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EXODUS : Nordatlantik – Rund VII
Endlich ist es so weit: der letzte Einkauf, letztes mal Wasser bunkern, letzte E-Mails
verschicken und letzte Telefonate erledigen, die beginnende Aufregung unterdrücken,
es ist der 24. November 2011, 15.00 Uhr, wir legen ab: Ziel Karibik.
Schmetterlingsegel im Passat
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Schon im Hafen von San Sebastian de la Gomera setzen wir die Segel, der Wind
steht günstig und weht kräftig, draußen ist die See mehr als kabbelig, wir nehmens
wie es kommt. Schnell wird es dunkel, La Gomera ist noch lange zu sehen, in der
Ferne El Hierro mit dem aktuellen Vulkanausbruch, von Ferne alles friedlich. Dafür
legt der Wind kräftig zu, 6 Bft aus NW, 7 kn Fahrt fast Rumpfgeschwindgkeit bei 32
Fuß Länge (!), was will man mehr?
Wegpunkt 20°N, 020°W, die Kapverden sind gestrichen, wir wollen so schnell wie
möglich über den Atlantik und haben uns vorsichtshalber auf 30 Tage eingestellt.
Die Wachen werden wie gehabt wahrgenommen: Erika schläft vor Mitternacht,
Andreas macht um Mitternacht noch Logbuch und Kartenarbeit und geht dann
schlafen. So hat Erika die Hundswache und die längere Zeit am Stück, siewill es so
und nicht anders, was macht man nicht alles um des lieben Friedens willen!
Unter Tags schläft jeder nach Bedarf, Erikas gewohnte Seekrankheit legt sich nach
drei Tagen, Andreas kämpft mit Übelkeit nach dem Genuss einer größeren Menge
Studentenfutter, die (schon ranzigen) Haselnüsse werden in großer Menge den
Fischen geopfert, so leeren sich die ersten Vorräte.
Nichts als Wasser ringsum und Wind aus der richtigen Richtung, Dünung und
Schaukelei nicht zu knapp. Wir sind zufrieden und dankbar. Nicht auszudenken,
wenn am Anfang der Atlantiküberquerung eine Flautenperiode stünde, was wäre das
demotivierend.
Am 3. Tag sehen wir am Horizont zum ersten mal ein Frachtschiff, ein weiteres ist
nur per AIS (Automatisches Schiffs-Identifizierungssystem per UKW) auszumachen,
in der Nacht Lichter eines Seglers (?) von vorn, Begegnung in etwa 3 nm, Genaueres
ist nicht auszumachen, es ist stockfinster.
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27.11. 1. Advent, Erika holt die Dekoration heraus und schmückt das Schiff
adventlich, so sieht es im Salon weihnachtlich aus, wenn wir auch die hohen
Temperaturen (im Salon immerhin 27 – 30°C) nur in Badehosen und weniger
ertragen.
Adventssingen an Bord Adventsdekoration
28.11., wir überschreiten 22,5° westliche Länge, die Uhren werden eine weitere
Stunde zurückgestellt, nun sind wir schon 3 Stunden hinter der Heimat.
Dies ist beileibe nicht alles, gegen Mittag bekommt Andreas einen Anfall von
Arbeitswut: Das Schiff liegt mit dem Heck tief im Wasser, da hat dann eine von hinten
anrollende Welle den Deckel der Heckdusche geöffnet und den Duschkopf
herausgezogen (ein Problem, das wir bei Abnahme des Schiffes schon mit der Werft
erörtert, aus den Augen verloren und leider nicht weiter verfolgt hatten).
Also: Erika kramt die Reste des weißen Sikaflex hervor und so wird der Deckel
verklebt, eine nasse Geschichte, liegt er doch in Wassernähe und jede heran
rollende Welle überspült nicht nur ihn – und richtig sicher stehen bzw. liegen und
arbeiten kann man dort hinten und unten auch nicht, Bootsbauer sind Akrobaten.
Damit nimmt das Unheil seinen Lauf! Andreas: “Wir können doch mal in die
Backskiste schauen, ob da Wasser reinkam“ – so das Gedächtnisprotokoll von Erika.
Also: Fender, Persenninge, Fahrräder, Schlauchboot, Paddel, Sonnenschirme,
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Ersatzleinen jede Menge, Wasserschläuche, Anker, riesiger Sack mit Schuhen um
nur einiges zu nennen werden ausgeräumt.
Siehe da, so um die 15 l Wasser müssen mit Schwamm und Eimer entfernt werden.
So eine Pleite. Und weil das Arbeiten in der Backskiste so viel Spaß macht, wird
auch gleich der Motorraum geöffnet: Motor und Getriebe haben nasse Beine, alles
voll Wasser.
Es stellt sich heraus, dass fast das gesamte Schiffunterhalb der Bodenbretter unter
Wasser steht, gute 100 l werden es wohl gewesen sein. So kommen die Bilgepumpe
und die mobile Tauchpumpe (an die wir leider erst zu spät denken, da haben wir uns
schon die Seele aus dem Leib geschöpft) zu ihren ersten Einsätzen.
Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir noch nicht, wie viele unerreichbare Hohlräume solch
ein Schiff hat.
Alles was aus Papier oder Pappe ist schwimmt unter den Bodenbrettern und wird
entsorgt, was will man auch mit hunderten (nicht übertrieben) völlig aufgeweichten
Slipeinlagen, Schachteln, Verpackungen und „durch“gerosteten Fleischdosen
anderes tun?
Auch so kann man Vorräte verbrauchen, wir haben ja offensichtlich sowieso zu viel
davon an Bord!
Alles andere wird sorgfältig abgewaschen und getrocknet. Zwei volle Tage haben wir
unentwegt damit zu tun, wir sind abgekämpft und todmüde.
Wassereinbruch über die Backskiste
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Und immer wieder neues Wasser. Es stellt sich heraus (?) , dass der Raum unter
dem Wassertank voll Wasser ist, da kommen wir nicht ran. Und so schwappt das
munter vor sich hin und jeden morgen sind Bilge und weitere zwei Stauräume wieder
nass, so rund zwei große Tassen voll.
Schon mal vorab: gut eine Woche lang werden wir jeden Tag die Stauräume öffnen,
trocknen und wieder schließen.
Erika kann das Wort „Matratzen beziehen“ und „Betten bauen“ nicht mehr hören, liegt
doch das Übel genau unter unserem Schlafgemach. Wie gesagt, nach einer Woche
haben wir die gröbste Feuchtigkeit im Griff – denken wir zumindest.
Aber zunächst einmal gratulieren wir unserer Maike am 29.11. per Satellitentelefon
zum 18. Geburtstag: Bleib gesund und weiterhin ein so liebenswerter Enkel. Wir
wünschen dir Erfolg in der Schule und im nächsten Jahr ein gutes Abi, viel Spaß und
Erfüllung bei deiner Aufgabe mit den Ministranten und den Pfadfindern. Machs gut!
Und weil wir schon beim Gratulieren sind: am gleichen Tag hat Christine Namenstag,
auch dir herzlichen Glückwunsch!
Dann aber weiter an die Arbeit: Ein bei der Räumaktion beschädigtes Bodenbrett
muss „aufgebügelt“ werden, gelingt aber Erika nicht zu ihrer Zufriedenheit, der zweite
Versuch führt auch nur zu „Verschlimmbesserungen“ – nun ja, Gebrauchsspuren halt.
Viel schlimmer kommt’s als wir den “Salzwasservorrat“ im Zwischenraum zwischen
Bilge und Wassertank entdecken, randvoll. Und selbst als der trockengelegt ist
schwappt von irgendwoher immer noch Seewasser in diesen Raum und in den Raum
vor dem Bett, jeden morgen wieder dasselbe, Wasser, Wasser, Wasser. Die Quelle
ist nicht auszumachen, wir vermuten sie unter dem Wassertank – da kommt man
nicht ran, es sei denn, man zerstört das Schiff oder den Tank – ha ha!
So heißt es halt jeden morgen: aufwischen!
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Aber – dies alles verdrießt uns nicht. Wir haben Segelsituation vom Feinsten. Immer
wieder mal Segelwechsel, Genuabaum raus und rein, endlich Kurswechsel nach
Westen. Wir laufen jetzt die empfohlene südliche Route (garantiert Passat, und das
nicht zu knapp; sagt jedenfalls die Imray – Karte) – es geht wie auf der Autobahn, nur
nicht so voll.
Also Windaus Ost mit 4 – 5 Bft, Böen 6 – 7 Bft, Kurs West, so lässt sich segeln.
Schon mal vorab: am Stück werden die nächsten 7 Tage die Segel nicht mehr
angefasst. Groß an Backbord, Genua ausgebaumt an Steuerbord,
Schmetterlingsegeln, ideal.
Aber es kommt wie es kommen muss:
Kaum laufen wir auf dem neuen Kurs rauscht eine Welle übers Vorschiff – genau in
die gerade zum Lüften geöffneten Luken hinein. Wasserfall im Vorschiff und
Toilettenraum, mal was anderes. Prompt sind die gerade getrockneten vorderen
Stauräume wieder voll – Vorräte sowieso aber nun wieder Salzwasser. Also alles
wieder von vorn: Ausräumen, Abwaschen, trocknen, neu Verstauen – dabei wollten
wir eigentlich mit unserem Trinkwasser sehr sparsam umgehen – na ja, nun erst
recht!
Und unter anderem jetzt zahlt sich eine 45 – jährige Ehe aus: alles geschieht friedlich,
es wird gelacht und gescherzt, die Stimmung ist großartig. Mann, geht uns das gut.
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1. Dezember, schon komisch, keine Kälte, keine adventliche Stimmung (bis auf die
Dekoration und Stolle zum Kaffee), St. Markus fehlt uns doch sehr.
Wir denken jedenfalls, dass wir das Gröbste überwunden haben – denkste!
Morgenwäsche: Andreas “steht“ im Trockenen.
Süßwasser: Fehlanzeige.
Diesmal also die Druckwasserpumpe. Ein kurzes Rütteln, ein nasser Rülpser, dann
gibt sie ihren Geist auf, Dienstverweigerung der Wasseranlage, Streik.
Also: wieder große Räumaktion: Bettwäsche raus, Laken und Unterlage weg,
Matratzen raus, Bodenbrett weg: sieht eigentlich alles friedlich aus, na ja, ist ja nur
Streik und keine Revolution!
Navisitz weg, Bodenraum auf, Werkzeugkiste raus, Werkzeug in die Hand – RUMMS,
ein Kanonenschlag ist ein Furz dagegen.
Eine Welle legt das Schiff auf die Seite, die Werkzeugkiste (wirklich seeehr schwer)
fliegt im hohen Bogen durch den Salon – wie war das doch: Gebrauchsspuren.
Andreas baut die Wasserpumpe aus, Erika hält ihm wie immer den Kopf, schön.
Nur die Pumpe nicht. Wie sich herausstellt sind die Kontakte zum Druckschalter
unter der Pumpe bis in die Vergussmasse hinein pulverisiert, nichts mehr da, nur
grüner Staub und alles nass. War wohl doch in den letzten Tagen zu lange unter
Salzwasser. Mit diesem Schalter geht nichts mehr.
Zunächst überbrücken wir die Zeit ohne Leitungswasser mit unserem Vorratswasser
in den 2 l Flaschen und 5 l Kanistern. Erstaunlich aber wahr: wir benötigen zum
Duschen genau 2 l Wasser – beide zusammen, nicht jeder für sich. Mit den
veranschlagten 10 l Wasser pro Tag sollten wir also auskommen. Wir messen einen
Tag lang den Verbrauch: mit Duschen kommen wir mit 6 l aus, prima.
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Nun muss schnellstens richtiger Ersatz her. Und da wir ja stolze Besitzer eines
Satellitentelefons sind hoffen wir auf Stephans Hilfe. Er kennt sich in der Szene am
besten aus, hat wahrscheinlich die besten Kontakte und darüber hinaus die besten
Ideen, 40 Jahre Segeln zahlen sich in solchen Situationen aus, an seine Erfahrung
kommt so schnell keiner ran.
Telefonat mit Anita, Mail an Stephan, die Antwort kommt prompt: Stephan setzt
offensichtlich alle Hebel in Bewegung, eine neue Pumpe ist versandbereit zum
gleichen Preis wie ein in 13 Wochen lieferbarer Ersatzschalter.
Er klärt weitere Überbrückungsmaßnahmen mit der Werft und mit Ralf auf Barbados
die Versand– und Zollformalitäten. Um den Zoll kümmert sich Ralf auf Barbados,
alles andere organisiert und macht Stephan: ganz herzlichen Dank für deine Mühen.
Ohne den Rückhalt der Familie, seien es die Kinder oder Brüder könnte man
wahrscheinlich eine solche Reise nicht bewerkstelligen. Nochmals vielen Dank an die
vielen selbstlosen Helfer im Hintergrund !!!!!
In den folgenden Tagen gelingt es Andreas mit Messen, Bohren, Schrauben, Kleben
und Quetschen den vergossenen Schalter notdürftig wieder zum Leben zu erwecken.
Es bedarf dazu unzähliger Versuche, Aus– und Einbauten und mühevolles Justieren
eines Schalters, an den man eigentlich nicht heran kommt.
Zunächst pumpt die Pumpe – aber nicht in die Leitung sondern in den Bodenraum
unter dem Bett: eine Membran und eine Düse hatten sich beim Ausbau unbemerkt
unter dem Tank verdrückt, war ja Streik angesagt. Ende gut, alles gut (?), die Pumpe
läuft halbwegs und wird nicht mehr angerührt bis Ersatz da ist, sonst überlegt sie sich
das vielleicht noch einmal anders.
Beim Saubermachen kommt noch ein kleines Flügelrädchen unter dem Tank hervor,
nun darf es nicht mehr arbeiten, siehe oben, die Pumpe wird nicht mehr angefasst!
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Noch einmal zum 1. Dezember: In der Nacht vom 1. zum 2., Andreas Wache,
bekommen wir Besuch durch das geöffnete Schiebeluk: ein ca. 20 cm langer
fliegender Fisch zappelt in der Pantry. Der hat tatsächlich richtige Flügel, zwar
transparent aber er flattert ganz schön.
Der hat tatsächlich Flügel
Obwohl Andreas ihn Erika zum Essen offerieret lehnt diese ab, der stinkt bestialisch,
da kann einem der Fischgenuss vergehen. Eigentlich sollte man sie essen können.
Unter Einsatz von Gummihandschuhen und Lappen wird er wieder in sein nasses
Element befördert.
Im Cockpit liegt ein weiterer dieser Größe, zwei weitere solcher Burschen auf dem
Vorschiff, alle schon jenseits ihres fliegenden Daseins. Sie werden als Fischfutter
weiter ihren Dienst versehen. Am nächsten Morgen sammelt Andreas noch weitere
10 kleinere fliegende (tote) Fische ein und befördert sie ins Meer. Ab jetzt ist das
dann eine Morgenbeschäftigung: jeden Tag bis zu 20 kleinere Fische an Deck, alle
kleiner als 10 cm. Wir beobachten jetzt genauer: ganze Schwärme kann man tags
kurz über der Wasseroberfläche fliegen sehen, größere fliegen eher allein,
schätzungsweise bis zu 60 m weit, sehr schnell.
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2. Dezember, 9. Tag auf See, wir erklären den Tag zum Ruhetag – bis auf das
obligatorische trocknen der Stauräume unter dem Bett.
Die Sonne scheint drinnen und draußen, es ist sehr warm, herrlich. Wegen der
kabbeligen See die immer wieder das Heck herumdrückt will Andreas den
Autopiloten empfindlicher einstellen, geht aber nicht, das Biest will mal Pause
machen.
Also alle Navigationsgeräte ausschalten, Erika steuert von Hand. Bei einer Dünung
von 2 – 3 m Wellenhöhe schräg von hinten gar nicht so einfach, Hut ab vor dem
Autopiloten.
Es kommt, was kommen muss: Erika gelingt eine Patenthalse. Also Andreas ans
Ruder, einen Augenblick der Unaufmerksamkeit: Patenthalse – das kommt davon
wenn man immer alles besser weiß und kann.
Dessen nicht genug, dabei bleibt die Großschot am Haltegriff (eigentlich
Instrumententräger) der Steuersäule hängen und reißt diesen aus seiner
Verankerung am Boden und der Steuersäule heraus, war ja Ruhetag angesagt.
Also: Werkzeug heraus, alles gerichtet und neu verschraubt, Erika verschmiert die
Fußpunkte mit Pantera – noch einmal gut gegangen. Auch die Selbststeueranlage
geht wieder, da hatten sich wohl nur einige Bytes verklemmt, kann ja mal vorkommen.
Ist auch ein bisschen viel verlangt, 9 Tage Arbeit ohne Pause, Verpflegung und liebe
Worte. Soll sich ändern (?).
Mittagessen, Schlafen, herrliches Segeln.
3. Dezember, 10. Tag auf See, 211. Tag der Reise.
Sonne pur, Wind wie gehabt 4 – 5 Bft. Das Schiff segelt wie auf Schienen, 1455 nm
geschafft, die gute Hälfte liegt hinter uns, schneller als erwartet. Werden wir wohl
doch noch früher auf Barbados ankommen?
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Heute erwischt es den Autopiloten: eine Welle drückt das Heck herum, er, der sonst
so zuverlässig diese aussteuert, hat wohl geschlafen, Patenthalse vom Feinsten,
Rumms! Diesmal der Bügel der Steuersäule nicht nur aus seiner Verankerung
gerissen sondern verbogen und auch die Halteplatte der Steuersäule kräftig
verbogen, das Metallrohr (2,5 cm Durchmesser) der Verbindung zur Motorsteuerung
gebrochen, guter Rat teuer.
Wegen einbrechender Dunkelheit verschieben wir die Problemlösung auf morgen.
Wie sagte doch Joseph Diebold selig: Andreas, mach nicht alles sofort, man muss
sich auch etwas fürs Alter aufheben.
Der nächste Tag bringt Arbeit ohne Ende, und da sagen doch alle, eine
Atlantiküberquerung ist langweilig, da könne man ganze Bibliotheken verschlingen.
Welcher Atlantik ist da wohl gemeint?
Andreas richtet Rohr und Trägerplatte, Erika hat die größte Aufgabe: das
gebrochene Rohr muss innen verstärkt werden, am besten durch massives Rundholz.
Und da meine Frau immer für hervorragende Ideen gut ist, schnitzt sie aus einer
massiven Teakholzplatte (3,5 cm) dick ein Rundholz von 20 cm Länge und 23 mm
Durchmesser, das sich darüber hinaus in der Mitte in einer Stufe um 2mm verjüngt.
Man glaubt es kaum. Es passt wie angegossen und ist tatsächlich rund! Ganz großes
Lob, Dank und ein Extrakuss, vorbildlich gemacht.
Erika schnitzt rund Das Meisterstück
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"Passt, wackelt und hat Luft"
Nun wird alles wieder montiert, mit Pantera gedichtet, nur das Zutrauen zu diesem
Ding ist hin. Hatten wir uns doch immer kräftig dran festgehalten. Da muss später
eine neue und stabilere Lösung gefunden werden. Und ein verhaken der Großschot
am Griff darf auch nicht mehr passieren.
Die viel zu lange Reffleine der Genuatrommel wird auf ein handliches Maß gekürzt
und aus dem immer noch langen Rest vier Leinen so zum Bimini gespannt, dass sie
nicht hindern aber dennoch ein Verhaken der Großschot am Haltegriff sicher
verhindern.
Könnte man sich ja patentieren lassen – wenn’s nicht so traurig wäre. Dennoch: auch
das tut unserer guten Stimmung keinen Abbruch, uns geht’s gut, diese Reise war
schon die richtige Aufgabe für uns Pensionäre!
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Sonne und Wind gut, das Schiff fährt allein, wir arbeiten ganz in Ruhe, abends ist es
noch so warm, dass wir in Badehosen noch lange nach Sonnenuntergang draußen
sitzen können.
Wir telefonieren mit Barbara und Familie und verabreden ein neues Gespräch für den
3. Advent abends.
Wenn doch nur die Tage länger wären und es eine angemessene Dämmerungszeit
gäbe. Die Nacht bricht wirklich überfallartig herein, kommt uns jedenfalls nach den
Erfahrungen vom letzten Jahr vom Bottnischen Meerbusen so vor.
Am nächsten Morgen das übliche Frühstück in aller Gemütsruhe. Mal Cornflakes,
mal Knäckebrot, mal beides, je nach Laune, immer lecker.
Dann bricht der Verschluss unserer Vorratsschublade. Nicht verwunderlich bei
diesen Belastungen und dem schweren Inhalt. Kein Problem: die Sirius-Werft
(Danke!) hat uns mit Ersatz eingedeckt, Austausch, fertig, geht wieder.
Nässe beseitigen, wo ist wohl die Quelle?
Mittags wird die nächste Zeitzone überquert, jetzt sind wir bereits 4 Stunden nach
MEZ. Der Wind schiebt uns ein wenig nördlich, aber die Steuerung nach dem Wind
erspart uns das Einstellen der Segel, es geht wie am Schnürchen, 5 Bft, 2 – 3 m
Wellenhöhe, Wellenlänge etwa 30 m, Richtung nicht eindeutig, vorherrschend NE,
aber auch viele Wellenzüge aus SE, Kreuzsee könnte man sagen, sehr ruppig.
Anrollende See
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Abends wird’s kühler und feucht, wie schön ist doch unser Salon!
Heute ist Nikolaus, guter Schwimmer der Schutzpatron der Seefahrer, hat uns
besucht und die Crocs gefüllt, danke.
Tagesroutine: Bodenräume unterm Bett trocknen, Bilge kontrollieren, Steuerbord-
Backkiste mit der reparierten Greifhand (Made in China, gebrochenes Plastikteil
durch Seil ersetzt) und Schwamm entwässert.
Die Heckdusche tropft in die Backskiste hinein, wenig aber stetig. Müssen wir im
Hafen oder vor Anker dann richtig und dauerhaft verschmieren, die können wir
vergessen.
Beim Mittagschlaf katapultiert eine Welle Erika im Schlaf vom Backskistendeckel auf
den Cockpitboden: Knie lädiert. Die nächsten Stunden und Tage werden bei jeder
Bewegung zur Qual, Mitleid und Tost.
Zur Feier des Tages (?) gibt’s mal wieder Spaghetti alio e oglio, lecker, könnte man
(fast) jeden Tag essen. Abends drei Regentropfen, mehr nicht. Laut Wetterwelt soll
uns der Regen erhalten bleiben – und wir hatten gehofft, dass ein kräftiger Guss die
Salzkruste vom ganzen Schiff wegwischt. Schade.
Weit und breit kein anderes Schiff zu sehen, wir gehen dennoch wie gewohnt Wache
– Ehrensache.
Nach wie vor segeln wir Schmetterling, Groß an Steuerbord, Genua ausgebaumt an
Backbord. Die von hinten anrollende Dünung lässt mehrmals das Heck versetzen,
Patenthalsen sind dank unserer Konstruktion kein Problem mehr, die Steuersäule
steht, welch ein Wunder!
Dafür steigt von hinten eine Welle ins Cockpit und beschert uns nasse Beine, na
Dankeschön, das Steckschott kommt zum Einsatz, so sind wir wenigstens beruhigt,
dass kein Wasser in den Salon gelangen kann.
In 4 nm Entfernung kreuzt ein 660 Fuß großer Frachter unseren Kurs, wir können ihn
mit bloßem Auge gut erkennen. Na endlich mal jemand zu sehen.
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8. Dezember, 15. Tag auf See, uns geht’s prächtig, Segeln vom Feinsten.
Fast alle Stauräume inspiziert, (noch) keine nennenswerten Wassermengen
gefunden, schön so. Auch die Wassermenge in der Steuerbord – Backskiste hält sich
trotz tropfender Heckdusche in Grenzen.
Auf dem Plotter erscheint das AIS – Signal eines 470 Fuß Frachters in 9 nm
Entfernung, nicht zu erkennen.
Drei Vögel umkreisen uns, zwei weiße mit schwarzem Kopf, ein ebenfalls weißer mit
großem roten Schnabel und einer sehr langen Schwanzfeder. Leider haben sie –
anders als unsere Polizisten – keine Namensschilder. So können wir sie nicht
identifizieren, und das noch gut 1.000 nm vom nächsten Land entfernt.
Es ist sehr heiß, die Sonne lacht vom Himmel, der Wind weht mäßig mit 2 – 3 Bft,
dennoch machen wir gut Fahrt. Erika näht die verschlissenen Fendersocken, eine
mühselige und demotivierende Arbeit. Sie meint, sie macht es gern! Wir sind den
ganzen Tag draußen im Cockpit und gönnen uns wieder Nachmittagskaffee, es gibt
Stollen. Ist ja schließlich Adventszeit – und wir in Badehose.
Nachts haben wir jetzt Vollmond und klaren Himmel, diese Nächte sind schön hell,
anders als am Anfang der Überquerung, als es nachts stockfinster war. Wir genießen
Mondschein, gutes Abendbrot, ein kühles Bier oder Glas Wein, eine (oder mehr)
Schokolade und die Ruhe, herrlich.
9.Dezember, noch 700 nm bis Barbados, es ist heiß, Flautentag. Wir dümpeln bei
höchstens 8 kn Windin der Dünung, Fahrt weniger als 3 kn, uns hetzt ja keiner, auch
müssen wir dankbar sein, hatten wir doch bisher zwei Wochen Wind wie aus dem
Bilderbuch und Wetter, wie es die Wetterwelt aus Kiel nicht besser hätte schicken
können.
Dafür kommen per Satellit die 5 – Tage Wettervorhersagen sehr zuverlässig und
genau, Dank an Wetterwelt in Kiel.
Da Schwachwind und Hitze, entfalten wir nun doch noch das Bimini auf See, endlich
ein wenig Schatten im Cockpit und auf den Hecksitzen. Dort sitzen wir schattig und
kühl im Luftzug. So hälts mann/frau sehr gut aus. Und gute Sicht hat man auch von
dort oben, nur leider ist niemand zu sehen.
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Das war in den Jahren auf der Ostsee anders, da war immer irgendwo ein Segel in
Sicht, außer oben im Bottnischen Meerbusen. Dort waren wir auch allein.
Bei der Inspektion des Schiffes sieht Andreas, dass der 15 Tage die Genua haltende
Baum die Schot am Schothorn schon fast durch gesägt hat. So wird halt einfach die
Genuaschot geteilt, das defekte Seilstück entsorgt und die Schot halt nun zweigeteilt
mit Palsteks am Schothorn befestigt. Kein Problem aber bei der Dünung und Fahrt
eine wackelige Angelegenheit am Bug – trotz Schwimmweste und Lifebelt.
Die Schot hat außerdem in die aufgerollte Fock ein Loch gescheuert, müssen wir
reparieren lassen, schade.
Der Cockpittisch ist lose, da haben sich zwei Schrauben bei der ständigen Wackelei
verabschiedet. In unserer Krabbelkiste finden wir zwei neue, kleinere, sie werden mit
Zweikomponentenkitt eingesetzt, nicht der Rede wert.
Und wieder Wasser! Zum einen leckt Steuerbord der mit einer Panteranaht
abgedichtete Fußpunkt des achteren Wants in die Pantry und zum anderen ist der
bisher noch nicht kontrollierte Stauraum mit einem Großteil unserer Getränke
“voll“ Salzwasser.
Hier ist also eine der Quellen des Wassernachschubs zu den Stauräumen zu finden.
Wasser fließt halt wie es will, und da dort unten ein Kabelkanal liegt, hat es so einen
Weg unter unser Bett gefunden, na schön auch.
Also wieder. Ausräumen, Säubern, Abwaschen, Trocknen und Einräumen – wir sind
in unserem Element. Zu blöd auch, dass wir dachten, dieser Stauraum sei isoliert
und den Flaschen würde Wasser ja ohnedies nichts anhaben können. Haben wir halt
falsch gedacht – learning bei doing!
Nebenbei: es ist unglaublich, wie groß die Stauräume unserer Sirius 32 DS sind. In
diesem, unter dem Niedergang gelegenen Raum sind drin: 20 x 1,5 l und
8 x 1 l Wasserflaschen, 4 Flaschen Portwein, 5 x 1l Flaschen Weißwein, 10 Flaschen
Rotwein, 1 Flasche Rum, zwei Flaschen Schnaps aus Saalfelden, eine aus Südtirol,
zehn mal Hohes C, vier Liter Zitronensirup zum Aufbessern des Mineralwassers, eine
Literflasche und 10 Halbliterflaschen und 6 Dosen Bier, sechs Flaschen Cola, das
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wars wohl. Nicht zu vergessen noch die 60 x 1,5 l Mineralwasser, 20 l Rotwein und
24 Dosen Bier im Bugbereich und anderen Stauräumen. Verdursten werden wir wohl
nicht, und verhungern auch nicht – und das nach immerhin schon 16 Tagen Leben
von Vorräten.
10. Dezember, 17. Tag auf See, noch 600 nm bis Barbados. Langsam sollte doch
Leben auf dem Wasser zu sehen sein, ist aber nicht. Wo sind bloß die anderen
Segler geblieben, die doch alle den gleichen Weg haben und schneller sind als wir.
Uns hätte schon längst einer überholen müssen, hat aber nicht. Offensichtlich ist der
Ozean wirklich soooo groß.
Heute ist es fast unerträglich heiß, uns ist selbst die Badehose zu viel Kleidung am
Körper. In der Eignerkoje messen wir 30°C, der Wind ist moderat, es werden wohl
etwas mehr als die gestrigen 80 nm Etmal bei Schwachwind werden, meist ist eine 4
vor dem Komma der Logge. Nicht viel, aber der Mensch freut sich.
Die Dünung heute nur etwa 1 m, darüber ein wenig kabbelige See, alles sehr
friedlich und ruhig. Wir lesen viel, Erika plant schon die weitere Route anhand der
Handbücher über die Karibik.
Und man beachte: Kein !! Wasser im Schiff entdeckt, nichts zu reparieren. Abends
Wache wie üblich, sehr kurze Dämmerung, die See scheint silbrig, der helle Mond
tuts – herrlich anzusehen.
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11. Dezember, 18. Tag auf See, 3. Advent, noch gut 500 nm bis Barbados.
Sonnenaufgang
Die Welle wird im Laufe des Tages immer höher, laut Wetterbericht geht das noch
eine ganze Weile so weiter, jetzt sind es etwa 2,5 m – und wenig Wind, ist das eine
Schaukelei!
Der starke Passat der vergangenen 10 Tage hat das Schiff gut stabilisiert und uns
kräftig vorwärts geschoben. Nun geht das mit 2 – 3 Bft etwas geruhsamer, dafür
schlagen die Segel und es schaukelt ekelig.
Bei der Hitze kommt wenig adventliche Stimmung auf. Erika hat zur Feier des Tages
die Dekoration des Schiffes um drei silberne Sterne erweitert – na, ist doch was.
Danke.
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Heute ist bei Christoph und Beate Adventssingen. Seit 30 Jahren das erste Mal, dass
wir nicht dabei sind. Schade. Wir denken an sie und unser gemeinsames Singen und
rufen per Satellitentelefon an. Herzliche Grüße an die Senzker Straße, im
Hintergrund hört man schon das Singen.
Am “Abend“ – wir sind immerhin 4 Stunden nach MEZ telefonieren wir noch einmal
mit der Familie zu Hause, d.h. in Wansdorf. Schön, die Kinder wieder einmal zu
hören. Sie berichten, dass heute die Pfadfinder unserem neuen Bürgermeister
Helmut das Friedenslicht aus Betlehem überreicht haben. Schön, wenn Helmut in
seinem neuen Amt den Bezug zu seinen Wurzeln nicht versteckt.
Wenn der Wind wieder auffrischt, sind wir in 4 Tagen auf Barbados, wenn er
weiterhin so schwach weht, werden es wohl doch eher 5 – 6 Tage werden.
Ansonsten ein fauler Tag, nur Erika stopft weiterhin unverdrossen die Fendersocken,
d.h. was von ihnen noch übrig ist. Fendernetz wäre zutreffender.
Abends wird’s ungemütlich. Schwarze Wolkenbänke rechts und links, Böenwalzen
und Winddreher nicht zu knapp, die Segel schlagen, Patenthalsen bleiben uns nicht
erspart. Dank Baumbremse und unserem Schutz der Steuersäule passiert aber
nichts weiter, nur das Seil der Baumbremse leidet gewaltig und muss ausgetauscht
werden.Die Böen brettern, Erika hält die Luft an, Andreas radiert an seinem Sudoku
– so ist das halt.
Der folgende Tag bringt wieder Schwachwind. Wenn das so weiter geht sind wir noch
ewig unterwegs.
Warm und schaukelig Atlantikdünung
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Wir sind verschwitzt, vor Sonnenuntergang wird noch im Cockpit geduscht.
Da wir bisher so sparsam mit dem Wasser waren gönnen wir uns dieses mal je 2 l,
das tut gut, das ist ja beinahe verschwenderisch. Am Abend spinnt der Autopilot, da
hat sich wahrscheinlich wieder ein Byte verklemmt.
Also alles vom Netz, ein paar Minuten von Hand gesteuert, es geht wieder, na also,
wer sagts denn.
In der Nacht nimmt Andreas das Groß herunter, der Wind ist zu schwach und
unstetig, die Segellatten schlagen, da kommt keine Freude auf. So zieht halt nur die
ausgebaumte Genua, nicht schlecht, wir machen fast die gleiche Fahrt und freuen
uns über eine 4 vor dem Komma. Leider kommt diese Freude nur selten auf!
13. Dezember, 20. Tag auf See, noch 250 nm bis zum Landfall.
Am Morgen regnet es kräftig und kurz genau zu der Zeit, als der Wind dreht und die
Genua samt Baum geschiftet werden muss. So wird das Schiff vom Salz befreit und
wir gewaschen, ist doch was.
Es ist dann wieder sehr heiß, um uns herum viele dicke, schwarze Wolken, die
Solarmodule machen wegen Schatten hitzefrei. So muss dann wieder die Firma
Volvo das Laden der Batterien übernehmen.
Atlantikdünung
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Erika ist vorbildlich fleißig, sie plant die weitere Route. Sie stellt fest, die Karibik ist
groß, viel größer als die ganze Ostsee. So ist auch die Planung entsprechend nur
grob skizziert.
14. Dezember, 21. Tag auf See, noch 170 nm bis zum Landfall.
Wir wollten es nicht glauben, aber nun hat es uns doch getroffen: Nach der
Überlieferung erwischt es jeden Atlantiküberquerer: Flaute. Zunächst wenig Wind,
dann keiner mehr, bis auf die 2 m hohe Dünung glattes Wasser. Ab 15.00 Uhr
motoren wir, die Alternative wäre Segel runter und schlafen. Aber dafür sind wir
schon zu sehr in Landnähe, das schaffen wir mit unseren Dieselvorräten locker (die
265 l hätten für rund 700 nm gereicht oder halt für etwa 300 Stunden Batterieladen).
Der Wetterbericht verspricht erst wieder für Freitag Wind zum Segeln, so wird uns
wohl das Motorgeräusch bis Barbados erhalten bleiben. Bei etwa 4 kn Fahrt werden
wir noch zwei Tage benötigen, es ist heiß, der Fahrtwind fächelt angenehme Kühlung
zu, herrlich.
Sudoku
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“Dick, faul und gefräßig“ – so sitzen oder liegen wir im Cockpit, schlafen, lesen,
essen, trinken und vielleicht . . . die Hoffnung soll man bekanntlich nicht aufgeben.
Der Motor brummt die ganze Nacht, aber dann kurz vor 6.00 Uhr am 15.12. –
Andreas ist gerade aufgestanden, Erika müde von der langen Wache – holen wir
doch die Genua heraus, zur Unterstützung des Motors und Stabilisierung des
Schiffes trägt sie mit einem halben Knoten bei, wir sind zufrieden.
Um 7.15 Uhr: noch genau 100 nm bis Barbados. Um 8.00 Uhr, wir sind gerade mit
dem Frühstück fertig, ziehen wir doch das Groß hoch, Motor aus, himmlische Ruhe.
Leider verscheuchen wir dabei einen kleinen Vogel. Er hatte sich auf einer Reffleine
neben der Genuawinsch nieder gelassen. Offenbar hatte er sich zu weit aufs Meer
hinaus gewagt und musste sich nun erholen.
Und dann wieder : Segel runter Motor an, Segel hoch, Motor aus und so fort . . .
Der Wind weht mal mehr, mal weniger, wir lesen, schlafen und duschen ausgiebig,
schon mal landfein machen. Andreas sichtet einen Delphin und in der Dunkelheit am
Horizont Steuerbord querab die Lichter eines Seglers. Nach seinem Kurs zu urteilen
fährt er an Barbados vorbei Richtung Brasilien. Hat aber leider kein AIS, so können
wir ihn nicht genauer identifizieren.
Wir rüsten uns: Pässe bereitlegen, Im Portemonnaie Euro gegen Dollar austauschen,
Adenauer herausholen (Nationalflagge), Gastlandflagge und Flagge Q (Quarantäne)
bereitlegen, die letzte Nacht ist angebrochen, Abendbrot.
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Heute morgen,
Land in Sicht !
Letzter Tag auf See nach dieser Gewalttour, ein komisches Gefühl.
Wir dürfen nicht einlaufen, der Hafen ist durch fünf gleichzeitig einlaufende
Kreuzfahrtschiffe überlastet, müssen also vor der Carlisle Bay dümpeln und warten,
warten, warten – und da waren wir so stolz, so schnell gewesen zu sein, immerhin 21
Tage und 18 Stunden, die gewonnenen Stunden durch die Zeitumstellung
berücksichtigt.
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Um 9.30 dann endlich die Genehmigung zum Einlaufen, riesig hohe Kaimauern,
Fender so groß wir Tischtennisplatten, für Kreuzfahrtschiffe alles gedacht, kein
Service für Segler, Klettern ist angesagt, dabei wollten wir in diesem Jahr gar nicht in
die Berge.
Beim Anlegen hilft uns ein freundlicher Norweger, der die ganze Prozedur gerade
hinter sich gebracht hat, dann hat Erika für die nächsten 1,5 Stunden alle Hände voll
zu tun, das Schiff von Poller und Kaimauer frei zu halten, der Schwell ist mörderisch.
Angekommen
Andreas geht zum Einklarieren, es ist brütend heiß, schön eigentlich. Wie sagte Erika
doch immer: Es kann nicht heiß genug sein, na schön auch.
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Einklarieren: Port Health, Custom und Immigration, eigentlich alles bürokratisch und
sehr freundlich, wenn nicht der Mensch vom Gesundheitsdienst gerade seine
Wocheneinkäufe zu erledigen hätte. Viele freundliche Offizielle hielten Ausschau,
telefonierten und bemühten sich ihn wieder einzufangen, der war wie vom Erdboden
verschluckt und kam dann nach einer Stunde mit Tüten bepackt quietsch vergnügt in
karibischem Schlenderschritt an, sorry.
Crewlisten brauchten wir 8 Stück, Formulare ohne Ende, dann: Visum,
Touristenpermitt erteilt, alles klar, auch Erika darf nun von Bord.
Die Büros der Behörden liegen in einer riesigen Halle, alles voller Menschen, viele
kleine Duty Free – Geschäfte, Zollkontrollen und ein unbeschreiblicher Lärm. Vor der
Halle noch im Hafengelände spielt eine Band Weihnachtslieder – auf karibisch
getrimmt, nett aber laut und pausenlos.
Wir verholen uns in die Carlisle Bay, der Anker fällt um 12.00, Begrüßungsschluck,
der schmeckt nach 21 Tagen.
Insgesamt war dies eine wunderschöne Zeit. Das Wetter war uns wohlgesonnen, viel
Sonne, sehr guten Wind, kein Sturm, Gottseidank.
Wir hatten keine Langeweile, die Stimmung war immer hervorragend gut, der Kontakt
zu den Kindern funktionierte, auch die letzten Schwachwindtage konnten wir
problemlos meistern. An das ewige Schaukeln haben wir uns gut gewöhnt, nicht
allerdings an das Schlagen der Segellatten, wenn die Kräfte auf die Segel aufgrund
der Schiffsbewegungen größer sind als die durch den Winddruck.
In manchem waren wir sehr gut vorbereitet, vieles aber traf uns überraschend. Es ist
nichts schwerwiegendes passiert, die aufgetretenen Probleme konnten wir allein
bewältigen. Häufig haben wir daran gedacht, was wäre zum Beispiel gewesen beim
Versagen des Autopiloten oder der Elektronik, bei Segelrissen oder Mastschäden,
Kollisionen oder Wassereinbruch durch große Leckagen. Dies hätte unsere Kräfte
sicher überfordert. Das dies uns erspart blieb, dafür sind wir sehr dankbar.
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Auch für uns war die Atlantiküberquerung eine einzigartige Herausforderung, diese
gewagt und bestanden zu haben bereuen wir nicht.
Nun sind wir gespannt, wie es weiter geht, in der Karibik und in den USA. Und dann
bleibt ja noch der lange Heimweg.
Liebe Grüße, ein gnadenreiches und frohes Weihnachtsfest und einen guten und
friedvollen Start ins neue Jahr 2012 wünschen wir euch allen. Und natürlich ein
herzliches Dankeschön an die vielen Leser für ihr Interesse an unseren Berichten
und an Barbara und Michi für die Aufarbeitung und den Versand, wir wollen auch
2012 diese Tradition fortsetzen.
Andreas + Erika.
EXODUS
am16.12.2011,dem 224. Tag unserer Reise!