Im Japanfieber
Eine Ausstellung des Arp Museums Bahnhof Rolandseck
in Kooperation mit dem Musée des impressionismes, Giverny
26. August 2018 – 20. Januar 2019
Von Monet bis Manga
Georges Seurat Le Bec du Hoc, Grandcamp 1885 Tate, London
Wenn man sich mit japanischer Kunst befasst, dann sieht man,
wie ein weiser und kluger Mann seine Freizeit womit verbringt?
Er studiert einen einzigen Grashalm. Aber dieser Grashalm
bringt ihn dazu, alle Pflanzen zu zeichnen, dann alle
Jahreszeiten, die weiten Landschaften…
Vincent van Gogh
Gustave Caillebotte Das Margeritenbeet um 1892-1893 Musée des impressionismes, Giverny
Einführung
Die Ausstellung »Im Japanfieber
von Monet bis Manga« zeigt den
großen Einfluss der japanischen
Kunst auf die westliche Kultur von
den Impressionisten bis in unsere
Gegenwart.
Äußerer Anlass ist das 150-jährige Jubiläum der Meiji-Restauration (September
1868–Juli 1912). Nach 200 Jahren der Isolation öffnete Japan sich dem Westen.
Es kam zu einer wahren Flut japanischer Kunstgegenstände auf dem westlichen
Kunstmarkt. An den großen Weltaustellungen in Wien (1873) und in Paris
(1878) nahm die Meiji-Regierung aktiv teil, um japanischen Künstlern und
Kunsthandwerkern neue Märkte zu eröffnen. Mehr als 16 Millionen Besucher
strömten in die Pariser Weltausstellung und lernten dort japanische Kunst
kennen. 1890 nahm sich sogar die Kunsthochschule in Paris dem »Japanfieber«
an und zeigte eine große Ausstellung japanischer Grafik, zu der viele
impressionistische Künstler kamen. Monet, Signac und Van Gogh waren
begeistert von der Flächigkeit, den leuchtenden Farben, den gewagten
Naturausschnitten und Details sowie von der Unmittelbarkeit der japanischen
Farbholzschnitte von z. Bsp. Hiroshige und Hokusai. Die Eindrücke der
japanischen Kunst lösten eine wahre ästhetische Revolution in der westlichen
Malerei aus. Sie bilden ein wichtiges Fundament des Impressionismus, den
diese Ausstellung in seiner Blütezeit von 1870 bis in die Anfänge des 20.
Jahrhunderts unter dem Aspekt des Japonismus beleuchtet.
Jules Chéret Plakat der Ausstellung japanischer Grafik, organisiert von der Kunsthochschule in Paris 1890 Musée Carnavalet, Paris
Was wir im Westen am meisten schätzten, ist ihre Kühnheit im
Abschneiden ihrer Motive: Die Leute haben uns gelehrt, anders zu
komponieren, daran kann kein Zweifel sein.
Claude Monet
Utagawa Hiroshige Shisaku, Insel Iki, aus der Serie: Rokujû-yoshû Meisho zue Fondation Monet, Giverny
Katsushika Hokusai Der Wasserfall von Kirifuri am Berg Kurokami in der Provinz von Shimotsuke, aus der Serie: Shokoku Taki Meguri Fondation Monet, Giverny
Toyohara Kunichika Drei Geishas in Yanagibashi, aus der Serie: Hana-Zoroe Bijin Kurabe Fondation Monet, Giverny
Utagawa Hiroshige Abendschauer über der großen Brücke in Atake, aus der Serie: Meisho Edo Hyakkei Fondation Monet, Giverny
Claude Monet zählt zu den wichtigsten Sammlern japanischer Grafik in seiner
Zeit. Seine japanischen Farbholzschnitte sind daher Ausgangspunkt unserer
Ausstellung. Erstmals werden sie in einem größeren Konvolut außerhalb von
Frankreich gezeigt. Daneben sieht man berühmte Meisterwerke von Monet,
Signac, Seurat, Van Gogh und vielen anderen, die die japanischen Einflüsse auf
die Kunst des Impressionismus deutlich schildern.
In einem zweiten Ausstellungsteil im Künsterbahnhof Rolandseck wird die
kulturelle Inspiration Japans in der Populärkultur vom späten 19. Jahrhundert
bis heute verfolgt.
Die Ausstellung des Arp Museums Bahnhof Rolandseck findet in Kooperation
mit dem Musée des impressionismes, Giverny statt. Sie entstammt der Idee der
führenden Japonismus-Expertin Marina Ferretti, die in Rolandseck von Astrid
von Asten und Susanne Blöcker fortgeführt und kreativ ergänzt wird.
Der kleine blaue Salon im Haus von Claude Monet in Giverny mit Teilen seiner Sammlung Japanischer Grafik Fondation Monet, Giverny
Rundgang durch die Ausstellung
1. Das Atelier – die Impressionisten als Sammler japanischer Kunst
Atelieransichten von Vallotton bis Ensor belegen – in Verbund mit der
japanischen Farbholzschnittsammlung Claude Monets – das »Japanfieber« in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie selbstverständlich entdeckt man
an den Wänden vieler Künstlerateliers, auf Anrichten und Tischen japanische
Kunst und exotische Requisiten.
Felix Edouard Vallotton Max Rodrigues-Henriques im Atelier seines Stiefvaters Felix Vallotton 1900 Arp Museum Bahnhof Rolandseck / Sammlung Rau für UNICEF, Remagen
James Ensor Stillleben mit Chinoiserien 1907 Museum Dhondt-Dhaenens, Deurle / Belgien
Francois Gauzi Toulouse Lautrec mit Claudon und Nussez 1884 Bibliothèque Nationale de France, Paris
Paul Signac als Samurai ca. 1898 – 1900 Archives Signac, Paris
Ich brauche keine Japandrucke, denn ich sage mir immer,
dass ich hier in Japan bin.
Vincent van Gogh
Francois Gauzi Toulouse Lautrec mit Claudon und Nussez 1884 Bibliothèque Nationale de France, Paris
2. Geishas
Das Thema der »Geisha« wurde durch die Farbholzschnitte Utamaros und eine
Monographie der Gebrüder Goncourt 1891 in Frankreich popularisiert. Wie 30
Jahre zuvor beim Haremsmotiv, assoziierte man mit der Geisha exotische
Sinnlichkeit. Impressionisten wie Helleu, Signac oder Chase widmeten sich dem
Thema. Ihre Modelle im Kimono, umgeben von japanischen Requisiten wie
Fächern, Schirmen oder fernöstlichem Porzellan evozieren ein neues Ideal von
Weiblichkeit, das sich auch in der westlichen Alltagskultur des späten 19. Jahr-
hunderts niederschlug. Vielfach entwarfen die Impressionisten Fächer und
Wandschirme nach japanischen Vorbildern für Mutter, Frau oder Geliebte.
Utagawa Toyokuni II Die Kurtisane Aimi im Haus ‚Maruebi-ya flâne‘ begleitet von den zwei Kamuro Tsuruno et Kamashi Fondation Claude Monet, Giverny
William Merritt Chase Der Kimono um 1895 Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid
William Merritt Chase Mädchen im Blauen Kimono um 1888 Water Mill, NY / USA
Paul Signac Herbstnebel 1890 Musée Camille Pissarro, Pontoise
Pierre Bonnard Fächerentwurf: Frauen und Blumen um 1891 Fondation Triton, Belgien
Utamaro Kiitagawa Schminkszene 1795/96 Fondation Claude Monet, Giverny
Paul Signac Frisierszene. Opus 227 (Dekorationsentwurf für einen Waschraum) 1892 Privatsammlung
3. Der veränderte Blick - eine ästhetische Revolution
Der Einfluss Japans revolutionierte die europäische Malerei. Er weitete den
Horizont, veränderte und schärfte den Blick auf die eigene Umwelt, auf die
Schönheit des Details. Gewagte Naturausschnitte, hohe Horizonte und die
überraschende Unmittelbarkeit des Augenblicks ließen Perspektive und
Symmetrie nahezu vergessen. Die Ausstellung zeigt herausragende Beispiele
japonistisch-impressionistischer Malerei von Monet über Signac bis zu Van
Gogh.
Claude Monet Die Felspyramiden von Port-Coton 1886 Arp Museum Bahnhof Rolandseck/Sammlung Rau für UNICEF, Remagen
Utagawa Hiroshige Anblick der Strudel von Naruto bei Awa ; aus der Serie: Rokujû-yoshû Meisho zue
Fondation Claude Monet, Giverny
Utagawa Hiroshige Tobiuo (fliegender Fisch) Ishimochu, aus der Fisch-Serie Fondation Claude Monet, Giverny
Vincent Van Gogh (1853-1890) Die Heringe 1888 Privatsammlung
Sieh mal, ist das nicht beinah ein wahre Religion, was uns diese Japaner
lehren, die in der Natur leben, als wären sie selber Blumen?
Vincent van Gogh
Paul Signac Segelschiffe und Pinien 1896 Privatsammlung
Utagawa Hiroshige Stand mit Pinien bei Maiko in der Provinz Harima, aus der Serie: Rokujû-yoshû Meisho zue Fondation Claude Monet, Giverny
Japonismus: (k)eine Frage des Jahrhunderts?! Ausstellung im Bahnhof Rolandseck
Das Interesse an der fernöstlichen Kultur ist über die Ära der Öffnung Japans
hinaus seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ungebrochen. Nach dem
fulminanten Auftakt der Impressionisten, folgt eine intensive
Auseinandersetzung zunächst durch die Künstlergruppe »Der Blaue Reiter«
und, Mitte des 20. Jahrhunderts, im »Informell«. Nur wenig später beginnt eine
Ausweitung des Interesses in den Bereich der Populärkultur.
Dass Japonismus also keine Frage des Jahrhunderts ist, veranschaulicht ein
eigener Ausstellungsteil im Bahnhof Rolandseck. Er knüpft inhaltlich an jenen in
der Kunstkammer Rau an und führt Motivtraditionen und Entwicklungslinien
bis in die Gegenwart fort.
Dabei wird deutlich, wie stark die kulturelle Inspiration durch Japan heutzutage
die westliche Welt beeinflusst. Nach einem anfänglich primär durch die
bildende Kunst rezipierten japanischen Impuls ist dieser inzwischen zu einem
festen Bestandteil unserer visuellen Alltagskultur worden.
Hierzu haben in erster Linie die durch Japan inhaltlich wie ästhetisch
inspirierten Comics, sogenannte Mangas beigetragen. Sie stehen in der
Tradition der Holzschnitte Hokusais, die bereits die Impressionisten –
insbesondere Monet – begeisterten. Beispielhaft belegt dies das über
Jahrhunderte tradierte Brückenmotiv, das die Ausstellungteile verbindet.
Mangas bieten das, was Jugendliche wollen: fantastische
Abenteuer mit Charakter und Herz.
Harald Havas
Claude Monet Le Pont japonais 1918 Paris, musée Marmottan Monet, 5091
Melanie Hölscher Manga (Detail) Quelle: Universität Duisburg
Utagawa Hiroshige Brücke im Kameido Tenjin-Schrein 1856
Claude Monet Le Pont japonais 1918-1924 Paris, musée Marmottan Monet, 5092
In den historischen Bahnhofsräumen führen uns nun zahlreiche Mangas die
lebendige und überaus vielfältige Welt der japanischen Bildgeschichte vor
Augen, die in der globalisierten Comicszene ein fest verwurzelter Part ist. Einige
der Zeichnungen zeigen deutliche Referenzen an die Bildsprache und
Motivtradition der früheren Holzschnitte.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden die für Japan typischen Zeichentrickfilme,
Anime, die bereits seit den 1970er Jahren in Form von »Biene Maja« oder
»Heidi« unsere Kinderzimmer eroberten. Sie sind oftmals die Verkörperung
eines in Japan ausgeprägten Ideals (kawaii), das in der westlichen Welt am
ehesten dem Begriff des Kindchenschemas entspricht. Als visueller Code
beeinflussen diese Kindheitsideale seither unsere Sehgewohnheiten.
Netflix plant 30 neue Serien: Alle gehören zu einem
besonderen Genre – Anime Fans aufgepasst
Chip.de 10/17
Biene Maja Folienzeichnung 1975-76 Quelle: Das Manga Anime Syndrom, Ausst.-Kat. Frankfurt 2008
Heutige Animefilme bewegen sich indes oftmals im Fantasygenre und bilden,
wie zahlreiche Mangas, die Grundlage für eine weitere spannende Entwicklung,
die im dritten Teil der Bahnhofsausstellung aufgegriffen wird: Denn im Cosplay
werden die Hauptdarsteller auf faszinieren Weise zum Leben erweckt und
verwandeln unsere Innenstädte bei Cosplay-Events immer häufiger in
schillernde Fantasiewelten.
Black Butler, Sebastian Cosplay, Manga und Kostüm Quelle: Playwith.us und Pinterest
Viele Trends, denen Jugendliche heute folgen, stammen aus
dem Land des Lächelns. So verhält es sich auch mit der Lust
am Kostümieren, dem Cosplay.
Mechthild Wiesner/FAZ
Durch interaktive Spiele wie zuletzt vor allem Pokémon Go oder durch die
mittlerweile allgegenwärtige, fiktive Figur Hello Kitty durchdringen japanische
Einflüsse das westliche Alltags- und Konsumleben mehr und mehr und werden
bereits als Teil der eigenen Kultur assimiliert. Diese bunte Vielfalt wird nicht nur
im abschließenden Teil erleb- und konsumierbar.
Sitzgelegenheiten laden dazu ein, sich in aktuelle, wechselnde
Mangaproduktionen zu vertiefen oder sich bei Folgen der frühen Heidi-Serie
der Nostalgie hinzugeben.
Im Bereich des Cosplay bieten schillernde Kostüme und Perücken schließlich die
Möglichkeit, vor diversen Kulissen in eine fremde Welt abzutauchen, dies per
Selfie festzuhalten und über die sozialen Medien unmittelbar zu verbreiten.
Die gesamte Ausstellung wird begleitet von Zeichnungen einer in der Szene
angesagten Mangaka (Mangazeichnerin), die zahlreiche Wände des
klassizistischen Bahnhofs in eine lebendige Bildergeschichte verwandeln wird.
Sie stellt so ganz unmittelbar auf bildlicher Ebene die Verbindung zwischen den
beiden Teilen der Ausstellung her.
Ausstellungskatalog
Die Ausstellung wird von einem fundierten wissenschaftlichen Katalog
begleitet. Alle ausgestellten Werke werden ganzseitig abgebildet.
Er enthält u. a. Aufsätze von: Marina Ferretti, Wissenschaftliche Leiterin des
Musée des Impressionismes Giverny, von Sophie Basch, Université Libre de
Bruxelles, von Geneviève Aitken, Vanessa Lecomte, Musée des Impressionismes
Giverny und Susanne Blöcker, Kuratorin der Kunstkammer Rau im Arp Museum.
Gustave Caillebotte (1848 – 1894) Intérieur d'atelier avec poêle, 1872 Huile sur toile, 81 x 65 cm Collection particulière
Kikugawa Eizan Courtisane en robe d’apparat Estampe, 69,1 x 23,7 cm Giverny, Fondation Claude Monet © Giverny, Fondation Claude Monet*
Madame Kuroki, Claude Monet (1840-1926), Alice Butler (1894-1949), Blanche Hoschede-Monet und Georges Clemenceau (1841-1929) im Garten in Giverny 1921 Das japanische Ehepaar Kuroki sammelte drei Jahre lang französische Kunst im Auftrag von Frau Kurokis Onkel, dem Sammler Kojiro Matsukata. Frau Kuroki war die Enkelin des japanischen Premierministers der Meiji-Ära: Matsukata Masayoshi
Bewundernswert, die japanische Ausstellung. Hiroshige ist ein
wunderbarer Impressionist. Monet, Rodin und ich sind
begeistert davon; diese japanischen Künstler bestätigen mich
in unseren bestehenden Ansichten.
Camille Pissarro an seinen Sohn Lucien, 1893,
nachdem er mit Monet und Rodin eine Ausstellung
über Hiroshige und Utamaro besucht hatte.
Claude Monet (1840-1926) Seerosen 1908 Musée de Vernon, Vernon
Claude Monet Seerosenteich unter einer Trauerweide 1916-1919 Lycée Claude-Monet, Paris
Arp Museum Bahnhof Rolandseck Hans-Arp-Allee 1 53424 Remagen
_______________________________ T. 02228-942511/0 Fax +49 (0)2228 94 25 24 _______________________________ Dr. Oliver Kornhoff, Direktor [email protected] T. 02228-9425-11 Astrid von Asten, Kuratorin [email protected] 2228-9425-25 Dr. Susanne Blöcker, Kuratorin [email protected] T. 02228-9425-68
Claude Monet Blühende Apfelbäume am Flußufer 1880 Privatsammlung