1.12REPORTAGENBILDERGESPRÄCHEDAS MAGAZIN DES GOETHE-INSTITUTS
LUANDA LEUCHTET!ANGOLA IM AUFBRUCH
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»WIR JUNGEN HABEN ES SATT, IMMER NUR FILME ZU SEHEN, DIE EIN NEGATIVES BILD VONAFRIKA ODER ANGOLAZEICHNEN.«
Ondjaki, Schriftsteller und Filmemacher
aus Angola
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5
GRÖSSER UND SCHÖNER ALS DUBAIAfrikas Megastädte haben enorme kulturelle Schubkraft
entwickelt
von Katharina von Ruckteschell
6
BOM DIA, LUANDAvon Christiane Schulte
8
LUANDA LEUCHTETMelodisch und schrill, rastlos und optimistisch boomt
Angolas Kulturszene
von Bartholomäus Grill
12
EINE JUNGE NATION MIT EINEM URALTEN GEDÄCHTNISFernando Alvim über den angolanischen Kunstmarkt,
Mäzenatentum und Multikultur
Ein Interview von António Cascais
14
ANGOLA AUF EINEN BLICKZahlen und Fakten
von Emílio José und José Kakulo
16
DIE SCHUHVERKÄUFERIN WÄRE VIEL LIEBER ÄRZTIN Porträts aus der angolanischen Hauptstadt
von Rita Soares
20
FUNDSTÜCKE UND MOMENTAUFNAHMENAntónio Oles Kunst
von Nadine Siegert
26
MUSIK VON VATERS SCHWARZEN SCHEIBENDer Sound der angolanischen Sixties und Seventies
von Oitinel Silva
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MODERNISMO IN LUANDAHans Engels hat im Auftrag des Goethe-Instituts
die Architektur der Metropole fotografiert
von Hans Engels
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BILDER BEWEGENDas angolanische Kino erlebt einen ästhetischen Aufbruch
von Miguel Hurst
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FISCH, BROT UND BÜCHERFür Shunnoz und Tekasala ist Design eine Mission
von Miguel Hurst
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GOETHES SCHÜLERStipendiaten aus Luanda unterwegs in Bremen
von Patrick Wildermann
44
WORTE ALS WAFFE UND EXPERIMENTEin Streifzug durch 100 Jahre angolanische Literatur
von Abreu Paxe
48
»ZURZEIT IST MEHR HOFFNUNG ALS FREIHEIT«Der Schriftsteller Ondjaki über Luanda, literarische
Einflüsse und das Mysterium der Poesie
Ein Interview von Abreu Paxe
50
NACHTS ZUR SONNE FLIEGENVon Guangzhou bis Kapstadt, von Nairobi bis Venedig
sorgt Kiluanji Kia Hendas Werk für Furore
von Suzana Sousa
54
JEDES FENSTER NACH DRAUSSEN IST WICHTIGGlückwünsche zum zweiten Jahrestag des Goethe-Instituts
Angola
56
Angolanische Literatur in deutscher Übersetzung
ANGOLA IM AUFBRUCH
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Titel Rubrik 2
ALLTAG IN DER TEUERSTEN STADT DER WELT
In der ursprünglich für 900.000 Bewohner konzipierten Stadt leben heute
mehr als fünf Millionen Menschen.
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Editorial 3
LUANDA LEUCHTET! Die Hauptstadt Angolas hat viel zu bieten: ein lebendiges Kultur -
leben, eine aufblühende Musik- und Kunstszene, eine wachsende
künstlerische und intellektuelle Produktion. Viel mehr als nur
den Wirtschaftsboom und Ölreichtum, die sich in der medialen
Wahrnehmung des Landes im südlichen Afrika manifestieren.
Seit gut zwei Jahren arbeitet das Goethe-Institut in dieser span-
nenden neuen Wirtschaftsmetropole: das Goethe-Institut Angola,
eine Instituts-Neugründung, möglich geworden durch Mittel der
»Aktion Afrika« des Auswärtigen Amts im Jahr 2008.
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MEGACITY AM MEER Aus dem Schauplatz des Bürgerkriegs hat sich ein pulsierendes Wirtschaftszentrum entwickelt.
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GRÖSSER UND SCHÖNER ALS DUBAIAFRIKAS MEGASTÄDTE HABEN ENORME KULTURELLE SCHUBKRAFT ENTWICKELT»Luanda – meinen Sie nicht Ruanda?« – »Nein, Luanda, die
Hauptstadt von Angola.« Es ist nicht nur die phonetische Nähe,
die dazu führt, dass oft nachgefragt wird, wenn vom Goethe-
Institut in Luanda die Rede ist. Ruanda, das kleine Land
irgendwo in Afrika, wo es diesen schrecklichen Genozid gab,
das für Afrika mit all seinen Schrecknissen steht, ist bekannt,
zumindest vom Hörensagen. Aber Luanda? Wo ist Luanda?
Angola ist ein von fast 30 Jahren Krieg traumatisiertes Land,
das mit Hilfe seines Ölbooms versucht, den Sprung vom Mittel-
alter ins 22. Jahrhundert zu schaffen. Ein neues Dubai? Nein –
größer, schöner, besser noch als das.
Die »Aktion Afrika«, die der damalige Außenminister Frank-
Walter Steinmeier 2008 ins Leben rief, ermöglichte dem Goethe-
Institut, sein Netzwerk auf dem Kontinent erheblich auszu-
bauen. Der Fokus lag auf Subsahara-Afrika. Warum wählte man
damals Luanda als Sitz eines Goethe-Instituts? Auf diese Frage
kann man verschiedene Antworten geben – alle sind richtig.
Ein wesentlicher Grund für die »Aktion Afrika« war sicherlich
der Versuch, Deutschland auf einem Kontinent zu positionie-
ren, dessen neu entdeckte Rohstoffe insbesondere für China
unendlich schienen. Zudem verlangte die in vielen Ländern
nach wie vor instabile politische Situation nachhaltige, friedens-
sichernde Maßnahmen. Die Kultur schien ein probates Mittel,
die gesteckten Ziele mit »weicher Macht« zu erreichen.
Deutschland wollte dabei sein, wenn sich aus dem vom Bürger-
krieg gezeichneten Land ein pulsierender Körper wirtschaft-
lichen Lebens entwickelt, der alle Möglichkeiten einer afrikani-
schen Zukunft eröffnet. Es sollte eine fruchtbare Partnerschaft
zwischen Deutschland und Angola entstehen, man wollte auf
Augenhöhe sein mit China und anderen wichtigen »Investoren«
der sich globali sierenden Welt. In Luanda sollte ein Vollinstitut
entstehen, mit einem Kursangebot für alle, die Deutsch lernen
wollen, und einem interessanten Kulturprogramm.
Die Frage lässt sich aber auch anders beantworten – eher im
Sinne dessen, was das Goethe-Institut auf dem »vergessenen
Kontinent« tatsächlich erreichen will. Es hat sein Netzwerk
ausgebaut – heute ist das Goethe-Institut mit 22 Präsenzen
in 19 Ländern südlich der Sahara vertreten. Vor der »Aktion
Afrika« gab es in der Region nur neun Institute und sechs
Kulturgesellschaften. Darüber hinaus hatte es sich zum Ziel
gesetzt, den innerafrikanischen kulturellen Dialog zu fördern
sowie den Bereich Kultur und Entwicklung zu einem Schwer-
punkt seiner Arbeit zu machen. Die großen Metropolen wie
Lagos, Nairobi oder Johannesburg waren nicht nur wirtschaft-
lich interessant, sie entwickelten gleichzeitig eine enorme
kulturelle Schubkraft, die sie zu Zentren neuer künstlerischer
Formate und kreativen Werkstätten werden ließ.
Mit dem Wachstum glitzernder Hochhäuser entwickelte sich eine
reiche Szene junger Angolaner, die sich mit der Welt austauschen
will, auf vielfältige Weise und in ganz unterschiedlichen Berei-
chen. Aus dem Netz der sich entwickelnden Megastädte Afrikas
ist Luanda nicht mehr wegzudenken. Mit seiner besonderen histo-
rischen Situation, seiner wirtschaftlichen und geografischen Posi-
tion und seiner starken Verbindung über den »Black Atlantic«
hinweg nach Brasilien, die nicht zuletzt die gemeinsame Sprache
schafft, ist Luanda zu einem der Hauptakteure des afrikanischen
kulturellen Dialogs geworden. Die innovativen Beiträge und die
kreative Ausdruckskraft angolanischer Künstler, die aus den zahl-
reichen Gegensätzen des Landes erwachsen – wie Reich und
Arm, Tradition und Moderne –, werden inzwischen auch auf dem
internationalen Parkett mit großem Interesse wahrgenommen.
Ein Goethe-Institut in Luanda ist ein Muss, will Deutschland ein
aktiver und sichtbarer »Player« auf dieser wichtigen Plattform
sein. Auch wenn die Mieten hoch und die Standards teuer zu
bezahlen sind – bereits nach zwei Jahren hat sich bestätigt, was
der Präsident des Goethe-Instituts bei der Einweihung des
Gründungsbüros in Luanda prophezeit hat: »Das Goethe-Institut
Luanda wird ein wichtiger Knoten im Netzwerk des interkultu-
rellen Dialogs auf diesem Kontinent werden und wesentlich
dazu beitragen, dass Deutschland teilhaben wird an spannen-
den Entwicklungen in den künstlerischen
und in den Bildungsszenen.«
Luanda ist aufregend, und es ist ein Glück,
von Anfang an als Partner dabei zu sein.
Katharina von Ruckteschell,
Leiterin des Goethe-Instituts Südafrika und
der Region Subsahara-Afrika
UWWW.GOETHE.DE/ANGOLA
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Maior e mais bela do que Dubai – Luanda é hoje uma das cidades mais
importantes de África. Por razões económicas e estratégicas, pela sua
vibrante vida cultural que acompanha a ascensão do país, e em função de
suas ligações geográficas e históricas para outros países de língua portu-
guesa, nomeadamente o Brasil, Angola é o lugar predestinado para um Insti-
tuto Cultural Alemão na África Austral. »Luanda é fascinante, e é uma sorte
poder participar disto, como parceiro e desde o início«, diz Katharina von
Ruckteschell, Directora para a África do Sul / Região África Austral do Goethe-
Institut.
Editorial 5
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6
ZUHAUSE IN LUANDA Ein Wohnblock in der boomenden Metropole
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BOM DIA, LUANDABom dia, Luanda. Du bist reich. Du
liegst am Meer, hast einen weißen
Sandstrand, bist voller Musik und dein
Klima ist tropisch. Deine Bewohner
sind stolz und schön, und abends, wenn
man durch deine Straßen geht, ver-
schwimmen ihre portugiesischen Wort-
fetzen mit Musik, die irgendwo aus
einer Box wummert. Glaubt man den
Wirtschaftsprognosen, steht dir eine
blühende Zukunft bevor.
Warum mag man dich dann nicht?
Weil man dich nicht kennt? Weil du
deine Gäste schlecht behandelst? Weil
man dich nicht versteht?
Zugegeben, es ist nicht leicht, dich
kennenzulernen. Deine Straßen sind
staubig und oftmals voller Müll. Schlag -
löcher so groß wie Lkw-Räder, Gulli-
Löcher ohne Deckel – ist jemals schon
ein Kind in ein Loch gefallen? Dauer-
stau auf deinen Straßen raubt einem
täglich die Nerven. Und dass man dann
noch trotz der riesigen Ölreserven vor
deiner Küste stundenlang Schlange
steht an der Tankstelle, macht es nicht
leichter, dich zu mögen.
Dabei kannst du charmant sein, beflü-
geln, entspannen, verzaubern. Wenn
man zum Beispiel mitten in der Stadt,
hinter einer deiner riesigen Baustellen,
ins »A Sombra Nossa« eintaucht, ein
Gärtchen mit Restaurant, wo man einen Cafézinho trinkt und
sich wie in einer Oase fühlt.
Wenn man zum Sonnenuntergang am Strand sitzt, die Stadt im
Rücken, Kizombamusik im Ohr, sich vom warmen Wind den
Druck des Tages wegblasen lässt und weiß, dass irgendwo weit
weg auf der anderen Seite des Meeres Brasilien liegt.
Wenn man mit einem Boot aufs Meer hinausfährt und Delfine
durchs Wasser gleiten sieht. Wenn man zu einer Party hoch
über den Dächern der Stadt eingeladen ist und die Lichter der
Stadt funkeln sieht und nirgendwo sonst sein möchte.
Warum weiß man so wenig über dich? 435 Jahre alt bist du
schon. Hast gerade Geburtstag gefeiert. 1575 kam der portu -
giesische Kapitän Paulo Dias de Novais mit einer ersten
Gruppe portugiesischer Siedler. Viel hast du erlebt seitdem.
Kolonisierung durch die Portugiesen. Ende der Kolonialherr-
schaft. Bürgerkrieg. Frieden. Menschen, die flohen. Menschen,
die zurückkamen, um das Land aufzubauen und am Wirt-
schaftsboom teilzuhaben.
Und heute? Heute scheiden sich die Geister. Man hasst dich
oder liebt dich. Man nennt dich teuerste Stadt der Welt,
schimpft über deine Korruption und lässt zumeist kein gutes
Haar an dir.
Um dich zu verstehen und sogar zu mögen, muss man dich
erobern und entdecken. Auf die nicht so vornehme Seite der
Ilha fahren. Zum Fischessen bei Tia Luisa. Sie lässt den Fisch in
Zitronensaft ziehen, bevor er auf den kleinen Grill neben der
Blechwand ihrer Straßenbar kommt und zum köstlichsten Fisch
gegart wird, den man je zerlegt hat.
Sich auf den Platz neben dem Präsidentenhaus im Stadtteil
Miramar hocken, wo nachmittags die Jungs aus dem Viertel
Basketball spielen. Den alten Männern zuhören, die am Sonn-
tagnachmittag im Café aufspielen und die Musik aus der Zeit
vor der Unabhängigkeit 1975 wiederbeleben. Die Augen aufma-
chen. Kachelstraßenschilder aus der Portugiesenzeit entdecken.
Durch deine alten Freiluftkinos streifen, die zugänglich sind,
aber nicht mehr in Betrieb. Deinem Lärm lauschen. Den Rufen
der Fischfrauen genauso wie den Motoren der parkenden
Autos, die permanent laufen, damit die Fahrer in AC-gekühlten
Fahrzeugen sitzen. Dich riechen. Deinen Ozean und die erdig-
frische Luft nach einem Platzregen genau wie den fast überall
existenten Müll.
Deine Bewohner treffen und mit ihnen reden. Deine Künstler,
Denker, Maler, Dichter, Schauspieler, Musiker. Ihren Geschichten
und ihrem Leben zuhören.
Ausgerechnet Luanda. Hafenstadt, Öl-Stadt,
Boom-Stadt. Und nach São Paulo und Rio
de Janeiro die drittgrößte portugiesisch-
sprachige Stadt der Welt. Du gehst unter
die Haut. Aber es lohnt, sich die Mühe zu
machen und dich zu erobern.
Christiane Schulte
Leiterin des Goethe-Instituts Angola
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Bom dia, Luanda, bela cidade rica e contraditória, cheia de música, sons,
história e histórias … Impressões e reflexões de Christiane Schulte, directora
do Goethe-Institut Angola/Instituto Cultural Alemão.
7Vorwort
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8
LUANDA LEUCHTETMELODISCH UND SCHRILL, RASTLOS UND OPTIMISTISCH BOOMT ANGOLAS KULTURSZENE
BESUCHER DER AUSSTELLUNG »NKISI SHADOW« VON FERNANDO
ALVIM Es geht um die Dekolonisierung des Denkens.
KUDURO Der Tanz erobert die Clubs in Berlin, London und New York.
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Ob im 30. Stock einer Hochhausruine oder hinter Barockfas-
saden im Herzen der City: Luandas Kultur ist in Bewegung.
Manches davon schwappt auch nach Europa.
Sleepless in Luanda. Vor der Pensão Invicta tobt der Nachtver-
kehr, die Klimaanlage scheppert, Moskitos fliegen Daueran-
griffe. Dazu dieses infernalische Hämmern und Wummern, das
von einem Hochhaus hinterm Largo do Kinaxixi herüberwa-
bert. Raus aus dem nassgeschwitzten Bett, nichts wie hin!
Das Hochhaus: ein verwahrlostes Betonskelett, vermüllte Kor-
ridore, Uringestank, ein paar Obdachlose auf Pappkartons.
Dann, ganz oben, 30. Etage, die Schallquelle: uma festa, ein
wildes Fest, nachts um zwei.
Das hohle Gebäude vibriert, hundert aufgedrehte Kids tanzen.
Kizomba, Kuduro, Tarrachinha, Semba, was man alles so tanzt
in Angola. Bei manchen Figuren denkt man an Geschlechts -
verkehr, ein hüftsteifer weißer Mann sollte den Dancefloor nicht
betreten, er würde sich zum Gespött mache. Also nur chillen,
staunen, eine Cuca trinken, den fetzigen Sound aus den Musse-
ques, den Armenvierteln der Stadt, hören. Ich schaue durch die
Fensterhöhlen auf das Lichtermeer. Luanda leuchtet! Die einst
so verschnarchte Metropole ist nicht mehr wiederzuerkennen.
Foto-Shooting mit Rui Tavares. Angolas Fotokünstler Nummer
eins hat es in die »Revue Noire« geschafft, das Standardwerk
über moderne Fotografie in Afrika. Wir treffen ihn in der von
protzigen Wolkenkratzern umzingelten Altstadt, in der Travessa
do Teatro Providencia zwischen verwitterten Barockbauten
aus der portugiesischen Kolonialära. Die Keimzelle Luandas
durchweht die Aura der Saudade. Tekasala Ma’at Nzinga und
Shunnoz Fiel, die beiden »Models«, sind schon einsatzbereit.
Sie tragen Stresemann und Gummistiefel, Manschettenknöpfe
mit Kalaschnikows, dazu Fliegen und Einstecktücher in den
schrillsten Karnevalsfarben. Fashionistas nennen sie sich, aber
das ist irreführend, denn ihr »Projecto Mental« will viel mehr
als schnöde Modeschöpferei.
MENTALE REKONSTRUKTION»Nach dem Bürgerkrieg geht es nicht nur um den physischen
Wiederaufbau unseres Landes, sondern um die mentale Rekon-
struktion«, erklärt Tekasala. »Wir wollen die Confusão über-
winden.« Die große Verwirrung in den Köpfen nach fünfhun-
dert Jahren Fremdherrschaft und 30 Jahren Krieg. Es geht im
Geiste eines Steve Biko, Patrice Lumumba oder der Négritude
der 60er-Jahre um die Dekolonialisierung des Denkens, um
die Suche nach Angolanidade, nach einer ureigenen kulturellen
Identität – ein Selbstfindungsprozess, der Luanda und seine
Musiker, Tänzer, Schauspieler, Filmemacher, bildenden Künstler,
Literaten und Intellektuellen beflügelt. Allerwegen ist dieser
Aufbruch zu spüren, in den Ateliers, Kinos und Theatern, im
Dom Q oder einem der vielen Musikclubs der Stadt, bei den
umjubelten Auftritten der Rap-Band Ikonoklasta, im Studio
Ghetto Produções oder in der TV-Show »Sempre a subir«, wo
DJ Sebem Kuduro-Stars wie Muana Po, Tony Amado, Zoca Zoca,
Gata Agressiva vorstellt. Über dieser kreativen Umtriebigkeit
könnte das Motto einer Ausstellung stehen, die im Vorjahr
anlässlich des 435. Jahrestags der Stadtgründung zu bewun-
dern war: »Luanda – Suave e Frenética« – Luanda, sanft und
frenetisch.
Aber im Norden hat sich das noch nicht herumgesprochen, die
meisten Europäer wissen nicht einmal, wo Luanda liegt.
Irgendwo in Afrika, auf dem Kontinent der Kriege und Krisen,
der Katastrophen und des Elends, heißt es. Die derzeitige Hun-
gersnot am Horn von Afrika scheint dieses immergleiche Kli-
schee wieder einmal zu bestätigen, es hat sich in den Jahrhun-
derten der Eroberung, Unterwerfung und Ausbeutung Afrikas in
das kollektive Gedächtnis der Außenwelt gestanzt. Dass es
auch ein ganz anderes Afrika gibt, ein optimistisches, schöpfe-
risches, heiteres Afrika, in dessen Großstädten die Zivilgesell-
Von Bartholomäus Grill 9
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schaft, das Kulturleben, die Musik- und Kunstszene aufblühen,
will nicht in diese Wahrnehmungsmatrix passen.
ABBLÄTTERNDE FASSADEN ALS LAUFSTEGZurück zum »Projecto Mental« und seiner Performance im
Herzen der City. Die beiden Designer werfen sich in die Gosse.
Posieren mit zerfledderten lusitanischen Geschichtsbüchern.
Verwandeln die abblätternden Fassaden in vertikale Laufstege.
Schließlich knüpfen sie sich mit Elektrokabeln an einer Ampel
auf, direkt gegenüber dem stählernen Turm des staatlichen
Ölkonzerns Sonangol. Ein ironischer Kommentar zur größten
Bereicherungsmaschine Angolas, in der Milliarden von Petro-
dollars versickern, während die Masse der Bevölkerung maus-
arm bleibt. So mausarm wie die Passanten, die die stilvollen-
dete Selbsthinrichtung belustigt verfolgen. »Kleider, Mode,
Information, Bildung«, röchelt der Modemacher Shunnoz. Seine
Zunge hängt heraus.
»Der Elite geht es nur um materielle Werte, um Luxus, um hem-
mungslosen Konsum. Erziehung, Bildung und Kultur werden lei-
der vernächlässigt«, sagt António Ole. Er ist der berühmteste
Künstler seines Landes, 2010, bei der Afrika-Ausstellung »Who
knows tomorrow« in Berlin, stellte er eine gewaltige Container-
wand vor dem Museum Hamburger Bahnhof auf, eine Art
Fetisch der globalisierten Warenwelt. Daheim muss er kämpfen.
Seine wunderliche Großskulptur »Mitologias II« an der Margi-
nale soll versetzt werden, das wurmt ihn. Gleichzeitig aber öff-
net Angolas schneller Reichtum der Kunst ungeahnte Horizonte,
man muss nur Fernando Alvim besuchen, in dessen Privathaus
tausend Initiativen zusammenlaufen. Er hat 2006 die erste
Triennale in Luanda auf die Beine gestellt, momentan plant er
das erste Museum für zeitgenössische Kunst in der Sieben-
Millionen-Metropole. »Damit die Afrikaner endlich mal von den
Afrikanern gesehen werden können.« Als Vizepräsident der
Fundação Sindika Dokolo kann er auf die Kunstschätze zugrei-
fen, die sich in deren Fundus befinden, zum Beispiel auf die
spektakuläre Kollektion aus dem Nachlass des verstorbenen
deutschen Kunstsammlers Hans Bogatzke.
IMMERZU AUF HÖCHSTER BETRIEBSTEMPERATURFernando Alvim ist ein Ereignis, Künstler, hyperaktiver Kul-
turmanager, kettenrauchend, rastlos wie die ganze Stadt,
immerzu auf höchster Betriebstemperatur, vulcanissimo sozu-
sagen. Der Westen verliere allmählich sein Monopol, er habe
als globale Leitkultur, Deutungsmacht und Entwicklungsmo-
dell ausgedient, nur Portugal, der Ex-Kolonialmacht, sei noch
ein gewisser Einfluss geblieben. »Die innovativen Impulse
und Ideen kommen aus Afrika, Brasilien und der afro-ameri-
kanischen Welt.« Das ist in diesen Tagen in allen Kulturmetro-
polen des Kontinents zu spüren, in Lagos, Cotonou oder
Johannesburg und ganz besonders in Luanda. »Irre Location«,
schwärmte DJ Spooky, der Trip-Hop-Künstler aus New York,
der gelegentlich vorbeischaut. Wir trafen ihn bei unserem
letzten Besuch im »Bahia«, in der coolsten Lounge an der
Baía, man fing gerade an, die Flaniermeile in eine Art Copa-
cabana zu verwandeln. »Cross culture, der Süden trifft den
Süden. Du gehst nach Rio oder São Paulo und stellst plötzlich
fest, dass die Ursprünge vieler Musikstile in Angola liegen.
Der Semba hat sich in den Samba verwandelt, die Sklaven, die
die Portugiesen über den Atlantik verschleppten, haben ihn
mitgebracht.« Nun kehren die »Kulturexporte« heim, mischen
sich mit der vielfältigen lokalen Musiktradition und werden
wiederum global: Kuduro und anderer Ghettotech aus Luanda,
erobern die Clubs in Berlin, London und New York.
ATEMLOSE, ZUKUNFTSFROHE HEITERKEITEine Stadt erfindet ihre Kultur neu – und entdeckt die alte
wieder. Im November 2010 ist beim Frankfurter Label Analog
Africa die CD »Angola Soundtrack – The Unique Sound of
Luanda (1968 – 1976)« erschienen. Einfach sensationell, Luso-
tropicalismo pur, eine Mischung aus Kongo-Rumba, karibischer
Merengue, kubanischen Grooves, psychedelischen Gitarrenriffs.
Das Album, dessen Produktion das Goethe-Institut Angola
gefördert hat, erhielt auf Anhieb den diesjährigen Preis der
deutschen Schallplattenkritik. »Eine magische Zeitreise ins
postkoloniale Afrika und ein faszinierender Einblick in trans -
atlantische Musikwanderungen«, lobte die Jury. Der Sampler
lässt legendäre Bands wie Ngola Ritmos, Os Kiezos oder Jovens
Do Prenda auferstehen, vielleicht schlagen sie ja ähnlich ein
wie der Buena Vista Social Club der kubanischen Altmeister,
die Ry Cooder »reaktiviert« hat. Im Herbst gehen einige Musi-
ker erstmals auf Auslandstournee. Dann wird man auch in
Europa den Pulsschlag von Nova Luanda
hören, diese atemlose, zukunftsfrohe Hei-
terkeit, die den Schlaf raubt.
Bartholomäus Grill ist Journalist und
Afrika-Experte. Seit 1993 ist er Korres-
pondent und Autor der ZEIT, seit 2008 Her-
ausgeber der in Deutschland erscheinen-
den englischsprachigen Monatszeitschrift African Times. In
der Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler gehörte er zu
dessen Beraterstab. Heute lebt und arbeitet er in Südafrika.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Luanda está a brilhar, a vibrar, e constantemente a reinventar-se. Bartholo-
mäus Grill, jornalista alemão especializado em África descreve o seu encon-
tro com a Luanda dos artistas, músicos, estilistas e dum underground que só
em Luanda acontece também num 30° andar de um arranha-céus em ruínas.
Luanda leuchtet 11
DJ K.O. AM STRAND VON LUANDA Eine Stadt erfindet ihre Kultur neu.
Goethe Mag_Angola_15korr_1 15.12.11 10:28 Seite 11
Er ist einer der international angesehensten Künstler und Kul -
turaktivisten Angolas und Initiator der »Trienal de Luanda«
der Sindika-Dokolo-Stiftung, einer umfassenden Schau interna-
tionaler Kunst und Kultur, an der sich 2010 auch das Goethe-
Institut Angola beteiligte. Mit dem Journalisten António Cascais
sprach Fernando Alvim über die angolanische Kunstszene.
António Cascais: Zeichnen Sie doch bitte ein Selbstporträt füruns. Wer ist Fernando Alvim?
Fernando Alvim: Ich wurde 1963 im Stadtteil Cruzeiro in Luanda
geboren, gehöre einer Generation an, die das Ende des Kolo -
nialismus und den Beginn der Unabhängigkeit miterlebt hat.
Ich bin geprägt von der Metamorphose Angolas, dem Entstehen
einer neuen Gesellschaft, die anders ist als zu Kolonialzeiten.
Und wo stehen Sie in der angolanischen Kulturszene?Kunst ist für mich eine Frage des Standpunktes. Und dieser
Standpunkt ist für mich in erster Linie philosophisch. Ich war
12, 13 Jahre alt, als Angola in die Unabhängigkeit ging. Das hat
mich geprägt, und aus diesem Kontext heraus entsteht meine
Kunst. Ich bin ein Künstler aus Luanda und Teil dieses beson-
deren geografischen und historischen Zusammenhangs. Für
mich steht Kunst in Verbindung zum Denken. Wir haben die
Möglichkeit, unser Denken mit den unterschiedlichsten Medien
zu vermitteln: in Bildern, Theaterstücken oder Konzerten.
Und auf welchen Gebieten sind Sie aktiv?Ich arbeite mit allen Medien. Ich male gern. An der Malerei
gefällt mir das Physische. Ich stelle mich gern einem begrenz-
ten, unberührten Raum, aus dem heraus ich etwas Neues ent-
stehen lassen kann. Ich habe auch schon Dokumentarfilme
gedreht. Ich mag Videos, eigne mir Räume an, arbeite mit Archi-
tektur, agiere in Ausstellungsräumen, Museen zeitgenössischer
Kunst und so weiter. Ich mache auch Musik und schreibe. Also
von allem ein bisschen. Natürlich habe ich eine Lieblingsdiszi-
plin schon seit Kindertagen, und das ist die Malerei.
Sie sind auch Kurator einer Kunststiftung …Ja, der Sindika-Dokolo-Stiftung. Dokolo, der Schwiegersohn des
Präsidenten, ist Schirmherr dieser Kunstsammlung. Wir haben mit
einer Gruppe von Leuten dieses Projekt entwickelt, da wir Kultur
für enorm wichtig halten in einem Land, das die Tragödie eines
30-jährigen desaströsen Bürgerkrieges zu verarbeiten hat. Dass
Leute nach einem Krieg so etwas hervorbringen möchten, ist
normal. Denken Sie an die Documenta in Deutschland nach dem
Zweiten Weltkrieg. Gerade die Perspektive der Künstler ist unse-
rer Ansicht nach wichtig für Angola, und deshalb habe ich in der
Hauptstadt eine riesige Kunstschau organisiert, die Triennale von
Luanda. Mein Motto ist: Von Luanda aus die Welt sehen. Es ist die
Idee einer inklusiven Kulturbewegung, die sich nicht den Diktaten
des Ästhetischen und Schönen beugt, sondern so umfassend wie
möglich ist. Uns ist wichtig, dass die Gesellschaft Zugang bekommt
zu kulturellen Informationen. Wir möchten das Denken der afrika-
nischen und angolanischen Künstler intensiv dokumentieren.
Andere Generationen werden ganz anders an Kunst herangehen.
Wie entstand diese Stiftung?Alles begann mit dem Kauf der unglaublich wertvollen Kunst-
sammlung des Deutschen Hans Bogatzke. Bogatzke hat in zahl-
reichen Interviews den Wunsch geäußert, dass seine Sammlung
eines Tages nach Afrika gehen sollte. Als er starb, wurde ich
aktiv und erklärt der Witwe, dass die Sindika-Dokolo-Stiftung
die Sammlung gerne erwerben würde. Wir bekamen die Erlaub-
nis, aus 480 Werken afrikanischer Kunst Exponate für die erste
Triennale von Luanda auszuwählen. So konnten wir eine offene
und umfassende Schau zeigen. Nun muss das Konzept aus -
geweitet werden. Das tun wir im Moment, Schritt für Schritt.
Und woraus besteht die Sammlung?Es ist vor allem eine Sammlung zeitgenössischer afrikanischer
Kunst. Natürlich sind auch internationale Namen wie Miquel Bar-
celó oder Andy Warhol dabei. Aber vor allem geht es um Kunst
aus Afrika. Neben den Bildern haben wir 2000 afrikanische Foto-
grafien von 1928 bis heute erworben. Unsere Sammlung ist heute
vermutlich die bedeutendste auf dem afrikanischen Kontinent.
Hat die Sammlung auch einen angolanischen Schwerpunkt?Selbstverständlich. Die Sammlung befindet sich in Angola und
wird in Angola zusammengetragen. Ein Großteil der Menschen,
die für die Sammlung arbeiten, sind Angolaner. Der Namens patron
und Präsident ist Kongolese, doch die Stiftung ist angolanisch.
Und welche Ziele verfolgt sie?Die Sammlung hat ein Ziel: Sindika Dokolo wollte die Kunstpro-
duktion in Angola anregen. Er wollte aufstrebende Künstler und
ihre Werke unterstützen. Und dies ist gelungen. Es gibt heute
an golanische Künstler mit internationaler Ausstrahlung. Es ist
gleichzeitig eine historische Sammlung mit Künstlern, die wich-
tig waren für die jüngere afrikanische Kunstgeschichte. Die
Sammlung ist inzwischen sehr umfangreich, aber was zählt, ist
nicht nur die Zahl der Exponate. Wir wollen vor allem die Kunst-
produktion anregen.
Was ist für Sie angolanisch?Es gibt offensichtliche künstlerische Gemeinsamkeiten in
An go la. Die Bantu-Kultur ist ein Beispiel für Angolanität. Ein
anderer prägender Aspekt künstle rischer Angolanidade ist die
Jugendlichkeit ihrer Werke, also die Tatsache, dass diese Kunst
sehr aktuell ist. Wir sind eine junge Nation mit einem uralten
Gedächtnis. Die Art, wie Angolaner kul tu rell interagieren, zeigt,
dass wir eine lebendige, starke Nation sind. Angolanische
Künstler haben noch immer den Hang zur Selbstverteidigung.
Auch dies ist vielleicht ein gemeinsamer Zug.
Wie würden Sie die künstlerische Produktion in Angola beschreiben?In den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit herrschte Krieg
12
EINE JUNGE NATION MIT EINEM URALTEN GEDÄCHTNISFERNANDO ALVIM ÜBER DEN ANGOLANISCHEN KUNSTMARKT, MÄZENATENTUM UND MULTIKULTUR
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 12
und die angolanischen Künstler haben sich vor allem damit aus-
einandergesetzt. Seitdem der Krieg vorbei ist, ist die Perspek-
tive optimistischer geworden. Ich denke, die heutigen angolani-
schen Künstler machen freie Kunst.
Gibt es eigentlich einen Kunstmarkt in Angola?Es gibt Sammler, die regelmäßig zeitgenössische Kunst kaufen.
Auch viele Institutionen kaufen Kunst, Unternehmen, Banken
und so weiter. Früher waren das nur das staatseigene Mineralöl-
unternehmen Sonangol und der Staat. Auch weil es hier weniger
Konkurrenz gibt. Alle Banken kaufen Kunst, manche haben
eigene Kunststiftungen. Natürlich ist das nicht genug. Nichts ist
jemals genug. Aber es gibt wirkliche Unterstützung von staat-
licher Seite und die Chancen stehen gut, dass demnächst einige
Gesetze verabschiedet werden, die für Künstler sehr wichtig sind.
Es gibt hier schon einige Künstler, denen es gelingt, sich vom
Verkauf ihrer Kunstwerke zu ernähren und ihre Miete zu bezah-
len. Es gibt auch ausländische Künstler, die hierher kommen,
Brasilianer, Portugiesen, andere Europäer, und aus dieser Inter-
aktion entstehen neue Projekte und interessante Werke.
Gibt es ein Genre, in dem sich die Angolaner besonders hervortun?Musik und Literatur sind die wichtigsten Genres in Angola. Und
heute immer stärker auch das Theater und der Tanz. Die Malerei
nicht so sehr, aber auch. Wir haben ein großes kreatives Potenzial.
Was kann man über die angolanische Musik sagen?Ich mag die Musik des angolanischen Nordens, ich mag die
Musiker der Revolutionszeit. Die angolanische Musik ist sehr
vielfältig. Wir haben Kizomba und Semba, unsere angesehen-
sten Musikexporte.
Und was halten Sie von Kuduro oder der »Dança do Milindro«?Kuduro ist eine Form der Nachkriegszeit. Die Leute versuchen,
eine Art Mystik zu schaffen. Es waren junge Leute, die den
Kuduro über die Taxifahrer in Luanda verbreiteten. Es ist eine
schillernde und notwendige kulturelle Bewegung. Ich weiß, das
gefällt nicht allen, und manche meinen, Kuduro gehöre verbo-
ten. Meine Meinung ist: Kuduro ist eine umfassende, integrie-
rende kulturelle Bewegung. Sie ist Rhythmus, Tanz, und diese
Interaktion von Klang und Körper ist wunderbar.
Was kann Angola der Welt und insbesondere Deutschland inkünstlerischer Hinsicht geben?Ich denke, Deutschland sollte sich über Afrika und Angola infor-
mieren. Wenn es das tut, wird Deutschland merken, dass deut-
sche Kultur sehr präsent ist auf dem afrikanischen Kontinent.
Wir Afrikaner haben mehr Zugang zur deutschen Kultur als die
Deutschen zu uns. Das Defizit ist auf Seiten der Deutschen. Ich
denke, wenn es uns gelingt, auf dem Gebiet der Kunst in einen
Austausch zu treten, würde das beiden Seiten gut tun. Kultur -
institute wie das Goethe-Institut nehmen dabei eine sehr wich-
tige Rolle ein.
Angola ist ein multikulturelles Land. Kann es der Welt auf diesemGebiet etwas vorleben?Wir haben tatsächlich sehr viel zu geben auf diesem Gebiet.
Wir leben in einer Welt, in der alle von Multikultur reden. Angela
Merkel hat kürzlich gesagt, Multikultur sei gescheitert in
Deutschland. Aber wir sind alle multikulturell, von Anfang an,
da wir von einer Frau und einem Mann abstammen, und jeder
Mensch ist eine Welt. Wir haben gar keine andere Möglichkeit,
als multikulturell zu sein. Im Sport funktioniert das: Selbst
Deutschland und die nordischen Länder haben afrikanischstäm-
mige Sportler. Deutschland ist eines der europäischen Länder,
die ich bitten würde, über das Zusammenleben der Völker zu
wachen. Angola als von Grund auf multikulturelles Land könnte
Deutschland dabei helfen.
Gibt es Angolaner im Ausland, die Angolanisches nach Angola tragen?
Der Angolaner ist mobil seit den Zeiten der Sklaverei. Es gibt
Schriftsteller, Maler, Musiker, die nicht in Angola leben, im Aus-
land arbeiten und doch stärker Angolaner sind als manche, die
in Angola leben und arbeiten.
Kann man sagen, die Angolaner wurden vor allen anderen Völkern»globalisiert«?Ihre Verbreitung in Nord- und Südamerika und Europa war ein
Beitrag zu einem globalen Verständnis und hatte Einflüsse auf
das Weltverständnis.
Fernando Alvim ist einer der wichtigsten
angolanischen Künstler der Gegenwart. Er
ist künstlerischer Leiter der Triennale von
Luanda, Vize-Prä sident der Sindika-Dokolo-
Stiftung und Gründer des Zentrums für zeit-
genössische afrikanische Kunst »Camou-
flage« in Brüssel. 2007 war er Kurator des
afrikanischen Pavillons der Biennale von
Venedig.
António Cascais ist freier Fernsehjournalist
und für ARD, Deutsche Welle oder Arte
regelmäßig in portugiesischsprachigen Län-
dern tätig. Er verfolgte 2008 die angolani-
schen Parlamentswahlen und war zuletzt im
September 2011 auf Einladung des Goethe-
Instituts zu einem Seminar über Kulturjournalismus in Luanda.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *»Somos uma nação jovem, mas com uma memória ancestral.«Fernando Alvim,
um dos mais conceituados artistas angolanos, dinamizador da Trienal de
Luanda e vice-presidente da Fundação Sindika Dokolo, em entrevista a Antó-
nio Cascais, fala sobre a actualidade da arte em Angola, angolanidade e multi-
cultura, globalização histórica e actual da cultura e o que a Alemanha pode
aprender com Angola.
13
S
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 13
14
ANGOLA AUF EINEN BLICKZAHLEN UND FAKTEN
Nach 400 Jahren portugiesischer Kolonialherrschaft
erkämpfte sich Angola 1975 die Unabhängigkeit, kurz
darauf versank das Land in einem verheerenden Bürger-
krieg. Dank reicher Bodenschätze erlebt es seit dem Frie-
den von 2002 einen gigantischen Aufschwung. Doch ein
Drittel der Menschen lebt weiter in Armut.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Bis zur Unabhängigkeit am 11. November 1975 war Angola
fast 400 Jahre lang portugiesische Kolonie. Der erste Euro-
päer, der angolanisches Festland betreten hat, soll der por-
tugiesische Eroberer Diogo Cão gewesen sein, der 1482 auf
der Suche nach einem Seeweg nach Indien die Kongomün-
dung zum portugiesischen Besitz erklärte.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Am 11. November 1975 wurde Angola nach einem langen
Befreiungskampf und infolge der portugiesischen Nelkenre-
volution vom 25. April 1974 in die Unabhängigkeit entlas-
sen. Die marxistisch orientierte Bewegung für die Befreiung
Angolas MPLA übernahm die Macht. Deren Vorsitzender
Agostinho Neto wurde erster Präsident Angolas. Nach des-
sen Tod übernahm 1979 sein Stellvertreter José Eduardo
dos Santos dieses Amt, das er bis heute innehat.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Nach der Unabhängigkeit begann ein Bürgerkrieg, der mit
Unterbrechungen bis 2002 tobte. Gegen die insbesondere
von der Sowjetunion und Kuba unterstützte Regierung
kämpfte dabei die von Südafrika und den USA unterstützte
»Nationale Union für die Totale Unabhängigkeit Angolas«
(UNITA). 1991 wandelte sich Angola vom Einparteiensystem
sozialistischer Prägung zu einer formalen Demokratie. Wäh-
rend die MPLA aus den ersten Parlamentswahlen im Jahr
1992 mit absoluter Mehrheit hervorging, musste sich bei
der Präsidentschaftswahl José Eduardo dos Santos in einer
Stichwahl gegen den UNITA-Vorsitzenden Jonas Savimbi
durchsetzen. Die UNITA erkannte das Wahlergebnis nicht an
und nahm – nun weitgehend ohne Unterstützung von außen
– den Bürgerkrieg wieder auf, der erst nach dem Tod
Savimbis Anfang 2002 endete.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Bei den nächsten Parlamentswahlen, die erst 2008 statt -
fanden, siegte wieder die MPLA. Anfang 2010 wurde per
Referendum eine neue Verfassung verabschiedet, die keine
Direktwahl des Präsidenten mehr vorsieht, sondern diesen
von der stärksten Fraktion im Parlament bestimmen lässt.
Der Staatspräsident ist zugleich Regierungschef und kontrol-
liert über verschiedene Mechanismen sämtliche Staatsor-
gane, einschließlich des nunmehr geschaffenen Verfassungs-
gerichts.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
Luanda
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 14
Von Emílio José und José Kakulo 15
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Im derzeitigen angolanischen Parlament sind fünf Parteien
vertreten. Die ehemals marxistische MPLA hat eine Zwei-
drittelmehrheit. Wichtigste Oppositionspartei ist die ehema-
lige Rebellenorganisation UNITA, gefolgt von der als eth-
nisch orientierte Partei der Lunda und Chokwe geltenden
»Partei der Sozialen Erneuerung« (PRS). Als ein Sprachrohr
außerparlamentarischer Opposition und verschiedener
angolanischer Bürgerrechtsbewegungen etabliert sich seit
2010 der »Bloco Democrático« (BD).
Angola erstreckt sich über insgesamt 1.246.700 Quadrat -
kilometer im Westen des südlichen Afrikas. Nördlich von
Angola befindet sich die Demokratische Republik Kongo,
im Osten grenzt das Land an Sambia, im Süden an Namibia
und im Westen an den atlantischen Ozean. Zum angolani-
schen Staatsgebiet gehört außerdem die zwischen der
Demokratischen Republik Kongo und der Republik Kongo
(Brazzaville) am Meer gelegene Enklave Cabinda, ein erd -
ölreiches Territorium.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Portugiesisch ist offizielle Staatssprache und für etwa ein
Drittel der Angolaner auch Muttersprache, gesprochen
werden aber noch zahlreiche andere Sprachen. Die häufig-
sten sind Umbundo, Kimbundu, Kikongo, Tchokwe, Kwan-
hama und Nyaneca.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Nach offiziellen Angaben leben in Angola 13,3 Millionen
Menschen (die UN spricht von bis zu 18 Millionen), davon
fünf bis sieben Millionen in der Hauptstadt Luanda. Die
anderen Großstädte Angolas (Benguela, Lobito, Cabinda,
Huambo, Lubango und Kuito) haben je zwischen 100.000
und 300.000 Einwohner. Insgesamt lebt mehr als die Hälfte
der Angolaner in Städten.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Fast die Hälfte der Bevölkerung Angolas sind Kinder unter
14 Jahren. Die Angaben zur Lebenserwartung schwanken
zwischen 39 und 51 Jahren, die Bevölkerung wächst um
zwei Prozent pro Jahr. Ungefähr jeder dritte Angolaner ist
Analphabet.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Die meisten Angolaner sind Bantu und gehören einer der
drei größten Ethnien Ovimbundu (37%), Ambundu (25%)
oder Bakongo (13%) an. Daneben gibt es ein gutes Dutzend
weiterer Bantu-Ethnien im Land. Nur etwa zwei Prozent der
Bevölkerung gelten als »Mestiços« und ein Prozent als
»weiß« – hauptsächlich Nachfahren der 350.000 Portugie-
sen, die am Ende der Kolonialzeit in Angola lebten. Außer-
dem gibt es mittlerweile etwa 300.000 Chinesen oder
chinesischstämmige Menschen in Angola.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Der ethnischen Vielfalt entspricht eine Vielfalt der Religionen.
Als wichtigste Religion gilt in Angola der Katholizismus,
dem mehr als ein Drittel der Bevölkerung anhängt. Allerdings
ist fast die Hälfte der Bevölkerung auch Anhänger einer der
unterschiedlichen animistischen Religionen afrikanischen
Ursprungs. 15 Prozent gehören evangelischen oder evange-
likalen Kirchen an, knapp zwei Prozent sind Moslems.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Dank reicher Erdölvorkommen und anderer Bodenschätze
erlebt Angola seit dem Ende des Bürgerkrieges einen großen
wirtschaftlichen Aufschwung. Mit einem Bruttoinlandspro-
dukt von 58,3 Milliarden US-Dollar (2007) gehört es derzeit
zu den zehn stärksten afrikanischen Volkswirtschaften. Aller-
dings profitiert davon nur ein kleiner Teil der Bevölkerung.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Laut einer 2008 durchgeführten staatlichen Erhebung lebt
mehr als ein Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armuts-
grenze. Nach wie vor sind 85 Prozent der Angolaner in der
Landwirtschaft tätig, die Arbeitslosigkeit wird auf bis zu 28
Prozent beziffert. Die wirtschaftliche Aktivität konzentriert
sich auf den Ballungsraum Luanda. Hier liegt die Arbeitslo-
sigkeit bei etwa 17 Prozent. Angolas wichtigste Export-Han-
delspartner sind China, USA, Indien und Frankreich. Impor-
tiert wird vor allem aus Portugal, China, USA und Brasilien.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *In Angola arbeiten zwei Fernsehanstalten: das Staatsfern -
sehen TPA sowie der private Sender TV Zimbo. Die staatliche
Rundfunkanstalt Rádio Nacional de Angola sendet auf fünf
Kanälen sowie mit eigenen Programmen in nationalen Spra-
chen, daneben gibt es einen kirchlichen Sender sowie min-
destens sechs private Radiosender mit größerer Ausstrahlung.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Die einzige in Angola erscheinende Tageszeitung ist das 1975
gegründete und der Regierungspartei MPLA nahestehende
»Jornal de Angola«, daneben gibt es eine Vielzahl von unab-
hängigen Wochenzeitungen. Zunehmende Bedeutung gewin-
nen von unabhängigen Journalisten oder Menschenrechts-
gruppen betriebene Blogs.
Emílio José und José
Kakulo sind Studenten
des Ausbildungszentrums
für Journalisten CEFOJOR,
einem der Kooperations-
partner des Goethe-Insti-
tuts Angola.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Emílio José e José Kakulo, estudantes do Centro de Formação de Jornalistas
(CEFOJOR), fazem um resumo das informações essencias sobre Angola.
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 15
Luanda gilt als die teuerste Stadt der Welt. Mieten und
Lebenshaltungskosten explodieren, das Erdöl hat unvor-
stellbaren Reichtum in die Stadt gebracht. Ein Haus für
20.000 US-Dollar Monatsmiete ist nichts Ungewöhnliches,
die Miete für eine Zweizimmerwohnung in der Innenstadt
kann durchaus mit 2.000 Dollar im Monat zu Buche schla-
gen. Fünf Kilo Kartoffeln kosten umgerechnet 35 US-Dollar,
eine Dose Trockenmilch 25. Wenigstens das Brot ist noch
subventioniert und bei einem Preis von umgerechnet drei
Cent erschwinglich. Wie lebt es sich unter diesen Beding -
ungen, wenn man nicht gerade vom Öl- oder Bauboom
profitiert? Rita Soares hat Leute auf der Straße nach ihrem
Leben und Träumen befragt, aber auch zu ihren Vorstel -
lungen über Deutschland.
Rita Soares ist Mitarbeiterin des Goethe-
Instituts in Luanda. Sie wurde 1978 ge -
boren und lebte von 1989 bis 2001 in
Deutschland. Nach dem Abitur ging sie wie-
der nach Angola, um Personalverwaltung
zu studieren. Derzeit macht sie ihren
Master in Projektmanagement. Vor ihrer
Tätigkeit im Goethe-Institut arbeitete sie
sechs Jahre in der Deutschen Botschaft in Luanda.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Viver em Luanda – Rita Soares, colaboradora do Goethe-Institut Angola/
Instituto Cultural Alemão entrevistou pessoas na rua sobre a sua vida e seus
sonhos, e o que se pensa da Alemanha.
CONCEIÇÃO AUGUSTO ANTÓNIO, OBSTHÄNDLERIN Ihre Ware kauft die 22-jährige Conceição Augusto António auf
dem Markt Praça do Kikolo. Ananas und Passionsfrucht kom-
men aus Benguela und die Mandarinen aus Lubango. Elf Stun-
den täglich bietet sie die Früchte feil, von 8 bis 19 Uhr, an fünf
Tagen in der Woche. Zwischen 2.000 und 3.000 Kwanza (unge-
fähr 20 bis 30 US-Dollar) verdient sie damit pro Tag. Sie sei
glücklich und komme mit dem Geld gut über die Runden, sagt
die gebürtige Luanderin. Nur die Miete, die sie zahlen muss,
sei eine Belastung. 80 US-Dollar im Monat kostet die Unter-
kunft, in der sie mit ihrem Ehemann und der einjährigen Toch-
ter lebt. Ein eigenes Haus ist deshalb ihr größter Wunsch, auch
von einem Auto träumt sie. Zu Deutschland fällt ihr ein, dass
es dort sehr gute Wurst gibt.
16
DIE SCHUHVERKÄUFERINWÄRE VIEL LIEBER ÄRZTIN PORTRÄTS AUS DER ANGOLANISCHEN HAUPTSTADT
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 16
SAPALO FILIPE, KOSMETIKBOYMit Maniküre und Fußpflege verdient Sapalo Filipe in der
Markthalle von Prenda sein Geld. Er liebt seinen Beruf, den er
von einer Cousine gelernt hat, die ebenfalls als Kosmetikerin
arbeitet. Sie war es auch, die dem 20-Jährigen riet, seinen
früheren Job als Tütenverkäufer auf dem Markt in seiner
Geburtsstadt Benguela aufzugeben und in die Hauptstadt zu
ziehen. Weil angolanische Frauen sehr eitel seien und großen
Wert darauf legten, immer gepflegte Finger- und Fußnägel zu
haben, lasse sich in Luanada als Kosmetikboy gutes Geld ver-
dienen. Immer häufiger habe er aber auch Männer als Kunden,
erzählt Sapalo Filipe. Täglich nimmt er etwa 3.000 Kwanza
ein. Für die kleine Bleibe, die er sich mit einem Freund teilt,
zahlt er 12.000 Kwanza Monatsmiete. Zu den Fixkosten gehö-
ren auch 7.000 Kwanza für die Kosmetika, die er für seine
Arbeit braucht. Frau und Kinder hat der junge Mann noch nicht,
aber eine Freundin. Die Schule musste er nach dem dritten
Schuljahr abbrechen, um zu arbeiten und seine Eltern zu unter-
stützen. Auch jetzt noch schickt er ihnen regelmäßig Geld nach
Benguela.
Von Rita Soares 17
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 17
MARQUINHA FERNANDO DA COSTA, GEMÜSEHÄNDLERIN Marquinha Fernando da Costa verkauft Gemüse auf dem Markt
von Prenda, schon seit 40 Jahren. Doch seit einiger Zeit laufe das
Geschäft schlecht, klagt die 55-Jährige. Vor einem Jahr noch ver-
diente sie täglich rund 6.000 Kwanza, inzwischen nur noch etwas
mehr als die Hälfte. Schuld sei die Konkurrenz durch die Frauen,
die draußen vor dem eigentlichen Marktgelände Gemüse anbie-
ten. So sparen sie die Standgebühr von 100 Kwanza am Tag,
die Marquinha Fernando da Costa bezahlen muss. Auch für die
Kunden sei es praktisch, draußen vor dem Markt einzukaufen.
Das erspare ihnen Zeit und Parkplatzsuche. Die Gefahr beraubt
zu werden sei vor dem Markt ebenfalls geringer, erzählt die
Gemüsehändlerin mit trauriger, aber doch verständnisvoller
Stimme. Manchmal schickt sie eine ihrer Töchter zum Einkaufen,
denn langsam lassen ihre Kräfte nach. Sie sei ein sehr glücklicher
Mensch und lege alles in Gottes Hände, sagt die Mutter von
einem Jungen und drei Mädchen. Ihr größter Wunsch ist, dass ihr
Mann wieder gesund wird. Er ist schon seit Jahren so krank, dass
er nicht mehr arbeiten kann. So müsse sie die Familie ernähren,
zu der auch drei Enkel und zwei Neffen zwischen vier und 13
Jahren gehören. Herr im Haus sei dennoch ihr Ehemann, betont
Marquinha Fernando da Costa. Er habe das Sagen, auch wenn er
kein Geld nach Hause bringt, so sei sie erzogen worden.
Miete muss die Gemüsefrau nicht bezahlen, denn sie hat ein
eigenes Haus. Es ist allerdings so weit von ihrer Arbeitsstelle
entfernt, dass sie mit dem Sammeltaxi (Candongueiro) fahren
muss. Das kostet 300 Kwanza täglich, hinzu kommen 500
Kwanza für sechs Wasserkanister pro Tag und monatlich 1.200
Kwanza für Strom. Etwa drei Mal im Jahr fährt Marquinha Fern-
ando da Costa auf Familienbesuch in die Provinz Kwanza Sul,
woher sie stammt. Mit Deutschland verbindet sie, dass ihr Neffe
José Quarenta als Fahrer fürs Goethe-Institut Angola arbeitet.
Die Schuhverkäuferin wäre viel lieber Ärztin 18
NEU-DELHI 1959
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 18
CECÍLIA FRANCISCO MIRANDA, SCHUHHÄNDLERINÄrztin, das ist der Traumberuf von Cecília Francisco Miranda.
Nächstes Jahr möchte sie wieder zur Schule gehen, die sie nach
der siebten Klasse verlassen hat. Danach will sie an der staat-
lichen Universität Medizin studieren. Doch noch verkauft die
23-Jährige Schuhe vor dem Markt von Prenda, wie schon seit
sieben Jahren. Gerne mache sie diesen Job nicht, sagt die
Mutter von zwei Töchtern, die ein und vier Jahre alt sind. Aber
sie müsse ihre Familie ernähren. Sie kommt für das Essen auf,
ihr Mann schafft mit seiner Arbeit die 100 US-Dollar Miete pro
Monat heran, auch Strom- und Wasserkosten übernimmt er.
Cecília Francisco Miranda lebt mit ihrer Familie in Rocha Pinto
und zahlt täglich 300 Kwanza für das Sammeltaxi zur Arbeit.
Einmal in der Woche fährt sie zum Markt von São Paulo, um
neue Ware zu kaufen. Die Schuhe kommen aus China. Die
Qualität sei gut, sagt die Schuhverkäuferin. Das billigste Paar
kostet 500 Kwanza, das teuerste 1.500. Pro Tag verdient die
junge Frau etwa 5.000 Kwanza, manchmal aber auch nur
2.000. In Kauflaune seien die Kunden vor allem am Monats -
ende, wenn sie ihre Gehälter bekommen, berichtet Cecília, die
in der Provinz Kwanza Sul geboren wurde. Nach Luanda kam
sie vor 15 Jahren, wegen des Krieges und auf Einladung der
Brüder des Vaters, die damals schon in der Hauptstadt lebten.
Was sie über Deutschland weiß? Nichts, sagt die Schuhver-
käuferin, die viel lieber Ärztin wäre.
19
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 19
20
KUNST AUS CONTAINERN António Oles Beitrag zum Berliner Projekt »Who knows tomorrow« rückt nicht nur den jahrhundertealten Handel zwischen Europa
und Afrika in den Blick, sondern auch die Abschottung Europas gegenüber Flüchtlingen und Migranten.
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 20
Erinnerung ist unumgänglich, so schmerzhaft sie auch sein
mag. Das führen uns António Oles Arbeiten vor Augen. Sie
sind aber stets auch als Entwürfe für Angolas Zukunft lesbar
und weisen in ihrer Aussagekraft weit über den nationalen
Bezugsrahmen hinaus.
Die Grafik »Sobre o Consumo da Pílula« zeigt Papst Paul VI. bei
der Einnahme einer Pille. Das herausragende Werk, das António
Ole am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn schuf, wurde
damals sehr kritisch aufgefasst. Es entstand Ende der 60er-
Jahre, als António Ole seine ersten Ausstellungen in Luanda
hatte. Kurz nach der Unabhängigkeit im Jahr 1975 arbeitete er
beim staatlichen Fernsehen und wurde vom Kulturministerium
nach Lunda-Norte, der nordöstlichen Provinz Angolas, geschickt.
Diese Reise und die Begegnung mit der dortigen Kunst der
Tschokwe zählen zu seinen wichtigsten künstlerischen Erleb -
nissen, dienen ihm bis heute als Inspirationsquelle.
António Ole ist eine experimentelle Herangehensweise genauso
wichtig wie die Reflexion traditioneller Formen. Der Historiker
und Kunstkritiker Adriano Mixinge bezeichnet ihn als einen der
wenigen angolanischen Künstler, die den »Übergang« zu einer
zeitgenössischen Form in ihrer Kunst verwirklichen. Er bezieht
sich dabei auf die von Jean-Godefroy Bidima definierten Charak-
teristika für zeitgenössische afrikanische Kunst seit den 1990er-
Jahren: die Dekonstruktion der Mythen afrikanischer Traditionen,
der Dialog mit westlicher Kunst und die sogenannte Transkultu -
ration als Basis für Recycling und Re-Appropriation dieser Tra -
ditionen. Heute orientieren sich viele junge Künstler Angolas an
Oles kritischer und zugleich ästhetischer Ausdrucksform.
António Ole wurde 1951 in eine angolanisch-portugiesische
Familie hineingeboren. In den frühen 80er-Jahren verließ er
Angola, um am Institute for Advanced Film Studies der University
of California (Los Angeles) zu studieren. Nach der Unabhängigkeit
1975 hatte die sozialistisch orientierte Regierungspartei MPLA
die wenigen Kunstinstitutionen verstaatlicht. Kunst diente nun
dazu, die programmatischen Linien der Partei im Stil des sozia-
listischen Realismus zu verbreiten, während es Kunst um ihrer
selbst willen zur Zeit des Bürgerkrieges nicht geben sollte. Dieser
Geist herrscht auch heute noch, wenn auch in sublimerer Form.
Angolanische Künstler werden mehr oder weniger direkt aufge-
fordert, Stellung zu beziehen, sich zu einem Lager zu bekennen
oder ein anderes zu bekämpfen – Kunstwelt als Kriegsspiel.
WANDINSTALLATION AUS SCHROTTAus dieser Zeit stammen Oles farbintensive, großformatige
Gemälde, in denen er Motive der Tschokwe-Wandmalerei auf-
greift. Indem er traditionell angolanische Zeichensysteme künst-
lerisch erforschte und sie in einen zeitgenössischen Kontext
übertrug, reagierte er auch auf die Entwicklung eines angolani-
schen Selbstbewusstseins.
Seit den 90er-Jahren werden seine Arbeiten minimalistischer.
Er setzt sich mit der Geschichte seines Landes auseinander,
indem er sich Relikte des Kolonialismus und des Bürgerkrieges
künstlerisch aneignet. Fundstücke seiner Reisen treten als Zeu-
gen für geschehenes Leid und Ungerechtigkeit auf und fordern
den Betrachter auf, die verborgenen Seiten des angolanischen
Geschichtsbuches zu entdecken. Dabei verwendet er vor allem
fast vergessene und aus dem Blickfeld geratene Gegenstände
und Dokumente. Durch das Wieder-Eingliedern verlorener
Erinnerungen und ihr Zusammenfügen in einen neuen Kontext
ermöglicht er nicht nur die Bewältigung der Vergangenheit,
sondern stellt vielfältige Bezüge zur Gegenwart her, in der
Fragen der Identität und der Möglichkeit des Aufbaus einer
friedlichen Gesellschaft neu gestellt werden müssen.
Eine der wichtigsten Arbeiten in diesem Zusammenhang ist
sicher »Margem da Zona Limite«, die erste einer Reihe komple-
xer Installationen, die Ole 1994 zum ersten Mal ausstellte. In
ihrem Zentrum steht ein altes Boot, dessen Bug und Heck von-
einander getrennt sind. Eine Hälfte ist gefüllt mit roten Backstei-
nen, die andere mit Stapeln vergilbter Polizeidokumente. Auf
den Boots-Teilen sitzen zwei ausgestopfte Krähen, die auf eine
ruhige Wasseroberfläche in zwei Videomonitoren blicken. Ein
Teil der ersten Version von »Margem da Zona Limite« bestand
aus einer Wandinstallation aus Schrottmaterialien wie Well-
blechelementen sowie alten Türen und Fenstern, die als Modell
für viele weitere Arbeiten diente. Heute zählen sie unter dem
Namen »Township Walls« zu seinen bekanntesten Werken, die
erste wurde 1995 auf der ersten Johannesburg-Biennale gezeigt.
Der große Erfolg dieser Arbeit brachte es mit sich, dass Ole in
den folgenden Jahren darauf festgelegt wurde, immer wieder
»Township Walls« zu bauen, und er realisierte sie an ganz un -
terschiedlichen Orten, wie Chicago (2001), Venedig (2003),
Lissabon (2004), Düsseldorf (2004) und Washington (2009).
ZEUGEN DER GRAUSAMKEIT Ole haucht vermeintlich wertlosen Gegenständen, die an den
Rändern der Gesellschaft überlebten, neues Leben ein. Die Multi-
media-Arbeit »Hidden Pages, Stolen Bodies« beschäftigt sich mit
Sklaverei und Zwangsarbeit. Nach der späten Abschaffung der
Sklaverei 1869 im gesamten portugiesischen Imperium folgte in
Angola eine lange Geschichte der Zwangsarbeit, zu der alle Ango-
laner, die nicht den Status der Assimilados für sich beanspru-
chen konnten, verpflichtet wurden. In einem Archiv in Benguela
stieß Ole auf das Bild eines Zwangsarbeiters. Als Bildausschnitt
wählte er den gebeugten Körper mit zusammengebundenen
Händen, ohne das Gesicht zu zeigen. So wird das Porträt zum
zugleich individuellen und universellen Beispiel dieser men-
schenverachtenden Politik.
Zu den acht Wandtafeln mit diesem Bild kommen verschnürte
Papierstapel und vergilbte Personenlisten, die bürokratische
21
FUNDSTÜCKE UND MOMENTAUFNAHMEN ANTÓNIO OLES KUNST Von Nadine Siegert
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:45 Seite 21
ANTÓNIO OLE: THE ENTIRE WORLD / TRANSITORY GEOMETRY, Berlin 2010
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 22
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 23
Machtmechanismen der Kolonialmacht offenbaren. Die beiden
Assemblagen »Mens Momentanea I« und »Mens Momentanea II«
stehen im gleichen thematischen Zusammenhang. Erst auf den
zweiten Blick enthüllt das aus hellen Tafeln mit beigen und
rostroten Farbfeldern bestehende Triptychon »Mens Momen -
tanea I« seine Doppelbödigkeit: In den angekohlten Papier -
formen wird ein Gesicht erkennbar, das ähnlich wie Edvard
Munchs »Der Schrei« die Empfindung des Entsetzens wider-
spiegelt. »Mens Momentanea II« ist ein unheimlich wirkendes
Zusammenspiel von dunklem, verkohltem Holz und Lichtern,
die, hinter kleinen Glasfenstern verborgen, undefinierbare
Gegenstände beleuchten. Trotz ihrer sehr ästhetischen Ausar-
beitung haftet beiden Werken etwas Grausames an. Die Unein-
deutigkeit in all diesen Arbeiten ist von Ole gewünscht, denn
er möchte Raum lassen für ganz unterschiedliche Deutungs-
möglichkeiten. Er versteht seine Arbeiten als kulturelle Archä-
ologie, die an die entzündeten Nerven der unverarbeiteten
Themen der Geschichte rührt.
POESIE DES SALZES UND DER MAUERN Wie in seinen Installations-Arbeiten, so finden sich auch in den
Fotografien António Oles verschwindende und sich auflösende
Strukturen, in denen er die Zeichen des Krieges, der Armut, der
Verwahrlosung und Misshandlung zeigt, die im angolanischen All-
tag stets präsent sind. Schon in den 70er-Jahren fotografierte er
die Familien in den Musseques, den Armenvierteln Luandas, aus-
gestellt wurden die Porträts jedoch erst in den 90er-Jahren. Der
ruhige Blick Oles zeigt in einzelnen Porträts und Momentaufnah-
men die Menschen einer Zeit, in der Angola noch unter der kolo-
nialen Gewalt des sich selbst zugrunde richtenden faschistischen
Regimes der portugiesischen Kolonialmacht litt, der Schrei
nach Unabhängigkeit aber bereits unüberhörbar in der Luft lag.
Während im Hintergrund die Palmen der Insel Mussulo oder die
Festung Luandas zu sehen sind, stehen die von der Härte des
Alltags geprägten Gesichter der Menschen im Vordergrund – in
ihrer Schönheit traurig berührend. Die Aufnahmen zerfallener
Häuserwände hingegen sind zwar menschenleer, haben aber
eine ebenso direkte Bildaussage. Hier steht der konzeptuelle
Gedanke im Mittelpunkt, Ole zeigt in einer streng-symmetri-
schen Bildkomposition bröckelnde Fassaden in der immer glei-
chen Frontalansicht. In der Senkrechten sind sie unterbrochen
und genau dort mit der Wand eines anderen, nicht minder zer-
fallenen Gebäudes zusammengesetzt. Die bildfüllenden Motive
lassen nur im Bereich einiger Fenster etwas direktes Sonnen-
licht hindurch, und doch erzählen sie als zähe Ruinen von dem,
was hinter diesen Wänden gelegen haben mag.
Die aus zehn Fotografien bestehende Serie »Cycle of Salt«
erzählt von der Salzgewinnung aus dem Meer, ist aber zugleich
eine weitere Facette im Werkkomplex »Hidden Pages, Stolen
Bodies«. Salz besitzt für Ole einen besonderen Stellenwert, da
es als eines der wichtigsten Tauschobjekte das Bindeglied im
Zentrum des komplexen Abhängigkeitsverhältnisses des Sklaven-
handels war. Er vermittelt in den Fotografien eine unwirkliche
Ästhetik, die einer surrealen Filmkulisse gleicht. Wie die Haut
eines Körpers wirkt die Erdoberfläche, und in der Verbindung mit
dem Salz scheint darauf eine Wunde zu entstehen. Die Wirkung
der Korrosionskräfte des Salzwassers auf ein Metallrohr wird
durch die Intensität der Farben und Formen sinnlich erfahrbar.
AUFBRUCH UND RÜCKZUG Ole eröffnet mit seiner Kunst einen Blick in die ambivalente
Realität Angolas und erzählt die Geschichte seines Landes mit
Fundstücken und Momentaufnahmen, die als Metaphern auch
für die Geschichte eines ganzen Kontinents stehen können.
Heute beginnt Ole sich langsam von der Auseinandersetzung
mit dem urbanen Raum Luandas zu entfernen. Seine aktuelleren
Arbeiten deuten in eine neue Richtung. Zum einen findet Ole
zurück in die kräftige und teils monochrome Farbigkeit der 70er-
und 80er-Jahre, zum anderen sucht er Zugang zu Themen, die ihn
wegführen von der Enge des urbanen Raumes. So möchte er die
Komplexität der Inseln des afrikanischen Kontinents erfassen. In
der Fotoarbeit »Luanda-Gorée« bringt Ole die Bilder zweier Orte
zusammen, die eine gemeinsame Geschichte als Hauptumschlag-
plätze des Sklavenhandels verbindet, und macht in dieser symbo-
lischen Vereinigung auf die geteilte Erin nerung aufmerksam. Im
Herbst 2010 baute António Ole an der Ber liner Nationalgalerie
im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, eine Wand aus
Containern auf. Mit diesem Beitrag zum Projekt »Who knows
tomorrow« rückte er nicht nur die frühere Teilung Berlins ins
Bewusstsein, sondern auch den jahr hundertealten Handel zwi-
schen Europa und Afrika sowie die Abschottung Europas gegen -
über Flüchtlingen und Migranten.
Nadine Siegert ist Kunstwissenschaftlerin
und stellvertretende Leiterin des Iwalewa-
Hauses der Universität Bayreuth. Sie kura-
tierte Ausstellungen mit Kiluanji Kia Henda,
António Ole, Nástio Mosquito und über die
angolanische Fotografenfamilie Pinto Afonso.
Derzeit promoviert sie über die Geschichte
und Gegenwart der Kunstwelt Luandas.
António Ole wurde 1951 in Luanda gebo-
ren und studierte in Los Angeles afroameri-
kanische Kulturwissenschaften. Zu Beginn
seiner künstlerischen Laufbahn machte
er Filme, die sich mit dem Kampf um die
Unabhängigkeit Angolas beschäftigten.
Seit der von der Kritik gefeierten Arbeit
»Margem da Zona Limité: Township Wall« (1994–1995) ist er
bekannt für seine raumgreifenden Installationen mit See-
frachtcontainern.
Fundstücke und Momentaufnahmen 24
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 17:05 Seite 24
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *António Ole, um dos mais prestigiados artistas angolanos a nível internacional
é um dos parceiros frequentes do Goethe-Institut em Luanda. Os seus trabal-
hos nos remetem à necessidade da memória não obstante da sua intensidade
às vezes dolorosa. Ao mesmo tempo que sua obra pode ser lida como esboço
de um futuro angolano cuja importância visa para muito além das fronteiras
nacionais.
25
HIDDEN PAGES, STOLEN BODIES Eine Multimedia-Installation zu Sklaverei
und Zwangsarbeit von António Ole, 19. World Wide Video Festival, Amster-
dam 2001 (Ausschnitt)
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 25
26
MUSIK VON VATERSSCHWARZEN SCHEIBENDER SOUND DER ANGOLANISCHEN SIXTIES UND SEVENTIES
Zé Keno, Gitarrist der Gruppe
Jovens do Prenda
Mamukueno war einer der Stars
der angolanischen Musikszene
der 60er- und 70er-Jahre.
Die Band N´Goma Jazz bei
einem Auftritt in Lobito, 1972.
Santos Júnior gehörte mit
seiner Band Kissanguela zur
Unabhängigkeitsbewegung.
Der Gitarrist »Nito« Belmiro
Carlos, mit der Band Kissanguela
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 26
Psychedelisch flirrende Gitarren, Latin-Grooves und urbane
Beats der Karnevalbands – nirgendwo auf der Welt klingt
Musik wie in Angola. Für den ersten Angola-Soundtrack des
Frankfurter Labels Analog Africa wurden mit Unterstützung
des Goethe-Instituts Raritäten der 60er- und 70er-Jahre auf-
gespürt und zu einer einzigartigen CD zusammengestellt.
2010 wurde sie mit dem Preis der Deutschen Schallplatten-
kritik ausgezeichnet.
1961 begannen bewaffnete Gruppen in Afrika mit dem Aufstand
gegen die portugiesische Kolonialmacht, der 1975, ein Jahr nach
der portugiesischen Nelkenrevolution, mit der Unabhängigkeits-
erklärung Angolas endete. Kann ausgerechnet diese Zeit der
Kämpfe das »goldene Zeitalter der angolanischen Musik« gewe-
sen sein, wie die amerikanische Historikerin Marissa Moorman
in den Liner Notes zu »Angola Soundtrack« schreibt? Ja, sagt sie,
denn genau in jener Zeit bildete sich in den Musseques, den
Armenvierteln der späteren angolanischen Hauptstadt, zwischen
den Menschen, die aus allen Gegenden des Landes zusammen-
strömten, ein Gemeinschaftsgefühl heraus. Diese urbane Kultur-
sprache speist sich aus den unterschiedlichen kulturellen Hinter-
gründen, die hier miteinander in Kontakt kamen, ebenso wie
aus der Musik, die aus Europa, den USA oder der Karibik Luanda
erreichte. Die E-Gitarre, Symbol des weltweiten popmusikali-
schen Aufbruchs der 60er-Jahre, traf auf traditionelle Instrumen -
te und Rhythmen aus allen Landesteilen und ließ einen neuen
Sound entstehen: Rebita, Kazukata oder Semba – den Soundtrack
des modernen Angola.
Dass dieser einzigartige Sound Vorläufer hatte, versteht sich,
doch Aufnahmen etwa aus den 50er-Jahren sind allenfalls in
Radioarchiven zu finden. Schallplatten wurden in Angola erst
seit den 60er-Jahren produziert. Sie nach vierzig Jahren noch
aufzustöbern, sei ein Abenteuer für sich gewesen, schreibt Samy
Ben Redjeb, Kopf des Frankfurter Plattenlabels Analog Africa,
im Begleittext der CD. »Angola Soundtrack« ist die neunte Pro-
duktion des Labels, das sich auf das Aufspüren vergessener
Aufnahmen spezialisiert hat – und die bisher schwierigste, ver-
sichert Samy Ben Redjeb. In dem aufwändig gestalteten Booklet
ist eine Fülle an Informationen über die beteiligten Bands und
Musiker zu finden, in interessanten Texten erzählt Ben Redjeb
von Begegnungen, Kontakten, Zufällen, Rückschlägen und
Erfolgserlebnissen, Visa-Problemen, Logistik-Katastrophen,
horrenden Kosten und einer Lebensmittelvergiftung, die auf
seinem Weg zu den begehrten Originalaufnahmen lagen.
EIN AUFRUF AN DIE BEVÖLKERUNG Auf São Tomé e Príncipe, dem kleinsten portugiesischsprachigen
Inselstaat im Golf von Guinea, der traditionell starke kulturelle
Bande zu Angola unterhält, gelang es ihm, einen Radio-DJ dazu
zu bringen, einen Aufruf an die Bevölkerung zu richten. Sie soll-
ten einmal nachschauen, ob bei ihnen zu Hause irgendwelche
von diesen »kleinen schwarzen Scheiben, die euer Vater immer
gespielt hat«, verstauben. Bereits Sekunden später klingelte im
Studio das Telefon. Am Ende aller Mühen stand in Luanda die
Begegnung mit Zé Keno, dem Gitarristen der legendären Band Os
Jovens Do Prenda, mit dessen Hilfe Ben Redjeb schließlich nicht
nur eine stattliche Schallplattensammlung zusammenbekam,
sondern fast alle Komponisten der ausgewählten Songs persön-
lich treffen konnte. Die 18 Titel, die auf »Angola Soundtrack« zu
hören sind, wurden aus hunderten Original-Singles ausgesucht,
die zur weiteren Digitalisierung nun in Frankfurt am Main lagern.
Besonders erfreulich ist, dass die CD nicht nur spektakuläre, mit-
reißende, selten gehörte Musik bietet, sondern in dem sorgsam
edierten und reich bebilderten Booklet auch eine Fülle an Infor-
mationen zu den beteiligten Bands und Musikern sowie ihren
historischen, ökonomischen und kulturellen Hintergründen liefert.
TOUR DURCH EUROPAAngestachelt vom Erfolg des Samplers, der kurz nach seiner
Veröffentlichung im November 2010 mit dem Preis der Deut-
schen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde, reiste Samy Ben
Redjeb im Mai 2011 mit Unterstützung des Goethe-Instituts
erneut nach Angola. Nicht nur eine zweite CD mit Aufnahmen
der »Goldenen Ära« stand diesmal auf dem Programm, sondern
auch der Versuch, einige Musiker von damals wieder auf die
Bühne zu bringen. Und tatsächlich traten am 20. Mai 2011 die
lebenden Legenden Boto Trindade (Os Bongos / Gitarre) und
Teddy N’Singui (Inter-Palanca / Gitarre) zusammen mit Carlitos
Timótio (Águias Reais / Bass), Joãozinho Morgado (N’goleiros Do
Ritmo / Congas), Chico Montenegro (Os Jovens do Prenda / Bon-
gos) und Raúl Tolingas (Conjunto Kissanguela / Reco-Reco) im
Elinga Teatro von Luanda vor ein begeistertes Publikum. Glaubt
man den euphorischen Berichten in der angolanischen Presse,
so hat das auf Initiative des Goethe-Instituts von der Produk-
tionsfirma »Mano a Mano« ausgerichtete Konzert auch dort
Musikgeschichte geschrieben. Im Oktober tourte die angolani-
sche Supergroup durch sechs europäische Städte.
Angola Soundtrack. The Unique Sound of Luanda (1968-1976)
Mit: Os Jovens do Prenda, Santos Júnior,
Dimba Diangola, África Ritmos, Os Kiezos,
Os Bongos, Africa Show, Mamukueno, N’Goma
Jazz, Os Korimbas, David Zé, Quim Manel.
Analog Africa 2010.
UWWW.ANALOGAFRICA.BLOGSPOT.COM
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Os Jovens do Prenda, Santos Júnior, Os Kiezos, Os Bongos, N’Goma Jazz,
David Zé … Nomes que marcaram a história da música angolana. Com o apoio
do Goethe-Institut Angola uma gravadora alemã resgatou 18 das melhores
músicas dos anos 60 e 70 para uma colectanea intitulada »Angola Sound-
track. The Unique Sound of Luanda (1968-1976)«, logo galardoada com o
prémio da crítica musical alemã. Em seguida alguns protagonistas do cenário
musical desta época partiram para uma série de concertos em Angola e
vários países da Europa.
Von Otiniel Silva 27
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 27
GEBÄUDE DER UNIVERSIDADE AGOSTINHO NETO
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 28
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 29
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 30
Noch stehen in Luanda zahlreiche Bauten des Modernismo.
Sie entstanden in den 50er- und 60er-Jahren, als unter ande-
rem Ideen der Bauhausarchitektur auch in Angola voller
Experimentierfreude umgesetzt wurden. Viele dieser einma-
ligen Bauten mussten inzwischen – wie in anderen Teilen der
Welt – zeitgemäßen, zweckmäßigeren Projekten weichen.
Als das Goethe-Institut mich gemeinsam mit der Sindika-
Dokolo-Stiftung zur Triennale 2010 einlud, eine Ausstellung zur
Bauhausarchitektur zu zeigen, war ich von Luanda fasziniert.
Eine wundervoll chaotische Stadt im Wandel – nach äußerst
schwierigen Jahren. Ich war überrascht. In Deutschland weiß
man wenig vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auf-
bruch in Angola und Afrika überhaupt. Daher war ich mehr oder
weniger unwissend angereist und überwältigt. Von den Men-
schen, der Schönheit, dem Chaos, dem Wetter, dem Autover-
kehr, der Geduld, dem Humor, den Baustellen und nicht zuletzt
von Luandas Architektur der 50er- und 60er-Jahre. Das war
Grund genug, noch einmal nach Luanda zu kommen. Diesmal
mit meiner Kamera. Im April 2011.
UNGEZWUNGENES SPIEL MIT DEM NEUENIn Deutschland gibt es diese Gebäude auch, doch ist ihre Archi-
tektur bei Weitem nicht so engagiert und wagemutig. Bei uns
war es eine Notwendigkeit, nach dem Zweiten Weltkrieg Wohn-
raum zu schaffen und die beschädigten Städte wieder aufzu-
bauen. Die Ideen des Bauhauses aus den 20er-Jahren wurden
weiträumig umgesetzt und weiterentwickelt, doch geliebt wur-
den diese Gebäude in Deutschland meist nicht. Sie waren zum
größten Teil Zweckbauten, oft ohne architektonische Aussage.
In Luanda allerdings habe ich den Eindruck, dass das Bauen in
den 50er-Jahren ein experimentelles und ungezwungenes
Spiel mit den Ideen der Epoche war. Für die Architekten damals
die einmalige Möglichkeit, Neues zu erfinden und zu probieren.
Dass diese Gebäude nicht für alle Ewigkeit gebaut sind, ist nur
allzu gut sichtbar. Oft stehen sie heute auch anderen, neuen
Projekten im Weg oder entsprechen nicht mehr den heutigen
Anforderungen. Sie werden aus Luandas Zentrum verschwin-
den und den großen neuen Architekturprojekten Platz machen
müssen. Und da sehe ich den Wert meiner Arbeit: die fotogra -
fische Dokumentation und Interpretation der Dinge, die schein-
bar überflüssig sind und der modernen, wachsenden Gesell-
schaft im Wege stehen. Mit den Bildern setze ich mich nicht
für den unbedingten Erhalt von wegweisenden Gebäuden ein.
Vielmehr beschreibe ich den Lauf der Zeit, der nicht beein-
flusst werden kann. Es ist ein selbstständiger Mechanismus
aus Bedürfnissen, Einflüssen, Abhängigkeiten. Eben Kultur.
Das zeige ich auf meinen Bildern.
Trotzdem: Die besten und gelungensten Gebäude zu erhalten,
sie als Beispiele dieser angolanischen Epoche weiterhin zu
nutzen und in das geänderte Stadtbild zu integrieren, ist eine
verantwortungsvolle Aufgabe für die Stadtplaner. Die Architek-
tur aus den 50er-Jahren ist wichtiger Zeuge einer Zeit, und sie
ist ein Teil von Luandas Identität.
Hans Engels ist seit den 80er-Jahren als
Architekturfotograf tätig. Seine Fotos wur-
den auf zahlreichen Ausstellungen in aller
Welt gezeigt. Daneben ist er Autor von
Bildbänden, unter anderem über Havanna,
München und zur Bauhaus-Architektur.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Quando estive em Luanda pela primeira vez, a convite do Goethe-Institut
e da Trienal de Luanda, fiquei fascinado por esta cidade. Uma cidade
maravilhosamente caótica em transição após anos extremamente difíceis.
Na Alemanha pouco se sabe das mudanças em Angola e África em geral.
Entusiasmei-me pelas pessoas, a beleza, o caos, o tempo, o trânsito, a
paciência e o humor das pessoas, as obras em construção – e finalmente
pela arquitetura dos anos 50 e 60. Foi razão suficiente para voltar em
abril de 2011. Desta vez com a minha câmera fotográfica …
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
Im Rahmen der Kooperation des Goethe-Instituts Angola mit
dem Zentrum für Kunst, Architektur, Stadtplanung und Design
der Universidade Lusíada de Angola (Neaaud-ULA) realisierte
der Architekturfotograf Hans Engels ein Projekt über Bauten
der architektonischen Moderne in Luanda.
Die Fotografien waren im Oktober 2011 an der Universidade
Lusíada (ULA) zu sehen. Zu dieser Ausstellung ist ein Katalog
erschienen, der beim Goethe-Institut erhältlich ist.
Das Zentrum für Kunst, Architektur, Stadtplanung und Design
der Universidade Lusíada de Angola ist ständiger Koopera-
tionspartner des Goethe-Instituts, unter anderem mit der
erfolg reichen deutsch-angolanischen Filmreihe »Cinema no
Telhado«. Für das Architekturforum der ULA im Oktober 2011
reiste der deutsche Architekt Axel Koschany auf Einladung
des Goethe-Instituts nach Luanda. Für 2012 sind weitere Ko -
ope rationen zum Thema Kultur und öffentlicher Raum geplant.
Zur Ausstellung von Hans Engels hat das Goethe-Institut
Angola einen Katalog herausgegeben: Goethe-Institut Angola /
Universidade Lusíada de Angola (Hg.): Modernismo Luanda.
152 S., zahlreiche farbige Abbildungen, zu bestellen über
www.goethe.de/shop
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *No âmbito da cooperação entre o Goethe-Institut Angola / Instituto Cultu-
ral Alemão e o Núcleo de Estudos Arte, Arquitetura, Urbanismo e Design
da Universidade Lusíada de Angola (Neaaud-ULA) o fotógrafo alemão
especializado em arquitetura, Hans Engels realizou uma documentação
sobre edifícios modernistas em Luanda. A exposição destas fotografias
realizou-se em Outubro de 2011 na Universidade Lusíada (ULA). O catálogo
desta mostra poderá ser solicitado através do Goethe-Institut Angola /
Instituto Cultural Alemão.
31
MODERNISMO IN LUANDAHANS ENGELS HAT IM AUFTRAG DES GOETHE-INSTITUTS DIEARCHITEKTUR DER METROPOLE FOTOGRAFIERT
SITZ DER GEWERKSCHAFT UNTA
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 31
DAS CHAOS ANGEHEN, STATT ES AUSZUBLENDENÂngela Mingas, die Leiterin des Architekturinstituts der Uni -
versität Luanda, im Gespräch mit dem Journalisten Francisco
Pedro Keth
Francisco Pedro Keth: Wie lesen Sie die fotografische Arbeitvon Hans Engels?Ângela Mingas: Anthropologisch. Aus dem, was ich von seiner
Arbeit kenne, ließe sich gut eine Studie über die Semiotik des
Raumes erstellen. Die Spuren des Menschen, der bewohnte
Raum, stehen klar im Vordergrund. Architektur besitzt zwei
wichtige Komponenten: Material und Raum. Engels’ Arbeit
handelt vom Raum. Das gefällt mir!
Also eine Sichtweise, die von Studenten oder gar Architektenberücksichtigt werden sollte?Auf jeden Fall! Die Prinzipien, die Engels’ Sichtweise leiten,
sollte jeder Architekt berücksichtigen, wenn er einen Raum
plant. Von den einfachsten bis zu den prächtigsten Bauten –
Architektur ist nie kontemplativ, man muss auch immer ihren
Nutzwert im Blick haben.
Sich mit dem materiellen Erbe zu befassen, heißt auch, sich überseine Erhaltung Gedanken zu machen. Glauben Sie, die Dokumen-
tation städtebaulicher Gegebenheiten kann zu ihrer Erhaltungbeitragen?Selbstverständlich. Die Information ist eine unabdingbare Vor-
aussetzung zur Erkenntnis. Viele von uns erkennen die Schön-
heit der Orte, die wir bewohnen, gar nicht. Wir sehen sie ja
jeden Tag. Sich zu erinnern, schadet nie.
Die Fotos von Hans Engels zeigen alte Gebäude, die meist im Verfallen begriffen sind. Glauben Sie nicht, dass diese Fotos imAusland zu einem negativen Bild von Angola beitragen?Die Realität der Fakten ist die beste Postkarte einer Gesell-
schaft. Unser »Chaos« muss angegangen, nicht ausgeblendet
werden. Ich sehe darin ein gutes Prinzip für eine neue Ordnung.
Ângela Cristina Branco Lima Mingas
ist Gründerin und Leiterin des 2003 ge -
grün deten Architekturinstituts sowie des
Studienzentrums für Kunst, Architektur,
Urbanismus und Design (Neaaud) der Uni-
versidade Lusíada de Angola. Seit 2006 ist
sie Kuratorin des angolanischen Architek-
turforums »Fórum de Arquitectura de Angola«.
Modernismo in Luanda 32
FASSADE EINES WOHNHAUSES Das Goldene Rechteck, bei dem das Verhältnis zwischen der längeren und der kürzeren Seite
dem berühmten Φ (Phi) entspricht, wurde zur grundlegenden Form des Modernismo erwählt.
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 32
33
SYMMETRIE UND ASYMMETRIE In den modernen Gebäuden Luandas findet sich eine Vielzahl von Rhythmen und Kontrasten.
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 33
Der kurzen Blüte des angolanischen Kinos unmittelbar
nach der Unabhängigkeit folgte eine lange Krise, verursacht
durch Krieg und globale Umwälzungen. Nun kommt der
junge angolanische Film, dessen Macher mit Filmen aus Ost-
europa und Telenovelas aus Brasilien aufwuchsen.
Zwei Jugendliche hasten davon. Sie haben eine Aktentasche
dabei. Die Polizei ist ihnen auf den Fersen. Sie können ent -
kommen und flüchten sich in eine Baracke im Armenviertel.
Drinnen öffnen sie, noch außer Atem, die Tasche. Darin ist Geld.
Viel Geld. Zwei Frauen kommen hinzu und es kommt zu einer,
wenn auch nur angedeuteten, Sexszene.
So oder so ähnlich geht es in zahlreichen Filmen aus den Jah-
ren 2006 bis 2011 zu. Es sind Videofilme mit einer dem Fern-
sehen entlehnten Sprache, nicht besonders guter Tonqualität,
wenig überzeugender Schauspielführung und einer irren
Abfolge von Verbrechen, Gewalt, Wortgefechten und Schüssen.
Und immer wieder taucht die rote Erde auf, die den Musseques
genannten Armenvierteln ihren Namen gab.
Der angolanische Film ist in Bewegung. Seit 2005 erleben wir
einen möglicherweise vom nigerianischen Nollywood beein-
flussten Boom von Videofilmen, deren Macher im Krieg gebo-
ren und aufgewachsen sind, also einer Generation entstammen,
die wenig Zugang zu Information, Ausbildung oder gar einer
kinematografischen Schule hatte; die wenigsten von ihnen
dürften je in einem richtigen Kino gewesen sein. Es ist eine
Generation, die mit Filmen aus Osteuropa aufwuchs und doch
vor allem die Sprache der im Fernsehen ausgestrahlten brasi -
lianischen Telenovelas verinnerlicht hat.
START UNTER STAATLICHER REGIEEin angolanisches Kino, das diese Bezeichnung verdient, ent-
stand bereits unmittelbar nach der Unabhängigkeit, 1975/76,
in der Filmabteilung der öffentlichen Fernsehanstalt TPA.
1977 wurde das angolanische Filminstitut IAC gegründet,
1978 das aus beschlagnahmten und verstaatlichten Filmfirmen
gebildete Laboratório Nacional de Cinema. Im Februar 1979
nahm schließlich die staatliche Filmvertriebs- und Auffüh-
rungsgesellschaft EDECINE ihren Betrieb auf, die den Filmver-
leih in Angola komplett und die verfügbaren Aufführungsstät-
ten fast vollständig kontrollierte.
Einen Höhepunkt erreichte der angolanische Film zwischen
1979 und 1981 mit Produktionen wie »Pamberi Ne Zimbabwe«
von Carlos Henriques, »No Caminho das Estrelas« von António
Ole oder der Miniserie »Presente Angolano – Tempo Mumuíla«
von Ruy Duarte de Carvalho. Auch »Balanço do Tempo na Cena
de Angola«, einer der wichtigsten Dokumentarfilme Duarte de
Carvalhos, entstand in dieser Zeit, als der angolanische Film
höchste Anerkennung auf internationaler Ebene erfuhr und mit
zahlreichen Produktionen auf internationalen Filmfestivals
vertreten war. Von 1982 an ist ein Niedergang der Filmproduk-
tion zu beobachten, auch wenn die herausragenden Filme
dieser Saison, »Nelisita« von Ruy Duarte de Carvalho, »Memó-
ria de um Dia« von Orlando Fortunato oder »Conceição Tchi-
ambula, um dia, uma vida« von António Ole, auf einigen inter-
nationalen Festivals wichtige Preise erhielten.
GESCHLOSSENE KINOS IM KRIEG Mit zunehmender Intensität des Kriegsgeschehens und auch
bedingt durch das Monopol der portugiesischen Firma Luso-
mundo auf Untertitel und Aufführungsrechte für amerikanische
Spielfilme, sah sich Angola gezwungen, verstärkt auf Filme
aus Osteuropa zurückzugreifen. 1985 wurde die Belichtungs -
abteilung des Laboratório Nacional de Cinema geschlossen,
was die angolanische Filmproduktion weiter beeinträchtigte,
da nun sämtliche Filme im Ausland entwickelt werden mussten.
Schließlich stellten Anfang der 90er-Jahre die meisten der 54
angolanischen Filmtheater ihren Betrieb ein.
Die nationale Kinemathek (CINA) wurde chronisch vernach -
lässigt, die Bestände des nationalen Filmarchivs gerieten in
Gefahr, die meisten Negative des Laboratório Nacional de
Cinema befanden sich ohnehin im Ausland. Das Land hätte
auch keinerlei Mittel gehabt, sie sachgerecht zu erhalten und
zu archivieren.
Erst 2002, nach dem Ende des Bürgerkriegs, unternahm der
angolanische Staat wieder einen Anlauf in Richtung Film und
audiovisuelle Medien. Mit der Gründung des Instituto Ango -
lano de Cinema, Audiovisual e Multimédia (IACAM) und einer
neuen Medienpolitik wurde die Tür zu einer vielleicht freund-
licheren Zukunft aufgestoßen. Erstmals wurden auch wieder
kleinere Summen für die Filmförderung bereitgestellt, was
Koproduktionen wie «Herói« von Zézé Gamboa, »Na Cidade
Vazia« von Maria João Ganga und »Comboio de Canhoca« von
Orlando Fortunato ermöglichte, die auf mehr als 50 Festivals
gezeigt wurden.
JUNGE LEUTE KEHREN ZURÜCKSeitdem kehrten einige im Ausland ausgebildete junge Ango -
laner in ihre Heimat zurück und verwirklichten ihre ersten
Filmprojekte. Zahlreiche Dokumentar-, Kurz- und Experimen-
talfilme künden von der Kreativität angolanischer Filmschaf-
fender. Auch Veranstaltungen wie das Kurzfilmfestival Festival
do Minuto, das Festival Internacional de Cinema de Angola
sowie diverse internationale Filmreihen und Retrospektiven
bieten zunehmend die Möglichkeit, nicht nur angolanische,
sondern auch internationale Filme, Filmtechniken und Filme-
macher kennenzulernen.
Das angolanische Kino ist in Bewegung. Vorbei sind die Zeiten,
in denen der Staat das Monopol auf Produktion, Aufführung
und Verbreitung von Filmen hielt, vorbei ist allerdings auch
34
BILDER BEWEGENDAS ANGOLANISCHE KINO ERLEBT EINEN ÄSTHETISCHEN AUFBRUCH
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:46 Seite 34
die Zeit der staatlichen Finanzierung dieses Bereichs. Dafür
entstehen neue private Firmen, die sich profilieren möchten
und nicht nur danach streben, ihr Recht auf künstlerischen Aus-
druck wahrzunehmen, sondern vor allem sich selbst ebenso
wie die gesamte angolanische Gesellschaft auf der Leinwand
und im Fernsehen wiederzuerkennen. Wir bewegen nun selbst
unsere Bilder.
Miguel Hurst wurde 1967 in Freiburg
geboren und lebte in Greifswald, Bissau
und Lissabon. Er war Leiter des Instituto
Angolano de Cinema Audiovisual e Multi-
média und künstlerischer Direktor des
angolanischen staatlichen Fernsehens. Als
Schauspieler und Produzent hat er an einer
Vielzahl von Theater- und Filmproduktio-
nen in Angola und Portugal mitgewirkt.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *O cinema angolano está a mudar. Após os inícios do cinema angolano logo
após a independência e uma longa crise durante a guerra civil, temos
agora um boom, de filmes vídeo feitos por uma geração nascida e crescida
nos tempos de guerra, com pouco acesso a informação, escolas especializa-
das ou uma educação cinematográfica. Longe dos tempos em que o estado
monopolizava e financiava a produção, exibição e distribuição dos filmes,
estamos agora perante o aparecimento de empresas privadas, de jovens
sedentos de se afirmar de uma sociedade com vontade e necessidade de
obter os seus direitos de expressão artística e de se rever nas salas de
cinema e na televisão.
Von Miguel Hurst 35
CINEMA NO TELHADO
Das Dach der Universidade Lusíada verwandelt sich jeden
Dienstagabend in eines der höchstgelegenen Open-Air-Kinos
der Welt. Die Initiative »Cinema no Telhado« des Goethe-Insti-
tuts Luanda ist bereits im ersten Jahr zu einem festen Treff-
punkt für Cineasten, Filmemacher, Regisseure und Schauspieler
in Luanda geworden. Zunächst werden ausschließlich deutsche
Filmproduktionen aller Genres mit portugiesischen Untertiteln
gezeigt, später soll das Programm auf internationale Produk-
tionen zu ausgewählten Themen wie Demokratie, Kultur oder
Klima ausgeweitet werden. Im Oktober standen aus Anlass des
Architekturforums der Universidade Lusíada Filme über Städte,
Musik und Architektur auf dem Programm. In Zukunft wird es
im Kino hoch über Luanda auch Themenabende und Workshops
geben, die in Kooperation mit der Journalistenschule CEFOJOR
organisiert werden.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Todas as terças-feiras o telhado da Universidade Lusíada transforma-se em
cinema. Ao ar livre, o Goethe-Institut Angola / Instituto Cultural Alemão mos-
tra filmes alemães com subtítulos em Português. No futuro próximo a pro-
gramação será alargada para debates e workshops. Já hoje, após menos de
um ano de funcionamento, o Cinema no Telhado é um ponto de referência
para a cena cultural de Luanda.
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»Die Ausbildung zum Modedesigner erhalten wir bereits,
bevor wir zur Welt kommen. Gott schickt uns auf die Erde
mit einer einfachen Mission: für sie zu sterben«, sagt der
Modemacher Shunnoz. Mit ihm und seinem Partner Tekasala
arbeitet das Goethe-Institut Angola seit diesem Jahr zu -
sammen. Für das kommende Jahr plant es eine Ausstellung
mit den beiden: »Missão Moda!«. 2014 soll ein Fotobuch
über ihre Arbeit erscheinen.
Mode für Körper, Geist und Seele zu schaffen, ist das erklärte
Ziel der beiden jungen angolanischen Modemacher Shunnoz
und Tekasala. Am Anfang ihrer Modelinie stand vor etwa acht
Jahren der Wille, sich aktiv am menschlichen und geistigen
Wiederaufbau Angolas zu beteiligen. Mode verstehen sie als
Kommunikationsmittel zur Verbreitung von Ideen.
Die Arbeit mit ungewöhnlichen Farbkombinationen, atypischen
Proportionen und Schnitten macht die Kreationen der beiden
Modeschöpfer zu einem Fest der Farben, Rhythmen, Freude
und Energie. Mut, Provokation, Unruhe und das Moment der
Überraschung sind charakteristisch für ihre performancearti-
gen Modeschauen, die alle Sinne ihres Publikums ansprechen:
Musik, szenische Elemente, inszeniertes Grillen, Fisch, Brot und
Bücher flankieren die Mannequins und machen die Köpfe frei
für das Neue.
Hauptanliegen der beiden kreativen Köpfe ist Harmonie, das
Entwickeln von Ideen, Anregung zu neuem, multikulturellem
Denken und die Suche nach positiven sozialen Werten, die eine
zersplitterte Gesellschaft voranbringen könnten. Die Akzeptanz
neuer Ideen und Produkte ist für sie die Essenz gesellschaft-
licher Weiterentwicklung.
Shunnoz und Tekasala sind zwei vielversprechende Hoffnun-
gen im kreativen Mosaik Angolas, wo sich neue Ideen mit
im Wandel begriffenen Traditionen verbinden und wo mit Lust,
Kraft und Energie an der Erneuerung gearbeitet wird.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *»O curso de designer de moda e estilismo recebemos antes de estarmos
aqui na terra. Deus enviou-nos ao mundo para cumprirmos uma missão
muito simples: aprender a morrer para o mundo.« Abraçar a harmonia, a
construção de ideias, a estimulação do pensamento multicultural novo e a
busca de valores sociais positivos no desenvolvimento de sociedades
fragmentadas, é a preocupação principal dos estilistas Shunnoz e Tekasala.
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FISCH, BROT UND BÜCHERFÜR SHUNNOZ UND TEKASALA IST DESIGN EINE MISSION Von Miguel Hurst
TEKASALA UND SHUNNOZ Sie nennen sich »Fashionistas«, aber das ist
irreführend, denn ihr Projecto Mental ist auch ein ironischer Kommentar
dazu, dass Milliarden Petrodollars versickern, während die Masse der
Bevölkerung in Armut lebt.
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Fisch, Brot und Bücher 40
Tekasala und Shunnoz posieren mit zerfledderten lusitanischen Geschichtsbüchern.
Die Gosse als Laufsteg
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Performance vor bröckelnden Fassaden
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Kondy Luanda Holst und Luís Cristóvão Manuel, zwei der
ersten Sprachkursteilnehmer des Goethe-Instituts in Luanda,
wurden als beste ihres Jahrgangs mit einem Stipendium
ausgezeichnet und zu einem dreiwöchigen Intensivkurs
am Goethe-Institut in Bremen eingeladen. Neben Deutsch
lernten Sie dort auch, wie man Schlittschuh läuft.
Den Flug im Lufthansa-Airbus A380 von Johannesburg nach
Frankfurt haben sie genossen, es war eine sanfte Landung im
größten Passagierjet der Welt. Etwas holpriger verlief der Start
in Deutschland für Kondy Luanda Holst und Luís Cristóvão
Manuel, Sprachstudenten aus Angola und unterwegs zum Goe-
the-Institut in Bremen. Kondys Gepäck war in Südafrika hängen
geblieben, die Wechselstube, bei der sie ihre Dollars gegen Euro
tauschen wollten, hatte bereits geschlossen, der Taxifahrer am
Flughafen in Bremen verstand kein Wort Englisch, »We muss
Bremen University«, versuchten sie den Weg zum Campus zu
beschreiben, auf dem das Goethe-Institut beheimatet ist. Der
erste deutsche Satz, den sie sich dann für den Alltag zulegten,
lautete: »Kannst du mir helfen?«, erzählt Kondy Holst und lacht.
Kondy Luanda Holst, 32, und Luís Cristóvão Manuel, 35, stam-
men aus Angolas Hauptstadt Luanda. Kondy Holst ist mit einem
Dänen verheiratet und arbeitete bis vor Kurzem als geschäfts-
führende Assistentin bei der örtlichen Daimler-Niederlassung.
Luís Manuel ist Abteilungsleiter beim afrikanischen Mobilfunk-
unternehmen Movicel. Sprachen lernen, sagt er, sei eine Art
Hobby. Er hat einen Abschluss als Elektro- und Computer-Inge-
nieur des renommierten Instituto Superior Técnico in Lissabon,
in seiner Freizeit liest er im Internet deutsche Periodika wie die
ZEIT. Außer Portugiesisch, der angolanischen Landessprache,
beherrscht er Englisch, Französisch, Spanisch und etwas Italie-
nisch, genauso wie Kondy Holst, die außerdem wegen ihres
Ehemannes ein bisschen Dänisch spricht.
AUS DEUTSCHER PERSPEKTIVE Die beiden polyglotten Angolaner zählten zu den ersten Sprach-
studenten am Goethe-Institut in Luanda, das erst vor zwei
Jahren gegründet wurde. Den Anfänger-Kurs mit dem Zertifikat
»A1: Start Deutsch 1« schlossen sie als Beste ihres Jahrgangs
ab, was ihnen ein Stipendium des Goethe-Instituts für den gut
dreiwöchigen Besuch eines weiterführenden Intensivkurses an
einem Goethe-Institut in Deutschland eintrug.
Kondy Luanda Holst und Luís Cristóvão Manuel sind die ersten
Studenten aus Angola an dem Bremer Institut, das mit der ört-
lichen Universität kooperiert. Neben der größten Stipendiaten-
gruppe dort – libysche Ärzte, die vom Volksbüro ihres Heimat-
landes entsandt werden und sich auf die Facharztausbildung
in Deutschland vorbereiten – stammen die Kursteilnehmer aus
mehr als 40 Ländern, erzählt Institutsleiterin Claudia Müller-
Seip. Bis zu 120 Sprachstudenten sind es pro Monat, die aus
den europäischen Nachbarländern, Südamerika, Asien und Aus-
tralien nach Bremen kommen. »Es sind stets mehrere Konti-
nente vertreten. Jetzt auch Afrika«, freut sich Müller-Seip.
DEUTSCH IST GEFRAGT IN ANGOLADer tägliche Unterricht bringe sie enorm voran, sagen die bei-
den Stipendiaten übereinstimmend. In Luanda finden die Kurse
zweimal in der Woche statt. Vier Unterrichtseinheiten insge-
samt. Für die hochmotivierten Stipendiaten dürfte es auch hier
ruhig »etwas mehr« sein. Doch ein Intensivkurs in Bremen ist
nicht vergleichbar mit der Situation in Luanda. Die meisten
Lernenden hier sind berufstätig, und genau deswegen werden
die Deutschkurse abends angeboten – nach Feierabend. Und
»natürlich muss vieles zu Hause noch vertieft werden und hat
dann mit der eigenen Disziplin zu tun«, sagt Christiane Schulte,
die Leiterin des Goethe-Instituts in Angola. »Das weiß ich aus
eigener Erfahrung, da ich selbst erst in Angola Portugiesisch
gelernt habe.«
Deutsch ist gefragt in Angola. Zur Zeit sind die zwei Anfänger-
kurse am Goethe-Institut voll belegt, und auch ein Fortgeschritte-
nenkursus wird bereits angeboten. Die meisten der Teilnehmer
haben private Gründe die deutsche Sprache zu lernen, einen
deutschen Ehepartner zum Beispiel. Doch auch das Interesse, in
Deutschland zu studieren oder zu arbeiten spielt eine Rolle.
»Deutsche Produkte haben einen ausgezeichneten Ruf in
Angola«, sagt Luís Manuel, »Autos vor allem, auch Fernseher,
Mobiltelefone und andere Elektrogeräte.« Immer mehr deutsche
Firmen siedeln sich in Angola an, neben Daimler zum Beispiel
die Lufthansa, die Luanda zweimal wöchentlich von Frankfurt
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GOETHES SCHÜLERSTIPENDIATEN AUS LUANDA UNTERWEGS IN BREMEN
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 42
aus ansteuert, der Handy-Konzern Nokia-Siemens, der vom
explodierenden Mobiltelefonmarkt in Angola profitiert, dazu
Tiefbau-Unternehmen wie Bauer oder Gauff. Angola ist Boom-
land, und ganz Luanda, sagt Kondy Holst, sei »eine Baustelle«.
Das Tempo überschlägt sich seit Ende des Bürgerkriegs im
Jahre 2002, der mit Unterbrechungen 27 Jahre lang in Angola
gewütet hatte, in allen Bereichen. Die Ölförderung beschert dem
Land Milliarden, zugleich klafft die Schere zwischen Arm und
Reich immer weiter auseinander. Auch zwischen denen, die sich
teure Privatschulen leisten können, und jenen, die staatliche
Schulen mit »unterbezahlten, unmotivierten Lehrern« besuchen
müssen, wie Manuel es beschreibt.
Daneben aber wächst auch eine junge Mittelschicht heran, wie
sie Manuel selbst verkörpert, der schon fast jedes afrikanische
Land bereist, im Ausland studiert und viel von Europa gesehen
hat. Auch Kondy Holst zählt dazu, die in Südafrika die Wirt-
schaftsfakultät absolviert und schon von Haus aus ein Interesse
an politischen Vorgängen mitbekommen hat – die Mutter war
Rundfunk-Journalistin und Frauenrechtlerin, der Vater Rechts-
anwalt und Umweltaktivist. Weltoffen ist diese Generation,
gebildet und, trotz der Probleme, die in Angola unüber sehbar
sind, auch stolz auf das Land, das sich nach zwei Parlaments-
wahlen als Demokratie zu festigen beginnt.
KLISCHEE PÜNKTLICHKEITWelche Klischees über die Deutschen haben die Stipendiaten
in Bremen bestätigt gefunden? »Pünktlichkeit«, entgegnet Luís
Manuel augenblicklich. Das gebe es in keinem anderen Land,
glaubt er, dass beispielsweise der Bus auf die Fahrplanminute
genau abfährt. Am Anfang, als sie neu waren in Bremen, haben
sie noch jeden im Bus gegrüßt. Und sich über die konsternierten
Blicke gewundert. In Luanda wäre es undenkbar, sich in einer
solchen Situation nicht wenigstens »Hallo« zu sagen. In dem
16-Parteien-Haus, in dem sie lebt, erzählt Kondy Holst, grüße
sie auf dem Weg in ihre Wohnung im dritten Stock jeden, der
ihr begegnet, hält mit jedem einen kurzen Plausch. »Nachbarn
sind in Angola ebenso wichtig wie die Familie«, bestätigt Luís
Manuel. »Du willst in Afrika auch nicht riskieren, dass dir im
Zweifelsfall niemand zu Hilfe kommt«, ergänzt Holst noch.
Mittlerweile kennen sich die Angolaner in Bremen bestens aus,
zeigen mit dem Enthusiasmus von Fremdenführern das Rathaus
und den Roland. »Weltkulturerbe«, sagt Kondy Holst anerken-
nend. Sie ist kulturinteressiert, tritt selbst als Sängerin auf und
schwärmt für Mozart. Beim Gang durch den St.-Petri-Dom
erzählen die beiden von den Kirchen aus der portugiesischen
Kolonialzeit in Luanda. Danach trifft sich die Gruppe der Stipen-
diaten an diesem eiskalten Wintertag zum Pfannkuchen-Essen
am nahegelegenen Pannekoekschip. Das ist der Programmpunkt
des Tages. Im Kino waren sie schon, ein Jazzkonzert haben sie
besucht, und einmal ging es zum Schlittschuhlaufen. »Ich bin
bestimmt eine Million Mal hingefallen«, lacht Holst, »Schnee
und Eis gibt es in Angola definitiv nicht.« Aber genau darum
ging es ja schließlich: neue Erfahrungen machen.
Ein paar Monate später, im Sommer, kommt eine E-Mail aus
Luanda. Die beiden Stipendiaten lernen weiterhin Deutsch.
Kondy Holst schickt ihr Abschlusszeugnis des A2-Kurses mit:
71 von 100 Punkten, Note 3. Sie denken gern an die Zeit in
Bremen zurück und wollen so bald wie möglich wiederkom-
men. Luanda, berichten sie, sei gerade hektisch und chaotisch
wie gewohnt, aber sie würden sich ungemein freuen, wenn
man sie einmal besuchen käme. Damit sie einem, sozusagen im
Austausch, die afrikanische Kultur näherbringen könnten.
Patrick Wildermann ist freier Journalist.
Für den Kulturteil des Berliner Tagesspie-
gels, das Stadtmagazin tip und das Magazin
Theater der Zeit schreibt er Reportagen,
Künstlerporträts und Rezensionen.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Os dois melhores participantes do primeiro curso de Alemão no Goethe-Insti-
tut Angola/Instituto Cultural Alemão ganharam a possibilidade de aperfeiçoar
os seus conhecimentos do Alemão num curso intensivo de três semanas no
Goethe-Institut em Bremen, no norte da Alemanha. Além de aprender a língua
no seu contexto original, foram obviamente confrontados com o clima, as
curiosidades do quotidiano alemão e um modo de ser às vezes bem diferente
do que se conhece em Luanda.
Von Patrick Wildermann 43
Goethe Mag_Angola_15korr_1 15.12.11 10:21 Seite 43
Auf dem Termitenhügel
wächst keine Orchidee
In den trockenen Mondseen
schwimmen keine Fische
An den Mädchenbeinen
fließt kein Blut hinab
Die träge Nachtasche
verschlingt den Brand
Aus: ANA PAULA TAVARES, FIEBERBAUM
Übersetzung: Juana und Tobias Burghardt. Edition Delta, Stuttgart 2010.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Du schliefst
während die Turteltaube
der Kuckuck und der Sperling sangen
Du schliefst,
während zwei Kühe
im Stall kalbten
Du schliefst,
als die Hyäne ins Gehege kam
das kleine Zicklein mitnahm
und die Opferkalebasse zerbrach
Du schliefst
als das Wasser das große Schwemmland erreichte
Du schliefst
und die Turteltaube
der Kuckuck und der Sperling
sangen schon lange laut
In deinen Händen
brannte
ein Schaumschiff
das Netz
glitt aus deinen Händen
Feuerzunge
Durst
an deinen Händen
spürte ich
den stärkeren Wind
Fieber
in deinen Händen
erzitterte
der Name des Lebens
die Zeit
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 44
Die Dynamik der jungen angolanischen Literatur reflektiert
die historischen Bedingungen, unter denen sie entsteht.
Seit sie sich Anfang des 20. Jahrhunderts zu emanzipieren
beginnt, ist ihre Entwicklung verknüpft mit dem Ringen
um angolanische Identität und Unabhängigkeit. Charakteri-
stisch ist daher bis heute der Blick auf die oralen Erzähl -
traditionen des Landes und die kunstvolle Vermischung der
unterschiedlichsten Stimmen des Alltags mit der aus Portu-
gal übernommenen Schriftsprache.
Der Beginn einer eigenständigen angolanischen Literatur wird
gemeinhin auf die 30er-Jahre datiert. »O Segredo da Morta«
(Das Geheimnis der Toten) von António de Assis Júnior gilt als
einer dieser stilbildenden Romane, deren Vermischung von
Schriftportugiesisch mit inhaltlichen und sprachlichen Ele -
menten afrikanischer Oralität charakteristisch ist. Nachdem in
der Folge der sogenannten Berliner »Kongokonferenz« von
1884/85 breitere Schichten der angolanischen Bevölkerung
Zugang zu Schriftkultur erhalten hatten, konnte 1901 in Luanda
die erste Literaturzeitschrift Almanach – Ensaios literários
verlegt werden, die zugleich als eine frühe Streitschrift gegen
die portugiesische Kolonialherrschaft in die Literaturge-
schichte eingegangen ist.
LITERATUR ALS WAFFEMit dem Kampf gegen den Kolonialismus, der Ende der 50er-
Jahre einsetzt, wird die Literatur tatsächlich zu einem Kampf-
instrument. Der spätere Staatspräsident Agostinho Neto schuf
mit »Sagrada Esperança« (1974; deutsch: Angola, Heilige Hoff-
nung; Köln 1976) einen in alle Welt übersetzten paradigma -
tischen Gedichtzyklus engagierter afrikanischer Lyrik. Schrift-
steller wie Pepetela, der Essayist und Literaturwissenschaftler
Mário Pinto de Andrade oder der Lyriker David Mestre waren
zugleich herausragende Figuren des politischen oder bewaff-
neten Freiheitskampfes. So ist auch die Literatur der ersten
Jahre nach der Unabhängigkeit klar positioniert und folgt
meist den Mustern des am europäischen Neorealismus orien-
tierten sozialistischen Realismus. Mit den soziopolitischen
Veränderungen nach Ende des Kalten Krieges, dem Fall der
Berliner Mauer, der Einführung des Mehrparteiensystems in
Angola, aber auch dem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges,
distanziert sich die Literatur zunehmend von ihrer früheren
klaren Parteilichkeit.
Dies wiederum stärkt in der Moderne verwurzelte und zugleich
nationalistisch geprägte Ansätze, wie etwa bei Arlindo Barbei-
tos (geboren 1940), dessen Dichtung von traditionellen Formen
und alten afrikanischen Liedern ebenso durchdrungen ist wie
von Einflüssen chinesischer und japanischer Poesie. Auch Ruy
Duarte de Carvalho (1941–2010) bedient sich auf experimen-
telle Weise der unterschiedlichsten literarischen und künstleri-
schen Genres. Eines seiner bekanntesten Bücher »Vou lá visitar
Pastores« (1999; deutsch: Ich gehe Hirten besuchen) etwa
führt Bezüge zur bukolischen Dichtung im Titel, besteht aber
aus Reisenotizen und Reflexionen über mehrere Aufenthalte
bei den Kuwale, einem Hirtenvolk im Süden Angolas. Es kann
als poetisches Essay ebenso gelesen werden wie als anthro -
pologische Studie; 2008 wurde es als Theaterstück inszeniert.
Zudem ist Ruy Duarte de Carvalho einer der wichtigsten
Dokumentarfilmer Angolas.
DIE LYRIK DER 80ER-JAHREUnter dem Einfluss dieser Generation suchten die Lyriker in
den 80er-Jahren einen eigenen Weg der Erneuerung: Carlos
Ferreira (geboren 1960), João Melo (geboren 1955) und insbe-
sondere die international bekannteste angolanische Lyrikerin
Ana Paula Tavares (geboren 1952), die auch als Historikerin
und Literaturwissenschaftlerin renommiert ist und deren Dich-
tung expliziten Bezug nimmt auf orale Traditionen Angolas.
1984 entsteht als Fraktion der Jugendbrigade des angolani-
schen Schriftstellerverbandes das literarische Arbeitskollektiv
Ohandanji um den Essayisten Luís Kandjimbo und die Lyriker
Lupito Feijóo K. und Frederico Ningi, der die visuelle, am Com-
puter verfasste Poesie in Angola einführte.
IRONIE UND ALLTÄGLICHE ABSURDITÄTENSchon bei den ersten angolanischen Erzählern und Romanauto-
ren wie Óscar Ribas (1909–2004) oder Castro Soromenho
(1910–1968) ist die Oralität stilbildendes Element. In Ribas
»O Resgate de uma Falta« (1929) überlagert der Ethnologe den
fiktionalen Erzähler und Castro Soromenho versucht in »Nhári:
O Drama da Gente Negra« (1939) den einfachen Leuten von
Luanda eine literarische Stimme zu geben. Der Bogen spannt
sich über Mário Pinto de Andrade (1928–1990), dessen Lyrik
mit traditionellen, oralen Motiven arbeitet, bis zu Arnaldo dos
Santos (geboren 1935), der 2006 mit »Vento que desorienta
o Caçador« wieder einen Roman vorgelegt hat, in dem er sich
als brillanter Chronist der sozialen Umwälzungen und Erneu -
erer der Erzählsprache erweist.
Die nachhaltigste Innovation der angolanischen Literaturspra-
che ist allerdings dem 1935 in Portugal geborenen und dort
heute auch wieder ansässigen José Luandino Vieira zu verdan-
ken, dessen Erzählband »Luuanda« von 1963 als weitgehend
unübersetzbar gilt. Einige seine Bücher aus den 70er-Jahren
gehören mittlerweile zu den Klassikern portugiesischsprachi-
ger Literatur. Auf Deutsch liegt sein Roman »Das wahre Leben
des Domingos Xavier« (Berlin 1974) vor.
International bekannt wurde die angolanische Erzählliteratur
durch den 1980 veröffentlichten Roman »Mayombe« (Überset-
zung: Maritta Tkalek, Berlin 1983) des 1941 geborenen frühe-
ren Guerilleros Pepetela. Sein in zahlreiche Sprachen übersetz-
tes Romanwerk ist ein fragmentiertes Epos der Geschichte
Angolas, sein 1992 erschienener Roman »A Geração da Utopia«
45
WORTE ALS WAFFE UNDEXPERIMENT
Von Abreu Paxe
EIN STREIFZUG DURCH 100 JAHRE ANGOLANISCHE LITERATUR
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 45
(Generation der Utopie) eine erste kritische Bestandsaufnahme
der Zeit nach der Unabhängigkeit. In seinen jüngeren Werken
um den Geheimagenten Jaime Bunda (Jaime Bunda, Geheima-
gent, Zürich 2004) setzt er sich ironisch und im Stil eines paro-
distischen Kriminalromans mit der angolanischen Gegenwart
auseinander. Als weiterer Neuerer portugiesischer Schriftspra-
che angolanischer Prägung und Meister der Ironie darf Manuel
Rui nicht unerwähnt bleiben. Er ist Autor eines fast unüber-
schaubaren und vielfältigen Werkes, das vom Text der angola-
nischen Nationalhymne bis zu dem im gesamten portugiesisch-
sprachigen Afrika berühmten und in unzähligen Auflagen
verbreiteten Jugendbuchklassiker »Quem me dera ser onda«
(1982) reicht, in dem er im Jargon Luandas über alltägliche
Absurditäten schreibt.
DIE JÜNGERE GENERATIONIn jüngster Zeit richten viele Literaten wieder ein verstärktes
Augenmerk auf mythische Aspekte und lokale Mythologien,
die wie im Fall von Cikakata Mbalundu (geboren 1955) auf die
Zeit vor der Kolonialisierung gerichtet quasi internalisiert
werden oder wie bei José Eduardo Agualusa (geboren 1961)
als Zitat und Phänomen innerhalb eines insgesamt auf Globa-
lisierung der angolanischen Literatur ausgerichteten Projekts
vorkommen.
Insbesondere Agualusas 2009 erschienener Roman »Barroco
tropical« (deutsch: München 2011) ist beredtes Zeugnis dieses
Spiels mit traditionellen wie gegenwärtigen Mythen und (fikti-
ven) Mythologisierungen im Kontext einer an globalen Bezü-
gen und interkulturellen Erfahrungen reichen Erzählweise. Der
Kosmopolit Agualusa, dessen Werke mittlerweile in fast 20
Sprachen übertragen wurden, dürfte zu den derzeit wichtigsten
Autoren portugiesischer Sprache zählen. Sujets seiner Romane
sind die koloniale und postkoloniale Vergangenheit und die
kritische Analyse der Gegenwart seines Landes.
Ein Sonderfall der jüngeren angolanischen Literatur ist der
1966 geborene und auf Englisch schreibende Journalist Sousa
Jamba, der als Flüchtlingskind in Sambia aufwuchs und seit
1986 in England lebt. Sein 1990 dort veröffentlichter Roman
»Patriots«, der sich schonungslos mit dem Bürgerkrieg in den
von der UNITA kontrollierten Gebieten befasst, wurde zwar
1991 ins Portugiesische übersetzt, eine angolanische Ausgabe
des seinerzeit viel diskutierten Buches gibt es aber noch nicht.
Der jüngste unter den international bekannten angolanischen
Autoren ist der 1977 geborene und mittlerweile in Rio de
Janeiro lebende Filmemacher, Dichter und Romanautor Ond-
jaki. Seine Prosa knüpft an Luandino Vieira an, sein Umgang
mit der Vergangenheit ist jedoch ein eher spielerischer, der sich
gern des vermeintlich unbefangenen Blickwinkels eines Kindes
bedient, wie zuletzt in »AvóDezanove e o segredo do Sovié-
tico«, in dem er, wie in seinem ersten Roman »Bom Dia Cama-
radas« (deutsch: Zürich 2006), noch einmal in die Zeit des
Umbruchs von 1989/90 zurückkehrt. Kolonialzeit und Kampf
sind für Ondjaki kein Thema mehr, selbst der Bürgerkrieg ist
allenfalls ein Rumoren im Hintergrund. Die Tradition der Hybri-
disierung von Sprache, Literatur und Perspektiven führt er
jedoch fort.
Ein Wiedererstarken der angolanischen Prosa ist unübersehbar.
Zunehmend werden Autoren auch außerhalb der portugie-
sischsprachigen Welt wahrgenommen. Bezeichnenderweise
sind dies Autoren, die zuvor in Portugal oder Brasilien verlegt
wurden. Selbst ein Buch in einer der in Angola operierenden
Dependencen einer portugiesischen Verlagsgruppe garantiert
keine internationale Karriere. In Angola selbst müssen sich
gute Roman-Autoren wie Isaquiel Cori, Roderick Nehone,
Jacinto de Lemos oder der Dichter João Tala mit kleinen Auf -
lagen im Eigenverlag des Angolanischen Schrifstellerverbandes
(UEA) oder der Kulturvereinigung Chá de Caxinde begnügen.
Abreu Castelo Vieira dos Paxe, geboren 1969, ist Dichter,
Literaturwissenschaftler und Sekretär für Kulturaktivitäten im
Vorstand des angolanischen Schriftstellerverbandes. Bisher
veröffentlichte er neben Beiträgen in Zeitschriften in Angola,
Portugal und Brasilien zwei Gedichtbände:
»A Chave no Repouso da Porta« (Luanda
2003; aus gezeichnet mit dem Prémio Antó-
nio Jacinto de Literatura) sowie »O Vento
Fede de Luz« (Luanda 2007).
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *A literatura angolana, jovem e dinâmica como o próprio país, é também sem-
pre um reflexo de seus contextos socio-históricos. Desde as suas primeiras
manifestações no início do século 20, até à contemporaneidade, passando
pelos tempos da luta pela independência e soberania nacional, uma das
grandes características da escrita literária angolana tem sido a criatividade
no uso do português padrão em contato com as diversas outras línguas
nacionais, tal como a recorrência frequente a motivos da oralidade – tradi-
cionais, mitológicos ou mesmo ficcionados.
Worte als Waffe und Experiment 46
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 46
São Paulo da Assunção de Luanda
Als ich geboren wurde, trug Luanda noch ihren voll-
ständigen, schönen christlichen Namen: São Paulo da
Assunção de Luanda. Als alte Matrone und
Mischlingsdame rühmte sie sich der Verwandtschaft
mit Städten wie Havanna, Saint-Louis in der Casa-
mance oder São Sebastião do Rio de Janeiro. Übri-
gens waren es die Brasilianer, die Luanda zu Hilfe
eilten, als 1641 die Holländer eine iberische Unacht-
samkeit nutzten und das Fort São Miguel besetzten.
Ich erlebte, wie meine Stadt afrikanisch wurde. Ich
sah, wie die stolzen Häuser der Altstadt, die von der
Bourgeoisie nur wenige Tage vor der Unabhängigkeit
verlassen wurden, von den Enterbten aus den Mus-
seques besetzt wurden. Ich sah sie (die Enterbten)
Hühner in Speisekammern und Ziegen in den Wohn-
räumen halten, und wie sie in den Salons mit den
Büchern, die von den Kolonisten zurückgelassen
worden waren, Feuer machten. Später sah ich, wie
die Enterbten ihre verfallenen Wohnungen gegen ein
Vermögen (manchmal) oder auch (meist) für ein paar
Kröten wieder verließen und die neue Bourgeoisie
Einzug hielt, oder mit Gold aufgewogene Ausländer.
Ich sah das herrliche Dona Ana Joaquina-Palais
unter der Wucht der Vorschlaghämmer zusammen-
stürzen und auch, wie es durch eine Replik aus min-
derwertigem Beton ersetzt wurde, und dachte, dies
sei eine gute Metapher für die neuen Zeiten – das
alte Kolonialsystem der Sklavenhalter wird ersetzt
durch eine lächerliche, im ungelenken Jargon der
Musseques erstellte Kopie. Später (zu spät) wurde
mir klar, dass es gar keine Metapher war, sondern nur
ein Gebäude, das eingestürzt ist. Viele andere sind
ebenfalls eingestürzt, darunter der herrliche Markt
von Quinaxixe, entworfen von Vasco Vieira da Costa
und eines der ersten modernistischen Gebäude Afri-
kas. An seiner Stelle steht heute eine vergängliche
Spielerei aus Glas und Beton.
Die Gewinne aus dem Erdölgeschäft ließen riesige
Gebäude mit verspiegelten Glasfassaden aus dem
Boden sprießen. Dann fiel der Erdölpreis (ins Boden-
lose, er platschte förmlich herunter), und diese ganze
strahlende neue Welt kollabierte mit ihm. Es gab
kein Geld mehr, all die riesigen Glasflächen zu reini-
gen, und so überzogen sie sich mit einer dicken
Schicht aus rotem Staub, mit Schlamm und schließ-
lich einer Kruste, die dem stärksten Regen standhält
und für Licht praktisch undurchlässig ist. Die Pum-
pen, die das Wasser in die höchsten Stockwerke
transportiert hatten, gingen kaputt. Auch die Genera-
toren. Viele Ausländer gingen fort, und die Enterbten
besetzten die Gebäude erneut.
Luanda treibt mit rasanter Geschwindigkeit auf die
Katastrophe zu. Acht Millionen Menschen, die heulen,
weinen und hysterisch lachen. Ein Fest. Eine Tra -
gödie. Alles, was passieren kann, passiert hier. Was
nicht passieren kann, auch. Wir befinden uns im
21. Jahrhundert. Mittendrin. In gleißendem Licht.
Versunken in Obskurantismus und Elend. Wir sind
unvorstellbar reich, produzieren die Hälfte aller welt-
weit verkauften Diamanten. Wir haben Gold, Kupfer,
seltene Mineralien, Wälder und unendlich viel Was-
ser. Und wir sterben an Hunger, Malaria, Cholera,
Diarrhö, Schlafkrankheit, an aus der Zukunft stam-
menden Viren die einen und die anderen an einer
Vergangenheit, die keinen Namen kennt.
Auf eine Mauer am Flughafen von Luanda hat
einmal einer gepinselt: »Willkommen auf dem Mond.
Treten Sie ein und vergessen Sie Ihren gesunden
Menschenverstand.«
Aus: JOSÉ EDUARDO AGUALUSA, BARROCO TROPICAL
Übersetzung: Michael Kegler. A1-Verlag München 2011. Abdruck mit freund-
licher Genehmigung des Verlags.
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Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 47
Ondjaki ist Angolas jüngster international bekannter
Schriftsteller. 1977 in Luanda geboren, lebt der Autor inzwi-
schen in Rio de Janeiro. In seinen Romanen kehrt er regel-
mäßig zurück in die Stadt seiner Kindheit. Mit dem Literatur -
wissenschaftler Abreu Paxe sprach er über sein Leben und
Werk.
Abreu Paxe: Ondjaki, Sie sind einer der bekanntesten angolani-schen Schriftsteller, leben aber in Brasilien. Sind Sie ein Autor inder Diaspora?Ondjaki: Ich sehe mich nicht als Schriftsteller in der Diaspora.
Ich wohne aus privaten Gründen in Rio de Janeiro, mehr nicht.
Mit meinen Büchern versuche ich allerdings, etwas zur ango -
lanischen Kultur beizutragen.
Unübersehbar ist Luanda bevorzugter Schauplatz Ihrer Romane.Seit ihrem Debüt »Bom Dia Camaradas« über »Quantas Madru-gadas tem a Noite« (deutsch etwa: Wie viele Morgen hat dieNacht) aus dem Jahr 2004 bis zum 2009 erschienenen »AvóDez-anove e o Segredo do Soviético« (deutsch etwa: OmaNeunzehnund das Geheimnis des Sowjets). Was reizt Sie an dieser Stadt?Ich bin hier aufgewachsen, die Stadt ist ein Teil von mir, meiner
Erinnerungen und auch meiner Ideenwelt. Für mich gibt es eine
reale Stadt und ein anderes Luanda – das der Fiktion. Es ist
eine unglaublich komplexe Stadt voller Chaos und Kreativität,
also ein Ort, der viele Ideen hervorbringt. Man braucht bloß die
Augen offen zu halten und Dinge entdecken können.
Ihr erster Roman »Bom Dia Camaradas« spielt in der Zeit nachdem Fall der Berliner Mauer, der ja Auswirkungen hatte bis nachAngola. Es ist die Zeit Ihrer Kindheit und eine Zeit der Umbrüche.Wie hat sich Luanda seitdem verändert?Alles ist anders. Es gibt viele tausend Menschen mehr in der
Stadt, Luanda ist nicht mehr so »kuschelig« wie früher, es war ja
fast wie ein Dorf damals, in dem alle sich kannten. Heute soll
Luanda sieben Millionen Einwohner haben. Das Leben ist
schwieriger geworden für die breite Bevölkerung. Auf der ande-
ren Seite ist vor allem die Peripherie der Stadt wie ein brodeln-
der kultureller Vulkan. Theater, Musik. Hier passiert sehr viel.
Aber der Respekt gegenüber den Alten hat abgenommen, und
fast alle Leute haben nur noch ein Ziel: Geld zu verdienen.
Das ist ein trauriger Aspekt der Globalisierung, mit dem wir
umgehen müssen. Trotzdem ist Luanda weiterhin eine Stadt
voller Fantasie und Schönheit.
2006 haben Sie mit Kiluanje Liberdade einen Film über dieseStadt voller Fantasie und Schönheit gedreht: »Oxalá cresçam Pit-angas« (deutsch wörtlich: Hoffentlich wachsen Pitangas). Wiekam es zu diesem Projekt?Wir wollten einen Film über Luanda drehen, mit Leuten aus
Luanda und Leuten, die in Luanda leben. Vor allem aber: Die
Tonlage sollte positiv sein. Wir Jungen haben es satt, immer nur
Filme zu sehen, die ein negatives Bild von Afrika oder Angola
zeichnen. In unserem Film zeigen wir auch die Probleme, die
schwierigen Seiten des Lebens in unserer Stadt, aber wir wollten
auch über Träume reden, über Fantasie und die Musikalität
unserer Stadt. Über die jungen Leute und das, was sie zu sagen
haben, über ihre Zeit, ihre Gegenwart und vor allem ihre Wün-
sche für die Zukunft.
Vor ein paar Jahren erklärten Sie auf einer Lesung in Deutsch-land, dass Sie nie gehungert und auch vom Krieg wenig mitbe-kommen hätten, also dazu »leider« nichts sagen könnten. EinigeZuschauer waren regelrecht enttäuscht darüber. Passiert Ihnendas immer noch?Es gibt immer noch eine ziemlich reduzierte Sicht auf den afri-
kanischen Kontinent. Überall in der Welt. Die Leute haben keine
Ahnung von den Besonderheiten der unterschiedlichen Länder.
Für sie ist Afrika eins und wird reduziert auf ein paar exotische,
lächerliche Eigenheiten. Weil es ja Mühe macht, die Vielschich-
tigkeit und den kulturellen Reichtum des Kontinents zu erfas-
sen. Natürlich sind die Leute überall anders, auch das Publikum.
Wir als Künstler müssen unsere Arbeit tun, ästhetisch, künstle-
risch, als afrikanische Künstler selbstverständlich, aber vor
allem als Autoren von Werken, die einzigartig sind, individuell.
In diesem Spannungsfeld entsteht Kunst.
Ihr Ansatz, auch in der Prosa, ist ein sehr lyrischer. Was bedeutetIhnen die Poesie?Ich wäre sehr froh, wenn ich das wüsste. Ich glaube, es gibt Dinge,
die ich spüre, und die vermischen sich mit Dingen, die ich gelesen
habe und mit meiner eigenen Art, die Welt zu beschreiben, mei-
ner Lesart von der Welt. Lyrik ist meiner Meinung nach vor allem
Mysterium. Eine ästhetische Antwort, instinktiv oder nicht, der
literarischen Sprache. Aber Poesie ist auch eine sehr intime, sehr
tiefe Erfahrung, die sich schwer in Worte fassen lässt.
Gibt es literarische Einflüsse, die sich besonders stark auf IhreArbeit ausgewirkt haben?Oft denkt man, es sei möglich, einen solchen Einfluss auszuma-
chen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Es gibt viele Dinge, die in
unser Unterbewusstsein eindringen und man nimmt das gar
nicht wahr. In der Schule haben wir die angolanischen Dichter
gelesen, aber auch Autoren aus Kap Verde oder Mosambik. Ich
erinnere mich gut an »Nós matámos o Cão Tinhoso« (deutsch:
Wir haben den räudigen Hund getötet, übersetzt von Friedhelm
Liese, Leipzig 1981) des Mosambikaners Luís Bernardo Hon-
wana. Aber all das hat sich bei mir mit Büchern aus anderen
Gefilden vermischt. Als ich noch sehr jung war, hat mich Eugène
Ionesco schwer beeindruckt, »Der Einzelgänger«. Erst viel spä-
ter begriff ich, wer das eigentlich war, und welche Bedeutung
er für das Theater hatte. Ich habe auch Brecht, Gogol, Camus
gelesen. Ich denke, unser Schreiben, das eines jeden einzelnen,
ist eine komplexe Begegnung zahlreicher Varianten, vieler
Träume und vieler Echos.
48
»ZURZEIT IST MEHR HOFFNUNG ALS FREIHEIT«DER SCHRIFTSTELLER ONDJAKI ÜBER LUANDA, LITERARISCHE EINFLÜSSE UND DAS MYSTERIUM DER POESIE
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 48
Wie muss ich mir das mit den Echos vorstellen?Jeder Schriftsteller sollte sich anschauen, was vor ihm gemacht
wurde. Ich halte dies für einen angemessen bescheidenen und
klugen Ansatz. Lesen, lernen, sich im besten Sinne anstecken
lassen. Und dann die eigene Kunst wiederentdecken, sich selbst
als Schöpfer noch einmal entdecken und versuchen, einen Bei-
trag zu leisten, dem Gebiet, auf dem man tätig ist, etwas Neues
hinzuzufügen. Angola hatte schon immer große Schriftsteller,
sowohl in der Prosa als auch in der Lyrik. Unsere Herausforde-
rung oder zumindest eine unserer Herausforderungen ist es,
unsere Arbeit so zu machen, dass wir die hervorragende Lite -
ratur früherer Generationen weiterführen, ihr Kontinuität ver -
leihen. Das ist nicht leicht, aber wir müssen uns dieser Aufgabe
stellen – in aller Bescheidenheit, kreativ und mit Respekt.
Als direkte Einflüsse kann ich Honwana nennen und Manuel
Rui. Deren kindliche Erzähler vor allem. Ich selbst habe mich
sehr mit dem Universum und der Sprache der Kinder in »Quem
me dera ser Onda« (deutsch etwa: Ach, wäre ich eine Welle)
von Manuel Rui identifiziert. Außerordentlich wichtig war für
mich auch, wie Luandino Vieira die Kinder in seinen Büchern
sprechen lässt. Eine weitere direkte »Kontamination« war die
Lektüre des brasilianischen Dichters Manoel de Barros, aus der
zwei meiner Gedichtbände hervorgegangen sind.
In welchem Maß hat Ihr Leben im Ausland, Lissabon, Rio deJaneiro, auf Reisen überall in der Welt, Einfluss auf Ihre Literatur? Ich glaube, das geschieht vor allem auf dem Gebiet von Wahr-
nehmungen, inneren Neuerwerbungen. Die Erfahrung von neuen
Ländern, anderen Kulturen rufen neue Überlegungen hervor.
Also so richtig greifbar ist der Einfluss dieser Reisen nicht.
Wichtiger ist, dass die Reisen neue Erfahrungen mit sich brin-
gen, neue Gesten – auch literarische.
In Deutschland ist gerade der Roman »Barroco Tropical« ihresLandsmanns José Eduardo Agualusa herausgekommen. Ein alsZukunftsroman verkleidetes, beunruhigendes Porträt Luandas.Ihre Romane sind insgesamt optimistischer. Wie sehen Sie dieZukunft Angolas? Kann man sagen, dass Hoffnung und Freiheitbereits Hand in Hand gehen?Was genau heißt das denn für jeden Einzelnen? Wie misst man
Freiheit oder Hoffnung eines jeden einzelnen Menschen? Ich
glaube, es ist noch viel zu tun in dieser Richtung, und anderer-
seits ist schon viel getan worden. Ich würde sagen, zurzeit ist
mehr Hoffnung als Freiheit.
Ondjaki (bürgerlich Ndalu de Almeida), geboren 1977 in Luanda,
studierte Soziologie und veröffentlichte 2001 seinen ersten
Roman »Bom Dia Camaradas« (übersetzt
von Claudia Stein, Aargau 2006). Sein Werk
umfasst Romane, Novellen und Erzählungen
ebenso wie Lyrik, Kinder- und Jugendlitera-
tur. 2008 erhielt er den »Grinzane for Africa
Award« und 2010 den renommierten bra -
silianischen Jabuti-Preis. Ondjaki lebt und
arbeitet in Rio de Janeiro, Brasilien.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Na entrevista com o poeta e professor Abreu Paxe, Ondjaki, o mais novo dos
autores angolanos conhecidos internacionalmente, fala da cidade de Luanda
como pano de fundo de seus romances, de suas influências literárias, do
problema de se expressar como artista africano e individualmente, e da espe -
rança dos jovens para o futuro.
49
DAS WORT LUANDA SCHREIBEN
die melodie kam, blies mir nacht in die eingeweide –
ich war ein mondfisch, frei zwischen akkorden die-
ser trunkenen laute. ich lächelte mit all meinen fin-
gern. tötete fast eine mücke, die vorüberflog [wie
viele leben hat eine mücke?]
die stadt schläft um diese zeit
[die stadt, kann sie träumen …?]
alle menschen
viele
all die schönen geschichten
morgen
werden sie wieder geschehen
[die schönheit der geschichten, verbraucht sie sich?]
luanda
du bist ein wort
in den narben
einer schönen kriegerin.
Aus: ONDJAKI, MATERIAIS PARA CONFECÇÃO DE UM ESPANADOR DE
TRISTEZAS, Lissabon 2009. Übersetzung: Michael Kegler. Abdruck mit
freundlicher Genehmigung des Autors.
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Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 50
Kiluanji Kia Henda ist einer der international bekanntesten
Fotokünstler Angolas. Sein ironischer Blick gilt dem Selbst-
bild Afrikas und der Geschichte und Gegenwart seines Landes.
Kiluanji Kia Hendas Werk ist geprägt von einem wachen Blick
und dem ständigen Hinterfragen dessen, was ihn umgibt. Sein
Thema ist die Erinnerung, sein Material die jüngere angolani-
sche Geschichte, wie etwa der Übergang von der Kolonialzeit
zu einem unabhängigen Angola oder die Spuren des Kolonia-
lismus, betrachtet aus einer Perspektive kosmopolitischen
Erlebens. Die Analyse dieser Vergangenheit oder der Rolle
Angolas als Schauplatz des Kalten Krieges, der es dem Land
letztendlich ermöglichte, unabhängig zu bleiben, tritt hinter
diese Betrachtung zurück. Gleichzeitig beobachten wir in sei-
nem Ansatz Elemente der Parodie, des Humors als Mittel, mit
Themen umzugehen, die in anderer Form allzu ernst oder auch
unbequem wären. Er nutzt die Utopie, um seine Sujets in die
Zukunft zu projizieren, Situationen zu transformieren und so
einen alternativen Blickwinkel anzubieten.
Gut zu beobachten ist dies in »Spacecraft Icarus 13«, einem
Projekt, in dem Realität und Phantasie einander durchdringen
und das Selbstbild der Afrikaner humorvoll hinterfragt wird.
Dabei geht Kiluanji Kia Henda von der Form des Mausoleums
für den ersten angolanischen Präsidenten Agostinho Neto aus,
das einem Raumschiff nachempfunden ist, und konstruiert eine
Fotoreportage über die erste angolanische Weltraumexpedition
zur Sonne. Dabei zitiert er nicht nur den klassischen Ikarus,
sondern auch einen beliebten Witz über den ersten, bei einem
Flugzeugabsturz getöteten mosambikanischen Präsidenten
Samora Machel. Dem Witz zufolge fordert Machel, dass Afrika-
ner dereinst nicht nur zum Mond, sondern gar zur Sonne
fliegen sollten, aber des Nachts, wenn es nicht so heiß ist.
ENTDECKER UND ILLEGALE In seinem jüngsten, noch in Arbeit befindlichen Projekt
»Homem Novo« (Neuer Mensch) wählt Kia Henda erneut die
Parodie als thematischen Ansatz. Der Titel dieser Werkreihe
zitiert die angolanische Nationalhymne und den darin be -
schworenen Neuen Menschen – ihre Bilder jedoch kontrastie-
ren humorvoll mit diesem Ideal:
So stellt er in der Fotografie »Balamuka – Ambush (The Queen
Njinga and The Clandestinos)« Heinrich den Seefahrer, den
Brasilien-Entdecker Pedro Álvares Cabral und andere histori-
sche Persönlichkeiten der Kolonialzeit als illegale Einwanderer
Von Suzana Sousa
51
NACHTS ZUR SONNE FLIEGENVON GUANGZHOU BIS KAPSTADT, VON NAIROBI BIS VENEDIGSORGT KILUANJI KIA HENDAS WERK FÜR FURORE
REDEFINING THE POWER In seinen Fotoserien zeigt Kiluanji Kia Henda koloniale Denkmäler, auf einer historischen Postkarte und in der heutigen Zeit.
REDEFINING THE POWER II (Serie mit Shunnoz Fiel), 2011 (courtesy Galeria Fonti, Neapel)
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 51
52Nachts zur Sonne fliegen
Diese Geste der Aneignung erlaubt ihm die Schaffung von
neuen, über die Ausgangselemente Vergangenheit und Gegen-
wart hinausgehenden Elementen. Kia Hendas Blick und sein
Diskurs beziehen sich auf das Vergehen von Zeit und dessen
Auswirkungen. Wie in früheren Arbeiten präsentiert Kiluanji
Kia Henda hier die Erinnerung als ein das heutige Leben struk-
turierendes Element, das er aus aus einer Perspektive der Nähe
betrachtet. Kulturelles Gedächtnis steht in seinem Werk in
einem direkten, fast offensichtlichen Verhältnis zu Ereignissen
in der Gegenwart. Im Fall der Statuen aus der Kolonialzeit
sind sowohl ihr Nicht-mehr-vorhanden-Sein als auch das Vor-
handensein ihrer Sockel Bestandteil des Lebens der Menschen
in Luanda; ihre Abwesenheit macht den kolonialen Diskurs,
den sie damit beschließen, sichtbar. Die Dekonstruktion dieses
Diskurses in »Homem Novo« geschieht nicht durch einen
Gegen-Diskurs, wie den der im Titel zitierten Nationalhymne,
sondern durch die Inbesitznahme, das
Leben im urbanen Raum.
Suzana Sousa studierte Literatur- und
Kulturwissenschaften in Lissabon und
arbeitet seit 2003 als freie Kulturmanage-
rin in Angola. 2006 war sie für die erste
Triennale von Luanda tätig.
Kiluanji Kia Henda, geboren 1979 in Luanda, wuchs zur Zeit
des angolanischen Bürgerkriegs auf. In seinen Arbeiten
verwischt er die Grenzen von Dokumentation und Fiktion,
Geschichte und Gegenwart, Massenkultur und Tradition.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *A obra de Kiluanji Kia Henda é marcada por um olhar atento e uma constante
atitude de questionamento sobre o que o rodeia. Kia Henda trabalha a
memória, através da exploração que faz dos temas da história recente ango -
lana, a transição do período colonial para a Angola independente, as marcas
do colonialismo, mais numa perspectiva de vivência cosmopolita do que de
análise do passado. Na sua abordagem notamos também características como
a paródia, o humor surge como uma ferramenta para abordar assuntos que
de outra forma seriam sérios demais ou incómodos demais, e sempre um
olhar irónico sobre a imagem que os africanos têm de si próprios.
dar. Indem er die aktuelle Situation der massenhaften Einwan-
derung aus anderen afrikanischen Ländern in das moderne
Angola der Besetzung des angolanischen Territoriums in der
Kolonialzeit gegenüberstellt, nimmt er diesem Thema die
Schwere. Königin Njinga und die Illegalen (Clandestinos) nehmen
den gleichen Raum ein, einen unübersichtlichen Raum voller
Kampfwagen und Resten von Kanonen, einen Raum, der ver-
schiedene Momente der angolanischen Geschichte beherbergt
und keinem davon besondere Bedeutung beimisst. Schwer,
dabei nicht an den Platz zu denken, den jeder einzelne Angola-
ner in der Geschichte einnimmt – die historische Perspektive,
die es uns Angolanern erlaubt, über uns selbst nachzudenken.
Ein weiterer Teil dieses Projekts ist eine Fotoserie mit dem
Titel »Redefining The Power (I-IV)«. Hier analysiert Kia Henda
die Symbolsprache der Kolonialmacht expliziter: Auf einer
Postkarte aus dem kolonialen Luanda ist das Denkmal für
Pedro Alexandrino da Cunha, früherer Gouverneur der kolonia-
len Provinz Luanda, zu sehen, daneben dasselbe Denkmal in
heutiger Zeit. Auf der Postkarte lehnen portugiesische Soldaten
an der Statue, das Bild illustriert die Besetzung in ihrer augen-
scheinlichsten Form: nicht nur die Symbolkraft des Denkmals,
sondern auch die Macht der Waffen. Das nächste Bild zeigt den
leeren Sockel, das Auslöschen oder Entleeren kolonialer Erin -
nerung. Im dritten Bild sieht man denselben Sockel, jedoch
steht auf ihm eine andere Figur. Bei näherer Betrachtung fällt
auf, dass es sich um einen wirklichen jungen Mann handelt, der
den theatralischen Gestus des Denkmals imitiert. Das Bild ver-
weist damit auf die Sprache der Macht einer Kunst im öffent-
lichen Raum, die im Dienst der Propaganda steht. Zugleich zeigt
sich hier die Aneignung des Raumes durch eine Generation, die
keinen Bezug mehr hat zur Symbolsprache der Kolonialmacht
und die aus ihrer eigenen urbanen Erfahrung neue Erinnerun-
gen und neue Symbole schafft.
Die Redefinition der Macht vollzieht sich zwischen dem Ende
der kolonialen Symbole und ihrem Verschwinden sowie der
Aneignung des Raumes durch die Angolaner, Stadtbewohner
und Nutzer ihrer Strukturen, aber auch durch die Verwendung
von Leerstellen und die Darstellung dieser Leere. Kiluanji Kia
Henda bildet diesen Prozess ab und überlässt es dem Betrach-
ter, ihn zu hinterfragen.
PROZESSE DER ANEIGNUNGDie Kultur Luandas ist geprägt von diversen Prozessen der
Aneignung. Von der kolonialen Architektur der Stadt über die
Kleidung bis hin zur Aneignung urbaner Sounds aus aller Welt
im Kuduro. Kia Henda stellt seinen Diskurs in den Zusammen-
hang dieser Kultur. Er porträtiert die Besetzung des städtischen
Raums durch die Jugend, erschafft sie mit neuen Figuren
und Gesten auf symbolische Weise neu und macht sich mit
den Postkarten die koloniale Ästhetik zu eigen.
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 52
53
EINE FIKTIONALE REISE ZUR SONNE Kiluanji Kia Hendas Installation
»Icarus 13« basiert auf Fotografien kolonialer Bauten und architektonischer
Relikte aus der Zeit der sowjetischen Präsenz in Angola (courtesy Galeria
Soso, São Paulo).
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 53
54
JEDES FENSTER NACHDRAUSSEN IST WICHTIGGLÜCKWÜNSCHE ZUM ZWEITEN JAHRESTAG DES GOETHE-INSTITUTS ANGOLA
Angolanische Freunde, Kooperationspartner und Kollegen
gratulieren zum zweiten Geburtstag des Goethe-Instituts und
erzählen, welche Wünsche und Erwartungen sie mit dem
deutschen Kulturinstitut in Angola verbinden.
Ana Clara Marques
Otiniel Silva
Mário Almeida
Ginga Neto Almeida Maria João Faria
Goethe Mag_Angola_15korr_1 16.12.11 11:17 Seite 54
Ich finde es gut, dass es ein Goethe-Institut hier in Angola gibt,
vor allem, weil es mit seiner Arbeit auch zur Entwicklung und
Verbreitung der angolanischen Kultur beiträgt.
Mário Almeida, Besitzer des Restaurants Bahia in Luanda und
Galerist in Luanda und in São Paulo, Brasilien
Ich finde es sehr wichtig, dass es in Angola Organisationen
gibt, die Kultur und Sprache anderer Länder bekannt machen,
wie dies beim Goethe-Institut der Fall ist. Es wird Angola hel-
fen, seine Kenntnisse über andere historisch-geografische
Räume und andere menschliche und kulturelle Erfahrungen zu
erweitern. Außerdem ist Kulturaustausch wichtig für eine grö-
ßere Achtung aller Kulturen füreinander. Trotz der bekannten
Probleme des Landes hat das Goethe-Institut interessante,
hochkarätige Kulturprogramme hierhergebracht, was dazu
beitragen wird, den Horizont aller Angolaner zu erweitern.
Ana Clara Marques, künstlerische Leiterin des Tanztheaters
Companhia de Dança Contemporânea de Angola.
Ich halte das Goethe-Institut für sehr relevant, da es unzählige
Aktivitäten anstoßen kann und auch sollte, die das Band der
Kooperation und Freundschaft zwischen unseren Ländern stär-
ken. Kultur ist Ausdruck des Lebens und der Seele und damit
einer der wichtigsten Ansatzpunkte für ein besseres Kennenler-
nen und gegenseitiges Verständnis der Angolaner und der Deut-
schen. Darüber hinaus kann das Goethe-Institut über kulturelle
Aktivitäten großes Prestige in unserem Land erwerben, einen
herausragenden Platz in der angolanischen Zivilgesellschaft
einnehmen und die Angolaner in der Wahrnehmung ihrer Bür-
gerrechte stärken.
Albino Carlos, Generaldirektor des journalistischen Ausbil-
dungszentrums CEFOJOR
Das Goethe-Institut hat mir die Möglichkeit gegeben, meine
Literatur nach Deutschland zu bringen und dort bekannt zu
machen. Es war eine unvergessliche und für meine weitere
Arbeit sehr nützliche Reise. Herzlichen Dank, Goethe-Institut.
Glückwünsche zum zweiten Jahrestag und viel Erfolg!
Maria Celestina Fernandes, Schriftstellerin
Ein Goethe-Institut in Angola ist ein wunderbarer Vermittler der
deutschen Kultur, die in all ihrem Umfang vielen Menschen noch
viel zu wenig bekannt ist. Angola kann davon nur profitieren.
Maria João Faria, Architektin und Dozentin an der Universi-
dade Lusíada de Luanda
Ich finde es gut, ein Goethe-Institut in Angola zu haben, denn
jedes Fenster nach draußen ist wichtig für die konstruktive und
positive Verbreitung und Förderung unserer Kultur.
Massalo, Fotograf
Das Goethe-Institut organisiert großartige Kulturveranstaltun-
gen in Angola.
Aureliana Pereira Koordinatorin für Presse und Information
bei der Europäischen Union in Luanda.
Ich finde es extrem wichtig, ein Goethe-Institut in Luanda zu
haben, denn dadurch bekommen Angolaner die Möglichkeit,
Deutsch zu lernen und sich mit der Kultur Deutschlands ver-
traut zu machen. Sprachen sind immer eine Art Fenster zur Welt.
Deutsch zu können, kann sehr hilfreich sein für die jungen
Leute bei der Bewerbung um Stipendien in einem technisch
hoch entwickelten Land. Wir können bei diesem Austausch nur
gewinnen.
Ginga Neto Almeida, Übersetzerin und Consultant
Als Germanistin und vor dem Hintergrund der früheren Verbin-
dung unserer beider Länder, aber auch, um diese Verbindung
auszubauen, finde ich, dass ein Goethe-Institut in Angola drin-
gend notwendig ist. Es ermöglicht Angolanern, hier lebenden
Deutschen und anderen, über Filme, Vorträge, Konferenzen und
andere Veranstaltungen kultureller, sportlicher oder akademi-
scher Art den Kontakt mit deutscher Kultur zu pflegen. Das
Gewicht der deutsch-angolanischen Beziehung war bereits wäh-
rend des Befreiungskampfes spürbar, als wichtige Repräsentan-
ten der MPLA sich in Deutschland aufhalten, dort arbeiten oder
studieren durften. Nach der Unabhängigkeit wurden hunderte
Angolaner in der DDR in den Geistes-, Human- oder Naturwis-
senschaften ausgebildet. Die Anwesenheit von Angolanern wie
Ruth Neto, Monty, Kabulo und vielen anderen in der DDR sowie
der Bundesrepublik bezeugt das gute Verhältnis zwischen
Deutschland und Angola.
Ana Paula dos Santos Corrêa Victor, Germanistin, diplomiert
an der Karl-Marx-Universität Leipzig (1979 bis 1984), Leiterin
des Naturkundemuseums in Luanda
Aus drei Gründen finde ich es gut, dass es ein Goethe-Institut in
Luanda gibt: Es erweitert und diversifiziert das Kulturangebot
für die Gesellschaft und trägt so zu mehr Lebensqualität in
Luanda bei. Das Goethe-Institut bringt sein Netzwerk aus kultu-
rellen Partnerschaften nach Angola, was unsere Kulturszene
bereichern wird. Das Programm »Moving Afrika« ist ein gutes
Beispiel dafür. Mit anderen Worten, die Welt wird nach Angola
gebracht und Angola wird hinausgetragen in alle Welt.
Das Goethe-Institut ist eine Einrichtung der deutschen Regie-
rung und damit vielleicht auch ein Anreiz für die angolanische
Regierung, mehr in Kultur zu investieren.
Otiniel Silva, Kulturaktivist (Movimento>>X, Mano a Mano
Produções & Eventos Socio-Culturais)
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *Um instituto cultural nunca é nem deve ser uma ilha, mas sim participar acti-
vamente da vida na cidade, no país em que trabalha. Perguntámos alguns dos
nossos amigos, colaboradores e colegas angolanos sobre o que acham da
existência e do trabalho do Goethe-Institut em Luanda.
55
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 55
José Eduardo Agualusa
»Ein Stein unter Wasser« (Nação Crioula)
Übersetzung: Inés Koebel. München 1999
»Das Lachen des Geckos« (O Vendedor de Passados)
Übersetzung: Michael Kegler. München 2008
»Die Frauen meines Vaters« (As Mulheres do meu Pai)
Übersetzung: Michael Kegler. München 2010
»Barroco Tropical«
Übersetzung: Michael Kegler. München 2011
Agostinho Neto
»Angola, Heilige Hoffnung« (Sagrada Esperança)
Übersetzung: Maria Adelia Silva Melo und Hermann Pflüger.
Köln 1976
Gedichte.
Übersetzung: Anne-Sophie Arnold. Leipzig/Frankfurt a. M. 1977
Ondjaki
»Bom Dia Camaradas. Ein Roman aus Angola«
Übersetzung: Claudia Stein. Zürich 2006
Pepetela
»Der Hund und die Leute von Luanda« (O Cão e os Caluandas)
Übersetzung: Inés Koebel. Bonn 1987
»Mayombe«
Übersetzung: Maritta Tkalec. Berlin 1983/Bonn 1985
»Ngunga« (As aventuras de Ngunga, Jugendbuch)
Übersetzung: Tilla Thonig. Berlin 1981 (mehrere Auflagen)
»Schöpfungsregen der Yaka« (Yaka)
Übersetzung: Klaus Laabs. Berlin 1988
»Jaime Bunda, Geheimagent« (Jaime Bunda, Agente Secreto)
Übersetzung: Barbara Mesquita. Zürich 2004
Manuel Rui
»Das Meer und die Erinnerung. Prosa und Lyrik«
Übersetzung: Gudrun Hohl und Annemarie Bostroem. Berlin
und Weimar 1988
Castro Soromenho
»Senhor Américo kehrt nicht zurück« (Terra Morta)
Übersetzung: Johannes Klare. Berlin 1964
Ana Paula Tavares
»Fieberbaum. Gedichte«. Werkausgabe portugiesisch/deutsch
Übersetzung: Joana und Tobias Burghardt. Stuttgart 2010
José Luandino Vieira
»Das wahre Leben des Domingos Xavier« (A vida verdadeira
de Domingos Xavier)
Übersetzung: Kristina Hering. Berlin 1974/Frankfurt a. M. 1981
Die älteren Titel, insbesondere die in der DDR verlegten,
sind mittlerweile vergriffen, mit etwas Geduld aber durchaus
noch antiquarisch zu bekommen.
Angolanische Literatur in portugiesischer Sprache wird in
Deutschland von TFM – Zentrum für Bücher und Schallplatten
in portugiesischer Sprache (www.tfmonline.de) in Frankfurt
am Main vertrieben.
56
ANGOLANISCHE LITERATUR IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG
Goethe Mag_Angola_14bel_1 14.12.11 16:47 Seite 56
Editorial 57
IMPRESSUM Herausgeber © 2011 Goethe-Institut e. V. Zentrale,
Dachauer Straße 122, 80637 München, www.goethe.de ·
Redaktion Gabriele Stiller-Kern, Barbara Helfrich, Michael Keg-
ler · Mitarbeit Sabine Willig · V. i. S. d. P. Christoph Mücher ·
Gestaltung fernkopie · Schlusskorrektur Claudius Prößer ·
Druck Druckverlag Kettler GmbH, Bönen
BILDNACHWEIS Umschlagseite 2: Rui Tavares, Seiten 2 und 3:
Walter Fernandes/Copyright: Photo Atelier, Seite 4: João Paulo
Barbosa (oben links), Jens Ziehe, Nationalgalerie – Staatliche
Museen zu Berlin (oben rechts), Walter Fernandes/Copyright:
Photo Atelier (unten), Seite 5: Goethe-Institut Südafrika, Seite 6:
Oliver Dalichau, Seite 7: Goethe-Institut Angola, Seite 8: Walter
Fernandes/Copyright: Photo Atelier (oben), Paulino Damião 50
(unten), Seite 8/9: Christiane Schulte, Seite 10: Stefanie Alisch,
Seite 11: Rui Tavares, Seite 13: Miguel Hurst, Seite 15: Rui
Tavares, Seite 16: Rui Tavares (links), Josef Grillmeier (rechts),
Seiten 17, 18 und 19: Josef Grillmeier, Seiten 20, 22 und 23:
Jens Ziehe, Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin,
Seite 24: privat (oben), António Ole (unten), Seite 25: Gert J.
Van Rooij, Seite 26: Analog Africa, Seiten 28 bis 30: Hans Engels,
Seite 31: Christiane Schulte, Seite 32: Hans Engels (oben), Rita
Soares (unten), Seite 33: Hans Engels, Seite 35: Rui Tavares
(oben), Walter Fernandes/Copyright: Photo Atelier (unten),
Seite 36/37: Rui Tavares, Seiten 38 und 39: Oliver Dalichau,
Seiten 40 und 41: Rui Tavares, Seite 42: Rui Tavares (Porträt-
fotos links), Luís Cristóvão Manuel, Seite 43: Luís Cristóvão
Manuel (oben), Patrick Wildermann (unten), Seite 46: Rui Tava-
res, Seite 49: Lui Sousa, Seite 50: Kiluanji Kia Henda, Seite 51:
Kiluanji Kia Henda, Postkarte (links), Seite 52: privat (oben),
Edson Chagas (unten), Seite 53: Kiluanji Kia Henda, Seite 54:
privat, Umschlagseite 3: David Burke
Quellen Seite 14/15: The World Factbook, herausgegeben vom
Central Intelligence Service (CIA) der Vereinigten Staaten von
Amerika, Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen /
United Nations Development Programme (UNDP), Regierung
von Angola, Botschaft von Angola in Washington D.C., USA
TITELBILD Das Foto von Rui Tavares zeigt die angolanischen
Modedesigner Shunnoz und Tekasala bei ihrer Performance
»Projecto Mental« in der Hauptstadt Luanda.
Die namentlich gekennzeichneten Artikel geben nicht in jedem
Fall die Meinung der Redaktion wieder.
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Zentrale
Dachauer Straße 122
80637 München
Deutschland
Telefon 089 159 210
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