 1.000 Einwohner pro Jahr
• Beschreibt Ein- und Auswanderung der Bevölkerung eines Landes
Lebenserwartung
• durchschnittliche Lebenserwartung ab der Geburt
• Unterschied bei Frauen und Männer
• Was beeinflusst die Lebenserwartung?
Altenquotient
• statistisches Verhältnis der Menschen, die nicht mehr im erwerbsfähigen Alter (über 60-65) und im erwerbsfähigen Alter (meist ab 15 bzw. 20 Jahre bis 64 bzw. 59 Jahre) sind
Historische Demographie
• eine junge Bevölkerungswissenschaft wie die Bevölkerungsökonomie, Bevölkerungssoziologie, Bevölkerungsgenetik, Bevölkerungsmathematik
• Untersucht: Bevölkerungen der Vergangenheit, für die schriftlichen (statistischen) Quellen verfügbar sind (Paläodemographie)
• Untersuchungsgegenstand: soziale und politische Bevölkerungsgeschichte des demographischen Wandels
Historische Demographie
Historische Demogeographie
Entstehung der Disziplin Demographie
• Ende des 19. Jht.: Spezialisierung der Gesellschaftswissenschaft methodische Stagnation
• NS-Zeit: Bevölkerungsforscher mit hohem Ansehen
• Nach 1945: wissenschaftliche Distanzierung von der Disziplin wegen NS-Vergangenheit
• 1970er Jahre: Aufschwung (große Migrationsströme, Gesellschaftlicher Wandel)
Historische Demographie
• enger Zeitraum: ab 19. Jht. (offizielle Volkszählungen) bis zum Ersten Weltkrieg
• breiter Zeitraum: seit schriftliche Quellen vorhanden sind bis 20. Jht.
Wissenschaftler
• Gründer der historisch-statistische Demographie: Louis Henry
• Gestützt auf die Arbeiten von Thomas Malthus, Ferdinand Braudel und der Schule der Annales
Disziplinäre Einordnung
der deskriptiven historischen Demographie
Historische Demogeographie
• Teildisziplin der Geographie
• Teil der Humangeographie
• Soziale, ethnische, konfessionelle Geschichte einer Bevölkerung
• Bedient sich der Techniken und Methoden der Geschichte, Geographie, Statistik, Soziologie usw. Interdisziplinarität
Zusammenfassung
• Der demographische Übergang in Europa sind von zeitlicher Verschiebung und unterschiedlicher Dauer gekennzeichnet.
• Die Bevölkerungszahl wird grundsätzlich von natürlicher Bevölkerungsbewegung (Fertilität, Mortalität) und territoriale Mobilität (Aus- und Einwanderung) beeinflusst.
Historische Demo(geo)graphie• Die Demographie befasst sich mit der
statistischen und theoretischen Entwicklung der Bevölkerung.
• Die historische Demographie untersucht die sozialen und politischen Bevölkerungsgeschichte des demographischen Wandels (19/20. Jht.).
• Die historische Demogeographie untersucht die soziale, ethnische und konfessionelle Entwicklung einer Bevölkerung.