Höhere Mathematik 3 (vertieft)für Luft- und Raumfahrttechnik (LRT)
und Materialwissenschaft (MaWi)
Prof. Dr. Uwe Semmelmann
basierend auf dem Skript von Prof. Dr. Michael Eisermann
Institut für Geometrie und Topologie (IGT)
www.igt.uni-stuttgart.de/LstGeo/Semmelmann
Wintersemester 2018/19(Stand 16. Oktober 2018)
Für die Mitteilung von Unklarheiten und Fehlern aller Artsowie für Verbesserungsvorschläge bin ich stets dankbar!
Organisation der Vorlesung Höhere Mathematik 3
Wochenplan 003
Vorlesung:wöchentlich Di 08:00 – 09:30 V 57.03wöchentlich Fr 11:30 – 13:00 V 47.01
Vortrags- und Gruppenübung:wöchentlich Di 14:00 – 15:30 Vortragsübung, V 47.02wöchentlich Di 11:30 – 13:00 1 Übungsgruppewöchentlich Mi 08:00 – 09:30 3 Übungsgruppenwöchentlich Mi 11:30 – 13:00 4 Übungsgruppenwöchentlich Do 15:45 – 17:10 3 Übungsgruppenwöchentlich Fr 08:00 – 09:30 1 Übungsgruppe
Anmeldung Übungsgruppen: ab 16.10, 10:00 Uhr, über C@mpusOrganisation: Anda Degeratu, Tillmann Jentsch
Semesterplan 004
Vorlesung: ab Dienstag, 16.10.2018
Vortrags- und Gruppenübung: ab Dienstag 23.10.2018
Scheinklausur: 15.12.2018
Modulprüfung: voraussichtlich Ende Februar oder Anfang März
Der Übungsschein ist Voraussetzung für die Zulassung zurModulklausur. Kriterien für dessen Erwerb sind:
Anwesenheitspflicht in den Gruppenübungen: Sie dürfen maximalzweimal unentschuldigt fehlen, danach legen Sie Ihrem Tutor bitteeine offizielle Entschuldigung vor, z.B. ein ärztliches Attest50% der Punkte aus den schriftlichen AufgabenBestehen der Scheinklausur
Themen der HM1/2: Voraussetzung 005
Lineare Algebra:Reelle und komplexe Zahlen R ⊂ CEuklidische Vektorräume Rn, Cn
Matrizen & lineare Gleichungssysteme Ax = y
Eigenvektoren und Diagonalisierung Av = λv
Normalformen für Quadriken x2 − y2 = 1
Analysis:Konvergenz von Folgen und Reihen
∑∞k=0 ak
Funktionen, Grenzwerte und Stetigkeit limx→x0 f(x)
Differential- und Integralrechnung´ ba f
′(x) dx = f(b)− f(a)
Differentialrechnung mehrerer Variablen ∂x∂yf = ∂y∂xf
Vektorfelder, Wegintegrale und Potentiale rot grad f = 0
Themen der HM3 006
Mehrdimensionale Integration (3)´Rn f(x) dx
Integralsätze in Ebene und Raum (5)´B df =
´∂B f
Fourier–Analysis (4) f(t) ∼∑ ck eikt
Gewöhnliche Differentialgleichungen (5) u′(t) = f(t, u(t))
Partielle Differentialgleichungen (5) ∂t u(t, x) = ∂2x u(t, x)
Wahrscheinlichkeitsrechnung (6) P (A|B) =P (A ∩B)
P (B)
Ziele der HM3 laut Modulbeschreibung 007
Die Studierenden verfügen über grundlegende Kenntnisse
der Integralrechnung für Funktionen mehrerer Veränderlicher,gewöhnliche und partielle Differentialgleichungen,Fourier–Reihen und Integraltransformationen, sowie Stochastik.
Die Studierenden
sind in der Lage, die behandelten Methoden selbstständig, sicher,kritisch, korrekt und kreativ anwenden.besitzen die mathematische Grundlage für das Verständnisquantitativer Modelle aus den Ingenieurwissenschaften.können sich mit Spezialisten aus dem ingenieurs- undnaturwissenschaftlichen Umfeld über die benutztenmathematischen Methoden verständigen.
Literatur zur Höheren Mathematik 008
Empfohlene Literatur:M. Eisermann: Höhere Mathematik 3 (vertieft) - FoliensatzE. Kreyszig: Advanced Engineering Mathematics. WileyK. Meyberg, P. Vachenauer: Höhere Mathematik 1 & 2. Springer
Weitere Literatur:G. Bärwolff: Höhere Mathematik. Spektrum Verlag
Zur Wiederholung mathematischer Grundlagen:H. Heuser: Analysis 1 & 2 und Differentialgleichungen. TeubnerW. Kimmerle, M. Stroppel: Lineare Algebra und Analysis.Mathematik Online: www.mathematik-online.org(umfangreiche Übungsaufgaben, Tests, Skripte)
Weitere Hinweise und Links auf der Vorlesungsseite.
Was ist zu tun? 009
Sie müssen in kurzer Zeit sehr viel Stoff lernen. Die drei Grundregelnzum Bestehen der Klausuren sind:
Arbeiten Sie regelmäßig den Stoff der Vorlesung nach. Eine guteVorbereitung erleichtert das Verständnis in der Vorlesung und denÜbungen.
Bearbeiten Sie die Übungsaufgaben und rechnen Sie die Lösungenselbstständig durch. Die Klausuraufgaben leiten sich aus denÜbungsaufgaben ab.
Nutzen Sie die Vorlesungen, Vortragsübungen undGruppenübungen, um Fragen zu stellen.
Mathematische Modellierung
Ein hoher Turm braucht eine breite Basis. 101
r
x
LastG0
r(x)
Der
Eiff
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2013
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#Aufgabe: Konstruieren Sie eine Säule aus einem Material konstanterDichte %, so dass der Druck (Last pro Fläche) überall konstant p ist.
Ein hoher Turm braucht eine breite Basis. 102
#Lösung:Die Fläche ist A(x) = πr(x)2, das Volumen V (x) =
´ xh=0 πr(h)2 dh,
das Gewicht G(x) = g%V (x), der Druck G(x)/A(x)!
= p. Insgesamt:
g% ·ˆ x
h=0πr(h)2 dh
!= p · πr(x)2
Ableiten dieser Integralgleichung ergibt unsere Differentialgleichung:
g% πr(x)2 = 2p πr(x) r′(x).
Diese ist elementar lösbar. Wir trennen die Variablen und integrieren:
r′(x)
r(x)=g%
2p⇒ˆ x
h=0
r′(h)
r(h)dh =
ˆ x
h=0
g%
2pdh ⇒ ln r(x)− ln r0 = x
g%
2p
Wir erhalten somit r(x) = r0 exg%/2p. Der Radius wächst exponentiell!
Modellierungskreislauf 103
Dieses Beispiel illustriert bereits das Wechselspiel zwischentechnischen Problemen aus der Praxis und deren Lösung durchmathematische Werkzeuge.
1 Grundlegendes Verständnis der vorliegenden Situation2 Mathematische Modellierung der vorliegenden Situation3 Lösung durch geeignete mathematische Werkzeuge4 Anpassung und Überprüfung anhand gegebener Daten
Diese Vorlesung konzentriert sich auf Lösungsmethoden (Schritt 3).
Maxwells Elektrodynamik 106
Bild
quel
le:w
ikip
edia
.org
Michael Faraday(1791–1867)
Bild
quel
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James Clerk Maxwell(1831–1879)
Bild
quel
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ikip
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.org
Heinrich Hertz(1857–1894)
Gleichungen der Elektrodynamik
∇ · ~E = 4π%, ∇× ~E +1
c
∂ ~B
∂t= 0,
∇ · ~B = 0, ∇× ~B − 1
c
∂ ~E
∂t=
4π
c~J.
Ausblick auf Inhalt und Anwendungen der HM3
Newtons Himmelsmechanik 109
#Aufgabe: Formulieren Sie die Bewegungsgleichungen von n Körpernmit Masse mk > 0, Position uk(t) ∈ R3 und Geschwindigkeit vk(t) ∈ R3.
#Lösung: Newtons Gravitationsgesetz ergibt die Differentialgleichungen
uk = vk, vk = fk(u) :=∑
j 6=kγ mj
uj − uk|uj − uk|3
.
Vorgegeben sind die Anfangssdaten uk(0) und vk(0) zur Zeit t = 0.Als Lösung gesucht ist die Bewegung (u1, v1, . . . , un, vn) : [0, T [→ R6n.
Den Fall n = 2 lösen Kegelschnitte: Ellipsen, Parabeln, Hyperbeln.Für n ≥ 3 lässt sich dieses DGSystem i.A. nicht geschlossen lösen!Euler–Verfahren: diskrete Zeitschritte 0 = t0 < t1 < t2 < t3 < . . . ,
uk(ti+1) ≈ uk(ti) + vk(ti) · (ti+1 − ti)vk(ti+1) ≈ vk(ti) + fk(u) · (ti+1 − ti)
Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 112
#Ziel: Wie verhalten sich Strömungen?
Betrachte eine Strömung in einem Gebiet Ω ⊂ R3 über ein ZeitintervallI = [t0, t1]. Hierbei sei ~v : I × Ω→ R3 das Geschwindigkeitsfeld und% : I × Ω→ R die Massendichte. Die Massenstromdichte%~v : I × Ω→ R3 beschreibt den Massenfluss. Im Strömungsbereich Ωwerde Masse weder erzeugt noch vernichtet.
Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 114
#Aufgabe: Welche Beziehung folgt aus der Massenerhaltung?(1) Sei K ⊂ Ω ⊂ R3 kompakt, etwa ein Würfel. Formulieren Siedie Massenbilanz für K in Worten und als Volumen-/Flussintegrale.(2) Formen Sie dies um zu einem einzigen Volumenintegral.(3) Folgern Sie hieraus die zugehörige Differentialgleichung.(4) Was folgt für inkompressible Strömungen, also für %(t, x) = const(x)?
#Lösung: (1) Die über die Randfläche S = ∂K ausströmende Massegeht der Gesamtmasse in K verloren. Als Integralgleichung formuliert:
d
dt
˚K%dK +
‹S=∂K
(%~v ~n) dS = 0
(2) Wir dürfen die Ableitung unters Integral ziehen dank Kompaktheitdes Integrationsbereichs K und Stetigkeit der Ableitung ∂%/∂t:
d
dt
˚K%dK
Kpkt=D3C
˚K
∂%
∂tdK
Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 115
Wir wollen beide Integrale auf dieselbe Form bringen, um siezusammenfassen zu können. Dies gelingt mit dem Satz von Gauß:‹
S=∂K(%~v ~n) dS
Gauß=G2H
˚K
div(%~v) dK
Wir erhalten zusammenfassend ein einziges Volumenintegral:˚
K
[∂%
∂t+ div(%~v)
]dK = 0
(3) Diese lokale Massenbilanz gilt für jedes Kompaktum K ⊂ Ω.Das gilt genau dann, wenn der (stetige!) Integrand verschwindet:
∂%
∂t+ div(%~v) = 0
(4) Für inkompressible Strömungen gilt % = const und somit div~v = 0.
Fouriers Wärmeleitungsgleichung 116
#Ziel: Wie berechnet man den Wärmefluss in einem Körper?
Bild
-und
Wär
meq
uelle
:Mom
o
Wir betrachten ein Gebiet Ω ⊂ R3 und ein Zeitintervall I = [t0, t1] undsuchen eine Beziehung zwischen Wärmeleistungsdichte q : I×Ω→ R,Wärmedichte u : I × Ω→ R und Wärmefluss ~f : I × Ω→ R3.
Fouriers Wärmeleitungsgleichung 117
#Aufgabe: (1) Sei K ⊂ Ω ⊂ R3 kompakt, etwa ein Würfel. FormulierenSie die Wärmebilanz für K in Worten und als Volumen-/Flussintegrale.(2) Formen Sie dies um zu einem einzigen Volumenintegral.(3) Folgern Sie hieraus die zugehörige Differentialgleichung.(4) Vereinfachen Sie schließlich durch die Annahme ~f = −κ∇u.
#Lösung: (1) Für jedes Kompaktum K ⊂ Ω gilt die Wärmebilanz:
Von den Wärmequellen in K zugeführte Energie= Zuwachs der in K enthaltenen Wärmeenergie+ Wärmefluss über den Rand von K nach außen
Als Integralgleichung formuliert bedeutet dies:˚
Kq(t, x) dx =
d
dt
˚Ku(t, x) dx+
‹S=∂K
~f(t, x) ~ndS
Fouriers Wärmeleitungsgleichung 118
(2) Mit Gauß (G2H) verwandeln wir Flussintegrale in Volumenintegrale:‹S=∂K
~f(t, x) ~ndSGauß=G2H
˚K∇ ~f(t, x) dx
Die Ableitung darf man unters Integral ziehen (K kompakt, ∂tu stetig):
d
dt
˚Ku(t, x) dx
Kpkt=D3C
˚K
∂
∂tu(t, x) dx
Wir erhalten zusammenfassend ein einziges Volumenintegral:˚
K
[∂
∂tu(t, x) +∇ ~f(t, x)− q(t, x)
]dx = 0.
(3) Diese lokale Wärmebilanz gilt für jedes Kompaktum K ⊂ Ω ⊂ R3.Das gilt genau dann, wenn der (stetige!) Integrand verschwindet:
∂tu(t, x) +∇ ~f(t, x) = q(t, x)
Fouriers Wärmeleitungsgleichung 119
(4) Wärme fließt von warm nach kalt, also ~f = −κ∇u. Einsetzen:
∂tu(t, x) +∇[−κ∇u(t, x)
]= q(t, x)
Mit dem Laplace–Operator ∆ = ∇ ∇ schreiben wir dies kurz
∂tu− κ∆u = q mit ∆ = ∂21 + ∂22 + ∂23 .
Wir erhalten so Fouriers berühmte #Wärmeleitungsgleichung:
∂u
∂t− κ∆u = q mit ∆ =
∂2
∂x21+
∂2
∂x22+
∂2
∂x23
Mars & Venus Express 120
Missionen der ESAStart Jun. 2003 in BaikonurMars-Orbit ab Jan. 2004Start Nov. 2005 in BaikonurVenus-Orbit ab Apr. 2006
Orbiter: Masse 633kg plusTreibstoff (MMH+NTO)Acht Steuertriebwerkemit jeweils 10N SchubFortsetzung oder Ende:Wie lange reicht der Sprit?
Venus Express: Wieviel Treibstoff ist im Tank? 122
Aus Steuermanövern errechnete Masse für 366 Tage bis 31.12.2012.
unplausibel: leichter als leer
unplausibel: schwerer als voll
Tag
Masse/kg
−350 −300 −250 −200 −150 −100 −50 0
600
620
640
660
680
700
720
740
760
Mathematische Statistik: Konfidenzintervalle 124
Jahresmittelwert der Gesamtmasse mit 3σ–Konfidenzintervall.
Tag
Masse/kg
−350 −300 −250 −200 −150 −100 −50 0
600
620
640
660
680
700
720
740
760
Mathematische Statistik: lineare Regression 126
Regressionsgerade mit Konfidenzintervallen: 1σ, 2σ, 3σ.
Tag
Masse/kg
−350 −300 −250 −200 −150 −100 −50 0
600
620
640
660
680
700
720
740
760
Viel Erfolg! 128
If people do not believe that mathematics is simple,it is only because they do not realize how complicated life is.
(John von Neumann)