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FRIEDRICH - SCHILLER - UNIVERSITÄT JENA Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Institut für Sportwissenschaft
Masterarbeit im MBA-Studiengang Sportmanagement zur Erlangung des akademischen Grades Master of Business Administration (MBA)
Thema
Sponsoring im Behindertensport
Dargestellt an den Sponsoringaktivitäten der Otto Bock Healthcare GmbH im Vergleich zur Allianz Deutschland AG unter besonderer Berücksichtigung medialer Berichterstattung und dem Ziel der Entwicklung neuer Fördermodelle des Sports mit Handicap durch Kooperation von Sportverbänden, Medien, Privatwirtschaft und Politik.
Vorgelegt von Jens Heinrich Hubert M.A. geboren am 26.12.1978 in Hagen Matrikelnummer 115087 Betreuer und Erstgutachter: Prof. Dr. Bernd Wolfrum Jena, den 18.09.2011
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Inhaltsverzeichnis
I. Abbildungsverzeichnis
II. Abkürzungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................. 2
1 Einleitung .................................................................................................................. 7
1.1 Zielsetzung der Arbeit .................................................................................................. 7
1.2 Vorgehensweise ........................................................................................................... 8
2 Theoretische Grundlagen des Begriffs Sponsoring .................................................... 10
2.1 Begriff des Sponsorings ............................................................................................. 10
2.2 Sportsponsoring als ein Element des Marketing-Mix ................................................ 11
2.3 Der Sponsor und seine Marketingziele ...................................................................... 13
2.4 Das magische Dreieck aus Sport, Wirtschaft und Medien ......................................... 14
3 Sponsoring im Behindertensport .............................................................................. 16
3.1 Sponsoren: Markt mit Handicap ................................................................................ 16
3.2 Behindertensportsponsoring = Mäzenatentum, Corporate Social Responsibility oder
Sozialsponsoring? ................................................................................................................. 17
3.3 Chancen und Risiken beim Sponsoring im Behindertensport .................................... 19
3.4 Einzelsportlersponsoring im Behindertensport.......................................................... 22
3.5 Chancen und Risiken beim Sponsoring eines behinderten Testimonials ................... 24
4 Behindertensport in den Medien .............................................................................. 27
4.1 Grundsatzprobleme des Behindertensports in der medialen Verarbeitung .............. 27
4.2 Mediawerte der Paralympischen Spiele in Deutschland seit Sydney 2000 ............... 28
4.3 Mehr Realismus statt Emotionalismus! Peter Kaadtmann (ZDF) im Interview ......... 29
4.4 Ländervergleich: Die Medienarbeit des Comitê Paraolímpico Brasileiro (CPB)......... 34
4.5 Mediatrends am Beispiel der IPC Schwimm EM im Juli 2011 in Berlin ...................... 36
5 Das Fördermodell der Otto Bock Healthcare GmbH in Duderstadt ............................ 38
5.1 Nationales und Internationales Engagement im Behindertensport .......................... 38
3
5.2 Kommunikationsziele des Unternehmens im Sportsponsoring ................................. 40
5.3 Vergleich mit dem Behindertensportsponsoring der Allianz AG ............................... 43
5.4 Social Media Marketing Vergleich Otto Bock Healthcare GmbH vs. Allianz AG ....... 46
5.5 Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Sponsorings ......................................... 49
6 Politische Rahmenbedingungen und Visionen im Behindertensport ......................... 53
6.1 Grundsatzprogramm der Bundesregierung ............................................................... 53
6.2 Strukturplan 2011 – Spitzensport im DBS .................................................................. 56
6.3 Deutsche Sportpolitik auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention 2006 ........... 57
6.4 Sportpolitische Umsetzung der Inklusion am Beispiel des BSN ................................. 59
6.5 Politisch-gesellschaftliche Visionen im Behindertensport (Inklusion) ....................... 60
6.6 Fit für die Zukunft! Der DBS unter Friedhelm Julius Beucher ..................................... 64
7 Empfehlungen an Wirtschaft, Medien und Sport ...................................................... 67
7.1 Die Deutsche Sport Marketing als Kommunikationsmotor ....................................... 67
7.2 Empfehlungen an die Medien .................................................................................... 68
7.3 Empfehlungen an den organisierten Behindertensport ............................................ 72
7.4 Empfehlungen an die Wirtschaft ............................................................................... 73
8 Fazit und Ausblick auf die XIV. Paralympischen Sommerspiele 2012 in London ......... 74
III. Literaturverzeichnis
IV. Anhang
V. Eidesstattliche Erklärung
VI. Kurzversion
VII. Datenträger (Arbeit in digitaler Form, Daten)
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I. Abbildungsverzeichnis
1. Marketing-Mix und Kommunikationsmix, S.12
2. Das magische Dreieck des Sponsorings, S.15
3. Heinrich Popow, Otto Bock Testimonial, S.23
4. Mediawerte der Paralympischen Spiele in Deutschland seit Sydney 2000, S.28
5. IOC-Logo, S.33
6. IPC-Logo, S.33
7. Mediawerte spobox.tv bei IPC Schwimm Europameisterschaften in Berlin, 03.07.-
10.07.2011, S.36
8. Mediadaten TV bei IPC Schwimm Europameisterschaften in Berlin,
03.07.-10.07.2011, S.37
9. Eröffnung Snow Dome OBH bei den Paralympischen Winterspielen in Vancouver am
12.03.2010, S.39
10. Unterzeichnung neuer Fördervertrag OBH und DBS am 17.03.2010 im Deutschen
Haus Vancouver, S.40
11. Informal Press Meeting Otto Bock Science Center mit IPC und LOCOG am 23.02.2011,
S.42
12. Allianz Werbungen, S.45
13. Facebook Mitglieder in Deutschland, Stand 08/2011, S.47
14. Social Media Portale: Nutzung durch Unternehmen (prozentualer Anteil), S.47
15. Reperatur einer Athletenprothese im Otto Bock Service Center bei den
Paralympischen Sommerspielen 2008 in Peking, S.51
16. Gelder BMI an Leistungssport der Menschen mit Behinderung, 2006-2009, S.54
17. Jaques Rogge (IOC), Friedhelm Julius Beucher (DBS) und Sir Philip Craven (IPC), S.66
18. Friedhelm Julius Beucher und Sebastian Kessler, S.66
19. Die Gewinner des Paralympic Media Award 2010 mit Gregor Doepke (DGUV), S.70
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II. Abkürzungsverzeichnis
Abb. (Abbildung)
Abbreviatur (lateinisch: Abkürzung)
Ad acta (lateinisch: zu den Akten legen)
AG (Allianz Deutschland Aktiengesellschaft in Allianz SE Holding)
Allianz SE Holding (lateinisch: Societas Europaea; Europäische Aktiengesellschaft)
BGG (Behindertengleichstellungsgesetz)
BMI (Bundesministerium des Innern)
BSN (Behindertensportverband Niedersachsen e.V.)
CAS (englisch: Court of Arbitration for Sport in Lausanne, Schweiz)
CPB (portugiesisch: Comitê Paraolímpico Brasileiro)
CSR (englisch: Corporate Social Responsibility)
DBS (Deutscher Behindertensportverband e.V.)
DFB (Deutscher Fußball Bund e.V.)
DFL (Deutsche Fußball Liga GmbH)
DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V.)
DRS (Deutscher Rollstuhl-Sportverband e.V.)
DSM (Deutsche Sport Marketing GmbH)
Ebd. (Ebenda, Zitat-Verweis auf vorher bereits verwendete Literaturangabe)
EM (Europameisterschaft)
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Etc. (lateinisch: Et cetera, Abbreviatur „und so weiter“)
FASPO (Fachverband für Sponsoring und Sonderwerbeformen e.V.)
I.d.F. (Abbreviatur: „In der Fassung“…)
IOC (englisch: International Olympic Committee)
IPC (englisch: International Paralympic Committee)
LOCOG (englisch: London 2012 Organising Committee of the Olympic and
Paralympic Games)
MESZ (Mitteleuropäische Sommerzeit)
NBV (Niedersächsicher Basketballverband e.V.)
OBH (Otto Bock Healthcare GmbH in der Otto Bock Holding GmbH & Co.KG)
Pay TV (englisch: Pay television; privates Bezahlfernsehen)
SP im BMI (Die Abteilung SP im Bundesministerium des Innern ist zuständig für
die Angelegenheiten der Spitzensportförderung)
U.a. (Abbreviatur: „unter anderem“)
USP (englisch: Unique Selling Proposition, Alleinstellungsmerkmal)
VGL. (Abbreviatur: „vergleiche“…)
V. r. n. l. (Abbreviatur: „von rechts nach links“)
Z.B. (Abbreviatur: „zum Beispiel“)
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1 Einleitung
1.1 Zielsetzung der Arbeit
Der Behindertensport in Deutschland zwischen Breitensport und paralympischer Spitze ist
gesamtgesellschaftlich ein wenig beachtetes Thema und findet in der
Medienberichterstattung kaum statt. Insbesondere in den zwei Jahren zwischen den
jeweiligen Paralympischen Spielen gibt es sehr wenig mediale Aufmerksamkeit für die,
gerade im Hochleistungssport mit Handicap, teilweise herausragenden Leistungen der
deutschen Sportler bei nationalen und internationalen Wettkämpfen.
Als ich im Jahre 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen am Tag des 100m-Finales der
Herren im Stadion sein (mit einer Reisegruppe der Deutschen Olympischen Gesellschaft
Südniedersachsen) und im Vorlauf ein 800m Rennrollstuhl-Demonstrationswettbewerb
paralympischer Athleten vor ausverkauften Rängen selbst miterleben durfte, war ich
fasziniert von der Power und Ausstrahlung dieser Sportler. Bereits damals habe ich mich
gefragt, warum die Olympischen und Paralympischen Spiele nicht miteinander kombiniert
werden. Im Jahre 2006 konnte ich im Sportstadion Duderstadt, neben der Konzernzentrale
der Otto Bock Healthcare GmbH (im Folgenden OBH genannt), das Einladungs-Sportfest
Paralympic Challenge miterleben und sehen, wie sich gehandicapte Athletinnen und
Athleten in diversen Disziplinen hart aber fair bekämpften. Das hat mich tief beeindruckt. Als
sportlich sehr interessierter Mensch und Medienrezipient waren die Paralympischen Spiele
2008 in Peking für mich wie eine Kehrtwende in der Wahrnehmung des Behindertensports.
Das öffentlich-rechtliche, und in Teilen auch das private Fernsehen (RTL), zeigten erstmalig
über den jeweiligen Tag verteilt 2 Stunden an Live-Wettkämpfen und Zusammenfassungen
und bescherten den Sendern Zuschauerquoten von bis zu 1,60 Mio. Zuschauern und 13,1%
Marktanteilen (vgl. Abb.4 in Kap. 4.2). Heute, im September 2011, stehen die XIV.
Paralympischen Sommerspiele 2012 in London vor der Tür.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand der Sponsoringaktivitäten der Otto Bock
Healthcare GmbH (ein Geschäftsbereich der Otto Bock Holding) aus Duderstadt und der
Allianz Deutschland AG (ein Geschäftsbereich der Allianz SE) aus München, den Behinderten-
Sportsponsoring-Markt in ganz Deutschland und ermittelt die einflussreichsten Akteure und
ihre Funktionen. Unter besonderer Berücksichtigung der medialen Situation des Sports mit
8
Handicap wird zudem die These untersucht, ob der positive Aufwärtstrend in der
Medienberichterstattung seit den Paralympischen Sommerspielen 2008 in Peking weiter
anhält und ob ein zukünftiges Sponsoring-Engagement für interessierte Unternehmen
empfohlen werden kann oder nicht. In diesem Zusammenhang wurde die Medienarbeit des
Brasilianischen Paralympischen Komitees (CPB) als internationaler Vergleichsfaktor zum
Deutschen Paralympischen Komitee untersucht. Darüber hinaus soll die Arbeit zeigen, wie
sehr Privatwirtschaft, Politik, Medien und organisierter Sport im System Behindertensport
miteinander verknüpft sind, untersucht den sportpolitischen Umsetzungsstand der UN-
Behindertenrechtskonvention (Inklusion vgl. Kap. 6.3f) und folgert anhand der
Untersuchungen dieser Arbeit Empfehlungen, wie diese Akteure den Behindertensport von
der Breite bis in die internationale Spitze gemeinsam positiv beeinflussen können. Die Arbeit
endet mit einem Fazit zur aktuellen Situation des Behindertensports (inklusive aller Vorträge
und Expertisen des Symposiums zur 60. Jahresfeier des DBS vom 08.09.-09.09.2011 in Berlin)
und gibt einen kurzen Ausblick auf die XIV. Paralympischen Sommerspiele in London 2012.
1.2 Vorgehensweise
Die Recherchen für die vorliegende Masterarbeit begannen bereits im Sommer 2010. Nach
dem Festlegen des Themas der Arbeit, ersten Gesprächen mit der OBH und der endgültigen
Zusage Ihrer Betreuung, habe ich mir in den nächsten Monaten einen genauen Überblick
über alle Themengebiete des Sponsorings im Behindertensport in Deutschland und weltweit
verschafft. Sehr schnell wurde klar, dass zu diesem Thema selbst in den großen
Universitätsbibliotheken in Jena und Göttingen sehr wenig Literatur zu finden war/ist. Um
den praktischen Teil der Arbeit aktuell und fundiert schreiben zu können, habe ich im ersten
Schritt auf die Internetrecherche zurückgegriffen, Themengebiete zuerst mit der OBH und
später mit der Allianz Deutschland AG abgestimmt, sowie Kontakte zu den wichtigsten,
nationalen Akteuren des Systems Behindertensport herstellen können.
Als ganz besonders wichtig stellte sich in den folgenden Monaten das Recherchemittel der
persönlichen Gespräche heraus (persönliche Experteninterviews), die mich in die Lage
versetzten, aus erster Hand zu erfahren, was die Experten aus Wirtschaft, Politik,
Sportverbänden und Medien für Positionen zur Verbesserung der Akzeptanz des
Behindertensports in der Gesellschaft sowie zur Steigerung der Medienresonanz des Sports
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mit Handicap vertreten. Diese persönlichen Interviews führten mich innerhalb eines Jahres
einmal quer durch Deutschland und haben mich in meinen Thesen oftmals bestärkt, aber
viele Ideen auch als nicht durchsetzbar wieder ad acta legen lassen. Ohne Namen nennen zu
wollen, erwiesen sich einige wenige Kontakte für mich als enttäuschend, da sie mit vielen
Worten nicht viel zu sagen hatten. Den überwiegenden Teil meiner Gesprächspartner habe
ich als sehr kompetent und hoch engagiert wahrgenommen, der mir gerne Rede und
Antwort stand. Man zeigte sich mir gegenüber offen und hilfsbereit.
Als besonders inspirierend möchte ich an dieser Stelle einige Kontakte hervorheben, die mir
sehr weiterhelfen konnten. Peter Kaadtmann, Sportredakteur beim ZDF in Mainz und
Teamleiter der Redaktionen von ARD und ZDF für die Paralympischen Sommerspiele 2012 in
London, konnte ich mehrmals telefonisch, sowie zweimal persönlich in Mainz und Berlin
konsultieren und sein sehr wertvolles Feedback aus Sicht der übertragenden TV-Sender
erhalten. Kaadtmann war bereits bei den erstmalig im deutschen Fernsehen übertragenen
Paralympischen Sommerspielen 2000 in Sydney vor Ort und gilt deutschlandweit als der
Experte für die Entwicklung der Paralympischen Fernsehresonanz in Deutschland. Ohne ihn
wäre ein Kontakt zum Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes (im
Folgenden DBS genannt), Friedhelm Julius Beucher, wohl nicht zu Stande gekommen, den ich
am 17.08.2011 interviewen durfte und als sehr innovativen Verbandspräsidenten
wahrgenommen habe (vgl. Kap. 6.6).
Simon Drühmel, Head of Business Development Paralympics von der Deutschen Sport
Marketing (DSM) in Frankfurt, habe ich als äußerst kompetenten Gesprächspartner in
Erinnerung behalten, der mir zudem wichtige Forschungsergebnisse zum Thema
Behindertensport und aktuelle Mediawerte zur Verfügung gestellt hat.
Anthony Kahlfeldt, ehemaliger Kommilitone an der Georg-August-Universität Göttingen und
heutiger Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Rollstuhlsport-Verband e.V. (DRS),
hat mir regelmäßig wertvolles Feedback auf meine Ideen gegeben. Vielen Dank!
Meine besondere Dankbarkeit gilt jedoch der Otto Bock Healthcare GmbH in Duderstadt,
beginnend bei Herrn Dr.-Ing. Michael Hasenpusch und Herrn Dr. Helmut Pfuhl, sowie
insbesondere Herrn Dirk Artmann, dem Leiter der Unternehmenskommunikation, für seine
tatkräftige Unterstützung meiner Arbeit. Die OBH ist Weltmarktführer im Bereich Prothetik
und Orthetik, Co-Förderer des DBS und seit Jahrzehnten Förderer des internationalen
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Behindertensports und seiner Interessensvertretungen sowie „Worldwide Partner“ des
International Paralympic Commitee (IPC) in Bonn. Durch sein Produktportfolio und seine
Geschichte hat das Unternehmen eine natürliche Partnerschaft zu Menschen mit Handicaps.
Es gibt weltweit definitiv kein Unternehmen, welches meine Arbeit besser hätte beraten und
inspirieren können.
2 Theoretische Grundlagen des Begriffs Sponsoring
2.1 Begriff des Sponsorings
Sponsoring bedeutet Förderung, etwas oder jemanden als Sponsor zu bestimmten Zwecken
zu fördern. Ein solches Sponsoring kann in verschiedenen Bereichen zum Tragen kommen,
beispielsweise in Form eines Sportsponsorings (Fußball, Formel 1, Boxen, Tennis etc.), eines
Sozialsponsorings (Unterstützung sozialer Organisationen wie Rotes Kreuz, Deutsche Krebs
Hilfe, AIDS-Hilfe), eines Umweltsponsorings (Natur-und Landschaftsschutz, Pflanzen-und
Gewässerschutz), eines Wissenschafts-, insbesondere Hochschulsponsorings (Unterstützung
von Forschungsprojekten, Gründung eigener Institute), eines Kunstsponsorings (Museen,
Theater, Musik) oder auch des Medien-, insbesondere des Programmsponsorings
(Präsentation von Fernseh- und Hörfunksendungen durch Exklusivsponsor mit Nennung vor
und nach der Sendung, vgl. Brüne 2008, S.138).
Bei der Literaturrecherche war signifikant, dass es zum Begriff Sponsoring viele Definitionen
gibt, aber nur sehr wenige den exakten Kern der Sache beschreiben. Einige Definitionen
beziehen sich tendenziell eher auf das Spendenwesen, andere eher auf das Mäzenatentum
(vgl. Kap. 3.2) und wieder andere Definitionen sind nicht präzise genug. Trotz diverser
Unterscheidungsmöglichkeiten des Sponsorings gelingt es Bruhn am ehesten, den Begriff
des Sponsorings umfassend aber eindeutig zu definieren. Laut Bruhn bedeutet Sponsoring
die „Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der
Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Unternehmen
und Institutionen zur Förderung von Personen und/oder Organisationen in den Bereichen
Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und/oder den Medien unter vertraglicher Regelung der
Leistung des Sponsors und Gegenleistung des Gesponserten verbunden sind, um damit
gleichzeitig Ziele der Marketing- und Unternehmenskommunikation zu erreichen“
11
(Bruhn 2010, S.6f). Desweiteren definiert er sechs Merkmale des Sponsorings, die allen
Sponsoringaktivitäten gleich sein sollen:
1) Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Der Sponsor setzt eine Leistung ein in
Erwartung einer Gegenleistung des Gesponserten.
2) Der Fördergedanke des Gesponserten steht beim Sponsoring dennoch im
Vordergrund, „da sich der Sponsor auch inhaltlich mit den Aufgaben des
Gesponserten identifiziert“ (Bruhn 2010, S.7).
3) Sponsoring erfüllt eine kommunikative Funktion, die über die Medien transportiert
wird.
4) Ein systematischer Planungs-, Entscheidungs –und Controllingprozess muss das
Sponsoring begleiten um erfolgreich sein zu können.
5) Der Imagetransfer ist im Sponsoring von großer Bedeutung und soll das positive
Image des Gesponserten auf den Sponsor übertragen.
6) Sponsoring ist Teil der Integrierten Kommunikation eines Unternehmens und somit
im Marketing-Mix eingebettet und nicht isoliert zu betrachten (vgl. Bruhn 2010, S.7f).
2.2 Sportsponsoring als ein Element des Marketing-Mix
Sponsoring ist ein Element der Kommunikationspolitik im Marketing-Mix eines
Unternehmens. Das Lexikon der Betriebswirtschaft definiert dazu: „Unter Marketing-Mix
versteht man die Kombination und Abstimmung der verschiedenen Marketinginstrumente.
Unter Marketinginstrumenten versteht man Maßnahmen, die der Realisierung der
Marketingziele dienen. Bekannt ist die Einteilung in Produkt-, Distributions-, Konditionen-
und Kommunikationspolitik, die auch als 4 P-Modell (Product, Place, Price, Promotion)
bezeichnet wird. Den kombinierten Einsatz dieser Instrumente bezeichnet man als
Marketing-Mix“ (Thommen 1999, S. 349).
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(Abb. 1: Marketing-Mix und Kommunikationsmix, in: Roth 1992, S.46)
Sportsponsoring setzt also im Bereich der Kommunikation an. Nach Preuß ist das Sponsoring
im Sport „vor allem ein integratives Instrument der Kommunikationspolitik. Unternehmen
erreichen ihre Zielgruppen durch das Sponsoring nur, wenn sie als Sponsor zunächst die
Rechte am Gesponserten erworben haben und sich dann mit Hilfe der klassischen
Instrumente präsentieren oder in die Botschaft des Sports integrieren“ (Preuß 2005, S.277).
Das Sportsponsoring kann somit viele Ausprägungen haben. Babin unterscheidet drei
Kategorien, in denen Sportsponsoring stattfinden kann.
1) Sponsoring von Sportarten mit einer hohen Medienpräsenz (Fußball, Formel 1,
Boxen)
2) Sponsoring gemäß der Organisationsform im Spitzensport. Emotionen werden über
Einzelsportler transportiert, Teamgeist über Mannschaften, Stimmung durch Events
etc.
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3) Nach der Leistungsebene: Vom Breitensport bis zum Spitzensport, in dem
üblicherweise Sportsponsoring stattfindet (Babin in Preuß 2005, S.277)
Der besondere Stellenwert des Sports in der Gesellschaft ist zudem gegeben und bietet ein
angenehmes Umfeld um Werbebotschaften zu kommunizieren. Unternehmen können bei
einem Sportevent in einer emotional positiv bewerteten Situation Ihre Zielgruppen
ansprechen. Desweiteren genießt der Sport, insbesondere wenn er in den Medien stark
repräsentiert ist, eine breite Aufmerksamkeit in der Bevölkerung und hat somit eine hohe
Kontaktqualität für die Unternehmen bei der Übermittlung von Werbebotschaften an
potentielle Kunden. Durch die Vielzahl an verschiedenen Sponsoringmöglichkeiten im Sport
(beispielsweise Erwerben der Namensrechte (Naming Right), Hauptsponsoring, Co-
Sponsoring, Einzelsportler-Sponsoring etc.) können sich Unternehmen zudem sehr gut von
Wettbewerbern differenzieren und Alleinstellungsmerkmale (Unique Selling Propositions,
USP´s) in der Wahrnehmung der Konsumenten erarbeiten.
2.3 Der Sponsor und seine Marketingziele
Hat ein Unternehmen dann eine Entscheidung bezüglich eines Engagements im
Sportsponsoring getroffen, so gilt es nun die vorher! definierten Kommunikations- und
Marketingziele gemäß des ausgehandelten Vertrags begleitend zu erarbeiten und somit dazu
beizutragen, „die bestehenden Oberziele der Marketing- und Unternehmenskommunikation
zu erreichen“ (Bruhn 2010, S.113). Marketingziele für ein Sponsoring im Sport von
Unternehmen können sein:
Steigerung des Bekanntheitsgrades
Generierung eines positiven Imagetransfers des Sports auf das Unternehmen
Ansprache spezieller Zielgruppen (Neukundenakquise) in emotional positiv
besetztem Umfeld
Generelle Verkaufsförderung (Sales Promotion)
Nutzung medialer Aufmerksamkeit zur Kommunikation eigener
Werbebotschaften
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Psychologische Ziele wie Kundenbindung und Stärkung der Kundenzufriedenheit,
Lieferantenpflege und Mitarbeitermotivation
2.4 Das magische Dreieck aus Sport, Wirtschaft und Medien
Sponsoring dient heute dem Zweck der Unternehmenskommunikation in Bereichen, die
immer mehr mit den Freizeitinteressen der Bevölkerung einhergehen. Sportevent-
Veranstalter werden diesen Bedürfnissen durch Ihre Events gerecht und sind an der
Erfüllung ihrer Aufgabe als Ausrichter interessiert. Dazu benötigen sie aber in der Regel hohe
Finanzbudgets, die durch Vertragspartner aus der Wirtschaft über Sponsorengelder erlöst
werden. Sportveranstaltungen generieren wiederum ab einem gewissen Niveau ein hohes
Publikumsinteresse und somit auch ein mediales Interesse. Medien übertragen das, was das
breite Publikum zu sehen wünscht, denn ihr Interesse liegt in hohen Einschaltquoten und
einer hohen Reichweite begründet. So ist es heutzutage normal, dass sich verschiedene
Fernsehanstalten um die werbe- und publikumswirksamsten Sportarten wie beispielweise
die Übertragung der Fußball Bundesliga, der Champions League oder der Formel 1
regelmäßig ein Wettbieten um die Übertragungsrechte liefern.
Die Gründe sind eindeutig. Publikumsstarke Sportangebote regelmäßig zu übertragen ist für
die Fernsehsender ein durch die Rezipienten positiv besetztes Alleinstellungsmerkmal
gegenüber der medialen Konkurrenz. Die Wirtschaft wiederum nutzt das positiv besetzte
Erlebnisumfeld einer Sportveranstaltung durch ein Sponsoring dazu, in den Medien
präsenter zu sein, eigene Zielgruppen anzusprechen sowie den eigenen Bekanntheitsgrad zu
erhöhen. Dies gelingt beim Zuschauer über den Transfer vom Sport auf seine Sponsoren.
Abb.2 zeigt das System von Sport, Medien und Wirtschaft.
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(Abb. 2: Das magische Dreieck des Sponsorings, in: Bruhn 1998, S.26)
Alle drei Partner haben zwar unterschiedliche Interessen, bedingen und ergänzen sich aber
gegenseitig im „Magischen Dreieck des Sports“ zu einem erfolgreichen System.
Sportsponsoring bedeutet für die Wirtschaft also nicht nur das Ausgeben von Geld, sondern
ist eher als Investition in Marketingziele und somit letztlich in ökonomische Ziele zu
verstehen. Die Medien profitieren aufgrund der hohen Nachfrage an Sportberichterstattung
an Auflage, Zuschauerquoten und bei den Refinanzierungsmöglichkeiten ihrer eigenen
Produktionskosten durch Anzeigenverkäufe (Printmedien, Internet) sowie durch
Werbeinnahmen (Fernsehspots, Radio-Jingles). Der Eventausrichter wiederum kann dem
Zuschauer, den Medien und der Wirtschaft durch seine Werbeinnahmen ein attraktives
Sportangebot machen und so helfen sich alle Partner in diesem System gegenseitig.
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3 Sponsoring im Behindertensport
3.1 Sponsoren: Markt mit Handicap
Das traditionelle Sportsponsoring der Wirtschaft in Deutschland bezieht sich zum
überwiegenden Teil auf den Fußballmarkt. Hier gibt es die besten Feedbackwerte in den
Medien zu erwarten. Doch seit einigen Jahren kommt in der Berichterstattung über den
Behindertenhochleistungssport, insbesondere über die Paralympischen Spiele, etwas in
Bewegung. Das gestiegene Medieninteresse ruft Unternehmen auf den Plan, die Sportler mit
Handicap als Werbezielgruppe für sich neu entdecken. Neben den beinahe schon
traditionellen Förderern des Behindertensports in Deutschland, wie Otto Bock und der Bayer
AG, kommen seit einigen Jahren neue Firmen in den Kreis der Unterstützer hinzu.
Einer Initiative des damaligen Bundespräsidenten Hörst Köhler im Jahre 2006 ist es
beispielsweise zu verdanken, dass sich die Allianz AG und die Deutsche Telekom AG als
Förderer des sogenannten „TOP TEAMS“ engagieren. Köhler hatte damals die
Vorstandsvorsitzenden zu einer Reise zu den Paralympischen Winterspielen 2006 in Turin
eingeladen und durch seine direkte Ansprache beide Unternehmen für ein zukünftiges
Engagement gewinnen können. Begeisternde Leistungen der Athleten (insgesamt 18
Medaillen und Platz 2 in der Nationenwertung) gaben eine weitere Entscheidungshilfe
zugunsten des TOP TEAMS, dessen Grundidee ganz einfach beschrieben werden kann.
Um den Spitzenathleten mehr Zeit für das Training zu geben, können sich die Sportler, die in
den allermeisten Fällen berufstätige Sportler sind, für die Hälfte ihrer Arbeitszeit vom
Arbeitgeber freistellen lassen. Dieser erhält im Gegenzug eine Kompensationszahlung von
maximal 1500€ monatlich. Darüber hinaus erhalten die Athleten (im September 2011 laut
DBS offiziell 52 Mitglieder) eine Grundförderung von 200€ monatlich und haben zudem die
Möglichkeit, sich bis zu 6000€ pro Jahr für die Anschaffung neuer Sportgeräte
zurückerstatten zu lassen. Die Auszahlungen erfolgen über die Stiftung Deutsche Sporthilfe
(Institutioneller Förderer DBS).
Immer mehr deutsche Konzerne entdecken die gehandicapten Sportler als gesellschaftliche
Vorbilder, die dem Konzern sehr positive Imagewerte und folglich eine hohe
gesellschaftliche Akzeptanz verschaffen. Zum Förderpool des DBS gehören im September
2011 folgende Unternehmen:
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Otto Bock Healthcare GmbH ( „Worldwide Partner“ IPC, Co-Förderer DBS)
Allianz SE (TOP TEAM, Nationaler Förderer DBS, acht Nationale Paralympische
Komitees, „International Partner“ IPC)
Bayer AG (Co-Förderer DBS, Bayer 04 Leverkusen)
Deutsche Telekom AG (TOP TEAM, Nationaler Förderer DBS)
Deutsche Bahn AG (Jugend trainiert für Paralympics, Mobil mit Handicap, Co-
Förderer DBS)
ABDA, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Nationaler
Förderer DBS, während der Paralympischen Spiele 2008 in Peking 3 Mio. Flyer
im deutschen Filialnetz)
Lufthansa AG (Co-Förderer DBS, Official Carrier Services)
Audi AG (Nationaler Förderer DBS, Shuttle Services bei Paralympischen
Spielen)
3.2 Behindertensportsponsoring = Mäzenatentum, Corporate Social Responsibility
oder Sozialsponsoring?
Ein Mäzen fördert Kunst, Kultur, Wissenschaft oder auch Personen auf rein freiwilliger Basis,
hat keine geschäftliche Nutzenerwartung seines Engagements und möchte sogar häufig
ungenannt bleiben. Corporate Social Responsibility (CSR) beschreibt die soziale, ökologische
oder gesellschaftliche Verantwortungsübernahme von Unternehmen durch Zuwendungen
an gemeinnützige Institutionen, an soziale oder ökologische Projekte in Verbindung mit der
Kommunikation dieser Aktivitäten in der Öffentlichkeit. Sozialsponsoring kommt
beispielsweise Institutionen oder Personen zu, die sich für Kindergärten, humanitäre
Probleme oder für behinderte und kranke Menschen einsetzen. Bei genauerer Betrachtung
ist eine eindeutige Abgrenzung zwischen diesen Bereichen nur sehr schwer möglich und
folglich ist eine exakte Zuordnung des Behindertensportsponsorings ebenfalls schwierig.
Diese Feststellung hat sich auch in persönlichen Gesprächen mit
Kommunikationsverantwortlichen der unter 3.1 genannten Unternehmen bestätigt. Bei
Firmen wie der Telekom, Audi, Lufthansa, der Allianz oder der Deutschen Bahn, die in ihren
bisherigen Sportsponsoring-Portfolios schwerpunktmäßig eher auf Fußball, Radsport, Golf
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oder die Formel 1 (bzw. Motorsport) gesetzt haben und immer noch setzen, steht der CSR-
Gedanke im Vordergrund. Das zu den erwähnten Sportarten vergleichsweise sehr günstige
Sponsoring des Behindertensports, hat jedoch längst nicht diese mediale Reichweite,
transferiert dafür aber auf seine Unterstützer den gesellschaftlich sehr hoch angesehenen
Imagewert sozialer Verantwortungsübernahme.
Eine ähnliche Aussage kann für einen Partner wie die ABDA getroffen werden, die sich erst
mit dem gestiegenen Medieninteresse seit 2008 für den Sport mit Handicap als
Werbeplattform interessiert. Anders gelagert sind die Engagements der OBH, der Bayer AG
oder im olympischen Bereich von Bauerfeind zu sehen. Diese Unternehmen kommen aus
dem medizinisch-technischen Healthcare-Bereich und haben somit eine starke, natürliche
Partnerschaft (Affinität) zum Thema Behinderungen, Rehabilitation, Prävention und somit
auch zum Behindertensport. Insbesondere Firmen wie die OBH, die sich bereits seit über drei
Jahrzehnten als Förderer des IPC´s und des deutschen Behindertensports engagiert, oder die
Bayer AG, die ebenfalls seit Jahrzehnten im werkseigenen Club Bayer 04 Leverkusen den
paralympischen Nachwuchs ausbilden und über die Otto-Grünwald-Stiftung Gelder an
engagierte Vereine/Menschen im Breitensport zukommen lässt. Die Deutsche Gesetzliche
Unfall Versicherung (DGUV), die seit 2003 in diesem Bereich sehr engagiert arbeitet und
aktuell das Filmprojekt „Gold“ auf dem Weg zu London 2012 in Kooperation mit Spiegel TV
Media und dem ZDF verwirklicht (www.du-bist-gold.de), ergänzt neben der Allianz als
Versicherer, mit branchenaffinem Bezug zu verletzten oder behinderten Menschen, den Pool
engagierter Förder des Behindertensports. Durch diese Partnerschaften werden den
Unterstützern in der Bevölkerung hohe Akzeptanzwerte für ihr Sponsoring bescheinigt und
ihre Namen mit dem Behindertensportsponsoring in Verbindung gebracht. Gemäß der
Studie „Marken des Sports 2009“ von SPORT + MARKT aus dem Oktober 2009, liegen die
Akzeptanzwerte für im Behindertensport engagierte Unternehmen sehr hoch. „So ist ein
Großteil (92%) der sportinteressierten TV-Zuschauer der Meinung, dass es wichtig und
sinnvoll ist, dass sich Unternehmen im Behindertensport engagieren. Zudem wird diesen
Unternehmen eine steigende Sympathie bescheinigt (78%), während ein hoher Anteil von
33% die Produkte dieser Unternehmen häufiger kaufen würde“. (Anhang: vgl. Studie 2, S.82).
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Um von diesem positiven Imagetransfer vom Sport auf die Wirtschaft durch strategische
Marketingarbeit weiter ökonomisch zu profitieren, gab der DBS seine strategische
Kommunikationsarbeit im Oktober 2007 per Lizenzvertrag (DBS bleibt Supervisor) in die
Hände der Deutschen Sport Marketing in Frankfurt. Ziel der Vereinbarung ist es, neben den
bisherigen Förderern weitere Unternehmen für eine längerfristige Kooperation mit dem
Verband zu gewinnen und mehr Aufmerksamkeit für die Belange des Behindertensports in
der Öffentlichkeit zu schaffen. Der derzeitige Anteil der Sponsorengelder beim Verband
beträgt ca.20% und soll deutlich ausgebaut werden (laut Aussage DSM aktuell in
Gesprächen). Die Ausgangssituation dafür ist gut: Der Behindertensport verfügt über ein
sehr gutes Image in der Gesellschaft (vgl. Studie 2, Akzeptanz von CSR im Behindertensport)
und die gesellschaftliche Wertschätzung der sportlichen Leistungen der Athleten ist sehr
hoch. Die DSM macht es sich daher zur Aufgabe, die Einbindung des
Behindertensportsponsorings der Unternehmen in ihre eigene Kommunikationspolitik (vgl.
Kap. 2.2) anzuregen. Eine Voraussetzung dafür ist natürlich das erfolgreiche Abschneiden der
Sportler bei den Paralympischen Spielen sowie ihre Visualität in den Medien und der
Öffentlichkeit. Da dies aber noch viel zu selten der Fall ist, mangelt es selbst im Spitzensport
mit Handicap, insbesondere im Nachwuchsbereich, an Sponsorengeldern um eine
langfristige Aufbauarbeit in hoher Ausbildungsqualität anbieten zu können.
Private Trainingsinitiativen, wie die ehemaliger Spitzensportler mit Handicap, beispielsweise
von Heinrich Köberle (Handbike), Gerd Bleidorn (Sledge-Eishockey), Karl Lotz und Gerda
Pamler (Ski alpin) etc., sind daher absolut bewunderns- und begrüßenswert, können aber
nicht die Versäumnisse der Sportpolitik in den letzten Dekaden beim Ausbau einer
adäquaten, flächendeckenden, paralympischen Trainingsinfrastruktur aufholen.
Insbesondere die Eliteschulen des Sports müssen hier mehr in die Verantwortung
genommen werden.
3.3 Chancen und Risiken beim Sponsoring im Behindertensport
Behindertensportsponsoring in Deutschland ist im Jahre 2011 im Vergleich zum Sponsoring
von Fußball, von Boxen oder der Formel 1, noch immer deutlich risikobehafteter aus der
Sicht eines interessierten Privatunternehmens zu bewerten. Die Deutsche Fußball Liga (DFL)
beispielsweise hat langfristige Medienverträge mit den öffentlich-rechtlichen
20
Fernsehanstalten sowie mit sky und t-online als Pay-TV-Anbietern. Inklusive der Erst- und
Zweitverwertung sowie Live-Übertragungen aus der 2. Bundesliga und Champions League
kann man in Deutschland jeden Wochentag in der Saison Fußball im TV sehen. Zudem ist der
Fußball seit Jahrzehnten Volkssport Nummer eins, weltweit und bei uns in Deutschland. Die
Formel 1 boomt wieder, abgesehen von einer kurzen Durststrecke nach der ersten Ära
Michael Schumacher, und partizipiert vom neuen Vorbild und Weltmeister 2010, Sebastian
Vettel. Die Mediawerte schnellen seit 2 Jahren wieder deutlich nach oben und bringen
Sponsoren, ähnlich wie im Fußball, sehr hohe Feedbackwerte. Das absolut beste
Verkaufskriterium für ein Sportsponsoring an die Privatwirtschaft.
Mit diesen Tatsachen kann der Behindertensport nicht konkurrieren, noch nicht einmal bei
den Übertragungen der bewundernswerten Höchstleistungen bei den Paralympischen
Spielen. Das Gros der Wirtschaft möchte für ein Sponsoring eine Gegenleistung haben,
möchte Fernseh –und generelle Medienpräsenz generieren um seine Marketingziele zu
erreichen. Genau das ist das Problem des Behindertensports: Die kontinuierliche
Medienpräsenz als Transferfaktor für Sponsoringzahlungen aus der Wirtschaft ist bisher zu
wenig gegeben. Die Ergebnisse von Deutschen Meisterschaften, Europa- oder gar
Weltmeisterschaften werden höchstens im Internet oder in den Lokalzeitungen gemeldet,
wo die Sportler her stammen oder leben.
Dennoch gibt es genügend Marktchancen im Behindertensportsponsoring, insbesondere auf
paralympischer Spitzenebene. Gemäß einer Umfrage von SPORT + MARKT aus dem Oktober
2010 bewerten 86% aller Befragten Unternehmen, die soziale Verantwortung zeigen, als
sympathisch und 41% geben sogar an, Produkte von Unternehmen die soziale
Verantwortung zeigen, eher kaufen zu wollen (Anhang: vgl. Studie 4, S.84). Die Verbindung
mit dem Behindertensport verleiht Unternehmen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz.
Daraus resultieren Veränderungen. Firmen erkennen heute das hohe Werbemarktpotenzial
von paralympischen Vorbildern für die Gemeinschaft der ca. 8 Millionen Menschen mit
Handicap in Deutschland sowie für die gesamte Gesellschaft. Die Ergebnisse dieser Studie,
in Verbindung mit der allgemein positiven Besetzung von gesellschaftlicher
Verantwortungsübernahme durch die Privatwirtschaft in der Bevölkerung, bringen neue
21
Partner in das System Behindertensport. Ein aktuelles Beispiel: Die IPC Schwimm
Europameisterschaften in Berlin vom 03.07.-10.07.2011 waren bei spobox.tv kostenfrei live
im Internet zu sehen sowie auf youtube.com unter ParalympicSport.TV. Erfreulicherweise
revanchierte sich das deutsche Schwimmerteam im Gegenzug mit hervorragenden
Leistungen.
Auch Friedhelm Julius Beucher, Präsident des DBS, freute sich über die Ergebnisse aus
deutscher Sicht. „Mit neun Goldmedaillen, 14 Silbermedaillen und elf Bronzemedaillen
schnitt das deutsche Schwimmteam bei der EM außerordentlich gut ab. Viele unserer
Schwimmerinnen und Schwimmer, die sich für die Paralympics 2012 in London qualifizieren,
können sich dort Spitzenplätze ausrechnen“, so ein stolzer DBS-Präsident (in: Orthopädie
Technik Sport 8/11, S.2). ARD und ZDF planen voraussichtlich bis zu 5h Übertragung im
Wechsel von den Spielen in London 2012 (vgl. Kap. 4.2). Das wäre ein riesiger Schritt nach
vorne für die mediale Präsenz des Behindertenspitzensports und die gesellschaftliche
Akzeptanz der paralympischen Bewegung. Es bleibt an dieser Stelle als Fazit also
festzuhalten:
Wenn weiterhin mehr über den Behindertensport berichtet wird, werden sich auch mehr
Leute dafür interessieren (vgl. Kapitel 4.5). Zudem sollten inklusive Konzepte entwickelt
werden, nach denen Olympische und Paralympische Spiele zeitgleich und ineinander
integriert stattfinden können. Ein Grund dafür ist, dass die Berichterstattung über den
Behindertenhochleistungssport in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, unter
anderem durch den Druck der Behindertensportlobby (u.a. IPC, DBS, DSM) und seiner
politischen Unterstützer. Der Behindertensport und einzelne Sportler können nur so
wirtschaftlich besser vermarktet werden.
Dennoch. Die nachhaltige Vermarktung des Behindertensports an sich oder gar eines
Testimonials mit Handicap ist nicht einfach. „Einen finanziellen Nutzen haben Sponsoren mit
von ihrem Sozialsponsoring bisher kaum. Vermarktung kann nur über markante
Persönlichkeiten gelingen“ schreibt der Journalist Daniel Drepper in einem zdf-online Artikel
während der Paralympischen Winterspiele 2010 in Vancouver über die komplizierte
Vermarktung des Behindertensports
(Quelle: http://www.paralympics.zdf.de/ZDFsport/inhalt/17/0,5676,8058225,00.html ,
Zugriff am 05.07.2011)
22
3.4 Einzelsportlersponsoring im Behindertensport
Ein Unternehmen als Sponsor fragt sich, wie es sich inhaltlich mit einer/m Athletin/en
verbinden kann und sucht eine oder mehrere außergewöhnliche Persönlichkeiten (z.B.
Kirsten Bruhn, Katrin Green, Heinrich Popow, Verena Bentele), die eine gewisse Stärke als
Person verkörpern, bereits Erfolg haben und die als Vorbilder weit hinaus über den Sport
wirken. Paralympische Athleten sind etwas Besonderes, leisten Außergewöhnliches und
können anderen Menschen mit Handicap Mut und Hoffnung machen. Sie werden als
Vorbilder angesehen.
Diese positiven Imagewerte werden natürlich auch auf die Unterstützer dieser Athleten
transferiert. „Wer sich jedoch im Behindertensport als Unternehmen engagiert, darf nicht
nach dem Nutzen pro Euro fragen sondern macht das aus unternehmerischer
Gesellschaftsverantwortung heraus“ so Dr. Gerhard Rupprecht, Vorstandsvorsitzender der
Allianz Deutschland AG (Quelle: http://m.zdf.de/sport/1/0,6733,8058225,00.html , Zugriff
am 01.09.2011). Dennoch ist die Einzelförderung auch für Spitzenathleten noch immer
schwierig. „Wenn man streng auf die Reichweite und die Kosten-Nutzen-Relation schauen
würde, dann würde man mit diesem Engagement nie irgendwo ankommen“ so Rupprecht
weiter (vgl. ebd.). Einige positive, deutsche Ausnahmen sind die bereits erwähnten Heinrich
Popow und Kirsten Bruhn. Sie sind durch ihre Erfolge in den Medien präsenter, werden zu
Messen eingeladen, halten Motivationsvorträge, haben eigene Homepages und ein
Management das ihnen private Sponsoren akquiriert. Aber selbst diese Ausnahmeathleten
arbeiten nebenbei halbtags, beispielsweise als Sozialversicherungsfachangestellte bei der
AOK (Bruhn) oder als IT Systemadministrator bei Bayer 04 Leverkusen (Heinrich Popow).
Abb.3 zeigt Popow, einen der weltweit besten Paralympioniken über 100m, 200m sowie im
Weitsprung. Popow trainiert bei seinem Heimatverein Bayer 04 Leverkusen, wird von der
Marketingagentur „Human Brands“ aus Odenthal betreut und ist seit 2007 fest mit der OBH
als Testimonial verbunden.
23
(Abb.3: DIALOG special 2008, Das Magazin der Otto Bock Healthcare, S.20)
Einer der wenigen deutschen Vollprofis unter den Paralympioniken war der 2011
abgetretene Gerd Schönfelder, der bei den Paralympischen Winterspielen 16! Goldmedaillen
und unzählige Weltmeisterschaften gewinnen konnte. Aber auch er schaffte es erst im
letzten Drittel seiner Karriere, mit der steigenden Medienresonanz des
Behindertenhochleistungssports, genügend Sponsoren zu akquirieren, um sich als Vollprofi
auf seinen Sport zu konzentrieren. Weltweit gibt es nur wenige Paralympioniken, die als
Vollprofis ihrem Sport nachgehen können weil sie aufgrund ihrer Erfolge und ihrer
Medienpräsenz sehr gut dotierte Sponsorenverträge abschließen konnten. Dazu gehört der
südafrikanische Sprinter Oscar Pistorius, der in seiner Starterklasse mehrmalige Weltrekord -
und paralympische Rekordhalter über die 100m, 200m und 400m. Pistorius erstritt sich 2008
vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS als erster Paralympionike das Startrecht bei
den Olympischen Spielen 2008 in Peking (leider verfehlte er die Qualifikationsnorm seines
24
Nationalen Olympischen Komitees), schaffte es aber, sich als erster Behinderter überhaupt
mit 45,07 sec. auf 400m, im Juli 2011 für die Leichtathletik-Weltmeisterschaft Ende August
2011 in Daegu (Südkorea) zu qualifizieren. Er ist dort unter sehr hoher medialer
Aufmerksamkeit bereits gelaufen. Seine Erfolge brachten ihm Sponsorenverträge mit Nike,
Össur oder Oakley ein und haben ihn weltweit zu einem Star gemacht (vgl.
www.oscarpistorius.com, Zugriff 05.09.2011).
Der Österreicher Thomas Geierspichler, Rennrollstuhl-Paralympicssieger auf der
Marathonstrecke 2008 in Peking und mehrfacher Weltmeister, überzeugte potentielle
Sponsoren durch seine Leidenschaft und Charisma so sehr, das ihn der österreichische
Mobilfunkanbieter Orange 2009 als neuen Markenbotschafter verpflichtete. Der Werbespot,
der Geierspichlers Weg vom Tag seines Autounfalls bis zur paralympischen Goldmedaille
nachzeichnet, lief im österreichischen Fernsehen über sechs Monate mit sehr großer
Resonanz und wurde im Internet auf youtube.com über eine halbe Million Mal angeklickt
(http://www.youtube.com/watch?v=yKusHScTDGM , Zugriff am 08.08.2011). Für Orange
wurde die Kampagne ein Riesenerfolg und brachte Geierspichler neben hoher medialer
Aufmerksamkeit weitere lukrative Sponsorenverträge mit dem Aufzughersteller Schindler
und dem Kranhersteller Palfinger ein. Die Zahl paralympischer Vollprofis, insbesondere in
Kanada, Neuseeland, Südafrika und Spanien wächst langsam aber stetig an. In Deutschland
ist die Entwicklungsstufe der paralympischen Vollprofis in puncto Privatsponsoring noch
vergleichsweise rückständig, was mehr an der Wirtschaft als an den Athletinnen und
Athleten an sich liegt, denn deren Leistungen sind schon seit vielen Jahren Weltklasse.
3.5 Chancen und Risiken beim Sponsoring eines behinderten Testimonials
Wie im vorherigen Kapitel bereits gezeigt werden konnte ist der Markt für ein
Einzelsportlersponsoring mit paralympischen Athleten klein, nicht einfach aber dennoch mit
großen Chancen im Bereich positiver Imagegewinne für die Privatwirtschaft verbunden. Bei
einer Sportsponsoring-Umfrage unter sportinteressierten Bundesbürgern von
SPORT + MARKT im März 2009 antworteten (gestützte Antwortmöglichkeiten) auf die Frage
hin, was Unternehmen durch das Sponsoring des DBS und der deutschen paralympischen
Mannschaft beabsichtigen, 75% der Befragten mit der Aussage „Förderung von behinderten
25
Menschen“. Zwar folgten auf den Plätzen zwei bis fünf der häufigsten Antworten klassische
Marketingziele wie „Image verbessern“ (69%), „Sympathie steigern“ (66%), „Kunden
gewinnen“ (65%) und „Sponsoring betreiben/Werbung machen“ (64%), doch über allem
steht das am Meisten genannte item der generellen Förderung des Behindertensports
(Anhang: vgl. Studie 1, S.74). Die Ergebnisse der Studie zeigen das hohe, soziale
Marktpotenzial eines Sponsorings im Behindertensport. Die Kriterien für die Auswahl eines
Einzelsportlersponsorings, sind ganz im Sinne der Inklusion, dieselben wie bei einem
nichtbehinderten Sportler:
Bekanntheit und sportliche Leistung
Sympathie
Imageprofil
Glaubwürdigkeit und Branchenaffinität
(vgl. Bruhn 2010, S.86)
Diese inklusiven Anforderungen für die Auswahl eines Testimonials sind für behinderte wie
nichtbehinderte Sportler gleich. Für die Gruppe der behinderten Spitzenathleten bieten sie
der interessierten Privatwirtschaft ebenso eine hohe Hürde, wie ungenutzte
Vermarktungschancen zugleich. Ein Risiko ist die geringe Bekanntheit eines paralympischen
Athleten in der Öffentlichkeit. Je mehr ein Sportler bekannt ist, desto mehr Aufmerksamkeit
kann der Sponsor ergo für sich generieren. In puncto Bekanntheit sind die nicht behinderten
Spitzensportler den behinderten Spitzensportlern aktuell weit voraus. Grund dafür ist deren
kontinuierliche Medienpräsenz, insbesondere Im Fußball oder in der Formel 1. Wenn im
Behindertenhochleistungssport bis vor den IPC Schwimm Europameisterschaften im Juli
2011 nicht einmal Deutsche Meisterschaften, Europameisterschaften oder gar
Weltmeisterschaften im Fernsehen übertragen wurden, sondern mediale Aufmerksamkeit
nur alle zwei oder vier Jahre (je nach Sportart des Sportler) bei Paralympischen Spielen
vorhanden ist, so bedeutet das für die Sportler mit Handicap für die eigene Vermarktbarkeit
ein wahres Handicap. Ihre bisher einzige Chance, für ein Privatsponsoring öffentlich sehr gut
vermarktbar zu sein, liegt im Zeitraum vor, während und nach den Paralympischen Spielen.
Ein echter Nachteil, denn gemessen an den sportlichen Erfolgen stehen aktive Athleten wie
26
Verena Bentele, Kirsten Bruhn oder Heinrich Popow mit paralympischen Gold, -Silber –und
Bronzemedaillen sowie Welt –und Europameistertiteln den aktiven, nicht behinderten
Athleten, die aktuell für Einzelsportlersponsoring genutzt werden, wie beispielsweise
Michael Ballack (Deutscher Meister, Deutscher Pokalsieger, Englischer Meister und
Pokalsieger) , die Klitschko-Brüder (Weltmeister) oder Sebastian Vettel (Weltmeister), in
nichts nach. Zudem werden den Athleten mit Handicap sehr hohe Sympathiewerte, sowie
beste Imagewerte und eine extrem hohe Glaubwürdigkeit in Umfragen zugeordnet.
Darüber hinaus konnte für den Untersuchungszeitraum seit den Paralympischen
Sommerspielen in Sydney 2000 kein einziger Fall ausfindig gemacht werden, in dem ein
paralympischer Spitzensportler durch private Eskapaden medienträchtig so negativ auffällig
geworden ist, dass es einen vorhandenen Sponsor dazu veranlasst hat das Sponsoring zu
beenden. Im Gegensatz dazu gibt es mehrere Beispiele unter den nicht behinderten
Testimonials, die schlechte Schlagzeilen gemacht haben. Hier zwei Beispiele aus dem Jahr
2009.
Die Deutsche Kreditbank AG war sicherlich nicht erfreut darüber, dass ihre Werbefigur
Claudia Pechstein über Monate hinweg in den Boulevardmedien als Dopingsünderin tituliert
wurde. Die nordamerikanischen Firmen Nike und Procter & Gamble (Gillette) waren
ebenfalls extrem verärgert über die privaten Eskapaden ihrer Werbefigur Tiger Woods und
kündigten ihre Verträge mit dem Golfstar. Die Liste wäre beliebig fortsetzbar.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass behinderte Athleten den nicht
behinderten Athleten in puncto Einzelvermarktbarkeit „nur“ in der Bekanntheit in der
Öffentlichkeit nachstehen. Die Steigerung der Medienpräsenz des Behindertensports auf ein
kontinuierliches Grundniveau ist darum die wichtigste Voraussetzung für die Erhöhung der
Werbewirksamkeit von Athleten mit Handicap. Beispiele für erfolgreiche Testimonials mit
Handicap, die zu besten Sendezeiten Fernsehwerbung machen, gibt es weltweit mehrere
(vgl. Kapitel 3.4), nur leider nicht in Deutschland.
27
4 Behindertensport in den Medien
4.1 Grundsatzprobleme des Behindertensports in der medialen Verarbeitung
Der Sport benötigt zur Existenzsicherung Geld und muss sich daher mit den Wünschen der
Privatwirtschaft arrangieren. Die Wirtschaft wiederum benötigt die Medien, vor allem das
Fernsehen, um Werbebotschaften zu übermitteln. Das Fernsehen seinerseits sucht sich aus
dem Sportangebot das Massenattraktivste heraus, um Einschaltquoten und damit die
eigenen Werbeeinnahmen zu erhöhen. An dieser Stelle führt erneut kein Weg an „König
Fußball“ vorbei. Keine andere Sportart in Deutschland und weltweit hat eine derartige,
dauerpräsente Sogwirkung auf Medien, Fans und Wirtschaft wie der Fußball. Daraus
ergeben sich für das Behindertensportssponsoring weitere Probleme:
Das Fernsehen als Medienmultiplikator des Behindertensports ist nur alle zwei Jahre
zu den Paralympischen Winter- und Sommerspielen präsent (fehlende
kontinuierliche Medienpräsenz in den „Paralympiaden“ zwischen den Spielen)
Die Wirtschaft fördert zu großen Teilen jedoch nur, wenn mediales Interesse
vorhanden ist und der Sport als Werbeträger genutzt werden kann
Wenn sich die Einstellung von Entscheidern in der Medienbranche, von Journalisten
und Rezipienten zur Berichterstattung nicht ändert, wird es keine Veränderung am
status quo geben
Mangelnde Informationen in den Medien über die Organisation des
Behindertensports, aber auch eindeutig zu schwache Kommunikationspolitik der
Landesverbände und des DSB in der Vergangenheit (bis zum Kooperationsvertrag mit
der DSM 2007)
Es gibt generell eine Vielzahl von Unterscheidungen über die Art der Behinderung
eines Menschen und bei Wettkämpfen gibt es eine Vielzahl von Schadensklassen mit
eigenen Disziplinen, Zeiten und Wettkampffaktoren (Kompromiss zwischen
Chancengleichheit der Athleten und Medienkompatibilität muss gefunden werden)
Durch den mangelnden Erlös an Fernsehrechten fließt dem Behindertensport neben
dem Geld aus dem Haushalt des jeweiligen Landessportbünde viel zu wenig Geld zu,
um ein effektives, flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Fördersystem in
28
Deutschland zu etablieren (es bleiben hier die zukünftigen Einnahmen der
Landessportbünde nach dem Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages II am
01.01.2012 abzuwarten)
Einzelne Athleten wie Heinrich Popow, Verena Bentele, Kirsten Bruhn, Vanessa Low
oder Katrin Green stechen aus der Masse heraus, bekommen Gelder aus dem TOP-
TEAM- Fonds und können sich zwischen den großen Events vermarkten, die Masse
der Athleten bleibt jedoch zurück und arbeitet mindestens halbtags um sich den sehr
teuren Sport privat zu finanzieren.
4.2 Mediawerte der Paralympischen Spiele in Deutschland seit Sydney 2000
(Abb.4: Peter Kaadtmann, Screen Shot aus Power Point Vortrag, per email am 13.08.2011)
29
Für die täglich zwischen ARD und ZDF wechselnden Übertragungen der XIV. Paralympischen
Sommerspiele 2012 in London kann aktuell, laut Aussage von Medienexperte Peter
Kaadtmann auf dem Symposium des DBS am 09.09.2011 in Berlin, von einer Marge zwischen
4 und 5 Stunden (zwischen 10.00-15.00 Uhr ca. 2h im ZDF, zwischen 18.00-20.00 Uhr in der
ARD sowie einer abendlichen Zusammenfassung um ca. 23.30 Uhr MESZ) ausgegangen
werden. Kam den übertragenden, deutschen Sendern in Peking 2008 ( hier Relationswerte
für 2012 bei Paralympischen Sommerspielen) die Zeitverschiebung von plus sechs Stunden in
China zugute (was top Livesport zu guter, deutscher Quotenzeit bedeutete), so finden die
Spiele in London zu plus einer Stunde (MESZ) deutscher Zeit statt. So wäre die Live-
Übertragung abendlicher Finals aus der Leichtathletik ab 20 Uhr deutscher Zeit ein absoluter
Traum, aber leider nur ein Traum. Waren 2008 noch über 60 Sendestunden fast unter
Ausschluss der Öffentlichkeit in den Sendern Eins Festival und Eins plus versteckt, so geht
Kaadtmann für 2012 fest von einer Stärkung der Sendezeiten in ARD und ZDF (2008: 30.03h)
aus. Die digitalen Kanäle werden in 2012 nicht mehr senden. Wenn etwa 40-45h zu besten
Sendezeiten mit hohem Marktanteil platziert werden könnten (plus Eröffnungsfeier und
Abschlussfeier), wäre das für die Paralympischen Spiele ein riesiger Erfolg und ein weiterer
Emanzipationsschub gegenüber den Olympischen Spielen. Denn zur Emanzipation des
Großereignisses Paralympische Spiele gehört, aus inklusiver Sicht, ebenso der direkte
Vergleich an erreichten Fernsehmarktanteilen mit dem Großereignis der Olympischen Spiele
(unter infrastrukturell-vergleichbaren Übertragungsbedingungen). Wer als paralympische
Familie kein Mitleid für sich haben möchte, der muss sich eines Tages auch im Fernsehmarkt
gegen die olympische Konkurrenz durchsetzen. Das ist hart aber ehrlich!
4.3 Mehr Realismus statt Emotionalismus! Peter Kaadtmann (ZDF) im Interview
Am 30.05.2011 hatte ich die Möglichkeit Herrn Peter Kaadtmann, den Teamleiter der
Redaktionen von ARD und ZDF für die kommenden Paralympischen Sommerspiele 2012 in
London, in der Zentrale des ZDF in Mainz persönlich zu interviewen. Bei meinen Recherchen
in den vorherigen Monaten war sein Name immer wieder aufgetaucht und alle Experten, die
ich bis dato zur zukünftigen Entwicklung der Medienberichterstattung im Behindertensport
befragt hatte, hatten mich an ihn als den Experten in Deutschland verwiesen. Kaadtmann
30
war seit Sydney 2000 bei allen Paralympischen Winter- und Sommerspielen als Redakteur
für das ZDF vor Ort und konnte mir so Informationen zur Verfügung stellen, die von außen
niemals zu bekommen gewesen wären. Ich konnte mit ihm nahezu alle Facetten des
Behindertensports diskutieren, wobei der Hauptschwerpunkt unseres Gesprächs auf der
aktuellen Mediensituation des Behindertenhochleistungssports lag. Kaadtmanns Leitaussage
des Interviews kann unter dem Merksatz: -Mehr Realismus statt Emotionalismus- in der
Betrachtung des Behindertensports- zusammengefasst werden.
Kaadtmann über die Verbandsstrukturen:
Die Sportler fühlten sich unter dem Dach des DBS und des IPC nicht immer richtig wohl, weil
Spitzensportler nicht alle unter einem Dachverband als behinderte Sportler vertreten
werden wollten (Aufgehen in einer großen Masse), sondern lieber als Disziplinensportler
gesehen und anerkannt werden wollten. Die Sportler halten daher eine Kooperation mit
dem jeweiligen Spitzensportverband für effektiver, als ein Verband, der alle Wettkämpfe
regelt und mehrere Sportarten vertritt. Das IPC habe sich in der Frage aber schon bewegt
und ist Kooperationen mit dem Internationalen Radsportverband (UCI), dem Internationalen
Skisportverband (FIS) und dem Internationalen Schwimmsportverband (FINA) eingegangen.
Den DBS hält Kaadtmann, mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Sportausschusses des
Deutschen Bundestages, Friedhelm Julius Beucher, und heutigen Präsidenten für sehr gut
aufgestellt. Seine engagierte Arbeit und seine Netzwerke in Politik und Sport seien der Sache
des Behindertensports sehr dienlich. Dennoch seien unter dem Dach des DBS, seinen 17
Landesverbänden und seinen am 08.09.2011 gemessen 574.687 Mitgliedern zu viele
Teilnehmer von Rehabilitationskursen angeführt und daher gäbe es noch immer zu wenig
sportlich-aktive Verbandsmitglieder. Eine aktive Mitgliederanwerbung mit Incentives und
Sportgutscheinen für lokale Vereine, bezahlt vom Sponsorenpool des Verbandes, könne für
alle Seiten förderlich sein. So könnten die Sponsoren für sich werben, der Verband bekäme
neue, zahlende Mitglieder und die Neumitglieder hätten die erste wichtige Schwelle für den
Einstieg in den aktiven Behindertensport überschritten.
31
Hubert/Kaadtmann über das Trainerwesen im Behindertensport:
Peter Kaadtmann und ich waren uns darüber einig, dass Trainerinnen und Trainer im
Behindertensport (von der Breite bis in die Spitze) eine spezielle Ausbildung haben sollten
um die körperlichen Limitationen (spezielle Physiologie und Anatomie) eines Sportlers mit
Handicap besser zu verstehen und im Training besser berücksichtigen zu können
(Trainingsadaption). Die heutige Praxis, die ich mir in einer von Deutschlands ersten
Adressen der professionellen Behindertensportlerausbildung bei Bayer 04 in Leverkusen im
Juli 2010 persönlich ansehen durfte, sieht so aus, das beispielsweise ehemalige nicht
behinderte Spitzensportler, nach ihrer aktiven Karriere, als Trainerinnen und Trainer die
Ausbildung der behinderten Nachwuchstalente leiten. In Leverkusen ist hierfür die
ehemalige Speerwurfweltmeisterin Steffi Nerius verantwortlich. Ihre Arbeit war in den
letzten Jahren sehr erfolgreich und allein der Respekt, den sie als ehemalige
Weltklasseathletin unter ihren Schützlingen genießt, macht sie als Vorbild und Trainerin
glaubwürdiger. Dennoch muss alles Wissen in der Trainingslehre mit behinderten Athleten
über die Zeit durch die Trainerinnen und Trainer selbst erarbeitet werden, denn der DBS
bietet bis heute keine einheitlich-zentrierte Ausbildung für Trainerinnen und Trainer des
Behindertensports an. Dies musste der ehemalige DBS-Sportdirektor Frank –Thomas Hartleb,
in einer Sitzung vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages am 07.03.2007
zugeben, da es dafür einfach nicht genug Bedarf gäbe. Man greife ausschließlich auf Trainer
des nichtbehinderten Sports zurück (vgl. Danckert 2009, S.282). Das Beispiel Bayer 04
Leverkusen zeigt ein positives Beispiel wie es dennoch gehen kann, doch stehen in der
Fläche ehemalige Spitzenathleten (egal ob behindert oder nicht) als Trainer zur Verfügung?
Nein. Die These das vorhandene Potenziale an talentierten Nachwuchssportlern durch das
Fehlen eines flächendeckenden Scouting-Systems in Deutschland verschenkt werden kann
ebenso nicht widerlegt werden wie die These, das aus aktiven, behinderten Sportlern durch
speziell geschulte Übungsleiter und speziellere Trainingslehre erfolgreichere Athleten
gemacht werden könnten.
Kaadtmann über die Startfelder bei den Paralympischen Spielen:
Aus Mediensicht bilde die Vielzahl an Startklassen (Schadensklassen), insbesondere bei
Paralympischen Sommerspielen, ein Problem dem Zuschauer ein attraktives Fernsehformat
32
anbieten zu können. So gibt es beispielsweise bei den Paralympischen Sommerspielen für
den 100 Meter Finallauf der Herren 13 Starterklassen und somit auch 13 Goldmedaillen zu
gewinnen. Der Zuschauer fragt sich natürlich wie die einzelnen Leistungen in Relation zu
würdigen sind, insbesondere wenn bei den Olympischen Sommerspielen im 100 Meter
Herrenfinale nur einzige Goldmedaille zu gewinnen ist. Versuche, bestimmte Startfelder zu
vergrößern und somit auch bestimmte Schadensklassen zu streichen, scheiterten bis zur
Paralympics-Reform 2011 am zähen Widerstand einzelner Sportarten. In diesem Jahr wurde
die Leichtathletik von 200 auf 170 Wettbewerbe reduziert, auch auf medialen Druck hin. Ein
prominentes Opfer dieser Reform wurde die deutsche paralympische Legende Marianne
Buggenhagen. „Die große Schwierigkeit des Behindertensports ist nach wie vor, das man
Behinderung nicht gleichsetzen kann“, so Kaadtmann. Als Vorbild könnten hier die
Paralympischen Winterspiele agieren. Dort gibt es beispielsweise im alpinen Skilauf nur drei
Start-Kategorien mit den a) stehenden, mit den b) amputierten und mit den c) blinden
Athleten. Eventuelle Vorteile werden im Wettkampf gegeneinander durch die
Aufsummierung eines Gerechtigkeitsfaktors egalisiert, der im Fernsehbild für jeden sichtbar
ist. So offeriert man dem Zuschauer ein attraktives und modernes Fernsehformat mit hohem
Unterhaltungsfaktor. Die weitere Attraktivitätssteigerung medialer Formate sollte das Ziel
des IPC bis zu den XV. Paralympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro sein.
Kaadtmann über das Thema Inklusion:
„Im Behindertensport ist es wie in der Gesellschaft. Wenn die Menschen aufeinander
zugehen ist es leicht die Inklusion umzusetzen. Wenn ich nur ein Stück Papier habe in dem
steht es muss so und so sein, dann wird es meistens nicht umgesetzt“. Wenn zum Beispiel
Deutschlands erfolgreichste Schwimmerin mit Handicap, Kirsten Bruhn, nach ihrer aktiven
Karriere, entscheiden sollte, Trainerin für nicht behinderte Schwimmer zu werden, würde
das auf behinderte und nicht behinderte Schwimmer in ganz Deutschland eine enorme
Strahlkraft haben, insbesondere auf den Nachwuchs. Sie wäre ein positives inklusives
Vorbild, das von den Menschen selbst ausgeht, aber nicht von einem Gesetzestext. Eine
Sportart mit tollem Inklusionscharakter sei zudem der Basketballsport. In der Behinderten-
Basketball-Bundesliga ist es erlaubt pro Mannschaft mit einem nicht behinderten Spieler zu
spielen; einzige Voraussetzung ist, das der nicht behinderte Spieler ebenso im Rollstuhl spielt
33
wie alle anderen Spieler. Das gemeinsame Sporttreiben ist für das gemeinsame Miteinander
sehr förderlich, auch außerhalb des Spielfeldes. Leider gäbe es auf der Ebene der
internationalen Spitzenverbände in puncto Umsetzung des Inklusionsgedankens viel zu
wenig Zusammenarbeit. Der Vorschlag der Medien, vor den Olympischen Spielen die
Paralympischen Spiele durchzuführen, um Medienequipment und Infrastruktur erst einmal
durch zu testen, stieß beim IOC auf deutliche Ablehnung. Man mache nichts als Zweiter und
beanspruche für sich immer das Erst-Startrecht. Zudem sei keine Durchmischung der beiden
Spiele erwünscht in Form von gemeinsamen Wettkampftagen. Einzelne Starts als
Demonstrationswettbewerbe seien in Ordnung, aber ansonsten ist die strikte Trennung
beider Ereignisse seitens des IOC erwünscht. Man gestattete dem IPC nicht einmal die
Verwendung der fünf olympischen Ringe bei der Neugestaltung des IPC Logos im Jahre 1992,
(vgl. Abb. 6). Das vorherige IPC-Logo mit fünf Tränen in Anordnung der fünf olympischen
Ringe wurde vom IOC juristisch erfolgreich bekämpft und musste vom IPC neu gestaltet
werden.
Abb.5 Abb.6
(Abb.5: http://blog.powerflasher.de/wp-content/uploads/2009/07/olympia2018.jpg , Zugriff
am 05.07.2011)
(Abb.6: http://www.mobidat.net/typo3temp/pics/57f32cfba9.png , Zugriff am 05.07.2011)
Aber auch im IPC ist die Frage nach der zeitgleichen Durchführung der beiden Spiele
umstritten. So erinnert sich die Berliner Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper
und DOSB Vize-Präsidentin, in einem Interview im April 2010 an eine Präsidiumssitzung des
IPC. Gefragt im März 2010 was sie davon halte, Paralympische und Olympische Spiele zum
selben Zeitpunkt stattfinden zu lassen, antwortet sie: „Das wird ja schon seit 20 Jahren
diskutiert. Ich selbst war einmal bei einer IPC-Sitzung dabei, als darüber sogar abgestimmt
wurde. Das Ergebnis ging 50:50 aus. Ich weiß, dass eine Nähe gewünscht ist, aber würden
34
die hervorragenden paralympischen Wettbewerbe dadurch nicht an Aufmerksamkeit
verlieren? Um letztlich eine befriedigende Lösung für alle zu finden, muss man auch alle
Beteiligten einbeziehen. Damit meine ich die Sportverbände der nichtbehinderten Sportler,
aber auch die Sportverbände für Menschen mit Behinderung“ (Paralympics. Vancouver 2010
Ergebnismagazin, S.20).
4.4 Ländervergleich: Die Medienarbeit des Comitê Paraolímpico Brasileiro (CPB)
Das Nationale Paralympische Komitee von Brasilien arbeitet seit Ende der 1990er Jahre mit
außergewöhnlichen Mitteln an der Forcierung der Medienberichterstattung über den
Behindertensport. Aufgrund von Etatzuwendungen aus staatlichen Lotterieeinnahmen (ein
vergleichbares System wie in England) verfügt das CPB über eine sehr gute finanzielle
Einnahmesituation. So wurden bereits zu den Paralympischen Spielen 2000 in Sydney
Pressevertreter geflogen und deren gesamte Kosten vom Verband übernommen. Beflügelt
durch den großen Erfolg der Berichterstattung kaufte das CPB 2002 die nationalen
Fernsehrechte an den Paralympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Peking und gab sie
dann kostenlos an den größten privaten, brasilianischen Sportkanal Globo/Sport TV weiter.
Zur Begleitung der Spiele wurde die heimische Presse erneut eingeladen, Flugtickets, Hotel,
Verpflegung und Transporte vor Ort übernommen und bezahlt. „Dennoch machen wir den
Journalisten keine Vorgaben oder treffen mit ihnen irgendwelche Absprachen im Vorfeld der
Events. Sie können vollkommen frei berichten. Wir verfolgen diese Praxis einzig und allein
um die Aufmerksamkeit am Behindertensport in unserem Land immer weiter zu steigern“,
so die Pressesprecherin des CPB, Ananda Rope (per email auf meine persönliche Anfrage im
August 2011). Mehrere Sponsoren konnten zudem neu akquiriert werden, was die
Investitionen in die Verbesserung der Infrastruktur des Behindertensports in ganz Brasilien
erleichtere. Bereits bei den Spielen 2004 in Athen gab es insgesamt 168 Stunden! TV-
Liveübertragungen, neben der unschätzbar hohen immateriellen Rendite an den Verband.
Bei den Parapanamerikanischen Meisterschaften 2007 in Rio de Janeiro waren 14
brasilianische TV-Sender akkreditiert, 11 ausländische TV-Sender, 342 Zeitungen und 17
Magazine. Zu den Spielen 2008 reiste Brasilien mit 50 Journalisten, davon allein 20 von
Globo/Sport TV. Vor den Spielen wurde für die Presse ein Workshop abgehalten und
gemeinsam eine Homepage eingerichtet, auf der während der Spiele alles Wissenswerte
35
über die Paralympics online gestellt werden konnte. Neben den 12 Stunden täglicher Live-
Übertragungen wurden hier insgesamt 1429 Berichte, 517 TV-Reportagen und 1576 Bilder
online gestellt, was über einen Gesamtzeitraum von drei Monaten 317.953.929 Klicks aus
aller Welt zur Folge hatte.
Der Return on Investment (ROI) an den CPB habe sich zwischen dem Jahr 2000, mit 4,2 Mio.
Reais (1.805.289€) bis zum Jahr 2008, mit 137 Mio. Reais (58.886.809€) um insgesamt 132,8
Mio. Reais und somit 3161% erhöht. Die Sponsoringeinnahmen des CPB kletterten von 2004,
mit 1 Mio. Reais (429.830€) auf vertraglich bereits gesicherte 20 Mio. Reais (8.596.614€) in
2012. „Insgesamt ein riesiger Erfolg für uns“, so Rope weiter.
Das gesamte Finanzsystem des CPB sei transparent und werde vom Bundesrechnungshof
kontrolliert. Aus sportlicher Sicht ist nach dem 24. Platz im Medaillenranking bei den
Paralympics 2000 in Sydney, dem 14. Platz 2004 in Athen und dem 9. Platz 2008 in Peking,
für London 2012 das Ziel mit Platz sieben und für Rio de Janeiro 2016 mit Platz fünf
ausgegeben. Die Resonanz aus der brasilianischen Bevölkerung auf die starke
Medienberichterstattung war bisher gewaltig und das Interesse am Sport mit Handicap
steigt mit jedem großen Event. Die Pressearbeit war somit grundlegend für die
flächendeckende Entwicklung des Behindertensports in Brasilien.
Anmerkung des Verfassers: Globo/Sport TV ein zu 100% privater Sender und daher ist
rechtlich an dieser Praxis nichts zu beanstanden. Im Endeffekt ist die gängige Praxis für
Brasilien eine sehr erfolgreiche Strategie, nach Anfrage beim IPC und mehreren
paralympischen Berichterstattern aus den deutschen Medien aber aufgrund der deutschen
Pressegesetzgebung mit Trennung von Medium und Medien eine rechtlich nicht erlaubte
Methode in Deutschland. Durch den Kauf der TV-Senderechte der Olympischen und
Paralympischen Spiele von 2014 und 2016 durch ARD und ZDF mit öffentlichem Auftrag und
einer öffentlichen Finanzierung, wäre eine vergleichbare Praxis in der Berichterstattung
frühestens zu den Paralympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang denkbar, unter der
Voraussetzung, das die Senderechte an das Privatfernsehen gehen (vgl.
http://www.zeit.de/sport/2011-07/olympia-ard-zdf-senderechte , Zugriff am 12.09.2011).
36
(Übersetzungen aus dem Portugiesischen José Tito Casara Inacio, Umrechnungsfaktor
1€=2.32741 BRL, Stand 29.08.2011, Quelle: www.xe.com).
4.5 Mediatrends am Beispiel der IPC Schwimm EM im Juli 2011 in Berlin
Vom 03.07.-10.07.2011 fanden in Berlin die IPC Schwimm Europameisterschaften statt, an
denen ich dank einer Presseakkreditierung teilgenommen habe. Ziel war es, dass Event als
Beispiel für aktuelle Mediatrends im Behindertenhochleistungssport zu untersuchen. Live-
Bilder waren unter spobox.tv sowie unter ParalympicSport.TV auf www.youtube.com zu
sehen. Die Auswertung ergab folgende Ergebnisse:
(Abb.7: Deutsche Sport Marketing, DSM, 09.08.2011, per email auf persönliche Anfrage)
37
(Abb.8: Mediadaten IPC Schwimm Europameisterschaften in Berlin, 03.07.-10.07.2011)
Medium Sendung Zuschauer
gesamt
Marktanteil
ARD Sportschau vom 03.07.2011 1,48 Mio. 7,3%
ZDF Drehscheibe Deutschland vom
08.07.2011
0,55 Mio. 7,1%
RBB Nachrichtensendung vom
09.07.2011
0.09 Mio. 0,3%
Spobox.tv Livestream vom
03.-09.07.2011
s.o. s.o.
(Quelle: DSM, 09.08.2011, persönliche Anfrage; Tabelle: eigene Darstellung)
Die Auswertung der Mediengrafiken lässt auf zwei Dinge schließen: Erstens ein steigendes,
gesellschaftliches Interesse an der Rezeption von Behindertenhochleistungssport über das
Medium Internet. Die Übertragungskosten im Vergleich zum Fernsehen sind deutlich
geringer und es gibt gute Platzierungsmöglichkeiten für Werbung. Zwischen Sonntag, dem
03.07.2011 mit kumuliert 29.692 Online-Zuschauern und dem stärksten Mediatag Freitag,
den 08.07.2011 mit kumuliert 43.583 Online-Zuschauern (jeweils abgerufene streams +
unique user) sahen insgesamt 248.654 Zuschauer dem Event zu. Für die Veranstalter, den
Behinderten-Schwimmsport, den Behindertensport insgesamt und für spobox.tv ein großer
Erfolg. Zweitens hängt die Zuschauerquote und der erreichbare Marktanteil auf einen
Beitrag aus dem Behindertensport immer von davon ab, bei welchem Sender, zu welcher
Sendezeit und in welcher Sendung er platziert wird. Der Beitrag in der ARD Sportschau am
03.07.2011 mit 1,48 Mio. Zuschauern und 7,3% Marktanteil sowie der Beitrag in der ZDF
Drehscheibe Deutschland vom 08.07.2011 mit 0,55 Mio. Zuschauern aber 7,1% Marktanteil,
sind ein Beleg für diese These. Die Platzierung ähnlicher Beiträge durch „mutige“
Redaktionsleiter zu entsprechend quotengünstigen Zeiten würde der Inklusion in der TV-
Sportberichterstattung über den Behindertensport sehr dienlich sein. Zudem sollten weitere
Testläufe bei zukünftigen Behindertensportevents in der Online-Übertragung gemacht und
ausgeweitet werden.
38
5 Das Fördermodell der Otto Bock Healthcare GmbH in Duderstadt
5.1 Nationales und Internationales Engagement im Behindertensport
Das paralympische Engagement von Otto Bock besteht mittlerweile seit über dreißig Jahren.
Alles begann bei den Paralympischen Sommerspielen 1988 in Seoul als eine erste kleine
Werkstatt technische Dienste für die Sportler anbot. Aufgrund der steigenden Nachfrage war
Otto Bock bereits bei den nächsten Sommerparalympics 1992 in Barcelona mit einer
eigenen, mobilen Werkstatt vor Ort und hat seitdem seine Präsenz bei allen Winter-wie
Sommerspielen stetig gesteigert. Ein Großteil der startenden Sportler nutzt die Otto Bock
Produkte und so werden die Werkstätten während der Spiele zu multinationalen
Treffpunkten, wo sich Sportler und Techniker austauschen und beraten können. Das
Feedback der Spitzensportler bietet den Orthopädietechnikern von Otto Bock nützliche
Informationen zur Verbesserung der eigenen Produkte für die breite Masse der Kunden. Im
Jahre 2005 unterzeichneten das IPC und die OBH den ersten Kooperationsvertrag, der bis zu
den Spielen 2008 in Peking reichte. In Peking wurde der Vertrag bis zu den Spielen 2012 in
London erneuert, was die OBH offiziell zum „Woldwide Partner of the Paralympic
Movement“ macht. Für den Geschäftsführenden Gesellschafter der OBH, Prof. Hans Georg
Näder, steht aber nicht nur die Unterstützung des paralympischen Spitzensports im
Vordergrund. „ Wir sehen uns gerne in der Pflicht, unsere Kompetenz, unsere Globalität und
unsere Erfahrung mit orthopädietechnischer Spitzenqualität auch dem weltweiten Sport von
Menschen mit einer Behinderung zur Verfügung zu stellen. Der Partnerschaftsvertrag mit
dem IPC ist das Fundament für die Kontinuität unserer Unterstützung für Sportler aus aller
Welt“ (Quelle s.u.). Bei den Paralympischen Winterspielen 2010 in Vancouver haben das IPC
und die OBH erstmals in einem futuristischen Snow Dome eine gemeinsame Ausstellung
gezeigt unter dem Motto „Spirit in Motion-Discover What Moves Us“, bei der Besucher
selbst einmal die Sportgeräte der Sportler austesten durften.
39
(Zitat und Abb.9: (http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/30604.html,
Zugriff 08.08.2011).
(IPC-Präsident Sir Philip Craven, 2.v.l. und der Geschäftsführende Gesellschafter der Otto
Bock Healthcare GmbH, Prof. Hans Georg Näder, 2.v.r. bei der Eröffnung des Snow Dome bei
den Paralympischen Winterspielen in Vancouver am 12.03.2010)
Die Ausstellung war mit knapp 24.000 Besuchern ein riesiger Erfolg und soll ab sofort einen
festen Platz im Rahmenprogramm der jeweiligen Spiele bekommen. Ergänzt wird das
internationale Engagement der OBH durch den 2010 geschlossenen Fördervertrag mit dem
Deutschen Behindertensportverband (DBS). Der DBS und die OBH arbeiten bereits seit
Jahren erfolgreich zusammen, durch den Aufstieg der OBH zum Co-Förderer soll der
Behindertensport jedoch noch effektiver unterstützt werden. Die ausgegebenen Ziele der
Kooperation sind die qualitative Steigerung der Versorgung der Sportler vom Breitensport
bis in die Spitze sowie in Kooperation mit dem Bundesinnenministerium (BMI) die
Weiterentwicklung des barrierefreien Sportangebotes im ganzen Land. „Mit der
Unterstützung von Otto Bock Healthcare als Co-Förderer wird ein neues Kapitel der
langjährigen Behindertensportförderung durch den weltmarktführenden Prothetik-
Hersteller aufgeschlagen. Mit den Produkten und dem Know-how der Firma und ihrer
Wissenschaftler erfahren unsere Athletinnen und Athleten das Beste, was es auf diesem
Markt gibt. Ich freue mich sehr, Otto Bock an unserer Seite zu wissen“ (Quelle s.u.), so
Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des DBS nach der Vertragsunterzeichnung am
17.03.2010 an der Seite von Prof. Näder im Deutschen Haus der Paralympics in Vancouver.
40
(Zitat oben und Abb.10:
http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/29109.html?openteaser=1 , Zugriff
08.08.2011)
5.2 Kommunikationsziele des Unternehmens im Sportsponsoring
Als Unternehmen aus dem Healthcare-Bereich besteht zwischen der OBH mit seinen
Produkten und dem internationalen Behindertensport eine natürliche Partnerschaft. Die in
5.1 dargestellten Aktivitäten können daher nicht als eindeutige CSR-Maßnahmen bewertet
werden, sondern dokumentieren eher die gesellschaftliche Verantwortung, der sich das
Unternehmen durch seine Kernkompetenzen verpflichtet fühlt. Die Firma setzt im ohnehin
sensiblen Bereich des Sponsorings im Behindertensport auf langfristige Kooperationen mit
den national und international wichtigsten Akteuren des Systems Behindertensport (IPC,
DBS) und erreicht so hohe Wiedererkennungswerte bei involvierten Sportlern, Journalisten,
Betreuern, Funktionären und deren Umfeld. Regelmäßige Präsenz bei den Paralympischen
Spielen und nationalen PR-Kampagnen des DBS in Kombination mit Messeauftritten, eigenen
Werbeanzeigen sowie dem Sponsoring von sehr erfolgreichen Testimonials wie Kelly
Cartwright, Heinrich Popow oder Verena Bentele haben bessere Wiedererkennungswerte
(Recallwerte) als rein singulär gesponserte Events. Die über die Jahrzehnte hart erarbeitete
Weltmarktführerschaft der OBH im Bereich Prothetik eröffnet dem Unternehmen zudem
eine entsprechende Wahrnehmungsdominanz in der paralympischen Szene, in Wirtschaft
und Gesellschaft. Viele Gespräche im letzten Jahr haben mir dies immer wieder vor Augen
41
geführt. Otto Bock wird als Premiumpartner höchster Qualität und Kompetenz
wahrgenommen, weshalb vom Unternehmen in der Regel nur Sponsorings beschlossen
werden, bei denen die OBH eine entsprechende Dominanz als Hauptsponsor oder Co-
Förderer inne hat. Die gesponserten Sportarten oder Institutionen passen immer zum
Unternehmen und seinem Produktportfolio und verursachen daher keine Probleme in der
Glaubwürdigkeit der Verbindung der Vertragspartner. Sportsponsoring in Kombination mit
der klassischen Kommunikationsarbeit im Unternehmen ist auch für Dirk Artmann, Leiter der
Unternehmenskommunikation bei der OBH, der richtige Weg zur Steigerung der
Markenbekanntheit. Im Vorfeld der Paralympischen Winterspiele 2010 in Vancouver brachte
er dies in einem Interview in der Fachzeitschrift „Orthopädie-Technik“ auf den Punkt. Auf die
Frage nach der Grundidee der Ausstellung „Spirit in Motion“ sowie der Thematik dahinter
antwortet Artmann: „Otto Bock versteht sich als Partner der Menschen mit
Mobilitätseinschränkungen, als Partner der Orthopädie-Branche und Partner wichtiger
Interessensverbände. Mit dieser Partnerschaft verbinden wir die Verantwortung, uns für den
gesellschaftlichen Dialog zum Thema Mensch, Behinderung, Mobilität einzusetzen“. Über die
Werbeplattform der Paralympischen Spiele führt Artmann weiter aus: „Die Paralympischen
Spiele sind ein großes Ereignis, das für Integration und Gleichberechtigung von Menschen
mit Behinderung in einem internationalen Umfeld steht. Gemeinsam mit dem IPC möchten
wir alle Besucher von dem „spirit“ begeistern, der von den Paralympischen Spielen ausgeht
und darüber Emotionen wecken. Sicher spielt auch der intensive Dialog mit
Medienvertretern eine wichtige Rolle“ (Orthopädie-Technik 3/2010, S.2). Im Februar 2011
stellte die OBH bereits das nächste Sponsorship auf dem Weg zu den Paralympischen
Sommerspielen 2012 in London vor. Gemeinsam mit dem Organisationskomitee der
Paralympics in London (LOCOG) und dem IPC wurde im Berliner Science Center der OBH der
Fördervertrag der Partner unterschrieben, durch den das Unternehmen als offizieller,
technischer Servicedienstleister der kommenden Paralympics fungiert. Chris Holmes,
Chefunterhändler für die paralympischen Belange im LOCOG, setzt dabei sein volles
Vertrauen in das Unternehmen und schätzt die OBH als zuverlässigen, strategischen Partner.
„Wer an den Paralympics teilnimmt, sieht das große Ziel vor Augen, bei den Wettkämpfen
das Beste zu geben, was ihm möglich ist. Der wichtigste Moment nach jahrelanger
Vorbereitung. Darin liegt eine hohe Verantwortung für den technischen wie für den
42
medizinischen Service, den wir sicherzustellen haben“
(http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/39200.html, Zugriff 08.08.2011).
Der Geschäftsführer für Strategie und Marketing bei der OBH, Dr. Helmut Pfuhl, bewertet
den Partnerschaftsvertrag wie folgt: „ Wir fördern den Sport von Menschen mit Behinderung
seit mehr als drei Jahrzehnten. In Seoul hat Otto Bock dann 1988 erkannt, dass wir zu den
Paralympics mehr beitragen können als Produkte zu entwickeln, nämlich die direkte
Unterstützung der Athleten am Wettkampfort. Dieses Engagement ist zu einem Teil unserer
Unternehmensphilosophie geworden“
(http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/39200.html, Zugriff 08.08.2011).
Die OBH versteht den Leistungssport als einen Faktor mit gesellschaftlicher Funktion und
wird dabei helfen, die „positive Ausstrahlung der Paralympics und ihre stark angewachsene
Medienresonanz im Sinne der „Inklusion“ zu nutzen, mit der die Vereinten Nationen die
Gleichstellungsrechte von Menschen mit Behinderung verankern. Wir sind als paralympische
Gemeinschaft ein Teil der gesamten Gesellschaft. Das gilt weltweit“,
sagt dazu Sir Philip Craven, Präsident des IPC
(http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/39200.html, Zugriff 08.08.2011).
(Abb.11: v.l.nr.: Dr. Helmut Pfuhl (Otto Bock HealthCare), Heinrich Popow, Sir Philip Craven
(IPC), Chris Holmes (LOCOG) bei der Vertragsunterzeichnung am 23.02.2011 im Science
Center Medizintechnik in Berlin.
43
5.3 Vergleich mit dem Behindertensportsponsoring der Allianz AG
Neben großen Sponsorships in der Formel 1, im internationalen Golf und dem Naming Right
für die Allianz Arena in München ist Europas größter Versicherungskonzern seit 2006 Partner
des DBS und seit 2011 „International Partner“ des IPC und acht Nationalen Paralympischen
Komitees. Unter dem Leitsatz „Passion-Ambition-A True Partnership“ vereint die Allianz ihr
paralympisches Engagement und verdeutlicht seinen Willen, gemeinsam mit anderen
Wirtschaftspartnern, „das öffentliche Bewusstsein für die Paralympische Bewegung zu
fördern und so ein größeres Interesse am Paralympischen Sport zu wecken“
(http://sponsoring.allianz.com/en/paralympics/paralympics, Zugriff 09.08.2011).
Kern des Sponsorships ist das TOP-TEAM des DBS, welches gemeinsam mit der Telekom AG
als zweitem Hauptsponsor seit Oktober 2006 unterstützt wird. Als „International Partner“
des IPC (2006-2011 Gold Patron) würdigt die Allianz das Engagement des Internationalen
Dachverbandes des Behindertensports, das Werte wie Mut, Entschlossenheit, Inspiration,
Gleichheit und Fairness gefördert werden. Durch die Unterstützung einzelner Athleten im
TOP TEAM schlägt die Allianz die Brücke zwischen sich als Versicherer und den
gehandicapten Sportlern, die Hilfe brauchen. Das offizielle Statement dazu lautet: „ Durch
ihre Leidenschaft für den Sport überwinden sie Barrieren und verlieren nie ihre ehrgeizigen
Ziele aus den Augen- sie vertrauen dabei auf verlässliche Partner, die Ihnen helfen
körperliche und finanzielle Hindernisse zu bewältigen“
(http://sponsoring.allianz.com/en/paralympics/paralympics, Zugriff 09.08.2011).
„Mit Assistanceleistungen, wie unseren Rehabilitationsangeboten für Unfallverletzte, und
der Förderung des paralympischen Sports wollen wir als Versicherer mehr für behinderte
Menschen tun“, sagt Dr. Gerhard Rupprecht, Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland
AG. „Gleichzeitig halten die Leistungen der Paralympioniken uns alle dazu an, nicht auf eine
Behinderung- ein „Defizit“- sondern auf die Potenziale eines Menschen zu schauen und
leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Integration von Menschen mit Behinderung in die
Gesellschaft“
(https://www.allianz.com/staticresources/www.allianz.com/en/about_allianz/sponsoring/p
aralympics/pdf/pressemitteilung_paralympisches_engagement_allianz.pdf , Zugriff
09.08.2011).
44
Die Kommunikationsstrategie des Konzerns umfasst insgesamt drei Säulen, welche aus
Marketing, Events und Interner Kommunikation bestehen und sich immer thematisch mit
den paralympischen Athleten befassen. Beispielsweise wurde für die eigenen Mitarbeiter in
Zusammenarbeit mit den Sportlern Informationsmaterial entwickelt und kostenlos zur
Verfügung gestellt , um so über Themen wie Barrierefreiheit, Behinderung am Arbeitsplatz
oder Motivation zu diskutieren. Die Weltklasseschwimmerin Kirsten Bruhn hält vor Allianz
Führungskräften in ganz Deutschland Motivationsvorträge, denn ihr vorbildhaftes Leben und
der Wille, trotz Handicaps sportliche Höchstleistungen zu bringen, soll auch die eigenen
Mitarbeiter zu professionellen Höchstleistungen motivieren. Dr. Gerhard Rupprecht
bewertet die Paralympische Partnerschaft wie folgt: „ Die außergewöhnlichen Leistungen
der Athleten sind ein Vorbild für die Allianz Mitarbeiter. So stellt die Partnerschaft mit dem
Internationalen Paralympischen Komitee und dem Deutschen Behindertensportverband
auch einen Maßstab für das Engagement, die Motivation und die Leistung der Allianz
Mitarbeiter dar“
(http://sponsoring.allianz.com/static/sites/default/downloads/paralympics/Presskits/Allianz
_Paralympics_Informationen-QxAs-Zitate.pdf , Zugriff 09.08.2011).
Verschiedene Sportler und Funktionäre bewerten das Sponsoring der Allianz ebenfalls
positiv:
Kirsten Bruhn, TOP TEAM-Athletin:
„Für mich persönlich bedeutet die Förderung, dass ich nur einen halben Tag arbeite und den
Rest der Zeit für das Training zur Verfügung habe. Das ist eine phantastische Unterstützung,
die man mit Geld gar nicht aufwiegen kann und dafür bin ich sehr, sehr dankbar“.
Verena Bentele, TOP TEAM-Athletin:
„Die Top-Team-Förderung schafft in Deutschland die Rahmenbedingungen, die für
professionellen paralympischen Sport notwendig sind. Sie gibt uns Athleten die Möglichkeit,
uns intensiver auf die Paralympics vorzubereiten“.
45
Friedhelm Julius Beucher, Präsident des DBS, über die Partnerschaft von Allianz und
Telekom:
„ Wir schätzen das Engagement der Allianz SE und der Telekom sehr. Es erlaubt uns eine
bessere Unterstützung der Deutschen Top Team Athleten. Die finanzielle Hilfe ermöglicht es
den Athleten, Arbeitsstunden zu reduzieren und mehr Zeit für Training und
Regenerationsphasen zu haben“.
Sir Philip Craven, Präsident des IPC:
„Als geschätzter Förderer hat Allianz das International Paralympic Committee dabei
unterstützt, kontinuierlich die Paralympische Bewegung mit Leidenschaft voranzutreiben“.
(alle Zitate:
http://sponsoring.allianz.com/static/sites/default/downloads/paralympics/Presskits/Allianz_
Paralympics_Informationen-QxAs-Zitate.pdf , Zugriff 09.08.2011).
(Abb.12: https://www.allianz.com/en/about_allianz/sponsoring/paralympics/index.html ,
Zugriff 09.08.2011)
Im März 2010 wurde die Allianz vom Fachverband für Sponsoring (FASPO) mit dem
„Internationalen Sponsoring Award 2010“ in der Kategorie Sport ausgezeichnet. „Die Jury
hob in ihrer Begründung insbesondere die vorbildliche Verbindung des Sportsponsorings und
46
klassischer CSR-Projekte zu einem nachhaltigen Konzept“ hervor. Die Allianz habe mit ihrem
Paralympischen Engagement durch nationale und internationale Maßnahmen die
Öffentlichkeit und Kunden, die Presse und Mitarbeiter erfolgreich angesprochen und die
öffentliche Wahrnehmung des Paralympischen Sports verändert. Der Allianz gelingt es, sich
als Partner des Deutschen Behindertensport-Verbandes zu etablieren und glaubwürdig die
Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung zu demonstrieren“
(http://www.allianzdeutschland.de/presse/news/news_2010-03-26.html, Zugriff
26.05.2011).
5.4 Social Media Marketing Vergleich Otto Bock Healthcare GmbH vs. Allianz AG
Heutzutage verändern soziale Netzwerke im Internet nicht nur die private Kommunikation
sondern auch die Wirtschaft. Firmen vermarkten hier ihre Produkte, suchen nach neuen
Mitarbeitern, wickeln über das Netz Teile ihres Kundendienstes ab, versenden
Pressemitteilungen oder richten gar Portale ein, auf denen Kunden Innovationsvorschläge an
das Unternehmen posten können, dem sogenannten „Crowdsourcing“. Insgesamt findet hier
eine neue Form der Kundenkommunikation statt, ein gewerbliches Marketing mit dem Ziel
der Markenfestigung. Das Kontaktpotenzial ist gewaltig, denn allein Facebook hat zwischen
seinem Start im Dezember 2004 mit einer Mio. Mitgliedern bereits im Juni 2011 die 700 Mio.
Mitglieder-Grenze weltweit überschritten. Bei Facebook Deutschland sind im August 2011
mehr als 20 Mio. Nutzer registriert, Tendenz steigend (vgl. Handelsblatt, 14.06.2011, S.1,
S.6f).
47
Facebook Mitglieder in Deutschland, Stand 08/2011
(Abb.13: http://t3n.de/news/wp-
content/uploads/2011/08/Facebook_Nutzerzahlen_Aug_2011.jpg , Zugriff am 01.09.2011)
Bei einer Online-Umfrage im November 2010 unter 2270 Fach-und Führungskräften aus
Public Relation-Agenturen und Unternehmenspressestellen zur Nutzung von Social-Media-
Portalen, durchgeführt von den Onlineportalen „news aktuell“ und „Faktenkontor“, kam
heraus, dass die prozentual am meisten genutzten Netzwerke in der deutschen Wirtschaft
Facebook und Twitter sind (vgl. Abb.14).
48
(Abb. 14: http://www.zentermedia.com/files/zg_nl_online_grafik.jpg , Zugriff am
01.09.2011)
Veranlasst durch diese Ergebnisse wird im Folgenden untersucht, ob und wie die OBH und
die Allianz AG sich an diesem innovativen Social Media Marketing für ihre Engagements im
Behindertensport beteiligen. Gegenstand der Untersuchung sind ausschließlich die Portale
Facebook und Twitter bis zum Stichtag, dem 01.09.2011.
Die deutschsprachige OBH twittert unter dem Usernamen „ottobockde“ seit Mai 2011
aktuell Wissenswertes in enger Vernetzung mit der Firmenhomepage www.ottobock.de (am
01.09.2011 18 Tweets und 43 Follower). Hier findet sich auch eine spezielle Rubrik
„Paralympischer Sport“ wo die Historie als Förderer des Behindertensports detailliert
dargestellt und bebildert wird. Ein spezieller Bereich zum Behindertensport ist unter
„ottobockde“ bei Twitter nicht zu finden. Im Gegensatz dazu steht die Twitter-Performance
der Otto Bock Vertretung im Vereinigten Königreich, Otto Bock UK, mit Hauptsitz in
Englefield Green in England. Als Gastgeber der nächsten Paralympischen (Olympischen)
Sommerspiele 2012 in London wird hier unter „ottobockuk“ täglich getwittert, hauptsächlich
zum Behindertensport (am 01.09.2011 509 Tweets und 553 Follower). Im Fokus der Berichte
stehen die Spiele 2012, die Teilnahme an diversen „countdown events to London 2012“, zum
Beispiel dem International Paralympic Day in London am 08.09.2011, sowie die
Hervorhebung der Förderung der Spiele 2012 als weltweit einziger „provider“ neben der
britischen Kaufhauskette Sainsbury´s.
Im deutschsprachigen Facebook findet sich zu Otto Bock der Verweis auf die Wikipedia-
Darstellung der Otto Bock Holding GmbH & Co.KG und zum Behindertensport gibt es hier
keine gesonderte Rubrik. Seit dem 01.08.2011 ist jedoch die „Otto Bock Healthcare UK“ bei
Facebook aktiv, postet wie bei Twitter Beiträge und Bilder zum Paralympischen Engagement
auf dem Weg zu London 2012 und nutzt aktiv den Rahmen um mit Sympathisanten und
Kunden ins Gespräch zu kommen (das Profil gefällt am 01.09.2011 72 Personen).
Die Allianz stellt bei Twitter unter „MarkusWalter@allianz_de“ ihren Social Media
Communicator vor und präsentiert eine ständig aktualisierte Seite zu allen Themen des
Versicherungsgeschäfts (am 01.09.2011 2081 Tweets und 3218 Follower). Zum
Behindertensport findet sich hier unter „Allianz_Sponsoring@GlobalParaSport“ eine
49
moderne Seite mit vielen Sportfotos und Kommentaren (am 01.09.2011 137 Tweets und 474
Follower). Der letzte Eintrag am Stichtag datiert jedoch vom 20.01.2011 und geht noch auf
die Behinderten-Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2011 in Christchurch, Neuseeland
zurück.
Bei Facebook nutzt die Allianz SE zur eigenen Darstellung das Wikipedia Profil, hat aber noch
diverse thematische Pages wie beispielsweise Allianz Recruitment, Allianz Help Center oder
Allianz Arena (etc.). Die Hauptseite gefällt am 01.09.2011 33023 Personen. Zum
Behindertensport findet sich hier erneut unter „GlobalParaSport“ eine gut strukturierte Seite
mit vielen Fotos und Videos, insbesondere rund um die Paralympischen Winterspiele in
Vancouver 2010 und die Leichtathletik WM 2011 in Neuseeland.
Anmerkung des Verfassers: Die Darstellungen beschreiben meine subjektive Wahrnehmung
der vier Accounts. Eine Bewertung erfolgt in Kap. 5.5 .
5.5 Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Sponsorings
Die Unterschiede zwischen den Engagements beider Unternehmen bestehen hauptsächlich
in drei Kategorien: Erstens in der Dauer der Förderung, insbesondere dem Zeitpunkt des
Einstiegs, zum Zweiten in der gewählten Sponsoring-Strategie und zum Dritten im Bereich
Social Media Marketing im Behindertensport.
Während Otto Bock bereits im Jahre 1988 als Förderer der, weltweit medial nicht
beachteten Paralympischen Sommerspiele 1988 in Seoul, präsent war und allen Athleten
technische Dienste anbot, so kam die Allianz erst im Jahre 2006 als Förderer des DBS hinzu,
nachdem der damalige Bundespräsident Köhler die Vorstandsvorsitzenden von Allianz und
Telekom persönlich und initiativ angesprochen hatte. Es muss daher an dieser Stelle die
Frage gestattet sein ob, die Allianz ohne diese direkte Ansprache auf höchster Ebene aus
eigener Intention heraus ein Sponsoring-Engagement im Behindertensport eingegangen
wäre. Die Allianz Sportkommunikation wollte sich auf diese Frage nicht eindeutig äußern,
hat mir aber versichert, dass man heute sehr froh und zufrieden mit dem positiven
Imagetransfer des Sponsorings ist. Die unter 5.3 erwähnte Auszeichnung des FASPO hat
50
sicherlich dazu beigetragen. In der gewählten Sponsoring-Strategie beider Unternehmen
sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erkennen. Beide Unternehmen unterstützen
zunächst einmal mit dem DBS die offizielle Vertretungsinstitution des Behindertenspots in
Deutschland. Die OBH engagiert sich zudem als einer von vier „Worldwide Partnern“ des IPC
mit werbewirksamen Auftritten neben Samsung, Atos und Visa in der ganzen Welt. Die
Allianz, als Europas größter Versicherungskonzern, spricht mit ihrem Co-Hauptsponsoring
des TOP TEAMS eher den deutschen Markt mit Werbebotschaften an und fokussiert durch
seine neue Partnerschaft, seit Mitte 2011, als „International Partner“ des IPC, die weltweite
Steigerung ihres Bekanntheitsgrades an. Während die OBH mit ihrem Sportsponsoring neben
seiner gesellschaftlichen Verantwortung in besonderem Maße die Marktführerschaft im
Bereich Prothetik -und Orthopädietechnik durch Messeauftritte und dauerhafte
Medienanzeigen im medizinisch-technischen Umfeld stärken möchte, so setzt die Allianz in
ihrer Strategie als Förderer des Behindertensports schwerpunktmäßig auf imagefreundliche
CSR-Kampagnen sowie auf die Strategie der starken Bündelung des Sponsorings rund um die
Paralympischen Spiele. Im Gegensatz dazu stehen die millionenschweren Sponsorships in
der Formel 1, im Golf und beim FC Bayern München, bei denen eine dauerhafte
Medienpräsenz gefordert ist und nur harte ökonomische Marketingziele dominieren.
Natürlich darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass die TOP TEAM-Förderung der
Allianz auch zwischen den Paralympischen Spielen (Paralympiaden) weiter läuft, doch liegt
der Fokus des Unternehmens, gemessen an der Flut von Pressemitteilungen, Bildkampagnen
und begleitenden PR-Maßnahmen kurz vor, während und nach den Paralympischen Spielen
2010, die über alle Medien analysiert wurden, eher auf dem Highlight der Spiele an sich.
Dafür gibt es Gründe. Die Paralympischen Spiele sind heute nach den Olympischen Spielen
mit über 4000 teilnehmenden Athleten die zweitgrößte Sportveranstaltung der Welt und
genießen eine immer größere Medienresonanz. Zur Verdeutlichung seien an dieser Stelle
hier nur einige Zahlen erwähnt. So geben im März 2010 nach den Paralympischen Spielen in
Vancouver bei einer Umfrage von SPORT + Markt 30%, oder hochgerechnet fast 11,9 Mio.
Menschen der sportinteressierten TV-Zuschauer an, die Spiele in den Medien verfolgt zu
haben (Anhang: vgl. Studie 3, S.80f).Tatsächlich hatte sich die Medienberichterstattung über
die Paralympischen Winterspiele von Turin 2006 mit 09.19h (in ARD, ZDF und Phoenix) bis zu
den folgenden Paralympischen Winterspielen in Vancouver 2010 mit 19.51h (ARD und ZDF)
51
um mehr als 10h gesteigert. Die Strategie der Allianz zielt darauf ab, die steigenden
Feedback- und Mediawerte des Top-Events Paralympische Spiele zur Steigerung der eigenen
Markenbekanntheit zu nutzen sowie die Verknüpfung der Allianz als Förderer des
Behindertensports und dem Logo des DBS herzustellen. (Anhang: vgl. Studie 3, S. 75ff).
Die OBH dagegen fährt im Sportsponsoring eine Profilierungsstrategie (vgl. Bruhn, 2010,
S.127), bei der im Rahmen der Strategieentscheidungen nur branchenaffine Sportarten –und
Events unterstützt werden, die zum positiven, innovativ-dynamischen Unternehmensimage
passen. Dem nationalen Behindertensport werden laut einer Umfrage von SPORT + MARKT
im März 2009 vorrangig die Attribute kämpferisch (47%), glaubwürdig (44%), fair (39%),
anspruchsvoll (38%) und im paralympischen Bereich eine hohe Internationalität (57%)
zugeordnet (Anhang: vgl. Studie 1, S.73). Das sind alles positiv besetzte Attribute, die eine
Imageaffinität des Behindertensports zur OBH glaubhaft darstellen. Da die Arbeit mit
gehandicapten Menschen das tägliche Kerngeschäft der OBH ist geht die Firma im
Behindertensportsponsoring einen etwas anderen Weg. Sie zieht sich aus den punktuell
medienwirksamen Auftritten etwas zurück und setzt eher auf langfristige Kooperationen mit
den offiziellen Vertretungen des Behindertensports (DBS, IPC). Internationale
Messeauftritte, innovative Ausstellungen wie den Snow Dome in Vancouver 2010,
Daueranzeigen in einschlägigen Medizintechnikpublikationen, Internetberichte unter
www.ottobock.de sowie als technischer und orthopädischer „Provider“ bei Paralympischen
Spielen runden das Engagement ab.
(Abb.15: Reperatur einer Athletenprothese im Otto Bock Service Center bei den
Paralympischen Sommerspielen 2008 in Peking.
52
Quelle:http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/740.html , Zugriff
09.08.2011)
Diese Performance sorgt für eine langfristig steigende Markenbekanntheit und, bedingt
durch eine sehr gute Arbeit im Kerngeschäft in den letzten Jahrzehnten, für ein 1a-Premium
Firmenimage. Die Akzeptanz und das Vertrauen in eine qualitativ hochwertige Arbeit der
OBH unter Sportlern und Kunden weltweit ist sehr hoch. So sieht es auch Heinrich Popow,
der neben Kelly Cartwright bekannteste aktive Testimonial der OBH. „ Wenn wir zu den
Spielen kommen fragen wir zuerst nach dem Internetcafe, dann nach der Mensa und dann
gleich nach Otto Bock“ (http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/39200.html
, Zugriff 09.08.2011).
Im Bereich der Präsentation eigener Engagements im Behindertensportsponsoring in den
Social Media Portalen Facebook und Twitter konnten deutliche Unterscheide festgestellt
werden. Die Kommunikationszentrale der OBH in Duderstadt gibt hier unter der eigenen
Themenreihe „Paralympischer Sport“ auf www.ottobock.de die Leitlinien vor und übersetzt
diese Rubrik in alle angeschlossenen Länderhomepages in die entsprechenden Sprachen.
Extra Portale der OBH, die deutschsprachig sind und ausschließlich das Sponsoring im
Behindertensport bei Facebook oder Twitter kommunikativ begleiten, konnten bis zum
Stichtag nicht festgestellt werden. Die sehr aktive Social Media Marketingarbeit der OBH UK
in den letzten Monaten vor dem 01.09.2011 kann hier jedoch als vorbildlich bewertet
werden. Es bleibt an dieser Stelle also festzustellen, dass die großen Leitlinien der
Kommunikationsarbeit im Sportsponsoring von der Konzernzentrale vorgegeben werden,
den einzelnen Ländervertretungen, wie hier der OBH UK, aber genügend Spielraum
eingeräumt wird, aktuell anstehende Sportevents (London 2012) mit eigenen
Kommunikationsstrategien zu bearbeiten.
Die Allianz präsentiert ihr Engagement im Behindertensport unter dem Portalnamen
„GlobalParaSport“ bei Facebook und Twitter modern aufbereitet, mit vielen Fotos, Videos
und Hintergrundberichten. Allein die Tatsache, dass neben dem deutschen auch noch sieben
weitere nationale Paralympische Komitees unterstützt werden (Australien, Bulgarien, Irland,
53
Kroatien, Portugal, Schweiz, Türkei) gibt den zuständigen Social Media Communicatern der
Allianz (teils Allianz, teils externe Agentur Sponsorplan) fast täglich ausreichend Inhalte, über
die berichtet werden kann.
So kann hier folgendes festgestellt werden: Musste die Allianz 2006 durch die Initiative des
damaligen Bundespräsidenten noch auf ein Engagement im Behindertensport gestoßen
werden, so offensiver wird das eigene Sponsoring heute, insbesondere über die neuen
Medien bereits seit Vancouver 2010, vermarktet und zentral gesteuert. Die OBH nutzt das
Social Media Marketing insgesamt erst seit einigen Monaten und hat bisher, für die
strategische Unit Behindertensport, weltweit keine einheitliche Strategie erkennen lassen.
Die Gründe dafür liegen sehr wahrscheinlich in den deutlich unterschiedlichen
Kommunikationsbudgets der beiden Unternehmen. Effektives Social Media Marketing
bedeutet Personal-, Geld-, und Zeitaufwand, ist aber eben ein Zeichen der Zeit und muss
daher organisiert werden.
6 Politische Rahmenbedingungen und Visionen im Behindertensport
6.1 Grundsatzprogramm der Bundesregierung
Am 03.09.2009 wurde der 12. Sportbericht der Bundesregierung vorgelegt. Darin sind alle
Angelegenheiten des Sports auf deutschem Hoheitsgebiet geregelt, ebenso wie unter Punkt
9f. der Sport der Menschen mit Behinderung. Unter Punkt 9.1. Allgemeines heißt es
einführend: „In der Bundesrepublik Deutschland leben rund 8,6 Millionen Menschen mit
Behinderung, von denen rund 6,7 Millionen schwerbehindert sind. Der Sport kann
entscheidend dazu beitragen, ihre Lebensqualität zu verbessern. (…) Die Bundesregierung
begrüßt deshalb alle Aktivitäten, die dazu beitragen, Sportmöglichkeiten der Menschen mit
Behinderung weiter auszubauen und zu verbessern. Im Sport der Menschen mit
Behinderung ist zu unterscheiden zwischen dem Leistungssport, dem Breitensport und dem
Rehabilitationssport“ (12. Sportbericht der Bundesregierung 2009, S.42,
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/028/1702880.pdf , Zugriff 11.05.2011).
Insbesondere der Bereich Leistungssportangebote und Vertretung wird in die Hände der
Behindertensportverbände gelegt und betont, dass der Leistungssport von Menschen mit
54
Behinderung, ähnlich wie im Spitzensport der Nichtbehinderten, eine Vorbildfunktion hat,
weil er behinderte Menschen anregt sich selber sportlich zu betätigen. Die Bundesregierung
definiert den Leistungssport der Menschen mit Behinderung als ein „sportpolitisches
Schwerpunktthema“ (9.2.2. Förderung) und gibt als Ziele aus, die Schaffung professionellerer
Strukturen im Leistungssport der Menschen mit Behinderung weiter zu stärken, sowie durch
ihre Förderung „die ihm gebührende Anerkennung und eine größere öffentliche Beachtung
zu verschaffen“ (ebd. S.42). Dazu sind aus dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern
(BMI) seit 2006 folgende Gelder geflossen:
(Abb.16, eigene Darstellung)
2006 in Mio. € 2007 in Mio. € 2008 in Mio. € 2009 in Mio. €
4,63 4,34 5,53 5,82
Die Fördermittel gingen an den DBS, der wiederum die Gelder unter seinen
Mitgliedsorganisationen verteilt. Unter 9.2.4 (Duale Karriere im Spitzensport der Menschen
mit Behinderung) wird insbesondere auf die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und
Spitzensport der Menschen mit Behinderung eingegangen. Dort heißt es: „ Die für die
nichtbehinderten Athletinnen und Athleten bei der BPOL, bei der Bundeswehr sowie bei der
Zollverwaltung in größerem Umfang geschaffenen Ausbildungsmöglichkeiten und Stellen, die
an wenigen Standorten konzentriert wurden, sind im Bereich des Behindertensports nicht
möglich. Gründe hierfür liegen, neben den unterschiedlichen Handicaps auch in den
persönlichen Bindungen und Betreuungsmöglichkeiten. Daher müssen auf den Einzelfall
zugeschnittene Lösungen und Angebote gefunden werden“ (vgl. ebd. S.43). Eine Initiative
zur Ausbildungsplatzsuche in der Bundesverwaltung des BMI von 2006 für
Spitzenathletinnen –und athleten hat bis heute geschafft fünf „fachlich geeignete
Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung in der Bundesverwaltung“ (vgl. ebd. S.43) zu
beschäftigen (nach Recherche beim SP 5 im BMI sind es nach aktuellem Stand im August
2011 zehn Stellen, zehn weitere sind in Aussicht gestellt). Im nächsten Satz heißt es: „Dieses
Thema hat für die Bundesregierung einen hohen Stellenwert“ (vgl. ebd. S.43). Zehn aktuelle
Stellen in den letzten Jahren sind ein Anfang, aber aus Inklusiver Sicht eindeutig zu wenig
55
wenn man die folgenden Zahlen in Relation setzt. „Für nichtbehinderte Spitzensportler
stehen bei der Bundeswehr bis zu 744 Plätze, bei der Bundespolizei bis zu 160 Plätze und
beim Zoll bis zu 60 Plätze im Rahmen von Sportfördergruppen zur Verfügung“ (Quelle: Ernst
Denneborg, Referatsleiter SP 5 im BMI, auf persönliche Anfrage per email am 05.08.2011).
Natürlich darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass die Gesamtzahl der
nichtbehinderten Spitzensportler im Vergleich zu der Gesamtzahl der behinderten
Spitzensportler deutlich größer ist, aber dennoch wird hier der immense Nachholbedarf an
dualen Karrierechancen im Staatsdienst und Spitzensport für behinderte Athletinnen und
Athleten sichtbar.
Unter 9.3.1 (Deutscher Behindertensportverband e.V.) wird noch einmal explizit auf die Rolle
des DBS und das Abschneiden deutscher Teams bei den letzten Paralympischen Spiele
eingegangen. Es wird festgestellt, dass die die deutschen Athletinnen und Athleten bei den
Paralympischen Winterspielen 2006 in Turin „einen hervorragenden 2. Platz in der
Nationenwertung“ gemacht haben, 2008 in Peking die deutsche Mannschaft auf Platz 11
landete, 2010 in Vancouver aber die Nationenwertung in puncto Medaillen gewann mit
insgesamt 13 Gold-, 5 Silber- und 6 Bronzemedaillen. Vor dem Hintergrund des nicht
zufriedenstellenden Abschneidens der deutschen Mannschaften bei den Paralympischen
Sommerspielen 2000 in Sydney und 2004 in Athen wurde 2007 vom DBS ein Strukturplan
Leistungssport vorgelegt, „ der Schwerpunkte bei der zukünftigen Entwicklung und
Förderung paralympischer Sportarten setzt“. Es wird weiter festgestellt, dass die
Konkurrenzfähigkeit deutscher Athletinnen und Athleten bei den Sommerspielen „ nicht
mehr in allen Bereichen gegeben ist“ (12. Sportbericht der Bundesregierung 2009, S.44,
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/028/1702880.pdf , Zugriff 11.05.2011). Vor diesem
Hintergrund wurde dem DBS zur freien Entscheidung überlassen, ob er zukünftig weiterhin
alle 38 Sportarten im Bereich des Leistungssports fördern möchte oder nur die 24
paralympischen Sportarten. Die Entscheidung des DBS in dieser Frage im Hinblick auf die
Paralympischen Sommerspiele 2008 in Peking war die Verkleinerung der geförderten
Sportartengruppe auf eben genannte 24.
Zudem wurde 2010 ein erneuerter Strukturplan Leistungssport 2011 erarbeitet, der den
aktuellen Umsetzungsstand der anvisierten Ziele darstellt.
56
6.2 Strukturplan 2011 – Spitzensport im DBS
Im Strukturplan 2011 werden die wesentlichen Fortschritte im Zeitraum von 2007 bis 2010
dargestellt. Diese können wie folgt zusammengefasst werden:
Flexiblere Verwendung der öffentlichen Mittel, insgesamt mehr Bundesmittel im
Rahmen der Sportjahresplanung und für Leistungssportpersonal
Verstärkte Förderung paralympischer Kernsportarten
Erweiterung der TOP TEAM-Förderung auf 18 Monate sowie Ausdehnung auf Schüler
und Studenten
Erneuerung des Paralympischen Trainingsstützpunkte-Konzepts
Verstärkte Einbindung von Heimtrainern in das Training der Nationalmannschaften
Verstärkte Kooperation mit den Fachverbänden, Institutionen und Organisation des
deutschen Sports
Berufliche Absicherung von Spitzenathleten im öffentlichen Dienst (Duale Karriere)
Stärkung der Nachwuchsarbeit durch die Deutsche Behindertensportjugend (DBSJ)
(vgl. Strukturplan 2011 DBS, S.8:
http://www.dbs-npc.de/ourfiles/datein/Strukturplan%202011_Endfassung.pdf, Zugriff
am 11.09.2011)
Zur Bewertung des Umsetzungsstandes des Strukturplan 2007 des DBS heißt es abschließend
darin: „ Der DBS ist damit in seinem Bemühen, den Leistungssport von Menschen mit
Behinderung zu professionalisieren, ein gutes Stück vorangeschritten. Gleichwohl ist eine
Vergleichbarkeit zu den führenden Nationen im Behindertensport noch nicht hergestellt“
(vgl. ebd. S.8, Zugriff am 11.09.2011).
Insgesamt hat der DBS in den letzten Jahren viel an der Neustrukturierung des Spitzensports
mit Handicap gearbeitet und setzt sich für die nächsten Jahre ehrgeizige Ziele.
57
6.3 Deutsche Sportpolitik auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention 2006
Am 13.12.2006 wurde in New York von der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein
„Übereinkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen“ angenommen und am
30.03.2007 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Das Inkraftsetzen hatte auf
nationaler Ebene zu erfolgen. Die damalige Bundesregierung aus CDU/SPD brachte dann am
08.11.2008 den Gesetzentwurf zur Ratifizierung ins deutsche Parlament ein. Mit der
Annahme durch den Deutschen Bundestag und der Ratifizierung durch den Bundesrat am
26.03.2009 trat das Übereinkommen in der Bundesrepublik in Kraft (vgl.
http://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar61106-dbgbl.pdf , Zugriff am
04.06.2011). Von den insgesamt 50 Artikeln betreffen die Artikel 6, 7, 8, 9, 20, 24, 25, 26, 27
und 30 direkt das Thema dieser Arbeit und die perspektivische Arbeit des DBS (aus Gründen
des Umfangs werde ich nur auf die wichtigsten Inhalte der Gesetze kurz eingehen). Inhalte
wie der Verbesserung der Sportangebote für Frauen und Kinder, der Schaffung einer neuen
Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft über die Leistungsfähigkeit behinderter Menschen,
der allgemeinen Barrierefreiheit und Mobilität, Bildungs- und Gesundheitsprogrammen,
Rehabilitationsangeboten, Arbeit –und Beschäftigungsförderung, der Teilhabe am
kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport werden hier unter dem Oberbegriff
der Inklusion Rechnung getragen. Von diesem Zeitpunkt an ändern sich auch die politischen
Rahmenbedingungen für den DBS, worauf der Verband in einem Positionspapier vom
27.11.2010 reagiert. Im Positionspapier des Deutschen Behindertensportverbandes e. V. zur
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im und durch Sport, veröffentlicht am
27.11.2010 (hier in der Fassung vom 02.07.2011) in Duisburg, verordnet sich der DBS als
Reaktion auf die UN-Charta folgende Perspektivwechsel in der Sicht auf behinderte Bürger.
Darin heißt es wörtlich:
„Vom Konzept der Integration zum Konzept der Inklusion
Von der Wohlfahrt und Fürsorge zur Selbstbestimmung
Von Patientinnen und Patienten zu Bürgerinnen und Bürgern
Von Problemfällen zu Trägerinnen und Trägern von Rechten
(Rechtssubjekten)“
58
(Positionspapier DBS 27.11.2010 i.d. F. vom 02.07.2011, S.1, http://www.dbs-
npc.de/ourfiles/datein/Positionspapier%20des%20DBS%20zur%20UN-
BRK%20i.d.%20F.%2002.07.2011.pdf , Zugriff 04.09.2011)
Der Grundgedanke der Gleichberechtigung zwischen Behinderten und Nichtbehinderten ist
die Basis der UN-Charta und neue Orientierungslinie für den DBS. Der Verband arbeitet
weiterhin an der inklusiven Gesellschaft, will barrierefreie Zugangsmöglichkeiten
organisieren und eine direkte Teilnahme behinderter Menschen an politischen
Entscheidungen fördern. „Der DBS sieht sich mit seinen rund 575.000 Mitgliedern in über
5.600 Vereinen, 17 Landes- und 2 Fachverbänden, über 31.000 lizenzierten
Übungsleiterinnen und Übungsleitern sowie über 100.000 ehrenamtlich tätigen
Vereinsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern als kompetenter Ansprechpartner und
Kompetenzzentrum für das gesamte Spektrum des Sports von Menschen mit oder mit
drohender Behinderung sowie chronisch Kranken. Bewegung, Spiel und Sport als Mittel
ganzheitlicher Rehabilitation und Sozialisation stehen im Fokus der Arbeit des DBS. Dabei ist
es das erklärte Ziel, dass alle Menschen mit oder mit drohender Behinderung und chronisch
Kranke nach ihren individuellen Wünschen und Voraussetzungen die Möglichkeit zur
Teilnahme am Sport haben “ (vgl. ebd. S.1). Durch seinen breiten Zugang zur Bevölkerung
und der starken Präsenz im Rehabilitationssport soll gerade die alle zwei Jahre stattfindende
Medienpräsenz der Paralympischen Spiele mehr genutzt werden, die gesamte Bevölkerung
mit dem Behindertensport näher vertraut zu machen. Über den Ausbau der
Berichterstattung in den Medien von Spitzensportevents im Behindertenbereich, weiterer
Vernetzung von Bildungseinrichtungen, Sportfachverbänden, Politik, Wirtschaft und Medien
soll die „Aufklärung einer breiten Öffentlichkeit über die positiven Aspekte von Bewegung,
Spiel und Sport für Menschen mit Behinderung“ weiter vorangetrieben werden (vgl. ebd.
S.3). Das Angebot an zielgruppengerechten, „inklusiven“ Sport- und Freizeitangeboten in
relativer Wohnortnähe setze die weitere Kooperation mit Vereinen und Gesundheitszentren
voraus, ebenso wie die Aus-, Fort- und Weiterbildung fachlich qualifizierter Übungsleiter in
der Breite. Inwieweit die Landesfachverbände des Behindertensports auf die Richtlinien des
DBS eingehen und die Inklusion umsetzen wird in Kap.6.4. am Beispiel des Behinderten-
Sportverbandes-Niedersachsen e.V. (BSN) untersucht.
59
6.4 Sportpolitische Umsetzung der Inklusion am Beispiel des BSN
Bei meinen Recherchen wurde mir häufig berichtet, dass im Behindertensportverband
Niedersachsen e.V. eine moderne, zukunftsorientierte Arbeit zum Thema Inklusion geleistet
wird. Der Vergleich mit allen 16 anderen Landesfachverbänden, deren Publikationen und
Homepages im April 2011 brachte tatsächlich den BSN, mit Sitz in Hannover, als einzigen
Landesverband hervor, der einen „Umsetzungsstand bzgl. der UN-Konventionen über die
Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention) im Behinderten-
Sportverband-Niedersachsen e.V.“ (Positionspapier vom 29.03.2011) nach vier Monaten als
Reaktion auf das Positionspapier des DBS vom November 2010 erarbeitet und auf der
eigenen Homepage öffentlich gemacht hatte (www.bsn-ev.de, Stichtag 15.04.2011).
Anmerkung des Verfassers: Der nochmalige Gegencheck am 14.09.2011 ergab hierbei keine
Veränderung. Gibt man bei mehreren Homepages das Suchwort „Inklusion“ ein bekommt
man sogar überhaupt keine Treffer.
Für Niedersachsen vermeldet der BSN zum Stichtag 29.03.2011 folgende
Umsetzungsmaßnahmen der neuen Inklusionsrichtlinien:
Bemängelung der nachrangigen Vergabe von Hallenzeiten an
Behindertensportgruppen bei der Stadt Hannover und dem LSB
Der BSN hat mehrere Ausbildungs –und Praktikaplätze für Menschen mit
Behinderung geschaffen
Unterstützung durch hauptamtliche Kräfte des BSN bei Kooperationen von
Schule und Verein, bei Selbsthilfeeinrichtungen und Errichtung eines
Finanzhilfeprogramms, über das Vereine finanzielle Hilfen für eingesetzte
Übungsleiter und Sportgeräte bekommen
Aktive Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung sowie Erstellung eines
Motto-Flyers
Schaffung eines barrierefreien BSN-Hauses in Hannover
Organisation von Workshops mit anderen, niedersächsischen
Behindertenfachverbänden
60
(vgl. Positionspapier BSN: http://www.bsn-
ev.de/userfiles/inklusion/bsn_umsetzung_2011_03_29.pdf, Zugriff 15.04.2011).
6.5 Politisch-gesellschaftliche Visionen im Behindertensport (Inklusion)
Inklusion bedeutet Dazugehören und Partizipation. Der Soziologe Michael Wunder definiert
den Begriff wie folgt: „Dem Konzept der Inklusion liegt der Gedanke der vorbehaltlosen und
nicht weiter an Bedingungen geknüpften Einbezogenheit und Zugehörigkeit Aller in der
Gesellschaft zu Grunde. Das Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen,
ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe, ihrer Leistung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit
oder ihrer Behinderung“ (Wunder in Wittig-Koppe 2010, S.25). Dem gegenüber steht das
alte Konzept der Integration, das immer voraussetzt, dass eine Gruppe eine andere
integrieren will (ob diese das will oder auch nicht) und das gedanklich immer zwei Gruppen
schafft: „die integrierenden, >normalen< Menschen oder Bürger und die zu integrierenden,
>nicht normalen < Anderen“ (vgl. ebd. S.24). Es entsteht immer eine Polarisierung, das das
eigentliche Problem eher noch vertieft und nicht entschärft.
Die rechtlichen Grundlagen zur Umsetzung einer „inklusiven Gesellschaft“ sind mit dem
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, vgl. http://www.gesetze-im-
internet.de/bundesrecht/bgg/gesamt.pdf , Zugriff 19.05.2011) und der UN-
Behindertenrechtskonvention gegeben, doch bewirkt Inklusion auf dem Papier eine
Inklusion in den Köpfen?
Meine Antwort darauf lautet nein. Die Menschen sind es, die zueinander finden und
aufeinander zugehen müssen. Kein Gesetz der Welt kann der Gesellschaft der
Nichtbehinderten vorschreiben, wie sie über Menschen mit Handicap zu denken oder sie zu
behandeln haben. Wenn in Deutschland alle amtlichen Gebäude, Bahnhöfe, Schulen,
Universitäten, Sportstätten etc. barrierefrei ausgebaut sind, wenn die Gleichberechtigung
der Menschen mit und ohne Handicap im täglichen Leben sichtbar ist und wenn
insbesondere eine sinnvolle Verschmelzung, des behinderten in den nichtbehinderten Sport
in der Zukunft gelingen sollte, kann von einer Umsetzung der Inklusionsleitlinien gesprochen
61
werden. Die komplette Barrierefreiheit in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern
sicherlich gut vorangeschritten, muss am heutigen Tage jedoch noch als Vision bezeichnet
werden.
Der Sport als sozialer Faktor der Inklusion und der Zusammenführung, kann von inklusiven
Bundesjugendspielen (seit 2009/2010 in Deutschland mit Umrechnungsfaktoren), über
inklusive Sportfeste, über inklusive Sichtungslehrgänge bis hin in die internationale Spitze zu
inklusiven „ParaOlympischen Spielen“ als Vision, einer der wichtigsten Faktoren der
gesellschaftlichen Inklusion sein. Respekt dem Anderen gegenüber, ein faires Miteinander,
gemeinsame Spielregeln bei gleichen Rahmenbedingungen und Toleranz sind die
Grundlagen eines jeden sportlichen Wettkampfes. Wenn behinderte und nicht behinderte
Sportler wenigstens die Chance hätten, sich im Sport häufiger zu begegnen, so hätte das
ebenfalls eine enorme Strahlkraft auf ihr gesellschaftliches Verständnis des Gegenübers. Auf
der institutionellen Ebene halte ich noch einen Aspekt für diskutabel, den der ehemalige
Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages von 2005-2009, Peter
Danckert (SPD), in seinem Buch „Kraftmaschine Parlament“ zur Sprache bringt. Es handelt
sich hierbei um die Idee der Schaffung eines eigenständigen Bundesministeriums für Jugend
und Sport. Zurzeit ist die Sportpolitik dem Bundesinnenminister und seiner Behörde
unterstellt. Der Innenminister jedoch sei mit den Themen wie innere Sicherheit, Verfassung
und Ausländerpolitik so stark eingespannt, das er sich dem Thema Sport, und insbesondere
dem Thema Förderung des Leistungssports für Menschen mit Behinderung, zu wenig
widmen könne. Um dem entgegenzuwirken wurde zum 01. Januar 2005 im BMI in Berlin
eine neue Organisationsstruktur der öffentlichen Sportförderung und Sportverwaltung mit
sechs Abteilungen SP von Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten bis hin zur Förderung der
Spitzensportverbände inauguriert. In der Kommunikation mit dem Referat SP 5 – Förderung
des Behindertensports, wurde mir auf meine Anfragen immer freundlich, kompetent und
schnell Auskunft erteilt. Die Neustrukturierung der Sportverwaltung im BMI hat sicherlich
dazu geführt, dass die einzelnen Referate gezielter und in der Tiefe besser arbeiten, doch
eine Behörde bleibt eine Behörde und in dieser werden die großen Arbeitsleitlinien vom
Leiter der Behörde festgelegt (in diesem Falle von Bundesinnenminister Dr. Friedrich). Aus
Sicht des vielfältigen Termindrucks des zuständigen Ministers auf verschiedensten
62
Themengebieten außerhalb des Sports könne ein eigenständiges Ministerium hierbei Abhilfe
schaffen. Danckert dazu: „Ein eigenständiges Jugend-und Sportministerium auf
Bundesebene brächte viele Vorteile mit sich. Ganz wesentlich ist, dass sich das zuständige
Regierungsmitglied intensiver als jetzt diesem Aufgabenbereich widmen könnte. Politische
Weichenstellungen und Entscheidungen könnten sachorientierter getroffen werden“
(Danckert 2009, S.285). An dieser Stelle gibt es keine beste Lösung für den Sport. Ein eigenes
Ministerium wäre breiter und präsenter in seiner Arbeit doch welches Ministerium würde
diesem neu gegründeten Ministerium gerne Mittel aus dem eigenen Haushalt abtreten? Ich
persönlich halte diesen Vorschlag Danckerts aus sportpolitischer Sicht für richtig, aber
ebenso für schwer durchsetzbar, da andere Ministerien in Berlin im Zuge der Installierung
eines Sportministeriums Kompetenzen und finanzielle Ressourcen aus ihrer Verantwortung
abgeben müssten. Die Zukunft wird zeigen ob es hier Veränderungen geben wird oder nicht.
Die zwei wichtigsten medienpolitischen Akzente, die allgemein den Behindertensport
betreffen sind:
Erstens: Der Versuch eine zukünftige Aufnahme der Paralympischen Winter- und
Sommerspiele in den Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) zu erreichen. Somit wären die
Paralympischen Spiele auch offiziell ein Großereigniss von gesellschaftlicher Bedeutung und
wären nach 2016 und dem, aller Tendenzen nach, stark steigendem Zuschauer –und
Medieninteresse vor dem Zugriff des Privatfernsehens geschützt. Zur Begründung. Der
Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien in der neuesten, 15. Geänderten Fassung,
Übertragung von Großereignissen, sagt dazu bisher folgendes aus:
„Die Ausstrahlung im Fernsehen von Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher
Bedeutung (Großereignisse) in der Bundesrepublik Deutschland verschlüsselt und gegen
besonderes Entgelt ist nur zulässig, wenn der Fernsehveranstalter selbst oder ein Dritter zu
angemessenen Bedingungen ermöglicht, dass das Ereignis zumindest in einem frei
empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in der Bundesrepublik
Deutschland zeitgleich oder, sofern wegen parallel laufender Einzelereignisse nicht möglich,
geringfügig zeitversetzt ausgestrahlt werden kann. (…) Als allgemein zugängliches
63
Fernsehprogramm gilt nur ein Programm, das in mehr als zwei Drittel der Haushalte
tatsächlich empfangbar ist. Großereignisse im Sinne dieser Bestimmung sind:
1. Olympische Sommer-und Winterspiele,
2. Bei Fußball-Europa- und-Weltmeisterschaften alle Spiele mit deutscher
Beteiligung sowie unabhängig von einer deutschen Beteiligung das
Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das Endspiel,
3. Die Halbfinalspiele und das Endspiel um den Vereinspokal des Deutschen Fußball-
Bundes,
4. Heim- und Auswärtsspiele der deutschen Fußballnationalmannschaft,
5. Endspiele der europäischen Vereinsmeisterschaften im Fußball (Champions
League, UEFA-Cup) bei deutscher Beteiligung.
Bei Großereignissen, die aus mehreren Einzelereignissen bestehen, gilt jedes Einzelereignis
als Großereignis. Die Aufnahme oder Herausnahme von Ereignissen in diese Bestimmung ist
nur durch Staatsvertrag aller Länder zulässig“ (Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht
2008, 2. Auflage, RStV §4, S.130).
Zweitens sieht der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, von den Ministerpräsidenten der
Länder unterzeichnet am 15.12.2010 und nach Ratifizierung durch die Bundesländer 2013 in
Kraft tretend, vor, dass ab dem 01.01.2013 nach 20.00 Uhr sowie an Sonn –und Feiertagen
das Programmsponsoring verboten ist. Ausnahmeregelungen wurden für das Sponsoring der
Übertragung von Großereignissen (s.o.) gemacht, nicht aber für Weltmeisterschaften der
Leichtathletik, Skifahren, Bob, Rodeln oder Schwimmen. Die Refinanzierung wird für diese
Sportarten daher erheblich erschwert und wird zur Folge haben, dass die kleineren
Sportarten immer weiter von der Bildfläche verschwinden. Die Verbände müssen daher ihr
Marketing neu strukturieren und neue Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Der
Behindertenhochleistungssport, der heute bereits in den Paralympiaden nicht live im TV
vertreten ist, wird daher vermutlich mittelfristig zwischen den Paralympischen Spielen
weiter ins Internet abwandern.
64
6.6 Fit für die Zukunft! Der DBS unter Friedhelm Julius Beucher
Friedhelm Julius Beucher (65), seit Juni 2009 Präsident des Deutschen
Behindertensportverbandes, war von 1990 bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages
(SPD) und von 1998 bis 2002 Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen
Bundestages. Vor seiner Wahl zum Präsidenten des DBS war Beucher fünf Jahre lang Rektor
einer Integrativen Schule in Burscheid, viele Jahre Vizepräsident von Special Olympics
Deutschland e.V. und fungierte zwischen 2004 und 2009 als Kuratoriumsvorsitzender des
DBS. Seit Mitte der 1980er Jahre ist Beucher dem Behindertensport national und
international verbunden und ist in der Szene bestens vernetzt. Seine Amtsauffassung
beschrieb Beucher in einem Interview mit der Zeitung „Olympisches Feuer“-Zeitschrift der
Deutschen Olympischen Gesellschaft- Mitte 2011: „ Ich bin seit August 2009 im Ruhestand,
und ich habe die Notwendigkeit gesehen, mich hier einzubringen, diesen Verband
zusammen mit dem Präsidium, den Landesverbänden und nicht zuletzt den Hauptamtlichen
in den Geschäftsstellen weiterzuentwickeln. Ich möchte nicht auf der Stelle treten, sondern
den Verband fit für die Zukunft machen, denn es gibt einige Probleme, die gelöst werden
müssen: Wir haben z.B. ein Nachwuchsproblem und-wie fast alle heutzutage- ein
Finanzierungsproblem. Es gibt also noch viel zu tun. Meine langjährige politische Erfahrung
und die in vielen Jahren erworbenen Kontakte sind dabei sehr hilfreich“ (Quelle:
Olympisches Feuer 02/2011, S.65). Beucher macht den Verband fit für die Zukunft. Genau
diesen Eindruck hatte ich auch, als ich am 17.08.2011 die Möglichkeit hatte, den DBS-
Präsidenten persönlich zu treffen, kritische Fragen zu stellen und mit ihm die Entwicklungen
seit seinem Amtsantritt zu diskutieren. Seine wichtigsten Arbeitsschwerpunkte können
folgendermaßen zusammengefasst werden:
Straffung der Arbeitsabläufe im DBS und Delegation neuer Aufgaben an seine
Mitarbeiter, insgesamt eine weitere Professionalisierung
Stärkung des Breiten –und Rehabilitationssportes in den Vereinen
Aktive Ansprache eventueller Neumitglieder bereits in Rehaphasen
Gezielte und effiziente Nachwuchsarbeit (41% der Mitglieder in 2011 sind
älter als 61 Jahre) an der Basis
Anwerbung und Qualifizierung neuer Übungsleiter
65
Stärkung des Bereichs neuer Medien im DBS mit Neugestaltung und ständiger
Aktualisierung der Homepage (www.dbs-npc.de) und Einbindung von Social
Media Marketing (laut Beucher aktuell in Arbeit)
Stärkung der Medienpräsenz des Behindertenleistungssports, insbesondere
der Paralympischen Spiele und seiner Athleten mit ihren Vorbildfunktionen
für jeden Sportler mit Handicap
Stärkung des Wettbewerbes „Jugend trainiert für Paralympics“
Flächendeckend Präsenz zeigen, insbesondere mit
Demonstrationswettbewerben bei Sportgroßveranstaltungen
nichtbehinderter Menschen
Repräsentation des Verbandes auf allen politischen Ebenen, Kontakte zu den
gesellschaftlichen Organisationen und Pflege internationaler Verbindungen
Festigung der Mitgliedschaft innerhalb des Deutschen Olympischen
Sportbundes (DOSB) und Wahrnehmung „auf Augenhöhe“
Einwerbung von mehr Sponsorengeldern und neuer Förderer
Mehr Kooperationen mit olympischen Trainingsstützpunkten und Eliteschulen
des Sports (EdS) einrichten
Einbindung weiterer, ehemaliger Spitzenathleten in die Weiterentwicklung
des DBS und der Nachwuchsförderung stärken
Eine Menge Arbeit, denn Beucher möchte den Behindertensport in die Mitte der
Gesellschaft bringen, ganz im Sinne der Inklusion. Dazu unbedingt notwendig sind die
Medien. Auf die Frage, ob der Behindertensport bereits in der Mitte der Gesellschaft
angekommen ist aufgrund steigender Berichterstattung, antwortete Beucher in einem
Interview mit der Zeitschrift „Paralympics“ kurz nach den Winterspielen 2010 in Vancouver:
„Noch längst nicht. Aber wir sind auf jeden Fall in Sieben-Meilen-Stiefeln auf dem Weg
dorthin. Die Erfolge von Whistler dürfen uns nicht blind machen vor der Notwendigkeit, dass
wir uns konstanter präsentieren müssen“ (Paralympics. Vancouver 2010 Ergebnismagazin,
S.13, Hrsg. DBS).
66
Beucher reist an 200 Tagen im Jahr im Dienste seines Verbandes durch Deutschland und die
Welt und arbeitet unermüdlich an seinen gesteckten Zielen. Monatelange Recherche über
die letzten 10 Jahre des DBS und der bisher geleisteten Arbeit Beuchers nach Amtsantritt, in
Kombination mit dem persönlichen Eindruck nach unserem Gespräch, lassen ein eindeutiges
Resumée zu. Beucher krempelt den etwas verstaubten Verband DBS strukturell um, gibt ihm
ein neues und frischeres Gesicht, hat die enorme Bedeutung neuer Medien für die
Gewinnung neuer Zielgruppen erkannt und forciert dies auch, nutzt seine sehr guten
politischen Kontakte zugunsten des Verbandes und hat vor allem einen Plan, wohin er mit
dem DBS möchte. Der DBS soll weiter fit für die Zukunft gemacht werden. Seinen Antrieb
beschreibt er mit dem Abbau von Vorurteilen großer Teile der Gesellschaft und fordert für
den Behindertensport in Deutschland mehr Respekt und kein Mitleid!
Abb.17 Abb.18
(Abb.17: mit dem Präsidenten des IOC Jaques Rogge, links, und dem Präsidenten des IPC, Sir
Philip Craven, rechts, bei den Paralympischen Winterspielen 2010 in Vancouver. Quelle:
http://www.rundschau-online.de/ks/images/mdsBild/1282058514826l.jpg, Zugriff
29.08.2011)
(Abb.18: mit dem Sledgehockey-Nationalspieler Sebastian Kessler am 22.09.2009 bei der
Ehrung von Sportlern in Neustadt. Quelle: http://www.oberberg-
aktuell.de/index.php?id=144&tx_ttnews[tt_news]=102776, Zugriff 29.08.2011
67
7 Empfehlungen an Wirtschaft, Medien und Sport
7.1 Die Deutsche Sport Marketing als Kommunikationsmotor
Der Behindertensport in Deutschland hat durch die zunehmende Medialisierung bei den
Paralympischen Spielen seit Peking 2008 einen höheren, gesellschaftlichen Stellenwert
bekommen. Durch diese Entwicklung, in Verbindung mit einer gezielten Lobbyarbeit des DBS
in den letzten Jahren und sehr guter Marketingarbeit der DSM, steigt das
Attraktivitätspotenzial des Behindertensports für neue Sponsoren. Neue Sponsoren bringen
neues Geld ins System und folglich kann die Förderung in der Breite besser aufgestellt
werden. Zudem steigt der Handlungsdruck auf die politischen Entscheidungsträger bei der
Umsetzung der Inklusionsrichtlinien und der Entwicklung neuer Fördermodelle für den Sport
mit Handicap an sich. Dennoch muss bei allen positiven Ansätzen klar konstatiert werden,
dass der Leistungs –und Spitzensport für Behinderte wie Nichtbehinderte, noch immer zu
sehr von den Geldzuweisungen der Politik abhängt. Ein System das teilweise zu 80% aus
öffentlichen Fördermitteln gespeist wird hat demnach relativ geringe Anreize eigene
Fördersysteme zu organisieren und die dafür nötigen Gelder über Sponsoren zu akquirieren.
2007 hat das den DBS an den Rand der Insolvenz geführt, die nur durch eine
Millionenspende des Deutschen Fußball Bundes (DFB) sowie der sehr guten
Konsolidierungsarbeit des Kölner Unternehmensberaters Dr. Michael C. Rosenbaum in
seiner Zeit als Interimsmanager des DBS zwischen März 2007 und September 2009 (aktuell
Vizepräsident Wirtschaft/Finanzen), abgewendet werden konnte. Seitdem die DSM offensiv
und modern ausgerichtet den DBS nach außen vertritt und vermarktet, geht es mit dem
Verband, den Sponsoringeinnahmen und dem Behindertensport in Deutschland
augenscheinlich aufwärts. Dieser Weg mit mehr privatem Engagement sollte weiter
gegangen werden. Mit den IPC Schwimm-Europameisterschaften Im Juli 2011 in Berlin, ist es
der DSM erstmalig gelungen, die Senderechte in Deutschland für eine
Behindertensportveranstaltung außerhalb der Paralympischen Spiele zu veräußern und
Liveübertragungen ins Internet zu bringen (vgl. Kapitel 4.5). Die Resonanz im Internet und im
TV war sehr gut. Den Bericht über den Eröffnungstag des Events am 03.07.2011 in der ARD
Sportschau verfolgten knapp 1,5 Millionen Menschen, ein Beleg dafür, dass das Interesse am
Behindertenhochleistungssport absolut vorhanden ist. Die DSM zeigt sich auf Anfrage sehr
68
zuversichtlich, dass es in Zukunft gelingen kann weitere Behindertensport-Großereignisse
wie Europameisterschaften oder Weltmeisterschaften stärker in den Medien platzieren zu
können. Aktuell laufen Gespräche mit potenziellen Partnern, die Förderer des Deutschen
Behindertensports werden könnten. Insgesamt ist die Auslagerung der professionellen
Medien- und Marketingarbeit an die DSM aus der Retrospektive der letzten vier Jahre als
absoluter Glücksfall für den DBS zu bezeichnen.
7.2 Empfehlungen an die Medien
Die positiven Entwicklungen der Übertragungszeiten und Zuschauerzahlen bei den beiden
letzten Paralympischen Spielen 2008 in Peking und 2010 in Vancouver sind ein Indikator für
das stetig wachsende Interesse am Behindertenleistungssport. Setzt man die reine
Nettoübertragungszeit bei den Paralympischen Spielen von Sydney 2000 in Relation zu der
reinen Nettoübertragungszeit bei den Paralympischen Spielen in Vancouver 2010 so lässt
sich über die Winter –und Sommerspiele in den 10 Jahren eine Gesamtsteigerung von 77h
(nur in ARD und ZDF über 15h) konstatieren (vgl. Kapitel 4.2). Eine weitere Steigerung ist
Peter Kaadtmann zufolge, für die kommenden Paralympischen Sommerspiele in London
2012 insbesondere zu den interessanten Quotenzeiten zu erwarten. Die Medien,
insbesondere das Fernsehen, sollten die Faszination der Paralympics noch stärker als bisher
in die deutschen Haushalte transportieren, und zwar nicht, um in Umfragen dafür später als
sympathischer Sender bewertet zu werden, sondern weil mit höheren Einschaltquoten eben
auch höhere Werbeeinnahmen verbunden sind. Es bleibt daher abzuwarten was in London
2012 in puncto Übertragungszeiten passiert. Um die Paralympischen Spiele, insbesondere
die Sommerspiele, für die Medien interessanter zu machen muss weiter an einer sinnvollen
Verknappung dieses TV-Produkts und intensiv an einer Angleichung der
Übertragungsinfrastruktur an ein vergleichbares Niveau zu den Olympischen Spielen
gearbeitet werden. An solchen Missständen muss im Dialog zwischen dem IOC, dem IPC und
den internationalen Medien weiter gearbeitet werden.
Anmerkung des Verfassers: Die Verhandlungen von ARD und ZDF mit den Olympic
Broadcasting Services für London (OBSL) laufen bereits seit Monaten (2001 wurde vom IOC
69
eine eigene Broadcasting Agentur (OBS) gegründet, die das Fernseh- und Radiosignal selber
produziert).
Die schreibenden Journalisten stehen häufig unter dem Einfluss ihrer jeweiligen
Chefredaktion, was die Aufnahme von Behindertensportevents in ihre Zeitungen betrifft.
Dennoch ist jedem Redakteur auch immer eine gewisse Freiheit in der Themenauswahl
zugestanden und Gespräche mit verschiedenen Sportredakteuren von überregionalen
Zeitungen (Frankfurter Rundschau, Westfälische Allgemeine Zeitung und Süddeutsche
Zeitung) brachten relativ gleiche Problemdarstellungen hervor. Bemängelt wurde vor allem
die mangelnde PR-Arbeit in den jeweiligen Landesfachverbänden des Behindertensports
sowie das Fehlen von Themen und „starken“ Geschichten, die eine dauerhafte
Berichterstattung in den Zeitungen rechtfertigen würden. Einzelne Berichte wurden laut
Aussagen der Pressevertreter schon mal in den Zeitungen platziert, doch wenn es aus ihrer
Sicht allein schon daran mangele, dass Sportredakteure keine feste Ansprechperson im
jeweiligen Verband oder Sportart hätten, dann könne gute Kommunikation zugunsten des
Behindertensports schlecht gelingen. Selbst im heute vorbildlich geführten BSN in Hannover
war das Ressort Pressearbeit bis vor einigen Jahren als Nebentätigkeit des Jugendreferenten
eingegliedert. Dennoch tut sich was. Auf www.sport1.de gibt es regelmäßige Blogs zum
Behindertensport, der „Faktor Sport“ (Magazin des DOSB) bringt regelmäßig Berichte und
die „Paralympics Zeitung“, in Kooperation mit der DGUV, bringt Sonderausgaben, wie die zu
60 Jahre Deutscher Behindertensportverband am 08.09.2011 im Tagesspiegel. Sie alle
weisen den Weg wie es gehen kann. Ein Wandel gibt es auch im BSN. Heute werden
Newsletter gestreut, Pressekonferenzen abgehalten, Journalistennetzwerke aufgebaut und
moderne Ideen umgesetzt. So wurde zwischen dem BSN, dem Deutschen
Rollstuhlsportverband (DRS) und dem Niedersächsischen Basketballverband (NBV) im März
2011 ein zukunftsweisender Kooperationsvertrag zur Jugendarbeit, Aus-, Fort- und
Weiterbildung unterzeichnet. Ziel der Vereinbarung sind die inklusive Trainer –und
Schiedsrichterausbildung, „um die Integration von Menschen mit einer Behinderung und
nichtbehinderten Menschen zu fördern“, hebt NBV-Präsident Hans Thiel den zentralen
Gedanken der Vereinbarung hervor (Quelle: http://bbl-im-nbv.de/GetFile.aspx?q=8653018d-
f1af-4f29-aa8b-a9c818e40f2c , Zugriff 23.04.2011). Der Basketballsport in Deutschland sei
70
eine geeignete Ebene dazu. Im Juni dieses Jahres fand bereits ein erster gemeinsamer
Trainerlehrgang im Rahmen des Junioren-Ländervergleichsturniers in Hannover statt. Die
Landesfachverbände des Behindertenports müssen einfach begreifen, dass aktive
Kommunikationsarbeit mit den Medien der Schlüssel zu mehr Medienpräsenz ist. Dies gilt
für die lokale bis überregionale Ebene. Wer den Medien keine interessanten Geschichten
anbieten kann, der kommt gegen König Fußball in der Berichterstattung auf Dauer nicht an.
Das Beispiel der DSM (vgl. Kapitel 7.1) zeigt wie es funktionieren kann. Die Deutsche
Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) vergibt bereits seit 1998 den „German Paralympic
Media Award“. Ein Medienpreis für herausragende Berichterstattung über den
Behindertensport, vergeben in den Kategorien Print/Foto, TV/HF und Online. Durch die
Preisvergabe sollen Journalisten für ihr Engagement geehrt werden, die den
Behindertensport stärker in das öffentliche Interesse gerückt und die Leistungen behinderter
Sportler einem breiten Publikum ins Bewußtsein gerufen haben. Für 2011 ist es der DGUV
gelungen, die Verleihung des Paralympic Media Award 2011 für den 02.12.2011 unter der
Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert in den Reichstag zu
terminieren. Ein großes Medien –und Publikumsinteresse ist somit garantiert.
(Abb.19: Die Gewinner des PMA 2010, v. l. n. r.: Fabian Vögtle (Jugendmagazin schekker),
Arno Schupp (Weserkurier), Cornelia Linse (MDR 1 Radio Sachsen-Anhalt), Arno Schade
(Ehrenpreis), Gregor Doepke (Pressesprecher DGUV), Quelle: http://www.panta-rhei-
berlin.eu/resources/German+Paralympic+Media+Award+Preistr$C3$A4ger.jpg , Zugriff
20.08.2011)
71
Zum Vergleich: Die Ehrungen der Sportler des Jahres 2010 wurden unter hohem
Medieninteresse aus dem Kurhaus Baden-Baden im ZDF übertragen. Für die
Behindertensportler gibt es diese Aufmerksamkeit nicht. Bewegte Bilder zur Paralympic
Media Award Verleihung 2010 konnte ich nur zufällig über eine CD mit dem Titel „Leistung
mit Handicap“ der Bertelsmann AG bekommen, da mir diese vom
Konzernbehindertenbeauftragten persönlich bei den IPC Schwimm Europameisterschaften in
Berlin geschenkt wurde. Es wäre ein richtiger Schritt hin zu mehr Anerkennung und
Inklusion, wenn die Wahl und die Ehrung der behinderten und nichtbehinderten Sportler des
Jahres bei einer gemeinsamen medienträchtigen Veranstaltung durchgeführt würden. Idee
ist es nicht, beide Sportlergruppen gegeneinander in den einzelnen Sportarten für die Wahl
antreten zu lassen, sondern sie auf einer gemeinsamen Bühne zu präsentieren.
Welche Rolle spielt der DBS im Umgang mit den Medien? Bezüglich der Vorbereitung der
Medien und insbesondere der schreibenden Presse auf Paralympische Spiele oder andere
Großevents hat der DBS einen schweren Stand. Als ich mir hauptsächlich im Internet und
teilweise in persönlichen Gesprächen Feedback von Journalisten über die Pressearbeit des
DBS geholt habe, da überwiegte tendenziell eher die negative Kritik am DBS. Die Flut von
Starterklassen und Einteilung in Schadensklassen zum Beispiel bei Paralympischen
Sommerspielen sei zu schwer verständlich, es gäbe keine Vorbereitung auf die
Paralympischen Spiele etc. In meinem persönlichen Gespräch mit dem Präsidenten des DBS
am 17.08.2011, wurde mir ein anderes Bild aufgezeigt. Beucher berichtete mir, dass bereits
mehrere solcher Presse-Workshops beim DBS aufgrund mangelnder Teilnahme von
Journalisten, abgesagt werden mussten. Auch sonst sei das Interesse, Berichte über den
Behindertensport zu veröffentlichen, noch eher verhalten. Die Kritik am Verband sollte
daher zu diesem Thema nur geäußert werden, wenn die Presse ihre Bringschuld eingelöst
hat.
72
7.3 Empfehlungen an den organisierten Behindertensport
Der organisierte Behindertensport von der Breite bis in die paralympische Spitze hat in
Deutschland mit dem DBS, in seiner heutigen Form und Führung, wieder eine starke
Vertretung in Politik und Gesellschaft. Die Zeiten, in denen auf der Homepage des DBS viele
Wochen alte Meldungen unter „Aktuelles“ zu finden waren, sind definitiv vorbei.
Insbesondere die Erfolge der paralympischen Sportler bei den Spielen in den vergangenen
zehn Jahren haben die Medien immer stärker auf den Plan gerufen. Erfolge sind eben gut zu
vermarkten. Die Auswertung der Mediadaten in Kapitel 4.2 belegen diese Entwicklung
eindeutig und alle untersuchten Determinanten zeigen für die Zukunft weiter nach oben.
Empfehlungen an die Sportler können daher nur lauten, weiter für infrastrukturelle
Verbesserungen der Sportstätten und Trainingsmöglichkeiten zu kämpfen, sich an inklusiven
Tagen der offenen Tür im lokalen Verein selbstbewusst zu präsentieren, ihren jeweiligen
Interessensvertretern regelmäßig bei ihrer Arbeit auf die Finger zu gucken und weiterhin
hart zu trainieren. Die paralympische Medaille bei den Spielen 2016 und 2018 kann nur
über inklusive Basisarbeit im Nachwuchsbehindertensport heute gewonnen werden!
Insbesondere Sportler, die nach einem Schicksalsschlag über die erste moralische und
mentale Hürde des Rehabilitationssports in das System des organisierten Behindertensports
gelangt sind, eignen sich hervorragend dazu, weitere potenzielle Kandidaten für den Sport
mit Handicap zu gewinnen. Paralympische Vorbilder als Unterstützer könnten hier eine
Sogwirkung entfalten. Die Klinik-Tour der DGUV in 2010 war dazu ein vorbildliches und
erfolgreiches Projekt, das in Kooperation mit dem DBS über ein
Nachwuchsgewinnungsmodell, fernab einzelner Institutionen, in ganz Deutschland
strukturell aufgelegt werden sollte. Trotz aller positiver Tendenzen in den letzten Jahren ist
das Nischendasein des Sports mit Handicap dennoch nicht besiegt. Behinderte Sportler
müssen sich selbst einfach noch mehr zeigen (insbesondere durch den Einsatz neuer
Medien) und offensiver für Ihre Belange streiten.
73
7.4 Empfehlungen an die Wirtschaft
In dieser Arbeit konnte durch die Auswertung von Umfragedaten klar belegt werden, dass
die gesellschaftliche Anerkennung von Förderern des Behindertensports in Deutschland sehr
hoch ist. Unternehmen, die sich in diesem Bereich bereits engagieren, generieren eine
positive Ausstrahlung sowie einen positiven Imagetransfer auf ihre Marke/n. Die Lücke der
fehlenden kontinuierlichen Medienpräsenz, die heute noch ein Hinderungsgrund für
potentielle Partner darstellt, wird nach objektiver Auswertung aller Fakten nach einem Jahr
im System Behindertensport, insbesondere für den Behindertenhochleistungssport, in den
nächsten Jahren immer weiter geschlossen werden können. Die Integration eines
Sponsorships des Sports mit Handicap in den Marketing-Mix des eigenen Unternehmens, ist
mit etwas mehr Kreativität in der kommunikativen Begleitung keine Belastung, sondern eher
eine große Chance viel Aufmerksamkeit und positives Image für relativ (in Relation zu einem
Sponsoring im Fußball) geringes Geld zu bekommen. Als Beleg dafür kann herangezogen
werden, dass die beiden untersuchten Unternehmen dieser Arbeit ihre Sponsorings in den
letzten Monaten, im Vergleich zu 2010, deutlich aufgestockt haben (Otto Bock als
Technischer Servicepartner des LOCOG 2012 im Februar 2011 und die Allianz vom „Gold
Patron“ zum ersten „International Partner“ des IPC im Juni 2011). Die Chancen, die
engagierten Unternehmen durch das Social Media Marketing in diesem Bereich geboten
werden, wurden bisher noch vernachlässigt oder teilweise auch gar nicht wahrgenommen.
(Anmerkung des Verfassers: Es gibt aber auch fantastische Gegenbeispiele wie
beispielsweise die Portale „Paralympic_crew“, „ParalympicSport.TV“ oder „Swiss
Paralympic“ und einige mehr). Im Fußballmarketing wäre das nicht denkbar. Die
Feedbackwerte für ein Sponsoring im Profifußballmarkt sind natürlich deutlich höher, doch
ist der Sättigungsgrad in der omnipräsenten Vermarktung des Fußballs bereits seit einigen
Jahren erreicht. Eine aufstrebende Sportbranche in Deutschland ist der Behinderten-
Spitzensport, der über seine steigende mediale Präsenz in den nächsten Jahren auch für die
Wirtschaft zukünftig eine deutlich teurere Werbeplattform darstellen wird als dies heute der
Fall ist. Der baldige Einstieg als Sponsor in diesen Markt kann neben Imagegründen somit
auch aus ökonomischer Sicht nur empfohlen werden.
74
8 Fazit und Ausblick auf die XIV. Paralympischen Sommerspiele 2012 in
London
15 Monate im System Behindertensport haben bei mir viele Spuren hinterlassen. Zunächst
bleibt die Faszination für die Lebensleistungen von Menschen mit Handicap, die sich
beispielsweise nach einem Unfall erst zurück ins Leben kämpfen und dann bis in die
nationale oder paralympische Elite des Sports hoch arbeiten. Zudem bleibt die Frage
präsent, ob ich mir nach einem Schicksalsschlag diesen eisernen Willen zutrauen würde?
Mein Respekt gilt ebenso allen Menschen mit Handicap, die keinen Sport treiben. Die
Organisation des Alltags ist schon schwer genug. Wenn ich eins gelernt habe von dieser
Arbeit, dann ist es Dankbarkeit für den Fakt nicht behindert zu sein. Dieses Geschenk kann
einem täglich wieder genommen werden.
Der organisierte Behindertensport in Deutschland ist auf einem guten Weg, hat aber noch
viel Arbeit vor sich. Die Kritik vom Behindertenbreitensport, das medial fast nur über den
Behindertenhochleistungssport berichtet wird, ist richtig und zugleich Aufgabe für die
Zukunft. An der Basis entsteht die Spitze. Dennoch. Jede Sportart braucht Gesichter, die
bekannt sind. Das bringt Quote und Medienpräsenz. Eine verstärkte Zusammenarbeit in der
Pyramide des Behindertensports ist daher unvermeidlich. Dies gilt ebenso für alle
Landesverbände des DBS. Der Umsetzungsstand der UN-Behindertenrechtskonvention sollte
im September 2011 in allen deutschen Landesverbänden des Behindertensports auf dem
gleichen Stand sein. Ist er aber nicht. Der DBS hat das und weitere Potenziale erkannt und
sich diese in seiner „Berliner Erklärung“ vom 09.09.2011 zur Aufgabe der nächsten zehn
Jahre gemacht.
Die XIV. Paralympischen Sommerspiele in London 2012 werden nach heutigem
Erkenntnisstand ein multimediales Schaufenster bei dem bisherige Bestmarken aus Peking
2008 übertroffen werden. 4200 Sportler aus über 150 Ländern werden in 20 Sportarten um
die Medaillen kämpfen. Bereits 11 Monate vor Beginn der Spiele sind die Hälfte der 2
Millionen Tickets verkauft. Das Interesse ist gewaltig. England wird der paralympischen
Bewegung einen würdigen Rahmen bieten, die hier 1948 mit organisierten
Sportwettkämpfen von Versehrten des Zweiten Weltkriegs ihren Anfang nahm.
75
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http://www.bsbrandenburg.de/, Landesverband Brandenburg
http://www.behindertensport-bremen.de/, Landesverband Bremen
http://www.brs-hamburg.de/, Landesverband Hamburg
http://www.hbrs.de/, Landesverband Hessen
http://www.vbrs-mv.de/, Landesverband Mecklenburg-Vorpommern
http://www.bsn-ev.de/, Landesverband Niedersachsen
http://www.bsnw.de/, Landesverband Nordrhein-Westfalen
http://www.bsvrlp.de/, Landesverband Rheinland-Pfalz
http://www.brs-saarland.de/, Landesverband Saarland
http://www.behindertensport-sachsen.de/, Landesverband Sachsen
http://www.bssa.de/, Landesverband Sachsen-Anhalt
http://www.rbsv-sh.de/, Landesverband Schleswig-Holstein
http://sonderfahrzeugbau-walschleben.de/tbrsv/, Landesverband Thüringen
http://www.wbrs-online.net/, Landesverband Württemberg
http://www.drs.org/cms/, Deutscher Rollstuhl-Sportverband e.V.
http://www.dsj.de/, Deutsche Sportjugend
https://www.sporthilfe.de/, Deutsche Sporthilfe
http://www.dosb.de/de/, Deutscher Olympischer Sportbund
www.oscarpistorius.com
www.facebook.com
81
www.twitter.com
www.paralympic.org
www.du-bist-gold.de
www.xe.com
www.duden.de
82
IV. Anhang Studie 1, S.73-74
83
84
Studie 2, S.82
85
86
Studie 3, S.75-80
87
88
89
90
Studie 4, S.84
91
92
V. Eidesstattliche Erklärung
„Ich erkläre, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Verwendung der
angegebenen Literatur und Hilfsmittel verfasst habe. Zitate und gedankliche Übernahmen
sind kenntlich gemacht. Diese Arbeit lag in dieser Form oder in Ausschnitten noch keiner
Begutachtungsbehörde vor. Ich erkläre, dass Dritte weder unmittelbar noch mittelbar
geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt
der vorgelegten Masterarbeit stehen."
Jens Heinrich Hubert M.A.
Göttingen, den 18.09.2011
93
VI. Zusammenfassung
Der Behindertensport in Deutschland zwischen Breitensport und paralympischer Spitze ist
gesamtgesellschaftlich ein wenig beachtetes Thema und findet in der
Medienberichterstattung kaum statt. Bereits seit 2004 beschäftigt mich die Frage, warum
die Olympischen und Paralympischen Spiele nicht miteinander kombiniert werden und
warum der Sport mit Handicap zwischen seinen Spielen keine Chance hat in die Medien zu
kommen. Insbesondere in den zwei Jahren zwischen den jeweiligen Paralympischen Spielen
gibt es sehr wenig mediale Aufmerksamkeit für den Sport mit Handicap. Grund genug sich
neben dem Thema Medien auch dem Thema Wirtschaft und Sponsoring im
Behindertensport zu nähern.
Zur Einführung in das Thema Sponsoring werden dazu in Kap. 2 die theoretischen
Grundlagen des Begriffs Sponsoring dargelegt und die Zusammenhänge zwischen Medien,
Wirtschaft und Sport anhand des „Magischen Dreiecks des Sports“ beschrieben. Alle drei
Partner haben zwar unterschiedliche Interessen, bedingen und ergänzen sich aber
gegenseitig zu einem erfolgreichen System. Sportsponsoring ist für die Wirtschaft als
Investition in ökonomische Ziele zu verstehen. Die Medien profitieren aufgrund der hohen
Nachfrage an Sportberichterstattung an Auflage, Zuschauerquoten und bei den
Refinanzierungsmöglichkeiten ihrer eigenen Produktionskosten durch Anzeigenverkäufe
(Printmedien, Internet) sowie durch Werbeinnahmen (Fernsehspots, Radio-jingles). Der
Ausrichter des Sportevents wiederum kann dem Zuschauer, den Medien und der Wirtschaft
durch seine Werbeinnahmen ein attraktives Sportangebot machen und so helfen sich alle
Partner in diesem System gegenseitig.
Kap.3 geht auf die spezielle Situation des Sponsoringmarktes im Behindertensport ein,
definiert seine Chancen und Risiken und fragt, ob und wie sich beispielsweise Einzelsportler
mit Handicap für Werbung eignen würden.
Durch einen Vergleich der Sponsoringaktivitäten der Otto Bock Healthcare GmbH (OBH) aus
Duderstadt und der Allianz AG aus München wird im Folgenden in der Praxis untersucht, wie
zwei Akteure aus der Privatwirtschaft Sponsoring im Behindertensport betreiben und
kommunizieren. Dazu wird die Geschichte der Sponsorings beider Unternehmen
94
miteinander verglichen, Stimmen von Sportlern und Entscheidern zitiert und anhand der
Internetportale Facebook und Twitter verglichen, inwieweit sich die Unternehmen über die
neuen Medien das sogenannte Social Media Marketing zunutze machen. Herausgekommen
sind zwei völlig unterschiedliche Modelle.
In den nächsten Schritten wird die besondere Rolle der Medien für den Behindertensport
aufgegriffen. Warum? Die Paralympischen Spiele 2008 in Peking waren medial eine
Kehrtwende in der Wahrnehmung des Behindertensports. Nicht nur in Deutschland. Das
deutsche Fernsehen zeigte erstmalig täglich 2 Stunden an Live-Wettkämpfen und
Zusammenfassungen und bescherte den Sendern gute Zuschauerquoten. Grund genug diese
Entwicklung weiter zu untersuchen. Die Frage ob der positive Aufwärtstrend in der
Medienberichterstattung seit den Paralympischen Sommerspielen 2008 weiter anhält oder
nicht, wird in dieser Arbeit untersucht und beantwortet. Dazu konnte der Experte
schlechthin in Deutschland interviewt werden, Herr Peter Kaadtmann, Sportredakteur vom
ZDF, der seit Sydney 2000 alle Spiele aus nächster Nähe erlebt hat. Ich konnte mit ihm
nahezu alle Facetten des Behindertensports diskutieren und seine Expertise zum Thema
Verbandsstrukturen in Deutschland, das Trainerwesen, die Paralympischen Spiele und ihre
Organisation, die paralympischen Athleten und ihr Selbstverständnis einholen.
Der Hauptschwerpunkt unseres Gesprächs lag jedoch eindeutig auf der der aktuellen
Mediensituation des Behindertenhochleistungssports. Anhand von Mediendaten konnte klar
belegt werden, das die Berichterstattung über die Paralympischen Spiele kontinuierlich
zugenommen hat und aller Voraussicht nach für London 2012 noch weiter zunehmen wird.
Kaadtmanns Leitaussage unseres Gespräches kann ganz praktisch unter dem Merksatz:
-Mehr Realismus statt Emotionalismus- zugunsten des Behindertensports-
zusammengefasst werden.
Um einen Blick über den Tellerrand zu wagen und nicht nur die deutsche Medienarbeit im
Behindertensport zu sehen, wurde die Arbeit des Deutschen Behindertensportverbandes
(DBS), der zugleich Nationales Olympisches Komitee ist, mit einem Arbeitsmodell des
Brasilianischen Paralympischen Komitees (CPB) als internationalem Vergleichsfaktor
untersucht. Während hier der paralympische Hochleistungssport durch ein System aus
hohen staatlichen Zuwendungen, hohem privatem Engagement in der Ausbildungspraxis und
die Berichterstattung über die Paralympischen Spiele erst nach 2008 richtig an Fahrt
95
gewonnen hat, wird in Brasilien ein komplett anderes Medienmodell praktiziert. Das
Nationale Paralympische Komitee von Brasilien arbeitet seit Ende der 1990er Jahre mit
außergewöhnlichen Mitteln an der Forcierung der Medienberichterstattung über den
Behindertensport. Aufgrund von Etatzuwendungen aus staatlichen Lotterieeinnahmen
verfügt das Comitê Paraolímpico Brasileiro über eine sehr gute finanzielle
Einnahmesituation. So wurden bereits zu den Paralympischen Spielen 2000 in Sydney
Pressevertreter geflogen und deren gesamte Kosten vom Verband übernommen. Beflügelt
durch den großen Erfolg der Berichterstattung kaufte das CPB 2002 die nationalen
Fernsehrechte an den Paralympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Peking und gab sie
dann kostenlos an den größten privaten, brasilianischen Sportkanal Globo/Sport TV weiter.
Zur Begleitung der Spiele wurde die heimische Presse erneut eingeladen, Flugtickets, Hotel,
Verpflegung und Transporte vor Ort übernommen und bezahlt. Danach ist die
Berichterstattung und das Interesse am Behindertensport regelrecht explodiert und macht
sich auch im Gegenzug für den Verband in barer Münze bemerkbar. Nach Prüfung der
rechtlichen Situation und Gesprächen mit erfahrenen Journalisten wurde diese Art der
Pressepraxis für Deutschland aber als eindeutig nicht praktibel bewertet.
Dennoch geht in Deutschland gerade die Deutsche Sport Marketing (DSM), als
Kommunikationsmanager des DBS, in puncto Medienarbeit mit innovativen Schritten voran.
Vom 03.07.-10.07.2011 fanden in Berlin die IPC Schwimm Europameisterschaften statt, an
denen ich dank einer Presseakkreditierung teilgenommen habe. Ziel war es, dass Event als
Beispiel für aktuelle Mediatrends im Behindertenhochleistungssport zu untersuchen denn
Live-Bilder waren unter spobox.tv sowie unter ParalympicSport.TV auf www.youtube.com im
Internet zu sehen. Die Auswertung der Mediatabellen ergab erfreulich gute Resonanzwerte
für Sport und Vermarkter zugleich, so dass die Frage aufläuft inwieweit dieses Modell der
Sportberichterstattung zukünftig weiter ausgebaut werden könnte. Die Zukunft wird es
zeigen.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die politischen Rahmenbedingungen für den
Behindertensport dargestellt und Visionen zugunsten seiner Entwicklung in Deutschland
beschrieben. Neben dem aktuellen Grundsatzprogramm der Bundesregierung und den
Leitaussagen zum Thema Sport für Menschen mit Behinderung, wird hier der Begriff der
96
Inklusion und seiner zukünftigen Umsetzung in Deutschland von Bedeutung. Am 13.12.2006
wurde in New York von der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein
„Übereinkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen“ angenommen und am
30.03.2007 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Mit der Annahme durch den
Deutschen Bundestag und der Ratifizierung durch den Bundesrat am 26.03.2009 trat das
Übereinkommen in der Bundesrepublik in Kraft. Inhalte sind die Verbesserung der
Sportangebote für Frauen und Kinder, der Schaffung einer neuen Bewusstseinsbildung in der
Gesellschaft über die Leistungsfähigkeit behinderter Menschen, die allgemeine
Barrierefreiheit, mehr Mobilität, Bildungs- und Gesundheitsprogramme,
Rehabilitationsangebote, Arbeit –und Beschäftigungsförderung, die Teilhabe am kulturellen
Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport für Menschen mit Handicap. All diese Themen
werden zur Umsetzung unter dem Oberbegriff der Inklusion definiert. Von diesem
Zeitpunkt an ändern sich auch die politischen Rahmenbedingungen für den DBS, worauf der
Verband in einem Positionspapier vom 27.11.2010 reagiert. Im Positionspapier des
Deutschen Behindertensportverbandes e. V. zur Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention im und durch Sport, veröffentlicht am 27.11.2010 (hier in der
Fassung vom 02.07.2011) in Duisburg, verordnet sich der DBS als Reaktion auf die UN-Charta
folgende Perspektivwechsel in der Sicht auf behinderte Bürger. Darin heißt es wörtlich:
„Vom Konzept der Integration zum Konzept der Inklusion
Von der Wohlfahrt und Fürsorge zur Selbstbestimmung
Von Patientinnen und Patienten zu Bürgerinnen und Bürgern
Von Problemfällen zu Trägerinnen und Trägern von Rechten
(Rechtssubjekten)“
Der Grundgedanke der Gleichberechtigung zwischen Behinderten und Nichtbehinderten ist
die Basis der UN-Charta und neue Orientierungslinie für den DBS. Der Verband arbeitet
unter seinem sehr modernen und weitsichtigen Präsidenten Friedhelm Julius Beucher an der
inklusiven Gesellschaft, will barrierefreie Zugangsmöglichkeiten organisieren und eine
direkte Teilnahme behinderter Menschen an politischen Entscheidungen fördern. Der DBS
sieht sich mit seinen rund 575.000 Mitgliedern in über 5.600 Vereinen, 17 Landes- und 2
97
Fachverbänden, über 31.000 lizenzierten Übungsleiterinnen und Übungsleitern sowie über
100.000 ehrenamtlich tätigen Vereinsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern als kompetenter
Ansprechpartner und Kompetenzzentrum für das gesamte Spektrum des Sports. Durch
seinen breiten Zugang zur Bevölkerung und der starken Präsenz im Rehabilitationssport soll
gerade die alle zwei Jahre stattfindende Medienpräsenz der Paralympischen Spiele mehr
genutzt werden, die gesamte Bevölkerung mit dem Behindertensport näher vertraut zu
machen. Über den Ausbau der Berichterstattung in den Medien von Spitzensportevents im
Behindertenbereich, weiterer Vernetzung von Bildungseinrichtungen, Sportfachverbänden,
Politik, Wirtschaft und Medien soll die Aufklärung einer breiten Öffentlichkeit über die
positiven Aspekte von Bewegung, Spiel und Sport für Menschen mit Behinderung weiter
vorangetrieben werden. Das Angebot an zielgruppengerechten, „inklusiven“ Sport- und
Freizeitangeboten in relativer Wohnortnähe, die weitere Kooperation mit Vereinen und
Gesundheitszentren und die Aus-, Fort- und Weiterbildung fachlich qualifizierter
Übungsleiter in der Breite soll weiter vorangetrieben werden. Inwieweit die
Landesfachverbände des Behindertensports auf die Richtlinien des DBS eingehen und die
Inklusion umsetzen wurde am Beispiel des Behinderten-Sportverbandes-Niedersachsen e.V.
(BSN) untersucht. Dieser Landesverband ist bis heute der Einzige, der auf seiner Homepage
einen aktuellen Umsetzungsstand der Inklusion öffentlich gemacht hat und wurde auch
sonst in vielen Gesprächen mit Kennern der Szene als fortschrittlich beschrieben. Der
Aspekt, das die Landesverbände des Behindertensports noch viel zu wenig an einem Strang
ziehen wird auch im letzten Kapitel thematisiert. Dort werden anhand der Ergebnisse dieser
Arbeit Empfehlungen an die Akteure aus Wirtschaft Medien und Sport ausgesprochen. Für
die Wirtschaft empfehle ich den Behindertensport und seine Größen als Werbeplattform,
die DSM als modern ausgerichteteten Vermarkter und Ansprechpartner und das der Weg,
mit mehr privatem Engagement im System, eindeutig weiter gegangen werden sollte. Der
heutige Einstieg in ein Sponsoring im Behindertensport ist für die Wirtschaft heute noch
vergleichsweise günstig, wird aber mit dem attestierten erhöhten Medienaufkommen in
Zukunft deutlich teurer werden.
Den Medien, insbesondere dem Fernsehen, empfehle ich die Faszination der Paralympics
noch stärker als bisher in die deutschen Haushalte transportieren, und zwar nicht, um in
Umfragen dafür später als sympathischer Sender bewertet zu werden, sondern weil mit
98
höheren Einschaltquoten eben auch höhere Werbeeinnahmen verbunden sind. Um die
Übertragung der Paralympics für die Medien noch interessanter zu machen, muss weiter an
einer sinnvollen Verknappung dieses TV-Produkts und intensiv an einer Angleichung der
Übertragungsinfrastruktur an ein vergleichbares Niveau zu den Olympischen Spielen
gearbeitet werden. An solchen Missständen muss im Dialog zwischen dem International
Olympic Committee, dem International Paralympic Committee und den internationalen
Medien weiter gearbeitet werden.
Meine Empfehlungen an die Sportler mit Handicap und deren Funktionäre lauten, weiter für
infrastrukturelle Verbesserungen der Sportstätten und Trainingsmöglichkeiten zu kämpfen,
sich in der Öffentlichkeit selbstbewusst zu präsentieren und ganz besonders weiterhin an
ihrer Kernkompetenz zu trainieren, nämlich im Sport einfach gut zu sein um paralympisch zu
werden. Bekannte Gesichter in den Medien beflügeln die noch viel zu schwache Basis des
Behindertenbreitensports in Deutschland. Alle Ergebnisse und Empfehlungen dieser Arbeit
können nicht nur aufgrund von mündlichen Expertenaussagen getan werden, sondern auch
anhand von Umfrageergebnissen des Sportmarktforschungsinstitutes SPORT + MARKT belegt
werden. Zudem wurden neueste Mediadaten, aktuelle politische Papiere und alle
Homepages der Landesverbände bis kurz vor den Abgabetermin dieser Arbeit ausgewertet
und eingearbeitet. Die Arbeit endet mit einem Fazit zur aktuellen Situation des
Behindertensports (inklusive aller Vorträge und Expertisen des Symposiums zur 60.
Jahresfeier des DBS vom 08.09.-09.09.2011 in Berlin) und gibt einen kurzen Ausblick auf die
XIV. Paralympischen Sommerspiele in London 2012. Diese werden nach heutigem
Erkenntnisstand ein multimediales Schaufenster, bei dem bisherige Bestmarken aus Peking
2008 übertroffen werden. 4200 Sportler aus über 150 Ländern werden in 20 Sportarten um
die Medaillen kämpfen. Bereits 11 Monate vor Beginn der Spiele sind die Hälfte der 2
Millionen Tickets verkauft. Das Interesse ist gewaltig. England wird der paralympischen
Bewegung einen würdigen Rahmen bieten, die hier 1948 mit organisierten
Sportwettkämpfen von Versehrten des Zweiten Weltkriegs ihren Anfang nahm.
99
VII. Datenträger (Arbeit in digitaler Form, Daten)