Download - Hochbegabung erkennen und fördern
Hochbegabungerkennen und för-dern
Schule und Gesellschaft
In Zusammenarbeit mit
2
Impressum
Herausgeber educa.ch
Autor Stiftung für hochbegabte Kinder, Tel: 044 273 05 56
[email protected] | www.hochbegabt.ch
©educa.ch CC BY-NC-ND (creativecommons.org)
November 2011
Dieser Guide verfügt über eine Internetseite auf educa.ch. Hier finden Sie sowohl
das vorliegende PDF, das Sie dort auch online einsehen können, wie auch Zusatz-
informationen und Links auf Unterrichtsmaterial, die regelmässig aktualisiert
werden. Das PDF ist mit dem Datum seiner Publikation und einer eventuellen
Aktualisierung versehen und gibt den Informationsstand dieses Datums wieder.
Internetseite
1 Was ist Hochbegabung?
2 Hochbegabung in der Schule
3 Begabungsförderung in den Kantonen
4 Weiterbildung für Lehrpersonen
5 LISSA-PREIS
6 Schülerwettbewerbe
7 Anlaufstelle Hochbegabung
8 Weiterführende Informationen
4
In der Schweiz verfügen viele junge Menschen über
besondere Begabungen. Je nach Definition werden
3-5 % der Kinder als hochbegabt qualifiziert. Manche
dieser Kinder haben Glück und erhalten zuhause und in
der Schule genügend Hilfe bei der Umsetzung ihres
Potentials, andere hingegen können ihre Fähigkeiten nie
entwickeln und leiden an ihrer Gabe. Die Erfahrung zeigt,
dass diese Kinder in der Schule ernsthafte Probleme
bekommen können, wenn sie nicht möglichst früh ange-
messene Förderung erfahren. Schulische Unterforderung
kann zu schweren psychischen und/oder physischen
Krankheitssymptomen führen.
Die Stiftung für hochbegabte Kinder will dies ändern und
engagiert sich seit mehr als zehn Jahren für hochbe-
gabte Kinder. Unser Ziel ist es, dass alle Kinder mit
hohem Potential gezielt gefördert und zu menschlich
gefestigten, ethisch verantwortungsvollen Erwachsenen
herangebildet werden.
Dieser Guide soll Lehrpersonen helfen, Ihre Fragen
bezüglich Hochbegabung zu klären. Der Begriff Hochbe-
gabung wird definiert, sowie Beratungs- und Fördermög-
lichkeiten vorgestellt.
Einleitung
5
Was
ist
Hoch-
begabung?
1
6
Hochbegabung wird in der Regel als Disposition für
Hochleistung verstanden. Herkömmlicherweise wurde
Hochbegabung mittels eines Intelligenztests ermittelt,
der zur Berechnung eines Durchschnittswertes, des
Intelligenzquotienten, führte. Es ist schwierig, eindeutig
bestimmende Grenzen zu definieren, wenn es um Hoch-
begabung geht. So stellte Howard Gardner fest, dass es
nicht nur eine Intelligenz gibt, die mittels eines «Intelli-
genzquotienten» auf einfache Weise gemessen werden
kann, sondern mindestens acht verschiedene:
�Sprachliche Intelligenz: Ein gut entwickelter Wort-
schatz, flüssige und präzise Ausdrucksweise.
� Logisch-mathematische Intelligenz: Frühes Inte-
resse fürs Zählen und Rechnen, hohes Abstraktions-
vermögen und eine ausgezeichnete logisch-abstrakte
Denkfähigkeit.
�Musikalische Intelligenz: Frühes, deutliches Inte-
resse am Singen, Musizieren, Komponieren.
� Visuell-räumliche Intelligenz: Frühes Interesse für
Konstruktionsspiele, schwierige Puzzles, Malen und
Gestalten.
�Bewegungsintelligenz: Ein hohes Ausmass an
körperlicher Geschicklichkeit, Energie und Ausdauer.
�Soziale Intelligenz: Beziehungsfähigkeit, hohes
Geschick zum Lösen von zwischenmenschlichen
Konflikten und zur Kommunikation.
�Emotionale Intelligenz: Ein sehr feines Gespür für
Gefühle bei sich und anderen, Fähigkeit zur Empathie.
�Naturalistische Intelligenz: Intensives Interesse für
naturwissenschaftliche Fragen, für Experimente oder
den Umgang mit Naturprodukten.1
Weitere Informationen zu Howard Gardner
7
Folgende Verhaltensweisen können schon in frühem
Alter auf eine starke Disposition für Hochleistungen
hinweisen. Jedoch können auch bei Kindern, die diese
Merkmale nicht aufweisen, spätere Hochleistungen nicht
ausgeschlossen werden.
Allgemeines Verhalten
� Frühes Detailwissen in einzelnen Bereichen, wie z.B.
Dinosaurier, Weltall, Eisenbahnen
�Umfangreicher Wortschatz
�Ausdrucksvolle, ausgearbeitete und flüssige Sprache
�Auffallend gute Gedächtnisleistung
�Schnelles Durchschauen von Ursache-Wirkung-Bezie-
hungen
�Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden
�Schnelles Erkennen von grundlegenden Prinzipien
�Schnelles Herstellen gültiger Verallgemeinerungen
�Gute Beobachtungsgabe
� Frühes Interesse für Buchstaben, «Leseratte»
�Kritische Denkfähigkeit
� Interesse für «Erwachsenenthemen»
Soziales Verhalten
�Häufige Beschäftigung mit Begriffen wie Gerech-
tigkeit, Gut-Böse, Recht-Unrecht, Ausgeprägtes
Moralbewusstsein und grundsätzliche Ablehnung
körperlicher Gewalt
� Individualismus, unkonventionelles Verhalten
�Überprüfen die Meinung von Autoritäten, bevor sie sie
akzeptieren
�Übernehmen bereitwillig Verantwortung
� Zuverlässig in Planung und Organisation
8
�Bevorzugen teilweise ältere Spielgefährten oder
Erwachsene, sind auf der Suche nach Freunden auf
der gleichen Entwicklungsstufe
�Wollen über ihre Situation selbst bestimmen
�Können sich in andere einfühlen und sind daher für
politische und soziale Probleme aufgeschlossen 2
Fragen und Antworten zum Thema Hochbegabung
finden Sie auf folgenden Websites:
www.begabtenzentrum.at
www.karg-stiftung.de
Um Hochbegabung zu erkennen, empfiehlt sich eine
Potentialanalyse. Ansprechpersonen dafür sind in erster
Linie Schulpsychologen/-psychologinnen. Ab 5-6 Jahren
- also im Kindergartenalter - kann eine Potentialanalyse
beim Schulpsychologischen Dienst beantragt werden.
Es besteht auch die Möglichkeit, bei anderen Fachper-
sonen eine private Potentialanalyse durchzuführen. Die
Abklärungskosten müssen in diesem Fall jedoch
meistens durch die Eltern getragen werden. Auf der
Website der Stiftung für hochbegabte Kinder finden sich
entsprechende Adressen von Fachpersonen für private
psychologische Abklärungen.
www.hochbegabt.ch
Diagnostik von
Hochbegabung
9
Hochbegabung
in d
er
Schule
2
10
Alle Kinder verfügen über vielfältige Begabungen und
Stärken. Indem die Einzigartigkeit jedes Kindes wahrge-
nommen und wertgeschätzt wird, erhalten die Schüle-
rinnen und Schüler die Möglichkeit ihr Potenzial zu
entwickeln und in kreative Produktivität umzusetzen.
Dies kann durch einen Interessen- und stärkenorien-
tierten Unterricht erreicht werden. Bei den Schülerinnen
und Schülern sollen individuelle Interessen und Stärken
geweckt, erfasst und gefördert werden. Die Lernenden
sollen befähigt werden, ihre eigenen Stärken zu
erkennen und diese auch produktiv in die Zusammen-
arbeit mit anderen einzubringen. Dabei wird auch
grosser Wert darauf gelegt, dass die Kinder in einer
Schulklasse sich gegenseitig in ihrer Vielfalt achten und
wertschätzen. Auch hochbegabte Kinder profitieren sehr
davon, wenn in einer Schule vor dem Hintergrund einer
Ressourcenorientierung unterrichtet wird und somit die
Begabungsförderung ein normaler und integraler
Bestandteil des Unterrichts ist. 3
Wissenschaftliche Studien über kreativ-produktive
Menschen, welche in spezifischen Bereichen Hochleis-
tungen erbringen, haben gezeigt, dass allein das Vorhan-
densein überdurchschnittlicher Fähigkeiten keine
Garantie für herausragende Leistungen ist. Überdurch-
schnittliche Fähigkeiten sind zwar eine Voraussetzung
für Hochleistungen, aber sie führen nur im Zusammen-
spiel mit anderen Faktoren zu herausragenden Leis-
tungen. Joseph Renzulli postuliert in seinem Erklärungs-
modell drei Faktoren, welche zusammen
Hochleistungsverhalten ermöglichen: Überdurchschnitt-
liche Fähigkeiten, Engagement und Kreativität. Renzulli
veranschaulicht in seinem Modell diese Faktoren als drei
Ringe, welche miteinander verwoben sind. Der Bereich,
Ressourcenorien-
tierter Ansatz
Das Drei-Ringe-
Modell
11
in welchem sich die drei Ringe überlappen, symbolisiert
die Interaktion der drei Faktoren, welche eine kreativ-
produktive Hochleistung ausmacht. Untenstehend sind
die drei Ringe näher beschrieben.
1. Ring - Überdurchschnittliche Fähigkeiten
Fähigkeiten werden in allgemeine Fähigkeiten und spezi-
fische Fähigkeiten unterteilt. Allgemeine Fähigkeiten
beinhalten Abstraktes Denken, Informationsverarbeitung,
Gedächtnisfähigkeit, Sprachflüssigkeit sowie die
Fähigkeit, mit neuen Erfahrungen umgehen zu können
und sich in neuen Situationen angemessen und flexibel
zu verhalten. Spezifische Fähigkeiten bezeichnen Wissen
und Fertigkeiten in spezifischen Wissens- oder Tätig-
keitsgebieten. Der oberste Leistungsbereich in einem
bestimmten Gebiet wird als überdurchschnittlich
bezeichnet, dies entspricht etwa den obersten 15 bis 20
Prozent.
Überdurch-
schnittliche
Fähigkeiten
Kreativität
Engagement
Hochleistung
12
2. Ring – Engagement
Engagement bezeichnet die Fähigkeit, in einem
bestimmten Bereich ein hohes Ausmass an Interesse,
Faszination und Leistungsmotivation zu entwickeln. Dies
zeigt sich durch Ausdauer, Entschlossenheit, harte Arbeit
und Hingabe sowie durch das Selbstvertrauen in die
eigene Fähigkeit und die Bereitschaft, für die eigene
Arbeit einen hohen Qualitätsstandard zu setzen.
3. Ring – Kreativität
Mit Kreativität wird die Fähigkeit zum ungewöhnlichen,
originellen Denken und Handeln bezeichnet. Dies zeigt
sich durch Vorstellungsreichtum, Offenheit für Erfah-
rungen und Flexibilität.
Wenn die Schule eine grosse Vielfalt von Anreizen,
stimulierenden Lerngelegenheiten und -erfahrungen
anbietet, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass die
Lernenden vermehrt kreative Ideen und Engagement
entwickeln. Dabei stimulieren sich Kreativität und Enga-
gement gegenseitig. 4
Das Fit-Konzept von Remo Largo thematisiert die
Bedeutsamkeit der Übereinstimmung zwischen Kind und
Umwelt für die Entwicklung und das Wohlbefinden des
Kindes. Die Vielfalt bezüglich Entwicklungsstand,
Bedürfnissen und Eigenheiten bei verschiedenen Kindern
macht einen individuellen Umgang unabdingbar. Nur so
können Bedingungen geschaffen werden, welche dem
Kind entsprechen und seinen individuellen Fähigkeiten,
Bedürfnissen und Möglichkeiten gerecht werden. Selbst-
wertgefühl und Wohlbefinden stellen elementare Voraus-
setzungen dar, dass sich Kinder bestmöglich entwickeln
Das Fit-Konzept
13
können. Diese Voraussetzungen werden massgeblich
durch drei Bereiche beeinflusst:
�Geborgenheit
� Zuwendung und soziale Anerkennung
� Entwicklung und Leistung
Wenn die angestrebte Übereinstimmung zwischen Kind
und Umwelt in diesen Bereichen gelingt, fühlt sich das
Kind wohl, zeigt Interesse an der Umwelt und kann ein
gutes Selbstwertgefühl entwickeln. Kinder haben das
Bedürfnis, ihre angelegten Fähigkeiten und ihr Potenzial
zu entwickeln. Eine gute Beziehung zur Lehrperson und
Lehrangebote, welche den entwicklungsspezifischen
Interessen und Fähigkeiten angepasst sind, ermöglichen
dies. Wenn die Leistungen in der Schule seinen Möglich-
keiten entsprechen, ist das Kind mit sich selbst
zufrieden. Wichtig ist, dass Lehrer und Bezugspersonen
in erster Linie die Anstrengungen der Kinder und nicht
nur die Leistungen würdigen und wertschätzen. 5
Misfit bezeichnet eine mangelnde Passung zwischen
Kind und Umwelt. Ein Misfit führt oftmals zu einer Beein-
trächtigung des Wohlbefindens und des Selbstwertge-
fühls. Eine weitere Auswirkung kann reaktives Verhalten
sein. Das Kind macht damit auf seine Bedürfnisse
aufmerksam und bemüht sich aktiv darum, dass diese
erfüllt werden. Wenn der Misfit über eine längere Zeit
besteht, führt dies zu einer chronischen Belastung des
Kindes. Als Reaktionen darauf können Verhaltensauffäl-
ligkeiten, psychosomatische Symptome, Entwicklungs-
verzögerungen und Depressionen auftreten.
Misfit
14
Die Entstehung eines Misfits erklärt Remo Largo mit drei
möglichen Ursachen:
� Extremvariante der interindividuellen oder intraindivi-
duellen Variabilität
�Ungenügende Anpassung der Umwelt an die individu-
ellen Bedürfnisse und Verhaltenseigenheiten des
Kindes
�Kombination von ungenügender Anpassung und einer
Extremvariante
Entwicklungsmerkmale wie Bedürfnisse, Kompetenzen
und Sozialverhalten sind von Kind zu Kind unter-
schiedlich ausgeprägt und so gibt es in allen Entwick-
lungsbereichen auch Extremvarianten. Dies kann ein
ungewöhnliches Entwicklungstempo oder eine unge-
wöhnlichen Ausprägung eines Merkmals sein. Ein Kind
kann in der Entwicklung von bestimmten Kompetenzen
schon sehr viel weiter fortgeschritten sein als der Durch-
schnitt der Kinder im gleichen Alter. Dies ist bei hochbe-
gabten Kindern der Fall. Wenn ein Kind nicht auffallen
will und versucht, wie die anderen Kinder zu sein, kann
dies zu Schwierigkeiten führen. Das hochbegabte Kind
versucht seine Unterforderung zu verstecken und erhält
dann auch nicht die seinen Fähigkeiten entsprechende
Förderung. Dies führt zu Unbehagen, weil das Kind sich
verstellen muss und es seine intellektuellen Bedürfnisse
in der Schule nicht befriedigen kann. Ein Kind kann
folglich nicht nur an seinen Schwächen, sondern auch
an seinen Stärken leiden.
15
Unterschiede gibt es zwischen verschiedenen Kindern,
aber auch beim einzelnen Kind selbst. Wenn diese intra-
individuellen Unterschiede sehr ausgeprägt sind, also
zum Beispiel die Unterschiede zwischen verschiedenen
Kompetenzen bei einem Kind sehr gross sind, kann das
ebenfalls zu einem Misfit führen. 5
Underachiver (Minderleister) sind Schülerinnen und
Schüler, welche nicht jene Leistungen erbringen , welche
ihrem eigentlichen Potenzial entsprechen würden. Die
Ursachen für underachievment sind vielfältig. Mögliche
Gründe können sein: Desinteresse an schulischen Lern-
bereichen oder an der Art, wie das Wissen vermittelt
wird, Lernschwierigkeiten oder Teilleistungsschwächen,
mangelnde Lerntechniken, Perfektionismus, Angst vor
Misserfolgen, Langeweile wegen Unterforderung etc. Um
hochbegabte Underachiever zu erkennen, ist in der
Regel eine testpsychologische Untersuchung der Intel-
ligenz sowie schulbezogener Fähigkeiten und Kenntnisse
erforderlich. Bei Interventionen versucht man, bei den
Stärken, Begabungen und Interessen der Schülerin/des
Schülers anzusetzen, um allfällige Lernblockaden aufzu-
lösen und das Lern- und Arbeitsverhalten verbessern zu
können. Die individuellen Ursachen für das underachie-
vment sollten dabei berücksichtig werden. Ungefähr
15-25% der Hochbegabten sind Underachiever.
Insgesamt sind mehr Jungen als Mädchen betroffen. 6/7
Minderleister
16
Der Leitsatz «Schule als Ort für Talententwicklung» stellt
die Grundlage für das von Joseph Renzulli und Sally
Reis in den USA entwickelte Schulische Enrichment
Modell dar. Dieser Leitsatz basiert auf der Überzeugung,
dass in der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung alle
Menschen eine wichtige Rolle spielen. Die Schule sollte
ein Ort sein, wo alle Schülerinnen und Schüler Möglich-
keiten, Ressourcen und Ermutigung erhalten, so dass sie
ihr individuelles Potenzial entdecken und entfalten
können. Wenn die Schule den jungen Menschen viel-
fältige, anregende und reichhaltige Erfahrungen ermög-
licht, wird die Schule zu einem Ort, wo das Lernen den
Schülerinnen und Schülern wirklich Freude macht.
Dadurch entsteht wachsendes Engagement für selbstge-
wählte und herkömmliche schulische Aktivitäten. Die
traditionelle Art, Schülerinnen und Schüler als hoch-
begabt zu etikettieren wird vermieden, indem Begabung
nicht als Zustand, sondern mehr als Einladung zum Tun
betrachtet wird. 4
Das Schulische Enrichment Modell SEM von Professor
Renzulli stellt eine Auswahl von Strategien zur
Verfügung, wie die Motivation und die Schulleistungen
verbessert werden können. Ziel ist die breite Bega-
bungsförderung in der Volksschule. Das Schulische
Enrichment Modell besteht aus drei Grundprinzipien,
welche aufeinander aufbauen: Talentportfolio,
Compacting und Enrichment. Im Talentportfolio werden
detailliert die Stärken jeder Schülerin und jedes Schülers
erfasst. Dabei interessieren Fähigkeiten, Interessen und
Lernstil-Präferenzen. Das Talentportfolio spielt eine
zentrale Rolle bei Entscheidungen über individuelle
Fördermassnahmen. Beim Compacting wird der Basis-
Das Schulische
Enrichment Mo-
dell SEM
17
lernplan individuell an die Fähigkeiten der Schülerinnen
und Schüler angepasst, so dass alle optimal gefordert
und gefördert werden können. Der Basislernplan wird
dabei gestrafft und intensiviert. Mit Enrichment–Mass-
nahmen wird der Schulstoff vertieft und um zusätzliche
Inhalte erweitert. Renzulli beschreibt drei verschiedene
Typen von Enrichment-Aktivitäten:
Typ I-Aktivitäten
Diese Form des Enrichment beinhaltet Schnupperan-
gebote, welche den Schülerinnen und Schülern neue
Erfahrungen in verschiedenen Wissens- und Tätigkeits-
gebieten ermöglichen, die nicht Bestandteil des
normalen Lehrplans sind. Dies gibt den Lernenden die
Möglichkeit neue Interessen zu entdecken. Die Aktivi-
täten werden in der Regel von einem Enrichment-Team
organisiert. Dieses Team besteht aus Schülerinnen und
Schülern, Lehrpersonen und Eltern. Es werden Refe-
renten eingeladen, Filmvorführungen organisiert, Work-
shops durchgeführt, Führungen in Museen, Firmenbe-
suche etc. organisiert.
18
Typ II-Aktivitäten
Um eine tiefergehende Beschäftigung mit einem
bestimmten Thema oder Wissensbereich zu ermög-
lichen, werden oft besondere Fertigkeiten benötigt. Beim
Typ-II Enrichment geht es darum, dass die Lernenden
spezifische und auch allgemeine Fertigkeiten entwickeln
können. Dies sind zum Beispiel Lern- und Arbeitstech-
niken, Recherchieren sowie Kommunikations- und
Präsentationsfähigkeiten. Die Entwicklung von kriti-
schem und kreativem Denken ist ein wichtiger
Bestandteil des Typ-II Enrichments. Auch das Training
von sozialen und emotionalen Kompetenzen wird ange-
strebt.
Typ III-Aktivitäten
Diese Enrichmentform beinhaltet eigenständige Projekte
von Lernenden, alleine oder in kleinen Gruppen. Dies
können zum Beispiel künstlerische Darbietungen, selb-
ständige Forschungen oder kreatives Schreiben sein.
Ziel ist es, dass es sich dabei um echte Problemstel-
lungen handelt und diese mit möglichst professionellen
Methoden angegangen werden.
Weitere Informationen zu Jospeh Renzulli und dem
Schulischen Enrichment Modell
www.gifted.uconn.edu
www.renzullilearning.com
19
Eine zusätzliche Möglichkeit hochbegabte Kinder zu
fördern, ist die frühzeitige Einschulung oder das Über-
springen einer Klasse in der Volksschule. Dies kann bei
Unterforderung eine wirksame Massnahme sein.
Wichtige Voraussetzungen für ein erfolgreiches Über-
springen sind neben der überdurchschnittlichen kogni-
tiven Leistungsfähigkeit auch die sozial-emotionale Reife
sowie Lernmotivation und Durchhaltevermögen. Bevor
ein definitiver Entscheid gefällt wird, sollte das Kind die
Möglichkeit haben, eine Schnupperzeit von 2 bis 6
Wochen in der höheren Klasse zu verbringen.
Frühzeitige Ein-
schulung/Über-
springen einer
Klasse
20
Begabungsf
ör-
deru
ng in d
en
Kanto
nen
3
21
Das Netzwerk Begabungsförderung verbindet Institu-
tionen und Personen, die sich für Begabungs- und
Begabtenförderung engagieren. Es wird getragen von
den Deutschschweizer Kantonen. Aus jedem Kanton
arbeitet eine Vertreterin oder ein Vertreter aktiv im
Netzwerk mit, um einen Austausch von Erfahrungen
zwischen den Kantonen zu ermöglichen. Diese Kanto-
nalen Projektverantwortlichen bestimmen den Kurs des
Netzwerks und seine inhaltliche Ausrichtung, vernetzen
ihre Aktivitäten und bilden sich im Rahmen ihrer halb-
jährlichen Treffen weiter. Auf der Internetseite des Netz-
werks Begabungsförderung findet man auch alle
Adressen der zuständigen Projektverantwortlichen für
Begabungsförderung in den einzelnen Kantonen.
www.begabungsfoerderung.ch
22
Weit
erb
ildung
für
Lehrp
er-
sonen
4
23
Die beiden Studiengänge zur Integrativen Begabungs-
und Begabtenförderung (CAS und MAS) vermitteln
Kompetenzen im Erkennen und gezielten Fördern beson-
derer Begabungen. Sie befähigen, Unterricht und weiter-
führende Lernangebote begabungsorientiert zu gestalten
und vermitteln in der Praxis bewährte Konzepte der
Begabtenförderung. Ergänzend zur Didaktik spezieller
Förderung qualifiziert der Weiterbildungsmaster zur
Entwicklung, Leitung und Evaluation begabungsför-
dernder Programme, zu begabungsspezifischer pädago-
gischer Diagnostik sowie zur Beratung von Lehrper-
sonen, Eltern und Behörden. Die Lehrgänge richten sich
an Lehrpersonen aller Stufen, Mitglieder von Schullei-
tungen, Fachpersonen schulischer Dienste und
Behörden sowie in der Begabungsförderung Tätige.
Der CAS dauert 2 Semester und der MAS dauert 3
Semester. Mehr Informationen finden Sie unter
www.fhnw.ch
In vielen Kantonen gibt es auch in Rahmen der kanto-
nalen Lehrerfortbildungen Angebote zum Themenbereich
Begabungs- und Begabtenförderung.
Weitere Informationen zu Weiterbildungsmöglichkeiten
finden Sie beim Netzwerk Begabungsförderung
www.begabungsfoerderung.ch
Integrative Bega-
bungs- und Be-
gabtenförderung
24
LIS
SA
-PR
EIS
5
25
Der LISSA-Preis zeichnet Schulen aus, die den Weg zur
begabungs- und begabtenfördernden Schulgemein-
schaft erfolgreich eingeschlagen haben. Prämiert werden
Projekte, welche Stärken stärken und damit allen Schü-
lerinnen und Schülern ermöglichen, ihre individuellen
Interessen und Neigungen zu entdecken und zu
entfalten. Der Preis geht an Schulen, in denen selbstge-
steuertes Lernen dank Begabungsförderung kein
Schlagwort, sondern gelebte Praxis ist.
1. Förderung. Der LISSA-Preis fördert die breite Bega-
bungsförderung an der Volksschule.
2. Öffentlichkeit. Der LISSA-Preis schafft Öffentlichkeit
für wegweisende, innovative Begabungsförderungs-
projekte.
3. Vernetzung. Der LISSA-Preis vernetzt Schulen und
fördert so den Austausch von Know-how.
1. Preis: Fr. 10’000.-
2. Preis: Fr. 5’000.-
3. Preis: Fr. 2’500.-
Die Preise können auch mehrfach vergeben werden.
Detaillierte Ausschreibung und Teilnahmeformular unter:
www.lissa-preis.ch
Ziele
Preisgelder
Interessiert?
26
Schüle
rwett
be-
werb
e
6
27
7Auf der Website www.schulwettbewerb.ch findet sich
eine Reihe von Wettbewerben für Kinder und Jugend-
liche. Solche Schülerwettbewerbe sind dazu da, Bega-
bungen von Kindern und Jugendlichen zu entdecken und
entsprechend zu stärken. Die Themen und Aufgaben-
felder der Wettbewerbe sind Erweiterungen des Schul-
stoffs und bieten somit vertiefte Einblicke in die Fachge-
biete. Neben den Inhalten lernen die Teilnehmer im Team
zu arbeiten, mit Stress umzugehen sowie Probleme zu
analysieren und zu lösen. Begabte Schülerinnen und
Schüler können so nach ihren Fähigkeiten optimal
gefördert werden. Ein Wettbewerb kann auch das eigene
Selbstbewusstsein stärken und das Selbstkonzept
besser zugänglich machen.
28
7A
nla
ufs
telle
H
ochbegabung
29
Die ANLAUFSTELLE HOCHBEGABUNG ist die einzige
unabhängige und unentgeltliche Beratungsstelle für
Eltern, Lehrpersonen und Angehörige von hochbegabten
Kindern.
Die ANLAUFSTELLE HOCHBEGABUNG informiert und
berät bei folgenden Themen:
� Fördermöglichkeiten der Schulen im jeweiligen Kanton
� Förderprogramme und –institutionen
�Abklärungsmöglichkeiten für Begabung
� TherapeutInnen im Falle psychischer Probleme
�Selbsthilfeorganisationen und Beratungsstellen für
Eltern
�Weiterbildungsmöglichkeiten für Eltern, Behörden und
Lehrkräfte
� Literatur und Fachveranstaltungen zum Themenbe-
reich
Die Beratung kann telefonisch oder via E-Mail durchge-
führt werden.
Email: [email protected]
Telefonnummer: 061/411 10 11 (jeweils Dienstag und
Mittwoch, 14-17 Uhr)
Weitere Informationen zur Anlaufstelle
www.hochbegabt.ch
30
Weit
erf
ühre
nd
e
Info
rmati
onen 8
31
1 Die Rahmentheorie der vielfachen Intelligenz.
Howard Gardner, Klett-Cotta Verlag, 1998
2 Begabte Kinder finden und fördern. Ein Ratgeber für
Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und
Lehrer.
Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2010
3 Das Schulische Enrichment Modell: Schulentwicklung
durch Begabungs- und Begabtenförderung.
Marion Rogalla, Journal für Begabungsförderung, 1,
2009, S.7-16
4 Das schulische Enrichment Modell SEM – Begabungs-
förderung ohne Elitebildung.
Joseph Renzulli, Sally M. Reis/ Ulrike Stedtnitz, Sauer-
länder Verlag 2001
5 Kinderjahre. Die Individualität des Kindes als erziehe-
rische Herausforderung.
Remo H. Largo, Piper Verlag 2006
6 FAQs zur Begabungs- und Begabtenförderung. Die
häufigsten Fragen in Zusammenhang mit (Hoch)
Begabung.
ÖZBF – Österreichisches Zentrum für Begabtenför-
derung und Begabungsforschung 2010
7 Fragen und Antworten zum Thema Hochbegabung.
Karg-Stiftung für Hochbegabtenförderung 2008
Quellen
32
Alle gleich – alle unterschiedlich!
Alois Buholzer, Annemarie Kummer Wyss (Hrsg.), Klett
und Balmer Verlag Zug 2011.
ISBN 978-3780010568
Inhalt: Umgang mit Heterogenität in Schule und Unter-
richt.
Inklusive Begabtenförderung in der Grundschule.
Konzepte und Praxisbeispiele zur Schulentwicklung.
Olaf Steenbuck, Helmut Quitmann, Petra Esser (Hrsg.) ,
Beltz 2011
ISBN: 9783407255525
Inhalt: Erfahrungen und Grundlagen für eine begabungs-
fördernde Grundschulpädagogik.
Stärken entdecken – erfassen – entwickeln. Das Talent-
portfolio in der Schule.
Urs Eisenbart, Beat Schelbert, Esther Stokar-Bischofs-
berger, Schulverlag 2010
ISBN: 978-3-292-00629-5
Inhalt: Praxisorientierte Einführung in die stärkenorien-
tierte Förderung auf allen Stufen der Volksschule.
Begabungsförderung leicht gemacht. Unterlagen und
Konzepte von LISSA-Preisträgern.
Herausgegeben von der Stiftung für hochbegabte Kinder
und der Stiftung Mercator Schweiz. hep-Verlag Bern
2009.
ISBN 978-3-03905-574-6
Inhalt: Acht mit dem LISSA-Preis ausgezeichnete
Schweizer Primarschulen präsentieren ihre Modelle und
gewähren Einblick in die konkrete Umsetzung.
Literatur-
empfehungen
33
Mythos Begabung. Vom Potenzial zum Erfolg.
Ulrike Stedtnitz, Huber Verlag 2008
ISBN: 3 456-84445-X
Inhalt: Neue Ergebnisse der Intelligenzforschung, der
kognitiven Neurowissenschaften und der Expertisefor-
schung werden einem breiten Publikum zugänglich
gemacht sowie der Begriff Hochbegabung hinterfragt.
Begabungsförderung – kein Tabu mehr. Bilanz und Pers-
pektiven.
Trendbericht Nr. 11 der Schweizerischen Koordinations-
stelle für Bildungsforschung 2007
ISBN: 978-3-905684-07-0
Inhalt: Übersicht über die Situation der Begabungsför-
derung an den Schweizer Volksschulen.
Mosaik Begabungsförderung.
Christine Böckelmann/ Regula Hug, Verlag Pestaloz-
zianum 2004
ISBN 3-03755-023-6
Inhalt: Konzepte und Erfahrungen aus dem Schulfeld.
Das schulische Enrichment Modell SEM - Grundla-
genband/ Begleitband.
Joseph Renzulli, Sally M. Reis/ Ulrike Stedtnitz, Sauer-
länder Verlag 2001
ISBN 3-7941-4916-5/ 3-7941-4917-3
Inhalt: Ziel dieses Modelles ist Begabungsförderung
ohne Elitenbildung zu betreiben.
Lichtblick für helle Köpfe.
Joelle Huser, Lehrmittelverlag Kt. Zürich 2001
ISBN 3-906744-32-9
Inhalt: Handbuch für Lehrer und Eltern, speziell mit
Tipps für den Unterricht.
34
Stiftung für hochbegabte Kinder
www.hochbegabt.ch
Netzwerk Begabungsförderung
www.begabungsfoerderung.ch
Karg-Stiftung für Hochbegabtenförderung
www.karg-stiftung.de
Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und
Begabungsforschung
www.begabtenzentrum.at
Verein zur Förderung besonders begabter Kinder –
Kanton Bern
www.fbk-bern.ch
Forschungs- und Beratungsstelle für kognitiv hochbe-
gabte Kinder
www.svilup.ch
Bereicherungsangebote der Kantone AG, BL, BS, SO
www.bildungsraum-nw.ch/angebote
Schweizer Jugend forscht
www.sjf.ch
Verband Schweizer Wissenschafts-Olympiaden
www.olympiads.ch
Übersicht Schülerwettbewerbe
www.schulwettbewerb.ch
Links
educa.chSchweizer Medieninstitut für Bildung und KulturErlachstrasse 21 | Postfach 612 | CH-3000 Bern 9Telefon: +41 (0)31 300 55 00
[email protected] | www.educa.ch