Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Aus- und Weiterbildung
Prof. Dr. habil. Sabine Pfeiffer
Lehrstuhl für Soziologie
Universität Hohenheim
Vortrag beim Bildungsausschuss des IG Metall
Vorstands am 05. November 2015 in Frankfurt/M. Industrie 4.0 in a nutshell
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2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gründung der VerbändeplaPorm
PräsentaQon auf der Hannover Messe
Gründung PlaPorm
Umsetzungsempfehlungen
Pfeiffer (2015): Industrie 4.0 – Phänomen digitalen Despotismus? erscheint in: Mittelweg
Industrie 4.0 D i s k u r s
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gründung der VerbändeplaPorm
PräsentaQon auf der Hannover Messe
Gründung PlaPorm
Was ist das?Web 2.0?
Nicht bei uns
Machen wir doch
immer schon
Pusht InnovaQon
Umsetzungsempfehlungen
Pfeiffer (2015): Industrie 4.0 – Phänomen digitalen Despotismus? erscheint in: Mittelweg
Zunehmende Intensität und Wirkmacht.
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gründung der VerbändeplaPorm
PräsentaQon auf der Hannover Messe
Gründung PlaPorm
DeloiVe: Studie Bedeutung des industriellen Sektors
Task Forces im WEF u.a. Future of Global Manufacturing
WEF Copy Exactly! Blended Workforce
R. Berger: Roadmap PoliQk
Umsetzungs-empfehlungen
Accenture: Blended Workforce
DeloiVe: Global Manufacturing
CompeQQveness Index
WEF Enabling Trade Index
Pfeiffer (2015): Industrie 4.0 – Phänomen digitalen Despotismus? erscheint in: Mittelweg
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Gründung der VerbändeplaPorm
PräsentaQon auf der Hannover Messe
Gründung PlaPorm
DeloiVe: Studie Bedeutung des industriellen Sektors
Task Forces im WEF u.a. Future of Global Manufacturing
WEF Copy Exactly! Blended Workforce
R. Berger: Roadmap PoliQk
Umsetzungs-empfehlungen
Accenture: Blended Workforce
DeloiVe: Global Manufacturing
CompeQQveness Index
WEF Enabling Trade Index
Pfeiffer (2015): Industrie 4.0 – Phänomen digitalen Despotismus? erscheint in: Mittelweg
VielfälQge personelle und insQtuQonelle
Wechselwirkungen.
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
DeloiVe: Studie Bedeutung des industriellen Sektors
Task Forces im WEF u.a. Future of Global Manufacturing
WEF Copy Exactly! Blended Workforce
R. Berger: Roadmap PoliQk
Accenture: Blended Workforce
DeloiVe: Global Manufacturing
CompeQQveness Index
WEF Enabling Trade Index
Pfeiffer (2015): Industrie 4.0 – Phänomen digitalen Despotismus? erscheint in: Mittelweg
Globale Strategie
Schaffung weltweit standardisierter und vernetzter ProdukQons- und Dienstleistungsstrukturen, die eine
flexible und sich möglichst selbststeuernde KollaboraQon von fixem und variablen Kapital ermöglichen.
Runtergebrochen für Qualifizierung
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1.Element
Blended Workforce = besteht unterschiedslos aus digitaler Technik (Roboter, Algorithmen) und Menschen.
Von der Welt der Konzerne zur Welt als Konzern
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1.Element
Zitate aus Accenture 2015; Dais 2014; WEF 2015; vgl. Pfeiffer 2015.
Blended Workforce = besteht unterschiedslos aus digitaler Technik (Roboter, Algorithmen) und Menschen.
„Einsatz der Mitarbeiter hoch flexibel und
abhängig „von der in einem Zeitraum
erforderlichen Expertise“ (Dais 2015)
Digital Labour = „[…] smart sensors,
machines (e.g. robots) or intelligent systems
that can do parts of the jobs that only humans used to do“ (WEF 2015)
Technik ist kein bloßes „set of tools“
mehr, sondern der „newest employee“.
(Accenture 2015)
11
2.Element
Zitate aus Accenture 2015; ten Hompel 2014; WEF 2012; vgl. Pfeiffer 2015.
Austauschbare Fabriken, die flexibel vernetzt und global gemanagt, aber nicht zentral gesteuert werden müssen.
Revival des Copy Exactly!-Modells von Intel (WEF 2012).
„Der ideale Standort gilt nicht mehr für viele
Jahre. Das logistische Netzwerk und seine Knoten
müssen sich kontinuierlich den Gegebenheiten
anpassen. Daher sollten logistische Knoten in Zukunft umzugsfähig sein“ (ten Hommel 2014)
„[…] Architektur und [.] Regelwerk eines aus
Millionen von vernetzten Instanzen bestehenden
weltweiten Wertschöpfungsnetzwerkes […], das
sicher, robust und hochverfügbar ist“ (Dais 2015)
12
3.Element
Zitat: Hürtgen 2015: 123
SQgmaQsierende Stereotypisierung als Unqualifizierte nicht mehr nur
zwischen Nord und Süd, sondern in DE mit Blick auf die MiVe der
QualifikaQon.
Im Diskurs Dominanz von sok skills und akademischer Ausbildung, Abkehr von Spezialisierung. Stoffliche
Arbeitsbezüge werden als schwer/belastend und/oder RouQne abgetan, berufliche Erst- und Weiterbildung wird kaum
themaQsiert.
„Anders als in den 70er-Jahren gehofft und debattiert
setzt sich so hierarchische Polarisierung von
qualifizierten und unqualifizierten Arbeitskräften in
flexibel-transnationalem Gewand fort (…). ‚Stigmatisierende Stereotypisierung‘ als
Unqualifizierte erfolgt sowohl in Bezug auf eine
Funktionalität dieser unqualifizierten
Niedriglohnarbeit für die Sicherstellung der sog. high-
end Position als auch entlang einer Vereigenschaftung
als zu (Weiter-)Qualifikation weitgehend unfähig.“.
Jeder zweite Arbeitsplatz
verschwindet.
390.000 neue Arbeitsplätze
entstehen.
Frey/Osborne 2013
BCG 2014/2015
So wird Arbeit in Erhebungen erfasst
Sagen Sie mir bi/e, wie häufig diese Tä9gkeiten bei Ihrer Arbeit vorkommen: häufig, manchmal oder nie?
F305 Überwachen, Steuern von Maschinen, Anlagen, technischen Prozessen
F318 Arbeiten mit Computern
14Rohrbach-Schmidt, D./Hall, A. 2013: BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012. Version 3.0. Bonn. BIBB-FDZ Daten und Methodenberichte 1/2013
BiBB/BAuA n = ca. 20.000
Rou;ne = Mensch ersetzbar?
Karosseriebau OEM Deutschland
Heute schon AutomaQsierungsgrad > 90%
Verhältnis Roboter : Mensch = fast 50 : 50
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Anlageführer 2 Beispiele
Ein Mensch – 8 Roboter.
Im laufenden Betrieb: scheinbar reine Überwachung.
FakQsch: 20-30 mal pro Schicht Eingriff um
Störungen zu vermeiden.
KVP Team
Achsen für querfahrenden Roboter: Zahnflanken verschmutzen, regelmäßige Reinigung von 3 h.
Team entwickelt verschleißfreies Reinigungszahnrad.
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Umgang mit Komplexität
InnovaQon am Hallenboden
Arbeitsvermögen
Zwei Voraussetzungen
Qualifizierte Ausbildung
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67%
Pfeiffer/Suphan 2015
SituaQve Unwägbarkeiten
Strukturelle Komplexitäts-
zunahme
SituaQves Umgehen mit Komplexität
Relevanz Erfahrungslernen
Der AV-Index
ArbeitsmiVel
Arbeitsgegenstand
ArbeitsorganisaQon
Komplexität
Unwägbarkeiten AV =
✓sitKOM + sitUW + strKOM
3
◆·Rel = [0; 1]
Dabei gilt:
sitKOM =1
3
3X
i=1
xi = [0; 1]
sitUW =1
7
7X
i=1
yi = [0; 1]
strKOM =1
7
7X
i=1
zi = [0; 1]
1
Pfeiffer/Suphan 2015. Basis BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012; ohne Beamte und Azubis
Pfeiffer/Suphan 2015
SituaQves Umgehen mit Komplexität
Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, … (häufig/manchmal/nie)F327_01 dass Sie auf Probleme reagieren und diese lösen müssen? F327_02 dass Sie eigenständig schwierige Entscheidungen treffen müssen? F327_06 dass Sie mit anderen Personen beruflich kommunizieren müssen? sitKOM
3 items
AV =
✓sitKOM + sitUW + strKOM
3
◆·Rel = [0; 1]
Dabei gilt:
sitKOM =1
3
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i=1
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sitUW =1
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yi = [0; 1]
strKOM =1
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i=1
zi = [0; 1]
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SituaQve Unwägbarkeiten
Strukturelle Komplexitäts-
zunahme
Relevanz Erfahrungslernen
sitUW 7 items
strKOM 7 items
Rel1 item
Pfeiffer/Suphan 2015. Basis BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012; ohne Beamte und Azubis Pfeiffer/Suphan 2015. Basis BIBB/BAuA Erwerbstätigenbefragung 2012; ohne Beamte und Azubis
Bildungsniveau
Arb
eits
verm
ögen 71%
Bildungs-niveau
AV-Index MW N Std.-Abw.
low 0,347 1196 0,327medium 0,520 10034 0,300high 0,602 3756 0,252Insgesamt 0,526 14986 0,298
0,622 Industrie-/Werkzeugmech.
0,5
0,673Ingenieure/Techniker
0,690IT-Kernberufe
0,662GF / Unternehmens-
beratung
0,613Elektroberufe
BeschäEigte DE
!21
Was heißt das fürQualifizierung
!22
Industrie 4.0 und Anforderungen an ErfahrungAnforderungen an subjekNvierendes Arbeitshandeln
Veränderte Anforderungen an das Arbeitsvermögen auf der Ebene von:
Gestaltungsprozess ↑ Komplexität ArbeitsmiWel Arbeitsgegenstand ArbeitsorganisaNon
Web 2.0. Schicht-Doodle. Tablets.
Ansätze, bei denen Web2.0-Nutzungsszenarien in der FerQgung ankommen. D.h. dabei geht es um webbasierte – und damit auf jeder PlaPorm – nutzbare Anwendungen zu KommunikaQon zwischen Menschen, also etwa ein Doodle zur Absprache über Schichteinsätze oder webbasierte KommunikaQon zwischen Instandhaltern.
CPS. Internet of Things. Big Data.
QualitaQv neue datentechnische Verknüpfungen von physischen Gegenständen, die bislang ohne Datenverbindung waren und auf deren Basis sich neue Potenziale der selbstorganisierten ProdukQonssteuerung, der Instandhaltung und der logisQschen Vernetzung ergeben. Internet of Things und Big Data zu Maschinenverschleiß, LogisQk etc.
2-Arm Roboter. Leichtbauroboter. AdapQve RoboQk. 3D PrinQng.
Technologisch neue AutomaQsierungsansätze wie LeichtbauroboQk, neue Ansätze in der RoboQk, die bspw. zweiarmig agieren, mehr und feinfühligere – adapQve – Sensorik mitbringen oder auch addiQve Verfahren viel das 3D-PrinQng.
Wearables. QuanQfy-me. Big Data Zugriff auf Körper- und VitalfunkQonen.
Wearables und QuanQfy-me ApplikaQonen kombiniert mit Big Data und intelligenten Algorithmen erweitern Zugriff und Kontrolle bis in Körper- und VitalfunkQonen der Arbeitenden.
Dimensionen von Industrie 4.0
Pfeiffer 2015
!23 Pfeiffer 2015
Vergleichsweise wenig problema2sch, o4 aus Lebenswelt bekannt. Kann im Doing erlernt werden. Wissen um Kontrolle, Sichtbarkeit, Performanz wird nö2ger.
Nur effek2v nutzbar, wenn durch Beschä4igte und nach deren Bedarf gestaltet.
Arbeitsvermögen notwendiger, aber teils schwieriger auszuprägen.
Disrup2ve Veränderung. Zunahme an formaler Qualifika2on im Umgang mit Daten, Zunahme an Fähigkeit Off- und Online aufeinander zu beziehen. Upgrading der Qualifika2on in industriellen und logis2schen Kern, Gefahr des Downgrading an den Rändern. Inhalte für Qualifizierung ex ante kaum bes2mmbar.
Nur gestaltbar unter Einbezug des Fach- und Erfahrungswissens der Beschä4igten.
Neues Arbeitsvermögen wird entstehen.
Roboter-/Maschinenbedienung inkrementell erlernbar, wenn zuvor Facharbeiterqualifika2on vorhanden. QualifikaNonsanforderungen morgen extrem abhängig von Gestaltungs-prämissen heute!
Par2ell neue Abläufe, neue Nähe zu Kunden, erhöhte Komplexität.
Nur gestaltbar unter Einbezug des Fach- und Erfahrungswissens der Beschä4igten.
Gefahr, dass Bedeutung von Erfahrungswissen unterschätzt wird. Neues Erlernen erschwert.
Abhängig davon wie grundsätzliche Gestaltungsprämissen entschieden werden: Wenn reine Unterstützung des Menschen, kaum Anforderungen an Qualifika2on. Sonst Gefahr des systema2schen Downgradings von Qualifika2on.
Um Missbrauch zu vermeiden und Nutzen für Arbeitnehmer zu stärken, nur mit ihnen zu entwickeln.
Industrie 4.0 und Einflussfaktoren – Anforderung an Qualifizierung-1
Zunahme Stärke der Veränderung Beteiligung↑ Komplexität ArbeitsmiVel Arbeitsgegenstand ArbeitsorganisaQon Gestaltungsprozess
Blackbox Industrie 4.0?
Background: © 123dartist - fotolia.com
71%67% unserer Beschäkigten haben (mindestens) eine duale berufliche
QualifikaQon. 71% bewälQgen heute schon ständigen Wandel, gehen um mit Unwägbarkeiten und Komplexität.
Das ist ein einmaliges Potenzial um Industrie 4.0 parNzipaNv zu gestalten. Und dabei Lösungen zu
finden, die nachhalQg WeVbewerbsvorteile sichern.
67% !26
71%71% unserer Beschäftigten bewältigen
Unwägbarkeiten und Komplexität situativ. Das ist ein einmaliges Potenzial.
Und: das einzig nicht-kopierbare. Es gilt dieses jetzt in partizipativen Prozessen in die
Gestaltung einzubringen.
Hürtgen, S. 2015: Qualifizierung und Polarisierung im transnaQonalen Raum der Lohnarbeit. In: Atzmüller, R. u. a. (Hg.): Die zeitgemäße Arbeitskrak. Qualiziert, akQviert, polarisiert. Weinheim, Basel, S. 27–124
Pfeiffer, S (2015): Industrie 4.0 und die Digitalisierung der ProdukQon – Hype oder Megatrend? In: Aus PoliQk und Zeitgeschichte. 65 (31/32), S. 6–12. www.bpb.de/apuz/209955/industrie-4-0-und-die-digitalisierung-der-produkQon
Pfeiffer, S; Suphan, A (2015): Der AV-Index. Lebendiges Arbeitsvermögen und Erfahrung als Ressourcen auf dem Weg zu Industrie 4.0. Working Paper #1, Universität Hohenheim, Fg. Soziologie. www.sabine-pfeiffer.de/files/downloads/2015-Pfeiffer-Suphan-drak.pdf
Pfeiffer, S; Suphan, A (2015): The Labouring Capacity Index: Living Labouring Capacity and Experience as Resources on the Road to Industry 4.0. Working Paper #2, University of Hohenheim, Chair for Sociology. www.sabine-pfeiffer.de/files/downloads/2015-Pfeiffer-Suphan-EN.pdf
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Prof. Dr. habil. Sabine Pfeiffer www.sabine-pfeiffer.de
@sabinepfeiffer
Vielen Dank!