Download - Familie Leben Lernen
Familie – Leben – LernenProjektgruppe Familie
und Lebenswelten
Dokumentation evangelischer Familienbildungsarbeit im gemeindepädagogischen Dienst und inden Familienbildungsstätten der EKHN
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Familie – Leben – LernenProjektgruppe Familie
und Lebenswelten
Dokumentation evangelischer Familienbildungsarbeit im gemeindepädagogischen Dienst und
in den Familienbildungsstätten der EKHN
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Vorwort l Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Steinacker 5
Zur Entstehungsgeschichte l Erika Görke 7
Einleitung l Mike Breitbart 9
Familie und Bildung: Annäherung an evangelischeFamilienbildungsarbeit l Nicole Piroth 11
Familienarbeit im gemeindepädagogischen Dienst der EKHN Ergebnisse einer Befragung l Horst Peter Pohl 23
Familien im Blickfeld von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen l Ludwig Metzger 31
Gemeindepädagogische Angbote für Familienaus biographischer Perspektive l Nicole Piroth 49
Einheit in der Vielfalt Die Evangelischen Familien-Bildungsstätten im Gebiet der EKHN l Ulla Kleemann 79
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein Schwerpunkte der Umsetzung von Bildungsinhalten im Rahmen der evangelischen Familienbildungsstätten l Birgit Geimer 103
TeilnehmerInnen-Zufriedenheit in den Kursen der EvangelischenFamilien-Bildungsstätten l Cornelia Zimmermann-Müller 128
Adressen der 8 Familien-Bildungsstätten in der EKHN 135
Arbeit mit Familien in der Kirche – Fazit und Perspektiven l Paula G. Lichtenberger/Ludwig Metzger 137
Mitglieder der Projektgruppe Familie und Lebenswelten 147
Inhalt
Impressum
Herausgeber Projektgruppe Familie und Lebenswelten, Darmstadt 2003
Mit freundlicher Unterstützung vonEvangelische Kirche in Hessen und Nassau
Evangelische Fachhochschule Darmstadt
Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau
Redaktion Mike Breitbart
Layout Petra Minn, Mainz
Umschlagfoto Mike Breitbart
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Vorwort
Die Bibel beginnt mit Familiengeschichten. Das erste Buch Mose ist voll mit
solchen Geschichten aus dem Privatleben der Erzeltern Israels. Angefangen mit
Adam und Eva bis hin zu Josef und seinen Brüdern. Zu Zeiten der Entstehung dieser
Geschichten war die Familie und die Sippe die Grundlage der Gemeinschaft und der
sozialen Sicherungssysteme. Entsprechende rechtliche Regelungen sind im Alten
Testament zu finden. Wer solche Geschichten und Gesetze liest, findet manches,
was heutiger Familienwirklichkeit nicht mehr entspricht. Aber auch vieles, was heute
noch immer so ist: Liebe zwischen den Familienmitgliedern, Konflikte, die mal sub-
tiler, mal mit brutaler Gewalt ausgetragen werden.
In biblischen Zeiten war die Familie unbestrittene Grundlage der Gesellschaft.
Und heute? Für viele, gerade auch junge Menschen ist die Familie immer noch eine
ganz zentrale Institution – das kann man nachlesen, zum Beispiel in der neuen
Shell-Jugendstudie. Für 70 Prozent aller Jugendlichen braucht es eine Familie zum
Glücklichsein, bei Mädchen und jungen Frauen ist der Wert mit 75 Prozent sogar
noch höher. Damit steht die Familie – nach Freundschaft und Partnerschaft – auf
Rang drei der Wertskala von Jugendlichen.
Die Familie ist in allen Gesellschaften, die wir kennen, verbreitet. In ganz unter-
schiedlichen Formen regelt sie das Zusammenleben der Geschlechter und die Erzie-
hung der Kinder. Damit ist die Familie eine ganz wesentliche Basis für die Stabilität
der Gesellschaft. Theologisch gesprochen ist die Familie von Gott gewollter Lebens-
raum, in dem das Aufwachsen der Kinder in ausgezeichneter Weise gelingen kann.
In der Familie sollten die Grundlagen dafür gelegt werden, dass Menschen Vertrau-
en haben können: in sich, in ihre Mitmenschen, in Gott. Das heißt nicht, dass die
Familien damit heile Welt in einer unheilen Schöpfung sind. Vielmehr tragen sie die
Signatur der gefallenen Schöpfung. Es gibt auch in der Familie Konflikte, Verletzun-
gen, Scheitern. Die biblischen Texte zeigen das ja.
Familienleben verändert sich. Kirchen und Politik müssen darüber nachden-
ken, wie Ehe und Familie in Zukunft gestaltet werden können, damit sie ihren gesell-
schaftlichen und geistlichen Aufgaben nachkommen können. Das ist für Familien
nicht leicht. In der politischen Gestaltung dieses Bereiches muss noch viel getan
werden, damit Familien funktionsfähig bleiben. Da geht es auch um Geld – und das
fehlt vielen Familien, wie alle Armutsberichte der letzen Jahre zeigen: Kinder sind ein
entscheidendes Armutsrisiko! Das darf nicht so sein.
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Zur Entstehungsgeschichte
Im Frühsommer 1999 rief der Kirchenpräsident Professor Dr. Dr. h.c. Steinacker
eine Bildungsinitiative ins Leben mit dem Ziel, Bildung als grundlegenden Auftrag
unserer Kirche wieder stärker ins Aufgabenzentrum zu rücken und unsere kirchliche
Arbeit fruchtbar und erkennbar zu machen. Damit wurde ein Impuls zu einer Bildungs-
offensive gestartet zur Neuorientierung und deutlichen Akzentsetzung kirchlicher
Arbeit. Dies geschah im übrigen lange vor der zur Zeit vieldiskutierten PISA- Studie.
Eingeladen waren leitende Mitarbeitende aus den Breichen gesamtkirchlicher
Arbeit und aus der Synode, zu deren Programm und Agenda Bildung gehört. Ich
selbst war in diesem Kreis als Landespfarrerin der evangelischen Frauenhilfe, die als
konstitutiver Arbeitsbereich den neu konstituierten Bildungszentrum unserer Kirche
angehört.
Die Initiative stieß auf großes Interesse und natürlich waren es viele Gründe, die
ein Engagement mit dieser Thematik zum gegenwärtigen Zeitpunkt begrüßens- und
wünschenswert machten.
Breit diskutiert wurde u.a. der nicht zu übersehende gesellschaftliche Trend, Kir-
che im Freizeitbereich und darin als ein Angebot in der Vielzahl konkurrierender kul-
tureller Angebote anzusiedeln; also nicht mehr im gesellschaftlichen Wertediskurs.
Das hat zur Folge, dass Kirche nicht mehr in die alltägliche Sinngebung von Men-
schen hineinreicht und ihre Meinung irrelevant geworden ist in gesellschaftspoliti-
schen Auseinandersetzungen. Ein Ziel der Bildungsinitiative müsste demzufolge sein,
für die Kirche den Platz als kompetente Partnerin in der Gesellschaft zurückzugewin-
nen und als solche wieder wahrgenommen zu werden. Denn Menschen müssen
erfahren können, dass das, was sie bewegt und ihre Fragen nach Lebensorientierung
bestimmt, seinen Ort in der Kirche hat.
Einhelligkeit bestand darüber, dass wir uns als evangelische Kirche dieser
Offensive unbedingt stellen müssen – dies der andere und damit auch grundlegende
Aspekt-, weil Protestantismus für den engen, ja unverzichtbaren Zusammenhang
von Kirche, vielleicht besser: Verkündigung und Bildung steht, der Orientierung an
den Schlüsselthemen des Lebens ermöglicht. Evangelischer Überzeugung entspricht
es, dass der glaube von jedem Menschen als Individuum zu verantworten ist und
auch verstanden werden will; nur so kann er sich im Lebensalltag bewähren und
nach den tragenden Lebensinhalten und Kriterien für Entscheidungen fragen. Hat
die Verkündigung des Evangeliums zum Ziel, Glauben zu stärken und zu erhalten, so
Wichtig ist es auch – gerade im Blick auf die Gleichberechtigung der
Geschlechter – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen. Hier geht es
um Möglichkeiten der Kinderbetreuung.
Die Evangelische Kirche unterstützt Familien in verschiedenen Bereichen. Ich
habe angeregt, eine Bestandsaufnahme zu machen, die zusammenstellt, was in der
EKHN für Familien getan wird. Das vorliegende Buch dokumentiert die Arbeit der
Projektgruppe „Familie und Lebenswelt“. In ihm werden die vielfältigen Angebote für
Familien im gemeindepädagogischen Dienst und in den Familienbildungsstätten
untersucht und vorgestellt. Die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer der Ange-
bote, wie die Perspektive der Veranstalter und Veranstalterinnen kommen gleicher-
maßen zu Wort.
Ich freue mich, dass hiermit ein fundierter Überblick des Handlungsfeldes
„Arbeit mit Familien“ im gemeindlichen und überregionalen Kontext vorliegt. Ich
denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen und wünsche mir, dass dieses Buch von
vielen gelesen wird!
Prof. Dr. Dr. h.c. Peter SteinackerKirchenpräsident
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Mike Breitbart
Einleitung„Familien-Gericht“ –“ Eine himmlische Familie“ – „Family Date“ –
„Für alle Fälle Amy“ – „Frauentausch“ … – „Familien Duell“ …
Ein Streifzug (oder neudeutsch zappen) durch das Fernsehprogramm macht deut-
lich: Familie steht hoch im (Einschalt-) Kurs.
Wer den Zuschauenden über die Schultern blickt, erfährt welche Themen sie
ansprechen und bewegen: Das Scheitern von Familien und Ehen („Das Familien-
gericht“), die alltäglichen (Erziehungs-) Probleme einer Familie („Eine himmlische
Familie“), die Vereinbarkeit von Familie und Beruf („Für alle Fälle Amy“), der Wunsch,
der eigenen Familie mal zu entfliehen („Frauentausch“), die Frage nach der Partnerwahl
(„Family Date“), die Konkurrenz von Familien („Familien Duell“).
Diese von findigen Produzentinnen und Produzenten ins einschaltträchtige Licht
gesetzten Themen, scheinen die „Fernseh-Nation“ anzusprechen und spiegeln damit
die Vielfalt an Themen, die Familien bewegen, wider.
Bei genauerer Betrachtung wird deutlich: Familie ist nicht nur der Ort der Gebor-
genheit, Sicherheit und der Heimat, sondern auch der Ort der unerfüllten Sehnsüchte
und Hoffnungen, der tiefgreifenden Probleme und existenziellen Fragestellungen, der
Erfahrung von „Fremdsein“ und Scheitern. Gleichzeitig tritt Familie in ein Spannungs-
feld zwischen einerseits alten Traditionen und Konventionen und anderseits der Plura-
lität möglicher Familien(Lebens-)entwürfe.
Familien und familienähnliche Lebensgemeinschaften sind heute mehr denn je heraus-
gefordert, ihr eigenes Bild von einem gelingenden Zusammenleben zu konstruieren. Nicht
alles muss dabei neu erfunden und althergebrachtes verworfen werden. Doch ebenso bedür-
fen neue und alte Entwürfe von Familie einer kritischen Betrachtung, damit die in ihr und mit
ihr lebenden Subjekte zu Wort kommen können und nicht über sie hinweg entschieden wird.
Familie scheint bei aller Selbstverständlichkeit nicht selbstverständlich zu sein,
sonst wären sicherlich die oben genannten Sendungen im doppelten Sinn folgenlos.
Familie scheint vielmehr herausgefordert, Familie leben zu lernen. Gleichzeitig ist
Familie auch ein entscheidender Ort der Selbstbildung der Subjekte, also auch ein Ort,
an dem für das Leben gelernt wird.
Deshalb bedarf Familie und Familienleben einer kritischen Auseinandersetzung
mit den vielfältigen Konstruktionsmöglichkeiten von Familie, einer eigenen Positions-
findung angesichts der Pluralität der Lebensentwürfe und eines Aushandlungsprozes-
ses zwischen den unterschiedlichen Sichtweisen, Ansprüchen und Bedürfnissen.
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gewinnt Bildung ihre Zielrichtung aus dem Bemühen, Glauben und Erfahrung der Welt
konstruktiv miteinander zu verbinden. Es muss kirchlicher Bildung ganz umfassend und
zugleich ganz konkret um den Zusammenhang von Gott und Welt gehen und um die
gesellschaftliche Gestaltung unseres Lebens. So verstanden trägt Kirche durch Bildung
zur Lebensgestaltung bei und kann und will in diesen Prozessen Anwältin der einzelnen
Menschen sein, um sie zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen und den eigenen
Weg zu gehen.
Nötig ist dazu die Alphabetisierung, bzw. Elementarisierung des Glaubens auf
allen Ebenen, um die Beziehung zu dem einen Gott in Jesus Christus so begreifbar und
lebendig zu machen, dass Menschen eigenständige Antworten und Orientierung für
ihre Lebensdeutung gewinnen und dadurch von Bevormundungen und Manipulationen
frei werden.
Diese Erkenntnisse umzusetzen, bedeutete, sie zu erden und herunterzu-
brechen auf die Wirklichkeit und den Lebensalltag der Menschen, die von unserer
Kirche erreicht werden. Für die Weiterarbeit im Zusammenhang der Bildungsinitiative
hieß dies, sich der Schlüsselthemen konkreter Lebensgestaltung anzunehmen, wie sie
in familiären und gesellschaftlichen Zusammenhängen erfahren werden.
So galt es, Bildung unter diesem Vorzeichen auf die bestehenden kirchlichen
Arbeitsfelder herunterzubrechen und notwendige Maßnahmen zur Realisierung einer
solchen Bildungsoffensive in konkreten Projekten zu prüfen.
Eines der Projekte galt dem Bereich kirchliche Bildung und Familie unter dem
Thema Familie und Lebenswelten. Das Ergebnis dieses Beratungsprozesses ist Inhalt
der folgenden Dokumentation.
Erika GörkeLandespfarrerin i.R.
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Nicole Piroth
Familie und Bildung: Annäherungen an evangelische Familienbildungsarbeit
Das Thema Bildung wird seit einigen Jahren wieder verstärkt als eines der
wesentlichen Zukunftsthemen der Gesellschaft diskutiert. Auch die Evangelische Kir-
che hat in vielfältiger Weise Anteil am Bildungsgeschehen. Um den spezifischen Bei-
trag der Kirche zu den anstehenden Bildungsaufgaben im 21. Jahrhundert zu disku-
tieren, bat der Kirchenpräsident der EKHN, Prof. Dr. Peter Steinacker, im Jahre 1999
Fachvertreter und -vertreterinnen kirchlicher Bildungseinrichtungen der Landeskir-
che zu einer Bildungsinitiative zusammen. Ziel war zum einen eine Bestandsaufnah-
me bereits vorhandener Bildungsbemühungen in der EKHN, zum anderen, über
Bestehendes hinaus zu denken und künftig notwendige Aufgaben in den Blick zu
nehmen. Aus dieser Bildungsinitiative heraus bildeten sich vier Kleingruppen, die
sich mit thematisch unterschiedlichen Schwerpunkten beschäftigten: „Kinder und
Jugend“, „Familie und Lebenswelten“, „Schule, Konfirmandenunterricht, Religions-
unterricht“ sowie „Arbeitswelt“.
Die Arbeitsgruppe „Familie und Lebenswelten“ repräsentiert (gemeinde-)
pädagogische und theologische Mitarbeitende unterschiedlicher kirchlicher Hierarchie-
ebenen und Arbeitsfelder, verbunden durch das gemeinsame Interesse an heutigen
familiären Lebenswelten und darauf bezogener Handlungsfelder der evangelischen
Kirche.1 Das Ziel der Arbeitsgruppe war eine Bestandsaufnahme des Beitrags der
pädagogischen Arbeitsfelder der Kirche zur Begleitung und Unterstützung heutiger
familiärer Lebenswelten. Ausgangspunkt der vorliegenden Dokumentation evange-
lischer Familienbildungsarbeit war dabei eine begriffliche Annäherung an das Thema
der Untersuchung: Notwendig schien die Erarbeitung eines gemeinsamen Grund-
verständnisses von 1) „Familie und Lebenswelten“ und 2) „Bildung“ sowie von
3) „Evangelischer Familienbildung“. Dieser Diskussionsprozess soll im Folgenden
zusammengefasst wiedergegeben werden, er bildete die Grundlage für die weiter-
gehende Untersuchung des Arbeitsfeldes.
1. Familie und LebensweltenDas Thema unserer Arbeitsgruppe lautet ‚Familie und Lebenswelten’. Bereits diese
doppelte Begrifflichkeit gibt einen Hinweis darauf, dass ‚Familie’ nicht isoliert betrachtet
werden sollte, sondern eingebettet in umfassendere Lebenswelten. Ausgangspunkt der
Kirche ist – nicht zuletzt durch ihre Bildungsarbeit – herausgefordert, Familien in
diesen vielfältigen Prozessen zu unterstützen und zu begleiten. Dass Familie einen ent-
scheidenden Beitrag zur Subjektwerdung des Menschen leistet und von daher sowohl in
praktischer als auch theoretischer Hinsicht zum Thema von Kirche und ihrer Bildungs-
arbeit werden muss, weiß Kirche spätestens seit F.D.E. Schleichermacher (vgl. vor
allem seine zahlreichen Hausstandspredigten).
Schon aus diesem Grund bedarf die professionelle Arbeit mit Familien einer per-
manenten Erörterung und kritischen Reflexion, wenn sie die Lebenswelt der Adressan-
tinnen und Adressaten ernstnehmen will.
Dieser Sichtweise fühlen sich auch die Autorinnen und Autoren der vorliegenden
Beiträge verpflichtet.
In den Aufsätzen kommen unterschiedliche Perspektiven zu Wort und eröffnen
somit einen differenzierten Einblick in ein noch wenig untersuchtes Arbeitsfeld im
Kontext der Kirche.
Horst Peter Pohl, für den gemeindepädagogischen Dienst, und Ute Kleemann, für
die Familienbildungsstätten, geben einen Überblick im Sinne einer Bestandaufnahme
über Ziele, Inhalte und Formen von Angeboten für Familien.
Die Beiträge von Ludwig Metzger und Birgit Geimer erschließen das Feld der Arbeit
mit Familien aus dem Blickwinkel der professionell Tätigen im gemeindepädagogischen
Dienst und in den Familienbildungsstätten.
Die Untersuchungen von Nicole Piroth und Cornelia Zimmermann-Müller legen ihren
Schwerpunkt auf die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer der Angebote für Familien.
Den Rahmen für diese unterschiedlichen Blickwinkel auf das Arbeitsfeld „Arbeit
mit Familien“ bietet der einführende Aufsatz von Nicole Piroth, in dem sie sich der
Frage von Familie und Bildung annähert, sowie der abschließende Beitrag von Paula
G. Lichtenberger und Ludwig Metzger, der die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen
unter einer weiterführenden Perspektive zusammenfasst.
Die für die Untersuchung von Ludwig Metzger herangezogenen Praxisberichte
aus dem gemeindepädagogischen Dienst geben einen Einblick in die vielfältigen
Möglichkeiten der Arbeit mit Familien. Nachzulesen unter:
http://www.forschung.efh-darmstadt.de/projekte/beschreibungen/familie-leben-lernen.html
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1 Vgl. Zusammensetzung der Projektgruppe am Ende des Buches.
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gerliche Familienideal mit nichterwerbstätiger Mutter auch in der Realität stark
durch: 1950 waren 76% aller Mütter mit Kindern unter 18 Jahren (…) Vollzeithaus-
frauen.“ (Nave-Herz 1998, 202)
In den 1960er Jahren waren die Lebensform ‚Kernfamilie’ und ‚gemeinsamer
Haushalt’ in Deutschland weitestgehend deckungsgleich. Heute ist hingegen in einer
Mehrheit der Fälle die Haushaltsform nicht mehr identisch mit den eigenen fami-
liären Beziehungen. Je nach Blickwinkel statistischer Auswertungen und je nach poli-
tischem Interesse finden wir daher heute im öffentlichen Diskurs scheinbar wider-
sprüchliche Aussagen zur Situation der Familie. Betrachtet man heutige
Lebensformen nach dem Haushaltstyp – Menschen die in einem Haushalt gemein-
sam leben und wirtschaften – so kann man sagen, dass eine zunehmende Anzahl von
Menschen heute ohne den direkten Kontakt zu Heranwachsenden im eigenen Haus-
halt lebt. Dies erklärt sich daher, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße in den
letzten Jahrzehnten stark zurückging, während zugleich die Anzahl der Haushalte
anstieg. In Westdeutschland verdreifachte sich zwischen 1957 und 2000 die Zahl der
Einpersonenhaushalte (die Zahl der Single-Haushalte mit Menschen zwischen 25 und
45 Jahren nahm seit 1961 sogar um mehr als das Fünffache zu), so dass diese heute
den häufigsten Haushaltstyp ausmachen (vgl. Bundesamt 2001, 62 ff.). Im gleichen
Zeitraum stieg der Anteil der Ehepaare ohne Kinder in West- und Ostdeutschland „an
allen Familien von 29% auf 43%“ (ebd. 68). Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man
die bundesdeutsche Bevölkerung nach Lebensformtypen untersucht, denn aus der
Perspektive des Individuums betrachtet lässt sich sagen, dass die Mehrheit der Bevöl-
kerung auch heute noch mit Kindern zusammenlebt: Menschen, die mit Kindern
zusammenleben, stellen mit 54% die größte Gruppe dar, 27% leben als Paare ohne
Kinder, 17% leben allein und 2% in sonstigen Lebensformen, z.B. Wohngemeinschaf-
ten (vgl. insg. Bundesamt 2002).
Auch diese größte Gruppe jener Menschen, die mit Kindern zusammenleben,
erweist sich bei genauem Hinsehen als eine in sich inhomogene Gruppierung: Zum
einen befinden sich hierunter auch unverheiratete Paare mit Kindern, Pflege- und
Adoptivfamilien, zum anderen ist von den 9,2 Mio. Eltern-Kind-Gemeinschaften
bereits etwa jede sechste allein erziehend. Hinzu kommt, dass statistisch nicht erfasst
wird, welche der Paare mit Kindern eine ‚Patchworkfamilie’ darstellen, die sich aus
geschiedenen bzw. getrennten Partnern zusammensetzen, die neue Partnerschaften
eingegangen sind. Ebenso wenig wird erhoben, wie viele Kinder bei und zwischen meh-
reren Familien leben: Teilen sich etwa die Eltern das Sorgerecht, so leben manche Kinder
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Überlegungen war es, einen möglichst weit gefassten Familienbegriff zu verwenden, der
die Vielfalt heutiger Lebensverhältnisse berücksichtigt, andererseits jedoch auch begriff-
lich präzise zu unterscheiden hilft.
Versucht man sich dem Begriff Familie zu nähern, so hat man es zuallererst mit
einer Fülle der unterschiedlichsten Bilder und Vorstellungen zu tun, die jede und jeder
einzelne – geprägt durch eigene Erfahrungen und bestimmt durch die gesellschaftli-
che Situation in der wir leben – mit sich trägt. Gesellschaftlich weit verbreitet ist dabei
immer noch das Bild der ‚Kleinfamilie’ mit verheirateten Eltern und zwei Kindern.
Häufig werden aber auch die Begriffe Familie und Verwandtschaft synonym verwendet.
Ebenso zeigt der Blick auf sozialwissenschaftliche Definitionsversuche eine Fülle unter-
schiedlichster Vorstellungen von Familie: Arbeitet etwa der amtliche ‚Mikrozensus’ bei
seinen statistischen Erhebungen mit einem Familienbegriff, der auch verheiratete Paare
ohne Kinder umfasst, so sehen wiederum andere Familie an das Vorhandensein von Kin-
dern bzw. das Zusammenleben zweier Generationen gebunden. Was unter Familie ver-
standen wird und wer zur Familie gezählt wird, ist also bemerkenswert uneinheitlich.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die jeweils prägenden Vorstellungen von
Familie dem gesellschaftlichen Wandel unterliegen. Die heute im öffentlichen
Diskurs dominierende Vorstellung der klassischen ‚Kleinfamilie’ ist eine historisch
noch relativ junge Erscheinung, die sich zudem heute durch die gesellschaftliche
Wirklichkeit teilweise bereits als überholt zeigt. Bis in das 18. Jahrhundert hinein
waren Menschen einander nicht ausschließlich durch Verwandtschaft, sondern
durch eine gemeinsame Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft im „ganzen Haus“
verbunden. Das ganze Haus mit seiner Kopplung von Familien- und Produktions-
haushalt integrierte zum einen kinderlose Verwandte, etwa ledige Brüder, wie auch
nicht-verwandte, kinderlose Mitglieder in die Hausgemeinschaft, Knechte und
Mägde: „In den um nichtblutsverwandte Personen erweiterten Haushalten fand der
allergrößte Teil derjenigen ein Zuhause, die heute die Einpersonenhaushalte stellen:
jüngere Ledige sowie Witwen und Witwer. (…) Sie blieben im elterlichen Hause,
wenn dessen Arbeitskräftebedarf nicht gedeckt war, und wechselten als Knechte oder
Mägde in fremde Häuser, wenn dort Arbeitskräfte benötigt und diese zu Hause er-
übrigt wurden.“ (Borscheid 1994, 30) Die Herausbildung der bürgerlichen Kleinfa-
milie mit nicht-erwerbstätiger Mutter ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
blieb lange eine Idealvorstellung, die sich statistisch in der Realität nicht durchsetzte,
sondern auf bestimmte, bürgerliche gesellschaftliche Schichten beschränkt blieb:
„Erstmalig setzte sich in den 50er und 60er Jahren [des 20. Jahrhunderts] das bür-
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sind häufig, dauerhaft und wechselseitig - es handelt sich um starke Bindungen. Fol-
gende Familienkonstellationen können hier unterschieden werden:
1. „Haushaltsfamilie im engeren Sinne“ als gemeinsamer Haushalt zweier oder
mehrerer Generationen. Unterscheiden lassen sich erziehende Familien, also
Erwachsene, die mit Kindern und Heranwachsenden leben, und pflegende Fami-
lien, d.h. Erwachsene, die ihre Eltern im eigenen Haushalt pflegen.
2. „Haushaltsfamilie im weiteren Sinne“ als in einer Haushaltgemeinschaft lebende
Familienmitglieder, auch ohne Kinder bzw. ohne Generationsgefälle, z.B. Paare
ohne Kinder oder zusammenlebende Geschwister.
3. „Herkunfts- und Verwandtschaftsfamilie“ als haushaltsübergreifender Familienzu-
sammenhang und jener familiäre Kontext, der auch im Erwachsenenalter prägt
und ein Netzwerk und Unterstützungssystem darstellen kann.
4. „Funktionale Familien“ umfassen weitere „Personen, die familienrelevante Funk-
tionen übernehmen“ (Nestmann 1997, 214), also quasi-familiäre Unterstüt-
zungssysteme im engeren sozialen Umfeld, die nicht verwandtschaftlich
begründet sind, bspw. durch die Funktion einer Tagesmutter.
5. „Wahrgenommene Familie“, „die die subjektiv empfundene Familienzugehörig-
keit von Bezugspersonen umfaßt, gleich ob sie im Haushalt leben, Funktionen
erfüllen oder verwandt sind“ (ebd. 214), dies kann bspw. ein Pate sein, ein
Freund der Familie u.ä.
Mit dem Konzept des sozialen Netzwerkes kann nun in den Blick genommen
werden, dass diese verschiedenen Formen von Familie als primäres Netzwerk darüber
hinaus selbst wiederum eingebunden sind in ein größeres Netzwerk (vgl. ebd. 214 ff.).
Auch die dort verfügbaren Kontakte und Unterstützungssysteme stellen nicht zu
unterschätzende Ressourcen zur Lebensbewältigung von Familien und ihrer Mitglie-
der dar. Und sind auch diese Bindungen in den Randzonen des eigenen Netzwerkes
schwächer ausgeprägt als familiäre Bindungen, so haben auch solch schwache Bin-
dungen ihre eigenen Stärken: „Sie sind oft Brücken über das eigene Netzwerk hinaus.
Sie vermitteln und vervielfältigen Informationen und Kontakte nach außen und innen
und öffnen somit die geschlossenen Perspektiven enger Netzwerke und starker Bin-
dungen. Sie werden oft zum letzten Halt beim Scheitern und Zerfallen starker Bin-
dungen. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig die Einbindung umgrenzter
familialer Netze in übergreifendere offenere Gesamtnetzwerke von Personen ist.
Gerade in Phasen von Veränderungen im Lebenszyklus, von Neuorientierung und
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regelmäßig für bestimmte Zeiten bei beiden getrennt lebenden Elternteilen, so kann
etwa der Vater, der mittlerweile in einem Einpersonenhaushalt lebt, dennoch jedes
zweite Wochenende mit den eigenen Kindern verbringen.
Kann man heute also zwar durchaus feststellen, dass „die Familie“ stabiler ist als
vielfach angenommen, so differenzieren sich andererseits Familien- und Lebensformen
zunehmend aus. Der Einzelne gewinnt dadurch neue Freiräume und Wahlmöglichkei-
ten für die eigene Lebensform, gleichzeitig bestehen jedoch klassische sozialstrukturel-
le Unterschiede fort: Frauen tragen immer noch die Hauptlast der Erziehungs- und
Haushaltsarbeit, und das Vorhandensein von Kindern stellt für einen Teil der Familien
ein hohes Armutsrisiko dar. Insbesondere Alleinerziehende und deren Kinder sind
besonders häufig auf Sozialhilfe angewiesen. 1998 waren 1,1 Mio. Kinder unter 18 Jahren
von Sozialhilfe abhängig, sie stellen damit die größte Gruppe an allen Sozialhilfe-
beziehern, davon lebten mehr als die Hälfte in einem Haushalt von allein Erziehenden.
Und bei der Betrachtung familiärer Lebensformen gerät eine weitere Tatsache oft aus
dem Blick: Mittlerweile leben mehr über 65 jährige als unter 15 jährige in der BRD (vgl.
Bundesamt 2001, 45). Neben der ‚erziehenden Familie’ nimmt schon heute die ‚pfle-
gende Familie’ einen wichtigen Stellenwert ein: „In 6% der Haushalte in der Bundes-
republik Deutschland lebt ein erwachsenes Kind, das sich um die Versorgung der
Eltern kümmert.“ (Nave-Herz 1998, 206)
Die Doppelgesichtigkeit der Moderne, einerseits in Freiheit die eigene Lebensform
wählen zu können, andererseits jedoch weiterhin von gesellschaftlichen Strukturen
abhängig zu sein, ist es, die manche Autoren als „riskante Freiheiten“ (Beck und Beck-
Gernsheim 1994) bezeichnen. Die Realität so wahrzunehmen wie sie ist, heißt somit,
Abschied zu nehmen von einer Vorstellung der Familie als Idyll, Hort der Geborgenheit
und Entlastung. Es gilt wahrzunehmen, dass die Lebenssituation vieler Familien geprägt
ist von besonderen finanziellen, zeitlichen, psychischen Belastungen. Insbesondere
durch die Anforderung an Frauen, Beruf und Kinderbetreuung vereinbaren zu müssen,
durch gestiegene soziale und geographische Mobilitätsanforderungen, ausgedünnte
Verwandtschaftsnetze im sozialen Nahraum und anderes mehr fehlen heute häufig aus-
reichende familien-unterstützende Netzwerke.
Frank Nestmann unterscheidet an dieser Stelle begrifflich zwischen „Familie als
Netzwerk“ und „Familie im Netzwerk“ (Nestmann 1997, 214). Kennzeichnend für
Familie als Netzwerk ist, dass es sich um primäre soziale Netzwerke handelt, die
nach wie vor eine zentrale Rolle im Leben der Menschen spielen als Beziehungsge-
flecht, soziale Unterstützung und Ressource zur Lebensbewältigung. Die Kontakte
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Die heutigen „riskanten Chancen“ (Keupp 1988) benötigen eine psychosoziale
Ausstattung, die es ermöglicht, die „beiden Pole Individualität und neue solidarische
Lebensformen“ (ebd. 96) in eine lebbare Verbindung zu bringen. Die Fähigkeit, sich neu
zu orientieren, wenn ein Kind oder ein pflegebedürftiger Angehöriger die bisherige
Familienkonstellation verändert, die Fähigkeit, die dafür notwendige „biographische
Arbeit“ (vgl. Kraul und Marotzki 2002) zu erbringen, und die Fähigkeit, stützende Netz-
werke auch außerhalb des engen familiären Kreises zur familiären Lebensbewältigung
zu schaffen und zu erhalten – dies alles wird auch zu einer Frage der Bildung und der
dafür bereitgestellten Ressourcen. Der Erwerb der dafür erforderlichen Schlüsselqualifi-
kationen ist nur in einem lebenslangen Lernprozess möglich, wie er nicht alleine von
den traditionellen Bildungseinrichtungen hervorgebracht werden kann. Bei biographi-
schem Lernen geht es weder um „ein organisiertes oder geplantes Lernen, noch geht es
um den Erwerb von spezifischen Qualifikationen.“ (Ecarius 1998, 143) Der UNESCO-
Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert fordert daher, von einer rein nutzenorien-
tierten Bildung Abschied zu nehmen und allen „vier Säulen der Bildung“ Aufmerksam-
keit zuzuwenden: neben dem „Lernen, Wissen zu erwerben“ gleichermaßen dem
„Lernen, zu handeln“, dem „Lernen, zusammenzuleben“ und dem „Lernen für das
Leben“ selbst (vgl. Unesco-Kommission 1997, 73 ff.). Es wird heute zu einer lebens-
begleitenden Bildungsaufgabe für den einzelnen, mit den vielfältigen Möglichkeiten und
Begrenzungen des eigenen Lebens umgehen zu können, Widersprüche aushalten zu
können, auch ohne feste Vorgaben sein Leben immer wieder selbst im Austausch mit
anderen (neu) gestalten zu können.
Theodor Schulze identifiziert im Unterschied zu „curricularem Lernen“ Merkmale
solcher lebensgeschichtlicher Lernprozesse (vgl. Schulze 1993 [Erstveröffentlichung 1984],
202 ff.). Unter anderem verweist er darauf, dass lebensgeschichtliches Lernen sich auch
außerhalb geplanter Lernprozesse aus den alltäglichen Gelegenheiten heraus ent-
wickelt, es sich eher um ein diskontinuierliches Lernen bei Gelegenheit, ein Lernen in
Lebenswelten, in den eigenen Umweltbezügen handelt, häufig ist es selbstorganisiertes
Lernen. Ist curriculares Lernen eher am Erfolg orientiert, so beachtet lebensgeschicht-
liches Lernen die auch im Misserfolg liegenden bedeutende Lernanlässe sowie Notwen-
digkeiten und Chancen, sich neu zu orientieren. Obgleich sich dabei curriculares und
lebensgeschichtliches Lernen nie vollständig voneinander trennen lassen, folgen sie
doch jeweils einer besonderen Logik, und in beiden Formen des Lernens sind unter-
schiedliche Dynamiken und Interessen wirksam. Bei curricularem Lernen geht es um
den Erwerb bestimmter Qualifikationen in vorausgeplanten und organisierten Lern-
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Aneignung neuer Rollen tendieren enge Netzwerke – insbesondere familiale – zur
Konservierung von Bestehendem und zur Tradierung bisheriger Lebensweisen und
Verhältnisse, während schwache Bindungen den Blick und den Zugriff auf Optionen
,jenseits des Tellerrandes’ fördern.“ (ebd. 220 f.)
An dieser Stelle war unsere Arbeitsgruppe daran interessiert, welchen Beitrag
die pädagogische Arbeit der Kirche in ihren Einrichtungen und Gemeinden zu leisten
vermag zur Unterstützung primärer familiärer Netzwerke wie auch zur Gestaltung
übergreifender, offener familiärer Lebenswelten im kirchlichen Umfeld. Die Evangeli-
sche Kirche in Deutschland formuliert hierzu: „Das öffentliche Bewußtsein von Fami-
lie ist von der Zwei-Generationen-Familie geprägt. Auch wenn die Mehr-Generatio-
nen-Familie als Haushaltsgemeinschaft (…) zur Ausnahme geworden ist, so bedeutet
doch auch heute noch Familie weit mehr, als es durch das Bild der Klein-Familie zum
Ausdruck kommt. Kindschaft begründet ein Geflecht verwandtschaftlicher und sozialer
Beziehungen, die ohne Kinder nicht denkbar wären. Kinder vermitteln über die direkten
Elternbeziehungen hinaus Anlaß und Chancen zu vielfältiger Kommunikation.“
(Evangelische Kirche in Deutschland 1998)
2. BildungDer gesellschaftliche Wandel und die prinzipielle Offenheit persönlicher Lebens-
entwürfe stellen heute neue Lernanforderungen. Dabei steht bei der heute oft zitierten
Anforderung ‚lebenslangen Lernens’ häufig allein Wissenserwerb, Weiterbildung und
Umlernen im Vordergrund, mithin ein ‚Qualifikationslernen’, um sich veränderten
beruflichen Anforderungen anzupassen. Daneben wird häufig weniger beachtet, dass
auch die Gestaltung der eigenen Biographie, die Wahl der eigenen Lebensverhältnisse
zu einer lebenslangen Lern- und Bildungsaufgabe geworden ist und von der Fähigkeit
des Einzelnen abhängt, die Folgen seiner biographischen Handlungen in vollem Umfange
selbst zu verantworten und zu verarbeiten: „Die Widersprüche, das Aufeinanderprallen
von sich ausschließenden Handlungsmaximen in den Individuen und in den eigenen
Lebensentwürfen – z.B. für sich selbst und für die Kinder leben zu wollen, Beruf und
Familie, Autonomie und Intimität haben zu wollen, Nähe und Distanz, Freiheit und
Geborgenheit zu beanspruchen, erfolgs- und verständigungsorientiert handeln zu
müssen –, derartige Paradoxien können zu Gefährdungspotentialen und Risikolagen
im Innenleben der Menschen werden und dabei soziale und psychische Instabilität
hervorrufen. Sie erfordern aber zugleich die Neuanpassung und Neuentwicklung psycho-
sozialer Bewältigungsmuster.“ (Rauschenbach 1994, 93)
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Gott zum letzten Bezugspunkt der Biographie wird, kann dies helfen, sich von moder-
nen Selbstdeutungen zu distanzieren, die Bruchstücke der eigenen Lebensgeschichte
symbolisch sinnhaft zu integrieren. In der Zuhilfenahme christlicher Sprach- und
Deutungsangebote liegt dabei eine Möglichkeit der Erweiterung individueller Deu-
tungskompetenzen, und kann helfen, Menschen aus der Unmittelbarkeit und
Abhängigkeit des Lebenslaufs zu befreien und neue Perspektiven zu eröffnen. Auch
eine heute zunehmend individualisierte Religion bedarf gewisser Orientierungs-
angebote sowie institutionalisierter Voraussetzungen und Rückbindungen. Die evan-
gelische Kirche, ihre Einrichtungen und Gemeinden können in der heutigen Zeit, so
Roland Degen, „Denk- und Tankstellen“ sein, die dem Individuum Rast, Anregung,
Erneuerung und Kommunikation ermöglichen. Doch Gemeinde als Ort von
Kommunikations- und Lernprozessen ist für ihn nie inhaltsleer möglich: „Gemeinde-
räume sind nicht lediglich hohle Raumkonserven für alles und jedes, wobei die Inhalte
beliebig werden und verschwimmen. Gerade diese Leere als angebliche Neutralität
hilft dem nach Orientierung und Vergewisserung Ausschau haltenden Individuum
wenig. Die Frage ist jedoch, ob ihm die Freiheit eingeräumt wird, diesen Inhalten in
Freiheit, im Für und Wider zu begegnen ohne befürchten zu müssen, dass ihm hier
‚nach der Seele gegriffen wird’.“ (Degen 2000, 186)
3. Evangelische FamilienbildungDie anstehenden Fragen sind aus unserer Sicht: Was kann Kirche in verschiedenen
Lebenssituationen anbieten, wo kann sie ermutigen und stärken, Räume bereit-
stellen, Hilfen zur Frage religiöser Sozialisation geben, Kontakte herstellen, Eigen-
initiative unterstützen? Wie kann Kirche zum Entstehen und Stützen (neuer) sekun-
därer familiärer Netzwerke beitragen? Wie kann angesichts der heutigen erhöhten
(sozialen und geographischen) Mobilitätsanforderungen „Evangelisch-Sein“ eine
Heimat bieten, wie kann die Zugehörigkeit zur Kirche – und nicht nur zu einer
Parochialgemeinde – und zum evangelischen Glauben Verwurzelung bieten?
Evangelische Familienbildungsarbeit will Menschen dabei unterstützen, ihr Leben
eigenständig und selbstbewusst in dieser Gesellschaft zu gestalten und sich hierbei
der kirchlichen Ressourcen zu bedienen. Hierzu gilt es zuallererst verstärkt wahr-
zunehmen, wie sich heutige Lebenslagen und Biographien gestalten, und die darin
liegenden (religiösen) Grundfragen des Lebens aufzugreifen. Die zweite Aufgabe
besteht in der Gestaltung und Begleitung von Lern- und Bildungsprozessen im kirch-
lichen Umfeld. Dabei ist evangelische Familienbildungsarbeit nicht voraussetzungsfrei,
19
prozessen, die dabei erworbenen Qualifikationen und Abschlüsse sind Voraussetzung
zur Erfüllung gesellschaftlich definierter Aufgaben (vgl. ebd. 200). Hingegen zielen
lebensgeschichtliche Lernprozesse „auf die Herstellung von Identität, beschaffen Sinn,
erzeugen eine individuelle Lebensperspektive“ (ebd. 201) und werden somit zu einer
biographischen Ressource individueller Lebensbewältigung.
Bildung meint nach unserem Verständnis mehr als Aus- und Weiterbildung, viel-
mehr gerade auch das, was nicht verlorengehen darf, wenn Menschsein seinen huma-
nen Charakter bewahren soll: Die aller Planung und Machbarkeit entzogene Selbstbe-
stimmung als Person. In der neueren Pädagogik wird Bildung daher zunehmend als
Auseinandersetzung mit dem Anderen und Fremden verstanden, dem Aushalten-Können
von Widersprüchen, Spannungen und Antinomien und die Aufrechterhaltung der individu-
ellen und gemeinschaftlichen Handlungsfähigkeit. Unsere Arbeitsgruppe schließt sich
dabei den Ausführungen des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten zum prote-
stantischen Bildungsverständnis an: „Es gehört zum Erbe der Reformation, daß Chri-
stentum – zumal in evangelischer Gestalt – ohne Bildung nicht denkbar ist. (…) Der
reformatorisch-theologische Bildungsgedanke greift von seinem Ansatz her deutlich
über den kirchlchen [sic!] Raum hinaus: Er zielt auf die verantwortliche Gestaltung des
Gemeinwesens. In diesem Sinn fordert K.-E. Nipkow, der Nestor der Religions-
pädagogik in Deutschland, ein Neuverständnis von Bildung als ‚Lebensbegleitung
und Erneuerung’ für die evangelische Kirche. Diese Bildungsinitiative unterscheidet
sich von den vielen Aufgaben und Forderungen (…) dadurch, daß sie sich nicht an der
Förderung von exklusiv leistungsbezogenen Qualifikationen orientiert. (…) Es geht
um Orientierung des Lebens, d.h. wissen, warum und wozu man lebt, arbeitet, liebt
und sterben muß. Es geht um die Möglichkeit, mit anderen Menschen zu reden, zu
arbeiten, zu leben. Es geht um gemeinsame Regeln des Handelns, also um Verant-
wortung vor Gott und den Menschen, Verantwortung für sich, für sie und die Welt. Bil-
dung in diesem Sinn der Lebensbegleitung befähigt uns, die Botschaft von Gottes
Gnade in Jesus Christus auszurichten, die uns hält und trägt, an den Nächsten weist
und uns für die schwachen und gedemütigten Menschen und die nichtmenschliche
Natur dasein läßt.“ (Steinacker 1999, 23)
Bildung in diesem Sinne ist ein ganzheitliches Geschehen, und „sich bilden“
heißt, sich ein Bild machen von sich und der Welt. Dabei steht die Religionspädagogik,
wie es Rudolf Englert formuliert, unter dem „Vor-Urteil, daß der überlieferte Glaube
auch heute Lebens-Mittel sein kann“ (Englert 1995, 167). Durch religiöse Bildung kön-
nen Menschen den Bezug zu Gott in ihrem Leben herstellen. Wenn für Menschen
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aufzulösen und partnerschaftlicher zu gestalten; das gesellschaftliche Eintreten für den
Abbau familiengefährdender und -belastender Rahmenbedingungen.
Die vorangehend beschriebenen Aufgaben bedürfen entsprechender personeller,
organisatorischer und finanzieller Ressourcen. Evangelische Familienbildungsarbeit
wird in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau bereits von verschiedenen Ein-
richtungen auf gemeindlicher und übergemeindlicher Ebene, wird ehrenamtlich oder
selbstorganisiert geleistet, haupt- und nebenberuflich. Anteil an der Familienbildungs-
arbeit haben unterschiedliche kirchliche Berufsgruppen. Dabei gilt es zu unterschei-
den, dass evangelische Familienbildungsarbeit in erster Linie Präventivangebot ist und
sich dadurch von eher diakonisch orientierten Angeboten der Familienhilfe, wie z.B. die
Erziehungs- und Lebensberatung, unterscheidet. Im gemeindlichen Bereich bietet die
pfarramtliche Kasualpraxis häufig den ersten Anknüpfungspunkt für Eltern, indem bei
Taufgesprächen, in Taufelternseminaren und der Taufe selbst viele Menschen erstmals
seit langem wieder in Kontakt mit der Kirche treten und ihre neue Lebenssituation als
Familie und die Bedeutung, die der christliche Glaube darin besitzen könnte reflektie-
ren. Einen weiteren zentralen Anknüpfungspunkt für die Arbeit mit Familien stellen die
rund 600 evangelischen Kindertagesstätten in der EKHN dar, dieses breite Engage-
ment der Kirche im Bereich der Vorschulerziehung stellt einen wesentlichen familien-
entlastenden Faktor dar. Allerdings liegt der Hauptauftrag dieser Einrichtungen zualler-
erst bei der Vorschulerziehung der Kinder und erst in zweiter Linie kommt die Familie
als ganzes im Blick, durch begleitende Elternarbeit u.ä.m.
Über diese in der Regel zeitlich bzw. auf eine bestimmte Lebensspanne begrenzten
Kontakte in Form pfarramtlicher Kasualpraxis und kirchlichen Kindertagesstätten hinaus
wenden sich weitere kirchliche Mitarbeitende der Zielgruppe Familie zu: Es sind dies die
pädagogischen Mitarbeiterinnen der evangelischen Familienbildungsstätten und die
gemeindepädagogischen Mitarbeitenden in Kirchengemeinden und Dekanaten. Ziel
dieser Arbeitsgruppe war es, in diesen beiden pädagogischen Arbeitsfeldern der EKHN
bereits vorhandene, gelingende Modelle kirchlicher Familienbildungsarbeit zu doku-
mentieren und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In den Beiträgen
dieses Buches werden die unterschiedlichen Chancen und Begrenzungen der gemeind-
lichen und übergemeindlichen Angebote ebenso sichtbar, wie auch das gemeinsame
evangelische Profil dieser Arbeitsfelder. Wir wünschen uns, dass die in diesem Band
dokumentierten Informationen, Erfahrungen und Praxisberichte etwas von der Vielfalt
bereits vorhandener kirchlicher Arbeit mit Familien sichtbar werden lassen und dadurch
anderen Anregungen bieten können für künftige kirchliche Planungsprozesse.
21
sondern der Überzeugung, dass die christliche Überlieferung befreiende und stützende,
also lebensdienliche Elemente bereithält.
Evangelische Familienbildungsarbeit verfolgt dabei ein dreifaches Ziel: Persön-
lichkeitsbildung, Gemeinschaftsbildung sowie religiöse Bildung. Zu unterscheiden gilt es
dabei unterschiedliche Formen von Familienbildungsarbeit: Familienbildungsarbeit
im engeren Sinne liegt vor, wenn eines oder beide der folgenden Merkmale gegeben
ist: 1) Wenn Menschen aus mindestens zwei Generationen innerhalb einer Familie
zu einer Maßnahme oder einer Veranstaltung zusammengebracht oder zu einer
Gruppe zusammengeführt werden. 2) Wenn das Thema ‚Familie’ im Mittelpunkt
einer Maßnahme, einer Veranstaltung oder einer Gruppe steht. Familienbildungs-
arbeit in einem erweiterten Sinne bezieht sich 3) auf die Ermöglichung, Stärkung,
Unterstützung und Begleitung familienstützender Netzwerke sowie auf 4) indirekt
familienentlastende Maßnahmen und Angebote, dies bedeutet unter anderem auch
sozialpolitisches Handeln, beispielsweise als Bereitstellen von und Eintreten für aus-
reichende Kinderbetreuungsmaßnahmen.
Familienbildungsarbeit will dazu beitragen, dass Menschen in unterschiedlichen
Lebenssituationen zu selbstbestimmtem Handeln befähigt werden. Familienbildungs-
arbeit schafft dafür Räume der Begegnung und Gemeinschaft mit dem Ziel der verant-
wortlichen Gestaltung des eigenen und gemeinschaftlichen Lebens. Sie orientiert sich am
Alltag und den Lebenswelten der Menschen. Sie ist interessiert an der Förderung selbst-
organisierter und ehrenamtlicher Familienbildungsarbeit und der Schaffung und Erhal-
tung familienstützender, solidarischer Netzwerke auch im kirchlichen Umfeld. Im Einzel-
nen kann dies bedeuten: Menschen anzunehmen wie sie sind, mit ihren Stärken und
Freuden, mit ihren Schwächen und Sorgen; Mut zu machen, im Vertrauen auf Gott das
Leben in die eigenen Hände zu nehmen und zu gestalten; Grenzen zu akzeptieren und
dennoch die Sehnsucht nach dem heilen, erfüllten Leben lebendig zu halten; Erfahrungs-
räume zu öffnen, in denen Lebenssinn entdeckt und vertieft werden kann; dazu beizutra-
gen, feste Vorstellungen und Gewohnheiten zu überwinden und mit immer neuen Schrit-
ten den Alltag zu meistern, wo nötig, dafür auch zu Experiment und Widerständigkeit zu
ermutigen; in Lebensumbrüchen zu begleiten; angelegte Entwicklungschancen zu nutzen
und in Auseinandersetzung mit anderen zu entwickeln; Interesse an christlicher Orientie-
rung zu wecken, die Gegenwart Gottes im Alltag der Menschen wahrzunehmen und ihr
Raum zu geben; realistische Einstellungen dem Leben gegenüber zu fördern, lebensprak-
tische Kompetenzen zu vermitteln, Begegnungsräume und Gemeinschaft zu erleben und
sich am Leben zu freuen; die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung von Männern und Frauen
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23
Horst Peter Pohl
Familienarbeit im gemeindepädagogischen Dienst der EKHN
Ergebnisse einer Befragung
Um Daten über Art und Umfang der Arbeit mir Familien im gemeindepädago-
gischen Dienst der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zu erhalten, wurden
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gemeindepädagogischen Dienst mit einem
Fragebogen befragt.
Ziel der Befragung war es, Aufschluss darüber zu bekommen, ob, in welchem
Umfang, mit welcher Zielsetzung und welchen Schwerpunkten Familienarbeit im
gemeindepädagogischen Dienst geleistet wird.
Eine qualitative Erhebung mittels Interviews und Praxisberichten sollte die so
gewonnenen Daten ergänzen und interpretieren und Einblick in die Gestaltung
dieser Arbeit geben.
Im folgenden werden die Ergebnisse der quantitativen Befragung dargestellt und
erörtert. Den dargestellten Ergebnissen werden Belege, Beispiele oder Zitate aus
Praxisberichten hinzugefügt.
Von 392 Befragten haben 120 geantwortet (30,6%)
1. Welche Berufsgruppen arbeiten im gemeindepädagogischen Dienst ?Im „gemeindepädagogischen Dienst“ der EKHN arbeiten neben Gemeinde-
pädagogInnen im engeren Sinne, also AbsolventInnen eines Studiengangs „Gemeinde-
pädagogik“ an einer Fachhochschule MitarbeiterInnen mit unterschiedlichen Berufs-
qualifikationen.
Tatsächlich haben nur etwa die Hälfte der Befragten einen Abschluss als Dipl.-Reli-
gionspädagogIn (offizieller akademischer Grad der „GemeindepädagogInnen“). Einige
davon (insgesamt 5%) haben zusätzlich einen weiteren Hochschulabschluss (Dipl.-
Päd., Dipl.-Soz.Arb., Dipl.-Soz.Päd) bzw. einen Abschluss als DiakonIn.
Neben GemeindepädagogInnen sind im gemeindepädagogischen Dienst vor
allem Dipl.-PädagogInnen (10%) und Dipl.-SozialarbeiterInnen (9,2%) vertreten,
daneben Dipl.-SozialpädagogInnen (5,8%), DiakonInnen (3,3%) sowie jeweils einmal
Dipl.-Soziologe, CVJM-Sekretär, 1. Staatsexamen und M.A. vertreten.
Bei den weiteren Antworten sind keine signifikanten Unterschiede zwischen Dipl.-
ReligionspädagogInnen und anderen Berufsgruppen sichtbar geworden.
Verwendete Literatur:
Beck, Ulrich und Elisabeth Beck-Gernsheim (Hrsg.). 1994. Riskante Freiheiten.Individualisierung in modernen Gesellschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Borscheid, Peter. 1994. „Von Jungfern, Hagestolzen und Singles. Die historische Entwicklung des Alleinlebens.“ S. 23-53 in: Lebensform Einpersonenhaushalt: Herausfor-derung an Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, hrsg. von Sylvia Gräbe. Frankfurt am Main: Campus.
Bundesamt, Statistisches (Hrsg.). 2001. Leben und Arbeiten in Deutschland. Ergebnisse des Mikrozensus 2000.Wiesbaden: http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2001/leben_arbeiten.pdf (Stand 23.8.2002).– (Hrsg.). 2002. Leben und Arbeiten in Deutschland. Ergebnisse des Mikrozensus 2001. Wiesbaden:http://www.destatis.de/presse/deutsch/pk/2002/mikrozensus_2002.pdf (Stand 23.8.2002).
Degen, Roland. 2000. „Gemeindepädagogische Perspektiven für eine Kirche der Zukunft.“ S. 175-202 in:Gemeindepädagogik im Wandel – Erfahrungen und Perspektiven, hrsg. von Ludwig Metzger und NicolePiroth. Darmstadt: Evangelische Fachhochschule Darmstadt bei Libri Books on Demand.
Ecarius, Jutta. 1998. „Biographie, Lernen und Gesellschaft. Erziehungswissenschaftliche Überlegungen zubiographischem Lernen in sozialen Kontexten.“ S. 129-151 in: Biographieforschung und Kulturanalyse:Transdisziplinäre Zugänge qualitativer Forschung, hrsg. von Ralf Bohnsack und Winfried Marotzki.Opladen: Leske+Budrich.
Englert, Rudolf. 1995. „Wissenschaftstheorie der Religionspädagogik.“ S. 147-174 in: Bilanz der Religions-pädagogik, hrsg. von Hans-Georg Ziebertz und Werner Simon. Düsseldorf: Patmos.
Evangelische Kirche in Deutschland (Hrsg.). 1998. Gottes Gabe und persönliche Verantwortung. Zur ethischen Orientierung für das Zusammenleben in Ehe und Familie (EKD-Denkschrift 142):http://www.ekd.de/EKD-Texte/2013.html (Stand 16.8.2002).
Keupp, Heiner. 1988. Riskante Chancen: das Subjekt zwischen Psychokultur und Selbstorganisation.Heidelberg: Asanger.
Kraul, Margret und Winfried Marotzki (Hrsg.). 2002. Biographische Arbeit: Perspektiven erziehungswissen-schaftlicher Biographieforschung. Opladen: Leske+Budrich.
Nave-Herz, Rosemarie. 1998. „Familie und Verwandtschaft.“ S. 201-210 in: Handwörterbuch zur GesellschaftDeutschlands, hrsg. von Bernhard Schäfers und Wolfgang Zapf. Opladen: Leske+Budrich.
Nestmann, Frank. 1997. „Familie als soziales Netzwerk und Familie im sozialen Netzwerk.“ S. 213-234 in:Familien. Eine interdisziplinäre Einführung, hrsg. von Lothar Böhnisch und Karl Lenz. Weinheim und München: Juventa.
Rauschenbach, Thomas. 1994. „Inszenierte Solidarität: Soziale Arbeit in der Risikogesellschaft.“ S. 89-111 in:Riskante Freiheiten, hrsg. von Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim. Frankfurt am Main: Suhr-kamp.
Schulze, Theodor. 1993 [Erstveröffentlichung 1984]. „Lebenslauf und Lebensgeschichte. Zwei unterschied-liche Sichtweisen und Gestaltungsprinzipien biographischer Prozesse.“ S. 174-226 in: Aus Geschichtenlernen. Zur Einübung pädagogischen Verstehens, hrsg. von Dieter Baacke und Theodor Schulze. Wein-heim u.a.: Juventa.
Steinacker, Peter. 1999. Die EKHN an der Schwelle des neuen Jahrhunderts. Bilanz und Vision. Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft. Frankfurt am Main: Drucksache 8/99 der Neunten Kirchen-synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.
Unesco-Kommission, Deutsche (Hrsg.). 1997. Lernfähigkeit: Unser verborgener Reichtum. UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Neuwied: Luchterhand.
22
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 22
Weitere Nennungen:
KommunikationswirtIn (3x), Bibliodrama (2x), PrädikantIn (2x) und je einmal:
BiologIn, ChorleiterIn, Dipl.-BetriebswirtIn, KunstpädagogIn, Krankenschwester, Ver-
fahrenspflegerIn, Koch, PrädikantIn, Bankkaufmann, GesundheitsberaterIn, Ökumene-
BeraterIn, Umwelt-BeraterIn, Schreiner, Personalentwicklung, MedienberaterIn, Männerarbeit
4. Geleistete FamilienarbeitGeht man von einer Repräsentativität der Befragung aus, gehört Familienarbeit
heute bereits zu den Selbstverständlichkeiten des gemeindepädagogischen Dienstes.
Fast 2/3 der Befragten (64,2%) gibt an, Familienarbeit zu leisten.
Im Durchschnitt werden dafür nach eigener Schätzung ca. 14% der Arbeitszeit
aufgewandt, der Anteil in den letzten 5 Jahren hat nach weit überwiegender Meinung
zugenommen.
Interessant ist, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Dauer
der Tätigkeit in der jeweiligen Stelle und der Arbeit mit Familien gibt. So arbeiten mit
Familien MitarbeiterInnen mit einer Dienstzeit (in der jeweiligen Stelle)
Gründe für diesen Zusammenhang könnten zum einen in der Suche nach neuen
Betätigungsfeldern nach einer gewissen Zeit der Berufstätigkeit liegen, zum anderen
auch darin, dass möglicherweise ein gewisser Bekanntheitsgrad im Arbeitsfeld den Ein-
stieg in die Arbeit mit Familien erleichtert oder gar bedingt.
Ein geringerer Zusammenhang besteht zwischen dem Stellenumfang und der
Tätigkeit in der Familienarbeit: Von den bis zu 50% Beschäftigten betreiben 61,5%, von
den mehr als 50% Beschäftigten 68,7%. Berücksichtigt man, dass erfahrungsgemäß bei
geringerem Beschäftigungsumgang etwas genauer auf die Tätigkeit im Kernbereich des
25
2. Stellenumfang und Verweildauer im DienstNicht einmal die Hälfte der MitarbeiterInnen im gemeindepädagogischen Dienst
ist vollzeitbeschäftigt. Ob diese Reduzierung freiwillig oder auf Grund der Stellensituati-
on geschehen ist, wurde von uns nicht erhoben.
Den knapp die Hälfte (45,7%) Vollzeitbeschäftigten und 17,3% mit mehr als 50%
Beschäftigten stehen 30,5% Beschäftigte mit einem Stellenumfang von 50 % und 6,8%
Beschäftigte mit einem Stellenumfang von bis zu 33% gegenüber. Der durchschnittliche
Stellenumfang beträgt ca. 75%, mehr als die Hälfte der Befragten ist nicht vollzeitbe-
schäftigt.
Die Verweildauer in einer Stelle ist hoch: Durchschnittlich waren die Befragten
9,5 Jahre, 10% über 18 Jahre (bis hin zu 35 Jahren!) in der jetzigen Stelle beschäftigt,
allerdings 30% auch 5 Jahre und weniger.
3. ZusatzqualifikationenNeben MitarbeiterInnen mit doppelter Hochschulqualifikation (8x) haben erstaun-
lich viele MitarbeiterInnen Weiterbildungen absolviert: 45% der Befragten haben eine,
15,8% sogar mehrere Zusatzqualifikationen erworben (bis zu 4).
Dabei wurden Zusatzausbildungen vor allem im Bereich von Seelsorge, Beratung und
Therapie absolviert. Ein Drittel der Befragten hat hier Zusatzausbildungen abgeschlossen:
13 x Klinische Seelsorgeausbildung
12 x Gestaltberatung
6 x Familienberatung/-therapie
2 x Sozialtherapie
3 x Supervision
4 x (je 1x) Individualpsychologie, TZI, Telefonseelsorge,
Klientenzentrierte Gesprächsführung
Im pädagogischen Bereich haben 15% Zusatzqualifikationen
11x Fakultas Religion bzw. KatechetIn
3 x ErzieherIn
3 x Erwachsenenbildung
1 x Staatsexamen
24
Tätigkeitsdauer in der jetzigen Stelle
bis zu 5 Jahre
5 - 10 Jahre
10 - 15 Jahre
20 - 35 Jahre
Anteil der Familienarbeit an der Arbeitszeit
63 %
72 %
75 %
86 %
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Orientiert an Unterstützung bieten:Begleitung, Beraten und Begleiten, Diakonischer Auftrag, Dienstleistungsangebote
für Erziehende, Entlastung, Handlungsmöglichkeiten erweitern, Hilfestellung zum
ermutigenden Umgang in der Familie, Menschen bei der Organisation ihres Alltags
unterstützen, Ressourcenorientierte Unterstützung, Unterstützung in Problem-
fällen, Angehörige bei der Organisation der Pflege unterstützen, Stützung von
Familien
Orientiert an Begegnung:Aufhebung der Isolation, Austausch, Begegnung mit anderen Vätern und Kindern, Kon-
takt und Netzwerk zwischen jungen Familien, Rahmen für Begegnung bieten
Orientiert an Bildung und Lernprozessen:Kindern die Welt der Eltern näher bringen und umgekehrt, Akzeptieren unterschiedli-
cher Lebensentwürfe, Antwort auf Lebens- und Erziehungsfragen, Austausch über
familienbezogene Themen, Eigenkompetenz stärken, Eltern ermächtigen zur Rollen-
reflexion, gegenseitiges Lernen, inhaltliche Angebote, Konflikte ansprechen und aus-
tragen, Orientierung, positive Gedankenanstöße für den Alltag, Rollenverhältnisse
hinterfragen, Ursachen erkennen und Lösungen erarbeiten
5.2. Beispiele für gemeindebezogene Ziele:Als Familie in der Gemeinde leben, begleitende Elternarbeit, Einbezug der Eltern
in die Gemeinde, Einbindung der Kinder in die Gemeinde, Eltern Kirche bekannt
machen, Eltern sollen sich von Kirche angenommen fühlen, Familie als wichtiger Teil
der Gemeinde, familienfreundliche Gemeinde sein, Gemeindeaufbau, Information
der Gemeinde über Lebenssituation, Integration, junge Familien in die Gemeinde ein-
beziehen, kommunikative Gemeinde, Verminderung von Schwellenangst, Zugang zu
Kirche finden
5.3. Beispiele glaubensbezogener ZieleBegleitung der religiösen Erziehungspraxis, Biblische Botschaft Quelle des Lebens
in der Familie, Einladung zum christlichen Glauben, gemeinsames Feiern von Gottes-
dienst, geistliche Begleitung, Glaube macht Spaß, Glaube und Leben zusammenbrin-
gen, Glauben mit allen Sinnen erleben, persönlichen Glauben entwickeln, Religiöse
Früherziehung, Spiritualität, Verkündigung des Evangeliums
27
im Dienstauftrag Beschriebenen (in der Regel Kinder- und Jugendarbeit) geachtet wird,
erstaunt eher der auch bei Teilbeschäftigten hohe Anteil.
5. Ziele der FamilienarbeitHier hatten die Befragten die Möglichkeit, 3 Ziele ihrer Arbeit frei zu benennen. Die
genannten Ziele konnten wir 3 Hauptkategorien zuordnen: „familienbezogene Ziele“,
„gemeindebezogene Ziele“ und „glaubensbezogene Ziele (einschließlich Gottesdienst)“.
Eindeutig im Zentrum des Interesses steht bei den Zielen die Familie. Nur gut ein
Viertel der Befragten sieht ein Ziel im Zusammenhang mit der Gemeindearbeit insge-
samt, weniger als 10% sehen ein Ziel im Zusammenhang mit Glaubensfragen oder reli-
giöser Erziehung.
Noch deutlicher wird das Ergebnis, wenn man zusätzlich ansieht, mit welcher
Gewichtung Ziele genannt oder nicht genannt werden. So werden in 42% der Rückmel-
dungen ausschließlich familienbezogene Ziele genannt, hingegen nur in 9,2% der Rück-
meldungen ausschließlich gemeindebezogene Ziele, glaubensbezogene Ziele werden in
keinem Fall ausschließlich genannt. Auf der anderen Seite nannten 68% keine glaubens-
bezogenen Ziele, 52,4% keine gemeindebezogenen und nur 17% der Befragten keine
familienbezogenen Ziele.
5.1. Beispiele für familienbezogene ZieleBei den „familienbezogenen Zielen“ lassen sich nochmals 4 Kategorien unter-
scheiden, sie orientieren sich entweder am „gemeinsamen Erleben“, an „Begegnung
mit anderen Familien“, am „Ermöglichen von Lernprozessen“ oder wollen „Familien
Unterstützung“ bieten.
Beispiele hierfür:
Orientiert am Erleben:Aktivitäten innerhalb der Generationen, Aufhebung der Isolation, Begegnung, Begeg-
nungs- und Kontaktmöglichkeiten, besonders Vätern Zeit für ihre Kinder einzuräumen,
Eltern nehmen ihre Kinder anders wahr und umgekehrt, etwas miteinander machen,
Freude und Spaß, gemeinsames lustvolles Tun, Gemeinschaft, generationenüber-
greifendes Spaßmiteinanderhaben, Orte gemeinsamen Erlebens, positives Freizeit-
erleben, Zeit und Spaß füreinander haben
26
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 26
Fasst man die beiden Themengruppen „Religiöse Themen“ und „Gottesdienst“ zusam-
men, ergibt sich ein Anteil von 18,4%.
Dabei ist jedoch den Berichten zu entnehmen, dass „Themen“ eher eine implizite
Rolle spielen. Oft wird wohl auch nicht genau zwischen „Zielen“, „Themen“ und
„Arbeitsformen“ unterschieden.
7. ArbeitsformenErstaunlich hoch ist im Vergleich zu den oben genannten Ergebnissen die hohe
Anzahl der Nennung von „Gottesdienst“ als Arbeitsform. Er wird von 71,4% derer,
die hier eine Antwort gaben, genannt. Jeweils knapp die Hälfte gibt Gruppen und Ein-
zelveranstaltungen (je 49,4%) sowie Freizeiten (46,8%) als Arbeitsformen an, es fol-
gen Seelsorge und Beratung (39%), Projekte (35,1%) und Seminare (20,8%).
Die vergleichsweise hohe Zahl von Nennungen bei „Gottesdienst“ kann daraus
resultieren, dass hier keine Gewichtung getroffen werden musste, also auch das ein-
malige Angebot eines Gottesdienstes gemeint sein kann. Möglicherweise zeigt sich
hier aber auch eine doch höhere Verknüpfung von Familienarbeit, Gemeindeleben
und Gottesdienst als nach den anderen Ergebnissen zu erwarten war.
Erstaunlich ist auch die hohe Anzahl der Nennung von „Freizeiten“ als Arbeitsform.
Unterstellt man, dass diese Arbeitsform im übrigen Gemeindeleben keine große
Rolle spielt, ist diese in der Regel sehr dichte und intensive Form der Arbeit hier
außerordentlich hoch vertreten.
8. KooperationenDie Hälfte der Befragten arbeitet in der Familienarbeit mit Ehrenamtlichen
zusammen, 30,6% kooperieren mit der Pfarrerin/dem Pfarrer, 8% mit Kolleginnen
und Kollegen. Andere Kooperationen sind eher selten, obwohl zahlreiche Möglich-
keiten genannt werden. Die Familienbildungsstätten werden von 10,6% als Koopera-
tionspartnerinnen genannt, es folgen ErzieherInnen (9,3%), Beratungsstellen (8%),
Katholische Gemeinden und Besuchsdienst (je 6,7%) und Schule (4%).
9. ZusammenfassungFamilienarbeit ist im gemeindepädagogischen Dienst mit steigender Tendenz
zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Je länger eine Mitarbeiterin bzw. ein Mit-
arbeiter im Dienst ist, umso häufiger wird auch mit Familien gearbeitet. Der höchst
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In etwa entspricht dieses Ergebnis dem, was auch in den Praxisberichten zur
Familienbildungsarbeit genannt wird. Das leitende Ziel war hier in 7 von 9 Fällen auf
Familie gerichtet:
● „Vater und Kind sollen gemeinsam Zeit verbringen“ (Erleben)
● „Familien sollen Zeit haben, etwas miteinander zu tun“, „die Gelegenheit haben,
anders als im gewohnten Alltag miteinander in Kontakt zu kommen“
● „…sollen Eltern und Kinder die Möglichkeit bieten, sich mit Menschen in der
gleichen Lebenssituation zu treffen und Kontakte zu knüpfen bzw. zu stabilisieren“
„…etwas in einem nicht-kommerziellen Rahmen miteinander zu erleben“
● „Angebote machen, die Familien für ein ganzheitliches Leben brauchen“
● „Aussteigen (der Mütter) aus dem Alltag“
● „Angebote von Entlastungs- und Unterstützungsangeboten für Familien in ihren
unterschiedlichen Phasen und Konflikten“
● „Unterstützung leisten, damit die familiären Ressourcen dem Kranken und allen
Mitbetroffenen hilfreicher werden können“
In 2 Fällen war es auf „Glauben“ gerichtet:
● „Neue Spiritualität“, „Gottesdienst sinnlich erfahren“, Religiöse Inhalte und
Traditionen verstehen“
● „Jungen Familien einen Zugang zu Glauben und Kirche zu ermöglichen und
Eltern Hilfestellungen zur Einlösung des Taufversprechens anbieten“
In einem Fall sind solche Zielsetzungen im Laufe der Arbeit hinzugekommen:
„eine andere Art von Gottesdienst kennenlernen“, „geplant über pädagogische und
religiöse Themen ins Gespräch kommen“
„Gemeinde“ taucht in den Praxisberichten eher als Nebenfaktor auf: so soll die
Arbeit etwa zwar „eine Brücke zu anderen Angeboten der Gemeinde sein“, aber aus-
drücklich „nicht primär Objekt des Gemeindeaufbaus“.
6. Themen der FamilienarbeitDie Themen der Familienarbeit sind vielfältig, der Trend zeigt sich hier jedoch
ebenfalls sehr deutlich:
Genannt werden zu 22,4% Erziehungsfragen, 21,7% gemeinsames Erleben,
17,8% psychosoziale Themen, 11,2% religiöse Themen, 7,9% Beratung und Seelsorge,
7,2% Gottesdienst, 4,2% Eltern-Kind-Gruppen und 7,2% diverse andere Themen.
28
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 28
interessante Zusammenhang zwischen Geschlecht, Lebensalter und Alter eigener
Kinder mit dem Betreiben von Familienarbeit wurde leider nicht erfragt.
Familienarbeit wird unter dem Blickwinkel „Angebote für Familien“ gesehen,
das gemeinsame Erleben als Ergänzung und Alternative zum Familienleben spielt
eine große Rolle. Dieser Blickwinkel nimmt anscheinend das Klientel sehr ernst, ver-
nachlässigt aber den möglichen Stellenwert von Familienarbeit im Gemeindezusam-
menhang.
Nicht zu unterschätzen ist, dass eine Zielgruppe erreicht wird, die sich vom
Gemeindeleben sonst eher selten angesprochen fühlt. Allerdings wurde die Zahl der
Aktivitäten in der Familienarbeit und der durch sie erreichten Menschen quantitativ
nicht erfasst
Während glaubensbezogene bzw. religiös orientierte Ziele relativ selten
genannt werden, spielen religiöse Themen durchaus eine Rolle. sie liegen bei immer-
hin 20 % der Nennungen und scheinen damit im Hinblick auf die Zielgruppe durch-
aus respektabel zu sein.
30
Ludwig Metzger
Familien im Blickfeld von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen
1. EinleitungDie folgende Auswertung von ausgewählten Fragestellungen gemeindepädagogi-
scher Praxis im Arbeitsbereich Familienbildung bezieht sich auf neun Praxisberichte
und vier Interviews. Die Praxisberichte wurden erstellt von sechs Gemeindepädagogin-
nen, zwei Gemeindepädagogen und einer ehrenamtlich tätigen Person. Von den sechs
Gemeindepädagoginnen sind fünf in Kirchengemeinden tätig, eine in der Krankenhaus-
seelsorge. Ein Gemeindepädagoge arbeitet in einer Kirchengemeinde, der andere arbei-
tet als Jugendreferent des Evangelischen Jugendwerkes Frankfurt und führt in diesem
Rahmen Familienfreizeiten für Väter und Kinder durch. Die ehrenamtlich tätige Person
arbeitet ebenfalls im Ev. Jugendwerk Frankfurt und ist verantwortlich für Mütter-Kind-
Wochenenden. Hauptamtlich ist sie Bildungsreferentin im „Eine-Welt-Bereich“ bei der
Ev. Frauenhilfe in Deutschland.
Die vier Interviews wurden durchgeführt mit zwei Gemeindepädagoginnen, die in
Kirchengemeinden tätig sind, und zwei Gemeindepädagogen, wobei der eine in einer
Kirchengemeinde arbeitet, der andere auf Dekanatsebene als Jugendreferent. Leider
sind die Interviews mit den beiden Gemeindepädagogen aufgrund technischer Mängel
bei der Aufnahme nicht vollständig.
Folgende Fragestellungen sind für diese Auswertung leitend und werden in den
einzelnen Kapiteln entfaltet:
1. Wie sehen Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen die Situation der
Familie in der gegenwärtigen Gesellschaft? (2.1)
2. Welche Erwatungen haben Familien an die Kirche in der Wahrnehmung von
Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen? (2.2)
3. Welche Formen der Arbeit mit Familien gibt es bei Gemeindepädagoginnen und
Gemeindepädagogen und wie sehen deren Konzeptionen und Ziele aus? (2.3)
4. Welche Stellung hat Familienarbeit in der Gemeinde und im Gesamtkontext der
Gemeindearbeit? (2.4)
Ein Fazit und die Formulierung offener Fragen stehen am Schluss dieser Ausführungen (3.)
Alle folgenden Zitate sind, so weit nichts anderes vermerkt ist, den Praxisberichten1 oder
Interviews entnommen.
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1 Die Praxisberichte können nachgelesen werden unter: http://www.forschung.efh-darmstadt.de/projekte/beschreibungen/familie-leben-lernen.html
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ein Team von ‚wir müssen das managen’“. Zugespitzt gesagt: Die Familie ist
organisiert wie ein Unternehmen und hat wie ein Unternehmen Effizienzsteige-
rung zum Ziel. „Jeder nimmt für sich das Beste mit, optimal möchte ich meine
Zeit gestalten, mit möglichst wenig möglichst viel erreichen“ (Hervorhebung von
mir) Die Kinder sind ausdrücklich in dieses „Effizienzprogramm“ mit einbezo-
gen. „Es wird ihnen (den Familien) ja auch ein Bild vorgezaubert, in der Wer-
bung, in den Medien, wo auch immer, wie man ganz toll sein kann. Das ist viel-
leicht auch so ein Motor, um bestimmte Sachen zu erreichen. Ich denke an
Kinder, die immer einen vollen Stundenplan haben, die viel Programm haben
mittags oder so.“
3. Mit der Leistungsorientierung und der damit verbundenen Hektik des Alltags
geht einher eine gewisse Verödung des Familienalltags. Das jedenfalls kann man
aus den Praxisberichten und Interviews schließen, die in der Familienarbeit auf-
fällig großen Wert auf gemeinsame Erlebnisse legen. Einer formuliert es auch
ausdrücklich: „Diese Erlebnisse kommen im Alltag oft zu kurz“. Nicht von unge-
fähr spielt auf einer Familienfreizeit in einem Praxisbericht das Thema „Träume
und Sehnsüchte“ eine große Rolle. Ferner kann man darauf hinweisen, wie positiv
die Thematik von Ritualen in der Kindererziehung von Eltern in der Arbeit mit
Familien aufgenommen wird (s. 2.2)
2.2 Spiegelung der Erwartungen von Familien an die Kirche in den Praxisberichten und Interviews
Wenn die im vorigen Abschnitt dargestellte Analyse der gesellschaftlichen
Situation von Familien zutrifft, verwundert es nicht, wenn gemeindepädagogische
Arbeit mit Familien zunimmt und Erfolg hat (Das bestätigt auch die Fragebogenun-
tersuchung in diesem Buch). Der Bedarf an konkreter Hilfe und Orientierung, an
Austausch untereinander u.a. ist groß. Daher entstehen vielfach selbstorganisierte
Initiativen von Eltern (genauer gesagt: fast immer von Müttern), die sich u.a. an
Kirchengemeinden wenden und Räume suchen (ein Bericht zählt ca. 50 Anfragen
von Eltern-Kindgruppen an eine Kirchengemeinde innerhalb eines halben Jahres!).
Einige der Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen haben ihre Arbeit in
Anknüpfung an solche Elterninitiativen begonnen. Sehr oft kommen die Anfragen
von Menschen, die der Kirche abwartend und distanziert gegenüberstehen. Dass
Kirchenferne als Zielgruppe von Gemeindepädagogen und Gemeindepädagogen
aber durchaus gewollt sind, kann man aus den Praxisberichten und Interviews an vielen
33
2. Auswertung der Praxisberichte und der Interviews
2.1 Die Situation der Familien in der Gesellschaft aus der Sicht von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen
Nicht aus allen Praxisberichten bzw. Interviews wird unmittelbar erkennbar, dass
eine Analyse und Reflexion der gesellschaftlichen Situation der Familie vorgenommen
und der eigenen Konzeption der Arbeit mit Familien zugrunde gelegt wird. Einige gehen
ausführlich und explizit auf diese Thematik ein, andere begnügen sich mit spärlichen
Hinweisen, bei einem Teil muss man deren Sichtweise indirekt aus der jeweils ent-
wickelten Konzeption erschließen: Die Schlussfolgerungen, die man bei dieser letztge-
nannten Gruppe ziehen kann, weichen in keinem Punkt offensichtlich von der Betrach-
tung der erstgenannten beiden Gruppen ab (das lassen deren Ziele erkennen, die sich
vielfach ohne weiteres auf eine solche Ausgangsposition beziehen lassen und oft nur auf
diesem Hintergrund verständlich sind). Dennoch ist es ein Unterschied, ob eine explizi-
te Auseinandersetzung mit diesem Thema in die Konzeption einfließt oder nicht.
Aus den gemachten Äußerungen zu dieser Problematik in den vorhandenen
Materialien erhält man ein recht einheitliches Bild der gesellschaftliche Situation von
Familien aus der Sicht von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen. Drei
Problembereiche werden dabei besonders hervorgehoben:
1. Familien sind heutzutage stark verunsichert. „Den Kindern fehlt es „an elementa-
ren Regeln des Miteinanders.“ Weder in der Erziehung noch in der Partnerschaft
können die Familien auf allgemein anerkannte Grundsätze zurückgreifen. „Nichts
ist mehr selbstverständlich“. Alles muss ausgehandelt werden. „Heute sind
Arbeitszeiten, Haushalt, Kinderbetreuung etc. Verhandlungsmasse“ und Erzie-
hung ist „ein individualisiertes Geschäft geworden“.
2. Die Familien stehen einer Vielfalt von Anforderungen gegenüber und sind oft
überfordert und erschöpft. Sie haben wenig Zeit und viel Stress. Mobilität und
Flexibilität ist gefordert. Da ist der permanente Druck durch den Arbeitsmarkt,
die Notwendigkeit der Vereinbarung von Beruf und familiären Verpflichtungen
(vorwiegend) bei Müttern, der Druck von der Schule, das Herstellen und die Pfle-
ge von Kontakten (auch für Kinder) usw. Neben den Anforderungen von außen
stehen die selbst gesteckten Ziele, die z.T. Ausdruck der Verinnerlichung von
gesellschaftlichen Normen sind. Darin erscheint die Familie als ein getreues Abbild
unserer leistungs- und konsumorientierten Gesellschaft. In einem Interview hört
sich das so an: Die Familie kommt mir vor „wie so eine Organisationseinheit, so
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 32
fühlen kann. Man erkundigt sich bei Teilnehmern und Teilnehmerinnen bisheriger Frei-
zeiten. Dabei kann es passieren, dass man die Auskunft erhält, „dass man mit denen
mitfahren kann, die sind o.k.“
Aus dieser Äußerung, wie auch aus andern Voten wird deutlich: Diese Menschen
sind zwar oft bereit, sich auf Kirche einzulassen, sie wollen aber nicht vereinnahmt wer-
den. „Über einen langen Zeitraum hat ‚Kirche’ von ihren Mitgliedern erwartet, dass sie
sich in bestehende Traditionen und Strukturen bedingungslos einfügen“, stellt eine
Gemeindepädagogin fest. Bei dieser Einstellung kann ‚Kirche’ nicht bleiben.
2.3 Formen, Konzeptionen und Ziele gemeindepädagogischer Arbeit mit FamilienArbeit mit Familien durch Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen, wie
sie sich in den Praxisbereichten und Interviews darstellt, geschieht in einer Vielfalt der
Formen und Inhalte. Die bunte Palette umfasst folgende Angebote und Maßnahmen:
Es gibt Eltern-Kind-Gruppen, die in der Regel aber faktisch Mutter-Kind-Gruppen
sind, wobei es sich um Mütter mit Kleinkindern handelt. Es gibt aber auch Väter-Kind-
Gruppen. In diesen Gruppen sind die Kinder älter. Die Gruppen kommen auch nicht,
wie die Mutter-Kind-Gruppen, in der Woche, sondern an Wochenenden oder zu
bestimmten Projekten zusammen. Es gibt Väterstammtische.
Es gibt Familienfreizeiten und Familienwochenenden. Es wird auch der Versuch
gemacht, die Familienzentrierung zu durchbrechen und die Freizeiten nicht speziell
für Familien, sondern für „Paare, Singles mit und ohne Kids“ auszuschreiben. Es gibt
Mutter-Kind- und Vater-Kind-Wochenenden (jeweils für ältere Kinder), ferner gemeinsa-
me Ausflüge, Aktionen und Projekte unterschiedlicher Zusammensetzung (meist für
die ganze Familie). Es gibt Gruppen für Alleinerziehende.
Es gibt Familiengottesdienste, Krabbelgottesdienste (die speziell Familien mit
Kleinkindern ansprechen): Meist sind diese Gottesdienste noch verbunden mit
andern Aktionen: eine Kaffeerunde o.ä. schließt sich an, oder der Gottesdienst wird
erweitert zu einem Familienfest oder einem Familiensonntag, die sich jeweils an
Bedürfnissen von Kindern orientieren, aber auch einen thematischen Bezug haben
können (z.B. ein naturbezogenes oder ein ökumenisches Thema).
Eine große Rolle spielt die Gestaltung von Festen (meist für Kinder) bzw. die
aktive Beteiligung von Eltern oder Familien an Gemeindefesten. Es gibt Angebote für
Kinder, in die Eltern in irgendeiner Weise involviert sind (das geht vom „Fasching für
die Kleinsten“, über Aktionen, die vom ev. Kindergarten ausgehen, bis hin zum
Kindergottesdienst).
35
Stellen entnehmen. Dass Arbeit mit Familien als Anregung aus der Mitte der
Gemeinde heraus entsteht, ist eher die Ausnahme; wo es der Fall ist, ist meistens der
gemeindeeigene Kindergarten der Kristallisationspunkt.
Die Frage ist freilich: was erwarten diejenigen Familien, die am Rande der Kirche
stehen, von der Kirche? Wollen Sie nur die Infrastruktur der Gemeinden bzw. der Kirche
nutzen und sonst nichts? So stellt es sich für eine Gemeindepädagogin dar. Sie klagt,
dass es sehr schwer sei, die Mütter „für irgendwelche Fragestellungen oder Probleme zu
interessieren, sei es religiöser, sei es gesellschaftspolitischer Art.“ Die haben einfach
eine Konsumhaltung. „Die Leute, die hier hinkommen, das sind so die zugezogenen,
aus den Großstädten, und da ist einfach Kirche kein Thema mehr, und es wird auch
nicht gewollt. Man sucht halt Kirche schon als nen Ort, die halt Sachen anbieten, damit
man selber mit Kindern was machen kann, also die quasi einen Raum zur Verfügung
stellt.“ An anderer Stelle sagt sie: Die Frauen „wollen das Gespräch über die Kinder …
mehr gibt es da nicht.“ Eine so eindeutige und einseitige Erfahrung gibt es aber in
keinem weiteren Interview oder Bericht.
Die meisten machen durchaus andere Erfahrungen. Eine Gemeindepädagogin
konstatiert zwar, dass die Mütter einer Mutter-Kind-Gruppe „aufgrund einer fehlenden
religiösen Sozialisation mit Formen und Inhalten des sonntäglichen Gottesdienstes
wenig anfangen konnten“, dass sie aber für die Fragen der Bedeutung von Strukturen
und Ritualen für das Leben ihrer Kinder durchaus ansprechbar waren. Auch konstatiert
sie ein Bedürfnis nach neuer Spiritualität. Viele Eltern sind auch „bereit, sich ehrenamt-
lich (zeitlich begrenzt) zu engagieren, da es ja auch um ihre Kinder geht.“
Eine andere Gemeindepädagogin kommt zu dem Ergebnis, „dass junge Familien
einerseits bereit sind, sich für die Kirchengemeinde zu engagieren, andererseits aber
durchaus Erwartungen an die Kirchengemeinde haben, also ihr nicht negativ gegenü-
berstehen“ (welche Erwartungen das sind, sagt sie allerdings nicht).
Eine Gemeindepädagogin berichtet, dass ein Tauferinnerungsgottesdienst, zu
dem Eltern mit getauften 3-6 jährigen Kindern eingeladen wurden, unerwartet großen
Zuspruch erfuhr (ca. 200 Personen).
Ein anderer Bericht nennt als Bedürfnis von Teilnehmerinnen und Teilnehmern von
Familienfreizeiten, „in einem nicht-kommerzialisierten und weitgehend vom Leistungs-
druck befreiten Raum ihrem Wunsch nachzukommen, sich als Familie zu fühlen, Kon-
takte zu knüpfen, Gespräche zu führen, Fragen nach religiöser Erziehung, Werten, Gren-
zen, dem Glauben zu stellen, etwas Nicht-Alltägliches zu tun …“ An anderer Stelle heißt
es, dass Menschen geradezu testen wollen, ob man sich in der Kirche wirklich wohl
34
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 34
sie sich mit Recht zurückziehen.“ Daher stehen in beiden Formen die Auseinander-
setzung mit Themen und Problemen zunächst einmal nicht im Vordergrund. Es geht
erst einmal darum, Familien zu entlasten. Ziel ist es vor allem, Freiräume zu schaf-
fen, Räume der Begegnung, wo Menschen sich zwanglos austauschen können, Räume
der Ruhe und Besinnung, wo Menschen aufatmen können und Kräfte schöpfen
können, Gestaltungs- und Erlebnisräume, wo Menschen aktiv und kreativ werden, ihre
Fähigkeiten einbringen und ihre Umwelt neu entdecken und mit allen Sinnen ent-
schlüsseln und entfalten können, und Erfahrungsräume, wo sie gehört werden und
wo sie ihre Erfahrungen und Bedürfnisse einbringen und neue Erfahrungen machen
können. Es geht ferner darum, Zeit zu haben und Zeit zu geben und sich Zeit zu
nehmen.
Dass die Auseinandersetzung mit Themen und Problemen erst einmal nicht im
Vordergrund steht, bedeutet nicht, dass sie keine Rolle spielt. In Räumen gemein-
samen Lebens kommen die Grundfragen des Lebens und die Probleme des Familien-
alltags oft ganz von selbst zur Sprache. Voraussetzung ist allerdings, dass Vertrauen
entsteht. Eine Gemeindepädagogin berichtet: „Das Vertrauen ist über Jahre gewach-
sen, so dass auch heikle Themen zur Sprache kommen … die Gruppe ist meistens so
stabil, um auch Menschen in großen Lebenskrisen Halt geben zu können und eine
Zeit des Durchatmens zu ermöglichen.“ Eine andere Gemeindepädagogin berichtet
von Freizeiten: „Man spielt, singt, redet, bastelt mit seinen Kindern, ohne das Gefühl
zu haben, anderes sei wichtiger.“ In dieser Atmosphäre wagt man sich auch „an
grundsätzliche Themen, denen man sonst aus dem Weg geht“. So eröffnen sich auch
Möglichkeiten, über Glaubensfragen zu sprechen und die Bibel als Dialogpartner zu
Wort kommen zu lassen. Sehr oft kommen wichtige Themen und Fragen ungeplant
und in Erlebniszusammenhängen oder informellen Gesprächen quasi nebenbei zur
Sprache. Es ist dann die Kunst der Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädago-
gen, aber auch der Gruppe insgesamt, diese Impulse wahrzunehmen und in ange-
messener Weise aufzunehmen. Freilich werden auch von Gemeindepädagoginnen
und Gemeindepädagogen thematische Impulse gesetzt, für die eine Gemein-
depädagogin allerdings folgende grundsätzliche Regel formuliert: Themen müssen
so ausgewählt werden, dass sie 1) „einen möglichst breiten Zugang erlauben“ und
2) „ein deutlich biblischer, kirchlicher oder kirchengeschichtlicher Bezug möglich
ist.“ Der Unterschied zwischen den ersten beiden Grundformen ist kein absoluter
Gegensatz. Es gibt gleitende Übergänge. Dennoch sind die Akzentsetzungen ver-
schieden.
37
Es gibt Thementage und Gesprächsreihen in Seminarform, wo vor allen Dingen
Erziehungsfragen und religiöse Fragen (Glaubensfragen) eine zentrale Rolle spielen.
Es gibt Angebote im Zusammenhang mit der Taufe, die gemeinsam mit Pfarrern/
Pfarrerinnen durch geführt werden: Taufvorbereitungs- und Taufnachbereitungs-
gespräche, Tauferinnerungsgottesdienste.
Es geht aber manchmal auch einfach darum, eine Infrastruktur für selbstorganisierte
Eltern-Kind-Gruppen bereitzustellen.
In direktem Zusammenhang mit Familienarbeit oder in ihrem Umfeld gibt es
noch weitere Angebote: kulturelle Angebote (wie z.B. Puppentheater, Kinderkultur-
woche, Basteln von Krippenfiguren und Aufführung eines Krippenspiels), Flohmarkt,
Organisierung von Babysitting, Kleiderbasare u.a.6
Hervorzuheben ist: Bei der Planung und Durchführung der meisten Angebote
gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien sind Ehrenamtliche (in der Regel
Eltern) einbezogen.
Bei dem Versuch, die Vielfalt gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien zu
ordnen und zu bündeln, unterscheide ich fünf Grundformen:
1. Veranstaltungen, die ein Gegengewicht zum Alltag schaffen wollen
2. Veranstaltungen, die den Familienalltag begleiten und stützen wollen
3. Gottesdienste
4. Thematische Angebote
5. Beratung und Seelsorge
Zwischen den ersten beiden Grundformen gibt es eine Reihe von gemeinsamen
Merkmalen und Zielen. Bei beiden Grundformen ist es fast durchweg ein Anliegen
der Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen, „niederschwellige Angebote“
zu machen. Das geschieht nicht nur deswegen, weil es die Arbeit mit Familien vor-
wiegend mit Menschen zu tun hat, die der Kirche kritisch oder distanziert gegen-
überstehen (s.o.), sondern hat noch einen anderen Grund: Wir haben es „mit einer
Gruppe von Menschen zu tun, an die extreme Anforderungen gestellt werden. Als
Kirche agieren wir in ihrer Freizeit – dessen müssen wir uns bewusst sein. Wir können
nicht noch mehr Forderungen an sie stellen, noch mehr Druck aufbauen, sonst werden
36
6 Ein Sonderfall stellt der Bericht einer Gemeindepädagogin in der Krankenhausseelsorge dar. Für sie istKrankenhausseelsorge „immer ,Famielienseelsorge’“. Familienarbeit „findet nicht in dafür eingerichtetenKreisen oder Gruppen statt (wie in der Gemeinde), sondern ist bisher eher eine Deutung der eigenenArbeit, so wie ich sie verstehe“. Der systemische Ansatz ist der Hintergrund dieser Betrachtung.
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der Bedarf an Seelsorge und Beratung, der, sofern er nicht von der Gruppe selbst auf-
genommen wird, zu entsprechenden Anfragen an Fachkräfte führt. (Grundform fünf).
Einige Gemeindepädagogen/Gemeindepädagoginnen haben diese Vorgehens-
weise zu ihrem Konzept gemacht; d.h. sie beziehen ihre Angebote der Grundform drei
und vier (manchmal auch fünf) auf die Gruppen der Grundform zwei (aber auch der
Grundform eins) und nehmen deren Anregungen und Impulse auf. Das bezieht die
Betroffenen in die Planung mit ein und verhindert, dass die Angebote der Grundform
drei und vier (fünf), die ja kein niederschwelliges Angebot sind, ohne Bezug zu konsta-
tierten Bedürfnissen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern konzipiert werden. Andere
Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen machen aber Angebote der Grund-
form drei und vier auch ohne diesen Bezug und suchen u.U. damit neue Zielgruppen zu
gewinnen. Aber auch da werden diese Angebote in der Regel so geplant, dass sie in
einem bestimmten Kontext stehen.
2.3.3 Die dritte Grundform gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien
Gottesdienste werden selten isoliert geplant, sondern stehen, wie gesagt, in
einem Kontext. Dieser Kontext ermöglicht in irgendeiner Weise einen gemeinsamen
Lebensvollzug oder erweiterten Gesprächszusammenhang. Es handelt sich etwa um
ein anschließendes Beisammensein, ein Familienfest, einen Laternenumzug oder
einen ganzen Familiensonntag. Eine Gemeindepädagogin berichtet, dass der Krabbel-
gottesdienst Teil des jährlichen Kerbegeschehens geworden ist und großen Zulauf fin-
det. So weit ich das aus den Berichten und Interviews erkennen kann, sind an der Kon-
zeptionierung und Durchführung in Kirche oder Gemeindehaus jeweils auch Pfarrer
oder Pfarrerinnen beteiligt (anders ist es bei Gottesdiensten oder Andachten auf Frei-
zeiten). Es ist das Bestreben dieser Gottesdienste, die Teilnehmer und Teilnehmerin-
nen (Erwachsene und vor allem Kinder) in einem höheren Maße in das Geschehen
einzubeziehen als in den gewöhnlichen Sonntagsgottesdiensten. Symbole, Rituale,
(Segen, Handauflegung, Kreuzeszeichen, Kerze anzünden u.a.), Aktionen, hautnahe
Erfahrungen spielen eine größere Rolle (z.B. Betasten einer Baumrinde, Pflanzen von
Sonnenblumenkernen im Zusammenhang mit dem Thema Schöpfung, Ausdrücken
von Gebetsanliegen oder Liedern mit den Händen oder dem ganzen Körper). Mit
Dank- und Klagerunden werden an einigen Orten die Alltagserfahrungen der Familien
aufgenommen (dies geschieht auch auf Freizeiten). Biblische Geschichten werden
nicht nur durch Erzählung, sondern auch durch Visualisierung oder Darstellung für
Kinder erlebbar gemacht. Es wird eine Elementarisierung theologischer Inhalte ange-
39
2.3.1. Die erste Grundform gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien
In der ersten Grundform liegt der Akzent vor allem darauf, Menschen Gegen-
erfahrungen zum (Familien-)Alltag zu ermöglichen. Dabei handelt es sich in der Regel
um punktuelle und intensive Gegenerfahrungen, die als Auszeit vom hektischen oder
belastenden Alltag verstanden werden: Dazu eignen sich besonders Freizeiten, aber
auch Ausflüge und andere Aktionen und Projekte: z.B. erleben auf einem Wochenende
für Väter und Kinder die Väter ihre Kinder und die Kinder ihre Väter in ganz anderen
Bezügen als im Alltag, intensive gemeinsame Erlebnisse werden bewusst inszeniert und
dienen der Vertiefung der Beziehungen. Auf einem Mutter-Kind-Wochenende wird
bewusst angestrebt, dass Mütter einmal aus ihrem Alltag aussteigen können und sich
verwöhnen lassen. Sie werden angeregt, ihren Träumen und Sehnsüchten nachzuspüren
und darüber ins Gespräch zu kommen. Daneben stehen gemeinsame Aktionen der
Mütter mit den Kindern. Natürlich gehört zu dieser Zielsetzung auch, Elemente der
Gegenerfahrungen für den Alltag fruchtbar zu machen, indem sie bewusst gemacht und
ihrer Bedeutung für eine veränderte Alltagsbewältigung reflektiert werden.
2.3.2 Die zweite Grundform gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien
In der zweiten Grundform geht es stärker um kontinuierliche Erfahrungen, um
Gestaltung gemeinsamen Lebens über einen längeren Zeitraum. Das geschieht vor
allem in Mutter-Kind-Gruppen, gelegentlich aber auch in andern Gruppen wie Vater-
Kind-Gruppe, Väterstammtisch oder Gruppe Alleinerziehender u.a. Diese Gruppen
haben tendenziell Selbsthilfecharakter oder werden von Gemeindepädagogen und
Gemeindepädagoginnen begleitet und unterstützt. Es wird ein Raum geschaffen, wo
Menschen nicht so sehr Abstand vom Alltag bekommen sollen, sondern eher einen Teil
ihres Alltags gemeinsam verbringen können. Man könnte sagen: ein Teil des Famili-
enalltags wird in die Gemeinde verlegt. Von Alltag kann man insofern sprechen, als die
Menschen, die da zusammenkommen, in unverbindlicher und nicht-spezifisch gepräg-
ter Weise, also ohne spezielle Zielrichtung, zusammenleben. Gerade das Unspezifische
ist aber Kennzeichen des (Familien-)Alltags. Dass sich daraus gezielte und verbindlich
Vorhaben entwickeln können (aber nicht müssen), ist ebenfalls Kennzeichen von All-
tagswirklichkeit. So können dort stattfindende Gruppenprozesse zu Verdichtungen
führen und andere Arbeitsformen aus sich heraussetzen. Es kann der Entschluss entste-
hen zu gemeinsamen Unternehmungen (Freizeit, Ausflüge oder andere Aktionen), die
eher der ersten Grundform entsprechen, oder es entsteht der Wunsch zu gemeinsamen
Gottesdiensten oder Themenabenden (Grundform drei bzw. vier), oder es ergibt sich
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 38
2.3.5 Die fünfte Grundform gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien
Beratung und Seelsorge geschieht oft in den Gruppen untereinander. Ich weise auf
die Aussage einer Gemeindepädagogin hin, die von ihren Freizeiterfahrungen sagt (s.o.)
„Das Vertrauen ist über Jahre gewachsen, so dass auch heikle Themen zur Sprache kom-
men … die Gruppe ist meistens so stabil, um auch Menschen in großen Lebenskrisen
Halt geben zu können und eine Zeit des Durchatmens zu ermöglichen.“
Ob in der Arbeit mit Familien auch als solche ausgewiesene Beratungsangebote
von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen gemacht werden sollen, wird in
den Praxisberichten und den Interviews unterschiedlich beurteilt. Bei den meisten spielt
diese Frage keine erkennbare Rolle, andere lehnen eigene Beratungsangebote mit Hin-
weis auf mangelnde Qualifikation ausdrücklich ab und verweisen auf Fachkräfte (Pfarrer,
Therapeuten, Beratungsstellen usw.). Das heißt natürlich nicht, dass sie sich jeglichem
Beratungsgespräch, das sich aus der Gruppenbegegnung ergibt und Alltagssituationen
betrifft, verweigern. Beratung als eine Dimension gemeindepädagogischen Handelns,
die aus Gruppenprozessen erwächst oder am Rande von Gruppengeschehen vor-
kommt, ist unbestritten. Es besagt nur, dass in schwierigen Fällen deutlich die Grenzen
gesehen werden. Andere Gemeindepädagogen/Gemeindepädagoginnen (meist solche
mit Zusatzqualifikation) machen ausdrücklich Beratungsangebote. Es gehört zu ihrem
Konzept der Familienarbeit.
Dass Seelsorge und Beratung ausdrücklich der Fokus von Familienarbeit ist, ver-
steht sich für den Bericht einer Gemeindepädagogin über ihre Tätigkeit als Kranken-
hausseelsorgerin von selbst. Für sie sind Familien „sich entwickelnde und auf je neuer
Stufe sich selber organisierende Systeme“. Durch die Krankheit eines Familienmit-
gliedes und die damit sich ergebenden Veränderungen und Krisen sind Familien als
ganze herausgefordert ist, sich weiterzuentwickeln. „Seelsorge kann aber Orte und
Räume eröffnen, wo solche Entwicklungen unterstützt, Schwierigkeiten besprochen und
neue Bewältigungsstrategien eingeübt werden.“ Erkrankungen sind dabei „Vorboten
nötigen Wandels“.
2.4 Familie und Gemeinde – Zusammenhänge und SpannungenDie Praxisberichte und Interviews vermitteln insgesamt den Eindruck, dass Arbeit
mit Familien sich lohnt (was immer das im einzelnen heißt). Die Gemeindepädago-
ginnen und Gemeindepädagogen erhalten auch sehr viele entsprechende Rückmel-
dungen. Sie arbeiten mehrheitlich auch ganz offensichtlich gerne in diesem Arbeitsfeld.
Einige berichten von „Highlights“ in ihrem Berufsleben (z.B. auf Freizeiten, aber nicht
41
strebt, die sowohl Kinder wie Erwachsene erreicht (eine Gemeindepädagogin berich-
tet, dass die „elementarisierte Form des Kindergottesdienstes“ Mütter und vor allem
Väter als Zuhörer anzieht!).
Verkündigungsinhalte sind entweder biblische Geschichten oder bestimmte
Themen wie kirchenjahrsbezogene Themen (Advent, Weihnachten, Ostern, Ernte-
dank, St. Martin usw.) Gebet, Schöpfung, Taufe, Urlaub, Freundschaft oder symbol-
bezogene Themen (Licht, Wasser, Kerze, Hände, Gesicht usw.)
2.3.4 Die vierte Grundform gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien
Es wurde schon darauf hingewiesen, dass Themen, Fragen und Probleme in der
gemeindepädagogischen Arbeit mit Familien sich stärker aus dem Zusammenleben und
den daraus sich entstehenden Gruppenprozessen ergeben und auf diese Weise zur
Sprache kommen und nicht, indem sie zur Grundlage einer im voraus geplanten Einheit
werden. Das heißt aber nicht, dass dies nicht vorkäme. Vielfach werden solche Einhei-
ten z.B. vorneherein auf einer Freizeit eingeplant. Sie werden aber auch ganz unabhän-
gig von den von den Grundformen eins und zwei angeboten. Allerdings sind solche
Angebote entweder von bestehenden Gruppen der Familienarbeit angeregt worden oder
sie sind, wenn sie, wie in einem Fall geschehen, durch den Impuls eines Ausschusses
des Kirchenvorstandes zustande gekommen sind, durch Elternvertreter mit vorbereitet,
geplant und durchgeführt worden.
Themen solcher Veranstaltungen sind vor allem Fragen der Erziehung, speziell der
religiösen Erziehung, und Glaubensfragen. In einer Gemeinde läuft eine Gesprächs-
reihe, die, wie schon erwähnt, der Begleitung von Taufeltern dient. Sie steht unter der
Überschrift „Leben, Glauben, Erziehen“ und wird von einem Pfarrer, einer Gemein-
depädagogin und vier Ehrenamtlichen durchgeführt. Eine vergleichbare Reihe (auch in
Kooperation mit einer Pfarrerin) ist in einer anderen Gemeinde geplant. In der erst
genannten Gemeinde läuft eine weitere Gesprächsreihe, die Eltern mit älteren Kindern
als Zielgruppe hat und unter dem Motto „Glaubenswege-Lebenswege“ steht. In einer
anderen Gemeinde sind solche religionspädagogischen Angebote in ein Rahmen-
programm eingebettet, das „Familie in Aktion“ heißt. Da gibt es unterschiedliche
Aktionen (Ausflüge, kreative Angebote, Fasching für die Kleinsten) aber auch religions-
pädagogische Themenabende.
Themen solcher Angebote sind z.B.: Gottesvorstellung von Kindern, Taufe, Paten-
amt, mit Kindern über Tod reden, mit Kindern beten, Kinder Grenzen setzen, Engel und
Co., warum hängt der Mann am Kreuz?, Auferstehung.
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boten unterscheidet, wahrgenommen und (mindestens als ein Angebot) auch
akzeptiert (wie unterschiedlich das Unterscheidungsmerkmal der Kirche von
andern Einrichtungen für jeden einzelnen sich auch darstellen mag).
2. Man kann Arbeit mit Familien teilweise als „Gemeinde auf Zeit“ verstehen (z.B.
auf Freizeiten). Das trifft aber m.E. nicht den Kern der Sache. Denn obwohl die
Teilnehmer und Teilnehmern kirchlicher/gemeindlicher Familienveranstaltun-
gen sich in der Regel offensichtlich allenfalls nur mit Teilen der bestehenden
Institutionen Kirche und Gemeinde identifizieren können und wollen und einer
weitergehenden Vereinnahmung durch diese Institutionen sich (mindestens
zunächst einmal) entziehen, heißt das nicht, dass sie keine Kontinuität suchen.
Nur punktuelle Begegnungen mit Kirche und Evangelium in großen zeitlichen
Abständen ist nicht das, was den meisten vorschwebt. Die Kontinuität wird frei-
lich nicht mehr gesucht, indem man sich einer Institution und deren Rahmen-
bedingungen einfügt, sondern indem man Erfahrungen verschiedener Zeiten
und verschiedener Orte miteinander verknüpft. Die Kontinuität wird also von
den einzelnen Personen oder Familien selbst hergestellt. Sie wird z. B. herge-
stellt, indem man Freizeiten wiederholt besucht oder indem man Erfahrungen
unterschiedlicher Orte (Gemeindehaus in der Parochie, Einrichtungen auf
Dekanatsebene, Freizeitheime usw.) miteinander verknüpft. Die Örtlichkeit hat
dabei nach wie vor eine große Bedeutung als Haftpunkt für die eigene Veranke-
rung. Diese Orte haben für die Menschen eine hohe Bedeutung in dem Maße,
in dem intensive Begegnungen ermöglicht werden, sowie für das Verstehen
und die Bewältigung des eigenen Lebens bedeutsame Inhalte zur Sprache kom-
men. Die Menschen identifizieren sich weniger mit Institutionen als mit Orten,
wo sie für sie relevante Erfahrungen machen. Das kann Kirche vor Ort sein oder
ein Netz von kirchlichen Orten (vielleicht auch nichtkirchlichen Orten): Es sind
Orte, wo man auftanken kann, Orte wo man solidarische Gemeinschaft erleben
und neue Perspektiven gewinnen kann usw. Dort kann dann durchaus so etwas
entstehen wie ein Gefühl, zu Hause zu sein 8 (wobei es in der Regel mehrere
solcher Orte geben wird). Wir haben es hier mit einem neuen Typ von Ver-
gemeinschaftung zu tun, der sicher nicht nur in der Arbeit mit Familien anzu-
treffen ist.
3. Wie dies mit „traditioneller Gemeindearbeit“ zusammenpasst und ob es da zu
einer fruchtbaren Begegnung von „bisher vorhandener Gemeinde“ und „im
Entstehen begriffener Gemeinde der Familienarbeit“ kommt, hängt weitgehend
43
nur dort). Welche Bedeutung die Erfahrungen, die Betroffene in diesem gemeindlichen
Arbeitsfeld machen, und welche Bedeutung Gemeinde bzw. Kirche für sie genau hat,
lässt sich allerdings aus den Berichten und Interviews schwer erheben. Dazu bedürfte es
einer eigenen Untersuchung, die bei denen ansetzt, die dieses gemeindlichen Angebote
in Anspruch nehmen.
Trotzdem gibt es einige interessante Hinweise. Der Grad der Identifikation mit
Kirche bzw. Gemeinde ist, wie schon erwähnt, unterschiedlich. Sicher gibt es Men-
schen, die mit Kirche nichts oder nicht viel anfangen können und nur die Infrastruk-
tur der Gemeinde nutzen wollen. Aber es handelt sich dabei offenbar um eine Min-
derheit (s.o.). Die Mehrzahl scheint durchaus auf der Suche nach Halt, Orientierung
und (auch religiöser) Sinnsuche. Aus den Berichten und Interviews kann man erse-
hen, dass die Gottesdienstangebote, sofern sie auf die Zielgruppe zugeschnitten
sind, die Andachten, religiösen Rituale usw. innerhalb des Gesamtspektrums der
Arbeit mit Familien – jedenfalls mehrheitlich – keineswegs ein Schattendasein
führen. Ob und inwieweit sich die Betroffenen auch als Gemeinde verstehen, muss
zunächst einmal offen bleiben. Denn der Anteil von vorneherein „Kirchentreuen“ ist
in der Arbeit mit Familien offenbar genauso gering wie derjenige, der von Kirche gar
nichts erwartet. Welche Prozesse der Gemeindewerdung mit denjenigen stattfinden,
die der Kirche einerseits abwartend bis distanziert, aber nicht ohne Hoffnung
gegenüberstehen bzw. -standen7 (und das scheint die Mehrheit derer zu sein, mit
denen es Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen in der Arbeit zu tun
haben), wäre einer eigenen Untersuchung wert.
Ein paar Feststellungen wird man aber wohl – bei aller Vorsicht – treffen können:
1. Die kirchlichen Angebote werden mehrheitlich nicht nur in irgendeiner Weise
als für die eigene Lebenssituation hilfreich betrachtet, sie werden auch in ihrer
spezifischen Eigenart als ein kirchliches Angebot, das sich von anderen Ange-
42
7 Eine Gemeindepädagogin hat in Zusammenarbeit mit der Pfarrerin für Krabbelgottesdiensteaufgrund dieser spezifischen Ausprägung der Zielgruppe folgendes methodisches Vorgehenentwickelt. Die Verkündigung geschieht dialogisch, wobei es eine bestimmte Figur gibt, der Rabe„Rülps von Frankenstein“, der von Kirche und christlicher Verkündigung nicht die geringsteAhnung hat, „dumme Fragen“ stellt oder sein Unverständnis (oder auch Vorurteile und Klischees)deutlich und meist übertrieben an den entsprechenden Stellen artikuliert. Dies gibt Kindern, aberauch Eltern die Möglichkeit, sich in ihrer abwartenden oder kritischen Stellung zur Kirche wieder-zufinden und der Gemeindepädagogin die Gelegenheit, offene Fragen ohne belehrende Attitudeoder erhobenen Zeigefinger zu bearbeiten.
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 42
„Kerngemeinde“, dass sich Arbeit mit Familien in den vorhandenen Rahmen
bisheriger Gemeindearbeit einfügen soll, ein bestimmtes Idealbild einer har-
monischen Familie. Danach wird die Gemeinde selbst nach dem Modell einer
harmonischen Familie interpretiert und (nach alter kirchlicher Tradition) als
familia dei, als Familie Gottes, gesehen. Daher wird der Zusammenhalt der
Gemeinde als Familie beschworen. Dieses Idealbild von Familie ist aber aus
zwei Gründen für die heutige Situation von Familien gerade nicht hilfreich:
1) Dieses Idealbild entspricht nicht heutiger Wirklichkeit von Familie, weil sich
in ihr fundamentale Konfliktlinien gegenwärtiger gesellschaftlicher Wirklichkeit
widerspiegeln (s.o.)
2) Gemeinde Jesu Christi ist ihrem Wesen nach keine familia, keine Familie
Gottes. Die Glaubensgeschichte beginnt schon bei Abraham mit einem Aus-
zug aus verwandtschaftlichen Verhältnissen (1. Mose 12,1ff.) und findet indem
Leben Jesu und seine Jünger ihre familienkritische Fortsetzung (Mk.3, 31ff;
10,28-31; Mt.8,19f. u.ö.).9 Der Bibel geht es natürlich nicht darum, die Familie
abzuschaffen, wohl aber darum, sie zu transzendieren. Die Kirche kann von
daher auf biblische Traditionen zurückgreifen, die gerade in der heutigen
Situation weiterhelfen können. Das Problem ist ja, dass Familien in der Regel
überfordert sind und von daher nicht nur vielerlei Anregung und Stützung,
sondern auch Entlastung durch andere Institutionen (die Gemeinde kann eine
davon sein) benötigen. Eine Gemeinde, die sich nach dem Modell der Familie
versteht, ist da gerade nicht hilfreich, sondern verfestigt die Familienzen-
trierung.
3. Anmerkungen und offene FragenDie gemeindepädagogische Arbeit mit Familien, wie sie aus den Praxisberich-
ten und Interviews erkennbar wird, befindet sich m.E. tendenziell auf dem richtigen
Weg, auch wenn nicht überall eine wohl überlegte und alle relevanten Faktoren
reflektierende Konzeption zu erkennen ist. Trotzdem seien einige Anmerkungen oder
offene Fragen formuliert.
45
9 Ekklesiologische Leitvorstellungen, die in den Praxisberichten vorkommen, entsprechen durchausdieser Linie. Genannt werden als solche: „als Volk Gottes unterwegs“, „Nachfolge Jesu“ und „Mensch-werdung des Menschen durch Gottes Verheißung“
von der vorhandenen Gemeinde ab. Besteht auf Seiten der „traditionellen
Gemeinde“ Offenheit und Unvoreingenommenheit, kommt es auch zu Quer-
verbindungen und besteht Aussicht auf Integration der Arbeit mit Familien in
vorhandene gemeindliche Zusammenhänge. Wenn von Offenheit die Rede ist,
geht es nicht um ein verbales Bekenntnis, sondern es meint ganz konkret die
Bereitschaft, sich neuen Herausforderungen, die durch neue Gruppen entste-
hen, zu stellen, und nach sorgsamer Prüfung gegebenenfalls sich und vorhan-
dene Strukturen zu ändern. Wo diese Offenheit nicht da ist, kommt es zu Span-
nungen. Das zeigen die Berichte und Interviews. Die Kirchenvorstände
begrüßen fast überall die Arbeit mit Familien, in einigen Fällen geht die Initiati-
ve dazu sogar von ihnen aus. Es gibt Kirchenvorstände, die in dem eben erläu-
terten Sinn offen und kooperativ sind. Aber es gibt andere, die diese Arbeit
offensichtlich nur als Mittel zum Zweck sehen, als Mittel, um Menschen wieder
an die Kirche zu binden. Die Gretchenfrage ist dann oft, ob durch Familienar-
beit die Zahl der Besucher des sonntäglichen Gottesdienstes steigt oder nicht.
So weit es aus den Berichten und Interviews zu erkennen ist, widerstehen die
Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen durchweg solchen Sicht-
weisen: Denn im Vordergrund steht für sie der Gesichtpunkt der hilfreichen
und unterstützenden Begleitung der Familien. Wenn sich daraus auch eine
Stärkung der Gemeinde ergibt, so ist das ein (durchaus erwünschter und
gewollter) Nebeneffekt. Aber eine Instrumentalisierung der Arbeit mit Familien
für den Gemeindeaufbau wird (mit Recht) abgelehnt.
4. Man kann die eben beschriebene Konfliktlinie vielleicht auch anders verstehen.
Vermutlich steht bewusst oder unbewusst hinter dem Wunsch einer traditionellen
44
8 Diesem Gefühl geben z.B. Eltern dadurch Ausdruck, dass sie, wie in einem Bericht zu lesen ist,Wert darauf legen, dass ihr Kind nicht im „normalen“ Sonntagsgottesdienst, sondern im Krabbel-gottesdienst getauft wird. Dort haben sie die Erfahrung des Angenommenseins gemacht.Interessant in diesem Zusammenhang ist, was eine Gemeindepädagogin über ihre Mutter-Kind-Gruppen berichtet. Ich fasse das folgendermaßen zusammen: Diese Gruppe ist offenbar u.a. einOrt, wo unbefangen religiöse Fragen erörtert werden können. Wenn Menschen der InstitutionKirche gegenübertreten, fühlen sie sich oft befangen. Sie befürchten, dass diese Institution irgen-detwas von ihr erwartet, z.B. ein richtiges „Glaubensbekenntnis“ im Taufgespräch mit dem Pfarreroder eine reflektierte Einstellung zur Kirche. Daher möchte man, wenn man dem Pfarrer als demVertreter der Kirche gegenübertritt, für sich selbst möglichst schon Klarheit haben. Die Möglichkeitder unverbindlichen und „gefahrlosen“ Erörterung , der Selbstfindung im Gegenüber zur Instituti-on Kirche bietet offenbar die Mutter-Kind-Gruppe. Sie hat quasi eine „Vorhoffunktion“ und dientals Einübungsfeld für religiöse Gespräche. Hier kann man sich äußern (und Äußerungen andereranhören), ohne das Gefühl zu haben, gleich „festgenagelt“ zu werden.
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 44
Prioritätensetzung nicht auch theoretisch eingeholt und verantwortet wird. Mit
andern Worten: Es fehlt eine Reflexion des gesamten Feldes der Arbeit mit Familien,
aus der sich Prioritätensetzung begründet ableiten ließen.13
3.2. Netzwerke in der Arbeit mit Familien Die vorhandenen Ansätze, Verknüpfungen herzustellen und Netzwerke zu
schaffen zur Stützung von Familien angesichts der vielfältigen Herausforderungen
und Probleme, denen Familien heute gegenüberstehen, sollten m.E. noch verstärkt
werden. Dabei geht es um dreierlei:
1. Es geht um Verknüpfung der Arbeit mit Familien mit anderen gemeindlichen
Arbeitsfeldern. Dies geschieht bereits weitgehend. Wie kaum ein anderer
Arbeitsbereich eignet sich die Arbeit mit Familien, die Versäulung einzelner
Arbeitsfelder zu überwinden. Zu Recht spricht eine Gemeindepädagogin von
der Brückenfunktion der Arbeit mit Familien. Die Verknüpfungsmöglichkeiten
mit Kinder- und Jugendarbeit, Frauen- und Männerarbeit, Projektarbeit u.a. liegen
auf der Hand.14
2. Es geht um Schaffung familiärer Netzwerke, die bei der Bewältigung konkreter
Alltagsprobleme hilfreich sind.15 Über die konkrete gegenseitige Hilfe, die vor
allem in Mutter-Kind-Gruppen gegenwärtig bereits geschieht, hinaus könnte
eine Angebotstruktur aufgebaut werden, die noch mehr umfasst als Organisie-
rung von Babysitting. Daran könnten sich bestehende Gruppen beteiligen und
über die Gemeindegrenzen hinaus wirksam werden; mit andern Worten: eine
stärkere Gemeinwesenorientierung könnte erfolgen. Geht man stärker von den
in einer Region vorhandenen Problemlagen aus, könnte auch eine zu starke
Fixierung auf Familien vermieden und deren Probleme stärker als eine gesell-
schaftlichen Gesamtproblematik begriffen werden, die auch andere Bereiche
und Gruppen betrifft.
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13 Diese Forderung richtet sich gar nicht in erster Linie an die Praktiker und Praktikerinnen, sondernan die gemeindepädagogische Theoriebildung (aber nicht nur an diese).
14 Es geht übrigens auch um den Ausbau der Verknüpfung verschiedener Ebenen kirchlicher Arbeit(Gemeinde, Zusammenarbeit verschiedener Gemeinden, Dekanat, Familienbildungsstätten,
Krankenhausseelsorge usw.)
15 Für den Aufbau eines solchen Netzwerkes plädiert auch die in der Krankenhausseelsorge tätige Gemeindepädagogin.
3.1. Zielgruppen innerhalb der Arbeit mit Familien Die gemeindepädagogische Arbeit mit Familien, so wie sie durch die neun
Praxisberichte und vier Interviews ansichtig wird, hat stets bestimmte Zielgruppen
innerhalb des Spektrums der Arbeit mit Familien im Auge. Dabei dominiert die Ziel-
gruppe Eltern mit Kleinkindern gegenüber der Zielgruppe Eltern mit Kindern bis 12 Jah-
ren, während die Zielgruppe Eltern mit Kindern in der Pubertät oder in der Adoleszenz
fast gar nicht vorkommt. Wird innerhalb der Elternschaft noch einmal unterschie-
den, gibt es einen eindeutigen Vorrang der Arbeit mit Müttern gegenüber der mit
Vätern. Letzteres ist sicher damit zu erklären, dass Mütter die Hauptlast der Verant-
wortung innerhalb der Familie zu tragen haben, was als solches ja auch wieder ein
Problem ist. Dass Familien mit Kindern ab der Pubertät fast gar nicht Zielgruppe
sind, lässt sich wohl von daher erklären, dass Jugendliche und ihre Eltern sich im
wechselseitigen Ablöseprozess befinden. Gemeindepädagogische Arbeit mit Familien
setzt also vor allem dort an, wo innerhalb der Familie die größte Nähe zwischen Men-
schen vorkommt. Dafür steht quasi die Beziehung der Mütter zu Kleinkindern. Je mehr
der andere Pol der Familienwirklichkeit, Distanz und Ablösung, also Phasen des
Übergangs, ins Spiel kommen, umso weniger erfährt die Familie die Aufmerksamkeit
der Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen.10 Man mag das richtig finden,
etwa mit der Begründung, dass die Problematik der Ablösung in anderem Rahmen
thematisiert wird (z.B. in der Jugendarbeit).
Was aber problematisch ist, ist die Tatsache, dass die Frage der Auswahl der
Zielgruppen in der theoretischen Erörterung fast ganz fehlt.11 Man hat den Eindruck,
dass die Prioritäten deswegen so gesetzt worden sind, weil das Problem der Mütter
mit Kleinkindern durch deren wiederholte Anfragen (s.o.) den Gemeinden quasi „vor
die Füße gefallen“ ist.12 Dieser Ansatz bei den Problemen, denen man unmittelbar
begegnet, ist gar nicht zu kritisieren. Problematisch ist es aber, wenn auf Dauer diese
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10 Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass das Verhältnis der Großeltern zu den Enkeln und das derErwachsenen zu ihren Eltern in den Praxisberichten und Interviews ebenfalls keine Rolle spielt. Ein etwas anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn man die Fragebogenuntersuchung allerGemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen in der Ev. Kirche in Hassen und Nassau heranzieht (siehe Aufsatz von Horst Peter Pohl, ab S. 23)
11 Immerhin besteht die Gefahr, dass damit ein status quo gedankenlos fortgeführt wird.
12 Eine wichtige Rolle spielt allerdings ohne Zweifel auch, dass alle Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen, die einen Praxisbericht geschrieben haben oder interviewt worden sind,selbst Familien mit Kindern haben und in der Regel für die Zielgruppe, die dem Alter der eigenenKinder entspricht, Veranstaltungen anbieten.
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 46
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Nicole Piroth
Gemeindepädagogische Angebote für Familien aus biographischer Perspektive
EinleitungDie Zeit der Familiengründung ist eine biographische Umbruchsituation: der
Übergang vom Paar zur Familie muss gestaltet und bewältigt, die Aufteilung von
Familien- und Berufsarbeit muss zwischen den Partnern verhandelt und das Alltags-
leben neu organisiert werden. In den vergangenen Jahren ist die Bedeutung der
Kasualpraxis der Kirche zur Begleitung solcher biographischer Wendepunkte wieder
verstärkt diskutiert worden: „Das Kasualgespräch gehört zu den wenigen institutio-
nalisierten Gelegenheiten für eine biographische Selbstdarstellung. (…) Sie sind
zunächst ein Anlaß, das Ausmaß der Lebensveränderung zu reflektieren, das Ereig-
nis wahrzunehmen und zu deuten. So werden sie zu einem Element in der Verarbei-
tung eines Lebensereignisses, das neue Orientierungen und Perspektiven eröffnet.“
(Böhm 1995, 189 ff.) Religions- und kirchensoziologische Untersuchungen der letz-
ten Jahre zeigen die hohe Bedeutung, die die kirchlichen Amtshandlungen nach wie
vor besitzen. Insbesondere die Taufe eines Kindes als kirchliche Begleitung eines
neuen Lebensabschnitts erfreut sich hoher Beliebtheit. Im Vergleich zu den beiden
Jahrzehnten zuvor hat die Taufbereitschaft sogar wieder erkennbar zugenommen:
Nach der letzten EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft wollen sich 93% der
westdeutschen und 88% der ostdeutschen Kirchenmitglieder für die Taufe ihres Kin-
des entscheiden: „Es bleibt auch nicht nur bei der Absichtserklärung: 94% der Kir-
chenmitglieder geben an, daß alle ihre Kinder getauft sind. Und sogar ein Fünftel der
Konfessionslosen will sich für die Taufe der eigenen Kinder entscheiden.“ (Engel-
hardt u.a. 1997, 9) Doch was passiert nach diesem Ereignis der Taufe? Welche Unter-
stützungsmöglichkeiten bietet die evangelische Kirche zur weiteren Orientierung
und Bewältigung des neuen familiären Alltags?
Eine solche Möglichkeit der Unterstützung und Begleitung von Familien im
kirchlichen Umfeld scheinen zunehmend die gemeindepädagogischen Arbeitsfelder
der Kirche zu bieten. Die Darmstädter Sektion Gemeindepädagogik formuliert 1995
als Ergebnis eines Forschungsprojekts über gemeindepädagogische Arbeit die
These: „In der gemeindepädagogischen Arbeit besteht eine Veränderung vom
Arbeitsfeld Kinder- und Jugendarbeit hin zur Familienarbeit.“ (Barth 1995, 313)2 Des
weiteren wird dort ausgeführt, dass „Gemeindepädagogen/Gemeindepädagoginnen
2 Diese Vermutung wird bestätigt durch eine quantitative Befragung aller gemeindepädagogischenMitarbeitenden in der EKHN, vgl. den Beitrag von H.P. Pohl in diesem Buch.
3. Es geht um eine Vernetzung der in einer Region in der Arbeit mit Familien vor-
handenen Institutionen, Einrichtungen, Gruppen und Initiativen zur Koordinie-
rung und besseren Nutzung vorhandener Ressourcen im Interesse der Betrof-
fenen.16 Die hier bereits vorhandenen Ansätze sind ohne Zweifel ausbaufähig.
Zusammenarbeit mit anderen Trägern von Arbeit mit Familien geschieht noch
zu wenig. Im Zusammenspiel der verschiedenen Kräfte sollte allerdings das
vorhandene religionspädagogische Profil der kirchlichen/gemeindlichen Arbeit
mit Familien nicht verloren gehen. Dieses Profil könnte aber gerade in der
Zusammenarbeit mit andern Trägern der Arbeit mit Familien (in Ergänzung zu
anderen Profilen) verdeutlicht werden.
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16 Die Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen, die sich darüber äußern, geben ausnahms-los an, dass sie im wesentlichen nur „Mittelschicht“ erreichen mit ihrer Arbeit. Um dies zu ändern, isteine Gesamtkonzeption in einer Region erforderlich, die auch diejenigen Institutionen und Initiativenmit einbezieht, die es mit anderen sozialen Schichten zu tun hat.
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 48
1.1 Marita PetschekZugangswege zur gemeindepädagogischen Arbeit:
„Für mich war Kirche immer schon so ne zweite Heimat“Marita Petschek ist 36 Jahre alt, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern im
Alter von neun und elf Jahren. Sie arbeitet als technische Zeichnerin auf reduzierter
Stelle mit 30 Wochenstunden. Marita Petschek wohnt seit vier Jahren - dem Zeit-
punkt der Trennung von ihrem Ehemann - im Bezirk ihrer Kirchengemeinde und ist
dort bei Angeboten für Kinder und Familien engagiert. Sie singt außerdem in einem
selbstorganisierten Musical- und Gospelchor, der in den Räumen ihrer Kirchenge-
meinde probt.
Für Marita Petschek „war Kirche immer schon so ne zweite Heimat (lacht) in
irgend ner Form. In unserer Heimatkirche war das auch so, weil man dann halt von der
Jugendgruppe her oder vom Musizierkreis oder so was gemacht hat, so dass ich eigentlich
schon immer von klein auf in dem Gebäude Kirche mich heimisch gefühlt hab, und in der
Gemeinde, wo ich zugehörig war“. Besonders bedeutsam war für sie der kirchliche
Hintergrund aufgrund ihrer damaligen Lebenssituation: „ich hatte ne relativ schwere
Kindheit, meine Mutter ist früh gestorben und mit meiner Stiefmutter kam ich lange nicht
klar. Für mich war eigentlich die Jugendgruppe so’n Auffangbecken. Für vieles. Ich denke,
hätt ich das nicht gehabt und vielleicht auch meinen Sport nicht, dann wäre meine, über-
haupt mein ganzes Leben anders verlaufen“. In ihrer damaligen ländlichen Heimatge-
meinde wurde ihre Jugendgruppe vom Pfarrer und dem Dekanatsjugendwart punk-
tuell begleitet und unterstützt. Der Jugendwart ermunterte die Jugendlichen, auch
einmal gemeinsam einen Gottesdienst zu gestalten, eine Erfahrung, die Marita Pet-
schek nicht missen möchte, denn dies sei ein schönes Gefühl gewesen, „da oben zu
stehen und vielleicht selber mal zu versuchen, da was zu vermitteln, das mal in seine eigenen
Gedanken reinzubringen“.
Marita Petschek war der Kirche daher stets eng verbunden und ein Kirchenaus-
tritt wurde von ihr nie in Betracht gezogen. Allerdings beschreibt sie Phasen unter-
schiedlich starker Beteiligung am kirchlichen Leben, denn ihr Ehemann stand der
Kirche sehr ablehnend gegenüber, hielt das alles für „Humbug“ wo man nur Geld
einbezahlt und nichts zurückbekommt: „Also der hat’s überhaupt nicht mit Kirche
gehabt und hat das dann, je älter sie [die Kinder] wurden, immer ein bisschen abge-
bremst. Weil, eigentlich, ja, die Zeit ist ihm zu schade. Da hat er ziemlich gebremst. Also,
ich war halt jemand, der sogar angefragt worden ist, ob ich zum Kirchenvorstand mit-
komme, weil ich halt aktiv bin und so, ich wusste einfach von vorneherein, wenn da der
51
– auf andere Weise als in der Kasualbegleitung – an den Schnittstellen des Lebens
präsent sind. (…) Die gesprächsbereite, zuhörende und beratende Kompetenz der
Gemeindepädagogen/ Gemeindepädagoginnen macht dies, außerhalb des Rah-
mens eines allgemein verabredeten Rituals (…) möglich. (…) Menschen in diesen
Situationen nicht allein zu lassen, sondern Verbindungen zu anderen herzustellen,
vernetzend zu wirken – damit stellen Gemeindepädagogen/Gemeindepädagogin-
nen neue Lebenszusammenhänge, -bezüge her.“ (ebd., 312)
Wie solche gemeindepädagogischen Angebote aussehen und welche Bedeu-
tung sie für Familien besitzen, zur Beantwortung dieser Frage sollen in diesem Auf-
satz einmal die Teilnehmenden selbst mit ihren Erfahrungen zu Wort kommen. Zwei
Beispiele sollen im folgenden Kapitel 1 vorgestellt werden: die alleinerziehende Mut-
ter von zwei Kindern Marita Petschek und die Eltern zweier Kinder, die Eheleute
Lösch.3 Im Anschluss an die Falldarstellungen werden in Kapitel 2 die Interviews
anhand dieser Fragestellungen verglichen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten
dargestellt. Kapitel 3 zieht ein Resümee der Chancen und Grenzen gemeindepädago-
gischer Arbeit mit Familien.
1. Zwei Begegnungen mit gemeindepädagogischen Angeboten für FamilienDie Darstellung der Fallbeispiele in Kapitel 1 orientiert sich an folgenden Frage-
stellungen:
1. Was war Anlass zur Beteiligung an gemeindepädagogischen Angeboten für
Familien?
2. An welchen Angeboten und in welcher Häufigkeit und Intensität nehmen die
Befragten teil?
3. Welchen Stellenwert hat die Beteiligung an den gemeindepädagogischen Ange-
boten im eigenen Leben, welche Erfahrungen und Lernprozesse werden hier
gemacht?
4. Welche Funktion hat für die Befragten ein hauptberuflicher Gemeindepädagoge?
50
3 Im Rahmen des laufenden Promotionsvorhabens „Biographiestrukturen und Kirchenbindung – eineempirische Untersuchung zur Rolle der Gemeindepädagogik im Lebenslauf“ an der Universität Heidel-berg wurden von der Autorin im Jahr 2000 22 Menschen aus dem Kirchengebiet der EKHN mittels qua-litativer Interviews über ihre Erfahrungen mit gemeindepädagogischer Arbeit befragt. Unter ihnen be-fanden sich auch die im folgenden dargestellten drei Personen, die an gemeindepädagogischen Ange-boten für Familien teilnehmen. Alle Personen- und Ortsnamen wurden anonymisiert bzw. abgeändert.
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 50
bräucht ein bisschen Hilfe. Und er selber gestaltet das halt sehr, sehr offen, dass er eigent-
lich nicht sagt, ich brauch jemand dafür, sondern er sagt, ich brauch jemanden, damit wir
noch mehr Sachen anbieten können, überleg dir mal was, zum Beispiel. Und das gefällt
mir eigentlich sehr gut, dass ich nicht in so ne feste Schublade da reingepresst werde.“ Sie
übernimmt bei solchen Anlässen oft den kreativen Part, etwa Kinder anzumalen oder
Henna-Tatoos anzufertigen. Ihr persönlich liegt die Art des Gemeindepädagogen,
der sie auffordert, sich selbst etwas für eine Veranstaltung zu überlegen und sie dann
bei Bedarf mit Material und Büchern versorgt: „Also, er gibt selten was vor. Mag natür-
lich sein, dass das jetzt an meiner Person liegt, weil er halt auch weiß, dass ich Einfälle
hab. Und er ist dann auch offen, wenn ich dann sag, also ich stell mir das so und so vor,
aber nur so ne richtige Idee hab ich nicht und dann sucht er schon mal Bücher raus und
sagt, vielleicht so oder dieses, ja. Oder ich hab das Material da, vielleicht kannst du das
auch verwenden, also. Für mich, ich find das ideal, es mag manche Personen geben, die
eigentlich nen Konzept brauchen. Und dann sagen, okay, da würd ich dann mithelfen. Ja,
das finde ich eigentlich so das Positive an ihm, an ihm selber halt, an seiner Person, dass
er das so ziemlich offen lässt.“
Mittlerweile beteiligt sich Marita Petschek also sehr häufig in ihrer Kirchenge-
meinde, „aber nicht in einer Gruppe (…) kein Kindergottesdienst (…) da hab ich keine
Zeit dafür. Dieses ganz feste, regelmäßige, das würd ich jetzt nicht, vielleicht irgendwann
mal“. Auch der regelmäßige Besuch der Sonntagsgottesdienste kommt derzeit für
sie aus Zeitgründen nicht infrage. Dass in ihrer Gemeinde so vieles in Projektform
angeboten wird, kommt ihr in ihrer Lebenssituation als alleinerziehende berufstätige
Mutter sehr entgegen. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass gerade die gemein-
depädagogischen Projekte auch von vielen Menschen über die Gemeindegrenzen
hinaus gerne angenommen werden: „Also, gerade diese Familienfeste zum Beispiel ja.
Da weiß ich, dass also mich auch Mütter ansprechen, die gar nicht hier aus dem Viertel
sind, sondern die einmal dabei waren, weil man sie mitgeschleift hat (…), und die dann
sagen, sag mir mal Bescheid, wenn es das nächste Mal ist.“ Marita Petschek hat selbst
erlebt, dass bei solchen Projekten – ganz anders als für regelmäßige Veranstaltungen
– häufig sogar so viel Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit besteht, dass der
Gemeindepädagoge gar nicht alle Anfragen berücksichtigen kann. Auch sie selbst
musste bereits einmal auf die Mitarbeit bei einer Kinderfreizeit verzichten, kann aller-
dings nachvollziehen, dass ein Gemeindepädagoge bei einer Fahrt mit 40 Kindern
nicht 12 interessierte Ehrenamtliche mitnehmen könne.
53
Partner (…) quer gegen schießt, hat das gar keinen Sinn. Also, das gibt nur ständig
Streitigkeiten.“ So kam es dazu, dass sie ihr kirchliches Engagement für einige Zeit
aufgab. Nach der Trennung von ihrem Mann und dem Umzug in das Gebiet ihrer jet-
zigen Kirchengemeinde war es für sie jedoch ganz selbstverständlich, die Beziehung
zur Kirche wieder aufzunehmen: „in diesen vier Jahren habe ich sehr viel angefangen
wieder in der Kirchenarbeit tätig zu werden“.
Der erste Kontakt mit den gemeindepädagogischen Angeboten ihrer Gemeinde
war der Besuch eines vom Gemeindepädagogen Andreas Lechmann organisierten
Kinder- und Familienfestes. Marita Petschek sagt, sie sei kein Mensch, der bei einem
solchen Anlass einfach daneben stehen könne, sie helfe einfach mit, wenn es etwas
zu tun gäbe, sei dies Geschirr zu spülen oder mit Kindern zu basteln. So war es auch
bei diesem ersten Fest und anschließend wurde sie vom Gemeindepädagogen
gefragt, ob sie beim nächsten Mal erneut mitarbeiten wolle. Inzwischen entstand
daraus eine regelmäßige Teilnahme und Mitarbeit bei den gemeindepädagogischen
Projekten für Kinder und Familien in der Kirchengemeinde: Familienfeste, Ferien-
spiele für Kinder, auch einmal bei einem Familiengottesdienst und einer Kinderfrei-
zeit. Darüber hinaus nehmen ihre eigenen Kinder auch ohne sie an Angeboten des
Gemeindepädagogen teil. Die gemeindepädagogische Arbeit ihrer Wohnortgemein-
de trifft auf die Bedürfnisse von Marita Petschek, doch hätte sie hier kein passendes
Angebot gefunden, dann hätte sie versucht, die Gemeinde zu wechseln: „ich hab hier
in der Stadt sehr viele Möglichkeiten (…) würd ich ganz einfach schauen, ob ich da ne
andere Möglichkeit finde“.
Art und Umfang der Beteiligung: „Dieses ganz feste, regelmäßige, da hab ich keine Zeit dafür“
Marita Petschek engagiert sich heute nicht nur wegen ihrer eigenen Kinder bei
den gemeindepädagogischen Projekten. Sie beschreibt, dass sie schon als Jugendli-
che gerne ehrenamtlich in der Arbeit mit Kindern bei Ferienspielen oder im Kinder-
gottesdienst aktiv war, sie „wollte aber eigentlich nie Erzieher selber werden, weil ich
gedacht hab, das schaffst du nicht so, so den ganzen Tag so mit so vielen Kindern“. Des-
halb habe sie einen anderen Beruf gewählt sagt sie, mache aber in ihrer Freizeit
umso mehr mit Kindern. Ihr Engagement bei den gemeindepädagogischen Projekten
beschreibt sie folgendermaßen: „Und sowie meine Zeit halt es zulässt, versuche ich halt
immer, grad hier in der Gemeinde, zu helfen und bin da eigentlich immer offen, wenn der
Andreas kommt und sagt, also hier, wir haben Familienfest und ein Gottesdienst und ich
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 52
reinbringt oder einfach sagt, wie wär’s, wenn wir das mal komplett anders aufrollen“.
Marita Petschek möchte allerdings nicht, dass biblische Themen zu sehr in den Vor-
dergrund rücken, „ich glaub ich hätte nicht gern gehabt, in ne Jugendgruppe zu gehen,
wo wir nur biblische Texte auseinander nehmen. Und so geht’s mir heut auch mit dem
Chor. Ich singe gerne die Gospel, und wir singen halt auch mal die Musicals und die mag
ich halt auch immer.“ Für sie muss es daher einen konkreten Anlass und einen Bezug
zum Alltagsleben geben, wenn christliche Themen vorkommen, es muss nicht auto-
matisch bei allen kirchlichen Veranstaltungen ein biblischer Bezug erkennbar sein.
Wenn es jedoch passend ist, dann findet sie es schön, denn „es gibt so viele Bibel-
texte, die man in die normale Welt reinbringen kann, die eigentlich so als Vergleich
zu sehen sind, und das gehört irgendwie dazu“.
Gelingt diese Verbindung von christlichen Themen mit dem Alltagsleben von
Familien, so finden nach Marita Petscheks Beobachtung nicht nur die gemein-
depädagogischen Familienfeste großen Anklang, sondern auch die Gottesdienste für
Familien, die in ihrer Gemeinde häufig durch den Gemeindepädagogen gestaltet
werden: „dann kommen die Mütter, die eigentlich mit der Kirche nichts zu tun ham, für
ihre Kinder auch dort hin. Weil das eben ein anderer Gottesdienst ist, als den, den sie viel-
leicht nicht mögen, ja.“ Von diesen Familiengottesdiensten sei noch keiner nach dem
„typischen Schema“ abgelaufen, wie man es früher sonntags in der Kirche erlebt
habe. Stets sind bei der Gestaltung der Gottesdienste Einzelne oder Gruppen aus
der Gemeinde beteiligt: „Und so was reizt viele junge Familien, glaub ich auch. Das ist
nicht mehr so dieses, man geht dort hin und man ist morgens noch müde und dann hat
man Bedenken, dass man einschläft, weil da irgendwie so’n trockener Stoff durch is, und
so ein Familiengottesdienst, der ist meistens aufgelockerter. Dass da irgendwelche Kinder
was vortragen oder sei es der Chor singt oder es wird irgendwie instrumental irgendwas
vorgetragen. Und das scheint halt vielen doch eher Spaß zu machen, und dann sagen die,
da geh ich hin.“ Marita Petscheks Überzeugung nach hat sich das Bild der Kirche
mittlerweile durch solche Veranstaltungen ein wenig verändert: „Kirche öh, da musste
ich immer als Kind ständig hin und ich fand das furchtbar. Das ist hier nicht mehr so. In
der Großstadt. Weil man einfach schon einmal, zweimal oder dreimal irgendwo auf
irgendeiner Veranstaltung war, dass man gesehen hat, dass dieses Kirche nicht so ganz im
Vordergrund gegeben wird, sondern auch diese normalen Miteinandersachen und die
weltlichen Sachen auch zum Tragen kommen.“ Und gerade für eher kirchenferne Men-
schen stellen ihrer Ansicht nach die gemeindepädagogischen Projekte daher ein pas-
sendes Angebot dar.
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Biographische Bedeutung:„Ich kann aber wenig vorleben, wenn ich alleine bin“
Die eigenen positiven Erfahrungen mit der Kirche, die für sie immer eine „zwei-
te Heimat“ war, möchte Marita Petschek auch ihren Kindern ermöglichen. Auch für
diese soll die Kirchengemeinde ein alltäglicher Lebensort werden: „Und das find ich
halt auch wichtig für die Kinder, dass die einfach sehen, dass man hier rein und raus spa-
zieren kann und dass das nicht irgendwas ist, wo man dann nur an bestimmten Anlässen
hingeht.“ Die Gemeinde soll ein Ort der Vertrautheit und des Rückhalts sein, so wie
für sie selbst es die kirchliche Jugendgruppe in ihrer Jugendzeit war. Sie findet es ent-
scheidend, dass den Kindern in der Gemeinde ein bestimmter Umgang miteinander
vorgelebt wird: „Was für mich auch so ein Aspekt ist, dass meine Kinder mal lernen, dass
man füreinander da ist. Ich bin, dadurch dass meine Mutter früh gestorben ist, bei meinen
Großtanten und meiner Großmutter viel gewesen. Das sind alles Leute, die ham eigent-
lich mir noch vermittelt, man hat füreinander da zu sein. Und in unserer Welt heute ist
das nicht mehr so. Also, wir haben sehr viele alte Leute hier im Haus wohnen, die dann
sagen, ach ich hätte mal’nen Gang, können die Kinder mal was für mich besorgen, ich geb
ihnen dann Geld dafür. Und da hab ich immer nen Kampf zu sagen, ich will aber gar
nicht, dass sie dafür Geld kriegen. Die sollen eigentlich auch lernen, dass man mal fürein-
ander da sein kann. Und das kann man so in der normalen Welt fast gar nicht mehr, man
muss da richtig gegen ankämpfen, sag ich mal. (…) Und es ist wichtig, das irgendwie vor-
zuleben. Ich kann aber wenig vorleben, wenn ich alleine bin, wenn ich kein’ Partner habe
(…) Und ich denke, das lernt man doch noch in der Kirchengemeinde, weil da die Men-
schen doch irgendwie, also die, die dort hingehen, irgendwie noch ein bisschen so in dem
Stil auch ihre Kinder erziehen und miteinander umgehen, dieses Füreinander.“ Der Kon-
takt zu anderen Familien in der Gemeinde, insbesondere aber auch zu älteren Men-
schen als Vertreter der ‚Großelterngeneration’ ist für die Alleinerziehende wichtiger
Bestandteil ihrer Erziehung: „Und, ja, dann ist es einfach so, dass heutzutage kaum
noch große Familien da sind, ne. Und ich kenn das noch so. Die Familie so miteinander,
so Generationen, und das hat man halt einfach nicht mehr. Ich find das schade, da geht
so viel verloren, ja, und das vermittelt man dann in der Kirchengemeinde auch eher.“
Für Marita Petschek gehört auch das Nachdenken über biblische Geschichten
oder den kirchlichen Hintergrund, der Besuch oder die Mitgestaltung von Gottes-
diensten zum kirchlichen Leben hinzu. In diesem Bereich kann sie auch bei der Vor-
bereitung von Veranstaltungen noch etwas vom Gemeindepädagogen dazulernen
meint sie: „wenn’s biblische Themen sind, ja, dass er dann einfach mal ne andere Sicht
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 54
takt mit den Leuten zu haben. Sondern da irgendwie zusätzlich zu dem Gottesdienst, was
eigentlich Aufgabe vom Pfarrer ist, andere Möglichkeiten zu geben, um eben in diesem
Gebäude ein Miteinander möglich zu machen.“
1.2 Eheleute LöschZugangswege zur gemeindepädagogischen Arbeit:
„Die Befürchtung, in so’n Wochenende zu kommen, wo man missioniert wird“Stefan Lösch ist 36 Jahre alt und von Beruf selbständiger Ingenieur, seine Frau
Regina ist 32 Jahre alt und ausgebildete Rechtspflegerin, mit halber Stelle als Justiz-
beamtin berufstätig. Die Kinder des Paares sind sechs und drei Jahre alt. Die Familie
wohnt seit ungefähr zehn Jahren in Bedorf. Stefan und Regina Lösch sind beide evan-
gelisches Kirchenmitglied, der Kirche gegenüber aber sehr ablehnend eingestellt.
Seit einigen Jahren nehmen sie an den gemeindepädagogischen Angeboten für
Familien des Dekanatsjugendreferenten Ralf Martens in einem Nachbardekanat teil.
Davor beschränkte sich bei beiden Ehepartnern ein intensiverer Kontakt zu kirchli-
chen Angeboten auf ihre rund zwanzig Jahre zurückliegende Konfirmandenzeit, die Wur-
zeln des heute distanzierten Verhältnisses zur evangelischen Kirche liegen bereits in
ihrer frühen Jugendzeit. Stefan Lösch störten schon damals die vielen „Glaubensanhän-
ger“ und „Fanatiker (…) zu unsrer Konfirmationszeit die einem dann alles vergällt haben“.
Im Verlauf ihres Lebens haben beide Ehepartner immer wieder einmal kirchliche Ange-
bote besucht, zeigten sich interessiert auch an der Auseinandersetzung mit anderen
Konfessionen und Religionen, aber stets hat sie alles, was sie im kirchlichen Umfeld
erlebten, eher abgeschreckt. Nachdem das junge Paar vor rund zehn Jahren neu an den
jetzigen Wohnort zugezogen war, suchte insbesondere Regina Lösch erneut den Kontakt
zur örtlichen Kirchengemeinde. Sie besuchte einige Gemeindeveranstaltungen wie Bas-
are und später gemeinsam mit der älteren Tochter den Kindergottesdienst. Erneut
jedoch musste sie feststellen, dass das alles sie überhaupt nicht ansprach. Sie be-
schreibt, sie finde viele Menschen, die sie bei Kirche kennengelernt habe, „eben als Men-
schen auch nicht so spannend. Also die ich hier so kenne, da hab ich jetzt nicht so Interesse,
(…) ich find die ähm, ja, die bedienen alle Vorurteile, die man so, so hat (lacht). Und dann
denk ich mir: nee, da muss ich da nich auch noch hin, also dann danke. (lacht) Das ist dann
nicht so, ich bin da ja gar nicht so abgeneigt, oder so so nicht aufgeschlossen, wenn ich dahin
komm, aber dann denk ich, nee, das isses nich, das grad eben nicht.“ Einen Grund dafür
sieht sie darin, dass sich in der Gemeinde ein kerngemeindlicher „Klüngel“ seit Jahren
so verfestigt hat, dass dies die Aufnahme von neuen Menschen und Ideen verhindert.
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Die Bedeutung hauptberuflicher Gemeindepädagogen: „Eben in diesem Gebäude ein Miteinander möglich zu machen“
Ein Gemeindepädagoge ist für Marita Petschek wichtig, um die Kontinuität der
Gemeindearbeit zu gewährleisten: „Wenn es diese Stelle erst mal gar nicht gäbe. Ich
glaube, da würden erst mal etliche Sachen zusammenbrechen. Auf jeden Fall. Nicht
unbedingt, die Gruppen, ja die Mütter, die sich treffen mit den Kindern, aber grad so die
Familienfeste und diese Sachen, die würden erst mal wegbleiben bis sich vielleicht eventu-
ell einige Eltern organisieren.“ Ehrenamtliche alleine können ihrer Ansicht nach auf
Dauer ein solches Angebot nicht gewährleisten: „das geht eben auch nur, solang eben
Eltern da sind, die das dann auch machen. Sowie die dann wegziehen oder eben keine
Zeit mehr haben, bricht so was dann einfach zusammen. Und ich denke, das, das merkt
man dann schon. Und ein Gemeindepädagoge ja, organisiert halt und, und auch wenn
die Mutter mal nicht mehr da ist oder die, dann bringt er diejenigen, die es eben nicht
alleine hin, auch schon dazu, dass eben was weiterläuft, ne.“ Ein Gemeindepädagoge
sorgt, wenn jemand von den Ehrenamtlichen aufhört, dafür, dass andere dazu in die
Lage versetzt werden. Er ist ein Punkt, der verschiedene Gruppen in der Gemeinde
koordiniert und vernetzt: „Also die einen möchten mal ein Fest feiern, er weiß aber, dass
die anderen im Prinzip da immer sich treffen (…) also er ist immer der Punkt, wo alles
zusammenläuft (…), dass aber einfach eine Person da ist, die einfach da drüber Bescheid
weiß. Ja und dann auch mal sagen kann, hier, ihr könnt ja vielleicht, habt ein gleiches
Thema, wollt ein Fest machen, und dann macht das auch zusammen. Aber, dass jemand
einfach so den Überblick da hat, was läuft, ja.“
Auf alle Fälle gehören gemeindepädagogische Mitarbeitende für Marita Pet-
schek „im Prinzip zu dem Inventar, wenn ich mal sage, der Kirche, und dann sollte dafür
auch Geld ausgegeben werden, ja.“ Sie findet, einen Gemeindepädagogen pro
Gemeinde sollte es schon geben, denn es sei wichtig, dass in jeder Kirchengemeinde
neben dem Pfarrer „noch ne zweite Person ist, die man ansprechen kann. Die organisiert
(…) Und wenn das alles an dem Pfarrer hängt, dann ist das einfach begrenzter. Das lässt
sich dann nicht alles so dolle aufziehen, weil der hat halt auch nur so und so viel Zeit zur
Verfügung.“ Die Hauptaufgabe für einen Gemeindepädagogen ist ihrer Meinung
nach: „Ja, in der Gemeinde zu kucken, dass eben Gruppen aufrecht erhalten werden oder
überhaupt erst zustande kommen. (…) sich eben Zielgruppen, also kleine Gruppen sich
aus der Gemeinde rauszunehmen. (…) solche Sachen zu organisieren. Um Gemeinde
eben so möglich zu machen, wie es eigentlich sein sollte, nämlich Miteinander als
Gemeinde. Nicht nur irgendwie in Gottesdienst zu gehen und eigentlich gar keinen Kon-
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 56
Nachdem Stefan Lösch etwa ein Jahr Mitglied der Vater-Kind-Gruppe war,
bekam er durch ein Programmheft des Dekanatsjugendreferenten mit, dass dieser
auch Familienfreizeiten anbietet. Dies erzählte er seiner Frau und die beiden ent-
schieden sich, bei einer Wochenendfahrt mitzufahren. Auch Regina Lösch hatte vor
der ersten Teilnahme an der Familienfreizeit gewisse Bedenken: „also ich war erst mal
sehr, na ja, skeptisch will ich nicht sagen, aber sehr so zurückhaltend (…) als ich dann
gehört habe, oh, auch noch mit Gottesdienst, da dachte ich ‚oh-oh!’. Und dann, ich hatte
so leicht die Befürchtung, in so’n Wochenende zu kommen, wo man missioniert wird, ne.
Dem war aber überhaupt nicht so (…) prinzipiell hab ich nichts dagegen, ich möchte halt
nur nicht missioniert werden, so in diesen Dingen.“ Aber da ihr Mann bereits gute Erfah-
rungen mit dem Dekanatsjugendreferenten gemacht hatte, überwand sie ihre Beden-
ken und war bereit, es einmal auszuprobieren.
Art und Umfang der Beteiligung:„Wenn’s auf Familienfreizeit geht, ist die ganze Familie Gewehr bei Fuß“
Stefan Lösch nimmt seitdem regelmäßig an den Väter-Stammtischen seiner Vater-
Kind-Gruppe teil. Diese Abende finden ohne die Kinder statt, dienen dem gemeinsamen
Gespräch und „Informationsaustausch“. Gemeinsam planen die Männer dann jährlich
einige Maßnahmen gemeinsam mit ihren Kindern. Stefan Lösch berichtet, dies seien
am Anfang kleinere Ausflüge gewesen, inzwischen seien die Kinder schon etwas älter
und es gebe auch gemeinsame Wochenendfahrten. Der Dekanatsjugendreferent bildet
das organisatorische Rückgrat bei diese Maßnahmen, indem er etwa Freizeithäuser
bucht. Stefan Lösch betont besonders die Tatsache, dass dieser immer sehr schöne Orte
aussuche, „ne gewisse Location“ ist für ihn ganz wichtig, besonders gut gefällt ihm die
kirchliche Jugendburg Hohensolms.
Die ganze Familie gemeinsam fährt seit drei Jahren bei kürzeren Familienfreizei-
ten mit, die vom Dekanatsjugendreferenten und einer weiteren Gemeindepädagogin
organisiert werden. Diese Familien-Wochenenden haben immer einen bestimmten
Ablauf: Der Freitagabend ist vom gegenseitigen Kennenlernen und gemeinsamen
Spielen geprägt, nachdem die Kinder im Bett sind, sitzen die Erwachsenen zusam-
men, „was immer sehr nett ist und sehr gesellig ist, wobei da natürlich kein Teilnahme-
zwang besteht“, berichtet Regina Lösch. Der Samstag steht meist unter einem bestimmten
Motto, beim letzten Mal war es das Thema Zirkus, und den Tag über wurde etwas gebastelt
oder geprobt für eine Aufführung am Samstagabend, manchmal werde aber auch ein
Geländespiel oder etwas ähnliches gemeinsam unternommen. Dabei könne sich „jeder so
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Die eher distanzierte und unbestimmte Haltung des Ehepaares gegenüber der
Kirche zeigt auch die Tatsache, dass das Ehepaar sich ganz bewusst nach längerer Überle-
gung nicht kirchlich trauen ließ. Allerdings haben beide ihre Kinder taufen lassen, die
Gründe dafür beschreibt Regina Lösch folgendermaßen: „also ich denke, was ich vermittel,
ist sowieso das, was ich gelernt hab. Also ich vermittel keinen Katholizismus oder kein Judentum,
kein Moslem oder sonst irgendwas, weil ich vermittle ja doch mein Bild und das ist nun mal das
der Evangelischen Kirche“. Und gerade im Hinblick auf die Kinder findet Regina Lösch trotz
aller bisherigen negativen Erfahrungen eine Kirchengemeinde eigentlich wichtig, „weil ich
es immer noch auch als wichtigen Anlaufpunkt (…) auch grad in so dörflicher Gemeinschaft
finde, und wenn sie da’n Zugang zu finden, find ich’s gut, ich selbst für mich halt nicht so sehr,
ne. Aber das hat, will ich ihnen deswegen ja nicht nehmen, ne.“ Allerdings hat der gemeindli-
che Kindergottesdienst auch der älteren Tochter nicht gefallen, so dass die Familie ihre
Kontaktversuche mit der örtlichen Kirchengemeinde wieder einstellte. Da das Ehepaar bei
der Suche nach passenden Angeboten immer wieder enttäuscht wurde, führte dies auch
dazu, dass beide bereits häufiger einmal über einen Austritt aus der Kirche nachdachten.
Es war somit auch nur einem Zufall zu verdanken, dass Stefan Lösch vor einigen
Jahren den Dekanatsjugendreferenten Ralf Martens kennenlernte. Ein Bekannter aus
dem Kindergarten seiner älteren Tochter lud ihn eines Tages ein, einmal an einem
Vater-Kind-Abend teilzunehmen. Dieser Bekannte war Gründungsmitglied einer Vater-
Kind-Gruppe, die sich regelmäßig zu einem Väter-Stammtisch trifft und dort im Jahr
„so drei bis vier Events“ gemeinsam mit den eigenen Kindern plant, Ausflüge oder
gemeinsame Wochenenden. Die Gruppe hatte sich gegründet, als die Männer in Erzie-
hungsurlaub waren und nach einer Gelegenheit zum Austausch suchten. Auch der
Jugendreferent Martens war damals im Erziehungsurlaub, er integrierte später diese
Gruppe wie auch weitere Maßnahmen für Familien in den eigenen beruflichen Alltag.
Der neu hinzukommende Stefan Lösch war zuerst eher skeptisch, er erläutert: „am
Anfang (…) klopft man ja auch ab, was da für in Anführungszeichen Typen rumwandern,
und dann soll man sich dann mit denen ein Wochenende rumschlagen, und dann sagt man
okay (…) man geht mal dieses Risiko quasi ein und macht’n Wochenende (…) man hat ja,
wenn man dann hört, arbeitet in der Gemeinde, ist engagiert und den ganzen Kram [gewis-
se Vorbehalte]“. Doch Stefan Lösch gefiel das erste Wochenende mit der Gruppe und er
ist seitdem Mitglied: „und Vater-Kind-Gruppe, ja das geht eigentlich so weiter. Obwohl die
Kinder ja aus dem Alter eigentlich raus sind, eigentlich war’s ja erst so’ne Kleinkindsbetreu-
ung, und jetzt mittlerweile sind ja die Kinder groß geworden und, aber verstehen sich alle
unter’nander ganz gut, und das macht eigentlich auch ganz gut Spaß.“
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dann kann sie sich aussuchen, ob sie jetzt nun rumbockt, oder ob’se dann mitmacht. Weil
sie hat einfach keine andren Möglichkeiten.“ Zuerst war nur die größere Tochter mit
dem Vater unterwegs, in diesem Jahr, so berichtet Regina Lösch, seien erstmals
beide Kinder mit dabei gewesen, und dieses freie Wochenende sei auch sehr schön
für sie selbst gewesen.
Regina Lösch ist der Ansicht, dass gerade so „kürzere Sachen“ wie auch die
Wochenendfahrten für Familien am Jahresanfang gut in ihren familiären Ablauf hin-
einpassen. Die Fahrten führen meist in nur wenige Kilometer entfernte Orte erwähnt
sie, aber „obwohl’s so nahe ist, ist’s irgendwie fern ab aller sonstigen Verpflichtungen“.
Regina Lösch beschreibt, es werde viel gespielt und gesungen auf der Freizeit, „das
ist ja auch immer schon mal was, ne, so ohne Radio oder irgendsowas, sondern eben sel-
ber was machen und das ist ja auch schon mal so was Besonderes eigentlich, also was
einen so’n bisschen abhebt vom Alltag“. Die Familie erhält viele neue Anregungen auf
den Freizeiten, da die beiden Gemeindepädagogen einfach einen „unerschöpflichen
Fundus“ an Spielen und Ideen besitzen. Das Ehepaar findet es gut, dass sich da end-
lich einmal jemand darüber Gedanken macht, wie man Familienurlaub neu gestalten
kann. Mittlerweile seien doch viele Familien mit kleinen Kindern mit einem Urlaub in
einem Hotel nicht mehr zufrieden, und die Struktur der gemeindepädagogischen
Familienfreizeiten hat sie da sehr überzeugt.
Eine ganz besondere Bedeutung hat für die Eheleute, dass sie auf den Famili-
enfreizeiten immer wieder mit Menschen zusammentreffen, die überhaupt nicht
ihrem üblichen Bekanntenkreis entsprechen. Regina Lösch erzählt, vor der ersten
Fahrt habe sie keinen der anderen Teilnehmer gekannt, sie betont: „Ich denke, die
Vielfalt der Leute die er [der Dekanatsjugendreferent] kennt, das einfach auch intressant
ist derer die da mitmachen (…) und das wird ja dann intressant auch durch die unter-
schiedlichen Leute einfach, mit unterschiedlichen Hintergründen, unterschiedlichen beruf-
lichen und familiären, das ist einfach ganz intressant, weil wenn man da selber, ja, wenn
eben meine Leute, seine Leute, das wär einfach (…) nicht dasselbe.“ Der Dekanatsjugen-
dreferent hat auch wesentlichen Anteil an vielen interessanten Gesprächen auf den
Fahrten, denn er habe so eine Begabung, „die einfach gut ankommt bei sämtlichen
Gesprächspartnern, sich so einzustellen auf die (…) und schnell zu merken wo die Schwer-
punkte liegen, wo die Intressen liegen und dann auch auf unterschiedlichen Ebenen prak-
tisch auch in der Diskussionsrunde (…) Und er kommt viel mit Fragen, viel mit, dass er ne
Diskussion anregt.“ Und Stefan Lösch findet es gut, dass man mit dem Dekanats-
jugendreferenten auch über kirchenkritische Fragen „Tacheles“ reden kann: „er hat
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nach seinen Fähigkeiten“ eine Betätigung aussuchen, so Regina Lösch, vor allem auch
bei den Kindern komme es immer auch darauf an „wie die Bedürfnisse sind auch von der
Altersstruktur her“, denn beim letzten Mal sei die Altersspanne der Kinder von zwei bis
neun Jahren gewesen. Am Sonntagmorgen findet dann ein gemeinsamer Gottes-
dienst statt. Diese Elemente, so meint Stefan Lösch, bilden bei der Freizeit „so’n
groben Leitfaden“, aber darum herum könne man sich auch seine „Freiheiten“ neh-
men, er betont: „Man kann aber auch seinen Mittagsschlaf machen (…) Das ist ganz
wichtig, das ist auch bei der Vater-Kind-Gruppe wichtig.“
Stefan Lösch äußert, weil die Fahrten der ganzen Familie so gut gefallen, sei mitt-
lerweile wenn es auf Familienfreizeit gehe, „die ganze Familie Gewehr bei Fuß“ – die näch-
ste Fahrt steht auch bereits wieder bevor. Darüber hinaus plant Stefan Lösch seine Teil-
nahme an einer Segelfahrt des Dekanatsjugendreferenten ohne seine Familie. Solche
jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen nehmen inzwischen einen festen Platz im
Familienleben ein, so dass das Ehepaar hofft, „dass wir das noch weiter machen können,
dass sich da der Raum und die Zeit bietet“, vor allem aber, dass die beiden organisieren-
den Gemeindepädagogen weiterhin das Ganze so „zusammenhalten“.
Biographische Bedeutung:„Was einen so’n bisschen abhebt vom Alltag“
Stefan Lösch berichtet über die Fahrten der Väter seiner Vater-Kind-Gruppe mit
den Kindern übers Wochenende, dass es immer ein wenig „chaotisch“ sei, wenn man
gemeinsam wegfahre. Aber das gefällt ihm eigentlich gut, denn im Alltag müsse man
immer planen, „man muss in seinem Unternehmen planen, man muss die Mitarbeiter
einplanen und so, und da ist einfach auch so, dass man dann die ganze Rasselbande ein-
packt und dann geht das also’n bisschen drunter und drüber“. Dann hatte einmal ein
Vater die Wurst zuhause vergessen oder die Männer dachten nicht mehr rechtzeitig
vor Ladenschluss am Samstag daran noch etwas einzukaufen, aber er ist der Mei-
nung, „es ist einfach so, man muss sich einfach da dran auch gewöhnen als Mann mal“.
Beide Ehepartner sind der Ansicht, dass diese Fahrten nicht ohne Auswirkungen auf
das Verhältnis zwischen dem Vater und den Kindern geblieben sind. Regina Lösch
sagt, „für die Kinder ist es halt was anders, dass die Mutter ganz draußen ist, also völlig
als Ansprechperson draußen ist“, und er bestätigt das: „man hat ja auch’n andern
Zugang, ne. Man sagt den Kindern, jetzt zieh das und das an, und dann passt das viel-
leicht nicht grade modisch, grade weil ich zwei Töchter habe, so die eine achtet da ja
schon mehr drauf, sag ich, zieh das jetzt an (…) und dann ist die Mama nicht da (…) Und
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Gruppen und Teilnehmerkreisen. Stefan Lösch beschreibt, dass es auch manchmal
Krisen in der Gruppe gebe, dass jemand sage, er habe keinen Bock mehr und dann
„muss es ja irgendwo wieder’n Konsens geben und da ich nicht so konsensfähig bin erst
mal, aber der Ralf dann, gibt es das dann schon wieder“. Der Dekanatsjugendreferent
sei einfach eine „Integrationsfigur, auch so durch seine Toleranz“. Der zweite
wesentliche Aspekt besteht für das Ehepaar in den organisatorischen Möglichkeiten
eines hauptberuflichen Gemeindepädagogen. Stefan Lösch führt dazu aus: „Wir wis-
sen nicht all diesen ganzen Kram, wenn wir was organisieren, kommen wir auch ne ganz
andere Preiskategorie rein, ne. (…) er hat seine Berufserfahrung, die steckt einfach dahin-
ter und er hat einfach die ganzen Tausende von Verbindungen. (…) es ist einfach seine
Welt innendrinne, seine Berufswelt, in der er sich da bewegt. Und es ist einfach auch, es
muss, in der Gruppe muss es immer irgendwie auch so’n Leithammel geben der sagt, wir
machen das, das, das, und die Susanne dann ihr Programm macht, und jeder springt
dann drauf an, lässt sich dann so’n bisschen damit mittragen.“ Ganz wesentlich ist für
Stefan Lösch, dass Gemeindepädagogen Zugänge zur kirchlichen Infrastruktur
bereitstellen, die man als normales Kirchenmitglied gar nicht kenne: „diese ganzen
Möglichkeiten, die die Kirche da hat, die kennt er einfach. Der kennt auch welche Töpfe es
gibt und so, und der weiß einfach, weil’s einfach sein Beruf ist (…) und wer dann einfach
keinen Zugang zu hat, der kriegt’s einfach nicht gebacken (…) Aber was die Kirche anbie-
tet, und das ist ja Infrastruktur, die alle mitbezahlt haben, die können sie einfach auch
nutzen.“
Das Ehepaar ist der Überzeugung, dass Gemeindepädagogen genau die Richti-
gen seien, um sich an Menschen in ihrer Lebenssituation zu wenden. Der
Dekanatsjugendreferent Ralf Martens ermöglichte ihnen selbst erstmals seit langer
Zeit eine Teilnahme am kirchlichen Leben, ohne dass sie sich dabei abgeschreckt
oder vereinnahmt fühlen müssen. Der Kontakt mit den gemeindepädagogischen
Angeboten hat ihre Bereitschaft, Mitglied der Kirche zu bleiben bestärkt; allerdings
blieben die Vorbehalte gegenüber anderen kirchlichen Angeboten und der Berufs-
gruppe der Pfarrer davon weitgehend unberührt. Regina Lösch meint: „Also eigentlich
ist die ganze Kirche, ist mir sehr suspekt (…) und eigentlich, der Pfarrer repräsentiert das
für mich, diesen Kirchenapparat.“ Den Unterschied zwischen Pfarrern und Gemein-
depädagogen beschreibt sie folgendermaßen: Das eine ist „die Theorie und das ande-
re ist Praxis (…) das tatsächliche Leben“. Sie finde eben die gemeindepädagogische
Arbeit ansprechender als alles, was sie in Kirche zuvor kennengelernt habe, „der
Gemeindepädagoge hört sich wirklich [wie] jemand an, der wirklich arbeitet in der
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super Grundlagen (…) er weiß auch was in der Kirche abgeht, ne. (…) das ist einfach auch
mal irgendwie so’n bisschen Marketing was er da macht, weil er bietet’s einfach an, und
dann wird man hellhörig, und dann sagt man, boah, da war endlich mal einer der mit
Infos rüberkommt.“ Stefan Lösch würde zwar auch mit jedem anderen Anbieter mit-
fahren, der solche Familienfahrten anbietet, er erwartet allerdings ausdrücklich,
wenn es eine kirchliche Maßnahme ist, dass der entsprechende Mitarbeiter ihm
auch Auskunft geben kann: „Da muss er doch über den Laden Bescheid wissen, (…)
wenn er seine Visitenkarte rausgibt, dass er von der Kirche kommt, dann muss ich ihn da
auch erwischen können. (…) Wenn er dann anfängt und sagt, ah, das ist nicht Gegen-
stand meiner Ausbildung und so was, dann isser gleich unten durch, da sag ich, was issen
das für einer. Was will der denn da.“
Regina Lösch erzählt, wegen der Gottesdienste auf den Freizeiten sei sie
anfangs allerdings sehr skeptisch gewesen. Inzwischen aber hat sie diese als sehr
positiv erlebt, denn „die taugen also jetzt für Kinder“ und sie sagt, „wenn’s in dem
Maße mehr wär, deswegen gehör ich jetzt immer zu den Befürwortern, wenn’s darum
geht, ob wir’n Gottesdienst machen, weil ich das nämlich ausgesprochen angenehm finde
(…) unkonventionell einfach aus unserer Sicht.“ Es sei aber insgesamt schön, dass auf
der Fahrt der kirchliche Aspekt nicht ständig übertrieben werde, meint Regina Lösch,
„klar man singt auch mal’n Lied (…) vorm Essen wird was gesungen und so und wenn’s
dann eben heißt, Gott wir danken dir dafür, und so was, da hab ich jetzt nicht das große
Problem damit. Oder irgendwann, wenn dann so die Kinder dann auf einmal: Warum sin-
gen wir denn jetzt eigentlich, wir danken dir dafür Gott? Der hat doch, ne, die hat doch
gekocht.“ Gerade solche Dinge bieten für sie dann immer wieder einmal Anlass zum
Gespräch mit den Kindern über Glaubensfragen, und auch sonst beherrschen die
Lieder, die gesungen werden, „nach so’m Wochenende halt auch noch sehr. Und dann,
grad so mit der Großen dann, irgendwann werden dann irgendwelche Formulierungen so
aufgegriffen, die eigentlich jetzt nur mal so Beiwerk sind, und dann kann man eben, redet
man eben trotzdem mal drüber, und dann denk ich das ist viel wirksamer, als alles Theo-
retische sonst, weil das ist wirklich so gelebt, ne, mit diesen Liedern.“
Die Bedeutung hauptberuflicher Gemeindepädagogen: „Es passt halt richtig mitten ins Leben“
Das Ehepaar Lösch ist der Meinung, dass sich ohne Hauptberufliche weder
Familienfreizeiten noch die Vater-Kind-Gruppe organisieren ließen. Zum einen hat
ein Gemeindepädagoge eine große Bedeutung für die Dynamik in den jeweiligen
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Beim derzeitigen Verhältnis zwischen Pfarr- und Gemeindepädagogenstellen
setzt die Kirche nach ihrer Überzeugung bislang eine „falsche Priorität“. Bevor die
Eheleute zufällig den Dekanatsjugendreferenten kennenlernten, hatten beide das
Gefühl, als „Kunden“ der Kirche keine passende Gegenleistung angeboten zu bekom-
men. Bisher mache die Kirche einfach zu wenig Angebote für jene Menschen mitt-
leren Alters, die im Berufsleben stehen und „die eigentlich die Kirchensteuer zahlen“.
Regina Lösch meint, das müsste doch auch im Interesse der Kirche liegen, sie führt
dazu aus: „ich weiß nicht, ob nicht der Kirche zuviel wegbricht an Leuten, die sie
anspricht, also wirklich jetzt auch mal von den Jungen jetzt, ich weiß nicht, bis vierzig,
fünfundvierzig, also ob da wirklich genügend Leute so angesprochen sind, wie wir jetzt“.
2. Unterschiede und Gemeinsamkeiten2.1 Unterschiedliche Bedeutung gemeindepädagogischer Arbeit
In der Gesamtschau wird deutlich, dass die Bedeutung der gemeindepädagogi-
schen Arbeitsbereiche und Mitarbeitenden für alle drei Befragten eine wichtige Rolle
spielen. Abhängig von der eigenen Nähe oder Distanz zur Kirche kommt ihnen
jedoch eine andere Bedeutung zu. Marita Petschek hat in ihrem Leben ausreichend
positive Erfahrungen mit der Kirche gemacht, um sich nicht mehr von einzelnen
negativen Erlebnissen abschrecken zu lassen und mit auftretenden Dissonanzen
umgehen zu können. Marita Petschek weiß, was sie von der Kirche erwartet, und
würde gezielt auch in benachbarten Gemeinden nach passenden Angeboten suchen,
wenn die eigene Gemeinde ihr nicht zusagt. Bei den kirchenkritischen Eheleuten
Lösch hingegen war nur der Zufall für ihre Beteiligung an gemeindepädagogischen
Angeboten verantwortlich. Dass sie hier erstmals das Gefühl hatten, etwas von ihrer
Kirchenmitgliedschaft zu haben, hat die Bereitschaft verstärkt, weiterhin ihren finan-
ziellen Beitrag in Form der Kirchensteuer zu leisten. Dennoch bleibt der Gemeinde-
pädagoge der alleinige Garant dafür, zur Kirche dazugehören zu können, ohne sich
einerseits vereinnahmt oder andererseits ausgegrenzt fühlen zu müssen. Vergleicht
man die beiden Fallbeispiele, dann werden daran völlig unterschiedliche Zugänge
und Umgangsweisen mit den gemeindepädagogischen Angeboten für Familien deut-
lich (siehe Übersicht).
Zu gemeindepädagogischen Angeboten für Familien gibt es unterschiedliche
Zugangswege, die in hohem Maße von der eigenen Einstellung gegenüber der Insti-
tution Kirche abhängen. Das Spektrum bewegt sich hier zwischen dem gezielten
Anknüpfen an frühere positive Erfahrungen, an einen vertrauten kirchlichen Hinter-
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Gemeinde, also richtig sich da rein setzt, aber ohne diesen missionarischen Teil. Und des-
wegen find ich das ansprechender.“
Leider sei der Dekanatsjugendreferent für eine sehr große Region zuständig
und daher nicht in der Lage, vor Ort gemeindepädagogische Angebote zu organisie-
ren. Das Ehepaar bedauert, dass sie an ihrem ländlichen Wohnort keine Wahlmög-
lichkeiten haben, würden sie in der Stadt wohnen, könnten sie ihre Kirchengemeinde
einfach wechseln: „die ham halt die Wahlmöglichkeiten, wir ham’se halt nicht (…) punk-
tum ist es ganz einfach, dass einfach (…) dieses ganze Auftreten und natürlich die Arbeits-
weise die der Ralf macht, also dass da uns das zuspricht. Und mit der Gemeinde denk ich,
kann man das überhaupt nicht machen. (…) ich bin froh, dass wir den Ralf da ham, und
dann isses’n guter Ausgleich zu dem andern Kram.“ Eigentlich müsste es nach Ansicht
des Ehepaares zusätzlich auch in ihrer näheren Umgebung weitere gemein-
depädagogische Mitarbeiter geben. Regina Lösch wünscht sich in einer erreichbaren
Entfernung für alle Menschen einen gemeindepädagogisch begleiteten „Treffpunkt“.
Es sei letztlich eine Frage, welches Gewicht die Kirche auf die Finanzierung solcher
gemeindepädagogischer Arbeitsbereiche legt, betont Stefan Lösch: „Weil Geld ist ja
irgendwo schon da, es ist alles immer eine Frage der Verteilung.“ Und Regina Lösch fügt
hinzu, „das hat auch was mit Wertschätzung zu tun. Also jetzt Wert eben im Sinne von
Geld, also dass das einem eben wichtig ist, so’n Job halt zur Verfügung zu stellen (…) dass
es einem das wert ist, dafür Geld zu zahlen, dass es solche Leute gibt (…) ich bin immer
noch unschlüssig über genau das Berufsbild was sie eigentlich machen, ne! Weil ich es so
vielseitig find, dass ich denk, ja, es passt halt richtig mitten ins Leben und ich find’s schad,
dass es für uns so weit weg ist, ne, das könnt also ruhig so in diesem Art des Engagements
ruhig mehr geben.“
Die gemeindepädagogischen Angebote des Dekanatsjugendreferenten treffen
anders als die der Ortsgemeinde genau auf die Bedürfnisse des Ehepaares Lösch
und beide möchten sie heute nicht mehr missen. Dies hat auch ihre Kritik an der
Kirche etwas relativiert, Stefan Lösch meint dazu: „Also meine Bereitschaft ist ja
dadurch etwas mehr geworden, das Geld weiter in der Kirche zu zahlen, also wenn ich
jetzt den Ralf net hätte, würden wir schon wieder rumknauseln (…) Und jetzt sag ich
okay, also jetzt mach ich mir net soviel Gedanken drüber, weil ich weiß, dass vielleicht
doch noch’n paar Mark da in solche Arbeiten reinfließt und nicht verprasst wird irgend-
wo“. Regina Lösch ist der Überzeugung, dass die gemeindepädagogische Arbeit es
ihr erstmals ermöglicht, „dass man [zur Kirche] dazugehört (…) aber mehr so in so’nem
Seitenbau“.
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 64
Übersicht: Drei Zugangswege zur gemeindepädagogischen Arbeit mit Familien
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grund, wie bei Marita Petschek, bis hin zum rein zufälligen Kontakt bei den kirchen-
kritischen Eheleuten Lösch.
Die Art und Weise der Nutzung gemeindepädagogischer Angebote durch die
Befragten hängt wiederum mit den ursprünglichen Erwartungen und dem Ausgangs-
punkt ihrer Kontaktaufnahme zusammen. Hier bewegt sich das Spektrum der Betei-
ligung von der regelmäßigen Teilnahme und Mitarbeit bei Marita Petschek bis hin
zur ausschließlichen Teilnahme an gemeindepädagogischen Angeboten für Familien
wie bei Familie Lösch.
Die Biographische Bedeutung, die die gemeindepädagogischen Angebote im
Leben der Befragten erlangen, kann einerseits in der Stabilisierung und Begleitung
des Alltags liegen, wie bei Marita Petschek, oder aber in der Unterbrechung des All-
tags bei den Eheleuten Lösch.
Die gemeindepädagogischen Maßnahmen beeinflussen auch auf unterschied-
liche Art und Weise das Verhältnis zur Institution Kirche, indem sie einen wesent-
lichen Bedingungsfaktor für die Zufriedenheit mit der Kirche darstellen, wie bei Mari-
ta Petschek, oder erstmals wieder partiell überzeugende Erfahrungen mit Kirche
ermöglichen, und damit die Bindung an die Kirche und den Erhalt der Mitgliedschaft
bestärken können, wie bei dem Ehepaar Lösch.
Die Funktion, die die Befragten der gemeindepädagogischen Arbeit der Kirche
zuschreiben, liegt zwischen der Bereitstellung einer gemeindlichen Infrastruktur,
bestimmter Ressourcen und Kompetenzen für Gemeindemitglieder und Ehrenamt-
liche, sowie deren Unterstützung und Begleitung am Alltagsort Gemeinde bei Marita
Petschek und einer verstärkten ‚Kunden-Orientierung’ durch Schaffung von trans-
parenten Zugängen zu den von den Kirchenmitgliedern finanzierten Ressourcen und
Möglichkeiten der Kirche, auch außerhalb regelmäßiger Beteiligung am parochialen
Leben, bei dem Ehepaar Lösch.
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Ehepaar Lösch
Kirchenkritische Mitglieder derEvangelischen Kirche mit Aus-trittsneigung ohne Beteiligungam kirchlichen Leben
Zufällige Kontaktaufnahme undvorsichtige Annäherung an das„Risiko Kirche“
Beteiligung ausschließlich angemeindepädagogischen Ange-boten
Ausschließlich Teilnahme anVeranstaltungen, keine ehrenamt-liche Mitarbeit
Unterbrechung von Alltag – Regio-nal orientiertes Kommunikations-milieu und Kontaktnetz, Zugehö-rigkeit im „Seitenbau“ der Kirche,Begegnung mit anderen und Re-flexion eigener Lebenskonzepte,alternative Freizeitgestaltung,kirchliches Hintergrundwissen
gemeindepäd. Arbeit ermöglichtneue Zugänge zur kirchlichenPraxis und überzeugende Erfah-rung „gelebter Religion“ – Stabi-lisierung der Kirchenbindung
„Kunden-Orientierung“, offenesnicht-kommerzielles Angebot ohneVereinnahmung und „Mission“,auch Kirchenfernen Zugang zukirchlichen Ressourcen ermögli-chen, Gestaltung von „Treffpunk-ten“ in erreichbarer Entfernung
Merkmal
1 a) Ursprüngliche Beziehung zur Kirche
1 b) Zugangswege zurgemeindepädagogi-schen Arbeit
2 a) Heutige Beteiligungam kirchlichen Leben
2 b) Beteiligungsmodus
3 a) BiographischeBedeutung gemeinde-pädagogischer Arbeit
3 b) Einfluss gemeinde-pädagogischer Arbeitauf das Verhältnis zurKirche
4) Funktionsbeschrei-bung des gemeindepä-dagogischen Dienstes
Marita Petschek
Kirchenmitglied mit konstant-positiver Einstellung zur Kircheund Beteiligung am kirchlichenLeben
Anknüpfen an die „vertrauteHeimat Kirche“
Regelmäßige Beteiligung anbreitem kirchlichen Angebots-spektrum
Von Fall zu Fall wechselndeTeilnahme und ehrenamtlicheMitarbeit.
Gemeinde als soziale und religiöseHeimat – Infrastruktur für dieeigene Lebensführung, Alltags-begleitung, Vermittlung spezifi-schen Wissens, z.B. über denUmgang mit biblischen Themen
Gemeindepädagogen als „Inven-tar“ der Kirche sind ein Bedin-gungsfaktor für die Zufriedenheitmit der Institution
Gemeinde als „Alltagsort“ ermög-lichen, Unterstützung und Ermög-lichung ehrenamtlichen Engage-ments, Bereitstellung von Infra-struktur für selbstorganisierteMaßnahmen, Stabilisierung,Organisation und Vernetzung,Gewährleistung von Kontinuität
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 66
der Ideen der Ehrenamtlichen bietet er Unterstützung, falls dies gewünscht wird, und er
koordiniert und bündelt die einzelnen Elemente zu einem Gesamtkonzept. Genau die-
ses Vorgehen und vor allem die Veranstaltungsform der regelmäßig wiederkehrenden
Projekte ist es, was die alleinerziehende Marita Petschek so anspricht. Dies ermöglicht
ihr, trotz ihrer Belastung durch Beruf und Kinder, eine kontinuierliche Beteiligung am
kirchlichen Leben.
Alle drei Befragten also sind durchaus bereit, sich für bestimmte Maßnahmen oder
eine bestimmte Zeitdauer zu binden, sofern diese Bindung ihnen die Freiheit gewährt,
die sie erwarten. Eine solche Bindung erfolgt bei Marita Petschek nicht an die Gemeinde
als ganze. Es sind vielmehr bestimmte Veranstaltungen, der eigene Kreis Ehrenamtlicher
und vor allem das Gemeindehaus als Gebäude, in dem sie einen Teil ihres Alltags gestal-
ten wollen. Marita Petschek würde sich in der Stadt nach einer geeigneteren Gemeinde
umsehen, wenn sie vor Ort keine zur eigenen Lebenssituation passenden Angebote
gefunden hätte, zudem fühlt sie auch heute noch locker mit anderen Kirchengemeinden
verbunden, in denen sie früher einmal lebte und besucht manchmal dort ein Gemeinde-
fest oder ähnliche Veranstaltungen. Für sie gibt es in ihrer Stadt also neben der örtlichen
Gemeinde andere wichtige Orte, die für ihre Lebensführung Relevanz besitzen.
Die Eheleute Lösch hingegen sind überhaupt nicht an eine Ortsgemeinde gebun-
den, nehmen ausschließlich an den überregionalen Maßnahmen für Familien eines
Dekanatsjugendreferenten teil. Doch auch sie suchen dabei eine gewisse Kontinuität, im
Laufe der Zeit kennen sich einige der Freizeit-Teilnehmer untereinander, die häufiger teil-
nehmen, und auch die Vater-Kind-Gruppe ist ein seit Jahren konstanter Kreis. Die von
dem Dekanatsjugendreferenten angebotenen Maßnahmen sind dabei nicht an eine
bestimmte Örtlichkeit wie ein Gemeindehaus, eine Kirche gebunden, dennoch spielen
auch für das Ehepaar Lösch bestimmte prägende kirchliche Orte eine bedeutende Rolle.
Stefan Lösch betont, dass die ganze Familie gerne ein zweites oder drittes Mal an die
schönen kirchlichen „Locations“ wie die Jugendburg Hohensolms zurückkehrt.
„Gelebte Religion“
Zwar werden spezifisch christliche Bezüge und biblische Themen in der gemein-
depädagogischen Arbeit von den Befragten durchaus unterschiedlich bewertet, einig
sind sich jedoch alle in der Meinung, dass diese den Bedürfnissen der jeweiligen Ziel-
gruppe angemessen eingebracht werden müssen. Erwartet wird, dass nicht zwangswei-
se bei jeder gemeindepädagogischen Maßnahme ein biblischer Bezug hergestellt oder
gar aufgedrängt wird. Eine Berechtigung haben solche Themen nur dann, wenn sie ent-
69
2.2 Gemeinsame Merkmale Die beiden Beispiele machen die Unterschiedlichkeit der Zugangslogiken zu kirch-
lichen Angeboten ebenso deutlich wie die unterschiedliche Bedeutung, die gemein-
depädagogische Angebote im Leben der Befragten einnehmen, dennoch lassen sich
auch gemeinsame Grundzüge erkennen.
FreiräumeUnabhängig von der eigenen Nähe und Distanz zur Kirche ist allen Befragten
besonders wichtig, dass nicht über sie verfügt wird. Sie wollen über Art und Umfang
ihrer Beteiligung selbst bestimmen. Den Eheleuten Lösch gefällt besonders gut, dass
die Maßnahmen, an denen sie teilnehmen, einen „groben Leitfaden“, eine gewisse zeit-
liche Struktur und thematische Anregungen bieten, dennoch bleibt dabei genügend Frei-
raum. Bei den Fahrten kann sich jeder „nach seinen Fähigkeiten“ einbringen, es besteht
bei einzelnen Einheiten nicht unbedingt ein Teilnahmezwang und man kann auch sei-
nen Mittagsschlaf machen, wie Stefan Lösch betont. Dies alles ist besonders wichtig, ist
doch die Teilnahme an einer solchen Fahrt für die Familie ein Stück Urlaub, Erholung
vom Alltag mit all seinen Belastungen und soll daher nicht wiederum in An- und Über-
forderung ausarten. Besonders wichtig ist es dem kirchenkritischen Ehepaar Lösch,
dass sie nicht das Gefühl haben, „missioniert“ zu werden. In der offenen und toleranten
Atmosphäre, die die Gemeindepädagogen schaffen, lassen sie sich jedoch durchaus
auch einmal auf Neues und Unbekanntes ein, sogar auf die sonntäglichen Gottesdien-
ste, denen sie zuerst mit großem Misstrauen begegneten. Sie haben insgesamt das
Gefühl, dass sie mit all ihrer Kritik an der Kirche und all ihren Zweifeln angenommen
werden und begrüßen es, dass man ohne Vorbehalte mit den Gemeindepädagogen
auch „Tacheles“ über die Kirche reden kann.
Aber auch Marita Petschek, die der Kirche nicht so skeptisch gegenübersteht wie
das Ehepaar Lösch, erwartet, dass ihr der hauptberufliche Mitarbeiter Freiheit lässt.
Marita Petschek betont, dass sie sich deshalb so gerne bei den gemeindepädagogischen
Projekten engagiert, weil sie der Gemeindepädagoge in keine „Schublade“ presst. Dies
betrifft einerseits ihre Freiheit, sich von Fall zu Fall für oder gegen eine ehrenamtliche
Mitarbeit bei einem Projekt entscheiden zu können, zum anderen auch die Art und
Weise, wie sie sich einbringt und beteiligt. Der Gemeindepädagoge hat kein fertiges
Konzept mit vorab fest definierten Aufgaben, die er an Ehrenamtliche verteilen möchte,
sondern er fragt Interessierte an, ob sie durch eigene Ideen eine Maßnahme wie etwa
ein Familienfest bereichern wollen und können. Bei der organisatorischen Umsetzung
68
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Erzählen einer Geschichte, neue Lieder – vor allem aber die Beteiligung von Kindern und
Eltern bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltungen. Die Gottesdienste
sind lebendig, nicht so „trocken“ wie der reguläre Sonntagsgottesdienst und die Ver-
mittlung der christlichen Botschaft – eingebettet in die Gemeinschaft einer Freizeit und
bzw. oder durch die Aufforderung zur Beteiligung und Mitgestaltung - wird somit „wirk-
samer als alles Theoretische sonst“, wie es Regina Lösch formuliert.
Gemeindepädagogische Lernprozesse
Bei den Befragten ist der Anlass zur Beteiligung an gemeindepädagogischen
Angeboten nicht der Wunsch, etwas zu lernen, oder sich mit einem bestimmten
Thema auseinanderzusetzen. Im Vordergrund steht eher die Suche nach Gemein-
schaftserfahrungen, die Möglichkeit zu sinnvoller, nicht-kommerzieller Freizeitge-
staltung, Abwechslung und Anregung, Unterhaltung, Austausch mit anderen Eltern,
Entlastung und Unterstützung. Dennoch sind in die gemeindepädagogischen
Zusammenhänge „mitlaufende“ Lernprozesse eingebettet. Die Befragten beschreiben
solche Lernprozesse zum einen als erwünscht in Bezug auf ihre Kinder, am deutlich-
sten Marita Petschek: Ihre Kinder sollen lernen, sich in einer Gruppe zu bewegen,
sollen bestimmte Umgangsweisen lernen, zum Beispiel füreinander da zu sein oder
die Begegnung mit anderen Generationen.
Auch die Erwachsenen beschreiben eigene Lernprozesse im Rahmen gemein-
depädagogischer Angebote. Marita Petschek kann bei der Mitarbeit in gemein-
depädagogischen Projekten ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern, ins-
besondere beim Umgang mit biblischen Themen bringt der Gemeindepädagoge
manche Anregungen und neue Sichtweisen ein, „da kann man schon dazulernen“.
Die Eheleute Lösch berichten ebenfalls von Lernprozessen. Die Teilnahme Stefan
Löschs an den Vater-Kind-Freizeiten blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Verhält-
nis zu seinen Kindern: er selbst hat sich als Mann daran gewöhnen müssen, einmal
alleine, ohne seine Frau, die Elternrolle zu übernehmen, und die Kinder lernten ihren
Vater in neuer Weise als Bezugsperson neben der Mutter zu akzeptieren. Die
gemeinsamen Familienfreizeiten wiederum bieten Anlass für die Auseinanderset-
zung mit den eigenen Glaubensvorstellungen, hier können neue Erfahrungen mit
kirchlichen Ritualen und Themen gemacht werden. Zudem verfügen die Gemein-
depädagogen über abrufbares Hintergrundwissen über die Kirche, welches gerne in
Anspruch genommen wird. Bei allen Maßnahmen ist es etwas Besonderes, dass sich
hier viele unbekannte Menschen aus völlig anderen Lebenskontexten begegnen, dies
71
weder von einer bestimmten Zielgruppe ausdrücklich gewünscht werden, oder aber
zum Kontext der Veranstaltung passen.
Marita Petschek findet es wichtig, dass in der Gemeinde auch „diese normalen
Miteinandersachen und die weltlichen Sachen“ zum Tragen kommen. Sie wünscht sich,
dass durch gemeindepädagogische Arbeit Gemeinde zu einem „Alltagsort“ wird – wenn
aber die Kirchengemeinde zu einem Ort des alltäglichen Lebens wird, dann kann dort
nicht immer und zu jeder Zeit spezifisch Christliches zur Sprache kommen, sondern die
anderen Themen des alltäglichen Lebens beanspruchen dann von Fall zu Fall Vorrang.
Dass sich für sie dennoch die Kirchengemeinde von anderen möglichen und tatsächlich
vorhandenen relevanten Alltagsorten unterscheidet, wird daran deutlich, dass sie dort
einen anderen Umgang miteinander erhofft, als sie ihn sonst in der Gesellschaft erlebt:
gegen Egoismus und Vereinzelung erlebt sie dort mehr Gemeinschaft, Füreinander-Da-
Sein, Begegnung der Generationen.
Die Eheleute Lösch waren im Gegensatz zu Marita Petschek gegenüber Gottes-
diensten und christlichen Ritualen misstrauisch. Im Kontext der Familienfreizeiten
können sie sich jedoch darauf einlasen, weil insgesamt das Kirchliche auf den Fahrten
„nicht übertrieben“ wird. Manches ist ihnen durchaus fremd, so etwa die Tischgebete
vor den Mahlzeiten. Dennoch wird es von ihnen als Anregung verstanden und gibt
Anlass zu Gesprächen mit den Kindern, wenn diese fragen, warum man Gott für das
Essen danke und nicht derjenigen, die es gekocht hat. Solche Anregungen wirken
auch noch über die Fahrten hinaus in den Familienalltag zurück. Für die Eheleute
Lösch ist eine solche Begegnung mit christlicher Religion „gelebt“, weil sie im Zusam-
menhang mit ihrem alltäglichen Leben Relevanz erlangt. Auch die Gestaltung der
Gottesdienste, die auch für „Kinder taugen“ überzeugt so sehr, dass Regina Lösch
mittlerweile zu den Befürworterinnen zählt, wenn es darum geht, ob auf der nächsten
Fahrt wieder ein Gottesdienst zu den Gestaltungselementen gehören soll. Das Ehe-
paar nimmt dabei die spezifisch christlichen Elemente bei den gemeindepädago-
gischen Familienfreizeiten nicht nur billigend in Kauf, vielmehr erwarten sie sogar von
einem kirchlichen Anbieter auch die Thematisierung bestimmter – auch kritischer –
Fragen und entsprechendes Hintergrundwissen bei den Gemeindepädagogen. Stefan
Lösch formuliert das so: „wenn er seine Visitenkarte rausgibt, dass er von der Kirche
kommt, dann muss ich ihn da auch erwischen können“.
Gemeinsames Merkmal aller von den gemeindepädagogischen Mitarbeitenden
gestalteten Gottesdienste, Feste oder Bibeltage ist es, dass hier auf die besonderen
Bedürfnisse von Familien Rücksicht genommen wird: eine einfache Liturgie, das
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Ansicht, es sollte in jeder Gemeinde neben dem Pfarrer eine zweite Person geben,
die das „Miteinander als Gemeinde“ ermöglicht. Das Ehepaar Lösch hingegen findet
im Umkreis ihres ländlichen Wohnorts keinen Gemeindepädagogen, sie nehmen an
den Angeboten eines Dekanatsjugendreferenten des Nachbardekanates teil. Sie wür-
den sich allerdings durchaus wünschen, dass die Kirche mit den verfügbaren finanzi-
ellen Ressourcen andere Prioritäten in der Personalplanung setzt. Sie wünschen sich
genau das, was Marita Petschek in ihrer Gemeinden vorfindet und positiv bewertet:
einen gemeindepädagogisch organisierten und begleiteten „Treffpunkt“ in erreich-
barer Entfernung, denn Kirche könne dann gerade in einer dörflichen Gemeinschaft
einen „wichtigen Anlaufpunkt“ bieten.
3. ResümeeUnabhängig von der eigenen Distanz oder Nähe zur Institution Kirche: die
neue Lebenssituation als Familie ist eine biographische Umbruchsituation, in der
kirchliche Angebote zur Stützung und Begleitung des familiären Alltags gerne in
Anspruch genommen werden. Menschen wie Marita Petschek suchen gezielt in einer
neuen Lebenssituation den Kontakt mit der Kirche, Kirchenkritische wie die Eheleute
Lösch geraten zwar nur zufällig in Kontakt mit gemeindepädagogischen Angeboten,
besitzen in der neuen Lebenssituation aber eine gewisse Offenheit, sich auf Unbe-
kanntes einzulassen, in der Hoffnung, hier auf neue Kontakte und sinnvolle Angebote
zu stoßen, die zu ihrer familiären Situation passen.
Die Berichte machen deutlich, dass die gemeindepädagogischen Mitarbeiten-
den ein für Familien, Eltern und Kinder passendes Angebot bereitstellen können,
welches in unterschiedlicher Art und Weise das Leben der Familie bereichert. Den
Hauptberuflichen scheint dabei die Balance zu gelingen zwischen Gewährung von
Freiheit und Einbindung in ein kirchliches Kommunikationsmilieu, zwischen Alltags-
themen und religiösen Themen, zwischen der Gewährleistung eines verlässlichen
organisatorischen Rahmens und gleichzeitigem Freiraum für Ungeplantes und die
Ideen der Teilnehmenden und Ehrenamtlichen, zwischen der Möglichkeit aus-
schließlicher Teilnahme, über punktuelle Mitarbeit, bis hin zu längerfristigem Ehren-
amt. Genau diese Mischung lässt Konstanz entstehen, allerdings weniger über feste
Gruppen und längerfristige Maßnahmen, sondern eher über Projektgruppen oder
die wiederholte Teilnahme an einigen Maßnahmen pro Jahr.
Die Einbindung in die gemeindepädagogischen Arbeitsfelder scheint durchaus
einen gewissen Einfluss auf das grundsätzliche Verhältnis zur Kirche zu nehmen.
73
ist zum einen interessant, andererseits erfordert es jedoch einen Umgang miteinan-
der, der sich von dem im privaten Bekanntenkreis unterscheidet: Kompromisse sind
nötig, man muss sich manchmal zurücknehmen, wie es Stefan Lösch beschreibt, die
Gemeindepädagogen spielen dabei für das Einüben des Umgangs in der Gruppe
eine wichtige Rolle.
Zugang zu kirchlichen Ressourcen
Die Befragten beschreiben die Bedeutung eines hauptberuflichen Gemein-
depädagogen ähnlich. Er ist derjenige, der Menschen begleitet, anregt und bei der
Unterstützung ihrer eigenen Vorhaben unterstützt. Gemeindepädagogen sind Mittel-
punkt eines kirchlichen Kontaktnetzes, bringen unterschiedliche Menschen auf Zeit
immer wieder neu für ein Projekt, eine Fahrt, eine Gruppe zusammen. Durch ihre Aus-
bildung haben sie es gelernt, die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen zu erken-
nen, auf sie einzugehen und sie verfügen einerseits über pädagogisches Wissen über
den Umgang mit Menschen und andererseits über thematisches Wissen, welches den
Teilnehmenden und Ehrenamtlichen nicht zur Verfügung steht, und das sie in gemein-
same Vorbereitungen und Gespräche einbringen. Für alle Befragten stellt das erlebte
kirchliche Umfeld als solches eine wünschenswerte Ressource zur biographischen
Lebensbewältigung dar. Ein Gemeindepädagoge wird von ihnen als derjenige beschrie-
ben, der diese Ressource auch für sie auch zugänglich, erreichbar und nutzbar macht.
Für diese Aufgabe – darin sind sich die Befragten einig – bedarf es neben dem
Pfarramt eines eigenständigen gemeindepädagogischen Berufsstandes. Pfarrer
haben nach ihrer Ansicht den pädagogischen Umgang mit Menschen in ihrer Ausbil-
dung nicht erlernt – sind hierbei eher auf ihr persönliches Geschick und Intuition
angewiesen. Zum anderen werden den Pfarrern andere Aufgaben zugeschrieben, sie
sind verantwortlich für die regulären Sonntagsgottesdienste, Kasualien u. a. Die
gewünschte Erreichbarkeit im Alltagsleben der Gemeinde, die Ansprechbarkeit für
die Bedürfnisse der Gemeindemitglieder und die erwartete organisatorische und
pädagogische Unterstützung und Begleitung garantiert hingegen eine Gemeinde-
pädagogin oder ein Gemeindepädagoge.4
In der Kirchengemeinde von Marita Petschek arbeitet ein Gemeindepädagoge,
sie weiß jedoch auch, dass dies nicht überall so ist. Marita Petschek ist daher der
72
4 Zu den von 22 Interviewten wahrgenommenen Unterschieden zwischen Pfarrern und Gemeinde-pädagogen und ihre Erwartungen an diese beiden kirchkichen Berufe vgl. auch Piroth, Nicole.2002.„Die unvollendete Kirchenreform. Zum wünschenswerten Verhältnis von Gemeindepädagogen undPfarrerinnen.“ S. 41-46 in: Lernort Gemeinde, Heft 1/2002.
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 72
gischen Arbeitsfeldern mehr Gewicht zu verleihen. Gerade für kirchenfernere Men-
schen, wie in dem beschriebenen Fall der Eheleute Lösch – ist nicht davon auszu-
gehen, dass diese sich von selbst in einer Stadt oder größeren Region nach passen-
den kirchlichen Angeboten umgesehen hätten. Es stellt sich also die Frage an die
Kirche, wie die Zugänge solcher Menschen gestaltet werden können, ohne es allein
dem Zufall zu überlassen wie bei Familie Lösch oder dem Glück, in der eigenen
Gemeinde am Wohnort auf einen Gemeindepädagogen zu treffen, wie bei Marita
Petschek. Gewünscht wird deshalb eine institutionelle Absicherung, eine erwartba-
re Bereitstellung gemeindepädagogischer Angebote – nicht unbedingt als dauer-
hafter Bezugsrahmen, aber als Ressource, auf die von Fall zu Fall zurückgegriffen
werden kann.
Eine weitere kritische Anmerkung sei an dieser Stelle gemacht. So lohnend die
Arbeit mit Familien auch zu sein scheint, so muss zugleich die Frage gestellt werden,
ob die in den letzten Jahren erkennbare Ausweitung gemeindepädagogischer Arbeit
über die Angebote für Heranwachsende hinaus auf die ganze Familie sich hier nicht
an eine vergleichsweise „einfache“ Zielgruppe wendet. Denn was die dritte EKD-Kir-
chenmitgliedschaftsstudie allgemein für die kirchliche Arbeit formuliert, gilt auch für
die gemeindepädagogischen Arbeitsfelder: „Wenn nämlich (…) die Eingebundenheit
in familiale Bezüge fehlt, gibt es nur wenig kirchliche Berührungen. Und für eine stei-
gende Zahl – nicht nur – von Frauen ist die Gründung einer eigenen Familie zur Ent-
scheidungsfrage geworden.“ (Engelhardt u. a., 242) So wichtig die kirchliche Arbeit
mit Familien auch sein mag, so sehr gälte es doch auch jene erwachsenen Menschen
ohne Kinder in den Blick zu nehmen, an die sich bisher kaum vergleichbare niedrig-
schwellige Angebote richten. Dies läge in beiderseitigem Interesse: im Interesse der
Menschen wie auch der Institution Kirche. Auch Menschen ohne Kinder erwarten,
dass sie etwas von Kirche haben. Auch ihre Bereitschaft weiterhin Kirchensteuern zu
zahlen, hängt von der Möglichkeit ab, zur eigenen Lebenssituation passende Ange-
bote vorzufinden. Doch bisher macht die Kirche einfach zu wenig Angebote für jene
Menschen, „die eigentlich die Kirchensteuer zahlen“, wie es das Ehepaar Lösch formu-
liert – und diese sind nicht nur Familien-Väter und -Mütter.
Gemeindepädagogische Chancen
Sollen also wirklich die Chancen, die in der gemeindepädagogischen Arbeit mit
Familien zu liegen scheinen – sowohl für den Einzelnen wie auch für die Institution
Kirche – genutzt werden, bedürfte es der dauerhaften personellen, organisatorischen
75
Die Bereitschaft, weiterhin als Mitglied der Kirche Kirchensteuer zu bezahlen
wächst, wenn Menschen wie das Ehepaar Lösch das Gefühl haben, dass die Kirche
auch etwas zu ihrer Lebenssituation Passendes anzubieten hat. Nicht in jedem Falle
kann erwartet werden, dass Menschen sich über die gemeindepädagogischen Ange-
bote hinaus in die Gemeinde als ganze einbinden lassen, dies ist selbst bei der sehr
kirchenverbundenen Marita Petschek nicht der Fall. Diese besitzt zwar ein
grundsätzliches Interesse an regelmäßigen Veranstaltungen und dem sonntäg-
lichen Gottesdienstbesuch, aber die hohe zeitliche Beanspruchung in ihrer Lebens-
situation schränkt den Freiraum für eine solche weitergehende Beteiligung in der
Gemeinde ein.
Grenzen gemeindepädagogischer Arbeit
Die gemeindepädagogischen Arbeitsfelder scheinen einen Möglichkeitsraum,
eine biographische Ressource darzustellen, die von Familien abgerufen werden
kann. Dennoch bleibt die gemeindepädagogische Arbeit dabei in ihrer Reichweite
auch begrenzt. Diese Begrenzung hängt in erster Linie mit der Tatsache zusammen,
dass der Arbeitsauftrag der hauptberuflichen Gemeindepädagogen in erster Linie die
Arbeit mit Heranwachsenden ist – dies ist auch bei den Gemeindepädagogen in den
beiden dargestellten Fallbeschreibungen so. Es ist zu begrüßen, dass die betreffen-
den Mitarbeitenden über ihre Angebote für Kinder und Jugendliche hinaus ansprech-
bar sind für weitergehende Bedürfnisse von Eltern und Familien. Dennoch machen
die Angebote für Familien nur den kleineren Teil im Gesamtspektrum ihrer gemein-
depädagogischen Arbeit aus, die zur Verfügung stehende Zeit bleibt hier notwendi-
gerweise begrenzt. Zudem scheinen die gemeindepädagogischen Angebote –
zumindest ist dies in den beschriebenen Beispielen der Fall – überwiegend auf
Familien mit jüngeren Kindern begrenzt zu bleiben.5
Eine weitere Begrenzung ergibt sich durch die Tatsache, dass insgesamt die
Anzahl gemeindepädagogischer Mitarbeitender recht gering ist. Die Eheleute Lösch
finden im gesamten ländlichen Wohnumfeld keine gemeindepädagogischen Ange-
bote für Familien, die ihnen auch eine sozialräumlich ausgerichtete Beteiligung in
einer Ortsgemeinde ermöglichen würden. Sie bleiben auf die punktuellen Angebote
eines Dekanatsjugendreferenten in der Region angewiesen. Diese Tatsache ist es
unter anderem, die die Befragten fordern lässt, eine deutlich andere Prioritätenset-
zung bei der kirchlichen Personalplanung vorzunehmen und den gemeindepädago-
74
5 Vgl. hierzu auch den Beitrag von L. Metzger in diesem Buch.
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Familienalltags zu erlangen, ist „nicht ein einmaliger Akt, sondern ein fortlaufender
Prozeß“ (Schulze 1993, 218).
Aufgabe hauptberuflicher Gemeindepädagogen ist es, Gemeinde als einen Ort
alltäglicher Lebensbewältigung zugänglich zu machen und die in den alltäglichen
Situationen liegenden Lernanlässe wahrzunehmen, sie aufzugreifen und zu gestal-
ten. Das Vorhandensein eines gemeindepädagogischen Mitarbeiters kann es Men-
schen dann ermöglichen, selbstbestimmt, häufig auch eher unbewusst, biographisch
Relevantes zu lernen. Zu pädagogischen Situationen werden gemeindepädagogische
Maßnahmen dadurch, dass die Mitarbeitenden die darin liegenden fruchtbaren
Momente nutzen, indem sie in bestimmten Situationen die Interessen der Beteiligten
aufgreifen oder Gespräche und Diskussionen anregen. Dieses Arrangieren geselliger
Anlässe ist die Bedingung dafür, dass überhaupt Lernprozesse stattfinden können,
und dass möglicherweise eine Beschäftigung mit Glaube und Religion möglich wird.
Dabei ist neben der didaktisch-kommunikativen Kompetenz eines Gemein-
depädagogen – zu der es gehört, Menschen zu fördern, zu ermutigen und zu unter-
stützen – auch eine kulturelle Kompetenz notwendig, damit von ihm etwas zu lernen
ist: Diese kulturelle Kompetenz ist bei den Gemeindepädagogen in erster Linie als
theologische zu bestimmen. Insbesondere kirchenkritische Menschen wie Stefan
Lösch erwarten geradezu bei einem kirchlichen Anbieter auch einen kompetenten
Ansprechpartner in Sachen Religion und Kirche. Er sagt dazu, er würde auch mit
jedem anderen Anbieter auf vergleichbare Maßnahmen mitfahren, wenn es diese
gäbe, wenn er aber schon bei der Kirche mitfahren, dann will er mit einem kirchlichen
Mitarbeiter auch „Tacheles“ reden können. Eine vermeintliche Neutralität und
Zurückhaltung an dieser Stelle weist die Gemeindepädagogen dabei als ebenso
unglaubwürdig aus, wie die mangelnde Auskunftsfähigkeit aufgrund fehlenden Wis-
sens. Wesentliche Voraussetzung für eventuelle neue Annäherungen an Kirche und
Religion ist dabei, dass die Gemeindepädagogen dieses als Gesprächsangebot und
Anregungsmilieu gestalten, nicht aber aufdrängen. Was die Erziehungswissenschaft-
ler Combe und Helsper als pädagogische Aufgabe beschreiben, gilt dabei umso mehr
für den Umgang mit spezifisch christlichen Elementen in gemeindepädagogischen
Maßnahmen und Projekten: „Die entscheidende kommunikative Leistung von
PädagogInnen scheint demnach gegenwärtig zu sein, ihre (vermeintliche) Überle-
genheitsposition preiszugeben und mit ihren jeweiligen Adressaten in Verhandlun-
gen über den Sinn und die Geltung kultureller Sachverhalte einzutreten.“ (Combe
und Helsper 2002, 43)
77
und konzeptionellen Absicherung dieses Arbeitsbereichs. Sonst wird es weiterhin
dem Zufall überlassen bleiben, ob Familien kirchliche Angebote als lebensdienlich
erfahren können. Lebensdienlichkeit besteht dabei einerseits in der Ent-Lastung des
belasteten familiären Alltags, andererseits aber auch in einem Anregungsmilieu, wel-
ches dazu animiert, eigene Zweifel und Ängste zur Sprache zu bringen, Neues aus-
zuprobieren und wahrzunehmen, Grenzen zu überschreiten, sich auf Veränderungen
und Lernprozesse einzulassen. Durchaus besitzt auch die christliche Religion in den
gemeindepädagogischen Maßnahmen eine solche anregende Funktion, wenn sie
einen Bezug zum Alltag der Beteiligten erlangt – dies gilt auch für Kirchenkritische.
Die Kirche erfüllt traditionell die Leistung der ‚Ritualisierung von Übergängen’
an biographischen Wendepunkten des Lebens, doch diese „lebensgeschichtlich-ord-
nende Funktion von Religion“, so Monika Wohlrab-Sahr, ist heute vor allem dort am
meisten gefragt, „wo es gilt, die Stationen des institutionalisierten Lebenslaufs und
vor allem des Familienzyklus ‚abzusegnen’. Das heißt aber auch: sie werden vor
allem dort in Anspruch genommen, wo Lebensverläufe sich noch in relativ stabilen
Bahnen bewegen.“ (Wohlrab-Sahr 1995, 11) Hingegen fragt die biographisch-reflexive
Funktion der Religion nach Prozessen „der Selbstthematisierung und Selbstbeob-
achtung, die durch bestimmte Gehalte einer Religion (…) in Gang gesetzt werden,
sowie um die dafür bereitgestellten Institutionen.“ (a.a.O., 12) Wohlrab-Sahr vertritt
die Ansicht, dass diese reflexive Funktion der Religion in der Kirche geradezu rand-
ständig sei, dass sich eine Form der „Arbeitsteilung“ vollzogen habe, indem die Kir-
chen nach wie vor für die religiös inszenierten Übergangsriten zuständig seien, die
reflexiv-biographische Dimension ihren Ausdruck jedoch eher in esoterischen, spiri-
tuellen Formen außerhalb der Kirchen gefunden habe. Die gemeindepädagogischen
Arbeitsfelder der Kirche scheinen Menschen eine solche Möglichkeit zu biographi-
scher Selbstreflexion, Umorientierung und Begleitung innerhalb des kirchlichen Rah-
mens zu bieten.
Dies schmälert nicht die Bedeutung der pfarramtlichen Kasualpraxis, als ein
Anlass, wie in dem eingangs verwendeten Zitat von Rainer Böhm beschrieben, „das
Ausmaß der Lebensveränderung zu reflektieren, das Ereignis wahrzunehmen und zu
deuten“. Darüber hinaus benötigen Menschen jedoch nicht nur an den einschnei-
denden biographischen Wendepunkten, sondern auch für die dauerhafte Bewälti-
gung des Alltags, auch außerhalb fest definierter Rituale solche Gelegenheiten: Denn
biographische Reflexivität, die Möglichkeit das eigene Leben, die eigenen Gewohn-
heiten in einem neuen Licht zu sehen, Anregungen für die Veränderung des
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 76
Ulla Kleemann
Einheit in der VielfaltDie Evangelischen Familien-Bildungsstätten im Gebiet der EKHN
1. Die EinrichtungenIm Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gibt es 8 evangelische
Familien-Bildungsstätten von 4 verschiedenen Trägern:
Die Familien-Bildungsstätten wurzeln in den Mütterschulen, die schon im ersten
Weltkrieg gegründet worden waren, um den Frauen beizustehen, deren Männer gefallen
waren, und um die Familien zu unterstützen. Die Aufgabe „Familie aus der Sicht von
Frauen zu buchstabieren“ (17, S.3) stellte sich nach dem zweiten Weltkrieg wieder und sie
stellt sich immer wieder neu im gesellschaftlichen Wandel.
● 1949 wurde die Frankfurter Mütterschule in der Trägerschaft des Evangelischen
Regionalverbandes gegründet.
● 1958 entstand durch die Initiative von Mitgliedern der Evangelischen Frauenhilfe
die Wiesbadener Mütterschule.
● 1962 wurden die Mütterschulen in Friedberg mit Butzbach und Bad Nauheim
sowie in Gießen eröffnet.
● 1967 entstanden die dezentrale Mütterschule Dreieichenhain, die sich rund um
Frankfurt ausdehnte, und 1977 die Einrichtung Offenbach. Die dezentrale Einrich-
79
Träger
Evangelisches Dekanat Kronberg
Evangelischer Regionalverband Frankfurt am Main
Landesverband Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
Landesverband Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
Landesverband Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
Evangelisches Dekanat Mainz
Landesverband Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
Landesverband Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
Einrichtungen
Bad Soden
Frankfurt
Friedberg/Bad Nauheim(Wetteraukreis)
Gießen
Langen
Mainz
Offenbach
Wiesbaden
78
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Menschen nicht an gemeinde-
pädagogischen Maßnahmen teilnehmen, um etwas zu lernen, ihr Wissen oder ihre
Fähigkeiten zu erweitern und häufig ebenso wenig, um sich explizit mit Kirche und
Religion zu beschäftigen. An den beschriebenen Beispielen wird jedoch deutlich,
dass man in gemeindepädagogischen Kontexten etwas lernen kann: über sich selbst,
über seine Mitmenschen und auch über Religion. Genau hier liegt die Stärke gemein-
depädagogischer Arbeitsfelder und zugleich ihre Grenze. Die Gestaltung bedeuten-
der biographischer Wendepunkte durch die pfarramtliche Kasualpraxis setzt hier
ebenso einen anderen Akzent wie eher themenorientierte Kurs-Angebote einer evan-
gelischen Familienbildungsstätte. Eine wesentliche Aufgabe wird es daher sein, die
bestehenden kirchlichen Angebote in ihrer Leistungsfähigkeit zu erkennen und stär-
ker aufeinander zu beziehen – im Interesse der beteiligten Menschen.
Verwendete Literatur:
Barth, Ferdinand u.a. im Auftrag der Evangelischen Hochschulgesellschaft e.V. (Hrsg.). 1995. Gemeindepädagogische Profile: Berichte und Kommentare; Erträge des Forschungsprojektes zur beruflichen Praxis und handlungsleitenden Theorie von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen. Darmstadt: Bogen Verlag.
Böhm, Rainer. 1995. „Biographie und Ritual. Biographie in der Perspektive kirchlicher Amtshandlungen.“ S. 180-197 in: Biographie und Religion. Zwischen Ritual und Selbstsuche, hrsg. von Monika Wohlrab-Sahr. Frankfurt am Main: Campus.
Combe, Arno und Werner Helsper. 2002. „Professionalität.“ S. 29-47 in: Erziehungswissenschaft: Professionalität und Kompetenz (Erziehungswissenschaft in Studium und Beruf, Band 3), hrsg. von Hans-Uwe Otto, Thomas Rauschenbach und Peter Vogel. Opladen: Leske+Budrich.
Engelhardt, Klaus, Hermann von Loewenich und Peter Steinacker (Hrsg.). 1997. Fremde Heimat Kirche: die dritte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
Piroth, Nicole. 2002. „Die unvollendete Kirchenreform. Zum wünschenswerten Verhältnis von Gemeinde-pädagogen und Pfarrerinnen.“ S. 41-46 in: Lernort Gemeinde, Heft 1/2002.
Schulze, Theodor. 1993 [Erstveröffentlichung 1984]. „Lebenslauf und Lebensgeschichte. Zwei unterschied-liche Sichtweisen und Gestaltungsprinzipien biographischer Prozesse.“ S. 174-226 in: Aus Geschich-ten lernen. Zur Einübung pädagogischen Verstehens, hrsg. von Dieter Baacke und Theodor Schulze.Weinheim u.a.: Juventa.
Wohlrab-Sahr, Monika. 1995. „Einleitung.“ S. 9-23 in: Biographie und Religion: Zwischen Ritual und Selbst-suche, hrsg. von Monika Wohlrab-Sahr. Frankfurt am Main: Campus.
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Die Evangelischen Familien-Bildungsstätten leisten Bildungsarbeit für Frauen,
Männer und Kinder in allen Konstellationen des Zusammenlebens. Die evangelische
Familienbildung entfaltet ihre Angebote in vier Dimensionen hinein, die als grundlegend
für jedes menschliche Leben angesehen werden:
● „Die Beziehung zu sich selbst,
● die Beziehung zu anderen Menschen,
● die Beziehung zur Schöpfung,
● die Beziehung zu Gott.“ (a.a.O.)
Von diesem Positionspapier ausgehend und darauf aufbauend haben die meisten
Einrichtungen bzw. Träger jeweils eigene Konzeptionen für ihre Arbeit erstellt. Es wird
deutlich, dass Familienbildungsarbeit abhängig ist von politischen, gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Entwicklungen und regionalen Erfordernissen.
Konzeption der Familienbildungsarbeit der Evangelischen Frauenhilfe in Hessen und Nassau:
„Die Evangelischen Familien-Bildungsstätten wollen Frauen, Männer und Kinder im
Alltag bei ihrer Lebensgestaltung unterstützen.“ (8, S. 6)
„Die Arbeit der Familienbildung orientiert sich an den Alltagsfragen und den Lebens-
phasen von Familien.“ (8, S. 8) Dabei wird betont, dass die Familie kein feststehendes
Gebilde ist und sich in vielerlei Gestalt darstellt. (Vgl. 8, S. 5)
In Bezug auf die Familie bzw. ihre Mitglieder sind folgende Aufgaben zu erfüllen:
● Familien in ihrer Gesamtheit anzusprechen, aber auch individuelle Entfaltungswün-
sche zu fördern und Solidarität zu entwickeln
● Familien in ihrer jeweiligen Lebensphase Begegnungs-, Erfahrungs- und Erlebnisräu-
me zu schaffen, die alle Familienmitglieder einbeziehen und dazu beitragen, das
Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Nationalität, Religion,
Generation sowie von Gesunden, Kranken und Behinderten zu fördern
● Frauen in der Familie Begleitung und Unterstützung zu geben, ihre unterschied-
lichen Anforderungen in Familie, Beruf, Kirche und anderen Lebensvollzügen mit-
einander zu vereinbaren, Fähigkeiten zu erkennen und zu stärken, Prioritäten zu set-
zen und ihr Leben selbstverantwortlich zu gestalten
● Menschen in ihrem Zusammenleben zu unterstützen und dabei die unterschied-
lichen Lebensformen einzubeziehen und deren spezifische Bedürfnisse aufzugreifen
81
tung reduzierte ihren Wirkungsbereich auf die Dekanate Dreieich und Rodgau und
siedelte sich 1997 in Langen an. (Vgl. 8, S. 17)
● 1994 wurde die dezentrale Familien-Bildungsstätte für den Vortaunus mit Sitz
in Bad Soden unter der Trägerschaft des Evangelischen Dekanats Kronberg
gegründet.
● Im Jahr 2000 begann die evangelische Familienbildung Mainz mit ihrer Arbeit. Sie
startete als Pilotprojekt des Evangelischen Dekanats Mainz in Zusammenarbeit
mit drei Kirchengemeinden und der Evangelischen Erwachsenenbildung.
Hinsichtlich der räumlichen und personellen Ausstattung differieren die obigen
Einrichtungen sehr stark, auch innerhalb des größten Trägers, der Evangelischen Frau-
enhilfe. So gibt es Einrichtungen, die mehrere feste Standorte und eigene Veranstal-
tungsräume unterhalten, während andere nur Büroräume haben und Veranstaltungs-
räume in Kirchengemeinden nutzen. Auch der Beschäftigungsumfang der Leiterinnen
und die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und damit der Umfang des Bildungs-
angebotes ist unterschiedlich. (Vgl. dazu auch Pkt. 5)
2. Die Konzeption Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau bewertet Familienbildung folgen-
dermaßen: „Die Bedeutung, die die Familie – in welcher Form gemeinsamen Lebens der
Geschlechter und Generationen auch immer – für die Gesellschaft hat, macht Familien-
bildung zu einer Aufgabe öffentlicher Verantwortung ersten Ranges.“ (2, S. 29)
Evangelische Familienbildung hat ihren Grund und ihre Motivation im christlichen
Glauben. In einem Positionspapier der Landesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Fami-
lien-Bildungsstätten in Hessen (LAG), der alle hier beschriebenen Einrichtungen
angehören, haben diese im November 1998 als Grundlage ihres Bildungsauftrages die
Grundsätze des evangelischen Selbstverständnisses definiert:
● „Alle Menschen haben von Gott her ihre unantastbare Würde und ihr umfassendes
Lebensrecht.
● Alle Menschen sind auf Gemeinschaft angelegt und verantworten sich vor Gott und den
Menschen für ihr Leben, ihr Tun und Lassen.
● Alle Menschen sind eingeladen, ihr Leben in Auseinandersetzung mit der christlichen
Tradition und den Anforderungen des Alltags mündig und selbständig zu gestalten.“
(13, S. 1)
80
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Sie sollen dazu beitragen, dass Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte ihre
Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können. Sie sollen auch Wege aufzeigen,
wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.“ (Absatz 1)
Als besondere Leistungen zur Förderung der Familie werden hervorgehoben:
1. Angebote der Familienbildung, die auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrun-
gen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen einge-
hen, …
2. Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger
Menschen,
3. Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung, …“ (Absatz 2)
Am 25.1.2001 beschloss der Landesjugendhilfeausschuss Hessen „Fachliche Emp-
fehlungen für Familienbildungsstätten“: Von Familienbildung werden Bildungsangebote
erwartet, die
● soziale Kompetenzen vermitteln und stärken
● Bildungsfähigkeit (lebenslanges Lernen) entwickeln und unterstützen
● Fertigkeiten und Sachkenntnisse zur Lebensgestaltung und Alltagsbewältigung vermit-
teln
● Orientierung und Unterstützung bieten, um ein selbstverantwortetes, sinnhaftes Leben
zu führen
● Selbstbestimmung fördern
● Soziale Verantwortung unterstützen und gesellschaftliche Partizipation fördern
(4, Absatz 3.3)
Familienbildung ist präventiv und ganzheitlich ausgerichtet.
Für das Leistungsspektrum einer Familienbildungsstätte sind die örtlichen Gegeben-
heiten und Bedarfe maßgeblich. (Vgl. 4, Absatz 5).
Familienbildungsstätten sind auch an der örtlichen Jugendhilfeplanung zu beteiligen
(Vgl. 4, Absatz 4).
Für ihre Leistungen erhalten sie öffentliche Zuwendungen (Vgl. 4, Absatz 8.2).
83
● Der Suche nach der Sinnfrage des Lebens Raum zu geben, Erfahrungen christlicher
Lebensgestaltung mitzuteilen und Leitbilder zu entwickeln; die Angebote so zu
gestalten, dass möglichst viele Zugang finden. (8, S. 8)
Konzeption der Evangelischen Familienbildung Frankfurt des Evangelischen Regionalverbands Frankfurt am Main:
„Lernen, zusammen zu leben, ist das Ziel von Familienbildung.“ (9, S. 3)
Dieses Ziel bezieht sich sowohl auf die familialen Bindungen in allen ihren Formen,
als auch auf das Leben in einer Stadtgesellschaft, in der die Hälfte der Haushalte Ein-
Personen-Haushalte und nahezu ein Viertel der Wohnbevölkerung Migranten und
Migrantinnen sind.
Vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Lebensentwürfen und Wahlmöglichkeiten,
der Schwierigkeit des einzelnen, sich zu orientieren und eine eigene Identät zu finden,
wird als ‚Querschnittsaufgabe’ der Bildungsarbeit der ‚Dialog’ gesehen.
● Dialog zwischen den Geschlechtern
Partnerschaftliches Zusammenleben und partnerschaftliche Arbeitsteilung in
ihren verschiedenen Dimensionen als Erwerbs- und Hausarbeit, Erziehungs- und
Beziehungsarbeit müssen heute ausgehandelt werden.
● Dialog zwischen den Generationen
Intergeneratives Miteinander geht auch im alltäglichen Familienleben zurück.
Aufgabe der evangelischen Familienbildung ist es, „intergeneratives Denken und
Reflektieren anzustoßen und Generationensolidarität zu fördern.“ (9, S. 5)
● Dialog zwischen den Kulturen
„Die Förderung von Kontakten und die intensive Kommunikation zwischen
Deutschen und MigrantInnen sollen die pluralen Lebenswelten einer modernen
Einwanderungsgesellschaft einander vermitteln.“ (9, S. 5)
Die Konzeption der Familienbildungsarbeit in Bad Soden wird zur Zeit über-
arbeitet. Sie hat ihren Schwerpunkt in der Hilfe für Menschen in schwierigen Lebens-
lagen und in der Familienfreizeitarbeit.
Gleichzeitig übernehmen die Familien-Bildungsstätten öffentlich-rechtliche Aufga-
ben. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) von 1991 hat im §16 die Familien-
bildungsarbeit in die Jugendhilfe eingebunden:
„Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen sollen
Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden.
82
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Adressen und Telefonnummern, auch von Zweigstellen bzw. Standorten, Bürozeiten,
Hinweise auf Anmeldeformalitäten und Kursgebühren. Den Kern des Programm bil-
det das Veranstaltungsangebot. Am Schluss werden die Kursleiterinnen und Refen-
ten/innen und die Kooperationspartner/innen genannt.
Manche Programme verfügen zusätzlich über ein Stichwortverzeichnis und in
der Mitte über einen Terminplaner, in dem alle Veranstaltungstermine der Einrich-
tung im Monat aufgeführt sind.
Ein großer Teil der Familien-Bildungsstätten stellt sich und ihr Angebot bereits
im Internet dar und nimmt auf diese Weise auch Anmeldungen entgegen. Die Ein-
richtungen der Evangelischen Frauenhilfe präsentieren sich hier individuell unter
einem Dach.
3.2 Strukturen „Mit ihren Angeboten besteht Evangelische Familien-Bildungsarbeit innerhalb der
Kirche in Nähe und zugleich Unterscheidung zu den Angeboten von Kindertagesstätten,
Kinder- und Jugendarbeit der Gemeinden oder auch der Erwachsenenbildung. Koopera-
tionen sind möglich und werden gerne wahrgenommen. Zugleich behält Familienbildung
mit ihrer Ausrichtung auf die unterschiedlichen Formen von Familienleben ein eigenes,
unverwechselbares Gesicht.“ (3, Febr. 2002, S. 3 f.)
Die Angebotspalette der Evangelischen Familien-Bildungsstätten ist groß. Sie
reicht vom Kurs über Babymassage bis zum Internet-Schnellkurs, vom Töpferkurs für
Kinder, über Nähkurse für Migrantinnen bis zum Rückengymnastik-Kurs, von der
Weihnachtswerkstatt bis zum Grundbildungslehrgang in der Hauswirtschaft, von
den Spiel- und Krabbelgruppen bis zum Wochenende für Kinder und Väter und vom
Vortrag über Probleme in der Kindererziehung bis zu den regelmäßigen Treffs einer
„Scheidungsgruppe“, vom „Schnupperkurs Bibel“ bis zum Gesprächskreis über die
Zukunft der Kirchengemeinden. Sie vermittelt und qualifiziert Tagesmütter, schult
Babysitter, unterstützt Selbsthilfegruppen für Alleinerziehende und unterhält Bera-
tungstelefone. (Vgl. dazu auch 3, Febr. 2002, S. 3)
Die Reaktion der Einrichtungen auf gesellschaftliche Veränderungen und regio-
nale Bedarfslagen verändern die Angebote laufend. Deshalb ist es schwer, sie dauer-
haft und einheitlich zu strukturieren. Es zeigen sich verschiedene Angebots-
strukturen.
85
3. Das AngebotIm Angebot der einzelnen Einrichtungen realisieren sich die in den Konzeptionen
formulierten Ansprüche und die Erwartungen des Jugendhilfegesetzes an die Familien-
bildung.
3.1 PräsentationJede Einrichtung präsentiert ihr Angebot in einem eigenen Programmheft. Es ist
der wichtigste Teil der Öffentlichkeitsarbeit und soll die potenziellen Teilnehmer/innen
ansprechen. Die Programme decken verschiedene Zeiträume ab. Für 2001/2002 lagen
folgende Programmhefte vor:
Die Programmhefte sind bunt und vielfältig hinsichtlich des Formats und der
Gestaltung. Sie gerieren sich als Vorlesungsverzeichnis oder als Pin-Wand, als Kon-
volut von über 100 Seiten oder als quadratisches Leichtgewicht, illustrieren die Ange-
bote oder beschränken sich auf reinen Text.
In ihrem inhaltlichen Aufbau stimmen die Programmhefte weitgehend überein.
Am Anfang finden sich ein Anschreiben der Leiterin an die Interessentinnen und
Interessenten, die Namen und Zuständigkeiten der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen,
84
Programme
1 Jahresprogramm 2002
2 Halbjahresprogramme: Aug.-Dez. 2001, Jan.-Juli 20022 Halbjahresprogramme: Aug.-Dez. 2001, Jan.-Juli 2002
1 Jahresprogramm 2002
1 Jahresprogramm Aug. 2001-Juni 2002
1 Jahresprogramm 2002
2 Halbjahresprogramme: Okt. 2001-Mai 2002, Mai-Okt. 2002
1 Jahresprogramm Juli 2001-Juli 2002
1 Jahresprogramm Aug. 2001-Juni 2002 zusammen mit dem Programm der Ev. Erwachsenenbildung
Einrichtungen
Bad Soden
FankfurtZweigstelle Höchst
Friedberg/Bad Nauheim(Wetteraukreis)
Gießen
Langen
Mainz
Offenbach
Wiesbaden
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Kinder erhalten eigene Angebote wie Malkurse oder Kochkurse oder thematische Feri-
enkurse. Auch Migranten, insbesondere die Frauen, rücken zunehmend in den Blick.
Regelmäßige Treffs, Näh- und Deutschkurse stehen im Programm.
Unterstützung bei Lebensumbrüchen und Lebensphasenübergängen gewähren Schei-
dungs- und Trauergruppen.
● Fachbereichsbezogene Kategorien werden weiter differenziert, um Angebote her-
vorzuheben: Dazu zählen Angebote unter dem Titel „Religion und …“ oder „Gott
und die Welt“. Sie werden nicht immer unter die Kategorie Gesellschaft subsu-
miert. Auch „Freizeiten und Reisen“ sind in der traditionellen Kategorie Freizeit
nicht angemessen unterzubringen.
● Neue Kategorien werden geschaffen, um qualitativ neue Angebote darstellen zu
können: Fast alle Familien-Bildungsstätten bieten Fortbildungsveranstaltungen an.
Darunter verbergen sich in der Regel Fortbildungsangebote für Mitarbeiter/innen,
insbesondere für die Leiterinnen der Eltern-Kind-Gruppen. Es gibt aber auch Fort-
bildungsangebote für andere Zielgruppen zu Themen wie Sterbebegleitung und
Konfliktlösung. Angeboten wird auch ein Grundausbildungslehrgang in der Haus-
wirtschaft, der eine Abschlußprüfung als Hauswirtschafterin ermöglicht.
In einigen Programmen findet sich die Kategorie Service. Dazu zählen so unter-
schiedliche Angebote wie Vorträge und Seminare für Einrichtungen, z.B. Kinderta-
gesstätten, ein Beratungsservice für Selbsthilfegruppen, berufliche Beratung und
Hilfe, ein Beratungstelefon in Trennungssituationen und für Taufen oder die Quali-
fizierung von jugendlichen Babysittern und ihre Vermittlung. Zu den Servicelei-
stungen gehören auch die Tagespflegevermittlung und die Qualifizierung von
Tagesmüttern, ihre Begleitung und Beratung. Im Fachservice Pflegefamilie werden
Pflegefamilien für ihre Aufgaben vorbereitet, beraten und begleitet.
In der Kategorie Besondere Veranstaltungen sind im Programmangebot so unter-
schiedliche Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen für eine größere Öffentlich-
keit, Flohmärkte oder ein Frauenfrühstück zusammengefasst.
● Basisangebote der Familienbildung verschwinden: Kurse zur Geburtsvorbe-
reitung sind rückläufig und in einigen Einrichtungen verschwunden. Durch die
Streichung des §20 SGB, V, gibt es für die Förderung dieser Kurse in den Familien-
Bildungsstätten durch die Krankenkassen keine rechtliche Grundlage mehr. Die
Kurse werden weniger nachgefragt, da Krankenhäuser und Hebammenpraxen,
die Zuschüsse von den Krankenkassen erhalten, preisgünstiger sind. (vgl. 17,
S. 34 und 3, Febr. 2002, S. 4)
87
3.2.1 Konzeptionelle Struktur der Evangelischen FrauenhilfeIn der Konzeption der Evangelischen Frauenhilfe lautet der Grundsatz:
„Die Zielgruppen bestimmen die Angebote, die sich nach Fachbereichen gliedern.“ (8, S. 10).
Als Zielgruppen sind genannt:
„Frauen, Kinder, Alleinlebende, Familien, Großeltern, Stieffamilien, Männer, Allein-
erziehende, ältere Erwachsene, Gleichgeschlechtliche, Migrantinnen, Tagesmütter, Mütter,
Väter, Paare, werdende Eltern, Witwen“ (8, S. 9)
Als Fachbereiche sind angegeben:
Vorbereitung auf die Familie, Erziehung, Gesellschaft und Kommunikation
Gesundheit, Freizeit und kreatives Gestalten, Haushalt (8, S. 10)
Als Angebotsformen werden aufgeführt:
Kurse, Gesprächsgruppen, Vorträge und Vortragsreihen, Autoren/innenveranstaltun-
gen, Gesprächscafes, offene Treffen, Kompakt- und Wochenendangebote, aber auch
Beratung, Fort- und Weiterbildung für Gruppen- und Kursleiterinnen, Familienfreizeiten,
Ferienveranstaltungen, Ausstellungen, Aktionen und Feste (8, S. 10)
3.2.2 Strukturen in den ProgrammheftenDas reale Angebot der einzelnen Einrichtungen, wie es sich in den Programm-
heften darstellt, geht über die konzeptionellen Strukturvorgaben häufig hinaus:
● Zielgruppenspezifische und lebenslagenbezogene Angebote präsentieren sich
neben fachbereichsbezogenen.
„Familien in ihrer Gesamtheit“ treten als Klientel immer stärker zurück gegenüber
besonderen Familienkonstellationen.
So bieten die Familien-Bildungsstätten Veranstaltungen für Väter und Kinder an.
An Samstagen oder an Wochenenden für Väter mit Kindern erhalten die Väter die
Chance, ihre Vateridentität zu stärken und ihre Vaterrolle zu festigen. Insbesondere
geschiedene Väter, die ihre Kinder nicht täglich sehen, erhalten hier Unterstützung
und bekommen Anregungen durch die Begegnung mit anderen Vätern.
Alleinerziehende haben ihre eigenen Probleme. Sie erhalten Angebote, die sie bei
der Alltagsbewältigung unterstützen und begleiten. Dazu gehören regelmäßige
Treffs und Beratungsangebote oder ein gemeinsames Wochenende.
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Im dichtbesiedelten/großstädtischen Bereich ist der Anteil an Arbeitseinheiten,
der auf Kurse entfällt eher niedrig – er liegt im unteren Bereich der Spannbreite – in
kleinstädtisch-ländlichen Gebieten eher höher. Beim Anteil der Arbeitseinheiten, der auf
die Einzelveranstaltungen entfällt, verhält es sich umgekehrt.
Beratungsangebote gibt es in unterschiedlichem Ausmaß und in verschiedenen
Bereichen (z.B. bei der Arbeitssuche, in Trennungssituationen, zu Kuren, zur Taufe).
Die Beratungen finden zum Teil am Telefon statt, zum Teil aber auch in persönlichen
Gesprächen. Selbsthilfegruppen und Initiativen werden von vier Einrichtungen unter-
stützt und begleitet.
3.3 Spezifische Angebote einzelner EinrichtungenDie grundsätzliche strukturelle Einheit der Arbeit der Familien-Bildungsstätten
schließt spezifische Angebote einzelner Einrichtungen nicht aus. Sie sind abhängig
von regional unterschiedlichen Entwicklungen und Erfordernissen, aber auch von
den quantitativen und qualitativen personellen Ressourcen einer Einrichtung. Hier
sollen einige Angebote dargestellt werden.
Bad Soden:
● Umfangreiches Angebot in der Kategorie „Religion und Identität“
● Größeres Reise- und Freizeitangebot
● Foren zu aktuellen Themen als „besondere Veranstaltungen“
● Babysitter-Kurs und -Vermittlung
● Gesprächsgruppen für Menschen in schwierigen Lebenslagen
● Unterstützung bei der Arbeitssuche
Frankfurt:
● Verschiedene Treffs für ausländische Frauen unter der Kategorie
„Interkultureller Dialog“
● Gymnastik für Gehörlose im Bereich Bewegung und Entspannung
● Babysitter- und Tagespflegevermittlung, Ausbildung und Qualifizierung
● Beratung durch ein Trennungstelefon
● „Mobile Familienbildung“, Angebote zu Elternthemen und Erziehungsfragen
als Fachservice für Elterngruppen in Kindertagesstätten und Kirchengemeinden
89
Die Angebotsformen entsprechen in ihrer Vielfalt den in der Konzeption aufge-
führten. Es deuten sich jedoch quantitative Verschiebungen an: „… gibt (es) … eine deut-
liche Entwicklung im Verhalten der Teilnehmenden, die von mehrwöchigen Kursen zu kurzen,
konzentrierten Veranstaltungen führt.“ (3, Febr. 2002, S. 4)
3.2.3 Statistische KategorienDie Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen und Familien-Bildungsstätten
hat einheitliche Kriterien für die Erstellung der jährlichen Sachberichte über die Arbeit
der Familien-Bildungsstätten erarbeitet. Hier ist die Veranstaltungsform oberstes
Kriterium für die Erfassung des Angebotes. Es werden unterschieden:
● Kurse
● Einzelveranstaltungen
● Feste, Tage der offenen Tür, Flohmarkt
● Fortbildung
● Telefonische Beratung für besondere Zielgruppen
● Selbsthilfegruppen und Initiativen
Kurse und Einzelveranstaltungen werden nach folgenden Fachbereichen untergliedert:
● Vorbereitung auf Geburt und Elternschaft
● Eltern-Kind-Gruppen
● Erziehungsthemen-Elternthemen
● Lebenslagenbezogene Angebote (Zielgruppen-Angebote)
● Kommunikation-Beziehung-Persönlichkeitsentwicklung
● Gesellschaftliche, kulturelle, politische Bildung
● Gesundheitsförderung
● Haushaltsführung
● Freizeit und Kultur
Statistisch wird das Angebot in Arbeitseinheiten (Kurseinheiten oder Unterricht-
seinheiten) zu 45 Minuten dargestellt. Das Gesamtangebot aller 8 Einrichtungen umfaßt
annähernd 60.000 solcher Arbeitseinheiten, die sich auf die oben genannten Veranstal-
tungsformen und Fachbereiche verteilen. (Vgl. 3, Febr. 2002, S. 1)
Von allen Arbeitseinheiten entfallen auf Kurse zwischen 81% und 90%, auf Einzel-
veranstaltungen zwischen 6% und 16% und auf Fortbildungsveranstaltungen und Feste
zwischen 2% und 4% der Unterrichtseinheiten.
88
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4. Die TeilnehmendenIm Jahr 2000 zählten alle 8 Evangelischen Familien-Bildungsstätten in Kursen und
Einzelveranstaltungen zusammen ca. 65.000 Teilnehmende. Sie verteilten sich folgen-
dermaßen auf die Einrichtungen:
Rund 62% der Teilnehmenden sind Frauen, 8% Männer und 30% Kinder. Die
Frauen überwiegen stark. Sie sind nach wie vor Hauptverantwortliche in Sachen
Familie, müssen Beruf und Familie miteinander vereinbaren und sich stärken und
informieren, um ihre vielfältigen Aufgaben bewältigen zu können. (Vgl.17, S. 29 f.)
Auf 10 teilnehmende Frauen kommen ca. 5 Kinder. Obwohl viele Einrichtungen
auch eigene Kurse für Kinder anbieten, kommt dieses Verhältnis vor allem durch die
große Zahl von Eltern-Kind-Gruppen zustande und unter diesen wiederum durch
die Spielkreise und Krabbelgruppen, zu denen überwiegend Mütter mit ihren Kin-
dern im Alter von 0-3 Jahren gehen. Dieses Angebot trägt wesentlich dazu bei, dass
viele junge Familien in einer entscheidenden Lebensphase erreicht werden. Ange-
bote für Männer und Väter werden nur zögernd angenommen und lassen sich
dadurch zahlenmäßig nur schwer ausweiten: „… der weitere Ausbau ist ein mühsamer
Prozess, insbesondere, wenn eher Fragen der Identität und Rollenfindung als Mann und
Vater im Vordergrund des Bildungsprozesses stehen.“ (5, Frankfurt, S. 2)
„Die Erfahrungen mit den Projekten, Väter einzuladen, werdende Väter in Angebote
der Geburtsvorbereitung mehr einzubeziehen, spezielle Vätergruppen anzubieten, haben
nicht zu einem durchschlagenden und dauerhaften Erfolge geführt.“ (5, Langen, S. 6)
91
Friedberg/Bad Nauheim (Wetteraukreis):
● Kindertagesbetreuung in Bad Nauheim mit 10 Plätzen für Kinder von 6 Monaten
bis 3 Jahren von 7 bis 14 Uhr
● Vermittlung und Qualifizierung von Tagesmüttern
● Fachservice Pflegefamilien im Auftrag des Wetteraukreises
● Babysitterkurse
Gießen:
● Grundbildungslehrgang in der Hauswirtschaft, ermöglicht Abschlußprüfung als
Hauswirtschafter/in
● Arbeit mit Aussiedlerfrauen als „projektorientierte Zielgruppenarbeit“
● Große Anzahl von Ferienkursen für Kinder in Zusammenarbeit mit dem Jugend-
amt der Stadt Gießen
● Babysitterkurse
Langen:
● Kurs für Schüler zur Konzentration und Merkfähigkeit in Zusammenarbeit mit
einer Schule
● Deutschkurs für ausländische Eltern in Zusammenarbeit mit einem Kindergarten
● Beratung zu Kurprogrammen für Frauen
Offenbach:
● Fortbildung für Sterbebegleitung verwirrter Menschen
● Beratung zu Kurprogrammen für Frauen
Wiesbaden:
● Tagesmüttervermittlung in Kooperation mit dem Amt für soziale Arbeit,
Wiesbaden, Beratung und Begleitung
● Babysitter-Kurse und -Vermittlung
● Beratung zu Kurprogrammen für Frauen
● Budgetberatung
Die Familien-Bildungsstätte Mainz befindet sich noch in der Projektphase.
90
Teilnehmende
2.954
13.051
14.005
9.079
9.132
1.012
3.577
12.032
64.842
Einrichtungen
Bad Soden
Fankfurt
Friedberg/Bad Nauheim(Wetteraukreis)
Gießen
Langen
Mainz*
Offenbach
Wiesbaden
Insgesamt
* Die Zahlen sind aus dem Jahr2001, da die Familienbildung inMainz erst im Oktober 2000damit begonnen hat, ein Ange-bot aufzubauen. Quelle: 6, S. 42 und 3, Jan. 2002, S. 1
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5. OrganisationsmerkmaleDie Familien-Bildungsstätten stimmen unabhängig von der Trägerschaft in vielen
organisatorischen Merkmalen überein.
5.1. MitarbeiterinnenAlle Familien-Bildungsstätten arbeiten mit hauptamtlichen, festangestellten
Kräften in Voll- und Teilzeitstellen und mit nebenberuflich tätigen Honorarkräften.
Eine Einrichtung hat auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen.
Hauptamtliche Kräfte sind eingesetzt in den Bereichen ‚Leitung der Einrich-
tung’, ‚Leitung der Fach- und Servicebereiche’, ‚Programmplanung und Organisation’,
‚Praxisanleitung’, ‚Fortbildung und Verwaltung’. Die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen
haben eine pädagogische oder sozialwissenschaftliche oder auch eine andere Fach-
ausbildung (z.B. Krankengymnastin, Hebamme, Kinderkrankenschwester, Hauswirt-
schaftsleiterin).
Honorarkräfte sind alle Leiter/innen von Kursen und die Referenten/innen der Ein-
zelveranstaltungen. Die Honorarkräfte sind überwiegend Frauen, entweder berufstätige
Frauen oder beruflich qualifizierte Hausfrauen, die während ihrer Familienarbeitszeit
ihre berufliche Tätigkeit in einem eingeschränkten Zeitrahmen fortsetzen wollen.
Folgende Anzahl von Mitarbeiterinnen war im Jahr 2000 beschäftigt. Sie vertei-
len sich folgendermaßen auf die Träger bzw. Einrichtungen:
93
Die Feststellung der Familien-Bildungsstätte Frankfurt, dass „erlebnisorientierte
Angebote … Vätern den Zugang erleichtern.“ (5, Frankfurt, S. 2) wird von der Familien-
Bildungsstätte Gießen bestätigt. Neu konzipierte Angebote für Väter und Kinder, wie
z.B. ‚Väter und Kinder im Indianerboot auf der Lahn’, in denen „… erlebnispädago-
gische Ansätze, sowie Naturerkundung, Bewegungsförderung und Gemeinschaftserleben
zu einem ganzheitlichen Konzept verknüpft (werden)“, erfahren eine starke Nachfrage.
(5, Gießen, S. 10)
Eine Gruppe, die statistisch nicht erfasst, aber in den Jahresberichten erwähnt
wird, ist die der Migrantinnen. Die Familien-Bildungsstätte Frankfurt bietet viele
Gesprächskreise für ausländische Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen an. Es
scheint jedoch nicht leicht zu sein, Migrantinnen in das reguläre Kursangebot zu
integrieren. „Nähkurse für Migrantinnen erfordern intensive Begleitung und kontinuier-
liche Werbung (persönliche Kontakte)“ (5, Frankfurt, S. 2)
Um die Kontakte mit Migrantinnen herzustellen, arbeitet die Außenstelle
Höchst der Familien-Bildungsstätte Frankfurt mit der AWO und dem Frauenreferat
der Stadt Frankfurt zusammen. (Vgl. 5, Höchst, S. 2) Die Familien-Bildungsstätte
Gießen hat eine Projektgruppe gebildet, um mit Unterstützung der Stadt Gießen
eine Arbeit mit ausländischen Frauen bzw. Aussiedlerinnen zu initiieren
(5, Gießen, S. 4)
Die Familien-Bildungsstätte Offenbach allerdings stellt in ihrem Jahresbericht
als sehr erfreulich fest, „dass zunehmend ausländische Frauen die Eltern-Kind-Gruppen
besuchen.“ (5, Offenbach, S. 6)
Über die soziale Situation der Teilnehmenden liegen keine Daten vor. Die Fami-
lien-Bildungsstätte Langen erwähnt in ihrem Jahresbericht, dass eine Ermäßigung
der Kursgebühren in 253 Fällen gewährt wurde. Dabei handelt es sich in nur 9 Fällen
um eine Reduzierung wegen Sozialhilfebezuges. Die übrigen Ermäßigungen betrafen
Geschwisterkinder, Ehepartner, Schüler/innen oder nachträgliche Belegungen.
(Vgl. 5, Langen, S. 8)
Bezogen auf die unterschiedlichen Angebotsformen der Familien-Bildungsstät-
ten werden über Kurse insgesamt mehr Menschen erreicht als über Einzelveranstal-
tungen, zu denen auch offene Treffs zählen. Einzelne Familien-Bildungsstätten wei-
chen jedoch von diesem Bild ab. So erreicht z.B. die Familien-Bildungsstätte
Frankfurt (mit Höchst) mit Einzelveranstaltungen und offenen Treffs bedeutend
mehr Teilnehmende als mit Kursen. In Offenbach sprechen Kurse und Einzelveran-
staltungen ungefähr gleich viele Menschen an. (Vgl. dazu auch Pkt. 3.2.3)
92
Träger Einrichtungen Hauptamtliche HonorarkräfteMitarbeiterinnen
Ev. Dekanat Kronberg Bad Soden* 3 74
Ev. RegionalverbandFrankfurt am Main Frankfurt 19 150
Ev. Frauenhilfe in Friedberg/Bad NauheimHessen und Nassau e.V. Gießen, Langen,
Offenbach, Wiesbaden 50 507
Ev. Dekanat Mainz Mainz 1 22
Insgesamt 73** 753
* In Bad Soden kommen 15 ehrenamtlich Tätige hinzu.** Zur Gesamtzahl kommen noch 2 Mitarbeiterinnen in geringfügiger Beschäftigung hinzu.Quelle: 3, Jan. 2002, S. 1
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 92
Diese befinden sich bei der Familien-Bildungsstätte Frankfurt in der Geschäfts-
stelle in der Darmstädter Landstraße, im Haus am Weißen Stein in der Eschersheimer
Landstraße und in Höchst in der Hospitalstraße. Die Einrichtung im Wetteraukreis hat
feste Räume in der Hauptgeschäftsstelle in Friedberg und in Bad Nauheim, Bad Vilbel,
Butzbach und Büdingen.
Drei Einrichtungen, Bad Soden, Langen und Mainz, sind als dezentrale Familien-
Bildungsstätten ausgewiesen. Sie haben lediglich Geschäftsräume. Ihre Veranstaltun-
gen finden ausschließlich oder zum größten Teil in Gemeindezentren oder auch Kinder-
tagesstätten von Kirchengemeinden, in geringem Umfang auch in Schulen und
Sportstätten statt.
Tatsächlich arbeiten auch jene Familien-Bildungsstätten, die feste eigene Veran-
staltungsräume haben, zusätzlich dezentral. Als dezentralen Anteil ihrer Arbeit geben
sie zwischen 30% und 50% an. (Vgl. 5) Jede Familien-Bildungsstätte bot im Jahr 2000 in
mindestens 7 bis maximal 30 Kirchgemeinden Veranstaltungen an.
„Viele Veranstaltungen finden in Räumen von Kirchengemeinden statt und bieten so
Familien und Einzelpersonen neue Möglichkeiten zur Annäherung an ihre Gemeinde und
die Kirche. Durch diese Kontaktmöglichkeiten und durch ihre Inhalte tragen sie einen
eigenen, unverwechselbaren Anteil zur Erfüllung des Bildungsauftrages der Kirche bei.“
(3, Febr. 2002, S. 2)
Trotz dieses Vorteils für die Kirchengemeinden ist die Zusammenarbeit mit einer
Familien-Bildungsstätte nicht immer selbstverständlich. Sie verlangen Unkostenbeiträge für
die Nutzung der Räume oder schränken die Nutzungsmöglichkeiten ein, indem sie die
Räume anderweitig vermieten, so dass keine geeigneten Zeiten mehr zur Verfügung stehen.
5.3 Kooperationen Die Familien-Bildungsstätten bieten Veranstaltungen und Serviceangebote
auch in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen an. Die Kooperationen sind
abhängig von den Möglichkeiten vor Ort und betreffen z. B. Familien-Bildungsstätten
anderer Träger, andere kirchliche Institutionen wie z. B. die Evangelischen
Erwachsenenbildung, das Diakonisches Werk, Kindertagesstätten, Einrichtungen
und Initiativen wie Frauenbüros, Schulen, Agenda 21-Gruppen, den Kinderschutz-
bund oder Krankenkassen, aber auch Jugend- und Sozialämter. So hat z. B. im Auf-
trag des Wetteraukreises die Familien-Bildungsstätte Friedberg/Bad Nauheim
zusammen mit AWO-Beratungsstellen im Rahmen eines‚ ,Fachservice Pflegefamilie’
die Beratung, Qualifizierung und Begleitung von Pflegefamilien übernommen.
95
Die insgesamt 73 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen haben unterschiedlich
umfangreiche Arbeitsverträge, die umgerechnet zusammen nur 38,65 volle Stellen erge-
ben. (Vgl. 3, Febr. 2002, S. 1)
Die hauptamtliche Stellenkapazität einer Einrichtung bestimmt den Umfang des
Programmangebots einer Familien-Bildungsstätte und die Zahl der Honorarkräften, die
gemanagt werden kann. Deren Zahl ist aber auch abhängig von den gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen, die die Lebensplanungen und beruflichen Möglichkeiten von
Frauen beeinflussen. Hier zeichnen sich Veränderungen ab, die die Arbeit der haupt-
amtlich Beschäftigten erschweren:
● Die durchschnittliche Verweildauer der Honorarkräfte in den Familien-Bildungs-
stätten hat sich im Vergleich zu früher erheblich verkürzt, weil die Familienzeiten
der Frauen kürzer werden und sie schneller wieder in die volle Berufstätigkeit ein-
steigen.
● Zunehmend müssen Honorarkräfte verschiedene berufliche Engagements mitein-
ander koordinieren, wodurch die Bindung und Identifikation mit der Familien-Bil-
dungsstätte zurückgeht und wenig Zeit für Austausch und Kontakte in den Fach-
gruppen zur Verfügung steht.
● Steuerlich festgelegte Einkommensgrenzen und – insbesondere in den größeren
Städten – höhere Honorare bei vergleichbaren Einrichtungen erschweren es,
Honorarkräfte zu gewinnen.
Sowohl die Suche nach neuen geeigneten Honorarkräften wie auch deren per-
sönliche Begleitung durch die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen erfordern viel Zeit.
Zunehmend Zeit beansprucht auch der bereits an anderer Stelle erwähnte Trend zur
Vermehrung von Einzelveranstaltungen, die einen größeren Verwaltungs- und Orga-
nisationsaufwand erfordern als fortlaufende Kurse. (Vgl. 5, Frankfurt, S. 3)
5.2 Veranstaltungsräume Um möglichst viele Menschen zu erreichen, ist es wichtig, Familienbildung
wohnortnah anzubieten. Dem kommen die Einrichtungen entgegen, indem sie Ange-
bote in verschiedenen Kommunen, Stadtgebieten und Kirchengemeinden machen.
Fünf der acht Familien-Bildungsstätten haben eigene Häuser bzw. Räume, in
denen Veranstaltungen stattfinden können. Die zwei größten Einrichtungen, in
Frankfurt und im Wetteraukreis haben sogar mehrere Standorte bzw. Außenstellen
mit festen Räumen.
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Das Schema gliedert sich in 3 Hauptteile:
● Teil I umfasst die organisatorischen Daten der Einrichtung. Dazu zählen: Trä-
ger, Name und Anschrift der Einrichtung, der Anteil an zentraler und dezentra-
ler Arbeit, der Einzugsbereich bzw. die Zahl der Veranstaltungsorte, die Öff-
nungszeiten und Informationen über die Mitarbeiterinnen nach Funktionen,
Beschäftigungsverhältnissen und Beschäftigungsumfang.
● Der qualitative Teil II gibt Auskunft über die aktuellen Entwicklungen beim Pro-
gramm-Angebot und den personellen, finanziellen und organisatorischen
Bereich der Einrichtung, über Maßnahmen zur Qualitätssicherung und über
Kooperationen und Gremienarbeit.
● Der statistische Teil III ‚Durchgeführte Veranstaltungen’ informiert über die
Zahl der Arbeitseinheiten und die der teilnehmenden Frauen, Männer und Kin-
der, aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Veranstaltungsformen wie Kurse,
Einzelveranstaltungen, Feste/Tage der offenen Tür und Fortbildungen durch die
Familien-Bildungsstätten. Hinzu kommen Zahlen über die Beratung für beson-
dere Zielgruppen und die Betreuung von Selbsthilfegruppen. (Vgl. dazu auch
Pkt 3.2.3)
5.6. Qualitätsentwicklung-Qualitätssicherung-QualitätsmanagementDie Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen und Familien-Bildungs-
stätten hat sich an einem Bundesprojekt zur „Qualitätssicherung und -entwicklung
der Familien-Bildungsstätten“ der Universität Heidelberg beteiligt. Das Projekt star-
tete im September 1998. Alle zu dieser Zeit bestehenden Familien-Bildungsstätten
der EKHN haben daran teilgenommen.
Das angewandte Qualitätskonzept lehnt sich an das European Foundation for
Quality Management-Konzept (EFQM) an. Das Konzept geht von 9 Bereichen aus,
die sich in allen Organisationen wiederfinden. An Hand eines branchenbezogenen
Fragenkatalogs werden diese Bereiche einer Stärken-Schwächen-Analyse unterzogen,
die von den Mitarbeiter/innen selbst vorzunehmen ist.
Die Qualitätsentwicklung einer Einrichtung muss von der Leiterin initiiert, ge-
tragen und gefördert werden. Motor der Qualitätsentwicklung ist sie aber nicht
selbst, sondern eine Qualitätsbeauftragte, die nach einer intensiven mehrtägigen
Schulung mit Hilfe einer Qualitätsgruppe eine Stärken-Schwächen-Analyse der Ein-
richtung nach EFQM durchführt und auf Grund des Ergebnisses ein Verbesserungs-
projekt entwickelt und durchführt. Für die Planungs- und Entwicklungsphase dieses
97
Diese Kooperationen vergrößern vor allem die Möglichkeiten kleiner Einrich-
tungen, die über geringe personelle und finanzielle Ressourcen verfügen, ihre Ange-
bote zu erweitern und eine größere Anzahl von Menschen zu erreichen.
5.4 BeiratAlle Familien-Bildungsstätten haben einen Beirat, der die Arbeit der Einrichtung
unterstützt und begleitet. Die Evangelische Frauenhilfe hat 1993 eine „Ordnung für
Beiräte“ aufgestellt, in der sie u.a. festlegt, aus welchen Gremien und Institutionen
Mitglieder in den Beirat berufen werden sollen. Es sind genannt: Die örtliche Frauen-
hilfe, der Vorstand des Landesverbandes der Frauenhilfe, das Dekanat, in dem eine
Einrichtung tätig ist, die Evangelische Erwachsenenbildung, das Diakonische Werk,
der Jugendhilfeausschuss, die Kommune oder der Landkreis. Diese Beiratsmitglie-
der wiederum informieren die sie entsendenden Gremien und Institutionen über die
Arbeit der Familien-Bildungsstätte. (Vgl. 11)
Die Arbeit der 5 Familien-Bildungsstätten der Evangelischen Frauenhilfe wird
zusätzlich noch durch einen Gesamtbeirat unterstützt und gefördert. Er setzt sich
zusammen aus Vertreterinnen des Vorstandes des Landesverbandes und der Beiräte
der einzelnen Familien-Bildungsstätten, deren Leiterinnen, der geschäftsführenden
Pfarrerin des Landesverbandes der Frauenhilfe und der zuständigen Referentin, die
im Landesverband für den Arbeitsbereich Familienbildung zuständig ist. Der
Gesamtbeirat berät über konzeptionelle und finanzielle Fragen der Familienbildung
und nimmt deren Interessen gegenüber dem Vorstand und den Mitgliedern des Lan-
desverbandes wahr. (Vgl. 12)
5.5. JahresberichteDie Familien-Bildungsstätten verfassen jährliche Sachberichte, in denen die
Leiterinnen über die qualitativen und quantitativen Aspekte ihrer Arbeit berichten.
Ein Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen und Fami-
lien-Bildungsstätten (früher AHE, jetzt AHF) hat zusammen mit dem Landesjugend-
amt ein Berichtsschema erstellt, das, wenn es von allen Einrichtungen übernommen
worden ist, die Orientierung über die Arbeit einer Einrichtung erleichtert und eine
zusammenfassende und vergleichende Betrachtung aller Einrichtungen ermöglicht.
96
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 96
In den Jahresberichten der Familien-Bildungsstätten ist die ‚Entwicklung im
finanziellen Bereich’ ein unter Klagen behandeltes Thema. Z.B. schreibt die Familien-
Bildungsstätte Offenbach u. a. über das Zahlungsverhalten der Kursteilnehmer/
innen: „Es müssen immer mehr Zahlungserinnerungen geschrieben werden. Für die Ver-
waltungskraft ein erheblicher Mehraufwand.“ (Jahresbericht 2000, S. 7) Die Familien-
Bildungsstätte Frankfurt klagt über „enorme Belastungen und Flexibilitätsanforderun-
gen“ im Zuge der Budgetierung bei einer verringerten Zahl von Verwaltungskräften.
(Jahresbericht 2000, S.3)
Die dezentrale Familien-Bildungsstätte Langen ist auf „freiwillige“ Zuschüsse
der unter Finanznot stehenden Kommunen angewiesen, die von einigen wieder
reduziert oder ganz eingestellt worden sind. (Vgl. 5, Langen, S. 8)
Jede kleine zusätzliche Belastung, wie z. B. Unkostenbeiträge, die Kirchen-
gemeinden für die Nutzung ihrer Räume verlangen, verschärft die Lage. (Vgl. PKT. 5.2)
6. Vernetzungen Institutionelle Vernetzungen der Familien-Bildungsstätten finden auf verschie-
denen Ebenen statt und stärken die Einrichtungen durch Information, Beratung und
Fortbildung.
6.1. Vernetzung innerhalb der TrägerstrukturenFamilien-Bildungsstätten, deren Träger die Dekanate sind, nutzen häufig die
organisatorische Nähe zur Erwachsenenbildung. So unterstützt im Dekanat Mainz
die Leiterin der Erwachsenenbildung den Aufbau der Familienbildung. Im Evange-
lischen Regionalverband Frankfurt ist die Familien-Bildung neben der Evangelischen
Erwachsenenbildung im „Arbeitsbereich Bildung“ integriert.
In der Evangelischen Frauenhilfe ist die Familienbildung eine von drei Abteilun-
gen. Sie hat eine eigene Referentin. Diese koordiniert die Arbeit der 5 Einrichtungen
und organisiert monatliche Arbeitstreffen der Leiterinnen. Über ein halbe Projekt-
pfarrstelle der EKHN in der Frauenhilfe wird die Familien-Bildungsarbeit theologisch
begleitet.
6.2. Vernetzung auf LandesebeneDie hier betrachteten 8 Familien-Bildungsstätten in der EKHN sind mit den 3
Familien-Bildungsstätten der EKKW in der „Landesarbeitsgemeinschaft Evangeli-
scher Familien-Bildungsstätten in Hessen“ (LAG) zusammengeschlossen. (Vgl. 13)
99
Vorhabens wurden den Einrichtungen als Impulsberatung jeweils zwei Beratungsta-
ge durch das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung angeboten. (Vgl. 15)
Die AHE/AHF entschloss sich, die Aktivitäten im Bereich Qualitätsentwicklung
fortzusetzen. An das Bundesprojekt schloss sich 2001 ein vom Hessischen Sozialmi-
nisterium gefördertes Projekt „Qualitätsmanagement in hessischen Familienbil-
dungsstätten“ an. Es sollte die Qualitätssicherung fortführen und eine Netzwerk-
struktur der hessischen Familien-Bildungsstätten aufbauen. Dazu wurde eine
AHE/AHF-Netzwerkstelle gegründet. Sie soll die Projektaktivitäten koordinieren, die
Qualitätsbeauftragten und die beteiligten Einrichtungen vernetzen, die Projekterfah-
rungen sichern und die Netzwerkarbeit auswerten. (Vgl. 16)
5.7 FinanzierungDie Finanzierung der Arbeit der Familien-Bildungsstätten ist immer eine
Mischfinanzierung, deren genaue Zusammensetzung von Einrichtung zu Einrich-
tung variiert.
In den Jahresetat gehen ein:
● 30 - 55% Kirchliche Zuschüsse
● 20 - 50% Teilnahmegebühren
● 8 - 25% Zuschüsse der Kommunen bzw. des Landkreises und des Landes
● 0,5 - 1,5% Sonstige Einnahmen
● ca. 0,5% Spenden
(Vgl. 3, S. 2)
Die Finanzlage ist prekär. Die kirchlichen Zuschüsse und damit auch die des
Trägers gehen zurück. Ein großer Teil des Haushaltes der Einrichtungen, bei einigen
bis zur Hälfte, wird zwar über die Teilnahmegebühren selbst erwirtschaftet. Diese
können jedoch mit Rücksicht auf die Teilnehmenden nicht so stark erhöht werden,
dass der Rückgang der Zuschüsse ausgeglichen wird. Die im Jahre 2003 in Hessen
erwartete Kommunalisierung der Zuschüsse der öffentlichen Hand birgt finanzielle
Risiken. Im Rahmen des Kommunalisierungsprozesses stellt das Land die bisheri-
gen direkten Zuschusszahlungen an die Familien-Bildungsstätten ein. Zuschüsse
werden nur noch über die Kommunen bzw. die Landkreise vergeben und müssen
durch die Familien-Bildungsstätten neu verhandelt und in einem Leistungsvertrag
festgelegt werden.
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 98
Darüber hinaus sind die evangelischen Familien-Bildungsstätten auch noch
Mitglied im Landesarbeitskreis der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familien-
fragen (EAF) Die EAF war federführend in der politischen Diskussion um die Hessi-
schen Ausführungsbestimmungen zum KJHG und die „Fachlichen Empfehlungen
für Familien-Bildungsstätten“ des Landesjugendhilfeausschusses Hessen vom 25.1.
2001. (Vgl. Pkt. 2)
6.3. Vernetzung auf BundesebeneGegenüber der EKD und der Bundesregierung werden die Evangelischen Fami-
lien-Bildungsstätten durch die „Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Familien-
Bildungsstätten“ (bag) repräsentiert.
Sowohl die einzelnen Familien-Bildungsstätten wie auch die Landesarbeitsge-
meinschaften senden Delegierte in die Mitgliederkonferenz der bag. Sie bietet Fort-
bildung, Beratung für Leiterinnen und Mitarbeiterinnen der Familien-Bildungsstätten
und betreibt Lobbyarbeit.
Die bag ist in der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (EAF)
auf Bundesebene vertreten, die für politischen Stellungnahmen zuständig ist.
7. Verzeichnis der verwendeten Unterlagen
1 Erste Gedanken zum Selbstverständnis der Dezentralen Evangelischen Familienbildung Mainz, Februar 2000
2 Evangelisches Bildungsverständnis in einer sich wandelnden Arbeitsgesellschaft, EKD Texte Nr. 3, Hannover 1991
3 Evangelische Familienbildungsarbeit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Eine aktuelle Darstellung für die 10. Tagung der 9. Kirchensynode der EKHN im April 2002. Hrsg.: Evangelische Frauenhilfe und Leiterinnen der Einrichtungen Evangelische Familienbildungsarbeit. Es lagen 2 Fassungen vor: 3. überarbeitete Fassung - Januar 2002 und die endgültige Fassung - Februar2002
4 Fachliche Empfehlungen für Familienbildungsstätten, beschlossen vom LandesjugendhilfeausschußHessen am 25.01.2001, Landesjugendamt, Hessisches Sozialministerium
5 Jahresberichte 2000:Evangelische Familienbildung FrankfurtEvangelische Familienbildung Frankfurt-HöchstEvangelische Familien-Bildungsstätte WetteraukreisEvangelische Familien-Bildungsstätte GießenEvangelische Dezentrale Familienbildung, LangenEvangelische Familien-Bildungsstätte Offenbach a. MainEvangelische Familien-Bildungsstätte Wiesbaden
101
Die LAG gehört wiederum zusammen mit der Landesarbeitsgemeinschaft Katholi-
scher Familien-Bildungsstätten und den Familien-Bildungsstätten von Kommunen
und Freien Trägern (z.B. AWO) zur „Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen
und Familien-Bildungsstätten“ (AHE/AHF). Dort sind insgesamt 39 Einrichtungen
zusammengeschlossen.
In Arbeitsausschüssen der AHE/AHF kooperieren Delegierte aller hessischen
Familien-Bildungsstätten untereinander und mit der Landesregierung.
So hat z.B. in einem Arbeitsausschuß die AHE/AHF zusammen mit dem Lan-
desjugendamt des Landes Hessen das Berichtsschema für die Jahresberichte der
Familien-Bildungsstätten erstellt. (Vgl. Pkt. 5.5)
Die AHE/AHF initiierte die Teilnahme der hessischen Familien-Bildungsstätten
an dem Bundes-Modellprojekt ‚Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in
Familien-Bildungsstätten’, an dem sich 20 Einrichtungen beteiligten. Sie fördert über
dieses erste Projekt hinaus die Etablierung systematischer Qualitätsentwicklung und
die Vernetzung der Qualitätsarbeit. (Vgl. Pkt. 5.6)
100
A r b e i t s a u s s c h ü s s e
Arbeitsgemeinschaft Hess. Elternschulen und Familienbildungsstätten (AHE/AHF)
Landesarbeitsgemeinschaft Ev. Familienbildungsstätten in Hessen
Landesarbeits-gemeinschaft Kath. Familien-bildungsstätten
KommunaleFamilien-
bildungsstätten
Familien-bildungsstätten
freier TrägerEv. Familien-bildungsstätten in der EKHN (8)
Ev. Familien-bildungsstätten in der EKKW (3)
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 100
Birgit Geimer
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seinSchwerpunkte der Umsetzung von Bildungsinhalten
im Rahmen evangelischer Familienbildungsstätten
1. EinleitungBeim ersten Blick in ein Programmheft der Evang. Familienbildungsstätten der
EKHN (der Evang. Kirchen von Hessen und Nassau) fällt der Betrachterin oder dem
Betrachter eine Vielzahl und Vielfalt von verschiedenen Veranstaltungen auf. Es gibt
Angebote für Treffen, Gruppen, Gesprächsreihen, Kurse und besondere Events, die
für die unterschiedlichsten Personengruppen veranstaltet werden. Erwachsene, Kin-
der, Frauen, Männer, Senioren, Singles, Erwachsene mit Kindern, Eltern mit Kindern,
Mütter mit Kindern und Alleinerziehende, alle finden für sich spezifische Angebote.
Dieser Bericht soll nun einen tieferen Einblick gewähren in die Arbeit der
Familienbildungsstätten. Alle Aussagen und Folgerungen basieren auf sieben Inter-
views, die im Januar 2002 in den Familienbildungsstätten Bad Soden, Frankfurt,
Friedberg, Gießen und Wiesbaden durchgeführt wurden. Die interviewten Frauen
sind in den Familienbildungsstätten mit unterschiedlichen Stundendeputaten haupt-
amtlich, als Fachbereichsleiterinnen oder Leiterinnen einer Familienbildungsstätte
tätig. Jede von ihnen repräsentiert einen der im Folgenden aufgezählten Fachberei-
che: Interkulturelle Arbeit, Rund um die Geburt, Gesellschaftliche Verantwortung,
Gesundheit, Hauswirtschaft und Kreatives Gestalten, Eltern-Kind-Arbeit und Freizei-
ten mit Familien. Alle Gesprächspartnerinnen wurden anhand eines leitfragenstruk-
turierten Interviews befragt.
Wie schon beim Lesen der Programmhefte, so kam auch bei den Interviews
die enorme Bandbreite an Veranstaltungen, Themenvielfalt und Teilnehmergruppen
wieder zum Vorschein. Deshalb bestand das Interesse darin, den „roten Faden“ zu
finden, der sich durch die Arbeit der Familienbildungsstätten zieht. Durch die im
Folgenden aufgezählten Fragestellungen sollen grundlegende Gesichtspunkte,
Arbeitsweisen und Zielsetzungen der Mitarbeiterinnen in der Arbeit der Familien-
bildungsstätten transparent werden.
103
6 Jahresbericht 2000/2001 und Rechnungsabschluss für das Geschäftsjahr 2000, Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
7 Kinder- und Jugendhilfegesetz, Zweiter Abschnitt, §16 in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.12.1998(BGBl. I S. 1426)
8 Konzeption der Familienbildungsarbeit, 2. Überarbeitete Auflage, August 1999. Hrsg.: Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.
9 Konzeption - Kurzfassung (Entwurf) der Evangelischen Familienbildung Frankfurt, ohne Datum10 Konzeption: Arbeitsfelder (Entwurf der Evangelischen Familienbildung Frankfurt, ohne Datum11 Ordnung für die Beiräte der Familienbildungsstätten im Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe
in Hessen und Nassau e. V., März 199312 Ordnung des Gesamtbeirates - Familienbildung im Landesverband der Evangelischen Frauenhilfe
in Hessen und Nassau e. V., März 199513 Positionspapier der Landesarbeitsgemeinschaft Evangelischer Familien-Bildungsstätten in Hessen,
November 199814 Programme:
● Evangelische Familienbildung im Dekanat Kronberg, Jahresprogramm 2000● Evangelische Familienbildung Frankfurt, Programm August - Dezember 2001 und
Programm Januar 2002 - Juli 2002 ● Evangelische Familienbildung Frankfurt-Höchst, Programm August - Dezember 2001 und
Programm Januar 2002 - Juli 2002● Evangelische Familien-Bildungsstätte Wetterau, Veranstaltungsprogramm 2002 ● Evangelische Familien-Bildungsstätte Gießen, Veranstaltungsplan 2001/2002 ● Evangelische Dezentrale Familienbildung im Kreis Offenbach, Programm 2002● Evangelische Familienbildung im Dekanat Mainz, Programmheft Mai-Oktober 2001 und
Programmheft Oktober 2001 - Mai 2002● Evangelische Familien-Bildungsstätte Offenbach am Main,
Jahresprogramm - Evangelische Erwachsenenbildung und Evangelische Familien-Bildungsstätte Wiesbaden, Programm 2001/2002
15 Qualitätsentwicklung in hessischen Familienbildungsstätten, ohne Datum. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen und Familienbildungsstätten
16 Qualitätsmanagement in hessischen Familienbildungsstätten, Projekt 2000/2001, Februar 2001, Infoblatt. Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Hessischer Elternschulen und Familienbildungsstätten (AHE)
17 Rundbrief 1/2002 „Familie“ der Hessischen Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V.18 Statistik 2000, Evangelische Dezentrale Familienbildung, Bad Soden
102
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 102
das Zitat zeigt: „… Familie (ist) auch das, wo Menschen zusammen leben. Vielleicht
auch nur zeitweise, vielleicht auch die Großfamilie, die ganz verstreut ist, aber sich zu
bestimmten Zeitpunkten trifft … auch die Freunde (gehören) zur Familie dazu.“
2.2. „Die Familie“ – Wie sie in der Familienbildungsstätte in Erscheinung tritt
Der Begriff Familienbildung bedeutet nicht, dass in den Familienbildungsstät-
ten nur Familien als „komplette“ Einheit angesprochen werden wie z.B. im Freizeit-
bereich, an Familiennachmittagen und bei Festen oder Tagen der offenen Tür. In der
Regel werden die Kurse konzipiert für Teile der „Familie“. Hier kommt es auf den
Fachbereich und das Thema an, wer angesprochen wird. Alle Möglichkeiten aufzu-
führen würde zu weit führen, deshalb an dieser Stelle nur ein paar Beispiele. Es wer-
den eingeladen: Paare bei der Geburtsvorbereitung; Mütter/Väter und ihre Kinder in
den Spielkreisen; Eltern bei thematischen Gesprächsabenden; Mütter und ihre Säug-
linge beim Frühstückstreff; Singles für Fahrten im Freizeitbereich; Männer in einer
Gesprächsrunde; Frauen im Gesundheitsbereich; Kinder in Kreativkursen; unter-
schiedliche Generationen und Geschlechter auf Freizeiten.
Wie erklärt sich dieser Sachverhalt aus der Sicht der Fachbereichsleiterinnen?
Zum einen weist eine Interviewpartnerin auf historische Gründe hin, die mit der Ziel-
setzung der Frauenhilfe und ihrer ursprünglichen Aufgabe, Frauen zu unterstützen
zusammenhängt. Zum anderen sehen die Mitarbeiterinnen die Einzelpersonen aus
einer „Familie“ als ein Teil des Systems „Familie“ an. Alle Teile des Systems tragen
zum Gelingen des „Familienlebens“ bei. Deshalb macht es auch Sinn, Einzelne des
Systems zu unterstützen. Wie den Interviews zu entnehmen ist, sind das in den mei-
sten Fällen die Frauen, die sich Hilfe holen und beraten lassen, die Anregungen mit-
nehmen oder sich selbst stärken wollen, um die Aufgabe „Familie zu leben“ meistern
zu können.
„Und heute sind es ganz vielschichtige Sachen, die gelernt werden müssen im
Umgang mit Familie. Aber ich denke es sind sehr häufig die Frauen, die die Familie
zusammenhalten. … sie sind der kommunikative Faktor … in der Familie, die auch
die Verbindung zwischen Kindern und Vätern herstellen ... und vermitteln und Feste
organisieren und Treffen planen und ich denke … eine unserer Hauptzielgruppen
sind immer noch die Frauen. Die zu stützen(ist wichtig), aber nicht nur für sich,
zwar auch für sich selbst, aber auch um die Familie irgendwo zu stabilisieren, weil
sie da ein stabilisierender Faktor sind.“
105
● Wie sehen die Mitarbeiterinnen „Familie“17 in der heutigen Gesellschaft?
● Welche Schwierigkeiten sehen die Mitarbeiterinnen in der heutigen Gesellschaft
„Familie“ zu leben?
● Welche Zielsetzungen und Arbeitsweisen haben die Mitarbeiterinnen?
● Welche Einschätzungen haben die Mitarbeiterinnen zur Wahrnehmung der Arbeit
der Familienbildungsstätten durch das kirchliche Umfeld?
Am Ende der Ausführungen und der Suche nach dem „roten Faden“ steht das
Fazit über die Arbeit mit Familien in den Familienbildungsstätten. Alle Zitate, die in die-
sem Text zu lesen sind, wurden den sieben Interviews entnommen. Sie sind kursiv
gedruckt. Textstellen in den Interviewzitaten die mit Pünktchen … gekennzeichnet sind,
weisen auf Auslassungen hin, Wörter in Klammen ( ) sind von mir ergänzt, um den
Sinnzusammenhang herzustellen.
Damit die Anonymität der befragten Frauen gewährleistet ist, werden für diese im
Folgenden die Bezeichnungen: Interviewpartnerin, Fachbereichsleiterin oder Mitarbeite-
rin verwendet. Da in diesem Arbeitsbereich überwiegend Frauen tätig sind oder an Ange-
boten teilnehmen, werden in der Regel die weiblichen Wortformen verwendet, die aber
die Männer mit einschließen.
2. Wie sehen die Mitarbeiterinnen „Familie“in der heutigen Gesellschaft?
2.1. Die Familie“ – Ihre Erscheinungsformen heute
In allen Interviews wird deutlich, dass die Mitarbeiterinnen das „Gebilde“ Familie
in der heutigen Gesellschaft sehr differenziert wahrnehmen. Übereinstimmend verste-
hen sie unter dem Begriff „Familie“ nicht mehr, wie es traditionell üblich war, Vater und
Mutter, die verheiratet sind und ein oder mehrere Kinder haben, sondern auch, wie es
eine Fachbereichsleiterin ausdrückt: „ … andere (Paare), leben zusammen, sind verheira-
tet, bekommen ein Baby, andere ziehen gar erst zusammen, wenn das Baby schon unterwegs
is,t und es gibt … mit der Schwangerschaft Frauen, die allein erziehend sind.“
Eine andere Interviewpartnerin ist der Meinung: „… Familie heißt, wenn Menschen
mehrerer Generationen zusammen leben …“
Eine andere Definition von Familie bezieht sich nicht mehr nur auf die Eltern,
Kinder und die dazugehörige Verwandtschaft. Es gibt auch weitere Definitionen, wie
104
17 Im Folgenden wird das Wort Familie in Anführungszeichen gesetzt, um auf die veränderte Sichtweisedes heutigen Familienbegriffes hinzuweisen.
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3. Welche Schwierigkeiten erkennen die Mitarbeiterinnen in der heutigen Gesellschaft, „Familie“ zu leben
Alle Fachbereichsleiterinnen sind sich darin einig, dass die „Familien“ Hilfen
brauchen, gestützt, gestärkt und stabilisiert werden müssen und Sicherheit sowie
Halt benötigen. Diese Erkenntnisse resultieren aus dem täglichen Umgang mit Men-
schen, die in „Familien“ leben. Es sind in der Hauptsache drei Bereiche, die von den
Interviewpartnerinnen angesprochen werden, in denen sie die gravierenden
Schwierigkeiten ausmachen.
3.1 Isolation und EinsamkeitEine Fachbereichsleiterin versucht mit dem Begriff „Entfamilisierung“ die Not,
in der sich „Familien“ befinden zu beschreiben. Sie versteht darunter: „... dass die
Familien immer mehr alleine sind, isoliert sind, ... viel hilfloser als früher ...“
Isolation und Einsamkeit sind die beiden Begriffe, die am häufigsten von allen
Interviewpartnerinnen genannt werden, wenn sie die Schwierigkeiten von „Familien“
beschreiben.
Eine Mitarbeiterin hat in ihren Kursen in der Mehrzahl Frauen aus „jungen
Familien“ mit kleinen Kindern. Die Väter sind berufstätig und den ganzen Tag nicht
zu Hause.
„Und die Mütter kommen sich manchmal vor wie Alleinerziehende, weil die Väter
(von) sehr früh morgens bis abends spät nicht da sind.“ „... aber dadurch, dass die
Frauen mit den Kindern überwiegend alleine sind, ja und sich auch alleine gelassen
fühlen, kommt eine Problematik rein, mit der die wenigsten umgehen können ...“
Eine Fachbereichsleiterin sieht die gesteigerte Aktivität von Müttern, in dem sie
an verschiedenen Mutter-Kind-Angeboten innerhalb einer Woche teilnehmen, als
Symptom ihres Alleineseins.
„... das ist doch ein Zeichen, dass sie sich einsam fühlen. Dass sie irgendwie isoliert
sind, vielleicht weil sie nicht mehr im Beruf sind oder weil sie umgezogen sind ...“
Es gibt jedoch nicht nur die Isolation und Einsamkeit auf Grund veränderter
„äußerer“ Rahmenbedingungen, durch den Umzug in ein anderes Wohngebiet, die
Aufgabe der Berufstätigkeit wegen eines Kindes, den Auszug der „flügge“ geworde-
nen Kinder oder den Verlust eines Partners.
„ ... einen Raum bieten, dass Frauen auch in einem Alter, wo die Kinder aus dem
Haus sind, ... eine Möglichkeit haben, noch mal sich auszutauschen, sich zu treffen
und Kontakte zu schließen, um der Vereinsamung ... entgegen zu wirken.“
107
2.3. „Die Familie“ – Ihre gesellschaftliche AbhängigkeitObwohl es viele verschiedene Formen von „Familie“ gibt, liegt auch heute
noch die Hauptlast der Verantwortung bezüglich der „Familie“ auf den Schultern
der Frauen. Das wird von den Fachbereichsleiterinnen immer wieder festgestellt,
aber diese Erkenntnis wird nur in Ansätzen mit den gesellschaftlichen und politi-
schen Bedingungen in Verbindung gebracht und nur von wenigen geäußert. Eine
Interviewpartnerin beschreibt die Situation folgendermaßen:
„Wir können Familien wahrnehmen als Seismographen, wo sich gesellschaftliche
Problemlagen einfach nur auf der einen Seite bündeln, sie aber auf der anderen Seite
auch zur Zerreißprobe werden.“
Eine andere Mitarbeiterin sieht es so:
„... und es gibt nicht mehr so viele Familien, meines Erachtens, wo keine Konflikte
da sind. Aber die Gründe sind ja ganz vielschichtig, das liegt ja nicht nur an der
Familie selbst, sondern an all den zunehmenden Belastungen, die auch beruflich
und von außen kommen, sei es in der Schule, sei es im Beruf, sei es finanziell.“
Die Resignation darüber, diese Zustände doch nicht nachhaltig verändern zu
können, ist zum Teil aus den Interviews herauszuhören. So stellen die Mitarbei-
terinnen den präventiven und diakonischen Ansatz in der Arbeit der Familienbil-
dungsstätten in den Vordergrund. Die gesellschaftspolitische Ebene ist in der Arbeit
präsent, wird jedoch in den Interviews nicht hervorgehoben.
Trotzdem ist eine Fachbereichsleiterin nicht bereit, die gegebenen gesell-
schaftlichen Umstände als unumstößlich hinzunehmen.
„… (Ich möchte) Mut machen, laut zu werden und nicht zu leiden und ertragen,
sondern zu sagen, es gibt Dinge, die sind einfach nicht gut und das will ich doch mal
laut sagen.“
So möchte eine andere Fachbereichsleiterin transparent machen, dass Familien
ein Teil der Gesellschaft sind und daher auch in gesellschaftliche Gegebenheiten
eingebunden werden, die man als Einzelpersonen gar nicht verändern kann, aber
worauf sie zu reagieren haben.
„… (Es soll) die eigene Gebundenheit auch an gesellschaftlichen Rahmenbedin-
gungen für die einzelnen Familien sichtbar und erkennbar werden, dass sie sich
nicht so mit Schuld beladen selber, wenn sie Konflikte haben, sondern auch sehen,
es ist ja auch schwierig in der Tat, und wären ein paar … Dinge anders, dann wäre
es vielleicht auch leichter und das Scheitern wäre dann vielleicht auch nicht pas-
siert.“
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Ansprüchen, die an sie gestellt werden, sei es von der Eltern- oder Groß-
elterngeneration, dem Umfeld oder von der Gesellschaft in Form von Pädagogen
oder Politikern.
„... eine Familie lebt ja nicht alleine, da gibt’s ja schon die Vorgeneration, da gibt’s
die Verwandten auf gleicher Generationsebene, da gibt’s Freunde, Freundinnen und
jeder beäugt immer Kind und Familie und jeder hat was dazu zu sagen. Erziehung ist
ja so ein Thema, da fällt ja auch jedem was ein, da weiß ja auch jeder Bescheid.
D.h. die Leute sind oft derartig verunsichert, dass sie mit so Fragen (kommen), von
denen man denkt, na ja, das kann man sich an und für sich mit ein bisschen Nach-
denken ja auch selber beantworten, aber sie brauchen ganz intensiv den Austausch
darüber ...“
Für etliche Frauen, so berichtet eine Mitarbeiterin, ist es auch schwierig, allzu oft
nur noch in der Rolle der Mutter gesehen zu werden. Die Bedürfnisse der Frauen außer-
halb ihrer Mutterrolle werden kaum wahrgenommen. Sie schildert es folgendermaßen:
„… was ist denn mit mir als Frau? Ich bin ja nicht nur Mutter, aber manchmal werde
ich gerade im Alter dieser Kinder, also wenn die Kinder noch klein sind, oft darauf
reduziert. … ich habe auch noch andere Interessen und ich will nicht nur mein Selbst-
bewusstsein über dieses Muttersein bekommen ...“
3.3 Verlust von Gemeinschaft und Geborgenheit„Familien“ heute sind im Alltag oft nur noch ganz kleine Einheiten von zwei bis
vier Personen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Bewältigung dessen, was im Lauf des
Tages als Verpflichtungen anliegt. Zeit zum Reden, zum gemeinsamen Essen, zur
gemeinsamen Freizeitgestaltung, um nur einige Beispiele zu nennen, ist knapp auf
Grund von gegebenen Arbeitssituationen. Geregelte Tagesabläufe sind zu Gunsten
individueller Zeiteinteilung und Bedürfnisse besonders im Freizeitbereich weg-
gefallen. Normen und Werte, die zum Gelingen einer Gemeinschaft notwendig sind,
werden immer seltener eingeübt und geraten in Vergessenheit.
„Also ... Werte, ja da würde ich die Familie schon ganz oben ansiedeln, weil ich
denke, es ist alles heute so technisiert und kalt, egoistisch, dass wir die Familie einfach
brauchen, um irgendwo noch ein bisschen Geborgenheit zu haben.“
„Das beginnt schon bei so ganz banalen Sachen, dass ganz viele Familien nicht
mehr gemeinsam essen, dass ganz viele Familien nicht mehr kochen, dass die
irgendwas, was irgendwo vorgefertigt ist, irgendwo reinschieben, es ist in Familien
109
Es zeigt sich auch, dass die zunehmende Individualisierung in unserer Gesell-
schaft auch vor der „Familie“ nicht halt macht.
„ ... die Vereinsamung der Menschen innerhalb der Familie nimmt stark zu, weil jeder
... so beansprucht ist, dass zu gemeinsamer Kommunikation oft gar nicht die Zeit
bleibt ...“
3.2 Fehlende Orientierung und UnsicherheitDie Fachbereichsleiterinnen stellen übereinstimmend fest, dass „Familien“ zuneh-
mend verunsichert sind, wenn es um Erziehungsfragen geht oder um Fragen der All-
tagsbewältigung. Es gibt nur noch selten den Austausch mit der Vorgängergeneration,
Erziehung wird nicht mehr tradiert. Deshalb gibt es gerade bei Eltern, die das erste Kind
haben viele für sie existentielle Fragen.
„Sie sind ja nicht im großen Familienverband, wie das früher war und haben nicht
unbedingt die Oma, den Opa, die sagen, früher haben wir das so gemacht mit
unseren Kindern, sondern sie sind in der 4-Zimmerwohnung alleine mit ihrem Kind.
Und diese Fragen werden nicht mehr von Generation zu Generation weitergegeben,
sondern da haben die (Familien) einfach ein Defizit ...“
„... den Frauen ist der selbstverständliche Umgang mit den Kindern verloren gegan-
gen, d.h. es sind ganz ganz viele Alltagsthemen, die in der Arbeit eine Rolle spielen.
Das fängt an mit schlafen, Ernährung, schreien, also das sind wirklich grundlegende
Dinge.“
„Was brauche ich für mein Kind, was ist das Beste, was ist nicht so gut,... dann
werden alltägliche Dinge besprochen. Impfe ich mein Kind, impfe ich nicht? Wie
geht’s ihm, wie kann ich es fördern? Also das sind wirklich Fragen aus dem Leben.“
Eine Fachbereichsleiterin erzählt, dass sich Mütter Gedanken machen über die
neue Lebensphase mit einem Kind, dass sie nicht wissen, wie sie diese „neue Rolle“
leben sollen und können.
„ ...wie gestaltet sich mein Leben denn jetzt anders, wenn ich entweder gar nieman-
den habe aus meiner Elterngeneration in meinem Hier oder wie gestaltet es sich,
wenn Eltern, oder sagen wir mal jetzt Großeltern sehr nahe sind ...“
„ ... die Mütter sind ja oft auch in der Zwickmühle. Die möchten gerne alles richtig
machen und sind dann hin und her gerissen, mache ich es jetzt so wie meine Mutti es
sagt oder mache ich es so, wie ich es lieber möchte.“
Frauen sind verunsichert, sie müssen zurechtkommen mit den verschiedenen
108
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 108
Die Fachbereichsleiterinnen erzählten von Einzelveranstaltungen zu bestimm-
ten Themen, die Menschen aus den unterschiedlichsten Beweggründen besuchen.
Ein Grund zur Teilnahme ist, die Veranstaltung als eine Möglichkeit zu sehen, in die
Familienbildungsstätten „hineinzuschnuppern“.
„Das ist durchaus sehr geschätzt, darüber halt diesen Einblick (zu gewinnen), diese
erste Hürde zu überwinden und auch sich gar nicht gleich in die Gruppe ganz rein zu
geben, sondern auch so ein Stück weit anonym dort erst mal zu hören, zu schnup-
pern, zu fragen und selber die Gedanken mit einzubringen.“
Die Angebote sprechen entweder große Gruppen von Menschen an, z.B. Frauen,
Eltern, Kinder oder sind für bestimmte Zielgruppen konzipiert, z.B. Migrantinnen, Men-
schen die einen Partner verloren haben, Frauen/Männer, die ein Kind erwarten. Hierbei
ist das Herausfinden der spezifischen Bedürfnisse dieser Zielgruppe die Grundlage
dafür, dass diese von dem Angebot Gebrauch machen.
„Da bedarf es schon ein etwas genaueres Hinschauen und etwas mehr auch zu
gucken, wie müssen wir uns ändern, damit das (Kursangebot) auch für diese Familien
(mit Migrationserfahrung) annehmbar wird.“
„...wir müssen auch dem Rechnung tragen, dass es natürlich Familien gibt, die intakt
sind und es bleiben wollen und da müssen wir auch ein Angebot machen.“
„...wenn wir Eltern/Kind (Gruppen) haben, dass Oma/Opa (mit den Enkeln) hierher
kommen. Dass wir auch Angebote für die machen.“
Es gibt jedoch auch gezielte Anfragen nach Angeboten von einzelnen Personen oder
Gruppen, wie einer Skatrunde, einem Damenkränzchen oder einem Tanzclub, die
ebenfalls berücksichtigt werden.
„... da kommen Frauen, die sagen, ich möchte meinem Sohn nach Amerika eine E-
Mail schicken, aber ich bin da unbedarft, also wir brauchen Angebote in dem Bereich
und dann haben wir Leute gefunden, die das für uns machen ...“
„Wir haben jetzt festgestellt, dass die Nachfragen von geschlossenen Gruppen steigt.
... Und dann überlege ich mir was, was wir da machen könnten ... ich spreche das
(mit einer Ansprechperson) ab ...“
Zur Programmplanung gehören auch die adäquaten Rahmenbedingungen, die
bedacht werden müssen. Gruppengröße, Räumlichkeiten, Uhrzeiten oder Angebote von
Kinderbetreuung sind auf die jeweilige Zielgruppe auszurichten. Sie sind mit ausschlag-
gebend, ob ein Angebot zum Erfolg führt oder nicht.
„Zum Glück sind es kleine Gruppen … sonst kann ich den Frauen nicht gerecht
werden oder den Paaren. Weil sonst fehlt mir einfach die individuelle Betreuung.“
111
wirklich verloren gegangen, den Wert der Gemeinsamkeit zu schätzen und den
Wert dieser Gemeinschaft, in der sie eigentlich leben zu, schätzen.“
„... gemeinsam zu beginnen, also das ist auch noch mal so ein Wert, den Leuten zu
vermitteln, was es bedeutet ein gemeinsames Essen, also zu warten bis alle haben,
das ist also nicht so selbstverständlich ...“
4. Welche Zielsetzungen und Arbeitsweisen haben die Mitarbeiterinnen?4.1 Angebote gestalten
Die rechtliche Verankerung für die Arbeit der Familienbildungsstätten ist das
Kinder- und Jugendhilfegesetz § 16 (KJHG), in dem der Gesetzgeber bestimmte Richt-
linien für deren Arbeit festschreibt. Dazu kommt die Konzeption der Familienbil-
dungsstätten, die mit dem KJHG die fachliche Grundlage bildet. Auf dieser Basis wird
die inhaltliche Planung der Arbeit aufgebaut.
Was brauchen „Familien“? Wie müssen die Angebote aussehen? Welche The-
men sind von Interesse? Welche Formen benötigen bestimmte Teilgruppen? Solche
und noch viele andere Fragestellungen beschäftigen sich mit den potenziellen Teil-
nehmerinnen und ihren spezifischen Bedürfnissen. Das „Programm“ mit Angeboten
von Kursen, Seminaren, Gesprächsreihen und Einzelveranstaltungen ist das Ergebnis
dieser Recherche. Es spiegelt Themen und Fragestellungen, Wünsche und Bedürfnis-
se wieder, die in der „Gesellschaft“ und bei Einzelnen vorhanden sind.
„... dass unser Angebot ja eigentlich das geben will, was in der Gesellschaft fehlt.“
„… wir) können nach unseren Wahrnehmungen unser Programm gestalten, unsere
Angebote unsere Inhalte …“
Die Mitarbeiterinnen bemühen sich mit ihren Angeboten möglichst viele Men-
schen zu erreichen. Deshalb stellen sie sich auch immer wieder die Frage, ob die Ange-
bote „niederschwellig“ genug sind, gerade im Blick darauf, dass die Familienbildungs-
stätten Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft sind. Sie fragen sich, ob sie mit den
Angeboten auch wirklich an die Bedürfnisse der Menschen herankommen.
„... wir sind (uns) klar darüber, dass wir eine evangelische Einrichtung sind, aber auch
Angebote machen, die so niederschwellig sind, dass sie von allen (Menschen) akzep-
tiert werden können.“
„Wir leben ja hier im Vortaunus, wo auch sehr viele Akademiker wohnen und wir
müssen immer genau gucken, dass wir sowohl niederschwellige als auch sehr aka-
demisch geprägte Angebote bis hin zu Mischformen finden und das ist eine große
Aufgabe, den Menschen, die hier leben in der Region, auch gerecht zu werden.“
110
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 110
Die Mitarbeiterinnen leiten und strukturieren ihre Kurse. Sie machen Angebote
ohne Leistungsdruck und Bevormundung. Sie achten auf die verbal und nonverbal
geäußerten Bedürfnisse und versuchen, ihnen gerecht zu werden.
„Es gibt keinen Leistungsdruck. Es wird jeder dort abgeholt oder jede dort abgeholt,
wo sie steht. Also, es können, sage ich mal, ältere Frauen und jüngere zusammen sein
und ... eine Fachbereichsleiterin versucht, denen gerecht zu werden.“
„… die Leute erwarten beim Arbeiten eine Begleitung, aber nicht zu intensiv, also
nicht so wie eine Lehrerin … also da muss man schon ein bisschen Fingerspitzenge-
fühl haben, wie weit kann ich da eingreifen und wie weit lasse ich sie arbeiten...“
„Aber es ist nicht nur so, dass sie (die Frauen) das für ihr Kind tun, sondern auch die
Frauen haben Bedürfnisse, die vielleicht nicht ausgesprochen werden, aber die ganz
klar da sind.“
Die Fachbereichsleiterinnen schaffen einen stressfreien „Raum“, in dem sich Teil-
nehmerinnen öffnen und auch ausprobieren können.
„… wir (bieten) eine bestimmte Form der Möglichkeit des Drübernachdenkens über
mein Leben an, ohne dass ein Zwang da ist. Ja, wir haben ein vielfältiges Angebot,
das dem gerecht wird und dass die (Menschen) nicht Angst haben müssen, dass sie in
irgendeine Form gepresst werden, …“
Die Interviewpartnerinnen beschrieben ihre Art und Weise, mit den Menschen zu
arbeiten. Ein evangelisches Profil wird hier deutlich erkennbar.
4.2.1 Atmosphäre Die besondere Atmosphäre ist wohl eines der Elemente, das für eine Besucherin,
die das erste Mal in eine der fünf oben genannten Familienbildungsstätten kommt,
deutlich spürbar wird. Die Räumlichkeiten, egal ob Neubau oder alte Villa, haben trotz
ihrer notwendigen Funktionalität ihr eigenes Flair. Sie können beschrieben werden von
liebevoll ausgestaltet bis sparsam akzentuiert, aber niemals sachlich kühl. Diese Äußer-
lichkeiten lassen Rückschlüsse zu auf die Menschen, die dort arbeiten. Sie machen sich
Gedanken, wie die Teilnehmerinnen und sie sich wohl fühlen können in diesen Räumen.
Aber diese besondere Atmosphäre beschränkt sich nicht nur auf die Räumlichkei-
ten. So nannten die Mitarbeiterinnen auch immer wieder die Tatsache, wie wichtig es ist,
in den Kursen eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Teilnehmerinnen wohl
fühlen, sich gut aufgehoben wissen und Vertrauen zu den anderen und in die Kurs-
leitung gewinnen können. Nur so ist es möglich, Gespräche zu führen, in denen Teil-
nehmerinnen es auch zulassen, Konflikte und Probleme anzusprechen. Diese Atmos-
113
„Also wir haben jetzt z.B. … im Gesundheitsbereich, den Kurs für die Mütter ... um
20.30 Uhr versuchsweise im Programm, damit die Frauen, wenn die Männer zu
Hause sind, die Möglichkeit haben (zu kommen) … wir sind immer dran zu schauen,
wie sieht die Familienstruktur aus hier bei uns, und wie können wir mit den Angebo-
ten reagieren, so dass die Frauen auch die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen,
d.h,(auch) dass wir für ganz viele Angebote versuchen, Kinderbetreuung anzubieten.“
4.2 Die Menschen wahrnehmen und auf sie zugehen Im Verlauf der Interviews wurde eine grundlegende Haltung aller sieben Fachbe-
reichsleiterinnen deutlich. Diese zeigte sich, wenn sie von ihrer Einstellung zu den Men-
schen redeten, wenn sie vom Umgang mit ihnen erzählten und die Arbeitsatmosphäre
schilderten. Die Mitarbeiterinnen beschrieben ein christliches Menschenbild und einen
diakonischen Ansatz, der die Basis ihrer Arbeit in den Familienbildungsstätten bildet.
Jedoch nur eine Fachbereichsleiterin drückte dieses auch explizit aus:
„Grundlage unserer Arbeit ist natürlich, ja ganz einfach gesagt, das Evangelium. Ist
halt den Menschen Mut zu machen, zusammen zu leben und ihr Leben aktiv zu
gestalten. Und das ist das grundlegende Ziel unserer Familienbildungsarbeit und
schwingt eben in diesen Angeboten mit.“
Bei den anderen spiegelte sich die religiöse Prägung in dem, was sie erzählten, wieder.
Eines erwähnten die Fachbereichsleiterinnen häufig, nämlich ihr besonderes Verhältnis
zu den Menschen, die in ihre Kurse kommen. Sie nehmen sie an, so wie sie sind und
legen Wert auf einen liebevollen Umgang mit ihnen. Jede Teilnehmerin wird ernst
genommen und bestimmt selbst, was sie von sich preisgibt oder wie weit sie sich öff-
net, sie behält ihre Entscheidungsfreiheit.
„Also einmal ist es die Atmosphäre, die das Gespräch fördert und wie wir auch mit
den Menschen, die zu uns kommen, umgehen, dass wir ja eigentlich uns bemühen,
liebevoll mit ihnen umzugehen, ihnen Wärme auch zu geben.“
„ ...wie gibst du jedem Einzelnen das Gefühl, dass er wichtig ist, dass er akzeptiert ist
und das es uns freut, dass er dabei ist. Ich glaube, wenn die Grundstimmung
(stimmt), die wir sehr stark beeinflussen können durch gute Organisation, durch viel
Arbeit im Vorfeld und durch eine Wertschätzung, die die Menschen erfahren bei uns,
können wir da ganz viel auffangen, um Probleme, die natürlich da sind, nicht so groß
werden zu lassen.“
„... hier wird ja eigentlich niemand aufgefordert zu sagen, in welcher Situation er
lebt und ich denke, das ist auch ganz wichtig, dass das so bleibt.“
112
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 112
Drachen“, ... oder „wir lernen wie man einen Säugling pflegt und wickelt“, aber es ist
ja immer etwas unten drunter. Es ist ja immer die Möglichkeit gegeben, den Men-
schen was zu vermitteln, und immer die Möglichkeit gegeben, (mit den) ...Menschen
in Austausch zu treten.“
„Also, dass wir ein äußeres Thema nehmen um Kommunikation möglich zu machen,
… (um) Kommunikation zu fördern, ja diesem Trend ... einfach mal übers Internet zu
arbeiten und auch alles einzukaufen und somit auch niemanden mehr in der Stadt
zu treffen, entgegenzuwirken.“
Es spielt keine Rolle, in welchem Fachbereich die Kurse angeboten werden,
sagen die Interviewpartnerinnen. Das Entscheidende ist, die Menschen miteinander
ins Gespräch zu bringen, neben der Vermittlung von Fertigkeiten, Techniken, Tipps
und Ratschlägen.
„Und ich denke bei allen praktischen Arbeiten kommt man schon ins Gespräch, es
kann sich keiner ganz verschließen, wenn man zusammen arbeitet, muss man ir-
gendwie zusammen reden und die Erfahrung ist halt, je länger ein Kurs läuft, desto
intensiver werden die Gespräche und desto tiefgängiger werden sie auch.“
„… die Fachbereichsleiterinnen (im Gesundheitsbereich) machen immer eine Pause,
weil die Frauen sonst die ganze Zeit schnattern. ... Bei den Seminaren machen wir es
ganz bewusst, ... bei der Partnermassage, da gibt’s ein Mittagessen, ... wo auch die
Möglichkeit des Austausches da ist und wo die Fachbereichsleiterin ganz fein damit
umgehen muss, inwiefern kann man da Gespräche laufen lassen oder nicht.“
Wie durch die Zitate oben belegt wurde, ist der Austausch und das Gespräch in
den Kursen aus den Bereichen Hauswirtschaft, kreatives Gestalten und Gesundheit
genauso intendiert, wie in den anderen Fachbereichen. Die Fachbereichsleiterin gibt
Anstöße, stellt Fragen, erzählt, immer mit der Absicht, den Austausch der Teilnehmerin-
nen untereinander zu ermöglichen. Es kommt sehr auf ihr Gespür und Geschick an, wie
sie die Teilnehmerinnen zum Gespräch motiviert. Sie muss sensibel sein für die Pro-
zesse, die innerhalb der Teilnehmerinnengruppe ablaufen. Zum Beispiel ist von ihr
abzuschätzen, ob Schwierigkeiten offen angesprochen werden können, oder ob es sinn-
voll ist, Probleme bewusst zumachen.
„Also es kommt schon (das Gespräch), das muss man auch schon so ein Stück initi-
ieren, dass man auch sagt, was macht ihr (Frauen) denn jetzt, jetzt werden eure
Kinder fast drei. Und die kommen jetzt in den Kindergarten, das ist ja für euch ein
starker Einschnitt, habt ihr euch mal überlegt, wie es jetzt weiter geht mit euch?
115
phäre wird von den Fachbereichsleiterinnen bewusst gestaltet, sie ist jedoch nicht
abhängig von den Räumlichkeiten. Denn auch auf Freizeiten oder an anderen Veranstal-
tungsorten, wie vor Ort in den Kirchengemeinden, ist diese spürbar und vielleicht als
eines der „Markenzeichen“ der Familienbildungsstätten zu erkennen.
„… wir sind halt auch sehr bemüht, ein bisschen heimische Atmosphäre hier zu
haben, soweit wir als Mitarbeiter daran arbeiten können.“
„… diese nette Atmosphäre, ... zu wissen, wenn ich ein Problem habe, kann ich das
ansprechen ...“
Eine Fachbereichsleiterin berichtete von Mutter, Vater und drei Kindern, die sich
für das kommende Jahr wieder zu einer Freizeit angemeldet haben. Die Mutter begrün-
dete diesen Schritt:
„… das hat unserer Ehe so gut getan. Mein Mann wollte gar nicht und diese
Atmosphäre in der Freizeit hat soviel gelöst von den Alltagssorgen, dass wir uns
mal wieder ganz anders begegnen konnten ...“
4.2.2 Kommunikation „Unser Anliegen ist es, dass wir im Dialog miteinander uns gegenseitig Orientierung
und Wissen geben und damit auch Sicherheit gewinnen können, in unserer eigenen
Wertvorstellung und wie wir neben unserer eigenen Wertvorstellung auch anderes
wertschätzen können oder wo macht es uns Angst.“
So formuliert eine Fachbereichsleiterin ihr Ziel. Das Gespräch, der Dialog als das
Instrument einer Gesellschaft um nebeneinander leben zu können und um miteinander
in Beziehung zu treten. So wird hier das Gespräch, der Austausch, als ein Grundbedürf-
nis der Menschen verstanden.
Vordergründig nehmen Menschen die Seminare und Kurse der Familienbildungs-
stätten wahr, so sind sich die Mitarbeiterinnen einig, z.B. um Nähen zu lernen, zur Aus-
gleichsgymnastik zu gehen oder sich auf die Geburt ihres Kindes vorzubereiten. Aber
hauptsächlich erkennen die Fachbereichsleiterinnen ein Bedürfnis der Teilnehmerinnen,
sich mit „Gleichgesinnten“ auszutauschen. Dieses ist nachvollziehbar, wenn zum einen
die Feststellungen aus dem Kapitel „Isolation und Einsamkeit“ als Erklärungen dienen
und zum anderen ein Grundbedürfnis nach Kommunikation angenommen wird.
Deshalb beschreiben auch die Interviewpartnerinnen den Austausch, das
Gespräch, die Kommunikation als den Schwerpunkt in ihrer Arbeit.
„Also das ist überhaupt, denke ich, so das Entscheidende auch hier, dass das Angebot
vordergründig heißt „wir nähen gemeinsam“ oder „wir basteln gemeinsam einen
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 114
4.2.3 Gemeinschaft Im Kapitel zwei „Schwierigkeiten in der heutigen Gesellschaft, Familie zu leben“,
wurden die prägnantesten Veränderungen und Defizite bei „Familien“, die die Fachbe-
reichsleiterinnen in der Vergangenheit wahrgenommen hatten, beschrieben.
Basierend auf diesen Erkenntnissen, versuchen die Mitarbeiterinnen mit ihrer
Arbeit den Trends von zunehmender Vereinsamung, von wachsender Orientierungslo-
sigkeit und vermehrtem Verlust an Gemeinschaft entgegenzuwirken. Eine Mitarbeiterin
beschreibt ihre Ziele folgendermaßen:
„ Es geht natürlich darum, die Einzelnen zu stärken in ihrer Identität, Persönlichkeits-
entwicklung, damit sie dann auch in Beziehungen eintreten können, in Beziehungen
leben können, das ist die Grundvoraussetzung auch dafür, dass man Erziehungsver-
antwortung wahrnehmen kann ...“
Die Mitarbeiterinnen forcieren bewusst, dass sich Menschen begegnen und kom-
munizieren. Deshalb sind die Kurs- und Seminarangebote der Familienbildungsstätten
auch immer Gruppenangebote und in der Regel keine Beratungsstunden für Einzel-
personen.
Die Gruppe, das sind Einzelne, die sich für einen festgelegten Zeitraum, zu einem
bestimmten Zweck oder Thema regelmäßig treffen. Sie ist der Ausgangspunkt von
Interaktion. Wie in den Kapiteln „Atmosphäre“ und „Kommunikation“ von den Inter-
viewpartnerinnen geschildert wurde, können die Einzelpersonen zu einer Gruppe, einer
Gemeinschaft, zusammenwachsen, wenn die Atmosphäre stimmt, die Mitglieder mit-
einander Gespräche führen und zueinander Vertrauen gefunden haben. In dieser
Gemeinschaft wird erzählt, gelacht, gelernt, gestritten, gegessen … eben miteinander
gelebt.
„… (Leute) melden sich zum Kurs an, aber man merkt schon bei vielen ... dann geht
es nicht unbedingt darum, wie ich jetzt dieses Bild male, ... es geht einfach oft dar-
um, diese Gemeinschaft zu haben. Wenn’s unterschwellig ist, aber bei vielen spürt
man es schon, dass da noch viel Isolation ist und die Leute einfach denken, ach ja
hier ist eine Gruppe, hier ist eine Atmosphäre im Haus und da ist schon irgendwo
eine Suche da.“
„… wesentlich an unserer Arbeit ... ist einfach auch, dass die Menschen sich hier
treffen können, dass sie die Gemeinschaft erleben und dass, wenn wir ... gut sind,
dass vieles, was wir vermitteln zum Selbstläufer wird.“
„... dass das Ganze nicht auseinander läuft (auf der Freizeit), also zu gucken,
wie kann ich immer wieder gemeinschaftsfördernde Dinge tun, das fängt an beim
117
Das wäre so ein Gesprächsansatz ...“
„Ich denke, das ist auch so die Methode, dass wir nicht sagen, wir halten Vorträge,
sondern dass man im Gespräch sich austauscht und jeder kann auch was dazu sagen
und da kommt eine ganze Menge zusammen und ich (als Fachbereichsleiterin) kann
sicher das noch ergänzen ...“
4.2.2.1 „Grenzen“
Austausch, Gespräch, Beratung, zwischen diesen Dialogformen sind die Über-
gänge fließend. Es erfordert Erfahrung, Gespräche zu führen, beratende Elemente zu
integrieren und bei allem Engagement den Überblick zu behalten. Schwierig wird es,
wenn Gespräche zu persönlich werden und die Gefahr besteht, dass diese in einer
Kurssituation nicht mehr aufzufangen sind. Hier ist dann die Grenze zu einer thera-
peutischen Beratungssituation überschritten. Die Fachbereichsleiterinnen können
dieses nicht mehr leisten.
Auch wenn sie alle feststellen, dass der Bedarf an Beratung und therapeutischen
Angeboten zunimmt und die Mitarbeiterinnen den Wunsch haben, den Bedürfnissen
der Menschen nachzukommen, so ist doch ihr Arbeitsansatz, der in der Konzeption
festgelegt ist, ein anderer. Hier sehe ich die Nahtstelle zur therapeutischen Beratungsar-
beit. Eine Kooperation zwischen beiden Arbeitsfeldern wäre eine sinnvolle Maßnahme
zur Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenslagen.
„Wenn ich merke, ich komme so ein Stück dran (an die Frauen) und es tut ihnen gut,
darüber (über ihre Probleme) zu sprechen ... aber ich will ja keine therapeutische
Gruppe oder kein therapeutisches Gespräch, ... man muss auch gucken wo die Gren-
ze ist, das ist ganz wichtig, weil ich denke, das sind Themen, die auch in solchem
Rahmen eine Rolle spielen, aber bei uns darf das nicht so tief gehen. Ich kann ja die
Leute nicht mit unbearbeiteten Problemen nach Hause gehen lassen.“
„Wir haben zwar sozialpädagogische und sozialarbeiterische Ansätze, aber in ganz
dramatisch schwierigen einzelnen Lebenssituationen und Schicksalen sind ganz klar
unsere Grenzen der Hilfestellung.“
„Wir können keine therapeutische Arbeit leisten. Und wir können im Grunde auch keine
richtige Beratungsarbeit leisten, obwohl das immer ansatzweise so ist. Also ich denke ,
auch die Gruppenarbeit ist eine Beratungsarbeit und die Seminare sind natürlich bera-
tend und selbst im Gymnastikkurs wird gesprochen ... das Bedürfnis ist einfach da,...
Beratung zu finden und es ist ganz schnell so, dass man intensive Gespräche führt. Und
ich denke, das muss auch zunehmend größeren Raum einnehmen in unserer Arbeit.“
116
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 116
In dieser Gemeinschaft haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich auszutauschen
und die verschiedensten Haltungen und Meinungen kennen zu lernen. Diese können
Anreiz sein, über „Gott und die Welt“ nachzudenken und vielleicht ergeben sich auch
Konsequenzen für die eine oder andere Handlungsweise. Es gibt spirituelle Angebote
zum vorsichtig Hineinschnuppern und zum Kennenlernen. Formen des Glaubens und
Rituale können unverfänglich ausprobiert werden. Aber bei allen Angeboten bleibt es der
Entscheidung der einzelnen Teilnehmerin überlassen, ob sie diese annimmt oder
ablehnt.
„Ich denke, da drückt sich Glauben aus. Einmal so durch den Umgang miteinander
und auch durch die Gesprächsthemen, dass man darüber sprechen kann und dass es
vielleicht auch auf fruchtbaren Boden fällt.“
„Über Glauben an sich sprechen die wenigsten. Rituale eher. Also es findet ein Aus-
tausch einfach statt. Wenn ich türkische und ... deutsche Frauen habe in meinen
Kursen, dann findet z.B. ... vor Weihnachten ein Austausch statt, ... wie macht ihr
das, wir machen das so, auch ihr feiert das nicht und dann findet er statt dieser
Austausch über Glaube und Religion.“
„Das ist schon auch so ein Ausprobieren miteinander. Denn … ich muss auch …
Toleranz haben, wir haben ja auch … Teilnehmerinnen, die vielleicht nicht christli-
chen Glaubens sind, … wir sind eine christliche Einrichtung, das ist mir wichtig. Aber
ich würde jetzt nicht andere dadurch ausschließen wollen. Aber das nach außen zu
sagen und auch Elemente (des christlichen Glaubens) zu vermitteln, das finde ich
schon wichtig, aber ich kann jetzt nicht den ganzen Rhythmus (eines Kurses) darauf
ausrichten.“
„Ja und Sinnfragen treten immer wieder, also permanent im Grunde auf … in den
Gesprächsabenden, … in den Angeboten für Eltern und Kinder, wir haben z.B. ein
Eltern-Kindgruppenangebot speziell mit religionspädagogischem Schwerpunkt, also
nicht, dass das in den anderen (Angeboten) nicht zum Tragen kommt, … da ist es
halt meist an die großen Feste der Kirche gekoppelt.“
„… wir haben gemerkt, dass das den Menschen ganz gut tut, abends zu beten,
… als Tagesabschluss, für die, die zu Hause geblieben sind, … und ich denke, dass
viele ja noch mal einen anderen Zugang zur Kirche und Religion über diese Freizeit
bekommen, weil es so organisch einfließt in das Miteinander, das ist nicht aufgesetzt,
sondern das kommt, das ist einfach da oder wir singen am Strand mit Fackeln, ich
finde das ist auch eine Form von Spiritualität, die sehr ansprechend ist und sehr viele
mit hinein nimmt, ob sie nun katholisch oder evangelisch (sind) oder … gar keinen
119
gemeinsamen Essen und gemeinsamen Anfangen und das hört auf ... mit einem
inhaltlichen Tagesabschluss.“
Ein zentraler Punkt, so beschreiben es die Fachbereichsleiterinnen, ist es, Werte
und Rituale mit den Teilnehmerinnen wieder zu entdecken oder einzuführen in die
Gruppe. Es ist wichtig, auf der emotionalen und kognitiven Ebene Erfahrungen zu
ermöglichen, für die im Alltag keine Zeit oder kein Platz vorhanden ist. So bekommt das
gemeinsam in der Gruppe eingenommene Essen an dieser Stelle eine besondere Bedeu-
tung. Wie in den Zitaten unten zu lesen ist, scheint es der Trend zu sein, das Essen als
lästige und unvermeidbare Nahrungsmittelaufnahme zu sehen, der möglichst wenig
Zeit geopfert werden darf. Den Mitarbeiterinnen ist es sehr wichtig, wieder das Geselli-
ge, Gemeinschaftsfördernde und Lustvolle am Essen erfahrbar zu machen.
„... es ist in Familien wirklich verloren gegangen, den Wert der Gemeinsamkeit ...
und den Wert dieser Gemeinschaft, in der sie eigentlich leben, zu schätzen.“
„... zu Hause wird beim Fernsehen gegessen und nun essen wir bei solchen Fahrten
gemeinsam und es ist z.B. ganz schwer, so eine Kultur des gemeinsamen Anfangens
durchzusetzen und ich denke bei so einem Beispiel kommt der Alltag ganz schnell
mit in diese Arbeit hinein und es liegt dann an uns, auf liebevolle Weise das so zu
überbrücken, dass es nachher als was Wertvolles und was Spaßbringendes angesehen
wird, gemeinsam anzufangen.“
„Ja und was ... auch noch ein Ziel ist, ... dass man dieser Fast-Food-Gesellschaft so
ein bisschen entgegen lebt, dass man also vermittelt, ein gemeinsames Essen hat
einen Sinn, man kommt ins Gespräch, es ist gemütlich, man genießt vielleicht anders
als vorm Fernseher, also dass man das wieder übt und dass die Leute auch Gefallen
daran kriegen, an einem schön gedeckten Tisch, also das ist auch noch mal so ein
Thema, es wird nicht einfach hingeworfen, der Tisch wird schön gedeckt, das Auge
isst mit, beim Auffüllen, beim Anrichten und so. Und diese Atmosphäre, das spüren
auch schon die Kinder wie das ist.“
4.2.3.1 Christliche Prägung und Werte
An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die christlich geprägte Denk- und
Handlungsweise der Fachbereichsleiterinnen hinweisen. Die Gemeinschaft, wie sie hier
beschrieben wird, assoziiert das Bild der Gemeinde Christi, die sich gegenseitig Halt
und Hoffnung im Leben wie im Glauben gibt. Das gemeinsame Essen in der Gruppe,
das die Interviewpartnerinnen immer wieder beschrieben, erinnert an das Abendmahl.
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!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 118
Wie benenne ich welchen Körperteil, wenn ich zum Arzt gehe? ... in meiner Kultur
würde ich das nie einem männlichen Arzt sagen, also wie gehe ich mit solchen
Fragen um. Und dann natürlich, was alle Familien haben, wie organisieren wir uns
und unseren Alltag, wie sehen die Wohnverhältnisse aus, Fragen von Spielmöglich-
keiten der Kinder in der Stadt, ... da unterscheiden sich Deutsche und migrantische
Familien überhaupt nicht in der Stadt und haben durchaus die gleichen Hürden zu
überwinden.“
4.3.2 Erziehungsfragen
Zu den vielen Unsicherheiten und Fragen, die von den Fachbereichsleiterinnen
aufgegriffen und bearbeitet werden gehören auch: Was ist wichtig im Verhalten zwischen
Eltern und Kindern? Was mache ich, wenn mein Kind trotzt? Wie komme ich zurecht in
einer fremden Kultur, die andere Verhaltensregeln hat als meine? Im Gespräch, wie oben
ausgeführt, werden die Fragen aufgegriffen, aber auch das Vormachen, im Sinne von
Vorbild sein, gerade bei Mutter/Vater-Kindkursen ist dies eine der Methoden der Mit-
arbeiterinnen.
Eine Fachbereichsleiterin erzählte, dass sie den Müttern auch Dinge vermitteln
will, die sie zu Hause weiter anwenden können.
„Also d.h. was das Kreative oder Basteln oder Beschäftigungsangebote anbelangt
aber vielleicht auch, wie ich miteinander umgehe. Dass ich sehe im Spielkreis, wie
andere Mütter mit ihren Kindern umgehen ... wie kann ich mit meinem Kind
kommunizieren, was kann ich mit ihm machen. Welchen Ton kann ich anschla-
gen? ... das (können Mütter) nachmachen oder ... wir sprechen darüber. Wir lernen
auch ein Stück, was Erziehung heißt ...“
„Im Moment erlebe ich in vielen Bereichen, ... dass es Erwachsenen schwer fällt,
Regeln einzuhalten bei Kindern. Dass wir das kaum schaffen, die Frauen soweit zu
stabilisieren, dass sie eine bestimmte Verhaltensform erreichen können ...“
„Speziell für die interkulturelle Arbeit ist eine ganz wichtige Frage, diese doppelte
Sichtweise zwischen den Generationen und zwischen der Kultur. Wie stellt sich das
für die Mütter und heranwachsenden Töchter dar? ... mit solchen Fragestellungen,
wie gehe ich damit um, dass meine Tochter ins Kino will und ... mich, meine Kultur
nicht genügend respektiert oder mir fremd wird in der neuen Kultur.“
121
Bezug haben, das ist genau das, … wo eine ganz große Sehnsucht ist, weshalb diese
Fahrten, glaube ich, so gut ankommen …“
4.3 Lebensgestaltung unterstützenIm bisherigen Text wurde erläutert, dass das Gespräch im Verlauf eines Kurses
sehr wichtig ist. Hier soll nun auf einzelne inhaltliche Schwerpunkte eingegangen wer-
den, die im Großen und Ganzen die Fülle der Themen zusammenfassen. Eine Fachbe-
reichsleiterin bezeichnet ihre Aufgabe grob mit:
„Ich kann das ,Familie laufen lernen’ nennen, (ich meine) nicht nur laufen lernen, es
ist im Grund Lebensbegleitung von der Geburt bis zum Tod.“
Dieses Zitat spiegelt die Bandbreite der Aufgaben wieder, mit der es die Mitarbei-
terinnen zu tun haben. Sie lassen sich gliedern in Alltagsbewältigung, Erziehungsfragen
und Festigung der Persönlichkeit. Es ist festzustellen, dass die Übergänge zwischen den
Bereichen fließend sind, denn Erziehungsfragen sind Teil des Alltags von Erwachsenen
mit Kindern und z.B. wirken sich Unsicherheiten der Eltern auf ihre Erziehung und All-
tagsbewältigung gleichermaßen aus.
4.3.1 Alltagsbewältigung
Nach den Erkenntnissen der Fachbereichsleiterinnen können Menschen heute
immer weniger auf tradierte Formen des Zusammenlebens zurückgreifen. Zwischen den
Partnern muss das Verständnis der jeweiligen Rolle geklärt werden, wie auch Ansichten
und Haltungen zu den Fragen des Alltags oder der Erziehung von Kindern. Vieles wird in
Frage gestellt, nichts ist vorgegeben und selbstverständlich. Das macht Menschen un-
sicher und manchmal auch hilflos.
„Die Leute sind oft derartig verunsichert, dass sie mit so Fragen (kommen), von
denen man denkt, na ja, das kann man sich an und für sich mit ein bisschen Nach-
denken ja auch selber beantworten, aber die brauchen ganz intensiv diesen Aus-
tausch auch darüber, um zu sehen: Es ist nicht nur bei mir so, da gibt’s noch fünf
andere, bei denen das (auch) so ist und damit kann ich mich halt wieder sicher
fühlen.
„… den Frauen ist der selbstverständliche Umgang mit den Kindern verloren gegan-
gen. D.h. es sind ganz viele Alltagsthemen, die in der Arbeit eine Rolle spielen.“
„...was gerade auch in unseren Dialoggruppen mit europäischen und afrikanischen
Frauen immer wieder angesprochen wird ... Wie bewältige ich meinen Alltag, wenn
ich als Mutter, als Frau die Sprache nicht so gut kann? Ganz konkrete Fragen:
120
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 120
Erwachsenen eine Rolle, dass man sich gegenseitig die Stabilität gibt ...“
● Stützen einer Partnerschaft:
„… wir müssen auch dem Rechnung tragen, dass es natürlich Familien gibt, die
intakt sind und es bleiben wollen und da müssen wir auch ein Angebot machen und
sagen ja, wir stärken auch das, was gut ist präventiv und gucken nicht nur auf die
Konflikte.“
● Stärkung des Selbstvertrauens und des Selbstbewußtseins:
„Und ich denke, das ist auch eine unserer wesentlichen Aufgaben, die Menschen in
ihrer Persönlichkeit zu bestärken und sie … darin zu bestärken, dass sie ihren eigenen
Weg gehen müssen und dass das auch für sie und ihre Familie der richtige Weg dann ist.“
4.3.3.1 Netzwerke finden
Eine weitere Unterstützung für Familien bieten die Familienbildungsstätten, in
dem sie Möglichkeiten schaffen, wo Menschen sich treffen und kennenlernen können.
Für Neuzugezogene ist das eine Chance, die ersten Kontakte zu knüpfen.
Wie die Mitarbeiterinnen berichteten, entstehen oft darüber hinaus Netzwerke von
Menschen, die sich gegenseitig im Alltag stützen und entlasten.
„Das ist schon zu beobachten, dass die Frauen sich begrüßen und man merkt, die
treffen sich auch außerhalb noch und das ist hier (in der Gruppe der Familienbil-
dungsstätte) entstanden und das sind natürlich ganz tolle Entwicklungen. Also das
ist ja auch unser Ziel, dass wir sagen, dass nicht nur hier was passiert, sondern dass
das ein Stück weitergeht.“
„Migrantinnen versuchen eher für sich ein Netz zu haben, wo sie sich dann auch
geborgen fühlen und wo (dieses) dann auch in den Alltag hineinwirkt, also wo sie
sich auch im Alltag außerhalb unserer Angebote wiederum gegenseitig Stütze sind.
Kontakte halten, Kinderbetreuung organisieren usw.“
„… was sich bis jetzt immer ergeben hat, dass sich in so einer Gruppe mehrere Frauen
(mit ihren Kindern) zusammengetan haben und das weiter machen, bei sich zu
Hause, sich dann abwechseln oder sich einfach regelmäßig treffen. Und genau das
ist ja der Sinn und das funktioniert.“
4.3.3.2 Anonymität als Schutz
Dieser Aspekt, Anonymität als Schutz, wurde von den Interviewpartnerinnen
mehrfach angesprochen. Sich zu einem Kurs in einer Familienbildungsstätte anzumel-
den, bedeutet unter anderem, in eine Gruppe hinein zu kommen, deren Mitglieder ich
123
4.3.3 Stärkung der Persönlichkeit und der „Familie“
Eine wichtige Bedeutung bekommt in den Augen der Fachbereichsleiterinnen die
Unterstützung des Einzelnen für die „Familie“. So wollen sie die Teilnehmerinnen stär-
ken in ihrer Persönlichkeit, ihrem Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, ihnen Rück-
zugsmöglichkeiten bieten und sie ermutigen, z.B. Neues auszuprobieren. Die Teilneh-
merinnen werden begleitet und sie bekommen Hilfen für ihr Leben. Einige Hilfen sollen
hier exemplarisch genannt werden:
● Das kann eine Gruppe sein, als Weg aus der Einsamkeit:
„Das ist eine fortlaufende Gruppe, … wöchentlich … diese Begleitung, also für die
Frauen ist das wichtig diesen regelmäßigen Termin auch zu haben für einige, …
(zum) Menschen treffen, (zum) ins Gespräch kommen. … das ist für die einfach
so ein Stück Rhythmus im Leben und den können wir ihnen da geben.“
● Lebensphasen begleiten und stützen:
„Wenn die Paare das einfach auch mal loslassen, ich weiß nicht, was mich erwartet
(mit einem Baby), dann nehme ich das auf und dann besprechen wir das auch …
dass man sie da stützen kann und ihnen Mut macht einfach …“
● Eine Orientierungshilfe für „jungen Familien“ anbieten:
„… also sie zu stützen, ihnen einfach etwas zu geben, wo sie ein bisschen Halt haben,
weil das eben heute keine festen Regeln mehr gibt und die suchen sie auch und dabei
kann man sie unterstützen ...“
● Zur Akzeptanz eigener Entscheidungen beitragen:
„… es ergeben sich immer wieder wirklich grundlegende Erziehungsfragen in den
Gesprächen mit den Eltern, ... überhaupt kommen die meisten Mütter mit dem
schlechten Gewissen. Ich gebe mein Kind ab und ich gebe es so früh ab (in ein
Betreuungsangebot für Kinder ab zwei Jahren) ... in den Gesprächen ist man
ständig die Menschen am bestärken.“
● Selbsterfahrungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen:
„Wir bieten z.B. Familienstellen nach Hellinger an und verschiedene andere … Ange-
bote, (wie) dieses: Was brauchst du? … Was brauche ich?, also wo wirklich Möglich-
keiten bestehen zur Verhaltensänderung.“
● Eltern-Kindbeziehungen stabilisieren:
„Also ein Kind kann nur lernen, wenn’s zu Hause die Sicherheit hat. Und da versu-
chen wir auch, stabilisierend und helfend zu wirken, das ist denke ich erst mal für
Kinder das Wichtige. Ich denke aber dieser Sicherheitsfaktor, der spielt auch für die
122
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 122
In den Gemeinden, in denen es Angebote der Familienbildungsstätten gibt, die im
Gemeindeleben verankert sind, also nicht als Fremdkörper gesehen werden, kommt die
Arbeit gut an und wird gerne angenommen. Hier werden auch die Vorteile gesehen,
nämlich die Kompetenzen der Fachkräfte für die eigene Gemeinde nutzbringend einzu-
setzen. Dadurch kann den Gemeindemitgliedern ein größeres Angebotsspektrum
geboten werden, das sich nach den Bedürfnissen der verschiedenen Zielgruppen inner-
halb der Gemeinde richtet.
„… die Arbeit ist intensiv (in den Kirchengemeinden) und auch sehr willkommen, …
für (die) Gemeinde ist halt das Positive mit der Familienbildung zusammen zu arbei-
ten, dass sie ja nicht alles aus eigenen Ressourcen machen muss. Und dass sie wirklich
die Fachleute, die in der Familienbildung sitzen, sich zu Diensten machen kann.“
„Ich denke einerseits ... wird unser (Angebot) als Bereicherung wahrgenommen, …
das sicher ergänzend zur Gemeindearbeit ist, auch durch die Kurse, die wir in den
Gemeinden durchführen. Wir bieten ja an, wir kommen zu ihnen in die Gemeinde
und machen einen Spielkreis oder wir … betreuen ihre Mitarbeiterin, die bei ihnen
den Spielkreis in der Gemeinde macht. Ich könnte mir vorstellen, dass manche es
auch als Konkurrenz ansehen, nur die bekommen wir natürlich nicht so mit, die
sind ja dann nicht da.“
„Wir bekommen Anfragen von Gemeinden,“ … können sie diesen oder jenen Kurs,
der im Programm drin steht, bei uns durchführen?“ … und dann haben wir die
Organisation, die inhaltliche Vorbereitung und die(Gemeinde) stellt dann den Raum
zur Verfügung und spricht mit uns den Termin ab und muss das natürlich auch
bezahlen … aber manche denken, das müsste nichts kosten“
Wie in den Zitaten oben auch schon angeklungen ist, gibt es auch Vorbehalte
gegenüber den Familienbildungsstätten. Es gibt Haltungen und Meinungen, die kontra-
produktiv sind und eigentlich auf dem heutigen Hintergrund von gesellschaftlichen Ver-
änderungen ihre Gültigkeit verloren haben sollten. So ist eine Meinung, dass Angebote
der Gemeinde nichts kosten dürfen. Da es aber immer weniger fachlich qualifizierte
Menschen gibt, die bereit sind, ehrenamtlich zu arbeiten, und das Geld fehlt, um haupt-
amtliche Pädagogen einzustellen, wäre die Konsequenz, dass die Gemeinden immer
weniger auf die Bedürfnisse ihrer Gemeindemitglieder eingehen könnten. Hier ist das
Angebot der Familienbildungsstätten eine gute Möglichkeit, mit wenig finanziellen Mit-
teln ein hochwertiges Angebot zu haben. Zu den Serviceleistungen zählen auch die fach-
liche Begleitung und Weiterbildung der Honorarkräfte durch die Familienbildungsstätten.
125
noch nicht kenne. Das bietet die Chance, als Fremde unter Fremden Fragen und Proble-
me ansprechen zu können ohne Angst haben zu müssen, in meinem Alltag dadurch
negative Erfahrungen machen zu müssen. Diese Anonymität ist in Kreisen und Gruppen
von Kirchengemeinden oder bei Angeboten vor Ort im sozialen Umfeld nicht gegeben.
„… auch sich gar nicht gleich in die Gruppe ganz reinzzugeben, sondern auch so ein
Stück weit anonym dort erst mal zu hören, zu schnuppern, zu fragen ...“
„Aber manchmal ist es auch ganz wichtig, aus meinem direkten Umfeld raus zukom-
men, ... und eben in die Familienbildungsstätte zentral in der Stadt zu kommen,
einmal auch so den Blick drüber raus zu finden (aus den Gemeinden) ... und aber
auch ein Stück insofern frei zu sein, bis ich mich gefunden habe und mein Selbstbe-
wusstsein gefunden habe, ohne dass gleich jeder (aus meinem Wohngebiet) weiß,
womit befasse ich mich, was ist jetzt mein Thema. Das kann ich in einer Gruppe, die
jetzt aus meinem direkten sozialen Umfeld raus ist, eher angehen und besprechen als
in der Gruppe, in die ich im Alltag eh ständig irgendwie eingebunden bin und wo
immer 10 Augen und Ohren hören, was macht sie, wie tut sie’s usw.“
5. Welche Einschätzungen haben die Mitarbeiterinnen zur Wahrnehmung der Arbeit der Familienbildungsstätten durch das kirchliche Umfeld?
Alle fünf Familienbildungsstätten bieten nicht nur in ihren eigenen Häusern Veran-
staltungen und Kurse an, sondern auch dezentral, in den verschiedensten Kirchen-
gemeinden. Bei vier von den interviewten Familienbildungsstätten gibt es dezentrale
Arbeit in angemieteten Räumen und vor Ort in den Kirchengemeinden. Eine Bildungs-
stätte arbeitet fast ausschließlich dezentral.
Die Arbeit wird durch die Kirchengemeinden ambivalent wahrgenommen. Es
gibt positive wie auch negative Meinungen zu der Arbeit der Familienbildungsstätten.
Eines lässt sich jedoch verallgemeinernd feststellen. Wenn die Kursleiterinnen oder
Honorarkräfte in den Kirchengemeinden, in denen sie arbeiten auch privat aktiv sind,
dann ist durch ihre Präsenz gleichzeitig die Familienbildungsstätte vertreten. In den
meisten Fällen hat dies eine positive Auswirkung auf deren Akzeptanz.
„Ja, also wahrgenommen werden wir natürlich schon auch durch die dezentrale Arbeit
und ansonsten müssen wir schon auf uns aufmerksam machen. Wahrgenommen
werden wir natürlich umso intensiver, da wo wir persönliche Kontakte haben.“
„das ist teilweise auch wirklich eine ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde und
dass, wenn ich irgendwo auftauche, ich als (Mitarbeiterin von der) Familienbildung
angesprochen werde, obwohl ich es eigentlich als Gemeindemitglied mache.“
124
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 124
der Leitung und an den Mitarbeitern, wie weit das gefördert wird, wieviel Zeit dafür
eingeräumt wird … da haben wir lange zu wenig gemacht, um auch uns irgendwie
darzustellen und da ist noch einiges zu tun.“
„Ja, also ich erlebe jetzt diese Gespräche, die wir jetzt führen als sehr konstruktiv,
das finde ich toll, weil da merkt man, es kommt Interesse von der Gemeinde, nicht
nur wir gehen immer hin (in die Kurse), und ich freue mich dann, wenn gesagt wird,
stellt eure Arbeit bitte in unserem Gemeindeblatt dar.“
6. FazitIch war auf der Suche nach dem roten Faden, der mich durch das Labyrinth der
Familienbildungsstätten führte. Es war festzustellen, dass jede Einrichtung die
Schwerpunkte ihrer Arbeit ausrichtet an den Bedürfnissen und Notwendigkeiten, die
sie im Umfeld wahrnimmt. So sehen die Angebote für „Familien“ im ländlichen
Gebiet anders aus als in der Großstadt. Dieses ist unter anderem auf die verschie-
denartige Zusammensetzung der Bevölkerung zurückzuführen. So leben z. B. in
Frankfurt viele Kulturen auf engstem Raum zusammen. Trotz der Verschiedenartig-
keit der Verhältnisse sind die Bedürfnisse der Menschen ähnlich. Sie suchen nach
einer Möglichkeit sich auszutauschen, Geborgenheit zu spüren und gegebenenfalls
Hilfen zu bekommen. Sie brauchen Unterstützung für ihren Alltag, für die Erziehung
ihrer Kinder und Stärkung ihrer Persönlichkeit und ihrer Familie.
In unserer schnelllebigen Zeit wird es immer schwieriger für den Einzelnen und für
Familien, Orientierung zu finden. Hier sind die evangelischen Familienbildungsstätten
mit ihren verschiedenartigen Angeboten eine ideale Anlaufstelle.
Zusätzlich zu dem Auftrag, den die Familienbildungsstätten nach dem Gesetz des
KJHG zu erfüllen haben, bieten diese Einrichtungen die Möglichkeit, sich mit theolo-
gischen Themen auseinanderzusetzen. Durch das christliche Bewusstsein der Fach-
bereichsleiterinnen ist es möglich, den Menschen wieder die religiöse Dimension in
ihrem Leben näher zu bringen.
Es wäre wünschenswert, dass die Kirchengemeinden die Chance erkennen, die sie
durch die Kooperation mit den Familienbildungsstätten haben. Es werden Menschen
angesprochen, die den Zugang zur Kerngemeinde schlecht finden, aber trotzdem ein
Interesse haben an christlich geprägten Angeboten.
Was mich bei allen Interviewpartnerinnen beeindruckte und einem roten
Faden gleichzusetzen ist, ist ihr Engagement und ihr Menschenbild, das ihre Arbeit
prägt.
127
Auch gibt es die Möglichkeit, Veranstaltungen, Gruppen und Kurse der Gemein-
den über das Programm der Familienbildungsstätten zu veröffentlichen. Das hat den
Vorteil, dass mehr Menschen auf das Angebot aufmerksam werden und damit die Chan-
ce wächst, dass dieses überhaupt zustande kommt. Auf diesen Vorschlag erwidert ein
Pfarrer:
„ … ja aber wir wollen doch nur die Leute aus unserer Gemeinde.“
Eine weitere Befürchtung der Gemeinden ist, sich die Konkurrenz ins eigene
Gemeindehaus zu holen. d.h. vielleicht feststellen zu müssen, dass die Arbeit der Fami-
lienbildungsstätte besser ist als die eigene und dadurch mehr Zulauf hat.
Leider, so beschreiben es die Kursleiterinnen, hängt die Akzeptanz ihrer Arbeit oft
vom Wohlwollen einzelner Personen ab, die sich mehr oder weniger gut über die Arbeit
der Familienbildungsstätten informieren. Teilweise ist auch keine Bereitschaft vorhan-
den, sich mit den oben genannten Ängsten oder Vorstellungen auseinanderzusetzen.
„… unsere Arbeit hier mit Familien wird von Ignoranz bis hin zu sehr hoch wert-
geschätzt, die ganze Bandbreite (wird) wahrgenommen.“
„… aber es ist dann manchmal so, dass das (Zusammenarbeiten) tatsächlich über
die Pfarrer läuft, die dann am ehesten Widerstände entwickeln …“
„Also, ich denke, da ist schon noch viel, wo die Pfarrer auch noch eine ganz andere
Meinung zur Familienbildungsstätte haben oder vielleicht auch gar nicht richtig
wissen, was hier läuft.“
Um die Akzeptanz in den einzelnen Kirchengemeinden zu erhalten oder zu ver-
bessern, ist den Fachbereichsleiterinnen klar, dass sie auf die Menschen vor Ort zuge-
hen müssen. Es ist nötig über ihre Arbeit zu informieren und Kooperations-
partner/innen zu finden.
Wie oft bin ich vor Ort und wann zu sprechen? Wie lernen die Gemeindemitglieder
die Familienbildungsstätte und ihre Mitarbeiterin kennen? Gibt es einen Termin, an dem
sich Mitarbeiterinnen aus beiden Institutionen regelmäßig zum Austausch treffen? Wo
und wie werden die Angebote der Familienbildungsstätte veröffentlicht? Solche und
ähnliche Fragen sind zu beantworten, damit fruchtbares Miteinander entstehen kann.
Eine Interviewpartnerin berichtete, dass durch mangelnde Präsenz ihrerseits in
einer Gemeinde Schwierigkeiten entstanden, die sie aber durch die Unterstützung der
Pfarrerin klären konnte.
„ich denke, es liegt auch immer ein bisschen an der Institution (Familienbildungsstätte)
selber, inwieweit sie Öffentlichkeitsarbeit betreibt und das liegt ein bisschen mit an
126
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 126
bereits in 2 oder mehr Veranstaltungen waren. Ein Fünftel hatte sogar schon über 5 Ver-
anstaltungen besucht.
Es werden vorrangig die Ergebnisse der Befragung von 2002 dargestellt. Sie
werden ergänzt durch die Befragungsergebnisse von 2001, so weit die Fragestellun-
gen vergleichbar sind.
Bewertung der Veranstaltung und der Rahmenbedingungen84% der Antwortenden gaben an, dass die besuchte Veranstaltung insgesamt
ihren Erwartungen entsprach. Bei 12 % entsprach sie den Erwartungen nur teilweise.
Völlig neben den Erwartungen lag sie aber bei niemand. Der Prozentsatz derer, die ihre
Erwartungen erfüllt sahen, lag bei der Befragung 2001 mit 97% noch höher.
2002 fanden 96% den Zeitumfang und 84% den Informationsgehalt der Veran-
staltung angemessen. 6% waren mit dem Informationsgehalt weniger oder nicht zufrie-
den. 2001 fanden etwas weniger Antwortende den Zeitumfang angemessen (90%), mit
dem Informationsgehalt waren alle zufrieden.
Auch in der Beurteilung der fachlichen Kompetenz der Kursleitung spiegelt sich
eine leicht zunehmende kritische Haltung wieder. Während 2002 88% die Kursleitung
als hervorragend bezeichneten und 12% als gut, waren es 2001 noch 98%, die vollkom-
men zufrieden waren.
Die meisten negativen Bewertungen ergaben sich bei der Raum- und Sachaus-
stattung. Fast die Hälfte fand sie unzureichend, je ein Viertel einwandfrei oder wenig-
stens akzeptabel. Ein ähnliches Ergebnis zeigte die Befragung 2001. Damals fanden 54%
die Raum- und Sachausstattung „verbesserungswürdig“. Bei den Babypflegekursen, war
es zu kalt, um die Kinder auszuziehen, es mangelte an Hygiene und Sauberkeit in den
Räumen und häufig war die Beleuchtung defekt.
Auch im Jahr 2002 kam es vor allem zu Beschwerden über die Hygiene. Beim
Nähkurs sind große Teile der Tische defekt, so dass die Stoffe beschädigt werden, die
elektrischen Anschlüsse sind in einem gefährlichen Zustand und die Stühle zu unbe-
quem. Außerdem kamen aus mehreren Kursen Beschwerden über zu kalte Räume
und schlechte Beleuchtung.
Die Familien-Bildungsstätte im Dekanat Kronberg arbeitet dezentral, d. h. sie
nutzt für den Großteil ihrer Veranstaltungen Räume von Kirchengemeinden im Deka-
nat Kronberg. In diesen Räumen, die auch für unterschiedliche Aktivitäten der Kirchen-
gemeinden zur Verfügung stehen, ist sie Gast. Sie kann den Zustand der Räume wenig
beeinflussen und hat selten genügend Platz, um Arbeitsmaterialien unterzubringen.
129
Cornelia Zimmermann-Müller
TeilnehmerInnen-Zufriedenheit in den Kursender Evangelischen Familien-Bildungsstätten
Befragungen in der Evangelischen Familien-Bildungsstätte im Dekanat Kronberg mit Sitz in Bad Soden
Im Jahr 2001 startete die Evangelische Familien-Bildungsstätte im Dekanat Kron-
berg mit Sitz in Bad Soden eine Umfrage mit Hilfe eines Fragebogens unter den Teil-
nehmenden ihrer Kurse und Veranstaltungen. Diese Aktion wurde 2002 als „Qualitäts-
vorhaben“ im Rahmen des vom Hessischen Sozialministerium geförderten Projekts
„Qualitätsmanagement in hessischen Familienbildungsstätten“ fortgesetzt. Dabei
wurde der Fragebogen erweitert und einige Fragen verändert.
Ziel der Befragungen ist es, die Zufriedenheit der TeilnehmerInnen mit den von
ihnen belegten Kursen bzw. Veranstaltungen und den Rahmenbedingungen zu erfahren,
um Schwachstellen zu erkennen und so weit es nötig und möglich ist, Veränderungen
bzw. Verbesserungen durchzuführen.
Der Fragenkatalog besteht hauptsächlich aus Fragen mit vorgegebenen Ant-
wortmöglichkeiten. Es wird jedoch immer die Gelegenheit gegeben, die angekreuzte
Antwort zu begründen.
Die Befragung erfolgt schriftlich. Der Fragebogen wird den Teilnehmenden mit der
Anmeldebestätigung zugeschickt und kann erst im Laufe oder am Ende eines Kurses
bzw. einer Veranstaltung zurückgegeben werden. Dieses Verfahren führt zu einer sehr
niedrigen Rücklaufquote, die noch unter der bei schriftlichen Befragungen üblichen von
ca. 20 % liegt, da die zwischen dem Erhalt und dem Ausfüllen des Fragebogens liegen-
de notwendige Zeitspanne das Vergessen fördert.
Die Antworten können daher nicht beanspruchen, die Meinungen aller Teilneh-
menden zu repräsentieren. Es ist anzunehmen, dass vor allem besonders zufriedene
oder besonders unzufriedene Personen den Fragebogen ausfüllen.
Von ca. 3000 Teilnehmenden pro Jahr haben 2002 (Stand Anfang September)
209 Personen und 2001 132 Personen einen ausgefüllten Bogen abgegeben.
Im Jahr 2002 stammten fast vier Fünftel der zurückgegebenen Fragebogen von
Teilnehmenden über 40 Jahre, ein Fünftel von 20- bis 40-Jährigen; nur ganz wenige
unter 20-Jährige haben einen Fragebogen ausgefüllt.
Knapp ein Viertel der Antwortenden besuchte ihren ersten Kurs bzw. ihre erste
Veranstaltung in der evangelischen Familien-Bildungsstätte, während gut drei Viertel
128
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 128
Grafik 2: Wie haben Sie von der Veranstaltung erfahren?
Im Vergleich zu 2001 hat sich die Bedeutung der Informationswege stark ge-
ändert. Der größte Teil der Antwortenden, 44%, hatte damals vom Angebot über die
Presse erfahren; über das Programmheft wurden nur halb so viele informiert, dann
folgte die Information durch andere Personen. Der Anteil der über die Kirchenge-
meinde und Handzettel Informierten ist ungefähr gleich geblieben. Zusätzlich spielte
2001 jedoch noch Hinweise durch den Arzt eine gewisse Rolle.
Mit aller gebotenen Vorsicht kann man daraus schließen, dass die Bedeutung
des Programmheftes stark zugenommen hat, ebenso die von Hinweisen und Empfeh-
lungen anderer Personen. Diese Entwicklung kann ausgesprochen positiv bewertet
werden, verweist sie doch auf eine zufriedene Teilnehmerschaft, die jedes Jahr zum
Programmheft greift, um sich über das neue Angebot zu informieren oder anderen
das Angebot empfiehlt. Damit wird tendenziell die in 1.1 dargestellte Aussage unterstri-
chen, dass fast alle Antwortenden den Kurs oder die Veranstaltung, an der sie teilge-
nommen haben, weiter empfehlen würden.
Bewertung des Service der EinrichtungDie Service-Leistungen der Familienbildung, die sich auf Information, Beratung
und Anmeldung beziehen, fanden rund drei Viertel der Antwortenden „einwandfrei“,
rund ein Achtel fand sie nur zufriedenstellend oder unzureichend. Diese Frage wurde
in einem relativ großen Anteil von Fragebögen nicht beantwortet. Ebenso wenig gab
es Begründungen für die Unzufriedenheit (Die Bewertung ist in der Grafik 3 dargestellt.)
131
2002 sahen 84% der Teilnehmenden ihre Erwartungen durch den von ihnen
besuchten Kurs erfüllt. 96% würden den Kurs weiter empfehlen. Bei der Befragung im
Jahr 2001 waren sogar 99% dazu bereit. (Die hier beschriebenen Aussagen sind in der Grafik 1
dargestellt.)
Grafik 1: Bewertung von Veranstaltung und Rahmenbedingung
Informationswege zum AngebotVom Veranstaltungsangebot der Familien-Bildungsstätte hat 2002 ein gutes
Drittel der Antwortenden durch das Programmheft erfahren, ein knappes Drittel
durch andere Personen. Über die Presse wurde fast ein Viertel informiert. Über eine
Kirchengemeinde und ausliegende Handzettel erfuhren weniger als ein Zehntel
vom Angebot der Familienbildung. (Die Häufigkeit der Nennungen ist in Grafik 2 dar-
gestellt.)
130
Raum- und Sachausstattung
Kompetenz der Kursleiterin
Würden Sie Kurs weiter empfehlen?
Informationsgehalt
Zeitumfang
Entsprach Kurs den Erwartungen?
negativ: 2,04%
negativ: 4,08%
mittelmäßig: 12,24%
mittelmäßig: 2,04%positiv: 83,67%
positiv: 95,92%
mittelmäßig: 12,24%
positiv: 83,67%
positiv: 87,75%
positiv: 95,92%
negativ: 48,96%
mittelmäßig: 20,41%
positiv: 24,48%
Andere Personen
Gemeinde
Handzettel
Presse
Heft
32,2%
5,8%
3,39%
23,73%
35,59%
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 130
Grafik 4: Worin zeigt sich die kirchliche Trägerschaft?
Zuschriften und Äußerungen von TeilnehmerInnenWohlfühlen in der Evangelischen Familienbildungsstätte
Meinen ersten Kurs in der Familienbildungsstätte habe ich ein halbes Jahr nach der Geburt meiner
ersten Tochter erlebt. Damals war ich – wie wohl fast jede – in einem tiefen Loch: den ganzen
Tag mit dem Baby zuhause, vom Nichtstun überfordert, alte Kontakte unbrauchbar (arbeiten
tagsüber, ich abends müde) … Auf der Suche nach neuen Kontakten (mit Gleichgesinnten)
durchforschte ich die Angebote der Familienbildungsstätten in Wiesbaden (mir aus meiner eigenen
Kindheit bekannt als „Pool“ mit einem großen Angebot für Familien) Dass wirklich ernste
Freundschaften aus den ersten Kontakten in einem Kurs „Bewegungsspiele für Säuglinge“
entstünden, erwartete ich nicht, es ging wohl eher um einen Zeitvertreib, um Kontakt zu
Gleichgesinnten, um Verstandenwerden in dieser mir neuen Situation. Letztendlich kamen für
mich einerseits 2 Privat-Kontakte heraus, die bis heute sehr eng sind (schön für alle Beteiligten)
andererseits die Erfahrung, dass ich dort in der Familienbildungsstätte immer Rat, Anregung,
Beschäftigung, Diskussion … unter einem Dach und mit bekannten Gesichtern finde. „Man trifft
sich“ unter Müttern, mit gleichaltrigen Kindern, … eine Atmosphäre zum Wohlfühlen.
Nach und nach habe ich/haben meine Kinder an Spielkreisen, Bastelnachmittagen, PEKiP-
Gruppen, Erfahrungsaustausch-Abenden, Info-Abenden zu diversen Erziehungsfragen,
Sportangeboten für mich und/ oder die Kinder, Musikalischer Früherziehung … teilgenommen
133
Grafik 3: Service der Familienbildung
Im Jahr 2001 waren fast neun Zehntel mit dem Service voll zufrieden. Vielleicht wurde
dieser Bereich im Jahr 2002 kritischer beurteilt, oder es ist eine tatsächliche Verschlech-
terung eingetreten.
Evidenz kirchlicher TrägerschaftBei der Frage, worin sich die kirchliche Trägerschaft zeigt, waren folgende Antwort-
kategorien vorgegeben: ‚Gute mitmenschliche Atmosphäre’, ‚Singen, Beten, Andacht’,
‚Gespräche über Sinnfragen’, ‚theologische Information’ und ‚überhaupt nicht’.
Ein Drittel gab an, dass für sie die kirchliche Trägerschaft der Einrichtung nicht
offensichtlich wurde. Für rund ein Fünftel der Befragten wurde sie in ‚Singen, Beten,
Andacht’, ‚Gesprächen über Sinnfragen’, und ‚theologischer Information’ deutlich. Für
die Antwort in einer dieser Kategorien dürfte die Wahl einer entsprechenden Veranstal-
tung bzw. eines entsprechenden Kurses von Bedeutung gewesen sein. Für knapp die
Hälfte der Befragten zeigte sich die kirchliche Trägerschaft in einer guten mitmenschli-
chen Atmosphäre.
Bei dieser Fragestellung gab es keine Antwortverweigerung. (Die Antworten sind in
Grafik 4 verdeutlicht.)
Die Bedeutung der mitmenschlichen Atmosphäre als Ausdruck christlicher
Familien-Bildungsarbeit und ihre Wertschätzung verdeutlichen folgende Beiträge von
TeilnehmerInnen.
132
Information
Beratung
Anmeldung
unzureichend: 4,08%
zufriedenstellend: 8.16%
einwandfrei: 71,43%
unzureichend: 4,08%
zufriedenstellend: 8,16%
einwandfrei: 71,43%
unzureichend: 6,12%
zufriedenstellend: 4,08%
einwandfrei: 77,55%
Überhaupt nicht
Theologische Information
Bearbeiten von Sinnfragen
Singen, beten, Andachten etc.
Mitmenschliche Atmosphäre
32,2%
5,08%
8,47%
6,78%
47,46%
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 132
Was hat eine Fahrt mit Euch (der Familienbildung) was andere Urlaube nicht haben?
Es ist das Gefühl von Anfang an in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein ohne in
irgendeiner Weise bedrängt zu werden, Spaß und Aktivität zu erleben ohne an auf-
gesetzte Animationsprogramme erinnert zu werden, auch mal Dinge als Erwachsener
alleine machen zu können ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, das Kind einer
„suspekten“ Kinderbetreuung überlassen zu haben, mit (christlichen) Glaubensfragen
konfrontiert zu werden, ohne das Gefühl der „Frömmelei“ übergestülpt zu bekommen.
Die unterschiedlichen Personen wurden in ihrer Persönlichkeit akzeptiert und wichtig
genommen – Erwachsene wie Kinder. In dieser Intensität habe ich das während anderer
Gruppenreisen noch nie erlebt.
An „unser Team von damals“ ergeht in diesem Zuasammenhang nochmals ein dickes
Dankeschön – verbunden mit dem Wunsch noch weitere Reisen mit Euch zu erleben.
Herzlichst Marion Kibbert-Ackermann
(Teilnehmerin der Familienfreizeit nach Tolo in Griechenland)
Adressen der 8 Familien-Bildungsstätten in der EKHN
135134
und auch die Tagesmüttervermittlung in Anspruch genommen. Für meine Kinder ist es „das
Haus, wo der Spielkreis ist“.
In meiner katholischen Gemeinde gibt es auch Krabbelkreise, Angebote für Kinder und Erwach-
sene, jedoch ist das Angebot naturgemäß sehr viel geringer. Der Kontakt zu meiner Heimat-
gemeinde ist mir wichtig, Kindergottesdienst, Familienfreizeiten oder Töpferkurse finde ich
klasse. Das vielfältige Angebot der Familienbildungsstätte bietet mir zusätzlich eine große
Auswahl an Interessantem, auch mit terminlichen Ausweichmöglichkeiten und eben diese
„Müttergemeinde“: Man nimmt an einem Kurs teil und trifft jemanden, den man von
anderen Veranstaltungen schon kennt, oder man trifft sich jedes Jahr zum Weihnachtsbasteln,
… Eine angenehme Mischung aus Vertrautem und Neuem.
Immer wieder stehe ich auch heute im Familienleben vor Situationen, in denen ich einerseits
gerne fachkundigen Rat, andererseits den Austausch mit anderen („ist bei mir genauso!“)
hätte; nach wie vor genieße ich den Kontakt zu anderen Müttern und auch das „Betreut-
werden“ als Mutter, einfach einmal teilzunehmen und nicht nur zu organisieren. So werde
ich wohl auch im nächsten Jahr nach dem ein oder anderen Angebot für mich und/oder
meine Kinder im Programm der Evangelischen Familienbildungsstätte forschen.
(Nora Göbel, 29 Jahre, drei Töchter im Alter von 5, 3 und 1 Jahr)
Liebe Conny, Hochheim, den 26.11.2001
es war schön mal wieder mit Dir zu sprechen und ich werde versuchen Eure Idee zu unter-
stützen, die Wichtigkeit der Familienbildung möglichst vielen Menschen deutlich zu machen.
Nie hätte ich gedacht, dass die Fahrt mit Euch nach Tolo für mich von so großer Bedeutung
sein würde. Zaghaft, voller Ängste, nur von einem unbestimmten, irgendwo existierenden
„Ja“ getrieben, hatte ich mich mit Lena angemeldet.
Die Zeit vor und nach dem Tod meiner Mutter hatte tiefe Furchen in mein Leben gerissen.
Abstand von allem war das Ziel. Diesen hätte ich sicher auch mit jedem x-beliebigen Reise-
unternehmen bekommen können. Die Fahrt mit der Familienbildung war mehr. Sie hat mir
zu einem echten positiven Wendepunkt verholfen und ich habe es geschafft wieder nach vorne
zu sehen.
Dekanat Kronberg
Königsteiner Str. 47, Bad Soden
Telefon 06196-560142 / 652605, Fax 652607
www.evangelische-familienbildung.de
Träger: Evangelisches Dekanat Kronberg
Frankfurt
Darmstädt Landstr. 81, 60589 Frankfurt
Telefon 069-605004-0/11, Fax 605004-22
Träger: Evangelischer Regionalverband
Friedberg
Kaiserstr. 167, 61169 Friedberg
Telefon 06031-91976, Fax 64291
www.ev-familien-bildungsstaette.de
Träger: Landesverband Evangelische Frauenhilfe
Gießen
Wingert 18, 35396 Gießen
Telefon 0641-96612-0, Fax 96612-25
www.ev-familien-bildungsstaette-gießen.de
Träger: Landesverband Evangelische Frauenhilfe
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 134
Paula G. Lichtenberger / Ludwig Metzger
Arbeit mit Familien in der Kirche – Fazit und Perspektiven
1. EinleitungDie vorliegende Dokumentation zur Arbeit mit Familien hat nur einen Teil kirch-
licher Arbeit zum Gegenstand: Die Arbeit der Ev. Familienbildungsstätten und der
Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen. Zur Vollständigkeit würden weitere
Bereiche der Arbeit mit Familien gehören: im Rahmen Erwachsenenbildung, Kinder-
tagesstätten, Beratungsstellen, Kirchengemeinden durch Pfarrerinnen und Pfarrer sowie
in verschiedenen Arbeitsbereichen des Diakonischen Werkes.
Es geht im folgenden darum, die vorliegenden Ergebnisse der beiden untersuch-
ten Bereiche zu vergleichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen und offe-
ne Fragen sowie Anregungen und Perspektiven für eine Weiterentwicklung zu formulie-
ren. Die Vorschläge für eine Weiterentwicklung betreffen sowohl die in den beiden
Bereichen bisher explizit formulierten oder implizit vorhandenen Konzeptionen wie
auch die in der Kirche gegebenen Rahmenbedingungen für Arbeit mit Familien.
2. Gemeinsamkeiten in der Arbeit der Familienbildungsstätten und der gemeindepädagogischen Arbeit mit Familien
Die Untersuchung hat eine Reihe von Gemeinsamkeiten in der Arbeit der Familien-
bildungsstätten und der gemeindepädagogischen Arbeit mit Familien erkennen lassen:
2.1 HauptzielgruppeHauptzielgruppe ist bei beiden die Familie in der Gründungsphase. Dies hängt
offensichtlich damit zusammen, dass die jungen Familien diese Umbruchssituation als
besonders einschneidende Zäsur erleben. Zur Bewältigung der neuen Situation gibt es
kaum mehr tradiertes Wissen oder Lebensmodelle, die in die heutige Zeit passen.
Sowohl die Familienbildungsstätten wie Gemeindepädagoginnen und Gemein-
depädagogen bieten den Betroffenen Bildung, Beratung und Begleitung zur Bewältigung
dieser neuen Lebenssituation an. Im Zentrum der Herausforderung stehen dabei Fragen
der Erziehung, der Lebensgestaltung (Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie,
geschlechtergerechte Verteilung von Familien- und Hausarbeit u.ä.) sowie die Suche
nach neuen Werten und Normen. Erster Anknüpfungspunkt ist vielfach die Erziehungs-
frage. Hier ist die Verunsicherung besonders groß. Es wäre aber eine stark verkürzte
Sichtweise, zu meinen, es ginge nur darum, neue Erziehungsgrundsätze und -ideale zu
finden. Mit dieser Frage verknüpft eröffnet sich sehr schnell der gesamte Problemkreis:
137136
Evangelische Familienbildungsstätten in der EKHN
Stand 1. November 2002, erstellt von der Kirchenverwaltung
der EKHN
Langen (Dezentral)
Bahnstr. 44, 63225 Langen
Telefon 06103-977211, Fax 977213
Träger: Landesverband Evangelische Frauenhilfe
Mainz (Dezentral)
Boschofsplatz 10, 55116 Mainz
Telefon 06131-143179, Fax 06131-143181
Träger: Evangelisches Dekanat Mainz
Offenbach
Kirchgasse 17, 63065 Offenbach
Telefon 069-885159, Fax 814669
Träger: Landesverband Evangelische Frauenhilfe
Wiesbaden
Emser Str.3, 65195 Wiesbaden
Telefon 0611-524015, Fax 9590903
www.evangelische-familienbildung-wiesbaden.de
!!!1sp.160x220.END 04.08.2005 15:07 Uhr Seite 136
freien Raum zu schaffen, wo Menschen aufatmen und sich entfalten können. Nur
in einer Atmosphäre der Akzeptanz und des Vertrauens werden sie fähig, sich mit
ihrer ganzen Person auch neuen Herausforderungen zu stellen, sich zu verändern
und zu wachsen.
In diesen Zielen und Grundsätzen zeichnen sich drei Tendenzen besonders deut-
lich ab:
1. Der Alltag als Ort der Lebensbewältigung wird ernst genommen
2. Es besteht ein gesellschaftskritischer Ansatz
3. Dieser gesellschaftskritische Ansatz steht im Dienst des einzelnen Menschen
und seiner Würde
Dass diese Sichtweise auch theologisch begründet ist, wird an verschiedenen Stel-
len immer wieder deutlich. Man kann es vielleicht so formulieren: Die frohe Botschaft
von Gottes Zuwendung zur Welt und den Menschen findet ihre Entsprechung in diesen
Zielen und Grundsätzen. Gemeinsamer Hintergrund für die Arbeit mit Familien ist die
Verbindung der Menschenfreundlichkeit Gottes mit dem Alltag der Menschen.
2.3 BildungsansatzCharakteristisch für die Arbeit mit Familien in Familienbildungsstätten und im
gemeindepädagogischen Bereich ist der generationsübergreifende Bildungsansatz, d.h. die
Angebote sind so konzipiert, dass die Bedürfnisse von Erwachsenen und Kindern
gleichrangig im Blick sind und beide gleichzeitig an dem Bildungsangebot teilnehmen.
Die Bearbeitung von Themen, Fragen und Problemen geschieht auf der Grundlage eines
teilnehmer- und situationsorientierten Bildungsansatzes, oftmals eingebettet in gemein-
schaftliche Lebensvollzüge (Freizeiten, Eltern-Kind-Gruppen, kreatives Gestalten,
gemeinsame Mahlzeiten usw.) und in Arbeitsformen, die ein hohes Maß an Verlässlich-
keit und Kontinuität ermöglichen. Ein solcher Rahmen lässt Raum für die thematische
Arbeit, die aktuellen Fragen und Bedürfnisse der Menschen und ein spontanes Eingehen
auf neu entstehende Situationen. Familienbildung geschieht in einem Gestaltungs- und
Vertrauensraum, der gemeinschaftliche Prozesse in Gang setzt und dem einzelnen
ermöglicht, aus sich herauszugehen und Veränderungen zuzulassen.
2.4 Selbstbestimmung der TeilnahmeSowohl die Familienbildungsstätten wie die gemeindepädagogische Arbeit mit
Familien haben das Ziel, es den Teilnehmenden zu ermöglichen, Dauer und Intensität
139
Junge Eltern erleben ganz stark die Wucht der Verantwortung gegenüber der kommen-
den Generation und der Zukunft (und die damit verbundene Identitätsproblematik!),
zumal sie weitgehend auf sich allein gestellt sind. Nicht nur praktische Erziehungs-
fragen, sondern elementare Lebensfragen brechen auf: Wie werde ich den neuen Anfor-
derungen gerecht, die auf mich zukommen? Wer bin ich in der neuen Rolle als Mutter
oder Vater? Was hat es auf sich mit dem Geheimnis des Lebens (seines Ursprungs und
seines Endes)? Die Begegnung mit den Kindern konfrontiert mit der eigenen Kindheit.
Kinderfragen zwingen zur Beschäftigung mit Sinnfragen und deren religiöser Wurzel.
Der Alltag muss in Absprachen und Verhandlungen mit der Partnerin/dem Partner neu
organisiert werden, die Kontakte zur Außenwelt erhalten neue Konturen, der Freundes-
und Bekanntenkreis verändert sich usw.
Die Umbruchssituation ist oft auch eine Aufbruchssituation mit Chancen der
Neuorientierung. Sie öffnet den Blick und kann auch neue Kontakte zur Kirche schaf-
fen. Dies ist ein weiterer Grund, weswegen die Familien in der Gründungsphase
Hauptzielgruppe der Arbeit mit Familien sind. Hier gibt es viele Anknüpfungspunkte
für eine religionspädagogische Arbeit.
2.2 Gemeinsame Grundsätze und ZieleAus den in der Untersuchung dokumentierten Voten (sowohl der Familienbil-
dungsstätten wie des gemeindepädagogischen Bereiches) kann man fast einhellig
einige gemeinsame Grundsätze und Ziele der Arbeit erheben:
● Ausgangspunkt der Arbeit sind erkannte Bedürfnisse und Problemlagen, nicht ein
bestimmtes Familienideal. Unterschiedliche Lebensformen werden nicht nur
akzeptiert, es ist auch Ziel, Verständnis füreinander zu wecken.
● Dem entspricht es, dass niederschwelligen Angeboten eine große Bedeutung
zugemessen wird. Denn nur eine Kirche, die offen ist und keine Vorbedingungen
stellt, wird den Menschen in ihrer jeweiligen Situation gerecht.
● Es bedarf daher eines Perspektivenwechsels: Betroffene (Familien, Familienmit-
glieder) haben sich nicht den Institutionen (Gemeinden, Familienbildungsstät-
ten) anzupassen und dienen nicht – jedenfalls nicht vorrangig – deren Stär-
kung (Gemeindeaufbau, institutionelle Interessen der Familienbildungs-
stätten), sondern umgekehrt wird angestrebt, die Institutionen aus der Sicht
der Betroffenen wahrzunehmen.
● Gegenüber Tendenzen unsrer Leistungs- und Konsumgesellschaft, Menschen und
ihre Bedürfnisse zu instrumentalisieren, geht es in der Kirche darum, einen zweck-
138
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4. Sichtweisen zur Geltung kommen, die quer liegen zur Arbeit mit Familien
(z.B. der Aspekt der interkulturellen Begegnung).
Dennoch ist es ein Unterschied, ob Arbeit mit Familien den Gesamtrahmen
darstellt, in den andere Aspekte integriert werden, oder ob umgekehrt Arbeit mit
Familien Teil der Gemeindearbeit insgesamt ist. Auf diesem Hintergrund hat sich in
den Familienbildungsstätten eine Bildungsarbeit mit einer hohen Fachkompetenz
und Professionalität entwickelt, was eine besondere Stärke dieses Arbeitsfeldes dar-
stellt. Eine besondere Stärke der Gemeindearbeit, insbesondere der gemein-
depädagogischen Arbeit, ist eine größere sozialräumliche Ausrichtung,
Im Unterschied zu gemeindepädagogischer Arbeit mit Familien werden in den
Evangelischen Familienbildungsstätten für die Teilnahme an allen Veranstaltungen
Teilnehmergebühren erhoben, da die Einrichtungen ca. ein Drittel des Finanzbedarfs
durch eigene Einnahmen erwirtschaften müssen.
Die Entrichtung eines Teilnehmerbeitrages hat einerseits zur Folge, dass die
Teilnehmenden eine hohe Erwartung an die fachliche Qualität der Angebote haben,
über den Preis eine Wertschätzung erfolgt und die Teilnahme, gerade an langfristi-
gen Angeboten, eine hohe Verbindlichkeit erhält. Andererseits wird über die
Gebühren Menschen der Zugang zu Familienbildungsangeboten erschwert oder ver-
wehrt, was insbesondere Familien in der Gründungsphase (geringeres Einkommen
bei höheren Lebenshaltungskosten), von Armut betroffene Familien oder ältere Frau-
en mit einer niedrigen Rente betrifft.
Für die inhaltliche Gestaltung und Weiterentwicklung der Arbeit der Familien-
bildungsstätten haben die Teilnehmergebühren auf dem o. g. Hintergrund eine stark
einschränkende Auswirkung, da fast nur Angebote durchgeführt werden können, die
sich in einem hohen Maß durch Teilnehmergebühren refinanzieren. So sind Projekte
mit einen großen Personal- und Finanzbedarf, offene Treffpunktarbeit sowie Angebo-
te für Familien in besonderen Lebenslagen nur begrenzt möglich. Der zunehmende
Finanzdruck in den Familienbildungsstätten, bedingt durch eine starke Kürzung der
öffentlichen und kirchlichen Zuschüsse, erschwert die Umsetzung solcher Angebote
zusehends, während der Bedarf stetig wächst.
Ein positiver Aspekt der Tatsache, Einnahmen erwirtschaften zu müssen, ist
darin zu sehen, dass Bilanzierung und Auswertung der Arbeit kontinuierlich
geschehen und die Bedürfnisse der Familien ständig im Blick sind. So führt die
Notwendigkeit „am Markt zu bestehen“ zu einer ständigen Weiterarbeit an den
141
ihrer Teilnahme selbst zu bestimmen. Dies wird in der Regel auch erreicht. Es gelingt
dieser Arbeit weitgehend, einen Rahmen zu schaffen, der es einerseits Menschen, die
das wollen, gestattet, sich jederzeit wieder „mit Anstand“ zu verabschieden, („Gemein-
de auf Zeit“) andererseits aber andern, die das wünschen, auch die Möglichkeit zu kon-
tinuierlicher Mitarbeit und eigenen Entfaltungsmöglichkeit über längere Zeit gibt
(„Gemeinde als partieller Ort der Heimatfindung“).
3. Unterschiedliche Akzentsetzungen in der Arbeit mit Familien bei den Familienbildungsstätten und im gemeindepädagogischen Bereich
Die Arbeit mit Familien hat bei den Familienbildungsstätten und im gemein-
depädagogischen Bereich unterschiedliche Akzente. Aber da die Bandbreite der Vorge-
hensweisen und Profile innerhalb der beiden Bereiche selbst groß ist, gibt es Überlap-
pungen. Beispielsweise sind im gemeindepädagogischen Bereich unterschiedliche
Akzentsetzungen in der Arbeit dadurch mit geprägt, dass sie entweder auf der Ebene
Ortsgemeinde oder auf der Ebene des Dekanats angesiedelt sind. Umgekehrt findet die
Arbeit von Familienbildungsstätten nicht nur an zentralen Orten einer Region statt, son-
dern auch dezentral in Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden in den Gemeindehäu-
sern vor Ort. Ein klar voneinander abgegrenztes Profil der beiden Bereiche gibt es daher
nicht. Wird etwas als spezifisch im Bereich der Familienbildungsstätten erkannt, was im
gemeindepädagogischen Bereich so nicht vorhanden ist (oder umgekehrt), so lassen
sich fast immer Gegenbeispiele finden. Trotzdem gibt es unterschiedliche Stärken in
den beiden Bereichen, die zu benennen sind:
3.1 Unterschiedliche RahmenbedingungenIn Familienbildungsstätten steht die Arbeit mit Familien im Zentrum des Bildungs-
geschehens, während im gemeindepädagogischen Bereich Arbeit mit Familien nur ein
Arbeitsfeld unter anderen ist. Dieser Unterschied wird allerdings dadurch relativiert, dass
1. es immer auch Teilaspekte der Arbeit mit Familien gibt (Arbeit mit Kindern,
Arbeit mit Müttern, Arbeit mit Vätern usw.), die auch in der Arbeit der Familien
bildungsstätten beachtet werden,
2. in beiden Bereichen gesellschaftliche Problemlagen und Projektarbeit wichtige
Elemente der Arbeit sind
3. in den Familienbildungsstätten (übrigens auch im gemeindepädagogischen
Bereich) versucht wird, Zielgruppen jenseits von Familie mit in die Arbeit zu inte-
grieren (z.B. Singles) und
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also darin, auch solche Menschen zu erreichen, die von Gemeinden nicht mehr
erreicht werden können.
Diese Unterschiede in den Zugängen und Erwartungen der Teilnehmenden an die
jeweiligen Orte führen in den beiden Arbeitsfeldern zu verschiedenen Formen der theo-
logischen Arbeit: Im Rahmen der Familienbildungsstätten geschieht auf dem o. g.
Hintergrund eher eine implizite Umsetzung der theologischen Grundlagen: „Achtung
vor der Würde eines/einer jeden Teilnehmenden; Angebote, die offen sind für eine per-
sönliche Vertiefung auch in ethische und religiöse Fragestellungen hinein; eine Atmos-
phäre des Schutzes, in der Schwierigkeiten offen ausgesprochen und gezeigt werden
können; eine Trägerschaft, von der her keine Vereinnahmung in ideologischer Hinsicht
befürchtet werden muss; Offenheit für Familien nicht – deutscher Herkunft; …“ (aus:
Evangelische Familienbildungsarbeit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nas-
sau, April 2002). Besonders in die Arbeit mit jungen Familien werden auch allerdings
explizit religionspädagogische Elemente integriert wie z.B. Gestaltung der Feste im
Kirchenjahr, Kindergebete u.ä. Wichtig ist insgesamt eine ständige intensive religions-
pädagogische Reflexion und Weiterentwicklung der Konzepte, bei der die Familien-
bildungsstätten von einem Dialog mit Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädago-
gen, ihren Erfahrungen und konzeptionellen Überlegungen profitieren können.18
Die Untersuchung hat ergeben, dass auch Gemeindepädagoginnen und
Gemeindepädagogen kirchenkritische und kirchenferne Menschen erreichen. Offenbar
erreicht die gemeindepädagogische Arbeit solche kirchenfernen Menschen, die trotz
aller Kritik noch Erwatungen und Hoffnungen mit Kirche verbinden und sich nach einer
anderen Kirche sehnen. Auf solche Erwartungen versucht gemeindepädagogische
Arbeit mit Familien stärker mit einem expliziten theologischen Ansatz einzugehen.
Deshalb spielen hier Spiritualität, Rituale, Formen gelebten Christentums und insbe-
sondere Gottesdienste in der Regel eine große Rolle. Allerdings werden neue Mög-
lichkeiten der Verbindung von Glaube und Alltag gesucht. Dabei geht es aber nicht ein-
fach um irgendwelche neuen, zeitgemäßen Formen des Gottesdienstes, sondern 1) um
dialogische und elementare Formen der Glaubensvermittlung, die Alltagserfahrungen
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ernst nimmt und 2) vor allem darum, Menschen
von vorneherein an der Entwicklung und Gestaltung neuer Formen zu beteiligen.
Ob den Kirchenfernen Kirche auf diese Weise wieder näher gebracht werden
kann, hängt nicht zuletzt von Bereitschaft der traditionellen Gemeinden ab, sich diesen
neuen Herausforderungen zu stellen, sowie von der Möglichkeit, Verbindungen zu
143
bestehenden Konzepten und einer großen Offenheit, auf neue Inhalte und Arbeits-
formen einzugehen.
3.2 Spezialisierung versus undifferenzierter AlltagEng mit dem vorigen Punkt hängt der Unterschied zusammen, der darin
besteht, dass gemeindepädagogische Arbeit mit Familien sich in der Regel darauf
beschränken muss, undifferenzierter den Alltag von Familien zu begleiten, während
eine Institution wie die Familienbildung, die auf Arbeit Familien spezialisiert ist, auch
spezielle Aspekte des Zusammenlebens in der Familie wahrnehmen und bearbeiten
kann. Dies kommt schon darin zum Ausdruck, dass es in den Familienbildungsstät-
ten verschiedene Fachbereiche mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen der Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter gibt: Vorbereitung auf Geburt und Elternschaft, Eltern-
Kind-Gruppen, Erziehungsthemen, Lebenslagenbezogene Arbeit, Lebensgestaltung –
Spiritualität, gesellschaftliche Verantwortung, interkulturelle Arbeit, Gesundheits-
förderung, Haushaltsführung, Freizeit und Kultur.
Dabei ergänzen sich die beiden Aspekte (Eingehen auf den vielgestaltigen und
unspezifischen Charakter des Alltags einerseits, Spezialisierung auf bestimmte Aspekte
andererseits) nicht nur, sie haben auch beide ihre Berechtigung. Auf jeden Fall besteht
angesichts immer weitergehender gesellschaftlicher Ausdifferenzierung und Spezialisie-
rung auch das Bedürfnis nach Verbindung der einzelnen Teilaspekte des Lebens zu einer
Gesamtperspektive. Dies aufzugreifen ist sicher Aufgabe und Chance von Gemeinden.
Familienbildungsstätten können auf speziellere Bedürfnisse mit einer inhaltlichen
Ausdifferenzierung eingehen (z.B. Gesundheit oder Vermittlung spezifischer Fertigkei-
ten). Sie sind auch aufgrund ihrer breit gefächerten Kompetenzen und ihrer Infrastruk-
tur in der Lage, Familienbildung in Gemeinden zu initiieren bzw. vorhandene Arbeit zu
stützen und beratend tätig zu werden.
3.3 Theologische AnsätzeOrte bestimmen in hohem Maße das Profil einer Arbeit mit. Kirchenkritische
und kirchenferne Menschen müssen wahrscheinlich weniger innere Vorbehalte über-
winden, um in eine zentrale Familienbildungsstätte zu gehen als in ein Gemeinde-
haus oder in eine Kirche. Ein Gemeindehaus oder eine Kirche ist in der Sicht von
distanzierten Kirchenmitgliedern oder aus der Kirche Ausgetretenen und Angehörigen
anderer Religionen sicher mehr im Zentrum des kirchlichen Bereiches angesiedelt
als ein Familienbildungszentrum. Die Chance von Familienbildungszentren besteht
142
18 Es muß darauf hingewiesen werden, dass die Familienbildungsstätten den Kontakt mit Gemeindensuchen, ein Teil ihrer Arbeit dezentral in Gemeinden geschieht.
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anderen Arbeitsfeldern in der Gemeinde herzustellen, so dass ein anregendes Umfeld
gemeindlicher Familienarbeit entsteht. In diesem Zusammenhang muss die Bedeutung
der Zusammenarbeit von Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen mit Pfar-
rern und Pfarrerin in der Familienarbeit gewürdigt werden, die an einigen Stellen zu ver-
zeichnen ist. Für diese Zusammenarbeit bietet besonders die Taufe einen wichtigen
Ansatzpunkt.
4. Familienarbeit im Kontext sozialer NetzwerkarbeitDie Probleme von Familien in unserer Gesellschaft sind einerseits Teil eines
größeren Problemzusammenhanges, haben andererseits spezifische Ausprägungen.
In den Äußerungen, die unserer Untersuchung zugrunde liegen, werden immer
bestimmte Stichworte genannt, die kennzeichnend sein sollen für die Problemlagen
von Familien in unserer heutigen Gesellschaft: Einsamkeit, Vereinsamung, Isolierung,
Verunsicherung, Orientierungslosigkeit, Leistungsdruck, Perfektionsanspruch, Über-
forderung, Suche nach Sinn, Austausch und Gemeinschaft, Konflikte, Krisen. Alle
diese Stichworte gelten nicht nur für Familien und ihre Mitglieder, sondern auch für
Singles, Ehepaare ohne Kinder, Wohngemeinschaften, Heimbewohner u. a. Charakte-
ristisch für Familien ist, dass Menschen verschiedener Generationen in Angewiesen-
heit aufeinander und in Verantwortung füreinander zusammenleben, was den oben
genannten Problemlagen eine spezifische Ausprägung gibt.
In unserer Marktgesellschaft lösen sich traditionelle Bindungen und Vergemein-
schaftungsformen auf, Menschen werden „freigesetzt“, wie es oft euphemistisch
heißt, und sehen sich Anforderungen gegenüber, auf die die genannten Stichworten
hinweisen. Insofern haben Familien teil an einem Auflösungsprozess, der viel größe-
re Kreise zieht und nahezu alle Menschen in der westlichen Gesellschaft erfasst. Auf-
gabe ist es, neue soziale Netzwerke zu suchen und zu schaffen. Dies ist Aufgabe
eines jeden wie der Gesellschaft als ganzer. Kirchen und andere Organisationen und
Gruppen können dabei Hilfestellung leisten. Es geht dabei darum, Netze zu knüpfen
sowohl innerhalb wie außerhalb einer Institution. Es ist nicht Ziel, Menschen wieder
an alte Institutionen zu binden oder sie zu vereinnahmen. Wenn in Freiheit solche
Bindungen wachsen, dann ist das eine erwünschte Nebenwirkung. Primäres Bil-
dungsziel aber ist es, Menschen zu befähigen, selbst neue soziale Netzen
(mit)zuknüpfen. Zu Recht wurde es in Praxisberichten wie in Interviews – sowohl im
gemeindepädagogischen Bereich wie in den Familienbildungsstätten – begrüßt,
wenn Kontaktnetze, die in den jeweiligen Institutionen sich angebahnt haben, außer-
144
halb der Institutionen ihre Fortsetzung gefunden haben, ohne dass die Initiatoren
die weitere Entwicklung im einzelnen verfolgen konnten.
Die Wirksamkeit der Unterstützung bei dem Knüpfen neuer sozialer Netze wird
aber erhöht, wenn die verschiedenen Menschen, (Berufs-)Gruppen und Institutio-
nen im Dienste der Menschen zusammenarbeiten und sich ergänzen. Diese Zusam-
menarbeit ist notwendig innerhalb einer Institution (Gemeinde, Familienbildungs-
stätte u.a.) zwischen den kirchlichen Institutionen und über den kirchlichen Bereich
hinaus.
Wenn Arbeit mit Familien Teil sozialer Netzwerkarbeit ist, so wehrt das einer
Sichtweise, die Familie als ein Ordnungs- und Gliederungsprinzip für alle kirchlichen
oder gesellschaftlichen Bezüge und Probleme betrachten möchte und damit
bestimmte Gruppen ausgrenzt. Gesellschaft und Kirche existiert auch jenseits fami-
lialer Bezüge. Andererseits hat Arbeit mit Familien in dieser Netzwerkarbeit eine spe-
zifische Ausprägung und einen spezifischen Stellenwert.
5. Offene Fragen und Perspektiven 5.1 Neue Akzente in der Schwerpunksetzung der Arbeit
Eingangs wurde festgestellt, dass die Familie in der Gründungsphase die Haupt-
zielgruppe sowohl der gemeindepädagogischen Arbeit mit Familien wie der Familienbil-
dungsstätten ist.
Dass man dies auch gut begründen kann und dass ein großer Bedarf bei den
Betroffenen besteht, wurde oben dargelegt (2.1). Freilich gibt es – wenn auch in gerin-
gerer Zahl – auch für die anderen Lebensphasen von Familien im gemeindepädago-
gischen Bereich und in den Familienbildungsstätten Angebote.
Für die Zukunft gilt es, vorhandene Akzente zu verstärken und neue Fragen auf-
zugreifen. Die Lebensbedingungen für Familien werden bei den gegebenen gesell-
schaftlichen Rahmenbedingungen nicht leichter. So ergeben sich zukünftige Auf-
gaben verstärkt aus
● der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit
● Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern
● der zunehmenden beruflich notwendigen Mobilität und der damit verbundenen
Auflösung von bestehenden sozialen Netzen
● neuen Ansätzen von Integration in einer multikulturellen Gesellschaft
● Arbeitslosigkeit
● dem Armutsrisiko von Familien
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Mitglieder der Projektgruppe Familie und Lebenswelten
● Mike Breitbart Dipl. Rel.päd., wissenschaftlicher Mitarbeiter
für Gemeindepädagogik, EFHD (seit Frühjahr 2001)
● Birgit Geimer Dipl. Rel.päd/Gem.päd, (seit 1999)
● Margret Gocht Beauftragte für den Gemeindepädagogischen Dienst
in der EKHN, Kirchenverwaltung (von 1999 bis Sommer 2001)
● Erika Görke Landespfarrerin (von 1999 bis Sommer 2001)
● Paula G. Lichtenberger Dipl. Rel.päd., Dipl.-Päd,
Leitung Ev. FBS Wiesbaden (seit Winter 2001)
● Roland Lieske Dipl. Rel.päd., Beauftragter für den Gemeindepädagogischen
Dienst in der EKHN, Kirchenverwaltung (seit Sommer 2002)
● Prof. Ludwig Metzger Professor für Gemeindepädagogik, EFHD (seit 2000)
● Nicole Piroth Dipl. Rel.päd., wissenschaftliche Mitarbeiterin
für Gemeindepädagogik, EFHD (seit 1999)
● Horst Peter Pohl Pfarrer, Dipl.-Päd., Dozent für Gemeindepädagogik,
EFHD (seit Herbst 2000)
● Renate Reis-zur Nieden Dipl.-Päd, Referentin für Familienbildung
in der Ev. Frauenhilfe in Hessen und Nassau (seit 1999)
● Regina Reitz Dipl. Rel.päd. /Gem.päd (von 1999 bis Sommer 2000)
● Marga Stahlmann FBS (von 1999 bis Frühjahr 2001)
● Barbara Uhdris FBS (von 1999 bis Sommer 2001)
● Cornelia Zimmermann-Müller Dipl. Rel.päd., Leitung Ev. FBS
im Dekanat Kronberg (seit Sommer 2001)
1. Treffen der Projektgruppe „Familie und Lebenswelten“ am 10.12.1999
Darüber hinaus haben in der Teilgruppe zur Untersuchung des gemeindepädago-
gischen Dienstes ehrenamtlich mitgewirkt: Frau Deibert-Dam, Frau Kreitschmann,
Frau Sandrock-Böger und Herr Skähr-Zöller
147
● der zunehmenden Pluralisierung von Familien- und Lebensformen
● der wachsenden Isolation, die das Lernen von- und miteinander im nicht
institutionalisierten Rahmen erschwert.
● einer zunehmenden Überalterung unserer Gesellschaft
● der Notwendigkeit der Solidarität der Generationen
5.2. Vorschläge für Strukturveränderungen in der Kirche zur Koordinierung und Intensivierung der Arbeit mit Familien
Die Untersuchung hat gezeigt, dass Familien einen großen Bedarf an Bildung,
Beratung und Begleitung zur Bewältigung der verschiedenen Lebensphasen und
Lebenslagen haben. Mit den Angeboten von Familienbildungsstätten und des
gemeindepädagogischen Bereichs wird dies in unterschiedlicher Form aufgegriffen.
Die Statistiken zeigen, dass es mit großem Erfolg gelingt, damit sehr viele Kinder
und Erwachsene gleichzeitig zu erreichen. Dies gilt es zunächst in unserer Kirche
wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Zusammenfassend ergeben sich daraus folgender Handlungsbedarf und folgende
Perspektiven:
1. Der Schatz der Arbeit mit Familien sollte erhalten bleiben und das Arbeitsfeld
weiterentwickelt werden.
2. Es müssen Strukturen geschaffen werden, die die deutlich gewordenen Synergie-
effekte zwischen dem gemeindepädagogischen Bereich und den Familienbil-
dungsstätten ermöglichen.
3. Die wenigen Ansätze zur Bündelung und Vernetzung der vorhandenen Arbeit mit
Familien in der Kirche sollten verstärkt und systematisch vorangetrieben werden.
4. Ein Diskurs über konzeptionelle Fragen sollte gefördert werden zur Fundierung
vorhandener und Neuentwicklung zukünftiger Konzepte.
Als Ergebnis dieser Untersuchung ist festzuhalten: Die Arbeit mit Familien hat
sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten an der Basis entwickelt und ist expan-
diert. Wir meinen daher, dass jetzt – auch angesichts des oben genannten
Handlungsbedarfes – der Zeitpunkt gekommen ist, daraus Konsequenzen zu ziehen
und das Arbeitsfeld in der Kirche auf Landesebene strukturell zu verankern.
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