Download - energeia Watt d'Or 2013
Newsletter des Bundesamts für Energie BFESonderausgabe | Januar 2013
Watt d’Or 2013Die Auszeichnung für Bestleistungen im Energiebereich
«Ohne eine bessere Energie
effizienz und innovative
Ansätze lässt sich der Aus
stieg aus der Kern energie
nicht schaffen. Gerade auch
im Bereich von Erdgas,
erneuerbaren Gasen und den
Gasnetzen steckt noch viel
Potenzial. Der Watt d’Or
spornt dazu an, diese neuen
Wege zu beschreiten –
richtigerweise ausgerich
tet am Ziel einer sicheren,
wirtschaftlichen und
klimaschonenden Energie
zukunft der Schweiz.»
Daniela Decurtins,
Direktorin des Verbands der
Schweizerischen Gasindustrie
(VSG) und Mitglied der Jury
Watt d’Or.
«Dank dem Watt d’Or hat
unser regionales Projekt
im Bereich ‹erneuerbare
Energie› nationales Ansehen
erreicht. Darauf sind wir
sehr stolz. Für die schwei
zerische Energiepolitik ist
eine Verleihung wie der
Watt d’Or wichtig, denn er
sensibilisiert auf anschau
liche Art und Weise positive
Beispiele für den angestreb
ten Energiewandel.»
Heiner Straubhaar,
Vorsitzender der Geschäfts-
leitung AVAG AG für Abfall-
verwertung und Preisträger
des Watt d’Or 2012.
«Der Watt d’Or ist für die
Energiebranche, was der
Goldene Leopard von
Locarno für die Filmszene
ist. Alle, die auf dem Weg
in die Energiezukunft ihre
Rolle vorbildlich spielen,
sind die wahren Stars der
2000WattGesellschaft.»
Yves Christen,
Alt-Nationalrat und Mitglied
der Jury Watt d’Or.
Ed it o r i a l
Chiara Simoneschi-Cortesi 1
B u n d e s a m t f ü r E n e r g ie
Watt d’Or – Gütesiegel für Energieexzellenz 2
I n t e r v i ew
Goldige Leistungen 3
G e s e l l s c h a f t
Den Energiesparvirus übertragen 4
En e r g ie t e c h n o l o g i e n
Duschen mit Joulia 6
E n e r g ie t e c h n o l o g i e n – S p e z i a l p r e i s E x p or t
Klappe halten und Energie sparen 8
E n e r g ie e f f i z i e n t e M o b i l i t ä t
PostAuto Schweiz setzt auf Brennstoffzelle 10
G e b ä u d e u n d Ra u m
Eine Bank der Zukunft 12
G e b ä u d e u n d Ra u m
Neue Spannung in der Cloud 14
Service 16
Impressum
energeia – Newsletter des Bundesamts für Energie BFE Erscheint 6-mal jährlich in deutscher und französischer Ausgabe. Copyright by Swiss Federal Office of Energy SFOE, Berne. Alle Rechte vorbehalten.
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Chefredaktion: Matthieu Buchs (bum), Marianne Zünd (zum)
Redaktionelle Mitarbeiter: Sabine Hirsbrunner (his), Philipp Schwander (swp)
Grafisches Konzept und Gestaltung: raschle & kranz, Bern. www.raschlekranz.ch
Internet: www.bfe.admin.ch/energeia
Informations- und Beratungsplattform: www.energieschweiz.ch
Wir leiden unter «energetischem Analphabetismus». Cédric Jeanneret
von den Services Industriels de Genève SIG, der Gewinnerin des dies-
jährigen Watt d’Or in der Kategorie Gesellschaft, hat recht. Energie ist
für die meisten von uns tatsächlich etwas Abstraktes. Wir wissen zwar,
dass unser modernes Leben ohne Energie nicht funktioniert und dass
sie irgendwer, irgendwie und irgendwo produzieren und zu uns trans-
portieren muss. Doch darum wollen wir uns nicht weiter kümmern
müssen. Hauptsache, die Energie steht uns jederzeit zur Verfügung, wie
die Luft zum Atmen. Auch die nehmen wir erst wahr, wenn sie uns aus-
geht. Energie muss handfester werden. Wir Menschen wollen etwas an-
fassen können, mit eigenen Augen sehen, um es begreifen zu können.
Das haben die Gewinnerinnen und Gewinner des Watt d’Or 2013 ver-
standen. Die SIG, die ihre Kundinnen und Kunden zu Koproduzenten
von Energieeinsparungen machen und den Strommarkt der Zukunft
mit ihrem Effizienzgeschäftsmodell mitgestalten. Die Joulia SA, indem
sie das Energiesparen in unsere Badezimmer trägt und erlebbar macht:
Mit eigenen Händen kann man fühlen, wie die Duschwanne Joulia dem
ablaufenden Wasser Wärme entzieht. Ganz nah bei den Menschen ist
auch die Credit Suisse, die ihren Mitarbeitenden im Neubau Uetlihof
2 ein intelligentes Arbeitsplatzmodell in einem realen Effizienzraum
bietet. Energiesparen ist hier nicht mehr abstrakt, sondern gelebter
Alltag. Genauso wie für die Fahrgäste der Brennstoffzellenpostautos
in Brugg, deren elektrische Antriebe die hundertprozentig erneuerbare
Energie emissionsfrei und viel effizienter in Bewegung umsetzen als
herkömmliche Verbrennungsmotoren. Auch die Rieter AG hat etwas
Greifbares geschaffen, eine kleine Plastikklappe, die in den Produk-
tionsländern unserer Garne und Stoffe enorme Energieeinsparungen
ermöglichen wird. Und schliesslich die Green Datacenter AG, die ihr
Rechenzentrum in Lupfig mit Gleichstrom versorgt, dadurch 20 Pro-
zent Energie einspart und ein inter national beachteter Show Case für
neuste Technologien ist. So konkret, so greif bar und überzeugend
sind die Gewinnerprojekte in dieser siebten Auflage des Watt d’Or.
Sie ziehen die Aufmerksamkeit der Welt auf sich und sie helfen uns
Schweizerinnen und Schweizer beim Erlernen des Energie-ABCs:
Parlate energia?
Chiara Simoneschi-Cortesi
Jurypräsidentin
E d i t o r i a l
Der energetische Analphabetismus
1
Die Jury
Die Auszeichnung Watt d’Or wird in den folgen-
den fünf Kategorien vergeben:
· Gesellschaft
· Energietechnologien
· Erneuerbare Energien
· Energieeffiziente Mobilität
· Gebäude und Raum
Das Bundesamt für Energie setzt für jede Ka-
tegorie ein Team von Fachexperten ein, das die
eingereichten Projekte nominiert und diese der
Jury zur Bewertung unterbreitet.
Die Jury setzt sich aus qualifizierten und nam-
haften Vertreterinnen und Vertretern aus Politik,
Forschung, Kantonen, Wirtschaft, Architektur so-
wie aus Fach- und Umweltverbänden zusammen
(alphabetische Reihenfolge):
· Daniel Brélaz, Stadtpräsident Lausanne und
Alt-Nationalrat
· Pascale Bruderer, Ständerätin
· Fredy Brunner, Stadtrat St. Gallen
· Achille Casanova, Ombudsstelle SRG.D
· Yves Christen, Alt-Nationalrat
· Daniela Decurtins, Verband der schweizeri-
schen Gasindustrie
· Andrea Deplazes, ETH Zürich
· Patrick Hofstetter, WWF Schweiz
· Robert Keller, Alt-Nationalrat
· Max Nötzli, auto-schweiz
· Chiara Simoneschi-Cortesi, Alt-Nationalrätin
· Walter Steinmann, Bundesamt für Energie
· Alexander Wokaun, Paul Scherrer Institut
Die Preisträger 2013
Die Preisträger des Watt d’Or 2013 im Überblick:
Kategorie 1: Gesellschaft
«Energiedienstleistungsvertrag CPE / Stromspar-
programm éco21»
Services Industriels de Genève SIG
Kategorie 2: Energietechnologien
«Joulia SA»
Joulia SA
Kategorie 2: Energietechnologien – Spezialpreis
Export
«suction tube ECOrized»
Maschinenfabrik Rieter AG
Kategorie 4: Mobilität
«Brennstoffzellenpostauto»
PostAuto Schweiz AG
Kategorie 5: Gebäude und Raum
«Uetlihof 2»
Credit Suisse AG
Kategorie 5: Gebäude und Raum
«Green Datacenter AG»
Green Datacenter AG
Watt d’Or – Gütesiegel für Energieexzellenz
Nachdem Bundesrat und Parlament vor fast
zwei Jahren den schrittweisen Ausstieg aus
der Atomenergie beschlossen haben, liegen
nun die Grundlagen für die ersten Schritte auf
diesem Weg vor. Das erste umfassende Mass-
nahmenpaket mit einer Totalrevision des Ener-
giegesetzes und vielen weiteren Anpassungen
des Bundesrechts liegt auf dem Tisch. Erste
Reaktionen auf dieses Paket, das noch bis
Januar 2013 in der Vernehmlassung ist, zeigen,
dass dem Jahrhundertprojekt Energiestrategie
2050 in unserem Land eine spannende, kont-
roverse und emotionsgeladene Debatte bevor-
steht. Einigen sind Tempo und Massnahmen
zu rasch, zu streng, zu teuer. Anderen geht es
viel zu langsam vorwärts. Während Politik,
Wirtschaft und Nichtregierungsorganisati-
onen nun ihre Positionen beziehen, setzen
innovative schweizerische Unternehmen die
Energiezukunft längst erfolgreich und mutig
in die Praxis um. Für sie hat das Bundesamt
für Energie im Jahr 2006 den Watt d’Or, das
Gütesiegel für Energieexzellenz, geschaffen.
Am 10. Januar 2013 werden mit dem Watt
d’Or bereits zum siebten Mal hervorragende
Energieprojekte, bestechende Konzepte und
Innovationen ausgezeichnet. Hinter diesen
Projekten stecken Menschen, Unternehmen
und Organisationen, die Energietechnolo-
gien der Zukunft entwickeln und einsetzen,
sich mit Innovationen auf den Markt wagen
und neue Standards für praktische Lösungen
Am 10. Januar 2013 verleiht das Bundesamt für Energie zum siebten Mal
den Watt d’Or, die Auszeichnung für aussergewöhnliche Leistungen im
Energiebereich.
setzen, die unseren hohen Ansprüchen an
Komfort, Ästhetik und Wirtschaftlichkeit
gerecht werden. Ihre Leistungen verdienen
öffentliche Anerkennung.
Die Preisverleihung des Watt d’Or findet an-
lässlich der Neujahrsveranstaltung des Bun-
desamts für Energie vor hunderten Vertrete-
rinnen und Vertretern der schweizerischen
Energieszene statt. Der Preis wird in fünf ver-
schiedenen Kategorien vergeben (vgl. Kasten).
Der Watt d’Or ist nicht dotiert, es werden keine
Preisgelder ausgeschüttet und es wird auf eine
Rangierung unter den Siegerprojekten verzich-
tet. Die Preisträger erhalten jedoch eine ein-
drucksvolle Trophäe: eine riesige Schneekugel
aus der Schneekugelmanufaktur Erwin Perzy
in Wien. Sie muss kräftig geschüttelt werden,
um das Schneegestöber in ihrem Innern aus-
zulösen. Die Schneekugel symbolisiert, dass
es in unserer Welt – und vor allem im Energie-
bereich – immer ein gewisses Mass an geis-
tiger und körperlicher Anstrengung braucht,
um etwas in Bewegung zu setzen. Genau dies
haben die diesjährigen Preisträgerinnen und
Preisträger getan und werden dafür mit dem
Watt d’Or 2013 ausgezeichnet. Seine Ausstrah-
lung soll sie bei ihren künftigen Aktivitäten
gewinnbringend unterstützen.
I n t E R n E t
Informationen zum Watt d’Or: www.wattdor.ch
2
Goldige Leistungen
Zwei Mitglieder der Jury verabschieden sich nach
sieben Jahren in Diensten des Watt d’Or. Jurypräsidentin und Alt-Nationalrätin Chiara Simoneschi-Cortesi
und Jurymitglied und Alt-Nationalrat Robert Keller. Die beiden blicken auf goldige Leistungen der letzten
sieben Jahre zurück.
Frau Simoneschi-Cortesi, sie hatten vor sie-ben Jahren sofort begeistert zugesagt, in der Jury des Watt d’Or mitzuwirken. Hat es sich gelohnt?Auf jeden Fall. Ich durfte in dieser Zeit ganz
ungewöhnliche Projekte und Menschen ken-
nenlernen. Ich bin ja keine Energiespezialis-
tin und beschäftige mich, wie die meisten
von uns, nicht jeden Tag mit den neusten
Energietechnologien. Der Watt d’Or hat mir
einen Einblick in die schweizerische Ener-
giewelt verschafft. Ich bin sehr beeindruckt,
was da alles läuft, welche Innovationskraft
Gemeinden und ganze Regionen, Energie-
unternehmen, Forschende und Nutzer an den
Tag legen. Ich konnte sehr viel lernen, gera-
de auch, dass Energie immer ganzheitlich im
Gesamtsystem betrachtet werden muss und
der Wille zur Zusammenarbeit zentral ist.
Jedes Element muss stimmen: vom Konzept,
über das Engagement und die Kooperations-
bereitschaft der beteiligten Menschen bis hin
zu den Technologien.
Herr Keller, sie haben die Entwicklung der Energieszene Schweiz in den letzten sieben Jahren aus der Perspektive der Jury Watt d’Or beobachtet. Welches waren die grössten Veränderungen?Ich erinnere mich an die erste Sitzung der
Jury im Herbst 2006. Es gab sehr gute Wettbe-
werbsbeiträge, aber eben noch sehr wenige.
Wir hatten in der Jury zwar eine sehr angereg-
te Diskussion, die Gewinnerprojekte waren
aber wegen ihrer herausstechenden Qualität
unbestritten. In den Folgejahren war dann die
zunehmende Dynamik der Energiebranche
deutlich spürbar. Immer mehr überzeugende
Eingaben machten es der Jury nicht leicht. Die
Diskussionen wurden länger und intensiver.
Schliesslich will der Watt d’Or nicht einfach
nur sehr gute Projekte auszeichnen, er will
Exzellenz, Projekte mit Ausstrahlungskraft,
mit einem Wow-Effekt.
Herr Keller, die Jury hat dieses Jahr in der Ka-tegorie Erneuerbare Energien kein Siegerpro-jekt gekürt. Waren die Wettbewerbsbeiträge so schlecht?Ganz und gar nicht, es waren sehr gute Wett-
bewerbsbeiträge dabei. Doch es ist wie beim
Sport: Eine sehr gute Leistung reicht heute
nicht mehr zu einer Medaille, das Projekt
muss ausgezeichnet sein. Die Jury wurde
in den letzten Jahren verwöhnt und ist an-
spruchsvoll geworden. Sie will 2013 nicht
Gleiches oder Ähnliches auszeichnen wie im
letzten Jahr. Wir freuen uns zwar, dass Initi-
ativen, die wir in Vorjahren prämiert haben,
nun dutzendfach multipliziert werden. Das
ist ja gerade ein Ziel des Watt d’Or. Echte
Exzellenz beinhaltet für die Jury aber auch
Erstmaligkeit, Einzigartigkeit, eben echten
Pionier- und Innovationsgeist.
Frau Simoneschi-Cortesi, Herr Keller, sie verabschieden sich nun aus der Jury. Was wünschen Sie dem Watt d’Or für die Zukunft?Robert Keller: Wir stehen vor wichtigen Ent-
scheidungen über unsere Energiezukunft.
Vieles ist noch unklar, muss noch eingehend
diskutiert werden. Unendlich viel Zeit haben
wir dafür aber nicht. Der Watt d’Or bringt uns
jedes Jahr ins Bewusstsein, dass die Praxis,
die Wirtschaft nicht warten kann und will.
Der Watt d’Or befördert damit die energiepo-
litischen Entscheide als Katalysator. Ich wün-
sche mir, dass er diese Rolle in den kommen-
den wichtigen Jahren weiter spielen kann.
Chiara Simoneschi-Cortesi: In der oft sehr um-
strittenen energiepolitischen Diskussion ist
der Watt d’Or ein leuchtendes Signal dafür,
dass wir letztlich nicht durch jahrelanges
Reden, sondern nur durch Handeln weiter-
kommen. Er ist eine Auszeichnung für Ma-
cherinnen und Macher, die uns den Weg in
die Zukunft vorspuren. Ich wünsche dem
Watt d’Or viel Erfolg und bin sicher, dass er
seine Ausstrahlungskraft noch lange behal-
ten wird.
3
W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e G e s e l l s c h a f t
«Wir wollen die Bevölkerung mit dem Energiesparvirus anstecken»Die Services Industriels de Genève SIG setzen aufs Energiesparen. Für das Genfer Energieversorgungs-
unternehmen ist Energieeffizienz die wichtigste, verfügbarste, umweltfreundlichste und billigste Energie-
quelle. Darum stellt das Geschäftsmodell der SIG seit fünf Jahren die Energieeffizienz ins Zentrum.
«Wir kaufen sie ein, insbesondere mit unserem Stromsparprogramm éco21, und wir verkaufen sie beispiels-
weise mit unserem Energieleistungsvertrag CPE (Contrat de performance énergétique)», erklärt
Cédric Jeanneret, Leiter des Programms éco21 der SIG. Kundinnen und Kunden sparen durch einen
effizienteren Stromverbrauch Geld, die SIG können auf den Zubau von kostspieligen neuen Netzen und
Kraftwerken verzichten und es entstehen qualifizierte neue Arbeitsplätze für Energieeffizienzfachleute.
Der Energiemarkt der Zukunft à la genevoise: ein Erfolgsmodell.
«Il faut les deux: la carotte et le bâton», bringt
es Cédric Jeanneret auf den Punkt. «Die Poli-
tik, die gesetzlichen Vorschriften zum Ener-
giesparen sind die Peitsche. Und wir hängen
mit unseren Programmen die süsse Karotte
dran. Sie soll uns alle motivieren, die gesetz-
ten Ziele zu erreichen.» Der Kanton Genf hat
sich schon lange auf den Weg in die Energie-
zukunft gemacht. Seit 1986 hat er einen Anti-
Atomstrom-Artikel in seiner Verfassung, seit
2004 kaufen die SIG keinen Atomstrom mehr
ein und Grossverbraucher sind gesetzlich zu
Energieeinsparungen verpflichtet. In den letz-
ten fünf Jahren haben die SIG jährlich 53 Mil-
lionen Franken in ihr Stromsparprogramm
éco21 investiert, 2 Prozent ihres Umsatzes
aus dem Stromgeschäft. Ziel ist, mit éco21 bis
2014 pro Jahr 125 Millionen Kilowattstunden
Strom einzusparen. Die Fortschritte werden
übrigens von der Universität Genf unabhängig
überprüft. Heute ist mit 70 Millionen einge-
sparten Kilowattstunden mehr als die Hälfte
dieses Ziels erreicht. Das entspricht 2 Prozent
des gesamten Jahresstromverbrauchs des
Kantons Genf oder dem Verbrauch von 21 000
Haushalten. 120 000 Genferinnen und Genfer
machen bei éco21 mit, jede/r Zweite kennt das
Programm. So hat sich der kantonale Strom-
verbrauch seit 2008 trotz einer gleichzeitig
stark wachsenden Bevölkerungszahl und ei-
ner florierenden Wirtschaft stabilisiert, wäh-
rend er zwischen 2005 und 2008 noch um 6
Prozent angestiegen war.
«Erfolgsspiralen schaffen»Mit ihren verschiedenen Energiesparpro-
grammen arbeiten die SIG mit allen Genfe-
rinnen und Genfern zusammen, was Syn-
ergien schafft. Die Programme richten sich
an Familien, grosse Verbraucher aber auch
an kleine Unternehmen und die Immobili-
enbranche. «Energiesparen geht alle an. Wir
versuchen, Erfolgsspiralen zu schaffen», be-
tont Cédric Jeanneret. «Wenn beispielsweise
jemand an seinem Arbeitsplatz einen Vortrag
über Energieeinsparungen hört, motiviert ihn
dies möglicherweise, auch zu Hause weniger
Energie zu verbrauchen. Und dann merkt er,
dass auch seine Hausverwaltung Anstrengun-
gen unternimmt, den Stromverbrauch seines
Wohnhauses zu reduzieren. So entsteht eine
sehr positive Kettenreaktion in der ganzen
Genfer Bevölkerung.»
«éco21 ist der Coach der Genferinnen und
Genfer, das Programm begleitet sie», erklärt
Cédric Jeanneret (l.), Jean-Marc Zgraggen
44
Jeanneret, der ein Team von rund einem Dut-
zend Mitarbeitenden führt. «Energie ist für die
Mehrheit unserer Kundinnen und Kunden et-
was Abstraktes. Für sie ist es nicht mehr als
die Energierechnung, die sie regelmässig
bezahlen müssen. Damit ist natürlich auch
das Energiesparen eine abstrakte Sache. Man
kann von einem eigentlichen energetischen
Analphabetismus sprechen.» Energieeffi zienz
sei eben nicht sexy, man könne sie nicht an-
fassen wie zum Beispiel ein Solarpanel und
darum sei sie auch schwierig zu verkaufen.
«Wir müssen mehr tun, weiter gehen als der
gesetzliche Rahmen. Mit éco21 wollen wir
die Bevölkerung mit dem Energiesparvirus
anstecken.»
Win-Win-Win-Situation900 Franken setzen die SIG pro Teilnehmerin
oder Teilnehmer an éco21 ein, wodurch die-
se ihre Stromrechnung um durchschnittlich
4500 Franken senken kann und 1800 Franken
in die lokale Wirtschaft fliessen. So kostet
éco21 die SIG zwar Geld, führt aber zu einer
Win-Win-Win-Situation: Die Kundinnen und
Kunden sparen Geld, es entstehen qualifizier-
te Arbeitsplätze, Detailhändler können ihre
energieeffizienten Geräte verkaufen, es gibt
Aufträge an Techniker und Ingenieurbüros.
Und was gewinnt die SIG, die ja wegen den
Einsparungen letztlich weniger Strom verkau-
fen kann? «Sinkt der Stromverbrauch, erhöht
sich dadurch die energetische Unabhängigkeit
und Wettbewerbsfähigkeit der SIG. Wir sehen
die Rolle der SIG nicht darin, immer mehr
teure Kraftwerke und Netze zu bauen, die
niemand will oder darin, im Ausland Strom
einzukaufen, damit ihn die Genferinnen und
Genfer verschwenden können. Wir wollen
ihnen vielmehr helfen, den Strom effizient
zu nutzen.» Zwar sinke in der angestrebten
2000-Watt-Gesellschaft der Gesamtenergie-
verbrauch, doch der Stromverbrauch bleibe
durch die Substitution von fossilen Energien
durch Strom stabil. «Energieversorger wer-
den also auch in Zukunft Strom verkaufen
können. Zusätzlich produzieren sie aber zu-
sammen mit ihren Kundinnen und Kunden
das neue Produkt «Negawattstunden», also
Energieeinsparungen.» Was die SIG macht,
ist also purer Pragmatismus, der seit 2011 mit
dem Atomausstiegsentscheid von Bundesrat
und Parlament auch auf nationaler Ebene
Rückenwind erhält. «Die Energiestrategie
2050 definiert die Energieeffizienz als wich-
tigste Grundlage. Das ist eine starke Bot-
schaft», ist Jeanneret überzeugt.
Energiesparvertrag mit der KundschaftEines der neuen Geschäftsmodelle ist der
Contrat de performance énergétique CPE. Das
derzeit sechsköpfige CPE-Team der SIG ent-
wickelt und realisiert beim Kunden Massnah-
men zum Energiesparen. Die SIG finanziert
die notwendigen Investitionen vollumfäng-
lich, streicht dafür während der Vertrags-
dauer die realisierten Energieeinsparungen
teilweise oder ganz ein. «Zur Finanzierung
der Massnahmen geben uns die Banken kei-
ne Kredite. Die SIG springt ein und leiht uns
das nötige Geld», erklärt Jean-Marc Zgraggen,
Leiter der Energieeffizienz Geschäftseinheit
CPE. Wenn die Einsparungen am Ende die In-
vestitionen nicht decken, übernehmen die SIG
die Differenz. Machen sich die Einsparungen
vor Ende des Vertrags bezahlt, werden die wei-
teren Einsparungen ab dann zwischen dem
Kunden und den SIG geteilt. «Wir stellen uns
als Energy Services Company ESCO auf. Sol-
che Energiedienstleister gibt es in den USA seit
rund 30 Jahren. Wir haben dieses Geschäfts-
modell übernommen, es aber der hiesigen
Kultur und Gesetzgebung angepasst», sagt
Jean-Marc Zgraggen. «Energieeinsparungen
zu verkaufen ist nicht einfach. Denn für das
Kundenunternehmen steht oft nicht die Ein-
sparung im Vordergrund, sondern das Image
oder der Komfort ihrer Kunden. Aufgabe un-
serer Techniker und Ingenieure ist es, das je-
weils richtige Verkaufsargument zu finden.»
Das Team Zgraggen geht vor Ort, analysiert
das Energiesystem, legt mit dem Kunden die
nötigen Massnahmen vertraglich fest und
realisiert schliesslich die Einsparungen. «Bis
ein CPE unterzeichnet ist, braucht es sechs bis
zwölf Monate.» Der erste CPE wurde im April
2012 mit dem Starling Geneva Hotel & Confe-
rence Center in Genf abgeschlossen. Derzeit
laufen drei CPE, weitere sind in Vorbereitung.
CPE agiert als eigenständiger Businessbereich
innerhalb der SIG. «Unser Produkt wird im
Markt sehr gut aufgenommen, wir wachsen
und suchen Verstärkung für unser Team.»
Was aber nicht leicht ist, denn es gibt kaum
geeignete Fachleute. «Der Energieeffizienz-
techniker ist ein ganz neues Berufsfeld, für
das noch kaum Ausbildungen bestehen», gibt
Zgraggen zu bedenken. Wie haben die Kun-
den Gewähr, dass die Einsparungen richtig
abgerechnet werden? Die SIG wenden dafür
das international anerkannte Protokoll IPM-
VP an (Protocol international de mesure et de
vérification de la performance énergétique),
das von der Efficiency Valuation Organization
(EVO) getragen wird. Die SIG repräsentieren
seit 2012 nicht nur die nicht gewinnorientierte
Vereinigung EVO in der Schweiz, sie waren via
éco21 auch die ersten, die Ausbildungskurse
für dieses Protokoll angeboten haben.
éco21 als Transformator des Marktes, CPE als
Marktakteur. Die SIG ist in Bewegung und
gestaltet den Energiemarkt der Zukunft aktiv
mit. Cédric Jeanneret lacht: «Wir freuen uns,
wenn die schweizerischen Energieversorger
etwas neidisch nach Genf blicken und sich
sagen, wenn die Genfer das können, dann
können wir das auch.»
I n t E R n E t
www.sig-ge.ch; www.eco21.ch
55
W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e E n e r g i e t e c h n o l o g i e n
Duschen mit JouliaViele geniale Erfindungen entstehen, wenn
man entspannt unter der warmen Dusche
steht. So war es auch bei Christoph Rusch,
Chefingenieur der Joulia SA aus Biel. War-
um, sagte er sich, spült man das gebrauchte
warme Wasser einfach in die Kanalisation
statt es zum Vorwärmen des Frischwassers
zu nutzen? Der Boiler müsste so weniger
Frischwasser auf heizen, die Stromrech-
nung würde entsprechend sinken. Damit
begann im Jahr 2007 die Entwicklung einer
neuen Generation von Duschwannen. Rusch
duschte fortan in verschiedenen selber ge-
bauten Prototypen, tüftelte mit Ingenieuren,
Designern und Fachleuten aus dem Sanitär-
und Energiebereich.
In dieser Phase stiess Designer Reto Schmid
zum Entwicklungsteam. «Ein kniff liges
Problem war, den Brauchwasserstrom vom
Frischwasser strikte zu trennen», erklärt er.
Unsere Pläne waren zu Beginn viel zu kom-
pliziert, die konsultierten Sanitärf irmen
schüttelten den Kopf. «Erst als wir ein ein-
faches Schema aufzeichnen konnten, sahen
sie das Potenzial und erste Investoren kamen
an Bord.» Am 1. Juli 2010 erhielt das Projekt
den Namen Joulia, eine Hommage an den
britischen Physiker Sir James Prescott Joule
(Joule ist die Einheit für Energie). Die Joulia
SA übernahm als Spin-off der erfolgreichen
Creaholic SA in Biel die Weiterentwicklung.
Spezielle Beschichtung gesuchtMarcel Aeschlimann, Präsident des Verwal-
tungsrates der Joulia SA und Managing Part-
ner der Creaholic SA: «Der Wirkungsgrad
befriedigte uns lange nicht. Das war noch
kein energetischer Benchmark.» Hohe Effi-
zienz und Einfachheit – in Technik, Einbau
und Gebrauch – waren die führenden Ziele
der Entwickler. Um möglichst viel Energie
zurückzugewinnen, musste die Wärme des
Duschwassers effizient auf das Frischwasser
übertragen werden. Das erfordert Materi-
alien mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit.
Die Entwickler waren also gefordert, neue
Materialien zu suchen. Auch bei der Oberflä-
che konnten die Ingenieure nicht auf übliche
Materialien und Verfahren im Sanitärbereich
zurückgreifen. Denn das warme Duschwas-
ser sollte möglichst ganzflächig und lang-
sam über den Wannenboden fliessen. Die
Entwickler machten sich auf die Suche und
Die sparsamen Schweizerinnen und Schweizer spülen Unmengen an
Energie die Kanalisation hinunter. Einfach so, beim Duschen. Pro
Haushalt gehen so jedes Jahr bis zu 1000 Kilowattstunden oder rund
200 Franken «den Bach runter». Wer mit Joulia duscht, kann sich das
sparen. Die in der Schweiz entwickelte, designte und produzierte
Duschwanne Joulia gewinnt die Wärme und damit die Energie aus dem
abfliessenden Duschwasser zurück und heizt damit das kalte Frisch-
wasser vor. Resultat: Es braucht weniger Heisswasser aus dem Boiler,
der Energiebedarf beim Duschen sinkt um über einen Drittel.
66
fanden schliesslich ein Schweizer Unterneh-
men, das geeignete Beschichtungen herstellt.
Die Oberflächen sind einfach zu reinigen,
kratzbeständig und haben eine besondere
Haptik. «Dabei mussten wir berücksichtigen,
dass der Fertigungsprozess auch serienpro-
duktionstauglich bleibt», betont Silvana Ripa.
Aufwändige ZertifizierungViel aufwändiger als angenommen entwickelte
sich die Zertifizierung. Sie ist notwendig, weil
eine Dusche wie Joulia direkt ans Trinkwasser-
netz angeschlossen wird. «Eine wärmerück-
gewinnende Duschwanne gab es bisher nicht,
so war auch die Zertifizierung Pionierarbeit»,
blickt Silvana Ripa, CEO der Joulia SA, zurück.
«Die Hygienevorschriften laufen der Effizienz
oft entgegen. So werden beispielsweise zu-
sätzliche Trennschichten verlangt, die aber
den Wirkungsgrad der Wärmerückgewinnung
verringern.» Schliesslich erhielt Joulia 2012 von
der internationalen Zertifizierungsstelle KIWA
und vom Schweizerischen Verein des Gas- und
Wasserfaches (SVGW) die Zulassung für den
Einbau im Trinkwassernetz. Sie erfüllt zudem
die erhöhten Anforderungen der Norm SIA 181
«Schallschutz im Hochbau». Joulia ist also nicht
nur formschön und hygienekonform, sondern
auch besonders leise. Mitte 2012 war es endlich
soweit, Joulia feierte den Markteintritt. Die ers-
te Kleinserie von 20 Joulia-Wannen wurde im
Juni 2012 im Neubau Swisstennis eingebaut.
Keine kalten Füsse«Bei den Kundinnen und Kunden kommt Joulia
sehr gut an, sie ist ja auch sehr elegant», meint
Ripa. Wer das Funktionsprinzip verstanden
hat, der ist begeistert. Dank Beschichtung
und Struktur der Duschwanne rinnt das
abf liessende Duschwasser in einem feinen
Film gleichmässig über die ganze Fläche der
Duschwanne. Dabei wird ihm Wärme ent-
zogen, bevor es als Brauchwasser im Abfluss
verschwindet. «Das gebrauchte Duschwasser
fliesst einem also nicht wieder über den Kopf»,
lacht Silvana Ripa. Nur die Restwärme wird
wiederverwertet, um das kalte Frischwasser
auf 25 Grad aufzuheizen. Hält man die Hand
in die Wanne, kann man den Temperaturun-
terschied zwischen Einfluss- und Ausflussseite
deutlich fühlen. Aber keine Angst vor kalten
Füssen: Beim Duschen steht man nicht direkt
in der Duschwanne, sondern auf dem einge-
legten «Showerdeck». «Dieses gibt es ab 2013
in verschiedenen Farben und Oberf lächen,
zum Beispiel aus edlem Holz», verspricht die
Geschäftsführerin. Joulia eignet sich sowohl
für Neubauten als auch für Renovationen und
wird einfach anstelle einer herkömmlichen
Duschwanne eingebaut. Einziger zusätzlicher
Installationsaufwand ist der Anschluss des
Wärmetauschers. Die Einsparung von Heiss-
wasser hat auch Einfluss auf andere Systeme im
Haus: So kann zum Beispiel der Boiler kleiner
ausgelegt werden. Vorteile zeigen sich auch
in Kombination mit Solaranlagen. Das solar
erwärmte Wasser reicht länger und Schlecht-
wetterperioden können eher ohne zusätzliche
Energie überbrückt werden. Oder das Kollek-
torfeld kann kleiner ausgelegt und damit kos-
tengünstiger gebaut werden.
«Für einen 4-Personen Haushalt liegt pro Jahr
eine Ersparnis von 1000 kWh drin, über die
rund zwanzigjährige Lebensdauer der Dusche
sind das 20 000 kWh oder rund 4000 Franken»,
rechnet Reto Schmid vor. Besonders interes-
sieren dürften sich dafür Sporteinrichtungen
und die Hotellerie, wo ja sehr viel geduscht
wird und sich die Investition in Joulia, die
rund 1000 Franken teurer ist als herkömmliche
Duschwannen, sehr rasch rechnet. Joulia: Die
elegante Energierevolution im Badezimmer:
Eine saubere Sache. I n t E R n E t
www.joulia.com
Von links: Reto Schmid, Silvana Ripa, Marcel Aeschlimann
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Der Bericht «The Fiber Year 2012» beziffert die
weltweite Fasernachfrage im Jahr 2011 auf 82
Millionen Tonnen und den durchschnittlichen
Pro-Kopf-Verbrauch an textilen Materialien
für Bekleidung, Heimtextilien, Teppiche und
technische Textilien auf 11,8 kg. Ein neuer
Rekord. Unmengen an Energie werden für
die Produktion dieser Textilien verbraucht.
Am Anfang der Produktionskette stehen
Maschinen, die aus Fasern, zum Beispiel aus
Baumwolle, Garne spinnen. Was zu Dornrös-
chens Zeiten noch von Hand gemacht wurde,
erledigen heute riesige Spinnmaschinen. In
verschiedenen Verfahren spinnen sie die Fa-
sern zu Garnen mit unterschiedlichsten Ei-
genschaften. «Solche Maschinen gibt es schon
seit über 170 Jahren und sie laufen auch heute
noch nach demselben Grundprinzip», erklärt
Gabriel Schneider, Leiter Forschung und Ent-
wicklung Ringspinning bei der Rieter AG in
Winterthur. «Details, einzelne Komponenten
wurden aber im Verlauf der Zeit verbessert und
Dornröschen spann das Garn noch von Hand, stach sich dabei mit
der Spindel prompt in den Finger und fiel in einen 100-jährigen Schlaf.
Heute übernehmen riesige Spinnmaschinen diese Arbeit, produzieren
immer mehr Garne für den wachsenden internationalen Textilmarkt
und verbrauchen dabei Unmengen an Energie. Die weltweit
energieeffizientesten Spinnmaschinen werden seit langem von der
schweizerischen Rieter AG in Winterthur hergestellt. Von
Dornröschenschlaf aber keine Rede: Mit der «suction tube ECOrized»,
einer innovativen Absaugklappe, senkt Rieter den Energieverbrauch
ihrer Maschinen auf einen Schlag um weitere 10 Prozent.
Weltweit könnten damit über 6 Milliarden Kilowattstunden Strom
eingespart werden, mehr als der Jahresverbrauch der beiden Kantone
Aargau und Solothurn.
auch heute sind noch Weiterentwicklungen
möglich. Sie sind allerdings immer aufwän-
diger zu realisieren.»
Hoher KostendruckDie Spinnereiindustrie ist angesichts der Mas-
senproduktion an Textilien ein extrem kosten-
getriebenes Business. Je rund ein Viertel der
Garnproduktionskosten auf Ringspinnma-
schinen fallen an für Energie, Rohstoffe, Per-
sonal und Investitionen. «Diese vier Faktoren
versuchen wir mit unseren Entwicklungen zu
optimieren. Und daneben arbeiten wir auch an
Innovationen für bessere und neue Garnquali-
täten», umreisst Schneider das Tätigkeitsfeld
der F+E-Abteilung. Er und sein fünfköpfiges
Team geniessen dabei grossen Spielraum.
«Das Management weiss, dass Innovationen
nicht angeordnet werden können. Erst durch
Beobachten und Ausprobieren kommen wir
möglichen Lösungen auf die Spur.»
Wie stark in dieser Branche auf die Kosten
geachtet wird, zeigt auch, dass die Garnpro-
duktion heute nicht mehr in der Schweiz oder
Zentraleuropa stattfindet, sondern in Ländern
mit tieferen Lohnkosten wie der Türkei, In-
dien oder China. «Den Produktionsstandort
kann man einmal wechseln, dann ist man
dort. Innovationen aber sind ein Prozess. Sie
sind immer möglich, auch wenn man meint,
alle technischen Finessen ausgereizt zu ha-
ben.» Die Rieter AG produziert nur noch Teile
ihrer Maschinen in der Schweiz. Die anderen
Maschinenteile werden in Produktionsstätten
in Europa, Indien und China gefertigt. Das
Unternehmen hat weltweit 5000 Mitarbeiten-
de, 800 davon in Winterthur, wo auch einer der
der F+E-Standorte ist. Das Team von Gabriel
Schneider arbeitet mit dem Rieter-Entwick-
lerteam in Tschechien zusammen, aber auch
mit einzelnen Forschenden an Universitäten.
«Dass Maschinenproduktion und Spinnereien
auf der ganzen Welt verteilt sind, ist für die
Forschung und Entwicklung eine Heraus-
forderung. Man kann nicht mal eben in eine
Spinnerei um die Ecke gehen, um etwas Neues
auszuprobieren: Feldversuche bringen immer
lange Auslandreisen mit sich.»
Innovative KlappeUmso erstaunlicher, dass dem Rieter F+E-
Team nun ein sensationeller Durchbruch ge-
lungen ist für ein seit langem bekanntes Pro-
blem. Es geht dabei um das Absaugsystem der
Ringspinnmaschinen. Die 80 Meter langen
Maschinen drehen an rund 1600 Spinnstellen
Fasern zu Garnfäden. Diese Spindeln, weltweit
sind heute rund 200 Millionen im Einsatz, lau-
fen Tag und Nacht, über 8000 Stunden im Jahr.
Und sie müssen dabei sauber gehalten werden.
Das geschieht durch ein Absaugsystem: Ein
I n t E R n E t
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kontinuierlicher Luftstrom wird in der Ma-
schine über ein Metallrohr und via Plastik-
röhrchen zu jeder einzelnen Spindel geführt,
um lose Fasern abzusaugen. Ein Prozess, der
viel Energie verbraucht. Man weiss zwar schon
lange, dass nicht dauernd abgesaugt werden
müsste, sondern nur dann, wenn ein Faden
abreisst und entsprechend viele Fasern die
Spindel verschmutzen. Eine Lösung für die-
ses Problem gab es aber trotz vieler Versuche
nicht. Bis Emil Krejci, Konstrukteur in Gabriel
Schneiders Team, ihm vor viereinhalb Jahren
eine Handskizze zeigte. Abgebildet war eine
Klappe, die das Absaugröhrchen nur dann öff-
net, wenn es nötig ist. «Wir diskutierten die
Idee mit verschiedenen Leuten. Sie wurde in
der Luft zerrissen. Das funktioniere nie, sagte
man uns», blickt Schneider zurück. Damit war
der Ehrgeiz geweckt: «Jetzt probieren wir es
erst recht», sagten sich Schneider und Krejci.
Ab Juni 2008 tüftelten sie mit verschiede-
nen Prototypen, alles auf kleiner Flamme,
die Branche litt unter der Rezession. Robert
Nägeli, ebenfalls Konstrukteur im F+E-Team,
hatte dann die zündende Idee. Die Klappe
darf den Faden nicht berühren. Dazu muss
sie so geformt sein, dass sie wie ein Flug-
zeugf lügel vom Luftstrom gehalten wird
und so das Absaugröhrchen geschlossen
hält. Kommen viele Fasern und drohen die
Maschine zu verflusen, reisst der Luftstrom
ab. Die Klappe fällt runter und öffnet so das
Absaugröhrchen. Ergebnis: Die Saugleistung
kann verringert werden, der Energieverbrauch
sinkt. Pro Spinnstelle braucht es rund 4 Watt
weniger Leistung, insgesamt sinkt der Ener-
gieverbrauch um ganze 10 Prozent.
Erfolgreiche FeldversucheWas im F+E-Labor klappte, musste nun in der
Praxis getestet werden. Vor zwei Jahren fand
der erste Feldversuch in einer Spinnerei in der
Türkei statt. Alles lief bestens, der Kunde war
begeistert. «Er hat uns einen Brief geschrieben,
in dem er handschriftlich vorrechnete, wie viel
Strom er durch die neue Klappe bei seinen 11
Spinnmaschinen sparen kann: 56 000 Dollar
pro Jahr!», erzählt Schneider nicht ohne Stolz.
«Die Rieter AG hat heute schon die weltweit
energieeffizientesten Ringspinnmaschinen.
In den letzten 15 Jahren wurde deren Energie-
verbrauch um über 15 Prozent reduziert. Die
neue Klappe bringt nun auf einen Schlag wei-
tere 10 Prozent Energieeinsparungen. Dieser
Sprung ist so gross, dass das Management die
Innovation sofort angezogen hat, als klar wur-
de, dass es funktioniert.» Rieter setzt ganz be-
wusst auf Energieeffizienz als Qualitäts– und
Differenzierungsmerkmal. Immerhin sind
die Spinnmaschinen bei der Garnproduktion
für 70 bis 80 Prozent des Energieverbrauchs
verantwortlich.
Gerade wurde die Nullserie mit 100 000 Stück
fertiggestellt, sie geht noch dieses Jahr raus
zur Nachrüstung bestehender Maschinen.
Und auf der neusten Generation der Rieter
Ringspinnmaschinen wird die Klappe be-
reits als fester Bestandteil ab Werk einge-
baut. Rieter plant, bis Ende 2014 mindestens
2 Millionen der innovativen Absaugröhrchen
weltweit im Einsatz zu haben. Damit können
dann 64 Millionen Kilowattstunden Strom
eingespart werden. Würden alle 200 Milli-
onen Spindeln weltweit damit ausgerüstet,
läge die Einsparung bei 6,4 Milliarden Kilo-
wattstunden, mehr als die beiden Kantone
Aargau und Solothurn zusammen pro Jahr
verbrauchen. Und das alles dank eines kleinen
Kunststoffteils.
Die Klappe, die vom F+E-Team den schönen
Projektnamen «Seahorse» erhalten hatte, weil
sie wie ein Seepferdchen aussieht, kommt nun
offiziell unter der Bezeichnung suction tube
ECOrized auf den Markt. Und wie fühlen sich
die Entwickler? «Sehr stolz, aber auch ein
wenig mulmig. Die Klappe wird ja bald mil-
lionenfach eingesetzt und muss funktionie-
ren.» Zu rechnen sei auch damit, dass trotz
Patentschutz bald Raubkopien in den Umlauf
kommen. Dies sei bei erfolgreichen Produkten
leider üblich. «Aber einfach wird es nicht sein,
die von uns entwickelten Finessen von Form,
Gewicht und Material nachzumachen», lachen
die Mitglieder des Rieter-F+E Teams, das be-
reits an neuen Innovationen tüftelt.
Von links: Emil Krejci, Michael Berger, Ludek Malina, Gabriel Schneider, Robert Nägeli, Lukas Zimmermann
W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e E n e r g i e t e c h n o l o g i e n – S p e z i a l p r e i s E x p o r t
Klappe halten und Energie sparen
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W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e E n e r g i e e f f i z i e n t e M o b i l i t ä t
PostAuto: Pünktliche Abfahrt in die Energiezukunft
39 Millionen Liter Diesel verbraucht PostAuto jedes Jahr, um seine über
120 Millionen Fahrgäste zu transportieren. Das geht ins Geld, belastet
die Umwelt und ist angesichts der unsicheren Preisentwicklung dieses
fossilen Treibstoffs ein nicht zu unterschätzendes Unternehmensrisiko.
Grund genug für die PostAuto Schweiz AG, ihren Energiekonsum konse-
quent effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Mit ihrem fünf-
jährigen Testbetrieb mit fünf Brennstoffzellenpostautos in der Region
Brugg, fährt PostAuto pünktlich in die Energiezukunft ab.
Die Konzernleitung der Schweizerischen Post,
zu der auch die PostAuto Schweiz AG gehört,
hat sich 2010 in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie
ehrgeizige Ziele gesetzt. Sie hat einen Mass-
nahmenplan zur Reduktion des Energiever-
brauchs und der CO2-Emissionen verankert
und einen internen Nachhaltigkeitsfonds zur
Finanzierung von Pilot- und Leuchtturmpro-
jekten geschaffen. «Der Klimawandel, die
Verknappung der natürlichen Ressourcen
und die steigenden Energiekosten bringen
neue Herausforderungen. Sie eröffnen aber
auch Chancen. Und diese will die PostAuto
Schweiz AG nutzen», sagt Daniel Landolf,
Mitglied der Konzernleitung Post und Leiter
des Konzernbereichs PostAuto. «Doch trotz
ehrgeiziger Energie- und Umweltziele dürfen
wir die Wirtschaftlichkeit nicht ausser Acht
lassen», meint Landolf. «Das Projekt Brenn-
stoffzellenpostauto können wir nur dank des
Post-internen Nachhaltigkeitsfonds, dem
Lotteriefonds des Kantons Aargau, der euro-
päischen Union, des Bundesamts für Energie
und weiteren Institutionen finanzieren, aus
eigener Kraft ginge es nicht.»
Abgas Wasserdampf Die fünf Brennstoffzellenbusse des Typs
Mercedes-Benz Citaro FuelCELL Hybrid
haben 11 Millionen Franken gekostet, fast
sechsmal mehr als konventionelle Dieselbus-
se. Dazu kommen die Kosten für den Aufbau
der Wasserstoff-Tankstelle, die Schulung der
Chauffeure und Techniker, den Unterhalt und
die wissenschaftliche Begleitung.
Seit dem 12. Dezember 2011 fahren die fünf
Busse im Linienverkehr in und um Brugg im
Kanton Aargau. Im Postautodepot in Brugg
werden sie mit Wasserstoff betankt, der
dort in einem Elektrolyseur mit Strom aus
100 Prozent erneuerbaren Energien produ-
ziert wird. Und wie treibt der Wasserstoff
den Bus an? «In der Brennstoffzelle auf dem
Dach reagieren Wasserstoff und Sauerstoff
zu Wasser. Dabei wird elektrischer Strom
freigesetzt, der den Elektromotor antreibt.
Als ‹Abgas› stösst der Bus nur Wasserdampf
aus», erklärt Nikoletta Seraidou, Projektlei-
terin Brennstoffzellenpostauto. Unter ihrer
Leitung wurde die Tankstelle aufgebaut, die
Fahrzeuge zum Laufen gebracht und jetzt
geht es darum, Betriebssystem und Wartung
zu optimieren. «Anfangs war ich jeden Tag in
Brugg. Weil jetzt alles gut läuft, sind es viel-
leicht noch zweimal pro Woche.» Häufig geht
es dabei nicht um die Technik, sondern sie
muss das Projekt Besucherinnen, Besucher
und Delegationen vorstellen.
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www.postauto.ch
1010
Beat Stutz, Leiter Postauto bei der Voegtlin-
Meyer AG, die den Postautobetrieb im Auf-
trag von PostAuto Aargau durchführt, be-
stätigt: «Seit dem Betriebsstart gibt es wenig
Probleme. Sogar die anfänglichen Bedenken
zur Reichweite haben sich als unbegründet
erwiesen. Ausgelegt waren die Brennstoff-
zellenbusse auf 250 Kilometer Reichweite, in
der Praxis erreichen wir eher 400 Kilometer.»
Bewusst wurden alle Chauffeure der Voegtlin-
Meyer AG auf den neuen Bussen ausgebildet.
«Heute werden sie fast böse, wenn sie nicht
mit dem Brennstoffzellenpostauto fahren
können.» Zu Beginn war das an den Wochen-
enden der Fall. Die Busse wurden wegen der
zu langen Reaktionszeiten im Falle einer Pan-
ne nicht eingesetzt. «Seit Sommer fahren die
Busse auch am Wochenende, sehr zur Freude
der vielen Ausflügler, die dafür extra nach
Brugg kommen.»
Kaum NebengeräuscheWas den Passagieren auffällt, ist die ruhi-
ge Fahrt. Man hört nur den Fahrtwind und
das Rollgeräusch der Reifen, kein Motoren-
geräusch und auch das typische Vibrieren
fehlt. Zum Beweis betätigt Stutz den Anlas-
ser: Nichts. «Doch, doch, der Motor läuft»,
lacht er. «Im September 2012 haben wir ein
Brennstoffzellenpostauto in Davos getestet.
Der Antrieb funktioniert auch in höheren
Lagen einwandfrei, trotz des geringeren
Sauerstoffgehalts der Umgebungsluft. So
Von links: Beat Stutz, Nikoletta Seraidou, Daniel Landolf
können wir wie geplant im Januar 2013 am
World Economic Forum die Linie 3 mit zwei
Brennstoffzellenpostautos regulär bedie-
nen», freut sich Seraidou. Betankt werden die
Busse in Davos übrigens mit dem mobilen
Wasserstoff-Trailer.
Eingebettet ist der Testbetrieb in das EU-
Projekt CHIC (Clean Hydrogen In European
Cities). Neben Fahrzeugherstellern und Ener-
gieversorgern sind dort auch Busbetriebe aus
anderen europäischen Städten wie Oslo, Köln
oder Mailand dabei. CHIC ermöglicht so einen
breiten Praxistest unter unterschiedlichsten
Bedingungen.
«Mit diesem Leuchtturmprojekt leuchten
wir einen Weg in die Zukunft aus. PostAuto
beweist damit seine Kompetenz, neue Tech-
nologien aufs Terrain zu setzen», resümiert
Daniel Landolf. Der Entscheid für dieses Pro-
jekt sei noch vor Fukushima gefallen. «Dass
danach Bewegung in die schweizerische
Energiepolitik gekommen ist, davon können
wir nun profitieren.» Der richtige Entscheid
zum richtigen Zeitpunkt: Postautos fahren
eben immer pünktlich ab, sogar in Richtung
Energiezukunft.
1111
Von links: Georg Högger, Antony Strub, Markus Nater, Christoph Ospelt, Markus Basler, Patrice Lenzinger
W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e G e b ä u d e u n d R a u m
Eine Bank für die ZukunftMit dem Uetlihof 2, der Erweiterung ihres seit 1976 bestehenden Büro-Komplexes im Süden der Stadt Zürich,
setzt die Credit Suisse Massstäbe. Der Neubau mit neun Etagen und einer Bürofläche von 38 000 Quadrat-
metern ist das bisher grösste Minergie-P-Eco Gebäude in der Schweiz. Er ist mit dem Label «Gutes Innenraum-
klima» zertifiziert und erreicht durch die Optimierung der Herstellungsenergie (graue Energie) und einem
umweltfreundlichen Mobilitätskonzept die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft. Im Fokus des Uetlihof 2 steht aber
der Mensch: Das energiesparende, gesunde Gebäude und das innovative Smart-Working-Konzept bieten den
2500 Mitarbeitenden äusserst attraktive Arbeitsbedingungen. Eine Bank für die Zukunft.
«Unser Ziel waren vor allem zufriedene Mitar-
beitende. Umso schöner, dass wir gleichzeitig
ein Leuchtturmprojekt für Energie effizienz
und Ökologie realisieren konnten», freut
sich Markus Nater, Leiter des Umweltma-
nagements der Credit Suisse für die Region
Schweiz. Als 2008 die Arbeiten zur Erwei-
terung des Uetlihof-Komplexes begannen,
stand das Management dem Vorhaben, den
Neubau nach strengsten Energiestandards zu
realisieren, sehr positiv gegenüber. Nicht ohne
Grund. 2006 startete die Klimastrategie «Cre-
dit Suisse Cares for Climate» in der Schweiz.
Das Unternehmen verpflichtet sich darin, seine
betrieblichen Treibhausgasemissionen zu re-
duzieren und treibhausgasneutral zu arbeiten.
Dies bedingt eine energieeffiziente Bauweise
und den Einsatz von erneuerbaren Energien.
Drei Viertel aller CO2-Emissionen der Credit
Suisse stammen aus dem Energieverbrauch
ihrer Bürogebäude und Rechenzentren.
Der Gebäudebereich ist damit ein zentraler
Ansatzpunkt der Strategie. «2008 galt der
1212
W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e G e b ä u d e u n d R a u m
Eine Bank für die Zukunft
Minergie-P-Eco Standard für grosse Gebäu-
de noch als schwer erreichbar», blickt Nater
zurück. Christoph Ospelt von der Lenum
AG aus Vaduz war für die Gesamtbegleitung
Minergie-P-Eco verantwortlich. Er pflichtet
Nater bei: «Es war für alle Beteiligten ein Lern-
prozess, ein Pilotprojekt für das Minergie-P-
Eco Label. Bei seiner Eröffnung am 16. März
2012 war der Uetlihof 2 das grösste derartige
Gebäude in der Schweiz. Für die Credit Suisse
ging es beim Uetlihof 2 nicht einfach um ein
grünes Mäntelchen, sondern um ein Engage-
ment im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie.
Hohe Anforderungen während der Bauphase«Der Aufwand beim Bau war gross», stellt Patri-
ce Lenzinger, Projektleiter Ökologie des beauf-
tragten Generalunternehmens hrs Real Estate
AG fest. «So galt es, die Anforderungen an die
Materialien schon bei den Ausschreibungen
zu berücksichtigen. Während des Baus wurde
dann alles, was rein getragen wurden – Farben,
Stoffe oder Möbel – regelmässig auditiert, ob
sie wirklich der Deklaration entsprachen.» Re-
sultat der strengen Kontrolle: «Die Büroräum-
lichkeiten haben nie nach «neu» gerochen. Ein
gutes Raumklima ist für das Wohlbefinden der
I n t E R n E t :
www.credit-suisse.com/responsibility/de/environ- ment
Mitarbeitenden zentral». Markus Basler, Fach-
leiter Arbeitsplatzkonzepte bei der Credit Suis-
se, ergänzt: «Hersteller und Lieferanten waren
von unseren hohen Anforderungen teilweise
überfordert». Basler ist seit acht Jahren verant-
wortlich für das Credit Suisse Programm «Ar-
beitsplatz der Zukunft». Jedes Jahr kümmert
er sich um rund 2000 neue oder modernisierte
Arbeitsplätze. «Der daraus resultierende Dau-
erkontakt mit den Herstellern ist vorteilhaft.
Weil die Credit Suisse grosse Mengen bestellt,
lohnt es sich für die Hersteller, speziell für uns
zu entwickeln.»
So auch für die Zumtobel Licht AG, mit der
eigens für die Credit Suisse entwickelten
Stehleuchte. 60 Anbieter waren ursprünglich
eingeladen, Offerten für die Beleuchtung ein-
zureichen. «Zumtobel konnte unsere hohen
Anforderungen bezüglich Lichtkomfort und
Energieeffizienz mit ihrer neuartigen intel-
ligenten LED-Stehleuchte am besten umset-
zen», lobt Markus Nater. Georg Högger von
der Zumtobel Licht AG freut sich über das Re-
sultat. «Dank der Credit Suisse konnten wir
das Risiko dieser Spezialentwicklung einge-
hen. Vor allem die Softwareentwicklung für
die «Swarmcontrol», welche durch ein Signal
an die Nachbarleuchte eine Lichtwolke auslöst
und dadurch eine angenehme Raumatmo-
sphäre schafft, war sehr anspruchsvoll.» Es
hat sich gelohnt, 2013 ist die Leuchte auf dem
Markt für alle verfügbar.
Flexible ArbeitsplätzeDie innovative Beleuchtung gehört integral
zum Konzept des Smart Working. «Zu einer
modernen Arbeitsumgebung gehören Ambi-
ente, Farbgestaltung, Licht. Hier im Uetlihof
2 können die Mitarbeitenden das Arbeitsum-
feld suchen und nutzen, das sie im Moment
brauchen», erklärt Markus Basler. Beim Smart
Working werden die fix zugeteilten Arbeits-
plätze, die meist nur in 40 bis 60 Prozent der
Zeit genutzt werden, aufgehoben. Auf der
gleichen Fläche können so 20 Prozent mehr
Menschen arbeiten und trotzdem hat jeder
Einzelne mehr Platz. Denn jede Etage ist in
individuell gestaltete Zonen eingeteilt. Es
gibt die farbigen Home Bases, den Business
Garden mit viel Pflanzen, aber auch ruhige
Rückzugsorte und Teamarbeitsplätze. Das so
genannte «non-territoriale» Arbeitsplatzkon-
zept funktioniert sehr gut. «Das Feedback der
Mitarbeitenden ist super.»
270 Millionen Franken hat der Uetlihof 2 ge-
kostet, wobei ein Drittel davon auf eine eben-
falls neue Energiezentrale entfiel, welche das
Rechenzentrum versorgt und mit dessen Ab-
wärme das Gebäude beheizt wird. Hat sich
die Investition gelohnt? «Ganz sicher», stellt
Markus Nater fest. «2500 zufriedene Mitar-
beitende: Dieses Ziel hatte das Planungsteam
immer vor Augen. Bei jedem Entscheid für die
besten, aber oft teureren Technologien haben
wir uns gefragt: Braucht es das wirklich? Und
meistens kamen wir zur Erkenntnis: Ja, das ist
die Zukunft.»
1313
«Wir haben ein starkes kommerzielles Inte-
resse, den Stromverbrauch unseres Rechen-
zentrums zu reduzieren», sagt Franz Grüter,
CEO der Green Datacenter AG. «Es ist für
uns ein unabdingbarer Wettbewerbsvorteil.»
Grüter, der seit dem Einbau der Gleichstrom-
versorgungssystme im März 2012 zahllose
internationale Delegationen und Medien
durch das weltweit leistungsfähigste 380-Volt-
Gleichstrom-Rechenzentrum geführt hat,
räumt aber sofort ein, dass Rechenzentren
trotz allem grosse Stromverbraucher sind.
Ein Rechenzentrum verbraucht rund 100
mal so viel Energie wie ein Bürogebäude der
gleichen Grösse. In unserer modernen ver-
netzten Welt sind diese Datenbahnhöfe aber
nicht mehr wegzudenken. «Mir gefällt auch
der neue Begriff der ‹Daten-Cloud› nicht. Es
suggeriert den Nutzern, dass ihre Daten ir-
gendwo in der Luft herum schweben. Tun
W A t t D 'O R 2 0 1 3 K a t e g o r i e G e b ä u d e u n d R a u m
Neue Spannung in der Cloud
passte hervorragend zur Energieoptimie-
rungsstrategie der Green, so dass man sich
rasch einig wurde. Im März 2010 erfolgte in
Lupfig im Kanton Aargau der Spatenstich für
das vierte Green Datacenter. Bereits ein Jahr
nach Baubeginn wurde es in Betrieb genom-
men und anschliessend um die Gleichstrom-
versorgungssysteme erweitert. Es wird modu-
lar gebaut, heute steht das Modul A mit einer
nutzbaren Rechenzentrumsfläche von 3300
Quadratmeter in Betrieb. Zwei weitere Module
werden später bedarfsgerecht und nach dem
neusten Stand der Technik zugebaut. Modul A
ist bereits zu 80 Prozent belegt, der Baubeginn
von Modul B steht also demnächst an. Zusätz-
lich entsteht bis Mitte 2014 ein Bürogebäude,
der InnovationTower, in den neben den rund
100 Mitarbeitenden der green.ch AG auch wei-
tere Firmen einziehen werden, die teilweise
bereits im Industriegelände rund um das Re-
chenzentrum provisorisch eingemietet sind.
«Im Endausbau entstehen hier über 300 Tech-
nologie-Arbeitsplätze. Ein Silicon Valley des
Kantons Aargau», ist Franz Grüter überzeugt.
Sicherheit hat PrioritätDer Zugang zum modernsten Rechenzentrum
der Schweiz ist gut gesichert. Die vier Sicher-
heitszonen mit rund 100 Überwachungska-
meras und der biometrischen Zutrittskon-
trolle per Handvenenscanner machen klar:
Ein Rechenzentrum ist eben eine Daten Bank
im wortwörtlichen Sinn. Der Standort Lupfig
bietet einen unschätzbaren Wettbewerbs-
vorteil. «Unsere Kunden suchen Stabilität,
Sicherheit und gute Infrastrukturen. Das bie-
tet die Schweiz und speziell Lupfig, als Ener-
gie- und Telekommunikationsknotenpunkt.
Unsere moderne Welt funktioniert dank Daten, die in Servern in Rechenzentren gespeichert und in Sekunden-
bruchteilen rund um den ganzen Globus gejagt werden. Der Datenverkehr über Rechenzentren nimmt ständig
zu, immer mehr dieser grossen Stromverbraucher werden gebaut. In Lupfig im Kanton Aargau ist seit 2011 das
derzeit modernste und gleichzeitig sehr energieeffiziente Rechenzentrum der Green Datacenter AG
in Betrieb. Ein internationaler Show-Case für Schweizer Cleantech. Denn das Rechenzentrum setzt auf die
Hochspannungs-Gleichstromtechnik der schweizerischen ABB. Dank der Eliminierung von Spannungsumwand-
lungs- und Abwärmeverlusten verbraucht es 20 Prozent weniger Strom und setzt damit neue Massstäbe.
sie aber nicht: Sie werden hier ganz handfest
in einem Rechenzentrum wie dem unseren
gespeichert und weitergeleitet. Und dafür
braucht es eben Strom.» Viel Strom: Rechen-
zentren verbrauchen heute pro Jahr rund 80
Milliarden Kilowattstunden, fast eineinhalb
mal den Landesverbrauch der Schweiz.
Modularer AufbauGrund genug, die Energieversorgung der
Rechenzentren radikal zu überdenken. Der
Schweizer Technologiekonzern ABB hat das
getan. Statt auf Wechselstrom, mit dem Re-
chenzentren herkömmlicherweise funktio-
nieren, setzt ABB auf die Gleichstrom-Energie-
verteilung. «Die Technologie ist noch so neu,
dass ABB sie in einem international bedeuten-
den Rechenzentrum testen und als Show-Case
demonstrieren wollte. So ist ABB auf uns zu-
gekommen.» Das Zusammenarbeitsangebot
1414
Franz Grüter
Hier können unsere Kunden aus 18 Glasfa-
sercarriern auswählen, das Datacenter wird
über 7 verschiedene Glasfasertrassen und
über 2 Unterwerke mit zwei erdverlegten
20 MW Stromleitungen versorgt.» Alle Sys-
teme sind mindestens zweifach vorhanden,
sind also redundant ausgelegt. Beim Ausfall
eines Systems kann das zweite sofort über-
nehmen. «Das Green Datacenter ist das ein-
zige Rechenzentrum in der Schweiz, das über
die Tier-3-Design-Zertifizierung verfügt. Sie
belegt, dass alle wichtigen Elemente im Re-
chenzentrum, wie Strom, Kühlung, Glasfa-
seranbindungen, etc. doppelt vorhanden sind
und damit eine maximale Ausfallsicherheit
gewährleistet werden kann», erklärt Grüter.
Server am GleichstromDie Notstromdieselgeneratoren im Erdge-
schoss können das gesamte Rechenzentrum
7 Tage lang autonom mit Strom versorgen.
Ihre Stromproduktion reicht zur Versorgung
von 20‘000 Haushalten. Das Rechenzentrum
ist denn auch in die nationale Tertiärstrom-
einspeisung der swissgrid eingebunden. Diese
kann die Generatoren ferngesteuert innert Se-
kunden einschalten, falls dies zur Aufrechter-
haltung der Stabilität des nationalen Strom-
netzes nötig ist. Letztmals war dies der Fall
bei Schnellabschaltungen in den Kernkraft-
werken Mühleberg und Gösgen.
Die reguläre Stromversorgung erfolgt aber
nicht über die Generatoren, sondern über das
Stromnetz. Der angelieferte Wechselstrom
mit 16 000 Volt wird von einem Gleichrichter
auf 380 Volt Gleichstrom umgewandelt. Da-
nach braucht es im Gleichstrom-Rechenzen-
trum keine weitere Umwandlung mehr, mit
den 380 Volt fährt man direkt auf die Server.
Hewlett-Packard HP hat in Lupfig seine neus-
te Generation von Servern und Speichern
installiert, die ohne Netzteile auskommen
und direkt mit 380 Volt Gleichstrom versorgt
werden können. Seit Herbst 2012 sind diese
Produkte von Hewlett-Packard auch auf dem
Markt erhältlich. «Die Einführung der Gleich-
stromtechnologie ist ein Prozess. Nicht alle
Kunden haben schon die neusten Server, die
damit kompatibel sind», so Grüter.
Stromverbrauch um einen Fünftel geringerÜberzeugen lassen werden sie sich von den
dank Gleichstrom zu erzielenden Einsparun-
gen. Gegenüber herkömmlichen Rechenzen-
tren muss der Strom statt fünfmal nur noch
zweimal umgewandelt werden. Dadurch
fallen Umwandlungsverluste und die bei der
Umwandlung entstehende Abwärme weg, so
dass viel weniger gekühlt werden muss. Ins-
gesamt sinkt der Stromverbrauch so um 20
Prozent. Und weil weniger Komponenten und
damit weniger Platz nötig sind, sinken auch
die Investitions- und Installationskosten. Das
Green Datacenter gibt für die Stromversor-
gung jährlich rund 10 Millionen Franken aus.
20 Prozent weniger – 2 Millionen Franken pro
Jahr – sind ein überzeugendes Argument. Auch
für die Kunden. Sie bezahlen einen Mietpreis
pro Quadratmeter, den Stromverbrauch (jeder
Kunde hat einen eigenen Stromzähler) und die
Internetverbindung. Der Power Usage Effec-
tiveness Faktor (PUE) beträgt 1,4 im Green Re-
chenzentrum. Dieser Faktor wird dem Kunden
verrechnet für den allgemeinen Strom und die
Klimatisierung. Der Kunde hat alles Interesse,
dass dieser Faktor möglichst tief ist. Die Po-
wer Usage Effectiveness misst das Verhältnis
der Leistung, die der Server umsetzt, und der
Gesamtaufnahme des Rechenzentrums. Pro
100 Server-Watt verbraucht man in Lupfig also
weitere 40 Watt für Kühlung, Entfeuchtung,
Stromversorgung oder Beleuchtung. Für
durchschnittliche Rechenzentren hatte der
Stanford-Professor Jonathan Koomey im Jahr
2010 PUE-Werte von 1,82 bis 1,92 geschätzt.
«Cleantech muss kommerziell interessant sein.
Hier haben wir innert 3,5 Jahren den Return
on Investment», sagt Grüter, der auch Grün-
dungsmitglied des Vereins Cleantech Aargau
ist. «Wenige Unternehmen sind bereit, für er-
neuerbare Energien mehr zu zahlen. Aber Ein-
sparungen bedeuten geringere Kosten, darum
werden sie gekauft.» Die eigentlichen Clean-
tech-Produzenten sind hier die ABB, HP und
auch die Cofely AG mit ihren Wärmspeichern
und der Free Cooling Anlage auf dem Dach.
Sie haben die neusten Effizienztechnologien
geliefert. «Wir sind nur ein early adaptor, aber
auch die braucht es im Cleantech-Innovations-
zyklus, um zeigen zu können, wie man heute
Rechenzentren bauen muss.»
I n t E R n E t
www.greendatacenter.ch
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GESEllSChaft
«Energiedienstleistungsvertrag
CPE / Stromsparprogramm éco21»
Services Industriels de Genève SIG
Jean-Marc Zgraggen
CPE
Chateau-Bloch 2
1219 Vernier
Tel. 022 420 82 87
www.sig-ge.ch
Services Industriels de Genève SIG
Cédric Jeanneret
Programme éco21
Château-Bloch 2
1219 Vernier
Tel. 022 420 70 22
S e r v i c e
Adressen und Links Watt d’Or 2013
EnERGIEtEChnoloGIEn
«Joulia Sa»
Joulia SA
Silvana Ripa
Zentralstrasse 115
2500 Biel 7
Tel. 032 366 64 20
www.joulia.com
EnERGIEtEChnoloGIEn –
ExPoRt-SPEzIalPREIS
«suction tube ECorized»
Maschinenfabrik Rieter AG
Gabriel Schneider
Forschung und Entwicklung, Sparte
Ringspinn
Klosterstrasse 20
8406 Winterthur
Tel. 052 208 74 28
www.rieter.com
EnERGIEEffIzIEntE MoBIlItät
«Brennstoffzellenpostauto»
PostAuto Schweiz AG
Nikoletta Seraidou
Projektleiterin
Brennstoffzellenpostauto
Belpstrasse 37
Postfach
3030 Bern
Tel. 058 338 03 06
www.postauto.ch
GEBäuDE unD RauM
«uetlihof 2»
Credit Suisse AG
Markus Nater
Head Environmental Management
Switzerland
Corporate Real Estate and Services
Switzerland
Global Environmental Management
TLSP5
Limmatstrasse 107
Postfach, 8070 Zürich
Tel. 044 333 69 06
www.credit-suisse.com
GEBäuDE unD RauM
«Green Datacenter aG»
Green Datacenter AG
Susanne Tanner
Head of Marketing Communications
Industriestrasse 33
5242 Lupfig
Tel. 056 460 23 80
www.greendatacenter.ch
Watt D’oR
Bundesamt für Energie BFE
Watt d’Or
Marianne Zünd
Leiterin Abteilung
Direktionsgeschäfte
Tel. 031 322 56 75
www.bfe.admin.ch
www.wattdor.ch
liste der Preisträger in den verschiedenen Kategorien
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