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8/18/2019 Focus Gesundheit - April-Mai 2016
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GESUNDHEIT+ Männer-Check: Der Vorsorge-Überblic
Sport & Ernährung: Motiviert und gesund / Prostata: Wirksame Therapie
Depression: Die Symptome erkennen / Männer-Herz: Vor dem Infarkt geschüt
Testosteron: So viel braucht der Mann für Muskeln, Energie und Se
TOP-E XPER TEN
FÜR MÄNNERKRANK-
HEI TEN – HORMONE,
PO TENZ, PRO S TA TA,
KREB S & HERZ
ÄR Z TE &
KLINIKEN
April | M
Mann
Dergesunde
Herz, Potenz, Muskeln:Die neue Medizin für
das starke Geschlecht ATTRAKTIV
BLEIBENVolles Haar,flacher Bauc
glatte Haut –wie Ärzte helfe
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ARTAS®-Eigenhaartransplantation –
vor der ARTAS®-Behandlung nach der ARTAS®-Behandlung
(9 Monate später)
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4 FOCUS-GESUND
FOCUS-GESUNDHEIT – Nr. 30 – Mann
Inhalt
16Weniger Stress Pater Theophil Gausaus St. Ottilien machtes vor: Im Klosterleben Männer gesünder
70Richtig schwitzen Schnelle, knackigeund leichte Übungenfür mehr Muskelnund für drinnen
Mehr Klarsicht Forscher Robin
Haring hat das Hor-mon Testosteronunter die Lupe ge-nommen
28 6 Menschen Der Mann im statistischen Zeitraffer:Wie er lebt und liebt mit 20, 40, 60 uim Alter von 75 Jahren
10 Endlich in voller Größe
Die Infograk zeigt das beste Stückund die zarten Organe drumherum
12 Hygienischer Hipster-Bart
Warum Gesichtshaar vor Infektionenschützt, Spermien mit Hilfsmotor unddie Männergrippe im Mythen-Check
16 Vorbild MönchMänner gelten als GesundheitsmuffeDoch sie könnten viel länger leben, wdas Beispiel von Ordensbrüdern zeigt
22 Gleiche Rechte für Männer
Ob Finanzwelt oder Fortschritt – derMann ist zum Synonym für Missstän
geworden. Damit muss Schluss sein,fordert unser Autor
27 Erkennen & heilen
28 Ein Hormon auf dem Prüfstand
Testosteron gilt als Garant für besseSex und mehr Muskeln. Irrtum! Ärztewarnen vor dem Extra an Männlichke
34 Operieren oder observieren?
Es gibt viele Therapien für Prostata-krebs. Doch welche ist die beste?Das sollen nun Studien klären
40 Von der Kastanie zum PfirsichMedikamente oder OP bringen Männedie wegen vergrößerter Prostata unterhöhtem Harndrang leiden, Ruhe zu
46 Rastlos statt traurig
Anders als Frauen reagieren depressMänner oft eher mit Risikofreude undAggression auf ihre Krankheit
52 Der Sex-Sensor
Erektionsstörungen als Indikator fürschwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Der Mann
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FOCUS-GESUNDHEIT
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Rubriken
3 Editorial des Chefredakteurs
122 Vorschau und Impressum
54 Wieder zueinander kommenPotenzprobleme belasten das Selbst-wertgefühl und die Partnerschaft.Männer berichten, wie sie Hilfe fanden
60 Der Weg zum Wunschkind Unerfüllter Kinderwunsch liegt genauso
oft an der männlichen Spermienqualität – was betroffene Paare tun können
64 Im Netz der Befriedigung Die Porno-Sucht mancher Männer verän-
dert das Gehirn, glauben Forscher – doches gibt Auswege aus der Abhängigkeit
69 Vorsorge & Pflege
70 Waschbrett im Wohnzimmer
Mit Sport und besserer Ernährungkönnen Männer zehn Jahre länger leben – die besten Tipps für zu Hause
78 Auf Herz und Nieren Der Gesundheits-Check-up ab 35 Jahren
und das gesamte Vorsorge-Programm auf einen Blick
82 Anti-Aging für Helden Männer holen bei Beauty-Behandlungen
auf – ihre Haut und Anatomie verlangenein anderes Vorgehen als bei Frauen
90 Weg mit dem Fett Einfrieren oder Absaugen: Hartnäckigen
Pölsterchen rücken Ärzte mit Technik zuLeibe. Was die Verfahren taugen
94 Ärzte- und Kliniklisten
94 MethodikWie die FOCUS-GESUNDHEIT-Listenentstehen
96 Ärztelisten Deutschlands Top-Mediziner für Andro-
logie, Prostata, urologische Tumoren,Bluthochdruck, Kardiologie und Fett-absaugung
116 Kliniklisten
Deutschlands Top-Krankenhäuserfür Prostatakrebs
120 Schon gewusst? Worauf Frauen beim „kleinen Mann“
wirklich achten und warum der Schotten-rock so gut für die Fruchtbarkeit ist
78Starke Kontrolle
Wer gesund bleiben
will, sollte regel-
mäßig zur Vorsorge
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Menschen
Wagemut im Herzen und den Kopf
voller Träume: Der Mann um die
20 hat das ganze Leben noch vor
sich. Gerade volljährig geworden,
strotzt er vor Energie, und Aben-
teuerlust treibt ihn an.
Sport So aktiv wie jetzt wird der
Mann nie wieder sein. Er treibt
mehr als zwei Stunden Sport pro
Woche. In Zukunft wird das weni-
ger werden.
Familie Hotel Mama statt eigener
vier Wände – der 20-Jährige wohnt
noch bei seinen Eltern.
Sex Vier- bis zehnmal pro Monat
hat er Sex und benutzt dabei Kon-
dome. Bisher hatte er zwei Part-
nerinnen, den ersten Geschlechts-
verkehr erlebte er mit 17.
Gesundheit Normales Gewicht,
sieben Stunden Schlaf, regelmä-
ßige Zahnarztbesuche – hier gibt
es nichts zu beanstanden. Acht
Tage pro Jahr ist der 20-Jährige
krank, siebenmal sucht er einen
Arzt auf. Bedenklich ist nur sein
riskantes Trinkverhalten.
WILD UND MUTIG:
DER 20-JÄHRIGE
Der Mann? Das sind viele.Und in jedem Alter ist eranders. Unterschiedlich
sportlich, fürsorglichoder zu Sex aufgelegt.Das Leben des Mannes imstatistischen Raffer
6 FOCUS-GESUND
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Auf den Schultern des 40-jährigeMannes lastet eine Menge Veran
wortung: Seine Kinder brauchenihn, im Job ist er gefragt, die Karriere ist ihm wichtig. Schön, sogebraucht zu werden!
Sport Bewegung kommt inzwi-schen zu kurz – der typischeMann dieses Alters schafft keinezwei Stunden Sport pro Woche.Deshalb hat er Übergewicht.
Familie Kommt der 40-Jährigevon der Arbeit nach Hause, war-ten im Eigenheim seine Ehefrauund ein bis zwei Kinder auf ihn.
Sex Ganz so aufregend wie vor20 Jahren ist das Sexleben jetztnicht mehr. Der Familienvaterschläft drei- bis sechsmal imMonat mit seiner Frau.
Gesundheit Rauschende Partyssind Vergangenheit, seinen Alko-holkonsum hat der 40-Jährige auein moderates Maß reduziert. AnVorsorge denkt er noch nicht. Ergeht sechsmal pro Jahr zum Arztund ist sieben Tage krank.
MITTEN IM LEBEN:DER 40-JÄHRIGE
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8 FOCUS-GESUND
Menschen
Sind die Kinder aus dem Haus,
stellt der 60-Jährige die Welt noch
einmal auf den Kopf. Er fühlt sich
t, freut sich auf den Ruhestand
und weiß das Leben zu genießen.
Sport Ein Fall von Selbstüber-
schätzung? Das empfohlene Maß
an körperlicher Aktivität erreicht
er mit weniger als zwei Stunden
Sport pro Woche jedenfalls nicht.
Familie Der Mann um die 60
lebt mit seiner Ehefrau im Eigen-
heim und ist noch er werbstätig.Die Kinder sind ausgezogen.
Sex Jeder Zweite hat mit 60 min-
destens einmal pro Woche Sex.
Gesundheit Elfmal im Jahr sucht
der Mann jetzt einen Arzt auf. Vor
Kurzem hat er einen Gesundheits-
check in Anspruch genommen,
zum Zahnarzt geht er regelmäßig.
Manchmal plagen ihn Gelenk-
schmerzen, und er trägt Brille oder
Kontaktlinsen. Drei Arznei- oder
Nahrungsergänzungsmittel nimmt
er regelmäßig. Sein Alkoholkon-sum ist moderat bis riskant.
VITAL UND AKTIV:DER 60-JÄHRIGE
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FOCUS-GESUNDHEIT
Ob sich die Träume des damals
20-Jährigen er füllt haben? Fest
steht: Mit 75 blickt der Mann auf ein
erfülltes Leben zurück. Rüstig und
auch geistig t, genießt er den ver-
dienten Ruhestand.
Sport Bewegung beschränkt sich
jetzt auf Alltagsaktivitäten, die er
nahezu uneingeschränkt meistert.
Familie Noch immer hat der Mann
die Ehepartnerin an seiner Seite. Mit
ihr lebt er wie schon vor 35 Jahren in
der eigenen Immobilie.
Sex Vier von zehn 75-Jährigen sind
regelmäßig sexuell aktiv.
Gesundheit Fast jeden Monat geht
der Mann zum Arzt. Dieser stellt oft
Bluthochdruck fest und berät ihn we-
gen der Gelenkschmerzen. Fünf Arz-
nei- oder Nahrungsergänzungsmittel
nimmt der Patient ein. Alkohol trinkt
er nur so viel, dass es nicht riskant
ist, lieber eine Tasse Kaffee.
MOBILER RUHESTAND:DER 75-JÄHRIGE
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I n f o g r a f i k : B r y a n
C h r i s t i e
D e s i
g n
f ü r F O C U S - G e s u n d h e i t
FOCUS-GESUND
DER MANN INFOGRAF IK
Die Produktionslinie des
SpermasGut gekühlt
Die Hoden liegenaußerhalb des
Körpers in einem
Hautsack, da
Spermien zwei
Grad unterhalb der
Körpertemperatur
optimal reifen.
Samenblasen
Penis-schwellkörper
Harnblase
Prostata
Cowper-Drüsen
Geschlechtsdrüsen
Das milchig trübe Ejakulat besteht nur zu zehn
Prozent aus Samenzellen. 60 Prozent sind
Sekrete der Samenblasen (orange), 25 Prozent
stammen aus der Prostata (blau) und
1–3 Prozent aus den Cowper-Drüsen (grün).
ten akzessorischen Geschlechtsdrüsen. 60
Volumenprozent stammen aus den Samen-blasen. Ihr Sekret enthält Fruchtzucker,den Spermien auf ihrer Reise als Treibstoffnutzen. Ein sezerniertes Protein bildet eineGelmatrix, die verhindert, dass die Spermi-enköpfe für das Eindringen in die Eizelle zufrüh „auf scharf gestellt“ werden.
Die Prostata liefert Enzyme zur Verüs-sigung des Ejakulats sowie alkalische Se-krete, die Spermien beweglich machen undvor Säureangriffen in der Vagina schützen.Das schleimige Produkt der beiden erbsen-großen Cowper-Drüsen dient als Gleitmittel.
So ausgerüstet, sind Beweglichkeit, Ener-
giezufuhr und Schutz der Spermien für zwei bisdrei Stunden optimal. 100 000 schaffen esbis in den Gebärmutterhals, nur 500 bis 800hinauf in die Eileiter. Kleinere Gruppen kön-nen sich in Nischen verstecken und in einerPhase geringerer Aktivität vier Tage lang über-leben. In eingetrocknetem Ejakulat beträgtdie Überlebenszeit nur wenige Minuten.
10
Die Strategie männlicher Fortpfanzung ist
Massenproduktion und Frontalangriff. EineArmada von 500 Millionen Spermien, je-des ausgestattet mit einer kompletten Bau-anleitung des Körpers, wird beim Orgasmusausgestoßen. Ihre Chance, das Ziel, diereife Eizelle im Eileiter der Frau, zu errei-chen, ist gering, denn der Weg ist weit.
Die gewundenen Samenwege, die jedesnur 60 µm kleine Spermium vom Ort der Pro-duktion im Hoden bis zur Penisspitze zurück-legt, sind ausgerollt 600 Zentimeter lang.Über fünf Meter erstrecken sich allein dieSpeicherkammern des Nebenhodens. Biszu einem Monat warten Spermien hier be-
wegungslos auf den Einsatz. Bei der Ejaku-lation geht es dann innerhalb von Sekundenentlang der 50 Zentimeter Samenleiter indie Spritzkanälchen und mit Schwung durchdie 20 Zentimeter lange Harnröhre hinaus.
Nur zehn Prozent des Ejakulats bestehenaus Spermienzellen. Den größten Teil derSamenüssigkeit produzieren die sogenann-
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Spermaproduktion
Die Keimdrüsen produzieren 1000 Spermien pro Sekunde.
In 250 Kammern, den Hodenläppchen, reifen sie innerhalb
von 70 Tagen heran. Kleine Flimmerhärchen transportieren
den Samen in 14 Tagen zu den Gängen des Nebenhodens.
Dort warten die Spermien bewegungslos, bis kräftige Muskel-
kontraktionen der Samenleiter sie beim Erguss ausstoßen.
Nebenhoden
Hoden-läppchen
Samenleiter
Hoden
Hoden
Hodensack
Blutgefäße
Schambein
Samenleiter
Harnröhre
Prostata
Harnblase
Bindegewebs-kapsel
Harnröhre
Vene
Schwellkörper
Erektion
Bei sexueller Erregung erweitern sich die Sperr-Arterien des
Penis. Blut ießt ein und füllt die Schwellkörper. Abführende
Blutgefäße (Venen, blau) werden abgedrückt; der Blutdruck
steigt so auf den vierfachen Wert von dem in den Gefäßen, das
Glied richtet sich auf. Eine dicke Bindegewebskapsel gibt Form
und Größe vor und verhindert, dass sich der Penis aufbläht.
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12 FOCUS-GESUN
Meldungen, Meinungen, Mythen
Männersachen
Testosteron-Kompass
Nun auch wissenschaft-
lich bewiesen: Männer
haben den besseren
Orientierungssinn.
Norwegische Forscher
schickten Probanden in
ein virtuelles Labyrinth.
Er
Die Himmelsrichtungen
geben dem Mann den
Weg vor. So gelangt er
schneller und efzienter
ans Ziel. Durch die
Orientierung an Ost und
West waren Männerexibler in der Routen-
wahl und konnten
Abkürzungen nehmen.
Sie
Frauen haben ein gutes
lokales Gedächtnis und
orientieren sich an
markanten Wegpunkten.
Unter Testosteron-Ein-
uss prägten sie sich im
Experiment die Labyrinth-
struktur besser ein,
waren aber weniger er-
folgreich als die Männer.Natürliches Schlafmittel
Zeit im Grünen hilft in der Nacht
Naturburschen
schlafen besser
Eine natürliche Umgebung
verhilft Männern zu einem
besseren Schlaf. Benden
sich Parks, Flüsse oder ande-
re Grünächen in der Nähe
der Wohnung, leiden Männer
seltener unter Schlaf störun-
gen. Das zeigte eine Analyse
von Gesundheitsdaten aus
den USA. Die beteiligten
Forscher der Universität in
Illinois vermuten, dass sichMenschen mit Zugang zur
Natur mehr im Freien auf-
halten, aktiver sind und des-
halb besser schlafen. So
spielten auch die Tempera-
tur und die Sonnenstun-
den am Wohnort eine wich-
tige Rolle. Erst ab einem
Alter von 65 Jahren zeigte
sich dieser Effekt auch bei
den Frauen.
SPERMIEN MIT HILFSMOTOR Eine winzige Spirale um den Schwanz lenkt das Spermium zur
großen Eizelle. Diesen neuen Ansatz für künstliche Befruchtungen haben Forscher aus Dresden und
Chemnitz entwickelt. Sie setzen die magnetischen Spiralen auf einen zwar bewegungsunfähigen,
aber fruchtbaren Samen und steuern ihn mit magnetischen Feldern zum Bestimmungsort. Bisher
blieb es bei Versuchen im Labor. Im Körper der Frau müssten die Wissenschaftler einen Weg nden,das Spermium sichtbar zu machen, um es dann zielgenau zur Eizelle zu navigieren.
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FOCUS-GESUNDHEIT
85Prozent der Frauen sind mitder Penisgröße ihres Partnerszufrieden, aber nur 55 Prozentder Männer mit ihrer eigenen.
Papas Baby-Blues
Jeder zehnte Mann leidet an Angststörungenrund um die Geburt seines Kindes. BetroffeneVäter sind besorgt, angespannt und gereizt.Sie haben Angst um die Sicherheit des Babys.Körperlich zeigt sich das in Schweißaus-brüchen, Herzrasen sowie Schlaf- und Appetit-losigkeit. Forscher um Liana Leach von derAustralian National University analysierten43 Studien und entdeckten, dass Angststörun-gen bei Männern ebenso häug vorkommenwie eine postnatale Depression. Bei Frauen ist
das Risiko insgesamt doppelt so hoch. Die
Ursachen sind noch nicht genug erforscht.Studienleiterin Leach hat einen Erklärungs-ansatz: „Männer fühlen sich außen vor, weSchwangerschaft und Geburt natürlicherweAngelegenheiten der Frauen sind. Sie suchsich keine Hilfe, weil es in ihren Augen mehum Mutter und Kind geht als um sie selbstNervosität und Sorgen bei jungen Eltern sinnormal. Problematisch wird es, wenn derAlltag leidet. Gesundheitsvorsorge währendder Schwangerschaft ist also nicht nur für dFrau wichtig – auch der Partner protiert.
Gibt es dieMännergrippe wirklich?
Der deutsche Mann rasiertsich nicht nur im Gesicht.Das zeigt eine Befragung vonrund 12 000 Männern undFrauen aus ganz Europa.
Gründliche Rasur
Männer leiden untereiner leichten Erkältungso sehr, als hätten sieeine lebensbedrohlicheKrankheit. Darübermachen sich zumindestTV-Spots und aucheinige Ehefrauen gern
lustig. Forscher unter-stützen nun die krän-kelnden Männer. Eineneue Studie zeigt, dasssich Inuenza-Viren inmännlichen Zellenleichter ausbreiten alsin weiblichen. Dasweibliche Sexualhor-mon Östrogen verlang-samt vermutlich dieVermehrung der Virenund schützt so denOrganismus der Frau.
Es ist also nicht bloßSchauspielerei, wennMann bei einem leich-ten Infekt nicht vomSofa herunterkommt.Sein Körper ist einfachanfälliger.
Männer leiden nach der Geburt
eines Kindes häuger unter Angststörungen
Mythen-Check
Quelle: Psychology of Men & Masculinity, Bd. 7,3, 2006
88 %
59 %
38 %
37 %
24%10 %
9 %
4%
7 %
36 %
Gesicht
Nasenhaare
Brusthaare
Intimbereich
Beine
Augenbrauen
Ohren
Rücken
Arme
Zehen
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14 FOCUS-GESUND
Der Bart:Schutz-wall stattHygiene-problem
Bärte schützen offenbar vor
infektiösen oder antibiotika-
resistenten Keimen. Wissen-
schaftler des Brigham and
Women’s Hospital in Boston
untersuchten Proben von
408 Krankenhausmitarbei-
tern – die eine Hälfte bärtig,
die andere glatt rasiert. Die
bartlosen Männer zeigten ein
dreifach erhöhtes Risiko für
Methicillin-resistente Bakterien
der Art Staphylococcus aureus
(MRSA) auf ihren Wangen. Die
Forscher vermuten, dass derAkt des Rasierens ausschlag-
gebend ist: In kleinen Haut-
schnitten siedeln sich schnell
Bakterien an. MRSA sind e
großes Problem in Kranken
häusern. Sie können in
schweren Fällen Blutvergift
gen, Lungenentzündungen
und Wundinfektionen verur
chen, etwa bei frisch operie
ten Patienten. Antibiotika s
wirkungslos gegen sie.
Rasierte Männer, die unbe
wusst die Keime auf ihrem
Gesicht spazieren tragen, v
breiten sie weiter: Etwa
400-mal täglich berührt ein
Mensch sein Gesicht –
und danach Türklinken ode
andere Personen.
Auch Bartträger besitzen k
völlig keimfreies Gesicht.
Adam Roberts des Univers
College London entdeckte
mehr als 100 verschiedene
Bakterienarten in einigen
Bartproben. Eine besonde
Art, die sogenannten Stap
lococci epidermidis, bekäm
ten andere Bakterien und
wirkten damit ähnlich wie e
Antibiotikum. In einem
Experiment behaupteten ssich sogar gegen Keime,
die Harnwegsinfektionen v
ursachen.
Meldungen, Meinungen, Mythen
Der Keim-
bewuchs
des Vollbartsschützt vor
Infektionen
Männersachen
Das Bayerische Gesundheits-ministerium bringt mit
„Gesundheit, Männer!“ einenmedizinischen Check-up. Mann
erfährt, wie er das eigene Lebengesünder leben kann. Ein
Vorsorge-Kalender informiert underinnert an fällige Termine.
Check-upDie„Männer Werkzeugbrüstet für den nächsten Hrenausug. Die App bieeinen Bierzähler, der nebdem aktuellen Promillew
auch die Ausgaben berechEs gibt einen Noch-Nücht
Test und lustige Geräusc
Trinkkumpan
Apps für das Smartphone
unterstützen beimSport, beim Ausflugmit Freunden,beim Schlafen oder
wenn die nächste Vorsorge-Untersuchung ansteht.
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FOCUS-GESUNDHEIT
Regelmäßige körperliche Aktivitätschützt ältere Männer vor Stürzen.Leichtes Training reduziert das Risikohinzufallen um 38 Prozent. Bei Frauenzeigt sich dieser Effekt nicht. Zu die-sem Ergebnis kamen Forscher der YaleUniversität, die eine Langzeitstudiezur körperlichen Aktivität von älterenMenschen auswerteten. Stürze sindder Hauptgrund für Verletzungen bei
Menschen ab 70 Jahren. Durchmoderate Bewegung halbieren Männerihr Risiko für Knochenbrüche oderKlinikaufenthalte nach einem Sturz.
48Prozent der
Männer fühlen
sich im Alltaggestresst. Unterden Frauen
ist der Stresspegelmit 56 Prozent
höher
WER NICHT RASTET, DER
ROSTET AUCH NICHT
Einfache Übungen zumTrainieren der Beckenboden-muskulatur bringt die App
„PC-Workout“. Der Männersporthilft bei leichten Inkontinenz-
und Potenzproblemen. Eineingebauter Wecker erinnert
täglich an das Programm.
Lenden aus StahlDie App „snore clinic“ analy-siert nächtliches Schnarchenauf Zeichen von Schlafapnoe.
Der Nutzer erfährt, ob erunter Atemstillständen beimSchlafen leidet. Er kann dieAnalyse bei Bedarf an eineSpezialklinik weiterleiten.
Schnarchklinik
Quelle: Umfrage der DKV, 2014
Texte: Franziska Lehner t
Kaffee macht nicht nur müde
Männer munter – sondern weckt
auch ihre Männlichkeit. Etwa zweibis drei Tassen am Tag senkendas Risiko für eine erektile Dys-funktion. Das ergab eine Befra-gung von knapp 4000 Männern inden USA. Entscheidend ist dieMenge des aufgenommenen Kof-feins. Zwei bis drei Tassenentsprechen zwischen 170 und375 Milligramm Koffein, je nachStärke des Getränks. Wer dieseDosis konsumierte, hatte zu39 Prozent seltener Potenzstörun-gen als Männer, die keinen Kaf-fee tranken. Die Ergebnisse zeig-ten sich auch bei Übergewichtigen
und Männern mit Bluthochdruck,allerdings nicht bei Diabetikern.Ob Koffein tatsächlich ein neuesMittel gegen Erektionsproblemesein kann, müssen Forscher abererst noch genauer untersuchen.
Koffein-Kick
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F o t o : M a r k o P r i s k e f ü r F O C U S - G e s u n d h e i t
An der Klosterpforte umfängtdie Besucherin friedvolleRuhe. Wie ein schwerer Man-tel fallen hier in der Benedik-
tinerabtei St. Ottilien in der Ammersee-Gegend die Aufregungen der Welt vonihr ab. Im schlichten Besucherzimmersitzt Pater Theophil Gaus. Er bietet demGast Kaffee und Kekse an und strahltdabei heitere Gelassenheit aus. Der Tagdes 52-jährigen Ordensmanns hat um5.40 Uhr mit dem gemeinsamen Chor-gebet in der Abteikirche begonnen.
Der Benediktinermönch lebt beschei-den und folgt dem althergebrachtenRhythmus. Für ihn zählt seit 32 Jahrenora et labora, bete und arbeite, also jenerLeitspruch, mit dem der heilige Benediktden Tagesablauf hinter Klostermauernregelte. Gleichwohl ist Pater Theophil fürden modernen Mann ein Pionier. Dennim Vergleich zu seinen weltlichen Ge-schlechtsgenossen hat der Gottesmanneinen entscheidenden Vorteil: Er wird
Männer gelten als Gesundheitsmuffel und
sterben früher als Frauen. Dabei macht
eine große Studie Mut: Mönche in Klösternerreichen fast das weibliche Lebensalter
Jungs, da können wir
etwas tun
DER MANN GESUNDHEITSFORSCHUNG
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FOCUS-GESUNDHEIT
Corpus delicti
Der Urologe Frank Somme
Leiter des weltweit ersten
stuhls für Männergesundh
an der Uniklinik Hamburg-
Eppendorf, lenkt die Aufm
samkeit auf sein Thema
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FOCUS-GESUND18
statistisch vier Jahre länger leben als dieMänner draußen. Die Lebenserwartungvon Männern in Klöstern, so ergab einegroße Studie überraschend, erreicht fastdie von Frauen.
Der Bevölkerungswissenschaftler MarcLuy hatte die Lebensläufe von 12 000Mönchen und Nonnen analysiert. Alsoeines Personenkreises, der sich zwardurch sein Geschlecht, aber nicht durchseine Lebensweise unterscheidet. Da-nach kam Luy zu einem deutlichenUrteil: „Nicht Frauen leben länger, son-dern Männer sterben vorzeitig.“ Und dieSchuldigen hat der Forscher ebenso aus-gemacht. „Wir sind für die verlorenenLebensjahre zum größten Teil selbst ver-antwortlich“, sagt er.
Derzeit können neugeborene Jungendamit rechnen, 77 Jahre und neun Mo-nate alt zu werden. Bei Mädchen liegt derWert bei 82 Jahren und zehn Monaten.Macht gut fünf Jahre. Worauf der Unter-schied zurückzuführen ist, blieb langerätselhaft. Es werden wohl biologischeGründe sein, die Männer früher in dieKnie zwingen, mutmaßten die Forscher.Marc Luys Klosterstudie deckt eine ganzandere Wahrheit auf. Männer sind kei-neswegs genetisch dazu verurteilt, vorden Frauen zu sterben. Dagegen ist esvor allem ihre höhere Bereitschaft zum
Risiko, die sie früher ins Grab bringt.Beispiel Straßenverkehr: Nach aktuel-
len Zahlen aus dem Jahr 2014 verunglü-cken mit dem Pkw mehr als dreimal soviele Männer tödlich wie Frauen. Selbstwenn sie nicht hinterm Steuer sitzen, ge-ben Männer Gas. Sie rauchen häugerund stärker als Frauen, sie essen doppeltso viel Wurst und Fleisch. Zwei von dreiMännern sind zu dick, davon ein Drittelsogar adipös. Sie trinken viel mehr undgern bis zum Vollrausch Alkohol. All dieserhöht das Risiko für lebensbedrohlicheKrankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes
und Krebs.Medizinisch gesehen scheint der Mann
ein hoffnungsloser Fall. Doch zum Teil istdas risikobehaftete und kurze Männer-leben biologisch gewollt. Denn eine Ge-sellschaft protiert ungemein von Mit-gliedern, die mehr wagen als andere. Wersich todesmutig – wie es etwa die Heldender Antike, Ritter oder Indianer vorleb-ten – dem Feind entgegenstellt, mag seinLeben riskieren, aber das von Kindernund Frauen retten. Jede Gemeinschaft
benötigt Mitglieder, die härter zupackönnen, ohne von der Mitleidsbremgehindert zu werden. Daher sind in mchen Berufen – dem des Soldaten, Polizisten oder sogar des Metzgers – ditionell wenige Frauen zu nden. Uauch in Männern in modernem Ouschlägt oft noch das Herz des HeldAls solcher hat er gelernt: Hohe Risbereitschaft wird belohnt – mit Erfolgvielen Frauen und einer hohen AnzahNachkommen. Medizinisch gesehendas traditionelle Verhaltensmuster aproblematisch. Denn ein Indianer, keinen Schmerz kennt (und seinen Kper nicht richtig wahrnimmt), wird zRisiko für sich selbst.
Das althergebrachte Draufgänger
macht Ärzten wie Frank Sommer SorgDer Urologe leitet seit 2005 den weltwersten Lehrstuhl für Männergesundan der Uniklinik Hamburg-EppendZu ihm kommen viele Patienten leierst, wenn ihnen Beschwerden keWahl lassen. „Den meisten Männern es immer noch sehr schwer, körperliSchwächen zuzugeben. Und wennzum Arzt gehen und der womöglich eErkrankung entdeckt, legen sie dasSchwäche aus“, weiß der Experte.Selbstbild vom starken Mann vertegen die Helden buchstäblich bis z
Umfallen. Appelle und gute Ratschlblenden sie aus. Die Folge: „Männertreiben Reparaturmedizin statt Vorsormedizin“, moniert Sommer, der auchPräsident der Deutschen GesellschafMann und Gesundheit die PräventionMänner verbessern will.
Die Krebsvorsorge etwa nehmen 20 Prozent der Männer wahr. „KeZeit!“, antworten sie, wenn sie nach dWarum gefragt werden. Knapp 80 zent aller Männer geben in Umfralange Wartezeiten als Grund an, wasie nicht gern zum Arzt gehen. Ersta
lich ist nur: Dieselben Wesen harbeim Reifenwechsel ohne zu mureine Stunde in der Werkstatt aus.
Die Fähigkeit, sich um sich selbskümmern und die Bedürfnisse desgenen Körpers wahrzunehmen, ist vielen Kerlen nur gering ausgepr„78 bis 92 Prozent der deutschen Mner zwischen 40 und 80 Jahren glaubdass sie gesund beziehungsweise sgesund sind“, zitiert Experte Someine Studie seines Lehrstuhls.
Seit 1996 analysiert der Bevöl-
kerungswissenschaftler Marc
Luy die Lebensdaten von
12 000 Ordensbrüdern und
-schwestern in meist bayeri-
schen Klöstern. Die Befunde
publiziert er bis heute.
Das zentrale Ergebnis: Die im
Kloster lebenden Mönche er-
reichen eine weitaus höhere
Lebenserwartung als ihre
Geschlechtskollegen draußen
und kommen fast an die der
Frauen und Nonnen heran.
KLOSTER-STUDIE I:DIE BOTSCHAFT
Nonnen
36
40
44
48
52
56Jahre
1900 1950 2000
Mönche
Männer*
Überraschende EinblickeBevölkerungswissenschaftler
Marc Luy erforschte die Le-
benserwartung von Mönchen
DER MANN GESUNDHEITSFORSCHUNG
Vergleich derLebenserwartungen
*allgemeine Bevölkerung
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Nachdem der Vater des Geo-
grafen im Alter von 57 Jahren
an einem Schlaganfall starb,wollte der Sohn es besser ma-
chen. Er stellte sein Leben um,
verzichtet auf Alkohol, ernährt
sich meist vegetarisch und
treibt Sport. Selbst Autofahren
lässt Herb bleiben und steigt
aufs Fahrrad oder nutzt den
öffentlichen Nahverkehr.
Vom VatergelerntArmin Herb, 57
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20 FOCUS-GESUND
Stressfrei länger leben
Pater Theophil Gaus kümmert
sich in der Benediktinerabtei
St. Ottilien um die Gärten – und
die Vogelhäuschen nebenan
Doch die Helden könnten nicht mehrdanebenliegen. Die körperliche Unter-suchung nach der Befragung zeigte:45 Prozent hatten Bluthochdruck, 44 Pro-zent zu hohe Blutfettwerte. Elf Prozentwaren an Diabetes erkrankt, sechs Pro-zent hatten einen Herzinfarkt erlitten,ohne ihn bemerkt zu haben. Weiteresechs Prozent hatten gar Krebs.
Auf der Suche nach den Ursachen fürderlei Fehlsichtigkeit haben die Exper-ten die Erziehung, aber auch das sozialeUmfeld als Ursache ausgemacht – wasimmerhin Hoffnung gibt. „Frauen sindanders sozialisiert, sie haben es verin-nerlicht, zum Arzt zu gehen“, erklärtTheodor Klotz, Chefarzt der Klinik fürUrologie, Kinderurologie und Andrologie
in Weiden. Viele suchen als Jugendlichebereits regelmäßig den Gynäkologenauf, um sich die Pille verschreiben zulassen. Später sind es die Schwanger-schaften und Vorsorgeuntersuchungen,die den Praxisbesuch zur Routine wer-den lassen und den Arzt zur Vertrau-ensperson. Eine Entwicklung, die sichKlotz, wissenschaftlicher Leiter der Stif-tung Männergesundheit, auch für dieHerren wünscht. Was schon Hänschenlernt, kann Hans am Leben halten. Vorallem die Allgemeinheit sieht Klotz inder Picht. „Männergesundheit beginnt
mit der Jungenerziehung. Da denierensie das Gesundheitsverhalten und da-mit die Krankheitslast 30, 40 oder gar50 Jahre später.“
„Männergesundheit ist eine gesell-schaftliche Aufgabe“, pichtet MatthiasStiehler bei. Der Erziehungswissen-schaftler setzt sich in seinen Büchernmit männlicher Identität auseinanderund hat den Ersten Deutschen Männer-gesundheitsbericht initiiert und im Jahr2010 mitherausgegeben. Vieles laufe vonAnfang an schief, meint der Experte.„Männer werden zum Funktionieren er-
zogen, sie lernen, Schwächen beiseitezu-schieben. Selbst wenn sie schon auf demZahneisch daherkommen, werden sienoch als handlungsmächtig angesehen,auch von ihrer Partnerin“, sagt Stiehler.„Das erzeugt Druck.“
Dass Männer keine Opfer sind, sondernselbst handeln, bekommen sie schon alsKinder von den Eltern eingeimpft: Auf je-dem Spielplatz zwischen München undHamburg ist zu beobachten, wie Mütterund Väter anerkennend von „richtigen
Jungen“ sprechen, wenn die Kinder üGrenzen gehen, wie sie ihnen zwar
nerseits Tränen zugestehen, aber in nächsten Minute „Weicheier“ bramarken, die bei jedem WehwehchenMutti laufen. Jene Mentalität, die inMedizin als gesundheitsschädlich fordert die Gemeinschaft: KonkurreLeistungsdenken und Malochen bistotalen Erschöpfung.
Wer die Jungs erreichen will, der mdiese Zusammenhänge verstehen – seine Ansprache anpassen. „Mänsind im Grunde keine Vorsorgeverw
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FOCUS-GESUNDHEIT
gerer“, sagt Experte Theodor Klotz. „Siesind nur wettbewerbsorientiert. Manmuss sie motivieren.“ Entscheidendsind persönliche Anreize. „Ein Mann be-trachtet seinen Körper als Werkzeug zumErreichen eines Zieles“, erklärt Klotz.„Dieses Ziel kann im mittleren Erwach-senenalter Karriere, Geld oder Porscheheißen. Wenn Sie vermitteln können,dass Gesundheit hierfür wichtig ist, dann joggt der Mann.“
Je nach Alter müssten Therapieange-bote natürlich andere Ziele denieren.„Mit dickem Bauch bist du sexuell nichtmehr attraktiv“, könnte es für 50-Jährigeheißen. „Willst du deine Enkel aufwach-sen sehen?“ für 60-Jährige. Das kann beiRauchern mehr bewirken als Schockbil-der auf Zigarettenpackungen und Mah-nungen des Arztes.
Wer versucht, Männer in einen Kurs„Wohlfühlyoga nach Feierabend“ zu lo-cken, schießt am Ziel vorbei. Das passenun mal nicht zur Lebenswirklichkeitder Männer, kritisiert Erziehungswissen-schaftler Stiehler. Zu unmännlich. Wennman aber „Poweryoga“ oder „Relaxennach einem harten Arbeitstag“ anbietet,legen sich auch Männer auf die Matte.
Geograf Armin Herb brachte der früheTod des Vaters zum Umdenken: „Daswar ein heilsamer Schock für mich“,
erzählt der Münchner, während er seinMountainbike nach einer Bergtour zu-rück in den Keller trägt. „Dieses Schick-sal wollte ich nicht teilen.“ Sein Vaterwar mit 57 Jahren – so alt ist Herb heuteselbst – an einem Schlaganfall gestor-ben. Zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf, Be-wegungsmangel, hoher Blutdruck undein gefährlicher Cholesterinspiegel hat-ten aus dem Vater den typischen Risiko-patienten gemacht. „Er ist nur im Notfallzum Arzt gegangen“, erinnert sich Herb,„und selbst dann hat er nicht auf dieRatschläge gehört, sondern nur die ver-
ordneten Pillen geschluckt.“Der Sohn beendete das Rauchen und
brachte sich das Kochen bei. „Ich hattekeine Lust mehr auf Convenience-Foodund fettes Kantinenessen“, sagt er rück-blickend. Heute steht kaum noch Fleischauf seinem Speiseplan. Dazu hat ihnseine erste Ayurveda-Kur in Indien in-spiriert, eine Idee seiner Lebensgefähr-tin. „Ich fühlte mich damals nicht mehrwohl in meiner Haut, war erschöpft undwusste, ich muss entspannen.“ Das Ein-
geständnis, dass er lange Partynäcnicht mehr so wegsteckt wie mit 20 udie Leistungskurve ab einem gewissAlter abnimmt, sei ihm als Mann besders schwer gefallen. „Im Grunde istheute noch so“, sagt er.
In St. Ottilien berichtet Pater Theopvon der „spirituellen Grundgeborgheit im Herrn“. Auch diese wirkt wascheinlich immunisierend gegen Ängund Stressoren. „Glaubende Menschfallen nicht in so tiefe Löcher wie Mschen, die keinen Zugang zum Glben haben“, ist sich der Mönch sichLebensverlängernd könnte auch wken, dass die Mönche viele Alltagssgen gar nicht kennen. „Ich habe keGeldprobleme und muss keine Anvor Arbeitslosigkeit haben. In unseGemeinschaft ist in allen Lebensphafür einen gesorgt“, sagt Pater TheopFast wie bestellt radelt draußen BruArmin vorbei, 90 Jahre alt und für Leerung der Mülleimer auf dem Kltergelände zuständig. „Auch das untscheidet uns von weltlichen Männersagt der Pater mit Blick auf den Mitbder, „wir werden bis ins hohe Alter in Gemeinschaft gebraucht. Uns schrekein Ruhestand.“
Immerhin, ein bisschen Bewegungim Land der starken Kerle schon zu v
zeichnen. „Die Zahl gesundheitsbewuter, sportlicher Männer, die auf ihr Äures achten, wächst stetig“, weiß TheoKlotz aus seiner Praxis und Stiftungsbeit. Die Generation der 60-Jährigen uÄlteren habe die Reparaturmentalzwar noch verinnerlicht, meint Klotz. den jüngeren Männern zwischen 25 u50 Jahren sehe das deutlich anders a„Viele gehen sensibler mit ihrem Körum, zumindest wenn sie einer bestimten Bildungsschicht angehören.“ Hträgt die Geschlechterdebatte um neRollenbilder erste Früchte. Der Öffe
lichkeit führt es die Werbung vor AugIn Anzeigen und Spots wird der Macalter Schule abgelöst von sportlich-akven Managertypen, fürsorglichen Falienvätern und Fußballtrainern, die Kosmetikmarken werben.
Der Held wird weiblicher und emonaler. Und der neue starke Mann wbald der sein, der seine Schwächzeigt.
KARIN MICHAE
Die Analyse der Lebensdaten
von Mönchen und Nonnen so-
wie ihr Vergleich mit der allge-
meinen Bevölkerung erlaubt
auch hinsichtlich der Todes-
ursachen (s. u.) weitere inter-
essante Einblicke.
Sterbefälle Frauen(pro 100 000)
Sterbefälle Männer(pro 100 000)
Vergleich Nonnen – Frauen:
Beim Herz-Kreislauf-System
liegen die Sterberaten beider
Gruppen gleichauf und sind
rückläug. Beim Krebs wiesen
Frauen sogar lange eine gerin-
gere Sterberate auf.
Vergleich Mönche – Männer:
Im Kloster erkranken Männerauffallend selten tödlich an
Krebs. Auch bei der Sterbeur-
sache Herz-Kreislauf liegen die
Ordensbrüder vorn, allerdings
gleichen sich die Kurven an.
KLOSTER-STUDIE II:DIE STERBEURSACHEN
Kreis-laufsystem
Krebs
1960 1975
400
800
1200
1995
Frauen*
kath. Nonnen
Kreislaufsystem
Krebs
19751960
400
800
1200
1600
1995
Männer*
kath. Mönche
DER MANN GESUNDHEITSFORSCHUN
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FOCUS-GESUND
Zuletzt ging es dem Y-Chromo-som an den Kragen. DemTräger jener Gene, die denMann überhaupt erst ent-stehen lassen. Dem Symbol
der Männlichkeit. Das Chromosom seiauf dem Rückzug, warnten einige Ge-netiker. Seit 300 Millionen Jahren ver-liere es Gen um Gen. Das Schrumpfen
der Männlichkeit, errechneten sie, führedazu, dass es bald ganz verschwundensei. Sterben die Männer aus? Die Ant-wort lautet: Nein, die Männer bleibenund mit ihnen auch das Y. Die Forscherwaren zu vorlaut.
Der Angriff, vorgetragen auf demscheinbar unbestechlichen Feld derBiologie, darf als vorläuger Höhepunkteiner Kampagne gelten, die nicht mehrlustig ist. Der Mann ist zum Synonymfür Missstände aller Art geworden. So-
bald etwas schieäuft auf dieser Welt,sind die Schuldigen schnell gefunden:Es sind die Männer. Sie prügeln sich,sind gewalttätig, führen Kriege, unter-drücken die Frauen und bedrängen siesexuell. Wahlweise Buchautoren, Politi-ker oder Frauenrechtler wähnen die Weltgar in einer „Testosteronkrise“ (schonwieder die Biologie!).
Das männliche Geschlechtshormonist es, das Banker, blind vor Gier, dieFinanzkrise auslösen ließ, das für lau-sige Gewinne Umweltzerstörung undAusbeutung in Kauf nimmt. Geldgier,Machtversessenheit, Gewissenlosigkeitund Egoismus sind Embleme des Männ-lichen geworden. Symbol all des Übelsist der Penis. „Hochmut kommt vor demPhall“, textete ein Magazin zu einemBild mit Bankenhochhäusern in voraus-eilender Selbstanklage.
Gleiche Rechtefür Männer!
Die skurrilen Verwerfungen reicweit. Es ist ein Verdienst Christoph Kulicks, ihnen nachgespürt zu haben. Soziologe promovierte zum Thema männlichen Identität und verfasste Buch „Das unmoralische GeschlecMänner, so seine Diagnose, gelten mlerweile als Feinde der Moderne, als andertaler des Fortschritts. Belege zu
den ist ihm nicht schwer gefallen.Etwa das Grundsatzprogramm
SPD. Dort heißt es schamlos selbstvständlich: „Wer die menschliche Gesschaft will, muss die männliche übwinden.“ Oder ein ProgrammpapierDavoser Wirtschaftsgipfels aus dem J2011. Verfasst nicht von Wirtschaftsfrerinnen, sondern -führern, trägt es hilosen Titel: „Sechs globale Heraforderungen, eine Lösung: Frauen!“sei üblich, meint Kucklick, „jedem
Der Mann gilt wechselweise als Feind des Fortschritts odegar „Gesundheitsidiot“. Dabei wird er einfach nur benachteiligtDas sollte die Medizin wissen, will sie ihm helfen
DER MANN ESSAY
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DER MANN ESSAY
Problem einen männlichen Defekt bei-zugesellen, der es irgendwie verursachthaben soll“. Er nennt das „Kausalitäts-pornograe“. Denn: Die Behaup-tungen sind haltlos, Belege gibtes keine. Männerfeindlichkeit istgesellschaftsfähig geworden.
Die Vorstandsvorsitzenden,Geschäftsführer, Handwerker,Vereinsvorsteher und Famili-enoberhäupter dürften die Vor-würfe belächeln. Könnte manmeinen. Doch das Verhältnis derGesellschaft zu ihren Männernist eine Frage des Überlebens.Das gilt nicht erst, seitdem imJahr 1852 auf einem Schiff Ih-rer Majestät, der Königin Vic-toria, erstmals das berühmteKommando erging, das Män-ner für verzichtbar erklärte:„Frauen und Kinder zuerst!“
Das Stigma wirkt bis in dieheutige Zeit und prägt die Gesundheits-politik mit geradezu historischer Kraft.So ist die organisierte Frauenmedizingut 100 Jahre älter als die Männerme-dizin. Im Jahr 1885 wurde die DeutscheGesellschaft für Gynäkologie und Ge-burtshilfe gegründet. Die Deutsche Ge-sellschaft für Andrologie folgte erst 1976.Der „Erste Männergesundheitsbericht“
erschien nach langem Gezerre im Jahr2010. „Seit zehn Jahren kämpfen meineForschungskollegen und ich für diesenBericht. Jetzt ist er endlich möglich ge-worden!“, schreibt sein Initiator im Vor-wort, der GesundheitswissenschaftlerKlaus Hurrelmann, zuletzt an der Her-tie School of Governance in Berlin tätig.„Er macht deutlich, wie dringend diegezielte Analyse der männlichen Ge-sundheit ist.“
Die durchschnittliche Lebenserwar-tung eines neugeborenen Jungen liegtaktuell 4,89 Jahre unter derjenigen ei-
nes Mädchens. Dabei bringen Männerbiologisch alle Voraussetzungen mit, umihren Ruhestand ebenso lange genießenzu können. Das zeigte der Wiener Bevöl-kerungswissenschaftler Marc Luy nachder Analyse von Tausenden von Lebens-läufen von Mönchen und Nonnen.
Die Gründe für das Leid der Männermüssen also auf dem Gebiet des Men-schengemachten zu nden sein. Sind sieetwa nicht selbst daran schuld? Sie lebenrisikoreich, rauchen und trinken viel,
nehmen Drogen, verursachen viele Vkehrsunfälle und gehen weder mit nohne Grund zum Arzt, also zur VorsoMänner sind eben „beratungsresisteGesundheitsidioten“.
Man kann differenzierter nachsehwie dies etwa Martin Dinges vom Instfür Geschichte der Medizin der RobBosch Stiftung in Stuttgart getan hatlässt sich etwa feststellen, dass die Mner noch immer die gefährlichsten am stärksten gesundheitsschädigenBerufe ausüben – etwa GerüstbaDachdecker, Bergmann, Pasterer, Mrer oder Fliesenleger. Entsprechend treffen über 92 Prozent der tödlicArbeitsunfälle Männer. Es sei nichtEigenschaft „Mann“, die ein erhöh
Risiko mit sich bringe, meint Dingsondern die Eigenschaft „in aufreibdem Beruf beschäftigt“. Die einherhende Gefährdung ist „weder frei wählt noch beliebig vermeidbar“.
Ein ähnliches Muster ergibt sichStraßenverkehr. Es trifft zu, dass dreiso viele Männer wie Frauen im Fahrzverunglücken. Richtig ist aber auch, dweitaus mehr Männer als Frauen ttäglich beruich unterwegs sind. „Außendienstmitarbeiter oder Selbstsdige absolvieren sie mehr als doppeviele Kilometer mit dem Pkw als Frau
und sie tun dies entsprechend häuunter Stress“, so Dinges. „Wir habenalso auch hier nicht in erster Linie Hormonschüben und männlicher Itie, sondern mit Rahmenbedingungentun, die die Gesundheitspolitik reekren müsste.“
Manchmal tut es ja schon ein StMetall am Straßenrand. So bracdie Einführung von Leitplan
in den 1970er- und 1980er-Jahren Männern statistisch einen Zugewvon 1,2 Lebensjahren. Zum VergleDie verbesserte Krebsvorsorge zwisc
1980 und 2002 schlug nur mit rundnem halben Jahr zu Buche.
Auch das Thema Vorsorge hängt möglich nicht so sehr am Geschledes Betreffenden, sondern an der Fseiner Erwerbstätigkeit. 94 Prozent berufstätigen Männer arbeiten VollzTeilzeitbeschäftigte dagegen sind zuProzent Frauen. Die Vorsorge-Angebfordert Gesundheitsforscher Dinges, sten mit den Arbeitszeiten der Mänvereinbar sein, damit diese sie in
Aktivität und
Abenteuerlustsind männ-lich, sichHilfe zu holen,ist es nicht
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FOCUS-GESUNDHEIT
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lung, kehren sich die Zahlen mehr um. „Zwei Drittel bis drei Viertel aSuizidopfer sind Männer“, sagt AnMaria Möller-Leimkühler, Medizinziologin an der LMU München. Typiweiblich ist es, nach Hilfe zu rufen, pisch männlich, still zu leiden, mit voTötungsabsicht ans Werk zu gehen – uam meisten das Misslingen zu fürchtDer Gesundheitsidiot wäre obendrein Suizidtrottel. Um der übersehenDepression auf die Spur zu kommen, Möller-Leimkühler einen Fragebogentwickelt, der männertypische Symtome zuverlässig erfasst.
Das ist ein weiteres Mosaiksteinchdas Leben retten wird. Aber wie lanwird es noch dauern, bis Männer in
Medizin die gleiche Sensibilität erfahwie Frauen?
WERNER SIE
spruch nehmen können. Doch welcherArzt bietet einmal in der Woche Abend-sprechstunden bis, sagen wir, 22 Uhr an?
Sicher, es gibt geschlechtsbezogene,um es konkret zu sagen: auf biologi-schen Unterschieden beruhende, Risi-ken. Männliche Babys strampeln mehrund fallen deswegen häuger vom Wi-ckeltisch. Jungen greifen eher zum Ham-mer, Spielzeugauto oder Ball, Mädchenzur Puppe. Derartige Unterschiede schei-nen natürliche Verhaltenstendenzen wi-derzuspiegeln, sind also nicht von derGesellschaft geprägt. Dafür mehren sichdie Hinweise aus der Forschung – wennauch manche Feministin sich beharrlichweigert, dies zuzugeben. Hammer undBall aber sind im Umgang gefährlicher
als die Puppe – und die Männer gering-fügig im Nachteil.
Massiv negativ wirken sich dagegenherkömmliche Rollenbilder auf das Über-
leben aus. Trotz aller gesellschaftlichenVeränderungen, trotz Papas in Elternzeitund neuer Empndsamkeit – noch immerist das Modell der „hegemonialen Männ-lichkeit“, wie Soziologen das nennen, mitAbstand das häugste. Die Gesellschafterwartet von den Männern, dass sie fürFrau und Kind sorgen und sagen, wo eslanggeht. Aktivität, Ehrgeiz, Aggressi-vität, Durchsetzungsfähigkeit, Entschei-dungs- und Abenteuerfreude sind wich-tige Elemente dieses Selbstbilds undgleichzeitig im Berufsleben sehr starknachgefragt. Schwäche zuzugeben, Hilfezu holen, auf die Signale des eigenenKörpers zu hören sind es nicht.
Das Heldentum hat fatale Auswirkun-gen. Den verfügbaren Statistiken zu-
folge erkranken Frauen doppelt so häu-g an Depression wie Männer. Bei denSelbsttötungen, der für Psychiater har-ten Währung der chronischen Verzweif-
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„Die Augen sind der Spiegelder Seele.Wer sich vital
fühlt, möchteauch so aussehen.“
Dr. Markus Klöppel Die Fachärzte für Schönheitschiru
sind laut ihren Patienten top! Auf jameda, Deutschlands größter Arzempfehlung, erhalten sie auf eine
Schulnotenskale von 1 bis 6 die G samtnote 1,21, wobei die männlic Patienten leicht unzufriedener sin(1,25) als die weiblichen (1,17).
Das Vert rauensverhältnis zu ihren Ästhet ischen Chirurgen bewertendie Männer mit der sehr guten No1,27. Auch für Behandlung,
Aufk lärung und Freundlichkeit gies Spitzennoten (1,23, 1,25, 1,21)
Selbst mit den Wartezeiten auf einTermin und in den Praxen sind diemännlichen Patienten zufrieden uvergeben hier jeweils die Note 1,5
Spitzenreiter im Bundesländer- Ranking sind die Plastischen Chir gen in Hamburg (1,17), Bayern un Berlin (jeweils 1,18).
Umfrage:
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Immer mehr Männer wagen eineSchönheits-OP. Wie erklären Sie sich
diese Entwicklung?Zum einen wird das Thema Schönheitschi-
rurgie zunehmend enttabuisiert, so dasssich insgesamt mehr Leute damit beschäf-tigen. Zum anderen sagt man nicht ohne
Grund, 50 sei das neue 30 – das gilt auchfür Männer! Sie sind aktiver und vitalerals es ihre (Groß-)Väter in ihrem Alter wa-
ren und möchten dies auch ausstrahlen.Oft spiegeln aber gerade unsere Augendas Gegenteil wider und sehen aufgrund
des natürlichen Alterungsprozesses müdeund erschöpft aus. Frauen können hiersicherlich mit dem richtigen Make-up
etwas kaschieren. Männer, die sich dem Alter nicht geschlagen geben möchten,entscheiden sich immer häuger für eine
unkomplizierte Lidstraffung.
Wie läuft eine Lidstraffung ab?Mit einer Oberlidstraffung werden vorge-fallene Fettanteile und erschlaffte Hautentfernt. Die Schnitte werden so gesetzt,
dass die Narben in der natürlichen Lid-falte „verschwinden“. An den Unterlidernkommt es durch Erschlaffung von Haut,
Muskeln und Fett zu „Tränensäcken“. Hier-für werden die Schnitte fast unsichtbar un-ter die Wimpernkante des Unterlids gelegt.
Die Eingriffe dauern je ca. 45 Minuten undkönnen ambulant mit örtlicher Betäubungdurchgeführt werden. Danach sehen die
Augen wieder wacher aus und das Gesichtmacht einen ausgeruhten Eindruck.
Wie schnell kann man nach einerOP wieder zurück ins Büro?Gesellschaftsfähig ist man nach ca. 4 bis8 Tagen. Sport ist nach 4 bis 6 Wochen
möglich, Sauna nach 8 Wochen.
Dr. med. Markus Klöppel ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und prakti- ziert seit 2005 in eigener Praxisklinik in München-Solln. Dr. Klöppel wurde mehrfach für seine wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet und ist seit 2011 aktives internationales Mitglied bei der Amerikanischen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (ASAPS).
Lidstraffung beim MannJeder 6. Patient, der sich für die Schönheit unters Messerlegt, ist ein Mann. Die Lidstraffung steht dabei hoch im Kurs,
wie Dr. Markus Klöppel bestätigt.
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FOCUS-GESUNDHEIT
Warum wirst du nicht schwanger? Bleibt einPaar ungewollt kinderlos, steht meist die Fruchtbarkeitder Frau in Frage. Tatsächlich liegt es aber genausohäufig am Mann. Mit diesen Therapien verhelfen Ärzteauch in scheinbar hoffnungslosen Fällen zum Kind. S. 6
Erkennen & heilen
»Ich habe so viel Zeit mit Pornosverbracht, dass ich es nicht schaffte
die Berichte zu schreiben«
Männer mit Pornosucht schildern
ihren Weg aus der Abhängigkeit. S. 64
Operation Prostata: Schneidet der Arztzu flach, verletzt er zu viele Nerven.Schneidet er zu tief, bleibt Tumorgewebeim Körper. Die Entfernung der Prostataist Millimeterarbeit. Inzwischen stehenviele Verfahren zur Verfügung, Krebs der Vorsteherdrüse zu behandeln. S. 34
Millionen Euro gabendie Kassen 2014 fürTestosteronpräparate aus.
Das Hormon soll die Männlichkeit erhaltenund Alterungsprozesse bremsen. S. 28
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+ Testosteron + Prostatakrebs + Psyche + Herz + Potenz + Unfruchtbarkeit + Pornosucht +
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ERKENNEN & HEILEN TESTOSTERON
MilligrammTestosteronproduziert jederMann täglich
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A
m Ende ist es auch nur einHormon unter vielen“, sagtRobin Haring und lachtschelmisch, weil er weiß,
dass kaum ein Stoff mit so vielenMythen und Emotionen aufgeladenist wie Testosteron. Übrigens auch mitHarings Emotionen. Sieben Jahre langhat der 33-jährige Demograf und Epi-demiologe Datensätze analysiert undHunderte von Studien gewälzt, um
herauszunden, was dieses Hormon sobesonders macht und was es mit derGesundheit und dem Verhalten desMannes anstellt.
Das Hormon wird geliebt und ge-hasst. Die einen beschwören es alsJungmacher und Libido-Anheizer,andere verteufeln es als Aggressions-hormon, machen es verantwortlichfür Banken-Crashs, jugendliche Raser,männerlastige Chefetagen oder die
sexuellen Übergriffe von männlichenFlüchtlingen. Der Greifswalder For-scher Haring hat genug von dieserSchwarz-Weiß-Malerei. In seinem Buch„Die Männerlüge“ räumt er mit dengängigen Vorurteilen auf: „Der Mannist kein Sklave seiner Hormone, undTestosteron ist auch nicht der viel ge-priesene Jungbrunnen“, sagt er.
Doch der Mann um die 50 fühlt sichschlapp, gestresst, zu wabbelig, zu run-
zelig, zu haarlos auf dem Kopf, zu haa-rig in Ohren und Nase – und im Bettlief es doch auch irgendwann einmalbesser. Ihn interessieren Harings Er-kenntnisse nicht. Der Mann um die 50denkt nur das: Es kann nicht sein, wasnicht sein darf. Dass er unweigerlich äl-ter wird, die Lider welk und das frühereSixpack sich als undenierbar teigigeMasse um Bauch und Hüften legt. Er istüberzeugt, dass sich Manneskraft, Vita-
lität, Jugendlichkeit und Muskelkrafauf eine einfache chemische Formel reduzieren lassen müssen: C19H28O2. Nuein paar Ampullen Testosteron spritzenund schon wird aus dem trägen Hauskater wieder der wilde Tiger.
Wo ein Wunsch ist, ist auch ein Markt„Testosteron wandelt gerade auf einemsehr schmalen Grat zwischen LifestyleMedikament, Anti-Aging-Medizin undArzneimittel“, kommentiert Haring die
Entwicklung, die in den USA schon sehweit fortgeschritten ist. „Diese Wellewird bald auch Deutschland treffen“ist er überzeugt. Die Indizien sprechenfür sich: 2014 wurden hierzulandedreimal mehr Testosteronpräparateverschrieben als noch vor zehn Jahren. Von den Mitteln, die illegal übedas Internet bezogen werden, ganz zuschweigen. Es ist ein gewaltiger Marktder deutschen Pharmarmen 2014
Eine Spritze Testosteron verspricht angeblichmehr Muskeln und besseren Sex. Nun warnenÄrzte vor dem Extra-Kick Männlichkeit
Ein Hormon auf dem
Prüfstand
FOCUS-GESUNDHEIT
Männerhormon-Forscher
Der Epidemiologe Robin Hahat den Mythos um das HoTestosteron ins Visier genomen. Hinter ihm die Abbildueines Testosteronkristalls
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allein mit den Verschreibungen der ge-setzlich Versicherten rund 32 MillionenEuro bescherte. Beeindruckend vor al-lem, wenn man bedenkt, dass die Deut-sche Gesellschaft für Endokrinologie nurbei einem sehr geringen Prozentsatz derälteren Männer überhaupt von einem zubehandelnden Mangel ausgeht.
Der Endokrinologe Martin Reincke istPräsident der Deutschen Gesellschaftfür Endokrinologie – den Hype um dasKönigshormon des Mannes bekommt ertagtäglich bei seiner Arbeit am Univer-sitätsklinikum München zu spüren. Erseufzt und erzählt von den Patienten,die zuvor in einer der zahlreichen Anti-Aging-Praxen waren. „Sie kommen miteinem ganzen Sack an Medikamenten,
die angeblich den Alterungsprozess auf-halten sollen, und sind enttäuscht, dasses nicht so geholfen hat, wie sie sich daserhofft haben“, erzählt Reincke. DiesesSammelsurium an Medikamenten hatdie Patienten meist mehrere hundertEuro gekostet.
Nun ist es nicht so, dass es den Män-nern, die hoffnungsvoll zu Reincke indie Sprechstunde kommen, gutgeht. Siefühlen sich lustlos, leiden an Erektions-problemen, Herzrasen, Hitzewallungen,Gewichtsproblemen, Depressionen, Ge-reiztheit, Schlafstörungen oder Konzen-
trationsschwäche. Manche haben nurein Symptom, andere eine ganze Reihe.Interessanterweise sind es fast die glei-chen Beschwerden, die Frauen währendder Wechseljahre erfahren – und dafürist ja schließlich auch primär der Man-gel des weiblichen Geschlechtshormonsverantwortlich.
Nur dass es die Wechseljahre des Man-nes eben nicht gibt. „Wenn man sichdie Männer genau anschaut“, sagt Rein-cke, „dann sind sehr viel häuger Stress,überüssige Pfunde, zu viel Alkohol oderZigaretten der Grund für ihre Probleme
und nicht der Testosteronmangel.“ Dasbestätigte 2010 auch eine Studie im re-nommierten „New England Journal ofMedicine“. Die Forscher untersuchten3300 Männer zwischen 40 und 79 Jahrenin acht europäischen Ländern. Die oft alsBeleg für einen Testosteronmangel ange-führten „Wechseljahre“-Symptome gin-gen zumeist nicht mit einem tatsächli-chen Testosteronmangel einher. Nur beidrei Symptomen gab es einen leichtenZusammenhang: seltene morgendliche
Erektionen, seltene sexuelle Fantaund Erektionsstörungen.
Warum dann überhaupt diese Obsion mit Testosteron? Weil erst Testoron aus einem zuerst weiblichen Embeinen Jungen macht und in der Pubtät schließlich aus einem Jungen eiMann. Der erste Testosteronschub psiert bereits im Mutterleib in der achSchwangerschaftswoche. Er ist für Ausbildung der Geschlechtsorgane antwortlich. In der Pubertät führt dein erneuter Testosteronkick zum Stimbruch, zu sprießender Körperbehaarund zum verstärkten Verlangen nSex. Die Muskeln bilden sich herund Fett verschwindet. Mit etwa 19der Testosteronspiegel am höchsten
sinkt spätestens ab dem Alter vonJahren jährlich um ein bis zwei Proz
Allerdings muss das nicht bedeudass es dem Mann dadurch schlechgeht, dass er automatisch Fett ansund Muskeln verliert. Denn die Umslung erfolgt keineswegs so abrupt bei Frauen. „Normal ist das, was keSymptome verursacht“, erklärt ReinAuch wenn der Testosteronspiegel e70-Jährigen mitunter nur die Hälfte dsen eines 20-Jährigen beträgt, reichtzum Beispiel für eine Erektion völlig
Der Testosteronwert schwankt bei
dem Mann ohnehin ganz natürlicnicht nur mit dem Alter, sondern auchLauf des Tages, je nach Lebensstil Gesundheitszustand. Treibt der MSport, sieht er eine attraktive Frausich vorbeistöckeln oder grölt er verin der Fankurve seines Fußballstons, dann steigt sein Wert. Das haübrigens auch Robin Harings Studgezeigt. Nicht Testosteron mache Mann aggressiv, dominant oder shungrig – vielmehr beeinussen das Ufeld und sein Lebensstil den Testosterspiegel. „Testosteron und Verhalten,
ist keine Einbahnstraße“, erklärt Har„sondern ein komplexes Wechselszwischen der jeweiligen Situation einer Vielzahl neuronaler und horneller Prozesse im Körper des Mann
Fest steht: Ein gesunder Mann betigt keine Hormontherapie. Das zusäche Testosteron kann sogar dazu fühdass der Körper die Eigenprodukherunterfährt, um das ideale Levelhalten. „Die Biochemie des Körperhochkomplex und im Idealfall fein
ERKENNEN & HEILEN TESTOSTERON
Das richtige Maß
Der medizinische Ausdruck
für einen Testosteronmangel
ist Hypogonadismus.
Der Testosteronspiegel wird in
der Maßeinheit Nanomol
pro Liter Blut (nmol/l) gemessen.
Bei einem Spiegel nahe dem
unteren Normbereich von 8 bis
12 nmol/l oder darunter erwägt
der Arzt eine Testosterontherapie.
Der Wert variiert von Mann zu
Mann und je nach Alter stark.
Normal ist, was keine Be-
schwerden bereitet – auch unter-
halb des Normbereichs.
Im Lauf des Tages ändert
sich der Wert deutlich. Er ist am
Morgen am höchsten.
Zur eindeutigen Diagnose muss
der Arzt den Testosteronspiegelzweimal morgens messen.
Künstliches Testosteron gibt
es als 1- oder 3-Monats-Spritzen,
als Paster oder als Gel,
das der Patient täglich aufträgt.
StundenSport wöchent-lich steigernden Testosteron-spiegel um zehnProzent
3
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FOCUS-GESUNDHEIT
Neben-nierenrinde
Hoden
Produktion eines besonderen Stoffes
Die Testosteronproduktion funktioniert über einenkomplexen Regelkreis. Der Hypothalamus im Zwischen-hirn regt die Hirnanhangdrüse dazu an, Hormoneauszuschütten. Erst durch sie wird die Testosteron-produktion im Hoden angekurbelt.
Der kontinuierliche Feedback-Mechanismus zwischenHirn und Hoden stellt sicher, dass nicht zu viel oder zu
wenig Testosteron freigesetzt wird.95 Prozent des Testosterons werden im Hoden produziert, ein kleiner Teil in der Nebennierenrinde. Insgesamt sinddas täglich fünf bis sieben Milligramm des Hormons.
Erst wenn spezielle Testosteronrezeptoren das imBlut zirkulierende Hormon binden, entfaltet es seineWirkung. Manche Männer haben mehr, andere wenigerdieser Rezeptoren.
Testosteron stärkt die Knochen und fördert denMuskelaufbau und die Fettverbrennung. Es führt zutiefer Stimme und Körperbehaarung und weckt dieLust auf Sex.
1 Die Leydig-Zellen (grün) produzieren Testosteron und stimu-lieren damit die Spermienproduktion. Aus einer 2 Stammzelleentwickeln sich so nach und nach 3 Spermatozyten, dieVorläuferzellen der 4 Spermien. Durch mangelnde Bewegungund Übergewicht werden winzige 5 Blutgefäße (rot) im Hodenzerstört und die Leydig-Zellen geschädigt. Die Testosteron-produktion nimmt ab.
Haare
In der Pubertät fördert Tes-
tosteron das Wachstum der
Körperhaare und des Barts. Je
nach genetischer Anlage kann Testosteron bei den Kopfhaa-
ren aber zu Haarausfall führen
1
5
2
3
4
Knochen
Testosteron stärkt die
Knochen. Testosteron-
mangel ist eine Ursache
von Osteoporose.
Fett
Testosteron kurbelt den
Fettstoffwechsel an.
Zu viel Bauchfett führt zu
Testosteronmangel.
Muskeln
Das Hormon fördert
das Muskelwachstum,
weshalb es auch zu
Dopingzwecken miss-
braucht wird.
Hypothalamus
Hirnanhang-drüse
Spermien-Fabrik
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32 FOCUS-GESUND
ausbalanciert“, betont Reincke. Umsobeunruhigender ist der Trend, dass vieleHobbysportler Testosteron zum Muskel-aufbau einsetzen. Verschiedene Studiengehen von Missbrauchsraten von zehnbis 20 Prozent in Fitness-Studios aus.
Der unkontrollierte Eingriff in das Hor-monsystem ist gefährlich. Die Präparatestehen unter Verdacht, Krebs, Throm-bose, Schlaganfall und Herzinfarkt ver-ursachen zu können. „Bis zu 40 Prozentder über 50-Jährigen haben in der Pros-tata kleine schlummernde Krebsherde“,erklärt Hormonexperte Reincke. „Künst-liches Testosteron kann unter Umstän-den das Wachstum dieser Herde anfa-chen.“ Allerdings, so betont er, fehltengroß angelegte Studien, die diesen Ver-dacht eindeutig bestätigen. Trotzdemsolle Testosteron auf keinen Fall ohneärztlichen Rat eingenommen werden.
„Eine Testosterongabe ist nur dann ein-deutig gerechtfertigt, wenn bestimmteZellen im Hoden zerstört sind, die dasHormon produzieren, oder wenn derRegelkreis zwischen Gehirn und Hodennicht korrekt funktioniert und die Hor-monproduktion dadurch nicht ausrei-chend angeregt wird“, erklärt Reincke.Nicht jeder Arzt unterziehe den Patien-ten aber einer ausführlichen Untersu-chung, bevor er das Hormon verschreibe,
kritisiert er. Dabei ist gerade das uner-lässlich. Denn Testosteronmangel kannein Hinweis auf eine versteckte Krank-heit im Körper sein wie Hodenkrebs,eine Schilddrüsenstörung oder eine De-pression. Auch Medikamente wie Cho-lesterinsenker oder Statine können denSpiegel des Hormons abfallen lassen.
Testosteron war für Michael Münchnie ein Thema und ist es auch heutenicht. Und das, obwohl er seit über ei-nem Jahrzehnt alle drei Monate zumUniversitätsklinikum Münster fährt, umTestosteronspritzen zu bekommen. 1988
verlor er einen Hoden durch Krebs, 2001dann sogar den zweiten. „Von Männernwerde ich gefragt, ob ich mich jetzt nochals richtiger Mann fühle – für Frauenwar das kein großes Thema“, erzählt der52-Jährige aus Neuss. Michael Münchgeht es gut, das sieht und das hört man.Seine tiefe Stimme ist ruhig und gelas-sen, er ist schlank und durchtrainiert,und wenn er im Fitness-Studio seineMuskeln stählt, sieht ihm niemand seineKrankheit an. „Ich habe mich nie über
Testosteron deniert“, sagt er selbswusst. „Ein Mann ist doch mehr als seine Hormone.“ Nach der erneuKrebsdiagnose krempelte er sein Leum, kündigte seinen stressigen JobPersonalleiter. „Es ging mir damals ngut, aber es ist schwer auseinanderhalten, ob das am fehlenden Testoste
oder am ganzen Stress lag“, erzähltMünch ist deshalb froh, dass ihn seÄrzte am Uniklinikum Münster imals Mensch gesehen haben, nicht als einen Testosteronwert, den eskorrigieren gilt. „Eine Hormontherakann nur dann erfolgreich sein, wman auch die Psyche des Patienten rücksichtigt“, betont Michael Mün„Durch die Erkrankung habe ich gemerkt, wie eng Körper und Psychesammenhängen.“ Heute geht er drei
Michael Münch kann ohne
künstliches Testosteron nicht
leben. Auf Grund von Krebs wur-
den ihm beide Hoden entfernt,
die das Hormon im Körper pro-
duzieren. „Ich musste lernen,
mehr auf mich zu achten –
körperlich wie seelisch“, sagt
er. Jetzt geht er regelmäßig ins
Fitness-Studio und ernährt sich
gesund. „Ich fühle mich gut und
nicht weniger als Mann.“
Das Schicksalstemmen
Michael Münch, 52
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FOCUS-GESUNDHEIT
die Woche zum Krafttraining und achtetauf seine Ernährung. Er hat sich einenMixer gekauft und püriert damit jedenMorgen einen Berg Obst. „Ich fühle michheute sogar besser als früher, vor meinerOperation“, erzählt er.
Auch Männer, die nicht an einem krank-haften Mangel leiden, können ihre kör-pereigene Testosteronproduktion ganzohne Spritzen selbst ankurbeln – durchSport und Gewichtsabnahme. Allerdingsscheinen viele Männer eine hartnäckigeAbneigung gegen eine Veränderung ih-res Lebensstils zu haben. Als der UrologeFrank Sommer vor über zehn Jahren alsweltweit erster Professor für Männerge-sundheit ans UniversitätskrankenhausEppendorf berufen wurde, war er vol-ler Tatendrang. „Ich hatte diese Vision,Deutschlands Männer durch Sport undgesunde Ernährung wieder t zu be-kommen“, erzählt er. „Aber ich mussteschnell lernen, dass Männer lieber einePille schlucken.“ Also entwickelte Som-mer ein Programm, mit dem seine Pa-tienten in kleinen Schritten wieder anSport herangeführt werden. „Am Anfangverlangen wir von vielen unserer Patien-ten gerade einmal dreimal fünf Minutenin der Woche: abwechselnd spazierengehen oder joggen und Muskelübungen– das macht schon einen Unterschied.“
Warum Sport und eine Gewichtsab-nahme den Testosteronspiegel ankur-beln, ist gut erforscht. Der Hauptübel-täter ist das Bauchfett. Im sogenanntenviszeralen Fett bendet sich das EnzymAromatase. Es wandelt Testosteron indas weibliche Hormon Östradiol um.„102 Zentimeter Bauchumfang solltennicht überschritten werden“, rät ExperteSommer, der auch Präsident der Deut-schen Gesellschaft für Mann und Ge-sundheit ist. Interessanterweise gilt die-ser Grenzwert vollkommen unabhängigdavon, wie groß ein Mann ist.
Allerdings leidet nicht jeder mit einerstattlichen Wampe unter einem Testos-teronmangel. Letztlich kommt es daraufan, wie sensibel Testosteronrezeptoren,die über den gesamten Körper verteiltsind, das Hormon aufnehmen. Hat einMann wenige Testosteronrezeptoren imKörper und gleichzeitig zu viel Fett aufden Rippen, hat er eher schlechte Kar-ten. Stress ist der zweite große Testos-teronkiller. Denn das Hormon Cortisol,das der Körper bei nervlicher Belastung
Eigentlich eine gute Nachricht. Schanur, dass sie offensichtlich die wenigsMänner erreicht. Gerade einmal neProzent der deutschen Herren halten slaut Studien an die vier wichtigsten Ftoren eines gesunden Lebensstils: Nicraucher, Normalgewicht, eine ausgewgene Ernährung und genügend SpFrank Sommer kennt die Vehemenz, der sich seine Patienten gegen die Ustellung ihrer lieb gewonnenen Laswehren. Für die richtig harten Fälle haeinen Trick parat – der fast immer funkoniert: „Wenn ich den Männern erzähdass sie früher sterben oder mit groWahrscheinlichkeit einen Herzinfarktleiden, wenn sie nicht abnehmen, hösie mir meist gar nicht zu“, sagt Somm
und lacht. „Aber wenn ich ihnen erzähdass durch Abspecken auch der Sex bser wird, sind sie plötzlich ganz Ohr.
Jugendlichkeit, Vitalität, Männlichk– das ist es, was sich Männer von Testteron erhoffen. Dass dies aber keineeinfache Gleichung ist, hat Robin Harwährend seiner Forschungsarbeiten bfestgestellt. Seine Bevölkerungsstudschienen am Anfang tatsächlich die wläuge Meinung zu bestätigen, dass Ttosteron die Vitalität steigert. Denn seDatensätze offenbarten, dass Männer einem niedrigen Testosteronspiegel f
her sterben. Doch damit wollte sich Epidemiologe nicht zufriedengeben uforschte weiter. Tatsächlich zeigte sidass der niedrige Testosteronspiegel nicht der Verursacher der vielen Symtome ist, die den Mann ab 40 umtreib„Das Hormon ist vielmehr eine Art Bameter für den allgemeinen Gesundhezustand des Mannes“, erklärt Haringder Mann gestresst, zu dick oder kradann sinkt sein Testosteronspiegel. Isschlank, sportlich und entspannt, lisein Testosteronwert aller Wahrschelichkeit nach im Normalbereich – ga
unabhängig vom Alter. Deshalb amüsHaring die häuge Frage von Journaten und Bekannten, ob er seinen perslichen Testosteronwert denn schon messen habe. „Der Wert interessiert mnicht im Geringsten“, sagt der Forsch„Ich mache viel Sport, ernähre mich sund und fühle mich wohl – da erlauich mir einfach mal, auf einen exakLaborwert zu verzichten.“
SIMONE EINZMA
ausschüttet, beeinusst den Testosteron-spiegel negativ.
„Es ist also kein unausweichlichesSchicksal, dass der Testosteronspie-gel im Alter abfällt“, betont der Spe-zialist für Männergesundheit. Sportist ein natürlicher Testosteronbooster.Hier kommt es auf ein gesundes Maß
an. Mehr ist nicht automatisch besser.Allzu exzessives Muskelpumpen senktden Testosteronwert sogar. MaßvollerSport dagegen hebt den Spiegel an: Erbaut Stress ab, reduziert das gefährlicheBauchfett und regt die Durchblutung inden Hoden an. „Bei Männern, die im-mer nur auf der Couch sitzen, nimmt dieDurchblutung in den Hoden ab, und eskönnen dadurch einige der Testosteronproduzierenden Leydig-Zellen abster-ben“, erklärt Urologe Sommer.
Schon mit rund drei Stunden
Sport wöchentlich können Sie
Ihren Testosteronspiegel um
zehn Prozent steigern. Intervall-
training ist besonders geeignet.
Ausdauer: 5 Minuten langsam
joggen, dann 1 bis 2 Minuten
stark auspowern bis fast
zur maximalen Leistungsgrenze,
5 Minuten auslaufen, dann wie-
der maximale Belastung.
Insgesamt etwa 30 Minuten.Dreimal die Woche.
Kraft: Gewichte 7- bis 8-mal bis
zum absoluten Muskelversagen
stemmen. Eine kurze Pause
einlegen, dann wiederholen. Die
Gewichte sollten so gewählt
werden, dass nach 7 bis 8 Wie-
derholungen absolutes Muskel-
versagen erreicht wird. Insge-
samt 20 bis 30 Minuten. Dreimal
die Woche wiederholen.
Testosteron-Trainingsplan
ERKENNEN & HEILEN TESTOSTERO
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Die Heilungschancen beim Prostatakrebs sind hoch.
Welche Strategie am besten passt, ist auch eine Frage
der Persönlichkeit und der Arztwahl
Observieren oder
operieren
ERKENNEN & HEILEN PROSTATAKREBS
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F o t o s : P a t r i c k
L u x
f ü r F O C U S - G e s u n d h e i t
C
hirurg Hans Heinzer wird sei-nen Prostatakrebspatientenheute operieren, ohne ihn zuberühren. Er sitzt einige Meter
entfernt an der Wand; auf einem Bild-schirm vor sich sieht Heinzer Nerven-bündel, Muskelstränge und Blutgefäße– live übertragen aus dem Körper desPatienten. Zuvor haben Assistenten dieendoskopischen Instrumente des Robo-tersystems Da Vinci in das Operations-gebiet vorgeschoben. Ein Arm trägt Licht
und Kamera, andere Scheren und Klem-men. Heinzer bedient sie über kleineHebel, als würde er ein Videospiel steu-ern. Vorsichtig schält er Stück für Stückdie kranke Prostata heraus. Vor allem diefeinen Nerven rund um das Organ willer nicht verletzen. Drei Stunden dauertdie Prozedur. Patient Volkmar Neumannmerkt nichts davon. Er ist in Narkose. Imvorigen Jahr wurde bei ihm der Krebsdiagnostiziert.
Das Prostatakarzinom ist die häugsteKrebsart bei Männern. Zwischen 60 000und 70 000 neue Fälle gibt es jedes Jahrin Deutschland, etwa 12 000 Männer ster-ben. Nicht jeder Tumor ist gleich gefähr-lich. Kleine Karzinome, die nur langsamwachsen und das Organ nicht verlassen,verursachen womöglich nie Probleme.Solche, die schnell wachsen und im Kör-per streuen, sind lebensbedrohlich. FürÄrzte und Patienten ist diese Vielfalt eineHerausforderung: Jeder Fall verlangt
eine individuelle Herangehensweise. Jefrüher Ärzte den Tumor entdecken, destowahrscheinlicher bendet er sich nochim Anfangsstadium seiner Entwicklung.Dann stehen die Heilungschancen gut.Mehr als 90 Prozent der Patienten lebenfünf Jahre nach der Diagnose noch.
Für Betroffene mit einem lokal be-grenzten Tumor kommen mehrere The-rapien in Frage. Das Spektrum reicht vonder Entfernung der Prostata über die
Ferngesteuert
Die Arme des OP-
Roboters Da Vinci
werden am Patien-
ten platziert.
Große Monitore
zeigen, was im
Körper vorgeht
FOCUS-GESUNDHEIT
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Bestrahlung bis hin zur aktiven Überwa-chung. Die Wahl ist schwierig, denn esgibt nicht „die eine beste Methode“. Ak-tuell arbeiten Forscher daran, die The-rapien in einer Studie zu vergleichen.Bis es dort Ergebnisse gibt, müssen Arztund Patient für jeden Fall die individuellbeste Behandlung nden.
Volkmar Neumann ist die Entschei-dung nicht schwergefallen. Mit seinen63 Jahren fühlt er sich t und kräftig.„Mein Urologe sagte mir direkt, dass ichnicht an dem Krebs sterben werde. Dashat unheimlich gutgetan“, erzählt derHusumer. Trotzdem soll „das Ding“ raus.„Dann weiß ich, es ist gut. Ich muss mirkeine Gedanken mehr machen.“
Hätte er sich für eine andere Behand-lung entschieden, so wäre er heute mög-licherweise immer noch im Besitz seinerProstata. Keiner weiß, wie schnell derTumor gewachsen wäre und ob er über-haupt Probleme gemacht hätte.
„Wir haben keine Daten, die stichhaltigbelegen, dass eine der Therapieformenbesser oder schlechterist als die anderen“, sagtMichael Stöckle, Direk-tor der Klinik für Urolo-gie und Kinderurologieam Universitätsklini-kum des Saarlandes.
„Das bedeutet nicht,dass die Therapien nichtwirken – es fehlen nurlangfristige Untersu-chungsergebnisse.“
Stöckle ist Leiter der„Prefere-Studie“, derweltweit größten Studiezum lokal begrenztenProstatakarzinom. Etwa7600 Männer mit Pros-tatakarzinom sollen andem Forschungsprojektteilnehmen. Mindestens
13 Jahre wollen Forscherihre Gesundheit beobachten und analy-sieren. „Unser Ziel ist es, die Behandlungvon Prostatakrebs, speziell der Niedrig-Risiko-Variante, auf eine vernünftige Ba-sis zu stellen“, sagt Stöckle.
Für welche Therapie sich ein Betrof-fener entscheidet, hängt von mehrerenFaktoren ab. Am wichtigsten sind medi-zinischer Befund und der Status des Tu-mors. Kleine Karzinome, die nicht wach-sen und eher ungefährlich sind, werden
LagebesprechungAm Abend vor der OP begutach-
ten Chirurg Hans Heinzer (l.)
und Patient Volkmar Neumann
die MRT-Bilder der Prostata
anders behandelt als Tumoren, die schnell vergrößern und möglicherwMetastasen bilden. Blutwerte und webeproben geben darüber Auskun
Der PSA-Wert informiert über die zahl der prostataspezischen Antigim Blut. Ein einzelner hoher Wert mnichts Schlimmes bedeuten, er entsbeispielsweise auch durch eine Entzdung. Entscheidender sind die absoHöhe und der Verlauf – steigen die Wüber eine längere Zeit, schaut der Anoch einmal genauer nach. Ein PSA-ist nicht verpichtend. Kritikern zufondet der Test auch viele Tumoren,keine Behandlung benötigen. Eine greuropäische Studie mit über 180 000 Tnehmern zeigte allerdings, dass ein PScreening das persönliche Risiko, annem Prostatakarzinom zu sterben, 20 Prozent senkt.
Die Aggressivität einer Zelle sieht mihr unter dem Mikroskop an. ÄhneltGewebe einer gesunden Prostata oschon mehr einem Tumor? Patholo
halten die Entwicklim Gleason-Score fEin niedriger Wert sfür wenig aggresZellen.
„Neben dem TumStatus sind das A
und Begleiterkrankgen des Patienten wtige Faktoren“, erkProstatachirurg HHeinzer. Er ist Stelltretender Ärztlicher ter der Martini-Klidem Prostatakrebsztrum am Universitklinikum Hamburg-pendorf. „Deshalb mman jeden Fall indivell prüfen.“
Am Tag vor seiner
reist Volkmar Neumvon Husum nach Hamburg. In der Klgibt es letzte Untersuchungen: BlutteBetasten und Ultraschall der ProstMit Professor Heinzer bespricht er, am nächsten Tag passieren wird.
Der Arzt ist auf die nervenschoneProstataentfernung spezialisiert. Esolche OP ist nur möglich, wenn der mor rechtzeitig entdeckt wird und noch nicht auf das umliegende Gewerstreckt. Schon mehrere tausend M
Prozent beträgtdas Risiko fürMänner, anProstatakrebszu erkranken
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ERKENNEN & HEILEN PROSTATAKREBS
Quelle: Robert Koch-Institut
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FOCUS-GESUNDHEIT
Erektions-
nerven
hat Heinzer den Eingriff durchgeführt.Besondere Vorsicht ist bei den feinenNerven rund um die Prostata geboten.Werden sie verletzt, kann der Penis nichtmehr auf natürlichem Weg steif werden.
„Mit kleinen Scheren löse ich die Ner-ven von der Prostata ab und schiebe siebeiseite – ähnlich wie eine Orangen-schale“, sagt Heinzer. „Das ist für denOperateur anspruchsvoll. Schneidet erzu ach, bleiben nicht genug Nerven üb-rig. Schneidet er jedoch zu tief, bestehtdie Gefahr, dass von der Prostata zu vielim Körper bleibt – inklusive Tumor.“
Dank spezialisierter Zentren und ver-besserter Operationsmethoden sind dieKomplikationsraten für Patienten gesun-ken. Studien zufolge erlangen bei güns-tiger Ausgangslage etwa 70 Prozent derOperierten ihre Potenz innerhalb einesJahres zurück. Auch die Kontinenz bleibtbei über 90 Prozent gewahrt.
Um ihre Präzision noch zu steigern,nutzen einige Chirurgen das OP-SystemDa Vinci. Hochauösende Bildschirmezeigen detaillierte Gewebestrukturen,
Hanns-Jörg Fiebrandt hatte darkeine Lust. Seit 16 Jahren kennt heute 71-Jährige seine Diagnose Prtatakarzinom.
„Ich erinnere mich, als sei es gestgewesen“, sagt Fiebrandt. An einDonnerstag im Sommer 2000 infmierte ihn sein Urologe über den KreAm Montag darauf sollte die Prostsogleich herausoperiert werden. „Dging mir alles zu schnell“, so FiebranDer Berliner stürzte sich in eine Rechche. Informierte sich über Bücher uInternet und sprach mit Betroffenen
Selbsthilfegruppen. So erfuhr er aus eter Hand, wie es ist, operiert zu werdoder eine Bestrahlung zu bekommBerichte von Nebenwirkungen schreten ihn ab. Schließlich entschied sFiebrandt für einen anderen Weg: aktive Überwachung. Dabei wird Prostata nicht behandelt, aber stänbeobachtet.
Nichts tun bei einem Karzinom? „Esgefühlt kontraintuitiv“, räumt Kurt Mler, Präsident der Deutschen Gesell-
Prostatektomie – die Entfernung der Prostata
1 Eine Erektion ist Nerven-Sache.
Die sogenannten Nervi erigentes
laufen dicht an der Prostata vorbei.
Sie steuern den Bluteinstrom in
die Schwellkörper des Penis und
lösen so eine Erektion aus.
2 Bei der nervenschonenden
OP schützt der Chirurg die Erekti-
onsnerven, wenn sie nicht vom
Krebs befallen sind, um die Potenz
zu erhalten.
Vor der Prostatektomie
Ein Stück der Harnröhre verläuft
durch die Prostata und wird bei
der OP auch entfernt.
Nach der Prostatektomie
Die Harnröhre ist nach innen
gezogen und neu mit der Blase
verbunden. Der Penis ist nun
etwas kürzer.
die feinen Instrumente am Roboterarmlassen millimetergenaue Bewegungenzu. Für den Patienten bedeutet das: klei-nere Schnitte, weniger Blutverlust undeine schnellere Genesung.
Bereits einen Tag nach dem Eingriffkann Volkmar Neumann aufstehen. Amzweiten Tag geht er selbstständig du-schen. „Ich fühle mit jedem Tag ein biss-chen besser“, sagt er, erleichtert überden Verlauf seiner OP. „Den Krebs binich erst einmal los – das war für michdenitiv die beste Entscheidung.“
Für andere ist es die Strahlentherapie.
Sie zählt ebenfalls zu den Standardme-thoden bei lokal begrenzten Tumoren.Zumeist bestrahlen Radiologen die Pros-tata von außen. Es geht aber auch von in-nen: Bei der Brachytherapie setzen Ärztewinzige radioaktive Metallstäbchen, so-genannte Seeds, in die Prostata ein, wosie im Verlauf der folgenden Monate ihreStrahlung abgeben. Nebenwirkungen –etwa Impotenz oder eine Entzündungvon Blase und Darm – sind auch hiernicht auszuschließen.
Blase
Blase
Prostata
Prostata
äußererSchließmuskel
Harn-röhre
Hoden
Harnröhre
Schwellkörper
neue Verbindung
Schwellkörper
innererSchließm
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ERKENNEN & HEILEN PROSTATAKREBS
schaft für Urologie (DGU) und Direktorder Urologischen Klinik an der BerlinerCharité, ein. „Das Problem ist, dass vieleBetroffene denken, sie würden an Krebssterben. Aber das stimmt eben nicht.“
Prostatatumoren wachsen teilweisesehr langsam. Patienten können Jahr-zehnte leben, ohne etwas von dem Krebszu spüren. Ist der Tumor nicht zu großund nicht zu aggressiv, reicht eine aktiveÜberwachung.
Hanns-Jörg Fiebrandt ist ein Vorreiterdieser „Active Surveillance“, die 2000noch nicht zu den üblichen Behand-lungsstrategien zählte. Erst seit 2009steht sie als Alternative in den Leitlinienzur Behandlung des Prostatakarzinoms.
Wer sich dafür entscheidet, hat die
ersten zwei Jahre alle drei Monate eineKontrolluntersuchung bei seinem Urolo-gen. Der Arzt betastet die Prostata, fühltnach möglichen Veränderungen undVerhärtungen und macht Ultraschallbil-der. Er lässt den PSA-Wert im Labor prü-fen, bei Bedarf auch die Gleason-Skalaanhand einer Gewebeprobe. Wenn sichdie Werte stark verändert haben, bespre-chen Arzt und Patient das Vorgehen neu.
„Meine Werte sind sehr stabil“, be-richtet Fiebrandt. Zwar hat sich seinPSA-Wert inzwischen verdoppelt, seinGleason-Score ist aber weiter sehr nied-
rig. „Jedes dieser 16 Jahre, in denen ichohne Behandlung bin, ist ein Jahr vollerLebensqualität“, freut sich Fiebrandt.
Er leidet nicht unter Nebenwirkungenund kann sein Leben unbeschwert ge-nießen. Beim Angeln, Spazierengehenoder Golf – von seinem „Haustier Krebs“spürt er nichts. „Das bestätigt mich im-mer wieder in meiner Entscheidung.“
Nicht jeder Fall eignet sich für die ak-tive Überwachung. Neben den Tumor-werten spielt auch der Charakter des Be-troffenen eine Rolle. Zu wissen, dass einKrebsgeschwür in den eigenen Einge-
weiden schlummert, ist für manche Män-ner eine starke psychische Belastung.
Nicht so für Fiebrandt. Wenn er zurKontrolluntersuchung geht, ist er ent-spannt. Auch weil er sich viel in Selbst-hilfegruppen austauscht. „Das Wich-tigste ist, sich gut zu informieren. Ichfühle mich besser, wenn ich weiß, wasin meinem Körper vorgeht.“
Wer vor der Wahl „Operieren, bestrah-len, abwarten?“ steht, sollte sich Zeitnehmen. Tumorstatus sowie Vor- und
macht bösartige Karzinome in der Ptata deutlich sichtbar. Das hilft bei deragnostik. „Weil wir das kranke Gewendlich vor der Therapie sehen, könwir es gezielt behandeln“, sagt Schos
Dazu gibt es verschiedene Method„Die aus meiner Sicht am weitesentwickelte Technik ist die mit einhochfokussierten Ultraschall (HIFU)“der Urologieprofessor. Die Ultraschwellen erhitzen die behandelte Zone90 Grad Celsius. Dadurch sterben Krebszellen ab. Auch Kälte ist fürtödlich. Bei einer Kryotherapie zerstöKältenadeln den Tumor. Daneben gibweitere experimentelle Verfahren, emit Lasern oder elektrischem Strom
„Grundsätzlich können diese Tecken potenziell alle wirksam sein“, erkSchostak. „Wir benden uns aber nin einer frühen Phase und müssenerst in Studien testen.“ Eine seriösekale Therapie sei deshalb derzeit nuRahmen von medizinischen Forschunprojekten möglich.
Mehrere Universitätskliniken beligen sich aktuell an Studien, um fokale Therapie auf eine solide wsenschaftliche Basis zu stellen. MaSchostak leitet die Profocus-Studieder sechs Krebszentren in Deutschlteilnehmen. Ziel der Mediziner ist h
auszunden, ob die hochfokale Thermit HIFU Nebenwirkungen verursaund wie erfolgreich sie den Prostatakrbekämpft. Knapp 250 Patienten sind her behandelt worden. „Die Methist sehr gut verträglich und zeigt so wie keine Nebenwi