Teilhabebegleitung, Wirkung, Messung – Chancen für bessere soziale Dienstleistungen
Guten Tag!
Hannover | 14.03.17 Frank Löbler | Anne Huffziger | f.loebler / a.huffziger @sozialwerk-st-georg.de | Deutschland Leitung Ressort Qualität/QMB | Vorstandsassistenz
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Sozialwerk St. Georg Teilhabebegleitung
und Magnetziele
Wirkung messen – Personal Outcomes
Scale
Wirkungsorientiertes Controlling
Agenda
Gemeinnütziges, soziales Dienstleistungsunternehmen
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Sozialwerk St. Georg e.V.
Wichtiger regionaler Arbeitgeber: 2.600 Mitarbeitende …
… begleiten in 4.800 Assistenzverhältnissen …
… 4.300 Menschen mit Assistenzbedarf
Personalaufwand: 104,5 Mio. €
Umsatzerlöse (inkl. Tochtergesellschaften): 130,9 Mio. €
Umsatzerlöse (je Klient): 88 €
Gesamterträge: 144,1 Mio. €
Gesamtinvestitionen: 9.3 Mio. €
Stationäre Einrichtungen: 52
Kontaktstellen: 43
(Quelle: Geschäftsbericht 2015)
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dezentral strukturiertes Unternehmen mit über 300 Standorten in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens:
• rd. 52 Einrichtungen: Wohnheime & mehr!
• rd. 300 Wohnungen
• 43 ambulante Anlaufstellen, z. B. Kontakt- & Beratungsstellen
• 2 zertifizierte Werkstätten (WfbM)
• Tagesstätten
• Ambulante Pflegedienste
• Unsere Läden
• … und eine Kirche
Standorte und Einrichtungen
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Für Menschen mit Assistenzbedarf bietet das Sozialwerk St. Georg eine Vielzahl an Angeboten in den Bereichen Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Lernen, Beratung, Assistenz & Pflege
– Ambulante und stationäre Angebote
– Kontakt- und Beratungsstellen
– Psychiatrische und somatische Pflege / Alltagsbegleitung
– Werkstätten für Menschen mit Behinderung
– Inklusionsunternehmen
– Sozialangebote für besondere Zielgruppen
– Erforschung und Einsatz von Technischen Assistenzsystemen
Unsere Dienstleistungen
Persönlicher Assistent / Klient
Unser Assistenzkonzept in 6 Schritten
Teilhabebegleiter / Klient
Teilhabebegleiter / Persönlicher Assistent
Ein paar Tage später spricht die
Teilhabebegleiterin - die nicht in der
Einrichtung arbeitet – mit der Klientin über
ihre Ziele und Wünsche.
Danach spricht die Teilhabebegleiterin mit
dem Persönlichen Assistenten über seine
fachlichen Ein-schätzungen bezüglich
der Potentiale und Ressourcen der Klientin.
Der Persönliche Assistent - der in der Einrichtung arbeitet -
heißt die neue Klientin willkommen. Die ersten
Assistenzschritte werden gemacht.
Reflexionsgespräche Klient / POS-Interviewer
Zukunftskonferenz
Nach 6 Monaten: Ein qualifizierter POS-Interviewer (i.d.R. ein
THB) befragt die Klientin (nicht seine
eigene) zu ihrer Qualität des Lebens. Er
verwendet die Personal Outcomes Scale.
Ein paar Wochen später: In einem gemeinsamen
Gespräch zwischen Klientin, Persönlichem
Assistenten und Teilhabebegleiterin
wird ein verbindlicher Ziel- und Maßnahme-
plan abgesprochen.
Kurz nach dem POS-Interview treffen sich Klientin, Teilhabebe-gleiterin und Persön-
liche Assistentin wieder und sprechen
über die Effektivität des Plans. Was sollte besser
werden?
Unser Assistenzkonzept in 6 Schritten
© Icons: Sozialwerk St. Georg e.V. 2011
Persönliche Entwicklung Selbstbestimmung
Soziale Beziehungen Soziale Inklusion Rechte
Emotionales Wohlbefinden Physisches Wohlbefinden Materielles Wohlbefinden
Domänen der Qualität des Lebens
Domänen & Indikatoren: van Loon, Van Hove, Schalock, Claes 2008
Quality of Life
Domänen & Indikatoren: Jos van Loon, Geert Van Hove, Bob Schalock, Claudia Claes 2008
Deutsch: Jos van Loon, Gitta Bernshausen, Frank Löbler, Manja Buchenau 2012
Kwaliteit van Bestaan
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Menschen mit Assistenzbedarf
sind vollwertige Bürger mit Rechten und Pflichten
haben definierten Unterstützungsbedarf
sind als Experten in eigener Sache unterwegs
wollen mehr…
sind Partner für Inklusion
Direktion
Indikatoren: Domäne 3: Soziale Beziehungen
Indikator 1: Haben Sie enge Freunde?
Indikator 2: Wie oft nehmen Sie an sozialen Aktivitäten teil, die dem Aufbau und der Festigung sozialer Beziehungen dienen?
Indikator 3: Wie oft haben Sie Kontakt zu oder Besuch von Ihrer Familie?
Indikator 4: Wie oft haben Sie Kontakt zu oder Besuch von Ihren Freunden?
Indikator 5: Sind Sie wichtig für Ihre Familie?
Indikator 6: Wissen Sie, wen Sie um Hilfe, Rat oder Unterstützung fragen können, wenn Sie welche brauchen?
Personal Outcomes Scale
Scoren: Domäne 6: Emotionales Wohlbefinden
Indikator 1: Fühlen Sie sich sicher und geschützt in ihrer täglichen Umgebung?
Item 1: Sehr sicher = 3 Punkte Die Person fühlt sich sehr sicher in seiner täglichen Umgebung.
Item 2: Etwas sicher = 2 Punkte Insgesamt fühlt die Person sich durchaus sicher; dann und wann sorgen jedoch Personen oder Situationen für unangenehme Spannungen.
Item 3: Nicht sicher = 1 Punkt Die Person fühlt sich sehr unsicher.
Personal Outcomes Scale
Qualitative Kommentare der Interviewten werden dokumentiert und fließen in die Planung ein.
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QdL Faktoren QdL Domäne QdL Indikatoren
Unabhängigkeit Persönliche Entwicklung Bildungsstatus, persönliche Fähigkeiten, Aktivitäten des täglichen Lebens, Anpassungsvermögen
Selbstbestimmung Wahlmöglichkeiten/ Entscheidungen, Autonomie, persönliche Kontrolle, persönliche Ziele
Gesellschaftliche Teilhabe
Soziale Beziehungen soziale Netzwerke, Freundschaften, soziale Aktivitäten, Interaktionen, Beziehungen
Soziale Inklusion gesellschaftliche Integration/ Teilhabe, gesellschaftliche Rollen, Unterstützung
Rechte
menschlich: Respekt, Würde, Gleichheit; rechtlich: Zugang zu Rechtsmitteln, fairer Prozess
Wohlbefinden
Emotionales Wohlbefinden
Sicherheit, positive Erfahrungen, Zufriedenheit, Selbstkonzept, Abwesenheit von Stress/ Entspannung
Physisches Wohlbefinden Gesundheitszustand, Ernährungszustand, Erholung/ körperliche Betätigung
Materielles Wohlbefinden Finanzielle Situation, berufliche Situation, Wohnsituation, Besitz
Das Konstrukt Qualität des Lebens
Das POS-Interview…
ist ein Gespräch unter 4 Augen und auf Augenhöhe
ist eine Selbsteinschätzung des Interviewten (subjektiv)
wird unterstützt durch einen qualifizierten Interviewer
Das Messinstrument POS auf Deutsch
Zuverlässigkeit Cronbachs Alpha = 0,814
Faktorenanalyse 33 von 48 lassen sich direkt zuordnen
Validität (r) Spannweite = 0,51 – 0,69
Das Instrument ist…
wissenschaftlich entwickelt
international erprobt
markengeschützt
zuverlässig und valide
ANWENDUNG Verbindlicher
Leitfaden für Interviewer
Qualifizie-rungs- und Trainings-programm
Steuerungsgruppe
Teilhabebegleiterin Klientin Persönliche Assistentin
„Ich glaube, ich bin meines eigenen Glückes Schmied. Es spielt für mich eine große Rolle, dass ich die Zügel in der Hand halte und das jetzt ganz viele Leute mit mir einen Blick auf meine Entwicklung haben.“ (junge Frau, 2014).
„Ich bin als Landschaftsgärtner mein eigener Herr, und das gefällt mir gut sehr gut. Ich teile meine Pausen selber ein, bin alleine für die Qualität der Arbeit verantwortlich.“ (Mann, 2015).
„Ich werde zwei neue Sprachen erlernen: Englisch, weil man es immer braucht und Spanisch, damit ich endlich mit einem alten Freund sprechen kann.“ (Frau, 2012).
„Wichtig ist uns ein gutes Arbeitsklima und das der Kunde eine gute Beratung bekommt. Schritt für Schritt gibt es etwas zu lernen.“ (2 junge Frauen aus dem 2nd Hand Laden, 2016).
„Wenn man über Ziele redet, lernt man sich besser kennen.“ (Mann, 2013)
Individuelle Steuerungswirkungen
Wertschöpfung? und Wirkung? sozialer Dienstleistungen in Bezug auf Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Assistenzbedarf?
Wirkungsorientiertes Investieren, Bertelsmann Stiftung 2014
Wirkungstreppe
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Domänen Indikatoren
Interviewte Personen
Zielgruppen
Sozio-demogra-phische Merkmale
Organisatorische Einheiten
Mehr-Jahres-Vergleiche
Selbstberichte Direkte Beob. Report by Oth.
GB, PB Sucht,
Autismus
Unterschied-liche & gleiche
Gruppen
Unternehmens-bereiche,
Einrichtungen
Alter, Geschlecht, Bildung, etc.
tausende von Assistenzprozessen zwischen Klienten, Teilhabebegleitern
und Einrichtungspersonal
Stationär Ambulant
KJH
Angebotsformen des Unternehmens
POS-Ergebnisse nutzen
Soziale Dienstleistung
Wirkung?
Messung?
Input / Output Outcome / Impact
(individuelle) „Wohlfahrt“
Messung?
Wertschöpfung?
Wirkung / Wertschöpfung
Wertschöpfung
„So können für das Jahr 2008 neben den
direkten gut 2.700 Arbeitsplätzen der
Werft weitere Beschäftigungseffekte von gut
1.500 Vollzeitarbeitsplätzen in den
Landkreisen Emsland und Leer geschätzt
werden, die durch Vorleistungs- und
Konsumnachfrage auf die ökonomischen
Aktivitäten der Meyer Werft zurückgeführt
werden können.“
Olaf Krawczyk et. al. (2009): Die regionalökonomische Bedeutung der Meyer Werft GmbH Papenburg für die Landkreise Emsland und Leer. Gutachten im Auftrag der Landkreise
Emsland und Leer.
3000 Arbeiter der Meyer-Werft versammeln sich in der gigantischen Dockhalle während der Grundsteinlegung zur Erweiterung der Halle auf 507 Meter Länge, zur damit größten
Werfthalle der Welt. (AP 2008)
Wertschöpfung
Soziale Dienstleistung
Wirkung
Input / Output Outcome / Impact
(individuelle)
„Wohlfahrt“
Wertschöpfung
Investment €: Einmalige Fördermaßnahmen, Therapie etc.
oder Laufende Maßnahmen
Return €: Langzeiteffekte der einmaligen Maßnahme
oder Laufende Effekte
SROI =
> = <
Wirkung / Wertschöpfung
Wirkungsorientiertes Controlling soll die Wirkungsproduktivität des Sozialwerks St. Georg beobachten können und steuerbarer machen.
Produktivität bei sozialen Dienstleistungen ist nicht nur …
… mengenmäßig 𝐎𝐮𝐭𝐩𝐮𝐭
𝐈𝐧𝐩𝐮𝐭
sondern auch:
… ergebnismäßig 𝐎𝐮𝐭𝐜𝐨𝐦𝐞 (𝐏𝐎𝐒)
𝐈𝐧𝐩𝐮𝐭
Das Messinstrument (z. B. POS) ist insbesondere dann geeignet, wenn es durch den sozialen Dienstleister beeinflussbar ist.
Verantwortlich für die Optimierung des Dienstleistungssettings und damit für die Erhöhung der POS-Punkte im Budgetrahmen ist die Organisation.
Konzept
Wirkungsorientiertes Controlling
Das wirkungsorientierte Controlling vergleicht die erwartete Produktivität mit der tatsächlichen Produktivität (Soll/Ist).
Konzept
Produktivität: Wirkung „IST“ – Wirkung Erwartungswert Summe Leistungsentgelt
Wirkungsorientiertes Controlling
Methodisches Vorgehen – die Prognose
Individuelle, echte POS-Werte der Stichprobe
Lineare Regression
Information über - Signifikanzen - Einflussstärke
- Erklärungskraft
Individuelle Schätzung von POS-Werte für andere
Stichprobe auf Basis Regression
Y (POS-Wert) = a+ b * Alter + b* Geschlecht + … + …
Alter Geschlecht
Verweildauer
Behinderungsart
Familienstand
Wohnform
Geschäfts- bereich
Wirkungsorientiertes Controlling
Signifikanten eigenständigen* Einfluss auf die Lebensqualität - gemessen über den POS-Wert - haben folgende Merkmale:
Je höher das Alter, desto geringer werden die POS-Werte
Frauen haben geringere POS-Werte als Männer (nur leicht signifikant)
Die POS-Werte sind im Ambulant Betreuten Wohnen höher als im stationären Wohnen (stärkster Effekt mit +4,3 POS-Punkte bei Kontrolle aller anderen Merkmale)
Menschen mit psychischer Behinderung weisen geringere POS-Werte auf als Menschen mit einer geistiger Behinderung
POS-Werte unterscheiden sich nach Unternehmensbereich
Personen ohne Pflegestufe haben einen höheren POS-Wert als Pflegestufe 2 oder höher
Arbeit: Personen im Bereich 1. Arbeitsmarkt/WfbM haben einen höheren POS-Wert als Personen ohne Beschäftigung/in Rente (stark signifikant); in Ausbildung leicht signifikant
Diese Merkmale können ca. 20% der Varianz der POS-Werte erklären
d. h. sie sind nicht vom Sozialwerk St. Georg beeinflussbar.
Ergebnisse der Schätzung – die Regression
* Bei Kontrolle aller anderen Merkmale; LT-Gruppe nicht nutzbar, da zu ungenaue Charakterisierung!
Wirkungsorientiertes Controlling
Eigene Darstellung / Wirkungsorientiertes Investieren, Bertelsmann Stiftung 2014
Wertschöpfung? und Wirkung? sozialer Dienstleistungen in Bezug auf Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Assistenzbedarf?
„Qualität des Lebens“ (POS/ZPL)
Bilanz
Wirkungstreppe revisited
Chancen für bessere Dienstleistungen
Individuelle Qualität
Organisation & Management
Gesellschaftl. Wirkungen
Teilhabe, Inklusion und
Qualität des Lebens
Spezialisten für Planung und Evaluation
Motivation und Mut, neue Wege zu
gehen
Effektive Prozesse
Aufbruch, Change, Corporate Identity
Steuerung und Effizienz
Wirkungsnachweis für die Organisation
Steigerung der Qualität des Lebens
Transparenz/ Nachweis über die
Wirkung von Leistungen (BTHG-
Anforderung)
Sozialbilanz
Reflexionsprozess Sozialpolitische
Anforderung und Leistungssteuerung
Passgenauer Dienst-leistungsprozess
Empowerment
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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einige Referenzen
Wirkung im Blick (2016). Schwerpunkt in Wohlfahrt Intern, 12
Breimeyer, D.D., (2016) For me, Quality of Life Means a Life of Variety, in: Schalock, R.L./Keith, K.D. (eds.) Cross-Cultural Quality of Life. Enhancing the Lives of People With Intellectual Disability. Washington: AAIDD. Kap. 4: People Speaking for Themselves, S. 38-39
Löbler, F. & Henrichs, B. (2015). Bürger und Lebensqualität. Wie wertvoll kann systematisches Messen und entschlossenes Handeln sein? KGSt-Journal, 60. Jahrgang, Nr. 11/2015, S. 21-23.
Bernshausen, G. & Löbler, F. (2015) Qualität des Lebens, Teilhabebeglei-tung und Wirksamkeitsmessung im Sozialwerk St. Georg e.V., in: G. Moos & A. Peters (Hrsg.), Innovationsmanagement in der Sozialwirtschaft. Nomos
Lebe lieber selbstbestimmt. Das Assistenzkonzept Qualität des Lebens. Ein Projekt Lesebuch, inklusive Film (2014). Sozialwerk St. Georg e.V.
Van Loon, J., Bernshausen, G., Löbler, F. & Buchenau, M. (2012). POS Personal Outcomes Scale. Individuelle Qualität des Lebens messen. Gelsenkirchen: BOD.