52 Kernkompetenz Sys temtechnik
Kompetenzen und Portfolio
Um die Herausforderungen einer ökonomischen, ökologischen,
efizienten und sicheren Energieversorgung im liberalisierten
Umfeld zu meistern, bedarf es einer geschlossenen Betrach-
tung des Gesamtsystems der Energieversorgung. Die Abteilung
Energie des Institutsteils Angewandte Systemtechnik (AST)
entwickelt hierfür innovative systemtechnisch optimierte
Lösungen bezüglich aller Energieträger mit speziellem Fokus
auf elektrische Energie. Dabei wird neben dem Versorgungs-
prozess die informations- und kommunikationstechnische Seite
ebenso betrachtet, wie die Dimension der Geschäftsprozesse.
Dies ermöglicht beispielsweise die Erhöhung der Netzstabilität,
eine optimale Einbindung bestehender elektrischer Anlagen
und neuer, dezentraler Kleinsterzeuger, die Vermeidung von
Netzengpässen, die efiziente Verteilung luktuierender Energie-
einspeisungen und die Minimierung der Energiekosten. Im
Störfall erlaubt die intelligente Vernetzung aller Betriebsmittel
eine automatische Netzrekoniguration und damit die Vermei-
dung von Großstörungen.
Die Abteilung Energie gliedert sich in insgesamt
5 Arbeitsgruppen:
EMS-EDM PROPHEt® - Engineering
• Projektmanagement
• Bedarfs- und Einspeisevorhersage
• Beschaffungsoptimierung im liberalisierten Markt
• Optimierung energietechnischer Prozesse
• Bilanzkreis- und Netznutzungsmanagement
EnERgIE
EMS-EDM PROPHEt® - Entwicklung
• Softwarelösung EMS-EDM PROPHET®
• Umsetzung von Vorhersage- und Optimierungsmethoden
• Unterstützung der Marktregularien (MaBiS, KoV IV)
• Offene, systemübergreifende IT-Architekturen
• Skalierbare, hochperformante client / Server-Entwicklungen
Energiesysteme
• Netzsimulation und Netzplanung
• Intelligente Netze (Smart Grids)
• Optimale Netzbetriebsführung und adaptiver Netzschutz
• Netzintegration Energiespeicher und E-Mobilität
• Sichere IT-Infrastrukturen für Smart Grids
Energiewirtschaft und Systemanalysen
• Liberalisierte Energiemärkte und Geschäftsmodelle
• Marktprozesse und Kommunikation
• Smart Metering
• Energiewirtschaftliche Analysen
• Entwicklung von Vorhersage- und Optimierungsmethoden
Energietechnische Komponenten / Anlagen
• Anlagentechnik und Kleinerzeuger
• Komponenten für efiziente Energienutzung
• Dezentrale Energiespeicher / Netzschutzkomponenten
• Automatisierungsgeräte / Sichere IT-Komponenten
Kernkompetenz Sys temtechnik 53
Aufgaben und Projekte
• Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (ThEGA)
Energiespeicherstudie für Mittel- und Niederspannungsnetze
• BMU-Projekt zur E-Mobilität: Gesteuertes Laden 3.0 unter
der Konsortialführung von BMW
• BMU-Speicherprojekt »Smart Region Pellworm« unter der
Konsortialführung E.ON Hanse / E.ON
• BMWi-Speicherprojekt »ADELE-ING« unter der Konsortial-
führung RWE
• eTelligence – Forschungsprojekt im Rahmen von »E-Energy«
zur intelligenten Vernetzung von Stromverbrauchern,
elektrischen Energienetzen und regenerativen Strom-
erzeugern (BMWi)
• IuK-Energie-Labor – Forschungs- und Entwicklungsplattform
zur Untersuchung und Entwicklung von IuK-Technologien
für zentrale und dezentrale intelligente Energieversorgungs-
systeme, Schulungszentrum für EMS-EDM PROPHET®
• Forschungsplattform Intelligente Energiesysteme – Vernet-
zung dezentraler Erzeuger, Speicher und Verbraucher zu
einem intelligenten, lokalen Energieversorgungssystem
• EMS-EDM PROPHET® – Energiemanagement mit Vorhersage
und Optimierung sowie Energiedatenmanagement für
liberalisierte Energiemärkte
• Fraunhofer-Zukunftsprojekt SuperGrid – Die Stromautobahn
der Zukunft: Analyse eines vermaschten HGÜ-Netzes für
Westeuropa und Nordafrika (Fraunhofer)
• Fraunhofer-Zukunftsprojekt Hybrider Stadtspeicher
– Regionales Grid-Balancing mit virtuellen Energiespeichern
• Bedarfsanalyse Energiespeicher (BMWi)
1 Intelligentes Lademanage-
ment für Elektrofahrzeuge.
2 SuperGrid: Vermaschte
HGÜ-Netze in Westeuropa und
Nordafrika.
Leitung:
Dr.-Ing. Peter Bretschneider
Telefon +49 3677 461-102
www.iosb.fraunhofer.de/AST
1
2
e n e r g I e
www.iosb.fraunhofer.de/?5379
54 Kernkompetenz Sys temtechnik
Datenbasis
Im Rahmen des Projektes wurde Deutschland zunächst in 146 Modellregionen unterteilt. Die
clusterung erfolgte hauptsächlich auf Basis der realen Bevölkerungsdichte, der Zentralisation
sowie der Gewichtung des Anteils von Industrie und Gewerbe. Für die hier implementierte
Szenarienbetrachtung wurde die Leitstudie 20101) herangezogen. Darauf aufbauend wurde
ein physikalisches Netzmodel entwickelt und vollständig implementiert. Dazu wurden im ersten
Schritt die veröffentlichungsplichtigen Netzkennzahlen der vier deutschen Übertragungsnetz-
betreiber herangezogen. Durch das extrem hohe Datenaufkommen und die Ungleichheiten in
der Struktur dieser Daten wurde im zweiten Schritt der Ist-Zustand des europäischen Verbund-
netzes nach Entso-E und ein Netzmodell aus einem UcTE-Berechnungsfall von 2002 heran-
gezogen. Aus dieser Datenbasis ließen sich die Betriebsmittel wie Netzknoten und Verbindungs-
leitungen und deren Parametrierungen für den Bereich des deutschen Übertragungsnetzes in
voller Breite extrahieren.
Das Modellsystem
Als Vorgabe für das Übertragungsnetzmodell wurde die Randbedingung, dass jede Region über
ihren geograischen Mittelpunkt (= Modellnetzknoten) mindestens eine Verbindung mit dem
Übertragungsnetz aufweisen muss, fest deiniert. Diese Annahme gewährleistet, dass jede der
146 Regionen im Modellsystem energetisch versorgt und somit in das Energiesystem vollständig
modEllBASIERTE, REgIonAl AuFgElöSTE
AnAlySE dES BEdARFS An nETzgEKoppElTEn
ElEKTRISCHEn EnERgIESpEICHERn zum
AuSglEICH FluKTuIEREndER EnERgIEn
Durch den mass iven Ausbau der erneuerbaren Energien kommt es bereits heute zu e inem Ungleichgewicht
zwischen der Stromerzeugung und -nachfrage, das s ich in Zukunft noch weiter verstärken wird. Die lokale
Vertei lung dieses Ungleichgewichts in Deutschland und die Frage, ob es eher einen Strommangel (posit iver
Energieausgle ichsbedarf ) oder e inen Stromüberschuss (negat iver Energieausgle ichsbedarf ) geben wird, i s t
Untersuchungsgegenstand eines Gemeinschaftsprojektes, dass vom Inst itutstei l Angewandte Systemtechnik
AST in Kooperat ion mit dem Fraunhofer UMSIcHT bearbeitet wurde.
Ansprechpartner:
Fraunhofer-Institutsteil
Angewandte Systemtechnik AST
Dipl.-Ing. Daniel Beyer
Telefon +49 3677 461-149
1) J. Nitsch et al.: Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global, »Leitstudie 2010«. Studie gefördert vom BMU (BMU – FKZ 03MAP146), Dezember 2010.
Gefördert durch:
aufgrund eines Beschlusses
des Deutschen Bundestages
1 2
Partner:
Fraunhofer-Institut für Umwelt-,
Sicherheits- und Energietechnik
Kernkompetenz Sys temtechnik 55
integriert ist. Die Verbindungsleitungen wurden unter Berücksichtigung von ENTSO-E-Vorgaben
für Betriebsmittel zu einem geograisch orientierten abstrakten Netzmodell überführt. Die
optimale Fahrweise der konventionellen Erzeuger und des unter Beachtung der Netzrestriktionen
erforderlichen lokalen Energieausgleichsbedarfs wurden mit einem eigens dafür entwickelten
Optimierungsansatz (LEO – Last- und Erzeugungsluss-Optimierung) für alle Betrachtungszeit-
räume unter Berücksichtigung der regional installierten Leistungen, volatilen Einspeisungen und
Bedarfe berechnet. Zur Modellierung des komplexen multikriteriellen Optimierungsmodells kam
die Softwarelösung EMS-EDM PROPHET® zum Einsatz. Mit diesem Verfahren lässt sich auf den
lokalen Energieausgleichsbedarf jeder Zelle unter Berücksichtigung von Netzrestriktionen schließen.
Das Simulationsmodell
Im Laufe der Simulationen über die Jahresintervalle zeichnete sich durch den zukünftigen
Anstieg des Zubaus der erneuerbaren Erzeugungsanlagen ab, dass es zu einem signiikanten
Leitungsauslastungsanstieg in einzelnen Regionen kommen wird – bei gleichzeitig stark
erhöhtem Energieausgleichsbedarf.
Ergebnis
Als eines der Hauptergebnisse wurde festgestellt, dass aufgrund des Anstiegs des Ausbaus der
erneuerbaren Energieerzeugeranlagen (Wind, PV) ein immenser Zuwachs bei der Leitungsaus-
lastung zu erkennen ist. Dieses Überlastphänomen betrifft zum einen Regionen, bei denen die
luktuierende erneuerbare Energieerzeugung sehr stark über dem Bedarf liegt als auch Regionen,
bei denen der Bedarf künftig nicht aus der eigenen nahe gelegenen Erzeugung gedeckt werden
kann. Durch den limitierenden Faktor der Transportkapazitäten können außerdem energetische
Senken nicht vollumfänglich mit entsprechenden energetischen Quellen bedient werden.
Darüber hinaus entstand als Ergebnis des Forschungsprojektes ein allgemeingültiges Simulations-
modell in Verbindung mit einem deinierten Vorgehensmodell, welches auch für künftige Projekte
hinsichtlich netztypischer Fragestellungen genutzt werden kann.
Projektbeschreibung
• Name: »Modellbasierte, regional aufgelöste Analyse des Bedarfs an netzgekoppelten
elektrischen Energiespeichern zum Ausgleich luktuierender Energien«
• Teilprojekt: Bedarfsanalyse Energiespeicher – Netztypisierung und Netzsimulation
• Laufzeit: 2009 - 2012
Stichworte / Deskriptoren
Netzsimulation, Netzmodellierung, Energienetzabstraktion, Netzautomatisierung,
Energieausgleichsbedarfsermittelung
Projektdurchführung
Dr.-Ing. Peter Bretschneider,
Dipl.-Ing. Daniel Beyer,
Benjamin Fischer M.Eng.
Literatur
[1] Bretschneider, P.; Nicolai, S.;
Ritter, S.; Beyer, D.: »Was können
moderne Speicher zukünftig im
Netz leisten« VDI Wissensforum
Elektrische Energiespeicher,
Wiesbaden, 2011
[2] Wrobel, P.; Beyer, D.: »Local
Energy Balancing Demand for
Germany«, Eurosolar IRES 2011
[3] Patrick Wrobel, Daniel Beyer
»Analysis of the local energy
balancing demand in Germany«,
Eurosolar IRES 2011
[4] Beyer, D.; Karstädt, F.; Fischer, M.;
Agsten, M.; Bretschneider, P.:
»Electrical Power and energy
compensation demand with regard
to topological restrictions of the
German mains for an eficient
operation of a Smart Grid«,
IEEE PES ISGT 2012 Berlin
1 Auftreten / Statusquo der
konventionellen und erneuerba-
ren Kraftwerksparks in Deutsch-
land laut BNetzA. ([] konventio-
nelle Kraftwerke, * erneuerbare
Erzeugung).
2 Projektregionen mit lokalen
Energieausgleichsphänomenen.
(gelb = sowohl positiver als auch
negativer EAB; rot = positiver
EAB; blau = negativer EAB).
3 (Leitungs-) Kabelauslastung/-belastung aller im Modell hinterlegten Leitungen. (kein Netzausbau, Stand 2010 ÜN).
56 Kernkompetenz Sys temtechnik
Kompetenzen und Portfolio
Die Abteilung Wasser und mobile Systeme beschäftigt sich
mit der ganzheitlichen, integrierten Betrachtung von Wasser-
versorgungssystemen, der Entwicklung von eingebetteten
Systemen sowie Assistenzsystemen und autonom fahrenden
Land- und Unterwasserfahrzeugen. Die Abteilung Wasser
und mobile Systeme gliedert sich in 3 Arbeitsgruppen:
Eingebettete Systeme
• Vernetzung von eingebetteten Systeme
• Eingebettete Steuerungs- und Regelungssysteme
• Systemdesign und Module für autonome Fahrzeuge
• Hardwareintegration
• Führungssysteme für Fahrzeuge
• Fernwartungs- und Diagnosesysteme
• Sensordatenfusion und Simulation
Wasserversorgung und Abwasserbehandlung
• Trinkwassergewinnung
• Trinkwasseraufbereitung
• Trinkwasserverteilung
• Speicher- und Talsperrensysteme
• Abwassersammlung
• Abwasserbehandlung
• Schlammbehandlung
• Verwertung von Abwasser
Maritime Systeme und Oberlächenwasser
• Simulations- und Führungssoftware für Unterwasserfahrzeuge
• Design, Konstruktion und Aufbau von Unterwasserfahr-
zeugen sowie druckfesten Modulen
wASSER- und moBIlE SySTEmE
• Virtuelle Testumgebungen zur Simulation mobiler Systeme
und Evaluation von Fahrzeugführungsstrategien
• Steuerungsfunktionen für die automatisierte Inspektion von
Unterwasserinfrastrukturen, Seekabeln und Pipelines
• Modellierung, Simulation und Optimierung von Oberlächen-
wassersystemen
• Sturzlutwarnsysteme
• Wasserbedarfsprognose
Aufgaben und Projekte
• Wasserversorgung und Abwasserbehandlung
• HydroDyn – Dynamische Rohrnetzberechnung und –
bewirtschaftung für Trinkwasser- und Gasnetze
• POS – Prozessoptimierungssystem für Kläranlagen
• TOS – Modellierung, Steuerung, Simulation und Optimierung
von Speicher- und Talsperrensystemen
• MoMo Phase II – Integriertes Wasserressourcenmanagement
in Zentralasien: Modellregion Mongolei (BMBF) Intelligente
Automatisierungslösung für eine ressourcenefiziente
Netzbetriebsführung und Hochbehälterbewirtschaftung in
»ReWaNet« (TWV) Entwicklung einer akuten Systemlösung
zur Wasser- und Abwasseraufbereitung mit online Prozess-
und Anlagensteuerung in Leichtbauweise »ASWA« (BMWi)
• Eingebettete Systeme
• QUANJO TDS – Technologiedemonstrator eines Mittelroboter-
systems mit autonomen Fähigkeiten
• Fraunhofer-Zukunftsprojekt SENEKA – Sensornetzwerk mit
mobilen Robotern für das Katastrophenmanagement
• AVATARES – Autonome Testplattform für die Erprobung
und Bewertung von Fahrassistenzsystemen
(ARIES Ingenieara y Sistemas S. A.)
Kernkompetenz Sys temtechnik 57
• EmNAV-Box – Eingebettetes Modul zur Verbesserung der
Positionsbestimmung für mobile Systeme
• Umfeldsteuerungs-Zusatzmodule für intelligente E-Rollstühle
(Otto Bock Mobility Solutions GmbH)
• ServiceAssist – Fernwartungssystem für E-Rollstuhlsysteme
(Otto Bock Mobility Solutions GmbH)
• EDUL – Generische Entwicklungs- und Demonstrationsplatt-
form zur autonomen Umweltinteraktion von Landfahrzeugen
• cANcAR-i2m2 – Intelligentes individuelles medizinisches
Monitoring im Fahrzeug (S+SE GmbH)
• Maritime Systeme und Oberlächenwasser
• TIETEK: Tiefsee-Inspektions- und Explorations-
Technologiekonzept (Fraunhofer)
• cView: Unterwasserinspektion von Schiffshüllen, Piers
und Anlegestellen durch autonome Unterwasserfahrzeuge
(BMWi)
• STUWASyS: Vorhersage und Management von Hochwasser-
ereignissen an kleineren Flüssen und Bächen bei Starknieder-
schlägen – Pilotprojekt Truse (Thüringer Ministerium für
Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz)
• SALMON: Sea Water Quality Monitoring and covering
- Wasserqualitätsmonitoring mit autonomen Unterwasser-
fahrzeugen (EFRE)
• Underwater Vision: Sensors and algorithms for optical
underwater inspections (Vorstandsförderung Fraunhofer)
• cViewVR: Softwarelösung zur Visualisierung und Simulation
von Unterwasserfahrzeugen und deren Sensorik
• WaterLib 2.0: Modellbibliothek für die Erstellung von
Entscheidungshilfesystemen für die Wasserversorgung
• KAPITAS: Kabel- und Pipeline-Inspektion in der Tiefsee mit
autonomen Systemen (BMWi)
1 Modulbasierte Fahrtführung
automatisierter und autonomer
Fahrzeuge.
2 Einsatz in der Tiefsee TIETEK.
Leitung:
Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Rauschenbach
Telefon +49 3677 461-124
www.iosb.fraunhofer.de/AST
1
2
58 Kernkompetenz Sys temtechnik
technologie
Das Spektrum der autonomen Fahrmanöver sind typische Testsituationen für Fahrerassistenz-
systeme, wobei wichtige Aspekte die Genauigkeit, die zeitliche Wiederholbarkeit der Manöver
und die Interaktion mit dem zu testenden Fahrzeug sind. Basisfahrmanöver des Testträgers sind
u. a. Beschleunigungs- und Bremsvorgänge, Spurwechsel und das bewusste Einfahren in den
Pfad des zu testenden Fahrzeuges.
Für die Realisierung der autonomen Fahrfunktion ist eine Reihe von Fähigkeiten umzusetzen.
Die Wiederholbarkeit der Fahrmanöver bedingt eine hochgenaue Ortsbestimmung mit hoher
AVATARES – modulBASIERTE FAHRTFüHRung
EInER AuTonomEn plATTFoRm zum TEST
Von FAHRERASSISTEnzSySTEmEn
In den vergangenen Jahren s ind die Akt iv i täten bezügl ich der Erforschung und Nutzbarmachung von Tech-
nologien für autonome Fahrzeuge weiter voran gegangen. E in tre ibender Aspekt der Entwicklung s ind
neben den Anwendungen im Straßenverkehr auch industr ie l le Appl ikat ionen wie im Logist ik- , Serv ice- und
der Home-care-Bereich bis hin zu sicherheitsbezogenen Anwendungen. Darüber hinaus macht die zuneh-
mende Senkung der Kosten für Sensor ik und Datenverarbeitungshardware die Überführung der Ergebnisse
der Forschung zu autonomen Fahrzeugen in wirtschaft l iche Anwendungen interessant.
Im Eurostars Projekt »AVATARES« (Autonomous Vehicle for Automotive Testing And REsearch in Safety“)
geht es dabei um die Anwendung von autonomen Fahrzeugen für ein neuart iges aktives Testsystem zur
Evaluierung von aktuel len und zukünftigen Fahrerassistenzsystemen, wie s ie z. B. bereits jetzt mit automa-
tischen Notbremsassistenten angeboten oder zukünftig mit automatischen Ausweichassistenten entwickelt
werden könnten. Die Herausforderung l iegt zum einen im Design und der Umsetzung eines geeigneten
Testträgers und zum anderen in der Entwicklung von reproduzierbaren Fahrmanövern u. a. auch in Interak-
t ion mit dem zu testenden Fahrzeug. Der Testträger sol lte dabei eine maximale Geschwindigkeit von 80km/h
aufweisen können und gleichzeit ig so gestaltet sein, dass eventuel le Kol l is ionen mit dem zu testenden
Fahrzeug keine ernsthaften Schäden verursachen. Für die Entwicklung des Testträgers war das Unternehmen
Aries Ingeniería y Sistemas, S.A. (Projektleitung), ein weltweit agierender Spezial ist für kundenspezif ische
Testsysteme im Automotive-Bereich, verantwortl ich. Der Kerngedanke l iegt dabei in der Auftei lung des
Testträgersystems in eine möglichst f lache und robuste Fahrplattform zusammen mit einem flexiblen und
deformierbaren Aufbau. Im Extremfal l kann der Testträger so ohne größere Schäden überfahren werden. Die
Entwicklung und Real is ierung des gesamten Steuerungssystems für die autonomen Fahrfunktionen wurde
durch die Gruppe Eingebettete Systeme des Institutsteils Angewandte Systemtechnik in I lmenau übernommen.
Ansprechpartner:
Fraunhofer-Institutsteil
Angewandte Systemtechnik AST
Prof. Dr.-Ing. Andreas Wenzel
Telefon +49 3677 461-144
Dr.-Ing. Fabian Müller
Telefon +49 3677 461-140
1
w a s s e r u n d m o B I l e s y s t e m e
www.iosb.fraunhofer.de/?14961
Kernkompetenz Sys temtechnik 59
Abtastrate. Zu diesem Zweck wird ein spezielles RTK-GPS mit einer Genauigkeit von bis zu
1-2 Zentimetern eingesetzt. Des Weiteren wurde eine Querführung im Sinne einer Regelung
der Testplattform entworfen, die die Querdynamik berücksichtigt, um auch für höhere
Geschwindigkeiten die Bahntreue und einen stabilen Fahrzustand sicherzustellen. Hierfür
reichten die Signaleigenschaften des RTK-GPS nicht aus. Ein spezielles Lokalisierungsmodul
wurde deshalb entwickelt, um mittels Erweitertem Kalman-Filter und der Nutzung von Bewe-
gungsinformation modellbasiert die relative Genauigkeit der Ortsbestimmung signiikant
zu verbessern.
Modulbasiertes Fahrtführungssystem
Die Struktur des modulbasierten Fahrtführungssystems ist in Abb. 3 dargestellt. Das Fahrt-
führungssystem besteht aus dedizierten Hardwaremodulen für die autonomen Fähigkeiten
zur Lokalisierung, Umgebungserfassung (Sicherheit) sowie der Missionsumsetzung (Planung
und Regelung). Die entsprechenden Module sind hierarchisch miteinander verbunden. Die
Module zur Lokalisierung und Umgebungserfassung werten die von den Sensoren gelieferte
Information aus. Sowohl diese Datenverarbeitung als auch die anschließenden Planungs- und
Regelungsschritte laufen auf eingebetteten Rechnereinheiten in Echtzeit mit bis zu 100 Hz ab.
Im Ergebnis tragen die in Ilmenau entwickelten Technologien dazu bei, dass zukünftig die
Funktion neuartiger Fahrerassistenzsysteme mit autonomen Testträgern hochgenau und
reproduzierbar überprüft werden kann. Dies geschieht auf Basis industrieller Sensorik und
echtzeitfähiger Datenverarbeitungshardware. Die dazu notwendigen Fahrmanöver lassen
sich schnell und lexibel erstellen. Für die Zukunft ist der weitere Ausbau der Fahrmanöver
sowie eine Überführung in Indoor-Testumgebungen geplant.
Projektbeschreibung
• Kollaborationsprojekt im Rahmen des EUROSTARS Programmes der EU
• Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
• Partner: Aries Ingeniería y Sistemas, S.A. (Projektleitung, www.ariestesting.com)
• Laufzeit 18 Monate (2011 - 2013)
Stichworte / Deskriptoren
Autonome Fahrzeuge, Automatisierung, Testsysteme für Fahrerassistenzsysteme
Projektdurchführung
Prof. Dr.-Ing. Andreas Wenzel,
Dr.-Ing. Fabian Müller,
Dipl.-Ing. Christoph Eisenhut,
Dipl.-Ing. Achim Gehr
Literatur
[1] Müller, F.: Entwurf und Realisie-
rung eines modulbasierten Fahrt-
führungssystems für autonome
Fahrzeuge. Shaker, Dissertation,
2012
[2] Mueller, F.; Wenzel, A.; Gehr,
A.; Ament, C.: Embedded control
design of a mobile robot system:
results on a robust localization
module. 2010 IEEE International
Conference on Control Applications
(CCA) part of the IEEE Multi-Confe-
rence on Systems & Control (MSC).
Pages: 322-7, 2010
1 Komponenten des modul-
basierten Fahrtführungssystems
integriert in die vom Unter-
nehmen ARIES neu entwickelte
Fahrzeugplattform.
2 Die entwickelte Software
»AVATARES MissionPlanner«
dient der Koniguration der
autonomen Fahrmanöver
und der Überwachung im
Fahrbetrieb.
3 Das in der Gruppe Einge-
bettete Systeme entwickelte
Konzept des Modulbasierten
Fahrtführungssystems diente als
Grundlage für die Realisierung
der autonomen Fahrmanöver.
2 3
60 Kernkompetenz Sys temtechnik
Kompetenzen und Portfolio
Das Ziel der Abteilung informationsmanagement und
leittechnik ist die Entwicklung von Komponenten und
Gesamtlösungen für den Aufbau, den Betrieb und die
Plege komplexer Informations-, Leit- und Testsysteme.
Unsere Schwerpunkte liegen in den Anwendungsfeldern
Umwelt, Umwelt- und Gesundheitsrisiken, Sicherheit und
Produktion.
Auf der Grundlage agiler Methoden der Anforderungsanalyse
und des Systementwurfs sowie anerkannter Architektur- und
Kommunikationsstandards realisieren wir offene und innovative
Software-Lösungen, die auf den jeweiligen Kundenbedarf
zugeschnitten sind. Wir beraten Sie bei Ihren IT-Projekten und
unterstützen Sie beim Projektmanagement.
Für die jeweiligen Anwendungsfelder erforschen und
erproben wir die Praxistauglichkeit der Modellierungs- und
Kommunikationsmethoden für komplexe Fertigungsprozesse
und Produktionsanlagen (mittels AutomationML und OPc-UA),
Umweltsensoren (SensorML) und Umweltbeobachtungen
(mit Geo-Standards des Open Geospatial consortium OGc).
Wir modellieren Ihr domänen-speziisches Wissen mithilfe
von Ontologien (mit der Web Ontology Language OWL).
Wir realisieren lexibel erweiterbare Informations- und Leit-
systeme (z. B. für die Automobilproduktion) und ermöglichen
die automatische Projektierung dieser Systeme. Wir vernetzen
Simulatoren und Modelle auf der Grundlage der High-Level
Architecture HLA. Unser Informationsmanagementsystem
»WebGenesis®« unterstützt die efiziente Erstellung von
InFoRmATIonSmAnAgE-mEnT und lEITTECHnIK
Informationssystemen und Web-Portalen, mit komplexer
Wissensvernetzung, problem-speziischer Informationsaus-
wertung und personalisierter Interaktion.
Unsere Forschungsergebnisse zur intelligenten Suche in
heterogenen Datenbeständen, zur Extraktion von Wissen mit
Methoden des Data und Text Minings sowie zur gezielten
Fusion von heterogenen Sensordaten zu aussagekräftiger
Fachinformation reichern unsere Produkte an. In nationalen
und internationalen Projekten sind wir verantwortlich für die
systematische und moderierte Anforderungsanalyse sowie
die Speziikation und Umsetzung von serviceorientierten und
ereignisgetriebenen Architekturen (SOA / EDA).
Wir entwickeln Umweltfachanwendungen und verbinden
diese zu integrierten Umweltinformationssystemen. Unsere
informationstechnische Infrastruktur »WaterFrame®« erschließt
Datenbanken, Wissensmodelle, geograische Informations-
systeme (GIS) und fortschrittliche geo-statistische Verfahren
und unterstützt Sie bei der Erzeugung von thematischen
Karten, Diagrammen und Berichten.
Für die produzierende Industrie realisieren wir mit der »ProVis«-
Produktfamilie innovative leittechnische Komponenten und
Gesamtlösungen im Sinne integrierter MES (Manufacturing
Execution System) und betreuen diese im laufenden Betrieb. Die
Palette reicht von der Überwachung und Steuerung von Produk-
tionsanlagen und Produktionsbereichen in Automobilwerken,
über die Einführung und das Engineering von Leitwarten bis
hin zu Verfahren zur Fertigungssteuerung und Feinplanung.
Hin
terg
run
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rm / p
ixelio
.de
Kernkompetenz Sys temtechnik 61
Für ausgewählte Industriestandards (wie z. B. Foundation
Fieldbus, AutomationML und HLA) entwickeln und betreiben
wir Testsysteme mit dem Ziel, die Anwendung dieser Stan-
dards im Markt zu fördern und Interoperabilität in offenen
Systemen zu unterstützen.
Projekte und Produkte
• ProVis.Agent®: Agentenbasiertes Produktionsleitsystem zur
Überwachung und Steuerung automatisierter Produktions-
anlagen
• ProVis.Paula – Auswertesystem für Produktions- und Anlage-
daten mit Komponenten für Text- und Data-Mining
• ProVis.APS – Web-basiertes Feinplanungs- und -steuerungs-
system zur permanenten Optimierung des Fertigungsplans
• WebGenesis® – Web-basierte Informations- und Wissens-
managementlösungen für Umwelt, Verkehr, Automatisie-
rung und Vorhabensdokumentation
• WaterFrame® – Java-Framework zum Aufbau von Fachan-
wendungen und integrierten Umweltinformationssysteme
• Fusion4Decision – Dienstemuster zur Informationsfusion
und Entscheidungsunterstützung auf der Grundlage von
OGc-Standards
• GERTIcO – Modellierungs- und Kommunikationsinfrastruk-
tur für vernetzte Simulatoren, zertiiziert nach HLA-Standard
• SRL – Simulation Resource Library für die Dokumentation
von Simulationswerkzeugen und Modellen
• Network calculus – Methodik für die Leistungsbewertung
von Kommunikationsnetzwerken
• SemMES – Standardisierte semantische Schnittstelle
zwischen MES und Maschinenebene
Ausstattungen
• ProVis-Integrations- und Testlabor
Dipl.-Inform. Gerhard Sutschet
Telefon +49 721 6091-370
1 Umweltportal- und Umwelt-
informationssysteme.
Leitung:
Dr.-Ing. Thomas Usländer
Telefon +49 721 6091-480
www.iosb.fraunhofer.de/ILT
1
• WaterFrame-Integrations- und Testlabor
Dipl.-Ing. Jörg Stumpp
Telefon +49 721 6091-259
• Umweltsensornetzwerk INSENSUM
Dr.-Ing. Siegbert Kunz
Telefon +49 721 6091-600
• Fieldbus Foundation Konformitätstestlabor
Dipl.-Ing. Michael Theis
Telefon +49 721 6091-321
• AutomationML Test-center
Dr.-Ing. Miriam Schleipen
Telefon +49 721 6091-382
• Experimentierumgebung für die verteilte,
integrierte Simulation
Dipl.-Inform. Reinhard Herzog
Telefon +49-721-6091294
62 Kernkompetenz Sys temtechnik
Um Informationen efizient zu kommunizieren, bedarf es entsprechender Kommunikations-
mechanismen. Dies umfasst sowohl den Ablauf als auch die Methoden [3], also wie und über
welchen Kommunikationskanal Inhalte übermittelt werden können. Systeme, die mit einheit-
lichen Mechanismen arbeiten, erreichen Interoperabilität. Die Gruppe Leittechnik und Anlagen-
modellierung der Abteilung ILT setzt zur Kommunikation und Verarbeitung der auszutauschen-
den Informationen auf den Automatisierungsstandard OPc-UA (OPc Uniied Architecture) der
OPc Foundation (siehe www.opcfoundation.org). Dieser internationale Standard (IEc 62541)
indet in der Industrie immer mehr Verbreitung und bietet vielfältige Möglichkeiten. Die Kom-
munikation von OPc-UA basiert auf Webservices und ist plattform- und protokollunabhängig,
unterstützt die asynchrone und verteilte Kommunikation und bietet Lösungen für die Sicher-
heit, Zuverlässigkeit und Redundanz an. Darüber hinaus bietet OPc-UA mit seinem integrierten
vollvernetzten Informationsmodell unter Zuhilfenahme objektorientierter Modellierungs-
paradigmen die Möglichkeit, standardisierte aber auch herstellerspeziische Informationen zu
integrieren. OPc-UA unterstützt damit explizit die Kommunikation von strukturierten Inhalten.
wAndlungSFäHIgKEIT In dER pRoduKTIon
Die Rolle von AutomationML und OPC-UA für Industrie 4.0
Wandlungsfähigkeit ist eine der zentralen Forderungen an die Produktion von heute und morgen. In der Fabrik
der Zukunft spielen informationstechnische Systeme ebenso wie im täglichen Leben eine zentrale Rolle.
Typische Vertreter d ieser produkt ionsnahen IT-Systeme s ind Manufactur ing Execut ion Systeme (MES).
Sie unterstützen nach der VDI-Richt l in ie 5600 die produkt ionsre levanten Geschäftsprozesse e ines Unter-
nehmens. In der Architektur der industr ie l len Produkt ion s ind s ie zwischen der Automatis ierungsebene
und der Unternehmensle i tebene angesiedelt und agieren a ls B indegl ied für Informationen und Daten
zwischen den Ebenen.
Um auf die Wandlungsfähigkeit der Produkt ion geeignet e inzugehen, müssen auch al le produkt ionsnahen
IT-Systeme Wandlungsfähigkeit unterstützen und tragen. MES müssen daher Tei l e iner durchgängigen
Toolkette se in und bes i tzen durch ihre E igenschaft a ls Daten- und Informationsdrehscheibe e ine Vie lzahl
an Schnittste l len.
Um eff iz ient arbeiten zu können, müssen MES als Tei l der wandlungsfähigen Produkt ion a lso mögl ichst
gut und nahtlos mit anderen Systemen zusammenarbeiten. Bei diesem ebenen-übergreifenden Informations-
austausch spielen zwei Aspekte eine wichtige Rol le: Wie und was kommuniziert wird. Beide Fragestel lungen
müssen für e in generel les Vorgehen zwingend auf Standards bas ieren, d ie aus dem Automatis ierungs-
umfeld stammen.
Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Miriam Schleipen
Telefon +49 721-6091-382
I n F o r m a t I o n s m a n a g e m e n t u n d l e I t t e c h n I k
www.iosb.fraunhofer.de/Ilt
Kernkompetenz Sys temtechnik 63
Dies ermöglicht den Einsatz über alle Ebenen der Architektur der industriellen Automatisierung
hinweg (siehe auch [1]). Das IOSB bietet für OPc-UA consulting, Studien, SW-Entwicklung und
Schulungen an.
Die kommunizierten Informationen müssen aber auch für alle Kommunikationspartner ver-
ständlich und verwertbar sein. Es ist also wichtig, dass die kommunizierten Daten strukturiert
vorliegen und die Bedeutung der Inhalte klar deiniert ist, damit alle Systeme die Informationen
verstehen und optimal nutzen können. Wird dies zusätzlich erreicht, spricht man von seman-
tischer Interoperabilität.
Im Zusammenhang mit MES und auch in anderen Ebenen der Architektur der industriellen
Automatisierung existieren dazu zahlreiche Normen und Standards. Leider gibt es aktuell keinen
einheitlichen Standard über die Ebenen hinweg, der für alle Aspekte anwendbar, praktikabel
und dennoch vollständig deiniert wäre.
Das IOSB setzt zur Beschreibung von Produktionsanlagen und ihrer Komponenten und
Eigenschaften auf AutomationML, das sich ebenfalls in der internationalen Standardisierung
(IEc 62714) beindet. AutomationML [2] wurde 2006 als Industrie-Konsortium gestartet und
wird mittlerweile vom AutomationML e.V. weiterentwickelt, in dem über 20 namhafte Firmen
und Forschungseinrichtungen Mitglied sind. AutomationML wurde als Datenaustauschformat
in der Anlagenplanung entwickelt und modelliert die verschiedenen Aspekte wie z. B. Anlagen-
hierarchie, Geometrie, Kinematik, Ablaufplanung und Verhalten, indem es auf bestehenden
Standards wie cAEX, collada und PLcOpenXML aufsetzt und zusätzliche Einschränkungen
festlegt, wie diese verwendet und kombiniert werden. AutomationML ist damit einer der
Kandidaten für einen Industrie 4.0-Standard. In der vernetzten Fabrik wird ohne die Nutzung
solcher Standards Kommunikation zwischen Geräten und Maschinen unterschiedlicher Hersteller
nicht möglich sein.
Da ein solcher Standard nur anwendbar ist, wenn die Korrektheit der Modelle gewährleistet ist,
bietet das IOSB neben Beratungs-, Schulungs- und Entwicklungsleistungen ab 2013 auch ein
AutomationML-Testcenter an, das im Web zur Verfügung steht und mit Hilfe dessen die Ein-
haltung der Syntax und der in den IEc-Speziikationen vorgeschriebenen zusätzlichen Regeln
geprüft werden kann (siehe Graiken). Die Syntaxprüfung im Testcenter erfolgt mit Hilfe der
XML-Schemata der einzelnen Standards. Die Formalisierung der textuellen Zusatzregeln wird
hierbei unter Zuhilfenahme von UML (Uniied Modelling Language) und OcL (Object constraint
Language) gelöst. Als Infrastruktur wird das IOSB-eigene System WebGenesis eingesetzt.
Neben der hier beschriebenen technischen Basis darf aber der Faktor Mensch nicht vergessen
werden. Entsprechende intuitiv nutzbare Schnittstellen zwischen dem Menschen und der Technik
müssen geschaffen werden; auch daran arbeitet das IOSB aktuell.
Literatur
[1] Bratukhin, A.; Sauter, T.: Bridging
the gap between centralized and
distributed manufacturing execution
planning. In: Proceedings of: IEEE
International Conference on Emer-
ging Technologies and Factory
Automation, 13.-16. September
2010, Bilbao, Spanien, 2010
[2] Drath, R. (Hrsg.): Datenaus-
tausch in der Anlagenplanung mit
AutomationML. ISBN 978-3-642-
04673-5, Springer-Verlag Heidelberg
Dordrecht London New York, 2010.
http://www.springer.com/computer/
information+systems/book/978-3-
642-04673-5
[3] Schleipen, M.: Automated
production monitoring and control
system engineering by combining
a standardized data format (CAEX)
with standardized communication
(OPC UA).Javier Silvestre (edit.),
Factory Automation, 978-953-307-
024-7, in-tech, pp.501-522. Acces-
sible at: http://sciyo.com/articles/
show/title/automated-production-
monitoring-and-control-system-
engineering-by-combining-a-
standardized-data-form. 2010
1 Syntax check.
2 Semantik check.
1 2
64 Kernkompetenz Sys temtechnik
Was macht das Fraunhofer IOSB in diesem Bereich?
Openiot
Das Fraunhofer IOSB bearbeitet das Thema »Internet der Dinge« (Internet of Things) in dem
Europäischen Förderprojekt »OpenIoT« (EU FP7 287305, Open source Solution for the Internet
of Things into the Cloud). Ziel von OpenIoT ist die Entwicklung einer Open-Source-Middleware
zur cloud-basierten Erfassung und Bearbeitung von semantisch annotierten Daten. Dabei werden
im Rahmen von unterschiedlichen Anwendungsszenarien Anforderungen für eine solche Middle-
ware formuliert und die entstehenden Lösungen werden in Referenzimplementierungen aus
diesen Anwendungsszenarien validiert. Das Fraunhofer IOSB verfolgt dabei eine Anwendung
aus dem »Smart city« Bereich.
Ein Schwerpunkt für das Fraunhofer IOSB ist die Untersuchung von Geschäftsmodellen für das
Internet der Dinge. Wie sich hier die Akteure und deren Dienstebeziehungen ändern werden,
ist Gegenstand der Untersuchung innerhalb des OpenIoT Projektes. Wichtig ist hierbei, dass die
Anforderungen der Anwendungen mit ihren Wertschöpfungsketten auf die Infrastrukturen
eines »Internets der Dinge« abgebildet werden können.
ENViROFi
Das »Future Internet Public-Private-Partnership (FI-PPP)« ist ein Forschungsprogramm, das von
der Europäischen Kommission in dem IcT-Arbeitsprogramm des siebten Rahmenprogramms
(FP7) gefördert wird. ENVIROFI (The Environmental Observation Web and its Service Applications
within the Future Internet, EU FP7 284898, www.enviroi.eu) ist eines der in FI-PPP behandelten
EnTwICKlungEn Im InTERnET dER zuKunFT
Das Internet der Dinge
Das Internet erfuhr in se iner noch recht kurzen Geschichte e in ige bemerkenswerte Wandlungen. Von einer
ursprüngl ichen Vernetzung von Großrechnern, über e ine rasante Verbreitung bis zu jedem Arbeitsplatz-
rechner, i s t das Internet heute in v ie len e lektronischen Geräten des Al l tags angekommen. Etwa 2005 war
der Punkt überschr i t ten, bei dem mehr Geräte mit dem Internet verbunden waren, a ls es Menschen auf
der Erde gibt. Heute geht man von etwa 20 Mi l l iarden Geräten mit Internetverbindung aus. Vor diesem
Hintergrund ist d ie Bezeichnung das »Internet der Dinge« zu verstehen. Was diese Entwicklung für die
Informationstechnik bedeutet, i s t derzeit Gegenstand in v ie len weltweiten Forschungsprogrammen, und
auch die Europäische Union widmet diesem Thema einen besonderen Schwerpunkt. Das Fraunhofer IOSB
ist mit se inem Geschäftsfe ld Informationstechnik ebenfal ls an diesem Thema betei l igt .
Ansprechpartner:
Dipl.-Inform. Reinhard Herzog
Telefon +49 721-6091-294
I n F o r m a t I o n s m a n a g e m e n t u n d l e I t t e c h n I k
www.iosb.fraunhofer.de/Ilt
Kernkompetenz Sys temtechnik 65
Use-case-Projekte und konsolidiert »Future-Internet«-Anforderungen aus dem Umweltsektor.
Die Umwelt-Domänen reichen von der Artenvielfalt über atmosphärischen Bedingungen bis
hin zu Meeres Ressourcen.
Oftmals stehen spezialisierte Modelle für die Verwendung dieser heterogenen Daten zur Ver-
fügung. Um die Bereitstellung dieser Modelle als Dienst zu ermöglichen, hat das Fraunhofer
IOSB die Fusion4Decision Architektur entworfen. In dieser Architektur können Modelle in den
Sprachen R oder Matlab implementiert und gestartet sowie über standardisierte Geodienste
genutzt werden.
OGC
Das Fraunhofer IOSB ist Mitglied der »Standards Working Group« (SWG) des Open Geospatial
consortium (OGc) zu dem Thema »Sensor Web Interface for the Internet of Things«. Das
OGc ist ein internationales Konsortium aus Industrie, Regierungsvertretern und Forschungs-
einrichtungen, das sich der Entwicklung von Standards für die ortsreferenzierte Erfassung von
Sensordaten widmet. Das Fraunhofer IOSB übernimmt hierbei eine koordinierende Rolle mit
den Entwicklungen im OpenIoT Projekt.
Was ist das Potential?
Das Internet der Dinge steckt heute sicherlich noch in den Kinderschuhen. Wenn man sich
jedoch die Entwicklungen ansieht in den Bereichen der drahtlosen Netzwerke, semantischen
Datenverarbeitung, Objektidentiikationstechnologien, Miniaturisierung, eingebetteten Systemen,
etc., kann man sich leicht vorstellen, dass die Anzahl der mit dem Internet verbundenen Geräte
weiterhin in vergleichbaren Maß ansteigen wird. Diese Geräte werden in Alltagsgegenstände
integriert sein und die Menge der erhobenen Informationen wird deutlich zurnehmen. Dies
fordert überarbeitete oder auch völlig neue IT-Architekturen in möglicherweise ganz neuen
Geschäftsmodellen. Das Potential reicht von innovativen Einzellösungen bis hin zu disruptiven
Konzepten, die bisher etablierte Lösungskonzepte ablösen können.
Das Fraunhofer IOSB ist mit seinem breit aufgestellten Forschungsprogramm an den Entwick-
lungen im Internet der Zukunft beteiligt und somit ein guter Partner, um die zu erwartenden
Veränderungen, die Risiken aber auch die chancen fundiert zu bewerten.
Literatur
[1] UIC-280: »Global Sensor Mode-
ling and Constrained Application
Methods Enabling Cloud-Based
Open Space Smart Services«;
Anh Le Tua‘n, Hoan N. Mau Quoc,
Martin Serrano, Manfred Hauswirth,
John Soldatos, Thanasis Papaioannou,
Karl Aberer; The 9th IEEE Interna-
tional Conference on Ubiquitous
Intelligence and Computing
[2] »Design of a Software Frame-
work Based on Geospatial Standards
to Facilitate Environmental Model-
ling Worklows«; Vanessa Watson,
Kym Watson; Managing Resources
of a Limited Planet. Pathways and
Visions under Uncertainty: 6th Inter-
national Congress on Environmental
Modelling and Software (iEMSs),
1 - 5 July 2012, Leipzig, Germany
1 OpenIoT Architektur für das
Internet der Dinge.
2 ENVIROFI »Fusion for
Decision« Architektur.
1 2
Projektdurchführung
Dr. ir. Hylke van der Schaaf,
Dipl.-Inform. Reinhard Herzog
66 Kernkompetenz Sys temtechnik
Kompetenzen und Portfolio
Das Fraunhofer-Anwendungszentrum für industrielle Automa-
tion (INA) in Lemgo verfolgt seit seiner Gründung im Herbst
2009, inmitten einer der wichtigsten Regionen des deutschen
Maschinenbaus und der Industrieelektronik in Ostwestfalen-
Lippe (OWL) ehrgeizig seine Forschungsvision: ein Internet
für Maschinen, in dem Echtzeitinformationen in allen Ebenen
eines Automatisierungssystems in der notwendigen Qualität
zur Verfügung stehen. So können Geräte und Funktionen in
künftigen intelligenten technischen Systemen nach dem Plug-
and-Play Prinzip einfach integriert werden und unterstützen
bei der Selbstoptimierung (z. B. Energieverbrauch) und Selbst-
diagnose (z. B. Anomalieerkennung). Die Mikroelektronik, die
Softwaretechnik und das Systems Engineering in Verbindung
mit Anwendungswissen aus der Automation stellen die Kern-
kompetenzen dar. Hierdurch können den Auftraggebern
unmittelbar umsetzbare Ergebnisse für IT-basierte Auto-
matisierungsprodukte und -systeme angeboten werden.
Zielgruppen sind Hersteller von Hard- und Software für die
Automation, Maschinen- und Anlagenbauer, sowie Betreiber
von technischen Systemen. Dabei liegt der Schwerpunkt des
INA auf der Bereitstellung der erforderlichen Systemtechnik
für die Automation, um Informationen einfach erfassen,
efizient vernetzen und intelligent verarbeiten zu können.
Hierzu gehört auch die mikroelektronische Umsetzung
eingebetteter Systemfunktionen.
Das INA ist seit 2010 Partner im centrum Industrial IT (cIIT).
Das cIIT ist ein Forschungs- und Entwicklungszentrum auf
dem campus der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo.
Unter dem Motto »Where IT meets Automation« haben sich
AnwEndungSzEnTRum InduSTRIAl AuTomATIon
in einem offenen Partnernetzwerk Wissenschaft und Industrie
angesiedelt und arbeiten an Technologien für die IT-basierte
Automatisierungstechnik von morgen.
Das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Industrielle
Automation ist Forschungseinrichtung im BMBF-Spitzencluster
»intelligente technische Systeme Ostwestfalen-lippe it‘s
OWl«, dem derzeit größten Projekt im Bereich Industrie 4.0.
Forschungs- und Entwicklungsbereiche
Das Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation
führt öffentlich geförderte Forschungsprojekte durch, arbeitet
im Bereich der bilateralen Auftragsforschung, entwickelt
Software- und Hardware-Prototypen und entwirft Test- und
Absicherungslösungen.
Anwendungsgebiete sind die industrielle Informationstechnik,
die Automatisierungstechnik und der Maschinen- und Anla-
genbau sowie benachbarte Branchen.
Unsere Arbeiten stützen sich derzeit auf folgende
Schwerpunkte:
Systems Engineering in der Automation:
In diesem Arbeitsbereich stehen die Entwicklung und Nutzung
von computermodellen zur Unterstützung des Lebenszyklus
komplexer Automatisierungssysteme im Mittelpunkt unserer
Aktivitäten.
Hierzu gehören beispielsweise:
• modellbasierte Entwurfsansätze,
• Systemsimulation,
Kernkompetenz Sys temtechnik 67
• Anlagenanalyse und -überwachung, Sensor-Fusion,
• wissensbasierte Systemdiagnosen und
• Automatisierungstechnologien
Systemtechnik für die Automation:
Dieses Feld fasst unsere Kompetenzen und Aktivitäten in der
Entwicklung innovativer Systemtechnologien zusammen, die
von unseren Partnern in deren Produkte integriert werden.
• IP-core Entwicklungen (VHDL, Verilog) für System-on-chip
Lösungen (ASIc, FPGA), einschließlich Veriikation
• Vernetzung auf Basis von Echtzeit-Ethernet (RTE) und
Industrial Wireless
• verteilte Echtzeitsoftware, Echtzeit-Middleware und SPS-
Laufzeitsysteme
• eingebettete Echtzeitsysteme
• Systemintegration
lemgoer Modellfabrik
Im cIIT wird vom Fraunhofer-Anwendungszentrum in Lemgo
gemeinsam mit dem Partnerinstitut inIT – Institut Industrial IT
der Hochschule OWL die Lemgoer Modellfabrik als Forschungs-
plattform für die IT-basierte Automation betrieben.
Der Entwurf, die Inbetriebnahme und der Betrieb von
technischen Systemen wird aufgrund immer höher werdender
Anforderungen zunehmend komplexer und daher in der Folge
zeitaufwändiger und fehleranfälliger. Der heute eingesetzten
Automatisierungstechnik fehlen Mechanismen für die Selbst-
koniguration, Selbstoptimierung und Selbstdiagnose, um dieser
Entwicklung entgegenzutreten und den Menschen geeignet zu
unterstützen. Wie industrielle Informationstechnik (Industrial IT)
technischen Systemen zu mehr Intelligenz verhelfen kann, das
ist für die Produktionstechnik bereits heute in der Lemgoer
Stellv. Leitung:
Prof. Dr. rer. nat. Oliver Niggemann
Telefon +49 5261 702-5969
www.iosb-ina.fraunhofer.de
Modellfabrik zu sehen. Bei einer Modellfabrik handelt es sich
um eine Produktionsanlage im Labormaßstab, in der reale
Sensorik, Aktorik, Bussysteme, Automatisierungskomponenten
und Software unterschiedlicher Hersteller zum Einsatz kommen.
Die Lemgoer Modellfabrik legt den Schwerpunkt auf die
Abbildung aller informationsverarbeitenden Prozesse und
IuK-Technologien von der Leitebene bis an den Sensor. Es
handelt sich um einen hybriden technischen Prozess, d. h. die
Anlage beinhaltet sowohl kontinuierliche als auch diskrete
Prozesselemente. Hierdurch bietet sie ein ideales Versuchsfeld
zur Erprobung und Validierung innovativer Technologien und
Produkte, sowie für deren Zusammenspiel.
Das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Industrielle Automa-
tion (IOSB-INA) in Lemgo hat derzeit folgende Fokusthemen,
welche in der Lemgoer Modellfabrik ihre erste praktische
Anwendung inden: die Wandlungsfähigkeit und der ener-
gieoptimierte Betrieb von Maschinen und Anlagen sowie die
fortgeschrittene IKT-Integration in die Automation.
Leitung:
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite
Telefon +49 5261 702-572
www.iosb-ina.fraunhofer.de
68 Kernkompetenz Sys temtechnik
Fragestellungen
Plug-and-Produce soll die zeitaufwendige und fehleranfällige Koniguration von Automa-
tisierungstechnik automatisieren. In diesem Kontext wird in Lemgo aktuell an dem Thema
geforscht, wie Anlagenmodule ihre Funktionalität anderen Modulen selbst mitteilen können.
Dabei ist auch die Frage, welches Verhältnis zwischen vollständiger Selbstkoniguration und
Assistenzsystemen mit Benutzerinteraktion sinnvoll ist, ein aktueller Forschungsgegenstand.
In einem weiteren Projekt wird untersucht wie bei Plug-and-Produce die Einhaltung von
Anforderungen an die Produktionstechnik garantiert werden kann, wie beispielsweise
einzuhaltende Zeiten oder Sicherheitsbestimmungen.
plug-And-pRoduCE
In der Automatis ierungstechnik ste igt der E insatz von Informations- und Kommunikat ionstechnologien.
Bedingt wird dies durch immer komplexere Produkte, Überwachung und Optimierung von Produkt ions-
anlagen und den ste igenden Antei l von cyber-Phys ica l Systems [1] . Letztere s ind eng verzahnte Kompo-
nenten aus Hard- und Software, d ie über phys ikal ische Schnittste l len mit ihrer Umwelt und über Kommu-
nikat ionsnetze untereinander interagieren. Mit den neuen Mögl ichkeiten, zu denen insbesondere die hohe
F lex ib i l i tät von Produkt ionsanlagen gehört , gehen auch neue Herausforderungen einher.
Bereits d ie Konf igurat ion von Kommunikat ionsverbindungen, insbesondere solcher mit Echtzeitanforde-
rungen, erfordert aktuel l erhebl ichen manuel len Aufwand. Dem folgen häuf ig zeitaufwendige Anpassun-
gen von Steuerungen und die Integrat ion in Leitsysteme.
Ansprechpartner:
Fraunhofer-Anwendungszentrum
Industrial Automation
Prof. Dr. rer. nat. Oliver Niggemann
Telefon +49 5261 702-5990
oliver.niggemann@
iosb-ina.fraunhofer.de
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite
Telefon +49 5261 702-572
juergen.jasperneite@
iosb-ina.fraunhofer.de
F r a u n h o F e r - a n w e n d u n g s Z e n t r u m I n d u s t r I a l a u t o m a t I o n
www.iosb.fraunhofer.de/Ina
Kernkompetenz Sys temtechnik 69
Ansätze und Verfahren
Die Lemgoer Modellfabrik dient als Integrations- und Demonstrationsplattform für die
einzelnen Forschungsprojekte.
Am Beispiel des Echtzeit-Ethernetsystems PROFINET IO wurde gezeigt, wie ein selbst-
konigurierender Verbindungsaufbau industrieller Bussysteme realisiert werden kann. Ist
ein solcher Ad-hoc-Kommunikationskanal gegeben, müssen Anlagenmodule untereinander
Selbstbeschreibungen ihrer Funktionalität austauschen. Hierzu werden Konzepte auf Basis
des Kommunikationsstandards OPc-UA und dessen Informationsmodell erforscht. Die Selbst-
beschreibungen legen fest, welche Bedeutung die bereitgestellten und benötigten Signale
eines Anlagenmoduls in Bezug auf dessen Funktion haben. Die Selbstbeschreibungen bieten
die Datengrundlage für logische Schlussverfahren und Suchverfahren aus der künstlichen
Intelligenz, welche die funktionale Integration von Anlagenmodulen ermöglichen sollen.
Beispielsweise können solche Verfahren beim Hinzufügen eines Anlagenmoduls schluss-
folgern, welches Signal ein Modul zu einer bestimmten Bewegung eines Antriebes veranlasst
und welches andere Modul dieses Signal bereitstellt. Damit dabei auch Anforderungen wie
Sicherheitsaulagen, ökonomische Vorgaben und technische Anforderungen eingehalten
werden können, werden Formalismen für die Anforderungen an Produktionsanlagen erar-
beitet. Die Bewertung von automatisch geschlussfolgerten Realisierungsmöglichkeiten eines
Plug-and-Produce-Vorgangs garantiert eine optimale Integration von Anlagenmodulen.
Die Projekte
BMBF Spitzencluster it´s OWL
(Intelligente Technische Systeme
OstWestfalenLippe),
Querschnittsprojekt Intelligente
Vernetzung
BMBF Projekt EfA: Entwurfsmetho-
den für Automatisierungssysteme
mit Modellintegration und automa-
tischer Variantenbewertung
Projektdurchführung
M.Sc. Björn Böttcher,
Dipl.-Ing. Konstantin Nußbaum,
M.Sc. Jens Otto
Literatur
[1] Jasperneite, J.; Niggemann, O.:
Intelligente Assistenzsysteme zur
Beherrschung der Systemkomple-
xität in der Automation. In: ATP
edition - Automatisierungstech-
nische Praxis 9/2012 Oldenbourg
Verlag, München, Sep 2012
[2] Dürkop, L.; Trsek, H.;
Jasperneite, J.; Wisniewski, L.:
Towards Autoconiguration of
Industrial Automation Systems:
A Case Study Using PROFINET IO.
In: ETFA 2012 - IEEE International
Conference on Emerging Techno-
logy & Factory Automation (ETFA),
Kraków, Poland, Sep 2012
70 Kernkompetenz Sys temtechnik
Hochsynchrone Datenerfassung
Um diese Aufgabe zu erleichtern, ist zunächst eine Erfassung aller in der Anlage ausgetauschten
Informationen notwendig. Ziel dabei ist es, den Zustand einer Anlage zu jedem Zeitpunkt zu
kennen. Erst eine solche Datenbasis erlaubt das Erkennen von Fehlern, die sich in komplexen
Systemen auch über Komponentengrenzen hinweg ausbreiten können und dadurch schwer zu
erkennen und klassiizieren sind.
pRozESSdATEnERFASSung
In HETERogEnEn AnlAgEn
In den letzten Jahren ist d ie Automatis ierungstechnik e in immer entscheidenderer Erfolgsfaktor für
produzierende Unternehmen geworden. Vor a l lem der internat ionale Wettbewerb zwingt Unternehmen,
verstärkt auf e inen ste igenden Antei l automatis ierter Fert igungsschr i t te zu setzen. Dem gegenüber steht
die Nachfrage nach immer indiv idual is ierteren Produkten, die höhere Anforderungen an die Produkt ions-
technik ste l len, unter der Bedingung immer kürzerer Produkt lebenszyklen.
Diese veränderten Rahmenbedingungen führen zu komplexeren Anlagen als in der Vergangenheit , da
einerseits häuf iger wechselnde und andererseits komplexere Maschinenkomponenten verwendet werden,
um die gest iegenen Anforderungen zu erfül len. Dies führt jedoch auch zu e inem komplexeren Automati-
s ierungssystem, in welchem Fehler und Störungen schwer festzuste l len und zu beheben s ind. Doch gerade
diese Fehler führen zu kostspie l igen St i l l s tandzeiten und Produkt ionsausfäl len, d ie Anlagenbetre iber mit
mit der Analyse von Prozessdaten zu verhindern versuchen.
Ansprechpartner:
Fraunhofer-Anwendungszentrum
Industrial Automation
Prof. Dr. rer. nat. Oliver Niggemann
Telefon +49 5261 702-5990
oliver.niggemann@
iosb-ina.fraunhofer.de
F r a u n h o F e r - a n w e n d u n g s Z e n t r u m I n d u s t r I a l a u t o m a t I o n
www.iosb.fraunhofer.de/Ina
Kernkompetenz Sys temtechnik 71
Da die Komponenten in einem Automatisierungssystem heute jedoch de facto keine
einheitliche Zeitbasis besitzen, ist eine weitere Komponente notwendig, die eine synchrone
Datenerfassung ermöglicht. Hierfür werden mehrere Messsonden (genannt Datenlogger) in
unterschiedlichen Segmenten des Automatisierungsnetzes verwendet. Hierbei ermöglicht
der Standard IEEE 1588v2 die Synchronisation von Uhren in Automatisierungsnetzwerken.
Es werden Ethernet-Switches erarbeitet, welche hochgenaue Uhrzeitinformationen von
einem Uhrzeit-Server empfangen und diese an andere Automatisierungsgeräte im Netzwerk
weiterleiten. Um eine hohe Genauigkeit zu erreichen, muss die Weiterleitung an andere Ports
innerhalb weniger Mikrosekunden erfolgen. Dazu ist es erforderlich, die Weiterleitungszeiten
mit einer Genauigkeit von wenigen Nanosekunden zu messen, um damit anschließend die
Uhrzeitinformationen korrigieren zu können. Um zusätzlich eine hohe Ausfallsicherheit zu
erreichen, müssen unterbrechungsfreie Redundanzprotokolle wie PRP und HSR unterstützt
werden. Um alle diese Anforderungen zu erreichen, werden am Fraunhofer-Anwendungs-
zentrum IOSB-INA optimierte Hardware-Architekturen entworfen und diese auf speziische
eingebettete FPGA-basierte Systeme abgebildet.
Einheitliche Systemarchitektur
Am IOSB-INA wird eine Toolbox für die Diagnoseunterstützung technischer Systeme entwickelt:
Ziel ist es, heterogene Prozesse und heterogene Visualisierungsplattformen zu unterstützen.
Prozessdaten werden dazu zentral auf einem OPc UA-Server gesammelt und auf einem
Diagnoserechner analysiert. Beispielsweise wurden hybride Automaten zur Fehlererkennung
und Visualisierung des generellen Anlagenzustands oder Methoden zur Reduktion der
Prozessdaten auf wesentliche Informationen implementiert. Die Diagnoseergebnisse werden
in einer Präsentationsschicht für die Anzeige in verschiedenen Applikationen aufbereitet.
Aktuell führt das Fraunhofer-Anwendungszent IOSB-INA erste Projekte zur Diagnoseunter-
stützung mit Firmen aus der Fertigungs- und Verfahrenstechnik durch.
Die Projekte
BMBF Spitzencluster it´s OWL
(Intelligente Technische Systeme
OstWestfalenLippe), Querschnitts-
projekt Energieefizienz in intelli-
genten technischen Systemen
Projektdurchführung
Dr.-Ing. Holger Flatt,
Dr.-Ing. Stefan Windmann
Literatur
[1] Faltinski, S.; Flatt, H.; Pethig, F.;
Kroll, B.; Vodencarevicc, A.;
Maier, A.; Niggemann, O.: Detec-
ting Anomalous Energy Consump-
tions in Distributed Manufacturing
Systems. In: IEEE 10th International
Conference on Industrial Informa-
tics, 2012, Beijing, China
[2] Flatt, H.; Schriegel, S.;
Neugarth, T.; Jasperneite, J.:
An FPGA based HSR Architecture
for Seamless PROFINET Redundancy.
In: IEEE Workshop on Factory Com-
munication (WFCS 2012), Lemgo /
Detmold, Germany, May 2012
72 Kernkompetenz Sys temtechnik
Kompetenzen und Portfolio
Die Gewinnung und die Auswertung von sensoriellen und
anderen Daten spielen in vielen Anwendungen wesentliche
Rollen: In der Industrie bilden Sensordaten zusammen mit
Prozessmodellen die Grundlagen, um eine hohe Qualität und
universale Funktionalität der Produkte einerseits sowie die
bestmögliche Produktivität der Anlagen andererseits zu erzielen.
Auch für andere Anwendungsbereiche wie Umweltprozesse,
Robotik, Verkehr oder zivile Sicherheit ist die Beherrschung der
Kette der Informationsverarbeitung von der Datenerfassung
über deren Verarbeitung und Auswertung bis zur Optimierung
oder Rückführung auf den Prozess entscheidend – immer
unter Berücksichtigung der Dynamik und der weiteren charak-
teristika des Prozesses. Die Abteilung Mess-, Regelungs- und
Diagnosesysteme (MRD) besitzt in diesem Kontext folgende
Kompetenzschwerpunkte:
• Modellbildung und Simulation
- Analytische, wissensbasierte und datengetriebene
Modellierung
- Blockorientierte und Finite-Elemente-Modelle
(z. B. unter Matlab / Simulink, cOMSOL)
- Modellreduktion und Parameterschätzung
(z. B. von FE-Modellen für Stoff- und Wärmeströme)
- Modellierung, Simulation, Bildsynthese für bildgebende
Systeme (z. B. unter Wasser, Delektometrie)
- Prozesse aus Verfahrenstechnik, Grundwasser, Biologie,
Bildverarbeitung und Robotik
• Mess- und Sensortechnik
- Optische und bildgebende Messtechnik
- Automatisierte Mikroskopie
mESS-, REgElungS- und dIAgnoSESySTEmE
- Delektometrie und andere bildgestützte Methoden zur
Oberlächeninspektion
- Spezialanwendungen anerkannter Messverfahren
(z. B. Laser-Triangulation in Rohrleitungen)
• Regelungs- und Steuerungstechnik
- Modellprädiktive und strukturvariable Regelung für
verfahrenstechnische Prozesse, Robotik- und Verkehrs-
anwendungen
- Prozessführung unter Verwendung datengetriebener
Modelle
- Regelung mit bildgebenden Sensoren (Visual Servoing)
• Datenanalyse für technische Prozesse
- Klassiikationsverfahren, Maschinelles Lernen,
Data-Mining-Methoden
- Erstellung von Strukturhypothesen, Kausalitätsanalyse
- Performance und condition Monitoring
- Diagnose (z. B. zur Erkennung von Ursache-Wirkungs-
Zusammenhängen)
• Informationsfusion
- Multisensor-Fusion
- Dynamische Informationsfusion mit heterogenen Quellen
(z. B. für Umweltwarnmodule)
- Fusion von Bild- und Geometriedaten (z. B. für Rohr-
inspektion, mobile Roboter und Oberlächeninspektion)
• Robotik
- Umweltinteraktive Trajektorienplanung und Manipulation,
auch in Kooperation mit dem Menschen
- Simultaneous Localization and Mapping (SLAM)
- Lokalisierung, Pfadplanung und -regelung
- Erkennung von (dynamischen) Hindernissen
Kernkompetenz Sys temtechnik 73
- Regelung und Steuerung komplexer Kinematiken in der
mobilen Robotik
- Roboter-Steuerungen auf Grundlage von ROS-Middleware
• Bild- und Signalverarbeitung
- Industrietaugliche, echtzeitfähige Bild- und Signalverarbeitung
- Texturanalyse
- Generierung von 3D-Daten durch Rekonstruktion
(z. B. mittels Delektometrie, Sidescan-Sonaren, Stereo-
Kamerasystemen)
- Verarbeitung von 3D-Daten
(Messdaten und Rekonstruktionsergebnisse)
- Bildverarbeitung für Robotik-Anwendungen
- computergraik und Sichtprüfung
Aufgaben und Projekte
• Monitoring, Regelung und Optimierung von
verfahrenstechnischen und Umweltprozessen
- Modellgestützte Regelung verfahrenstechnischer Prozesse
(z. B. Glasziehprozesse, biologische und biotechnologische
Prozesse)
- Tools zur Online-Prozessüberwachung
- Überwachung von Windenergieanlagen
• Qualitäts- und Produktivitätssicherung für die
Fertigungstechnik
- Optimierung von Fertigungsprozessen und Produkten
- Tools für die Auswertung von Prozess- und Produktdaten
- Oberlächen-Inspektion (z. B. lackierte, spiegelnde und
texturierte Oberlächen)
• Sensorsysteme
- Sensorentwicklung für Spezialanwendungen
(z. B. Kanalinspektion)
- Bildgestützte Sensorsysteme für die Oberlächen-
Inspektion
- Systeme für Unterwasser-Anwendungen
- Automatisierte mikroskopische Inspektion
• Robotersysteme
- Service-Roboter (z. B. Haushaltsrobotik)
- Mobile Assistenz- und Inspektionsrobotik
1 Delektometrische Inspektion
eines Karosserieteils.
Leitung:
Dr.-Ing. Michael Heizmann
Telefon +49 721 6091-329
www.iosb.fraunhofer.de/MRD
1
- Robotik in der Logistik und Produktion
- Roboter für Security-Anwendungen
- Agrar-Robotik
- Unterwasser-Robotik
• Assistenzsysteme
- Mobilitäts-Assistenzsysteme
- Energiemonitoring und -optimierung im Hausbereich
(Heizungs-Lüftungs-Koordination)
• Umwelt und Ressourcen
- Qualitätsüberwachung für Wasserver- und
-entsorgungssysteme
- Frühwarnsysteme für Unwetterereignisse (z. B. Landslides)
- Multisensor-Inspektions-Systeme zur Inspektion von
Rohrleitungen und Kanälen
• Zivile Sicherheit
- Sicherheit in der Trinkwasserversorgung (Sensorik,
Managementsysteme)
- Überwachung von Gebäuden und Liegenschaften
- Aufklärung von Katastrophen (z. B. Kartierung,
Lokalisierung, Detektion)
- Robotergestützte Erkundung
74 Kernkompetenz Sys temtechnik
Projektbeschreibung
Im Rahmen des EU-Projektes INcA-cE arbeiten seit 2010 16 Partner aus 7 Ländern des zentral-
europäischen Raums an der Verbesserung von kurzfristigen Wettervorhersagen (sogenannten
Nowcasts) und der Nutzung der verbesserten Wettervorhersage in Frühwarnsystemen. Das
zugrundeliegende System INcA (Integrated Nowcasting Through comprehensive Analysis)
wurde von der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in
Wien entwickelt. Im Rahmen des Projektes wird es weiter verbessert und seine Eignung für den
zentraleuropäischen Raum nachgewiesen. Die Prognosen werden in den Bereichen Hydrologie,
Straßensicherheit und Zivilschutz verwendet.
Aufgabe des Fraunhofer IOSB ist es, im Bereich Zivilschutz ein Frühwarnsystem für Hangrut-
schungen (Early Landslide Detection and Warning System – ELDEWAS) zu entwickeln, das mit
Hilfe der Nowcasts Gebiete identiiziert, die eine hohe Anfälligkeit bzgl. Hangrutschungen
aufweisen. Für Entscheidungsträger müssen diese Regionen visualisiert und entsprechende
Warnhinweise generiert werden.
Bisher kommen zur Prävention von Hangrutschungen Gefahrenhinweiskarten zum Einsatz, die
auf Basis geologischer Parameter (z. B. Hangneigung, Bodenstruktur) die regionale Anfälligkeit
beschreiben. Dabei werden Schwellwerte für die unterschiedlichen Parameter deiniert und
Karten ausgewertet. Die Qualität dieser Gefahrenhinweiskarten hängt von der räumlichen
EldEwAS: dynAmISCHE FRüHwARnung VoR
HAngRuTSCHungEn mIT HIlFE Von zEITlICH
und öRTlICH HoCH AuFgElöSTEn wETTER-
VoRHERSAgEn (nowCASTS)
Im Zuge des Kl imawandels i s t auch in Europa ein Zuwachs von Extremwetter lagen zu verzeichnen, die s ich
oft in Form von Starkregenereignissen äußern. Diese können in a lp inen Regionen, aber auch in Mitte l -
gebirgen zur Destabi l i s ierung bis h in zum Abrutschen von Hängen führen. Oft s ind diese Ere ignisse mit
mater ie l len Schäden verbunden und manchmal auch mit Ver letzten oder Toten, wie in der österre ichischen
Steiermark im Sommer 2012. Mit le istungsfähigen Frühwarn-Systemen, die auf Kurzfr ist-Wetterprognosen
bas ieren, könnten die Schäden zumindest reduziert und frühzeit ig Gegenmaßnahmen eingele i tet werden.
Solche Frühwarnsysteme s ind bisher in Europa jedoch noch nicht etabl iert .
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Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Oliver Krol
Telefon +49 721 6091-430
Partner:
ZAMG, Landes-Sicherheitszentrale
Burgenland (LSZB)
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Kernkompetenz Sys temtechnik 75
Aulösung der Parameterkarten ab. Nachteilig ist, dass die Karten keine aktuellen Informationen
über auslösende Einlussgrößen wie z. B. Niederschläge berücksichtigen.
Aufgabe
Hier setzt das vom IOSB konzipierte Frühwarnsystem ELDEWAS an. Es kombiniert die statischen
Gefahrenhinweiskarten mit den dynamischen Kurzfrist-Wetterprognosen und kann abschätzen,
wo und wann eine Gefahrensituation entstehen könnte. Dazu werden die sowohl räumlich als
auch zeitlich hochaufgelösten INcA-Daten verwendet. Niederschlagswerte werden in einem
15-Minuten-Takt geliefert, Temperaturen werden alle Stunde aktualisiert bei einer räumlichen
Aulösung von 1 km . Mit Hilfe der Niederschlagswerte der letzten Tage kann die Bodensättigung
abgeschätzt werden. Auf der Basis der prognostizierten Niederschlagswerte lässt sich vorher-
sagen, ob in naher Zukunft in bestimmten Regionen eine Destabilisierung von Hanggebieten zu
erwarten ist. Von großem Vorteil ist dabei der INcA-Vorhersagehorizont von bis zu sechs Stunden.
Im Bereich des Zivilschutzes sind sechs Stunden sehr viel Zeit – Zeit, um Menschen zu warnen
und andere präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Die methodische Innovation von ELDEWAS liegt darin, dass physikalisches Wissen (z. B. in Form
von Gleichungen oder Differentialgleichungen) mit Expertenwissen und Messdaten fusioniert
wird. Hierbei werden Methoden aus der Fuzzy-Logik eingesetzt. Das Expertenwissen wird in
Form von »Wenn-Dann«-Regeln erfasst. Während einfache Schwellwerte das Expertenwissen
nur in sehr grober Näherung widerspiegeln, erlauben die unscharfen Übergänge der Fuzzy-Logik
eine realitätsnahe Repräsentation komplexer Zusammenhänge. Insbesondere unterschiedliche
Klassen von Rutschungen können auf diese Weise gleichzeitig berücksichtigt werden.
Systembeschreibung
Ein wichtiger Punkt für Entscheidungsträger ist die Visualisierung gefährlich eingeschätzter
Gebiete. Dazu bietet ELDEWAS eine graische Oberläche an, die es erlaubt, Parameterkarten
zu laden, anzuzeigen, zu überlagern und für jede Karte Bewertungskriterien zu deinieren.
Darüber hinaus können aus Niederschlagsdaten Summenwerte für unterschiedliche Zeiträume
berechnet werden. Dies erlaubt eine Abschätzung der Bodensättigung, die einen bedeutenden
Einlussparameter für die Hangstabilität darstellt. Im momentanen Entwicklungsstand können
mit ELDEWAS historische Szenarien ofline berechnet werden. Aktuell ist die Online-Anbindung
an die Server für die Wetterdaten in Arbeit.
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76 Kernkompetenz Sys temtechnik
Die Verfahren
Abb. 1 zeigt das Grundprinzip der Delektometrie: Muster werden auf einem Monitor oder
mittels Beamer auf einer Projektionsläche dargestellt und von einer Kamera über die spiegelnde
Oberläche beobachtet. Rechnergestützt werden nachfolgend die verzerrten Muster ausgewertet,
wobei das Wissen über die dargestellten Muster und über die gesamte Aufnahmekonstellation
berücksichtigt werden kann. Beobachtet man nur ein Muster, so kann man schon eine einfache
qualitative Aussage über eine mögliche Abweichung von einem Referenzteil machen.
Einen Zugang zu quantitativen Qualitätsaussagen liefert die Beobachtung von Musterserien.
Dabei werden durch die Darstellung von mehreren Bildern die beobachteten Positionen auf
der Musteranzeige kodiert. Damit lässt sich jedem Sichtstrahl der Kamera ein Musterpunkt auf
dem Monitor bzw. der Projektionsläche zuordnen. Kennt man diese grundlegende Zuordnung
zwischen Sichtstrahlen und Musterpunkten, kann man alle möglichen Oberlächennormalen,
AuFS m gEnAu – dEFlEKTomETRIE zuR
BESTImmung Von modEllABwEICHungEn
glänzEndER oBJEKTE
Produkte mit hochglänzenden Oberf lächen ste l len e ine besondere Herausforderung an die zur Verfügung
stehenden Fert igungsverfahren. Abweichungen der Oberf lächentopograf ie spiegelnder Produkte von der
erwarteten Form lassen s ich bei günst iger Beleuchtung unschwer von einem Menschen mit b loßem Auge
erkennen. Dabei wertet der Betrachter intuit iv d ie Spiegelungen der ihm bekannten Umgebung an der
Oberf läche aus und schl ießt dabei von unerwarteten Verzerrungen der Spiegelbi lder auf mangelhafte
Produktqual i tät . Da k le inste Gestaltabweichungen der Oberf läche hierbei erkannt werden können – se lbst
lokale Ebenheitsabweichungen von nur wenigen µm s ind unter ästhet ischen Gesichtspunkten re levant –,
ste l len hochglänzende und spiegelnde Oberf lächen höchste Anforderungen an den Produkt ionsprozess.
Aus der Erfahrung, dass automatis ierte 3D-Prüfverfahren wie Stre ifenprojekt ion und Lasertr iangulat ion
die re levanten Genauigkeitsanforderungen nicht oder nur mit erhöhtem Aufwand erfül len können, werden
in der Prax is menschl iche Kontrol leure zur Qual i tätsbeurte i lung dieser Oberf lächen eingesetzt .
Def lektometr ische Verfahren bi lden das vom Menschen prakt iz ierte Prüfkonzept nach und ermögl ichen
dadurch e in hochempfindl iches Prüfen und zusätz l ich das reproduzierbare Vermessen von spiegelnden
Oberf lächen mit ger ingem Hardwareaufwand.
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Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Stefan Werling
Telefon +49 721 6091-316
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Kernkompetenz Sys temtechnik 77
die diese Zuordnung erzeugt haben können, bestimmen. Die Beobachtung der Spiegelbilder
von Mustern liefert also ein dreidimensionales Feld der Normalen zu möglichen Oberlächen.
Dieses Normalenfeld ist die messtechnische Grundlage aller am Fraunhofer IOSB entwickelten
delektometrischen Methoden. Zur dimensionellen Vermessung kann dieses Normalenfeld
integriert werden und liefert dann hochgenau ein Modell der Oberläche, z. B. als Dreiecksnetz.
Anwendungsbeispiel Busklappen
Im Folgenden wird diese Methode der Modellgenerierung zur Bestimmung von Modellab-
weichungen am Beispiel der Inspektion von Busklappen angewandt. Abb. 2 zeigt hierzu den
Messraum des Fraunhofer IOSB. Die Geometrie der Busklappenoberläche (Tank- oder Koffer-
raumklappe) kann als eine Kombination von ausgedehnten ebenen Flächen und Zylindern mit
großem Radius dargestellt werden. Aufgrund der weitgehend ebenen Fläche erwartet ein
Beobachter eine nicht verzerrte Abbildung entfernter Objekte. Langwellige Störungen der
Klappenoberlächen, verursacht durch aussteifende Strukturen auf der Rückseite der Klappen,
lassen sich leicht durch die spiegelbildliche Beobachtung gerader Strukturen in der Umwelt
erkennen. Infolge des möglichen großen Abstandes der Umgebung fallen solche Oberlächen-
störungen schon bei Abweichungen im Bereich von wenigen µm auf.
Die Auswertung
Für die messtechnische Fragestellung erfordert diese Auswertung nicht nur eine genaue Modell-
erstellung, sondern auch eine genaue Bestimmung der Abweichung von der erwarteten Form.
Aufgrund der großen räumlichen Ausdehnung der langwelligen Defekte können keine – in
der Anwendung vergleichsweise einfachen – lokalen Methoden benutzt werden. Es muss ein
direkter Modellvergleich erfolgen. Dies kann auf zwei Wegen geschehen: durch Vergleich der
Messdaten mit den cAD-Daten der Busklappen oder durch Schätzung des Modells direkt aus
den Messdaten. Hier wurde der zweite Weg verfolgt, mit den Vorteilen der Unabhängigkeit
vom aktuellen Prüfteil und dem Verzicht auf eine aufwendige Registrierung des cAD-Modells
zu dem gemessenen Modell. Abb. 3 zeigt die Formabweichung des Prüfobjektes von einem
online mitgeschätzten Modell einer fehlerfreien Klappe. Bei vielen untersuchten Prüfobjekten
lassen sich die Höhenabweichungen direkt mit den auf die Rückseite der Klappen aufgeklebten
Tragstrukturen korrelieren.
Ergebnis
Die am Fraunhofer IOSB entwickelte Methodik liefert dreierlei: erstens eine genaue Modell-
erzeugung (3D-Rekonstruktion) spiegelnder Oberlächen, zweitens eine Möglichkeit zum
Vergleich des gemessenen Modells mit cAD-Daten (Gitternetz, Knoten und Normalen sind
verfügbar) und drittens die Möglichkeit, ein fehlerfreies Modell aus den Daten selbst zu schätzen,
ohne aufwendiges Einlernen von Konturen und Prüfbereichen.
1 Grundprinzip der
Delektometrie.
2 Delektometrielabor.
3 Höhenbild der Modell-
abweichung bei einer defekten
Busklappe.
2 3
Projektinanzierung
Grund- bzw. eigeninanzierte
Forschung
Projektdurchführung
Dipl.-Inform. Mathias Ziebarth,
Dipl.-Ing. Markus Vogelbacher,
Dr.-Ing. Stefan Werling