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Das Themenmagazin von Ketchum Pleon | Juni 2013
Inspire #03
Nie mehr allein?Schwerpunkt Allianzen
2 // SCHWERPUNKT ALLIANZEN
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
„Nie mehr allein?“, fragen wir uns in dieser Ausgabe. Denn die Kommunikationsbranche setzt aktu
ell auf neue Zusammenschlüsse, überraschende Querverbindungen, Perspektivwechsel und auf
die Kombination aus vermeintlich Unvereinbarem. Kurz: auf neue Allianzen.
Damit sind nicht etwa Bündnisse für die Ewigkeit gemeint, sondern kollektive, spontane Zusammen
schlüsse für gemeinsame Vorhaben. Diese nehmen wir in Inspire etwas genauer unter die Lupe.
Unsere Autoren untersuchen zum Beispiel das Verhältnis von Journalismus und PR. Sie plädieren
für kreative Kooperationsansätze, streiten für ein neues Verständnis von Employer Branding und
fordern Rückzugsräume für die Entwickler politischer Inhalte. Sie rufen zum gemeinsamen Handeln
für Corporate Social Responsibility auf und beschwören die Kraft von Videoformaten, die Ziel
gruppen einbinden.
Unsere These: Es ist zwar meistens friedlicher allein, aber oft ist die Friedhofsruhe dann nicht mehr
weit entfernt. Wer seine Ziele erreichen will, kommt an Allianzen nicht länger vorbei. Denn künftige
Chancen für die Kommunikation liegen nicht unbedingt in originär neuen Ansätzen und Ideen. Sie
liegen vielmehr in der intelligenten Verknüpfung und Verzahnung von Inhalten, Tools, Medienkanä
len und vor allem von Menschen – unabhängig davon, ob es sich dabei um eigene Mitarbeiter,
Zielgruppen und Multiplikatoren oder Berater in Agenturen handelt.
Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre und würden uns freuen, wenn wir künftig gemeinsam
Allianzen schmieden können. Lesen dürfen Sie aber erst mal in Ruhe allein.
Ihr InspireTeam von Ketchum Pleon
PS: Die digitale Version des Magazins finden Sie auf unserem Blog
www.kpg-blog.de.
// 3 INHALT
4 Was Journalismus braucht, ist professionelle PR … sagt einer, der es wissen muss: UIf Brychcy kennt beide Seiten der Kommunikation.
6 Video sellsBewegtbild in der Kommunikation gehört heute zum guten (Social Media)Ton. Was dabei nicht vergessen werden sollte ...
8 Wirf das Handy in den Dreck Ein Fallbeispiel von unseren Wiener Nachbarn: Wie ein Video die magische Millionengrenze bei YouTube knackt.
10 Der Club der neuen Denker Zeit für mehr Rückzug und mehr Inhalte, sagen unsere Autoren in ihrem Plädoyer für mehr politische Allianzen.
12 Vom digitalen SpilloverEffekt „Die Social Networks verlassen den Screen“, sagt unser Kollege, der auszog, die digitale Entwicklung zu suchen.
14 Weckruf: Employer Branding Über die Kunst, keine AzubiVideos zu machen und die eigene Kultur des Unternehmens zu finden.
16 Reden – und Rudern Solange der schwarze Peter weiter zwischen NGOs, Unternehmen und Politik hin und hergeschoben wird, ändert sich nichts.
18 Bis die Idee uns eint Kreativität ist Agenturen vorbehalten? Glauben wir nicht. Aber lesen Sie selber.
4 // CONTENT UNSER
Herr Brychcy, seit diesem März sind Sie nun Pressesprecher der
BBDO. Wie fühlt man sich als erfahrener Journalist in der PR?
Ich fühl mich sehr wohl. Natürlich hilft es mir bei meinen Aufgaben,
dass ich bereits als Journalist und auch als Pressesprecher gearbeitet
habe. Ich kenne also beide Seiten des Schreibtisches.
Aber es heißt doch immer: Journalisten und PR-Menschen
trennen Welten …
Das ist mir viel zu apodiktisch. Beide sind Teil der Informations
gesellschaft: Der PRMitarbeiter kommuniziert die Botschaften
seines Auftraggebers. Der Journalist nutzt diese Informationen, um
seinen Lesern, Hörern oder Zuschauern Nachrichten zu bieten und
Geschichten zu erzählen, die deren Bedürfnissen entsprechen.
Also unabhängiger Journalismus hier, interessengeleitete Auf-
tragskommunikation dort?
Machen wir uns nichts vor: Journalismus ist selten vollkommen
unabhängig, schon aus ökonomischen Gründen. Medienunterneh
men müssen Geld verdienen. Und sie sind Tendenzbetriebe, sorgen
so für publizistische Vielstimmigkeit – in einer demokratischen
Gesellschaft unverzichtbar.
Ist der freie Journalist denn nur noch ein Mythos?
Nein. Der Journalist entscheidet in der Regel, an welcher Geschichte
er arbeitet. Und er legt fest, welche Informationen er dafür braucht
und wie er recherchiert. Dafür kann er auf PRAgenturen zurück
greifen – muss es aber nicht.
„WAS JOURNALISMUS BRAUCHT, IST PROFESSIONELLE PR“Ulf Brychcy, Pressesprecher BBDO Germany und langjähriger Wirtschaftsjournalist, über das besondere Verhältnis von Presse und PR.
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// 5 jOURNALISMUS UND PR
Also braucht der Journalismus die PR eigentlich nicht?
Was der Journalismus vor allem braucht, ist professionelle PR.
Und was zeichnet professionelle PR aus?
Die Themen sollten eine Relevanz besitzen. Der PRMitarbeiter
sollte sich darüber im Klaren sein, für wen seine Geschichte eine
Geschichte sein könnte. Professionelle PR liefert dem Journalisten
Fakten, Hintergründe und Einblicke, die er so nur vom Kommuni
kationsProfi bekommt. Damit wird der PRMitarbeiter zum verläss
lichen Ansprechpartner für Journalisten.
Wann nervt PR?
Es nervt, wenn die PRAgentur um 16 Uhr in der Redaktion anruft,
um ein Thema anzubieten. Da platzt man mitten in die Stressphase
der Journalisten, die gerade die Zeitung von morgen oder den
OnlineAuftritt des Abends erstellen. Was Journalisten auch nervt:
Der Beitrag wird mit der Streubüchse angeboten, nach dem Motto:
Irgendwo wird sich schon irgendwer dafür interessieren. So füllt
man nur Papierkörbe und Spamordner. Dafür hat ein Journalist in
den Redaktionen von heute keine Zeit mehr.
Und wie geht es besser?
Als Agenturmensch muss ich erst einmal meine Botschaft auf den
Punkt bringen: Was ist das Neue an meiner Geschichte? Und wen
könnte das weshalb interessieren? Wenn ich dann auch noch den
richtigen Ansprechpartner in der Redaktion erreiche, habe ich schon
gewonnen. Wer seine Autogeschichte beim Feuilletonredakteur
anbietet, leider nicht ...
Wozu braucht die PR den Journalismus?
Ganz einfach: Es sind immer noch die Journalisten, die den
Zugang zu den meisten Lesern, Zuschauern, Hörern und Online
Nutzern verschaffen.
Der Journalist als Gatekeeper …
Ja, immer noch. Aber er hat hier kein Monopol mehr. Wenn ein
Unternehmen etwas mitteilen will, hat es heute viele Möglich
keiten, den klassischen Journalismus zu umschiffen. Im Netz kann
jeder selbst kommunizieren – weltweit. Das macht dem Journa
listen natürlich zu schaffen, weil das auch mit Bedeutungsverlust
zu tun hat.
Müssen sich Journalisten deshalb breiter aufstellen: Print, Online,
Social Media?
Natürlich brauchen sie die technischen Fertigkeiten, auch online
und in Social Media zu kommunizieren. Entscheidend bleiben
aber die Inhalte. Die Informationsflut der Neuen Medien zwingt
den Journalisten stärker denn je, sauber zu analysieren, zu
bewerten und auch mal Unausgegorenes auszusortieren. Präzise
einzuordnen ist wichtiger, als vermeintliche News möglichst
schnell rauszuhauen.
Wie beeinflusst das Social Web die journalistische Arbeit?
Es ermöglicht eine direkte, schnelle und persönliche Kommunika
tion. Daraus lassen sich zusätzliche Informationen ziehen, die
Recherche kann einfacher und unmittelbarer werden.
Sehen Sie in Social Media eher Chancen als Risiken?
Früher gab es für Journalisten, die über Unternehmen schreiben,
relativ wenige Informationskanäle. Es gab die Presseabteilung und
ein paar Kontakte, die man auch mal „Off the Record“ anrufen
konnte. Heute mailen oder bloggen Mitarbeiter von Unternehmen,
um auf Missstände hinzuweisen. Über solche Quellen freuen sich
Journalisten natürlich. Bei Pressesprechern sorgt das allerdings bis
weilen für einen Anstieg des Stresspegels.
Und wo liegt das Risiko?
Man muss halt genau hinschauen: Wie authentisch ist das, was da
aus dem Netz kommt? In Zeiten von Big Data und Narrative Science
ist es unerlässlich, Information gegenzuchecken. So wächst mit den
Recherchemöglichkeiten auch die Verantwortung. Und wir müssen
nicht immer gleich auf jeder Welle reiten – das gilt übrigens für
Journalisten und PRMitarbeiter gleichermaßen.
Noch ein Profi-Tipp zum Schluss: Eine gute Pressemitteilung …
… ist kurz, präzise und relevant – daran ändern auch die Neuen
Medien nichts. //
Weiterführende Links
@Ulf BrychcyDirector Corporate Communications beim Agenturnetzwerk BBDO Germany. Als Pressesprecher war er bereits auch bei der DirectGroup Bertelsmann tätig. Journalistische Stationen: „Financial Times Deutschland“ und „Süddeutsche Zeitung“.
@Ulrich Nitscheist als Leitender Redakteur am Standort Düsseldorf Spezialist für Corporate Communication und Corporate Publishing. Zuvor war er acht Jahre Redakteur beim Wirtschaftsmagazin „Capital“ und Textchef beim Bauer Verlag.
6 // DIE ZWEI TÜRME
VIDEO SELLS!tl;dr1 ist mehr als nur eine Abkürzung. Warum es sich lohnt, in bewegten Bildern zu denken.
Video ist derzeit der hellste Stern am ContentHimmel. Keine Web
site, keine Kampagne, die nicht ohne Bewegtbild auskommt. Im
Jahr 2013 ist das keine wirkliche Überraschung mehr. Spätestens
seit der Einführung von AT&Ts Picturephone in den 1970erJahren
denken Unternehmen darüber nach, wie sie bewegte Bilder für ihre
Kommunikation einsetzen können. Durch die rasend schnelle Ver
breitung mobiler Endgeräte hat das Thema aber zuletzt noch einmal
deutlich an Dynamik gewonnen: Die Analysten von comScore haben
errechnet, dass der durchschnittliche Internetnutzer 2012 jeden
Monat 22 Stunden VideoContent konsumiert. Für das Videoschauen
per Internet in Deutschland verzeichnete die Online-Studie von
ARD und ZDF eine Zunahme um 30 Prozent gegenüber 2007.
das Prinzip der radikalen Verkürzung
Der Siegeszug des OnlineVideos geht einher mit einer Entwicklung,
die auf den ersten Blick kurios erscheint: Die Filme im Netz werden
immer kürzer. Die mittler
weile eingestellte Plattform
12seconds.tv war 2008 eine
der ersten, die das Tweet
Prinzip auf das Videoformat
übertragen wollten. Je kürzer die Botschaft, desto größer die Wahr
scheinlichkeit, dass sie im Social Web empfangen und, viel wichtiger,
geteilt wird.
1 tl;dr: Abkürzung für „too long; didn’t read“, InternetIdiom für die Kennzeichnung von als langweilig empfundenen, zu langen Texten.
Auch in kurzer Zeit lassen sich gute Geschichten erzählen
// 7
Nicht jedes Format muss von einer 15köpfigen Crew umgesetzt werden
Ein Video allein ist noch keine erfolgreiche Kommunikation
VIDEO SELLS
Heute gibt es dafür die Video-App VINE. Sie erlaubt es, Videos mit
einer Länge von maximal sechs Sekunden zu versenden.
Zahlreiche Beispiele belegen, dass der Inhalt dabei nicht zwangs
läufig auf der Strecke bleiben muss. Auch in kürzester Zeit lassen
sich gute Geschichten erzählen.
das liebe Budget
Indes: Gute Ideen wollen professionell ins Bild gesetzt werden. Das
heißt jedoch nicht, dass die Produktion guten VideoContents auto
matisch aufwendig und teuer ist. Nicht jedes Format muss von einer
15köpfigen Crew umge
setzt werden. Entscheidend
ist die Geschichte. Keine
Frage: Imagevideos brau
chen nach wie vor eine pro
fessionelle Produktion, ein Storyboard, mehrere Drehorte und einen
Regisseur. Kleinere Storys wie Kunden oder Mitarbeiterporträts
oder EventReports lassen sich mit weniger Aufwand realisieren.
Das Team des Berliner Interviewmagazins „Freunde von Freunden“
zeigt regelmäßig, wie sich emotionale Porträts stimmungsvoll und
ohne aufwendige Effekte erzählen lassen (www.freundevonfreunden.
com). Fazit: Man braucht heute keine immensen Budgets mehr,
wenngleich es ganz ohne handwerkliche Grundlage auch nicht geht.
Schnitt, Ton und im Idealfall eine Prise Postproduktion sind für jedes
Video ein Gewinn.
die Aufgabe: storytelling und User engagement
Angesichts des durchschlagenden Erfolgs der OnlineVideos ist der
Auftrag für Kommunikatoren klar: Wir müssen unsere Themen
konsequent in Bildern und Bildsequenzen denken. Es gilt, Inhalte
zu schaffen, die Geschichten erzählen und Menschen emotional
berühren. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Kampagne „Meet the
Superhumans“, mit der der britische TVSender Channel 4 die
Übertragung der Paralympics 2012 bewarb.
Dank des technologischen Fortschritts werden die Hürden für die
Produktion hochwertiger Videos immer niedriger, sowohl für Unter
nehmen und Institutionen als auch die Nutzer selbst. Nicht zuletzt ist
es deswegen für Unternehmen unerlässlich, die Codes und Mecha
nismen des Social Web immer im Hinterkopf zu behalten, also die
Nutzer viel stärker teilhaben zu lassen. Das Potenzial ist gigantisch:
Allein auf YouTube wurden 2012 minütlich 72 Stunden Videomate-
rial hochgeladen. Für Unternehmen bietet sich die Chance, diese
Kreativität zu nutzen um neue Allianzen zwischen Marken und
Zielgruppen zu schmieden. Wie das aussehen kann, hat Montblanc
2011 zur Markteinführung einer Kollektion von Luxusuhren mit der
Kampagne „The Beauty of a Second“ gezeigt. Nutzer konnten
Clips mit einer Maximaldauer von einer Sekunde auf einer Website
hochladen, aus den verfügbaren Schnipseln eigene Filme zusammen
stellen und diese direkt über Facebook und Twitter teilen. So ent
stand hoch emotionaler VideoContent, der sich im Netz verbreitete.
Die Nutzer wurden zudem zu digitalen Markenbotschaftern. Und
das freiwillig.
Ohne strategie geht es nicht
Zusammengefasst: Videos liegen im Trend. Wie also darauf reagieren?
Das Imagevideo auf der Unternehmenswebsite zu aktualisieren,
reicht kaum aus, auch die
schnelle Produktion von ein
paar Videos und der Upload
in den YouTube Channel ist
keine gute Antwort. Denn
ein Video allein ist noch keine erfolgreiche und erst recht keine wirk
same Kommunikation. Die tatsächliche Herausforderung liegt darin,
eine übergreifende Storyline zu entwickeln, die Video als ein zentrales
Element begreift. Die aber auch auf anderen Kanälen und Medien
erzählt wird. Es geht am Ende also um integrierte Kommunikation
und crossmediales Storytelling. Kerrin Sheldon, Kogründer von
Humanity.TV, bringt es auf den Punkt: „To create truly high-qua-
lity content, you must be a storyteller.“ //
Weiterführende Links
Worauf es bei erfolgreichem VideoContent ankommt, erläutert die New York Times: http://nyti.ms/10RVcup
Das TechBlog „All Twitter“ über VINE: http://bit.ly/XPPhp3
Die 13 Trends im Bereich VideoContent werden auf Smartblogs beschrieben: http://bit.ly/ZkLX9A
@Markus FischerConsultant am Standort Düsseldorf und Verfechter von guten Videos sowie Prezi. Wenn Inhalt und Handwerk stimmen.
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// 9 WIRf DAS HANDY IN DEN DRECK
WIRF DAS HANDY IN DEN DRECK Die Erfolgsgeschichte eines ungewöhnlichen Handy-Crashtest-Videos mit über 1,2 Millionen Views auf YouTube (http://bit.ly/L5gcWO). Ein Gastbeitrag von Klaus Kraigher, Ketchum Publico, Wien.
Heute reicht es kaum aus, nur Fakten und Informationen zu Unter
nehmen oder Produkten zu erzählen – denn dafür begeistern sich die
wenigsten Leser oder User. Was stattdessen gefragt ist und was der
Markt erwartet, sind kreative Geschichten, die neugierig machen
und Emotionen wecken. So stehen wir vor der Herausforderung,
selbst spannende Inhalte zu produzieren – Inhalte, die unsere Ziel
gruppen unbedingt sehen und am besten auch verbreiten möchten.
Wie genau das erfolgreich funktioniert, zeigt das Beispiel der „Sony
Xperia go Outdoor Challenge“. Ketchum Publico hat sie für den öster
reichischen Kommunikationsanbieter A1 entwickelt – und damit
weltweit für Aufsehen gesorgt.
der Job: smartphone und Provider in szene setzen
Der Kommunikationsanbieter A1 hat regelmäßig die neuesten
SmartphoneModelle im Angebot. Bei einem Produktlaunch werden
üblicherweise der Hersteller sowie die HandyFeatures in den Vor
dergrund gerückt. Die besondere Herausforderung bestand nun aber
darin, als Provider und Marke gegenüber dem Smartphone kommu
nikativ auf Augenhöhe aufzutreten. Zusätzlich sollte die Zielgruppe
involviert und nach Möglichkeit ein ViralHit gelandet werden. Das
wäre dann alles ...
die idee: Wir machen das, was sie sich nie zu trauen wagten ...
Wir produzieren ein CrashtestVideo. Aber nicht irgendeins, son
dern das erste „crowdgesourcte“. Das heißt: Wir haben die A1Face
bookCommunity gefragt, wie man die OutdoorFähigkeiten eines
Smartphones am besten testen könnte. Die am häufigsten gemach
ten Vorschläge wurden in einem actionreichen und ungewöhnlichen
Video umgesetzt. Da gibt es HandyWeitwurf, Treppensturz, Fußball
spielen, Versenken im Wasser und Vergraben im Sandkasten – alles
kein Problem für das Smartphone. Auch 5 bar Wasserdruck der Frei
willigen Feuerwehr können dem Gerät nichts anhaben. Denn zum
Beweis, dass das Handy noch funktioniert, erscheint nach jeder
Challenge auf dem Bildschirm das MarkenLogo. Erst, als ein Auto
das Smartphone überrollt, bleibt der Monitor dunkel ...
Das fertige Video begeisterte die Community, denn sie erkannte,
dass ihre Vorschläge umgesetzt worden waren. Zudem wurde es
national und international an TechnikJournalisten und Blogger
gestreut, ein „Makingof“Video publiziert und der Film auf allen
Kommunikationsplattformen des Unternehmens verlinkt. So erreichte
die Kampagne mit niedrigem Mitteleinsatz eine außergewöhnlich
hohe Reichweite.
die Zahlen sprechen für sich
Mehr als 1,2 Millionen Views und 4.000 „Likes“ auf YouTube hat die
SocialMediaBuzzKampagne inzwischen erreicht. Auch zahlreiche
begeisterte Kommentare auf Facebook zeigen, wie sehr die Story
die User begeistert. Die Kreativität der User scheint dabei grenzen
los zu sein: So wurde das UrsprungsVideo in einem thailändischen
YouTube-Spot „gesampelt“, ein Clip aus Südafrika geht noch
weiter und übernimmt die komplette Idee. Klassische Medien
berichte gab es natürlich auch und sogar die Auszeichnung als Sieger
beim österreichischen Staatspreis Public Relations 2012. Was den
Kunden aber vermutlich am meisten freut – es wurden doppelt so
viele Smartphones verkauft als ursprünglich kalkuliert.
Warum es funktioniert hat
Aus Kommunikationsperspektive kommen hier mehrere Erfolgsfak
toren zusammen: Die Challenge trifft den Nerv der Zielgruppe.
Denn die Überempfindlichkeit vieler Smartphones sorgt immer
wieder für Diskussionsstoff. Wie kann dieses Alleinstellungsmerk
mal aber glaubwürdig verdeutlicht werden? Mit einer ganz klaren
und nutzerbestimmten Beweisführung. Denn es gibt Dinge, die
würde man selber nie (mehr) mit seinem Handy tun. Aber wenn
sich die Gelegenheit bietet und man direkt dazu aufgefordert wird,
Vorschläge abzugeben, siegt die Neugier. Die Kampagne löst sich
dabei deutlich von klassischen „glatten“ Produktpräsentations
formaten. Sie nutzt spielerische und involvierende Elemente, die
gerade bei technikaffinen Zielgruppen sehr gut ankommen. Die
Kür, den Auftraggeber A1 ebenfalls ins Spiel zu bringen, ist dank
authentischer Produktmanager und der Einblendung des Logos als
Funktionsbeweise („Es geht noch immer!“) perfekt gelungen.
Letztendlich dürfen bei allen viralen Effekten auch die professionelle
Vermarktung des Videos, seine Einbindung in alle Unternehmens
kanäle sowie vor allem die kontinuierliche Kommunikation mit der
Community nicht außer Acht gelassen werden. Ein Videoerfolg
kommt selten von allein ... //
10 // ZIEMLICH BESTE fEINDE?
DER CLUB DER NEUEN DENKER Ein Plädoyer für mehr Allianzen im politischen Raum.
Deutschland ist das Land der Verbände. Menschen, die etwa ein
Hobby oder einen Beruf teilen, organisieren sich, um gemeinsam
ihren Interessen nachzugehen. Schätzungen zufolge gibt es hierzu
lande mehr als 15.000 solcher Gruppierungen, Tendenz steigend.
Aber ist das eigentlich noch zeitgemäß?
Noch bis vor wenigen Jahren war die Verbandsarbeit auch für Unter
nehmen das Mittel der Wahl, um sich am politischen Diskurs zu
beteiligen. Bis heute hat das Wort eines Bundesverbands der Indus
trie (BDI), einer Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver
bände (BDA) oder eines Verbandes der Automobilindustrie (VDA)
Gewicht. Denn es spiegelt in der Regel die Meinung der bedeu
tendsten Unternehmen, Arbeitgeber und Steuerzahler Deutschlands
wider. Es dürfte somit kaum verwundern, dass politische Arbeit
heutzutage vielfach darin besteht, unterschiedliche Ansprüche in
Einklang zu bringen. Denn nicht nur Unternehmen, auch andere
gesellschaftliche Gruppierungen organisieren sich, um ihre Interes
sen wahrzunehmen. Das Motto: Gemeinsam sind wir stärker. Mit
hilfe von Kommunikations und PublicAffairsInstrumenten werben
sie um die Aufmerksamkeit der Legislative.
Zunehmend an Bedeutung gewinnen vor diesem Hintergrund strate
gische Allianzen: kurz bis mittelfristige, häufig wechselnde Zusam
menschlüsse zu konkreten Problemfeldern. Sie stellen eine effiziente
und effektive Alternative zur zeit und ressourcenaufwendigen Ver
bandsarbeit dar, die aus Sicht der Beteiligten ohnehin viel zu häufig in
// 11 DER CLUB DER NEUEN DENKER
müden Kompromissen mündet. Und: Strategische Allianzen werden
den aktuellen politischen Rahmenbedingungen weit besser gerecht,
da sich Entscheidungskompetenzen auf mehrere Ebenen verlagert
und Handlungsspielräume des Einzelnen verkleinert haben.
herausforderung komplexität
Die flexiblen Bündnisse haben sich in der politischen Interessenver
tretung mittlerweile etabliert und professionalisiert. Beobachten ließ
sich dies zuletzt am Beispiel der Debatte um das Leistungsschutz-
recht. Sowohl Befürworter als auch Gegner versuchten, über Allian
zen Einfluss und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Auf der einen Seite
stand die „Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht“, angeführt
von Google. Auf der anderen Seite koalierten die großen Verlags-
häuser unter der Führung von Axel Springer und Burda. Die beiden
Bündnisse setzten die Politik unter Zugzwang. Und beide sahen sich
am Ende als Gewinner der Debatte. Offen bleibt, ob die Ergebnisse
insgesamt sinnvoll umzusetzen sind und ob sie auch denen gerecht
werden, die in dieser Debatte wenig Beachtung erhalten haben.
Die Politik hat dieser Bildung von Allianzen häufig noch wenig ent
gegenzusetzen. Hier macht sich bemerkbar, dass die Herausforde
rungen immer komplexer werden. Beispielhaft genannt seien die
internationale Finanzkrise, die umfassende Neugestaltung der
Energiepolitik und die Reform des Gesundheitssystems in einer
alternden Gesellschaft. Drei Themen, die eine Bildung von Allian
zen geradezu herausfordern. Doch auf Ebene der politischen Ent
scheider, ob in Regierungen oder Parlamenten, agieren eher Einzel
kämpfer oder versprengte Häuflein. Das Ergebnis sind einsame
„TopdownEntscheidungen“, die der zunehmenden Komplexität
nur unzureichend gerecht werden und die in der Umsetzung
schnell an Grenzen der Machbarkeit und Akzeptanz stoßen.
Andere, weniger im Fokus des öffentlichen Interesses liegende
Fragen nimmt die oberste Leitungsebene mangels Zeit und Res
sourcen gar nicht erst in den Blick.
Wider die igeltaktik
Erschwerend kommt hinzu, dass die politische Entscheidungsebene
dazu neigt, „Flaschenhälse“ zu bilden. An der Person eines Bürolei
ters beispielsweise führt kein Weg vorbei, an ihm oder ihr darf keine
Information vorbeilaufen. Die Kommunikation erfolgt häufig über
einen erlesenen Kreis von Personen innerhalb des Apparats. Die
Gründe hierfür sind vielschichtig: So zieht der Büroleiter seine Reputa
tion oftmals daraus, dass er jeden Informationswunsch seines Vorge
setzten sofort bedienen kann. Oder es mangelt an der Bereitschaft,
interdisziplinär zu denken und zu arbeiten. Bisweilen fehlen die Solida
rität und der Wille, sich selbst zurückzunehmen. Nicht zuletzt findet
der notwendige personelle Austausch zwischen Regierung bezie
hungsweise Parlament und Wirtschaft selten bis gar nicht statt. Der
Hauptgrund für die fehlenden Allianzen auf politischer Ebene ist aber,
dass die Entscheider keine Rückzugsräume mehr haben. Selbst
vermeintlich vertrauliche Äußerungen gelangen sofort an die Öffent
lichkeit. Zu groß ist der Nachrichtenwert, zu groß ist teilweise das
Mitteilungsbedürfnis. Alle Möglichkeiten der modernen Kommuni
kation – Twitter lässt grüßen – werden genutzt, um Halbgares, Kon
zeptfragmente oder erste Überlegungen zu verbreiten. Regen sich
Protest und Widerstand, müssen die Äußerungen schnell wieder
kassiert werden. So steht eine moderne Interessenvertretung mit
starken Allianzen mitunter politischen Entscheidern gegenüber, die
sich immer stärker einigeln, damit möglichst wenig nach außen
gelangt. Das führt zu problematischen Ungleichgewichten.
interessenvermittlung der nächsten Generation
Um die Ungleichgewichte beseitigen und eine Interessenvermitt
lung der nächsten Generation zu etablieren, müssen deshalb
zunächst wieder Rückzugsräume geschaffen werden: parteiunab
hängig, interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirt
schaft und Gesellschaft und organisiert durch eine neutrale Instanz.
Bereits bei der Planung dieser Rückzugsräume gilt es, die Pluralität
der Lösungsansätze und Meinungen zu berücksichtigen. Durch effi
zientes Wissensmanagement und Partizipation wird so eine ganz
heitliche Betrachtung komplexer Problemfelder möglich – frei von
der Notwendigkeit, fortlaufend über Arbeitsstände und fragmentari
sche Überlegungen zu berichten. Diese Rückzugsräume sind Gegen
stand neuer Formate im Bereich der Interessenvermittlung, die als
Teil einer vermittelnden Interessenvertretung entwickelt und eta
bliert werden. //
Weiterführende Links
Ein weiteres Beispiel – in Form eines offenen Briefes – für eine interessante Allianz aus dem Bereich Energieeffizienz findet sich hier: http://bit.ly/11bjNz8.
@Thomas HelmUnser Head of Governmental Affairs mit Sitz in Berlin freut sich über Ihre Meinung zum Thema: [email protected]. Wie sieht der Rückzugsraum der Zukunft aus?
@Anatol Ittenist Consultant und Mediator am Standort Berlin. Sein Interesse gilt vor allem der Energiepolitik und den nationalen und internationalen Zusammenschlüssen zwischen politischen Akteuren.
12 //
Wer deutsche Kongressgepflogenheiten gewohnt ist, dem treibt die
USamerikanische SXSW wahre Freudentränen in die Augen. Nicht
1990erJahreAuslegeware und brachiales Neonlicht bestimmen das
Bild, vielmehr herrscht FestivalAtmosphäre: Die digitale Boheme
darf hier frei zwischen Vorträgen und StartupPräsentationen wech
seln oder Ausstellungen und UnternehmensLounges besuchen.
Doch von vorn: Die Fachmesse South by Southwest® (SXSW®) Inter-
active gilt als Pulsmesser der Digital und Kreativwirtschaft. Sie
nimmt Technologietrends, Innovationen und digitale Entwicklungen
unter die Lupe. Mehr als 25.000 internationale Besucher strömen
alljährlich nach Austin, Texas. Sie treibt die Hoffnung, als Erste das
„nächste große Ding“ – the next big thing – kennenzulernen. Immer
hin wurden auf der SXSW in der Vergangenheit zum Beispiel Four
square und Twitter erstmals einer großen Öffentlichkeit vorgestellt.
entwicklung in die fläche
Konnte die diesjährige SXSW die hohen Erwartungen einlösen? Nur
zum Teil, denn es gab keine originären Innovationen aus dem
Dschungel der DigitalSchmieden. Das „Festival der vielen kleinen
Neuigkeiten“, wie es Die Zeit nannte, präsentierte aber zahlreiche
neue Nutzungsangebote. Sie tragen die heute verfügbaren tech
nologischen Möglichkeiten in die Fläche – das heißt, sie machen
diese für ganz unterschiedliche Lebensbereiche anwendbar.
soLoMo: Weiter beobachten
Beinahe alle vorgestellten neuen Tools und Gründerideen folgen
dabei dem SoLoMo (SocialLocalMobile)Gedanken, der die orts
DER DIGITALE SPILLOVERRüdiger Maeßen, Standortleiter Düsseldorf/Bonn und Head of Digital & Social Media, über Trends von der SXSW Interactive, der weltweit größten Technologie- und Digital-Messe in Texas.
// 13 DER DIGITALE SPILLOVER
abhängige Bereitstellung von Informationen über mobile Geräte
wie Smartphones und Tablets beschreibt. In seinem Keynote-Inter-
view prophezeit der CEO und Mitgründer von Foursquare, Dennis
Crowley, dieser intelligenten Nutzung von Orten und Plätzen für die
Kommunikation eine große Zukunft. Modernes Storytelling und
ConsumerEngagement würden künftig nicht umhinkommen, auf die
unmittelbare räumliche Umgebung der Zielgruppe einzugehen und
darauf in den Kommunikationsangeboten Bezug zu nehmen. Das
sagt natürlich der Richtige: Wer mit der Anwendung Foursquare nur
„Majorships“ und „Badges“ verbindet, verkennt das Potenzial des
Service, der sich in Deutschland noch nicht ganz durchgesetzt hat.
Die Technologie hinter Foursquare steckt schon heute in vielen
Applikationen und Tools, die auch für das Marketing und die
Kommunikation („Sage mir, wo du bist, und ich sage dir, was ich hier
für dich habe“) immer interessanter werden.
Big data: Wunderlampe oder Pandoras Büchse?
Auch im internationalen Umfeld ist der Umgang mit Daten ein
Dauer brenner. Ideen zur Aufbereitung der Daten nehmen dabei mit
unter futuristische Züge an: Foursquare kann beispielsweise auf
Basis von Datenanalysen zeigen, wie sich Nutzerströme in Metropo
len wie New York und Tokio bewegen und mit was sich diese gerade
beschäftigen. Interessant für Marketeers: Wenn sie wissen, wann,
wo und wohin sich ihre Zielgruppe bewegt, lassen sich daraus stra
tegische Schlüsse für die Kommunikationsaktivi
täten ziehen. Neue Werbeformen und Erlös
modelle drängen sich geradezu auf: Es wäre
beispielsweise technisch möglich, die Werbung
nicht „per Klick“ zu bezahlen, sondern je nach
tatsächlich geleisteter Transaktion, die vor Ort bei einem Händler
durchgeführt und via Checkin bei Foursquare bestätigt wurde. Trotz
der Faszination zielgruppenspezifischer Datensätze bleibt die
gesamte Thematik – insbesondere in Deutschland – mit Vorsicht zu
genießen. Wer Datenvertraulichkeit und Persönlichkeitsrechte miss
achtet, öffnet vielleicht die Büchse der Pandora.
Wenn der kühlschrank spricht – internet of things
Die digitale Vernetzung von technischen Geräten beziehungsweise
Gebrauchsgegenständen (der intelligente Kühlschrank) ist bereits
seit Jahren ein Thema. Die „Google Glasses“ oder die, Gerüchten
zufolge, schon bald kommende Armbanduhr von Apple stehen wei
terhin hoch im Kurs. Sie sind Ausdruck der logischen Konsequenz in
der Abkehr vom Single Device (einem stationären OnlineZugang)
hin zur mobilen Nutzung verschiedener Devices. Vor diesem Hinter
grund werden Gesundheitsdaten grundsätzlich immer interessanter,
Stichwort „Quantified Self“ – das messbare Selbst. Was mit dem
NikeSchrittzähler am iPod vor einigen Jahren anfing, geht jetzt über
in intelligente Kleidung mit Sensoren, die zum Beispiel Körpertem
peratur und Pulsschlag messen und in Verknüpfung mit der entspre
Die Social Networks haben den Screen verlassen
chenden App Empfehlungen zu Ernährung und Bewegung abgibt.
Dieser aufkeimende „Körperkult“ sollte HealthcareUnternehmen
und Anbieter von Gesundheitsprodukten in die Startlöcher treiben.
08/15 ist nicht mehr. die neue „Maker Culture“
Die Personalisierung sämtlicher Produkte und der Trend zum Selber
machen sind weiterhin auf dem Vormarsch. Zusätzlich an Fahrt
gewinnen sie durch Technologien, die mehr und mehr massentauglich
werden, darunter beispielsweise 3DDrucker. Mit Kosten zwischen
2.000 und 4.000 Euro sind diese Geräte mittlerweile sogar er
schwinglich. Einsteigermodelle sind ab 1.000 Euro erhältlich. Die
Preisentwicklung erinnert stark an die bei LEDFernsehern, die für
Privatpersonen einst unerreichbar waren und mittlerweile zur Stan
dardausstattung gehören. Der neuen Druckergeneration werden
spannende Einsatzbereiche vorhergesagt, zum Beispiel im didakti
schen und medizinischen Bereich. Mal ganz davon abgesehen, dass
sich mit einer massentauglichen 3DTechnologie auch der Dienst
leistungssektor massiv verändern wird. Stellen Sie sich vor, Sie gehen
zum 3DCopyshop und drucken sich in Zukunft Ihre Schuhe oder
Handys nach eigenem Bauplan selbst aus.
Was bleibt festzuhalten? Die SXSW ist trotz zunehmender Infiltrie
rung durch interessierte Privatpersonen weiterhin ein Pulsmesser
für globale Entwicklungen und Trends. Zwar weisen diese nicht
mehr den Innovationswert der ersten Jahre auf –
aber die jetzigen Entwicklungen gehen tiefer und
erfassen als SpilloverEffekte alle Lebensbereiche.
Die Social Tools gehen neue Allianzen ein mit Haus
haltsgegenständen und Alltagsgewohnheiten –
selbst derjenigen, die um soziale Netzwerke weiterhin einen
Bogen machen. Anders formuliert: Die Social Networks haben den
Screen verlassen. //
Weiterführende Links
Interview mit Dennis Crowley, CoFounder und CEO Foursquare bei SXSW 2013: http://bit.ly/10tiKKQ
Ein schönes Beispiel für die Nutzung von digitalen Tools im Alltag haben unsere USKollegen für ein FoodUnternehmen in die (nahe) Zukunft projiziert: http://bit.ly/12n7MBW.
Mehr Informationen rund um digitale Trends und Entwicklungen sowie Berichterstattung zu nationalen und internationalen Kongressen und Konferenzen finden Sie auf dem neuen kpgdigitalblog.de.
@Rüdiger Maeßenist Standortleiter Düsseldorf/Bonn und Head of Digital & Social Media.
DENKEN SIE GROSS
WECKRUF: EMPLOYER BRANDING – MACHT ES ENDLICH RICHTIG!Warum für Kommunikation und HR ein neues Verständnis des eigenen Employer Branding zwingend erforderlich ist.
Sie singen gerne? Bei der Arbeit? Mit den Kollegen? Jetzt mal ehrlich:
Machen Sie doch wirklich nicht so gerne, oder? Außer vielleicht bei
der Betriebsfeier. Nach Mitternacht. Und eigentlich wollen Sie am
nächsten Morgen auch nicht daran erinnert werden. Warum, um
Himmels willen, kommen Unternehmen dann auf die Idee, ihre Azu
bis einen RapSong aufnehmen zu lassen und das Ganze dann unter
den Stichworten Employer Branding und MitarbeiterInvolvierung aus
zuflaggen? Ist so ein Lied erst einmal veröffentlicht, wird es im Netz
schnell zur Lachnummer. O. k., kann ja mal passieren, ein bisschen
Schwund ist immer. Viel entscheidender ist aber, dass diese Songs
unglaubwürdig sind und weder potenzielle Bewerber noch geneigte
Konsumenten überzeugen. Oder haben Sie schon einmal einen
EdekaAzubi beim Einräumen von Joghurtbechern rappen gehört und
dann gleich ein Bewerbungsschreiben aufgesetzt? Wir nicht.
hauptsache glaubwürdigDamit sind wir schon beim Kern des Employer Branding. Der heißt
schlicht: Authentizität. Viel beschworen, selten eingelöst. Meist ver
sprechen einschlägige Kampagnen Bewerbern erst das Blaue vom
Himmel und dann droht die Hölle auf Erden – erhellend ist im Vorfeld
ein Blick bei Kununu. Und dann sollen es authentische Mitarbeiter
richten? Ja, gelegentlich klappt das sogar. Etwa bei Ikea. Das etwas
andere Möbelhaus zeigt Mitarbeiter mit etwas anderen Biografien.
Quereinsteiger erzählen von den Brüchen in ihrem Leben. Volltref
fer! Hier kommen Markenkern und Mitarbeiter auf ideale Weise
zusammen. Neudeutsch heißt das dann Behavioral Branding: die
Mitarbeiter als Markenbotschafter. Die Idee ist gar nicht so neu. In
Berlin gibt es beispielsweise die Siemensstadt, in Essen den Stadt
teil Margarethenhöhe – gebautes Employer Branding. Die Arbeiter,
Lieber Mitarbeiter.
Wo wollen wir hin?
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die in den Werkswohnungen von Krupp und Siemens lebten, waren
die besten Markenbotschafter, die man sich denken konnte. Sie
nannten sich stolz Siemensianer oder Kruppianer. Man darf vermuten,
dass die Testimonials Papa und Opa für die Söhne und Töchter ziem
lich authentisch und glaubwürdig waren, denn vielfach hatten drei
Generationen aus einer Familie den gleichen Arbeitgeber. Warum
war das eigentlich so?
Basisbedürfnisse befriedigen
Die Antwort ist simpel: Den Altvorderen ging es damals in erster Linie
darum, ihre Grundbedürfnisse abzusichern – Werkswohnung, flie
ßend Wasser, der kleine Garten, die Betriebsrente. Und heute? Ist es
eigentlich nicht viel anders. Umso unglaublicher ist, dass viele Emplo
yerBrandingKampagnen immer noch an den wirklichen Bedürfnissen
ihrer Zielgruppen vorbeikommunizieren. Bewerber wollen in der Regel
keine RapSongs singen. Sie wollen nicht gesagt bekommen, dass ihr
Arbeitgeber das größte, beste, innovativste Unternehmen der Welt
ist. Was viele Mitarbeiter heute interessiert, ist zum Beispiel die Ver
einbarkeit von Familie und Beruf, sind Wertschätzung und Lob, neue
Führungsmodelle und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.
einen schritt zurück
Oft scheitert der EmployerBrandingAnsatz jedoch bereits an der ver
meintlichen Zielgruppe – die es oft gar nicht (mehr) gibt: jung und
dynamisch, sieben Sprachen statt Dialekt, Harvard statt Hannover,
weit gereist statt fest verwurzelt. Wie wäre es stattdessen, wenn
Unternehmen den Schatz in ihren eigenen Werkshallen, Entwick
lungsbüros und Agenturräumen heben würden? Bei den Frauen zum
Beispiel. Warum gibt es in den Werbeagenturen eigentlich kaum Frauen,
die Mitte dreißig sind? Und keine Menschen über 45? Bei der NASA
dagegen werden Ältere „Deep Smarts“ genannt. Weil sie alle kannten,
weil sie alles wussten, weil sie schon einmal einen Menschen auf den
Mond geschossen hatten. Folglich: Auch in der eigenen HRKommu
nikation heißt es, die eigene Zielgruppe neu zu definieren und ent
sprechend auch die Inhalte, die dieser Zielgruppe wichtig sind.
harte fakten zählen
Wer eine EmployerBrandingStrategie aufsetzen möchte, sollte des
halb zunächst die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
erfragen. Auf dieser Analyse kann dann die eigentliche Strategie auf
setzen, die eine Kommunikation nach innen und außen sowie die
erforderlichen Veränderungen im Unternehmen umfassen sollte.
Beides gehört zusammen und das Zusammenspiel ist extrem wich
tig, denn Unternehmen müssen ihre bunten Bilder mit harten Fakten
beweisen können.
Schauen Sie deshalb, wo sich „Quick Wins“ für die Kolleginnen
und Kollegen erzielen lassen, zum Beispiel durch Homeoffice
Regelungen. So merkt die Belegschaft, dass sich etwas verändert –
die Voraussetzung für eine gelungene interne Kommunikation,
die sich dann ihren Weg nach außen sucht. Sie wird unterstützt
durch klassische Werbung, Social Media und PR, die jetzt auf den
intern vorbereiteten, fruchtbaren Boden fallen. Dann können Sie
die größeren Herausforderungen angehen, etwa Modelle zur Ver
einbarkeit von Familie und Beruf oder Vorsorgesysteme, die
Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer in Ihrem Unternehmen berück
sichtigen. Denn im demografischen Wandel benötigen Sie vor
allem das Wissen Ihrer „Deep Smarts“, Mitarbeiter jenseits der
50 Jahre, die über einen reichen Erfahrungsschatz verfügen. Diese
sind in der Regel treuer als die jungen TopTalente, die längst wissen,
dass sie von Unternehmen immer stärker umworben werden, und
deshalb schnell weiterziehen.
Mehr als kommunikation
Die Wahrheit ist: Richtiges Employer und Behavioral Branding
bedeutet nicht, bunte Bilder zu produzieren, sondern beinhaltet viel
mehr den kompletten Umbau Ihres Unternehmens. Klingt hart, ist
aber so. Angesichts der demografischen Entwicklungen müssen
Unternehmen diese Entwicklung vollziehen, wenn sie wettbewerbs
fähig bleiben wollen. Bedeutet das auch einen kompletten „Mental
Change“? Nicht unbedingt: Im Idealfall können Unternehmen an die
gute alte Unternehmenskultur anknüpfen, die Menschen bei ihren
Bedürfnissen abholt, sie zu guten Testimonials macht und sie dann
kommunizieren lässt: bei ihren Freunden, in der Nachbarschaft, im
Verein oder im Szeneklub. Denn eigentlich ist gutes Employer Bran
ding nicht mehr als gute MundzuMundPropaganda. Also fangen
Sie an zu flüstern. //
WECKRUf EMPLOYER BRANDING
Weiterführende Links
Noch ungenutztes Potenzial sieht die „Personalwirtschaft“ im Employer Branding: Wie die Realität hingegen oftmals aussieht, zeigt der Stepstone Report 2011.
Wer tiefer in die Thematik einsteigen möchte, dem sei das Buch „Behavioral Branding: Wie Mitarbeiterverhalten die Marke stärkt“ empfohlen.
@Christof Biggelebenhat als Head of Campaigning das richtige Gespür für gute Kampagnen – egal ob intern oder extern.
@Maria Poppverantwortet als Personalreferentin Recruiting das Employer Branding und organisiert die prämierte TraineeAusbildung bei Ketchum Pleon.
16 // REDEN – UND RUDERN
REDEN – UND RUDERNDie deutsche Erfindung Nachhaltigkeit feiert dieses Jahr ihr 300-jähriges Jubiläum. Ein guter Zeitpunkt für alle Akteure zu handeln – und zwar gemeinsam.
Temperatur und Meeresspiegel steigen, Ressourcen und Artenvielfalt
sinken – und jeder fragt sich, wer ist schuld? Das ist die falsche Frage,
denn: Nachhaltigkeit geht alle an. Und da wir alle im selben Boot sitzen,
sollte niemand allein rudern – sonst kommt niemals Land in Sicht.
Ein Blick auf die Karten. Auf dem Papier sind alle einig: Bei Nachhal
tigkeit geht es um die Wettbewerbs und Zukunftsfähigkeit des
Standorts Deutschland. Und die kann ja nicht Sache Einzelner sein.
Wenn aber Taten folgen sollen, mündet die Einigkeit schnell in vor
nehme Zurückhaltung – oder wechselseitige Schuldzuweisung. Den
schwarzen Peter bekommt am Ende oft die Wirtschaft zugesteckt,
trotz zahlreicher CSRProjekte, Mitarbeiterprogramme, Lieferanten
Audits, Nachhaltigkeitsberichte und so weiter. Warum ist das so?
In der Tat: Viele Unternehmen haben sich in Sachen Nachhaltigkeit
etwas zuschulden kommen lassen beziehungsweise verabsäumt.
Immerhin hat die Wirtschaft bereits in den 1990erJahren das heutige,
ganzheitliche Begriffsverständnis mit geprägt: Nachhaltigkeit meint
Schonung natürlicher Ressourcen und Sicherheit am Arbeitsplatz,
Suppenküche und Supply Chain. Dennoch werden Unternehmen
nur selten gehört, wenn sie ihr nachhaltiges Engagement dokumen
tieren möchten. Noch seltener lösen sie damit Begeisterung aus.
Die Nachhaltigkeitskommunikation der Wirtschaft trifft auf eine
Gemengelage mit vielfältigen Interessen: Vorneweg marschieren
NGOs. Ihre Arbeit und Expertise ist unabdingbar, ihre Rolle als
Watch Dogs zur Beschleunigung der Thematik elementar. Inzwi
schen haben viele NGOs sich selbst zu Markenartiklern gemausert
– und zu wahren Meistern des Campaigning, die immer stärker
Themen treiben; nicht immer auf die feine Art, aber verständlich,
schließlich geht es in der Aufmerksamkeitsökonomie auch für sie
um Share of Voice, Reputation und schlussendlich um Spendengel
Bild
: WB
GU
// 17 REDEN – UND RUDERN
der. NGOs kaufen der Politik oft den Schneid ab, die dann beim
Agenda Setting das Nachsehen hat. Kompetenzgerangel ent
steht – entweder durch schnelle NGOFormationen provoziert oder
zwischen einzelnen Ressorts. Das Ergebnis ist häufig Aktionismus.
Verschiedene Initiativen im Kontext Verbraucherschutz bieten hier
aktuelle Beispiele.
Könnten die Medien hier vermitteln? Sie könnten – nur sind viele
Redaktionen im Kampf um Aufmerksamkeit (= Reichweite = Media
Budgets) zum Ereignisjournalismus übergegangen – ein „Genre“, in
dem das pointierte Stichwort
einer NGO allemal mehr zählt
als die PCkonforme Presse
verlautbarung eines Unter
nehmens. Und die Bürger als
Taktgeber für Wort und Tat?
Wir sind gleichzeitig Wähler,
Spender, Leser oder Zuschauer, Verbraucher – und selbst noch weit
davon entfernt, „grün, schlau und sexy“ (so der Wahlspruch einer
deutschen OnlineCommunity für nachhaltigen Konsum) zu sein. Wir
bilden uns unsere Meinung – immer stärker informell über soziale
Medien, wir „liken“ viel und handeln wenig. Und auch im Internet
sind die NGOs meist schnell, oft gut und kreativ aufgestellt. Unter
nehmen laufen dagegen häufig unter ferner liefen – es sei denn, sie
geraten ins Visier der nächsten Kampagne.
Dies alles spielt sich vor dem Hintergrund überbordender Informati
onsfluten ab, deren Wellen tagein, tagaus über uns zusammenschla
gen. Was bedeutet das für eine Nachhaltigkeitskommunikation der
Wirtschaft, die nicht nur rapportieren oder reagieren, sondern die
bewegen will?
Inhalte: Verdichtung und Vermittlung müssen in den Vordergrund
treten. Nachhaltigkeitskommunikation muss stärker dazu übergehen,
die Welt kompakt und nachvollziehbar zu erklären, anstatt nur epi
sche Zahlenkolonnen zu reporten.
Wege: Unternehmen sollten Formate und Kanäle dringend überden
ken. Hand aufs Herz: Welcher Bürger liest Nachhaltigkeitsberichte?
In Summe muss es aber eben dieser Bürger richten – als Verbrau
cher. Was er dafür braucht, sind Information und auch Motivation,
um selbst aktiv zu werden.
Schulterschluss: Weil Unternehmen in der Sache (aber auch kom
munikativ) mehr erreichen, wenn sie gemeinsam mit anderen Exper
tiseträgern handeln, sollten sie auf Alleingänge verzichten. Dafür
herrschen zu viel Dünkel und SippenhaftReflex bei den Adressaten.
Dazu ermutigen können Positivbeispiele für neue Ansätze in der Auf
bereitung des komplexen Themas Nachhaltigkeit: Jüngst präsen
tierte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen (WBGU) die verbraucherfreundliche Variante
seines Hauptgutachtens – als Comic mit dem Titel „Die Große
Transformation. Klima – kriegen wir die Kurve?“. Eine anregende
und empfehlenswerte Lektüre.
Bereits im Jahr 2006 erschien die Studie „Zukunftsfähiges Deutsch
land in einer globalisierten Welt“ des Wuppertal Instituts. Zunächst
als recht umfängliche Publikation aufgelegt, gibt es sie inzwischen
als kompakte Fibel. Ein hoch konzentrierter Impuls; nicht nur für
aufgeweckte Schulkinder, sondern generell für Menschen mit wenig
Zeit. Wirtschaftsentscheider sollen ja zu Letzteren zählen.
Eine Supermarktkette kam auf die pfiffige Idee, Klebebildchen
nebst informativem Sammelalbum zu bedrohten Tierarten aufzule
gen. Natürlich mit Gütesiegel einer UmweltNGO versehen. Zwar
rettet man auch mit Panini nicht die Welt. Aber es spricht nichts
dagegen, das Bewusstsein für die Umwelt bereits im Kindesalter
zu schärfen. Mit einem bemerkenswerten Nebeneffekt: Es ent
standen von Kunden initiierte Tauschbörsen am Point of Sale für
die Bilder. Die Aktion „TierAbenteuer“ ist auf der Website des
WWF beschrieben.
Tatsächlich können Unternehmen zu einer nachhaltig handelnden
Gesellschaft viel mehr beitragen als in den Führungsetagen oft
angenommen wird. Sie sollten das tun, nicht nur aus kaufmänni
schen, sondern schon aus moralischen Gründen. Insgesamt sollten
Wirtschaft, Staat und Gesellschaft uneitler werden, pragmatischer
und vor allem: zielorientierter. Denn das Ergebnis zählt. Über die
erzielten Fortschritte können sie dann auf Basis einer zeitgemäßen
Nachhaltigkeitskommunikation gerne gemeinsam berichten. //
Unternehmen können zu einer nachhaltig handelnden Gesellschaft viel mehr beitragen als oft angenommen wird
Weiterführende Links
Der WBGUComic beschreibt in modernem GraphicNovelStil die Herausforderungen des Klimawandels. Eine aufmerksamkeitsstarke Form der Wissensvermittlung. Neugierig? Schreiben Sie uns gern in einem Satz, warum Sie diesen Comic lesen müssen – unter allen Einsendern verlosen wir drei Exemplare. Mehr unter www.diegrossetransformation.de und als kleiner Film hier www.wbgu.de/en/vorschaucomictransformation.
Zum Thema nachhaltiger Konsum lohnt auch ein Blick auf die persönliche CO2Bilanz: www.wwf.de/CO2Rechner sowie in einen verantwortungsvoll befüllten Einkaufswagen: www.nachhaltigerwarenkorb.de. Auf www.utopia.de trifft sich zudem eine nachhaltige Konsumentengemeinschaft.
@Karsten Tappeist Director CSR mit Sitz am Ketchum Pleon Standort in Düsseldorf. Den vollständigen Artikel des Autors finden Sie auf der neuen CSRPlattform von Ketchum Pleon Deutschland: www.kpgresponsebility.de.
18 // BIS DIE IDEE UNS EINT
Stecken wir vielleicht sogar in einer kreativen Sackgasse? Nein,
sagen zwei, die es wissen müssen: Claudia Geidel, Senior Consul
tant Creativity bei Ketchum Pleon München, und Kerstin Steglich,
Standortleiterin von Ketchum Pleon Dresden.
Hand aufs Herz: Brauchen Unternehmen beim Thema Kreativi-
tät die Hilfe einer Agentur?
Claudia Geidel: Grundsätzlich ist Kreativität in Organisationen reich
lich vorhanden. Dennoch werden Unternehmen nicht unbedingt kre
ativer. Und zwar aufgrund von zu effizienten Strukturen, festgelegten
Prozessen, perfektem Management. Prozessoptimierung und Kos
tendruck sind Handlungsmaximen, die kreatives Potenzial einschrän
ken. Oft geht es nur darum, „wie“ etwas umgesetzt werden kann.
Warum man es so macht und ob es
nicht vielleicht noch andere, bessere
Wege gäbe, wird zu selten gefragt.
Hier können wir als Agentur unvoreingenommen denken und Ideen
entwickeln, Dinge besser infrage stellen.
Kerstin Steglich: In Bezug auf ihre Kommunikationsarbeit sind die
Unternehmen in den letzten zehn Jahren professioneller geworden.
Das hat die Zusammenarbeit mit Agenturen verändert. Unsere
BIS DIE IDEE UNS EINTUm das magische Dreieck Kunde-Agentur-Kreativität ranken sich viele Vorurteile, Mythen und Missverständnisse: Unternehmen sind nicht kreativ, Agenturen liefern utopische Ideen und umgesetzt wird am Ende nur der kleinste gemeinsame Nenner. Ist das wirklich so?
„Wir sind ja kein Ponyhof!“
// 19 // 19TERMINE
Expertise ist heute verstärkt gefragt, wenn es um das Betreten von
Neuland geht, um Umbrüche, Wandel, Krisen, neue Dienstleistun
gen oder Produkte. Agenturen haben hier oft schon Erfahrungen
gesammelt und sind es gewohnt, um die Ecke und auch gerne mal
anders zu denken.
Bremst Effizienz die Kreativität aus?
Kerstin Steglich: Effizienz und Kreativität sind kein Widerspruch an
sich. Manager sollten aber im Hinterkopf behalten, dass Kreativität
anders funktioniert als Ressourcen und Budgetplanung. Kreativität
braucht Freiheit und lässt sich nicht durchplanen. Die Ergebnisse
eines Kreativprozesses sind oft weitaus effektiver als der vorher
beschrittene Standardweg. Übrigens: Effizienz bestimmt auch unser
Handeln – das Agenturleben ist kein Ponyhof!
Was verändert sich derzeit im Kreativprozess?
Claudia Geidel: Unternehmen und Agenturen rücken näher anei
nander. Das bedeutet für Agenturen, dass sie vom hohen Ross der
Kreativität herabsteigen müssen. Unternehmen bestellen heute
seltener die ultimative Idee, denn die wollen sie mitgestalten.
Gefragt ist die Agentur als Partner,
der Kunden hilft, Ideen zu schaffen
und Realität werden zu lassen. Die
geniale Schöpfung hinter verschlossenen Agenturtüren, in der krea
tiven Black Box, hat vielfach ausgedient.
Kerstin Steglich: Das sehe ich ähnlich, Ideen werden gemeinsam
weiterentwickelt. Dabei ist es zweitrangig, ob es im Kern um eine
kreative Kommunikationskampagne, Veränderungsprozesse im
Unternehmen oder ums Recruiting geht. Denn nicht nur das Endpro
dukt ist kreativ im Sinne von neu, anders und aufmerksamkeitsstark.
Kreativität steckt jetzt auch im Ideenfindungsprozess. Nicht ohne
Grund werden Innovationsmanagement und Ideenlabore immer
wichtiger für Unternehmen.
Worin besteht das Risiko bei dieser Entwicklung?
Claudia Geidel: Wenn man nicht aufpasst, verliert die Idee in der
Umsetzung ihre Kraft. Das Umfeld für Kommunikation ist heute sehr
komplex: Viele Akteure, zahlreiche Stimmen und persönliche Befind
lichkeiten wollen Einfluss auf den Prozess nehmen. Alle, die an der
Idee arbeiten, brauchen daher ein gemeinsames Verständnis davon,
warum sie für diese Idee kämpfen sollen.
Wie aber kommt die kreative Idee auf die Straße?
Claudia Geidel: Zwei Faktoren sind wichtig: Zunächst einmal geht
es darum, eine Allianz für die Idee zu bilden – mit Menschen inner
halb und außerhalb der eigenen Organisation. Der zweite wichtige
Faktor ist die Einsicht, dass sich Alleingänge nicht lohnen, Zusam
menarbeit – neudeutsch Collaboration – zahlt sich aus. Doch gerade
im Bereich der Kreativität ist das nicht immer einfach. Es erfordert
Mut, die eigene Idee von anderen mitgestalten – cokreieren –
zu lassen. Dabei ist es enorm wichtig, den Ideenkern, den man
behalten will, zu kennen und gestalterische Flexibilität an anderen
Stellen zu erlauben.
Kerstin Steglich: Doch bei aller CoCreation – irgendwann ,muss
auch einer entscheiden. Dabei geht es aber weniger um das „So
geht das nicht!“, sondern vielmehr um das „So machen wir es jetzt!“.
Die kreative Idee muss einfach, sofort verständlich und aus sich her
aus überzeugend sein. Die Eier legende Wollmilchsau hat ausge
dient, sie ist zu gewöhnlich. Für solche Entscheidungsprozesse
braucht es Mut, Diskussionsbereitschaft und durchaus auch mal die
Bereitschaft zu Reibereien um die Sache. Das war früher einfacher ...
Künftig also nie mehr allein?
Claudia Geidel: Seltener allein und öfter gemeinsam. Das bedeutet
in der Konsequenz: eine enge Verbindung zwischen allen Beteilig
ten, ein besseres Verständnis für die Ausgangssituation, kürzere
Abstimmungsprozesse sowie eine enorme positive Energie durch
den schöpferischen Akt. Wir haben damit bereits sehr gute Erfahrun
gen gemacht. Wobei es natürlich nach wie vor auch Spaß macht,
Unternehmen mit außergewöhnlichen Ideen zu verblüffen – das
können und wollen wir uns auch in Zukunft nicht verkneifen.
Kerstin Steglich: Da schließe ich mich an, dieses kreative Miteinan
der bringt viele Player an einen Tisch – unterschiedliche Abteilungen,
Disziplinen, Blickwinkel und Erfahrungen. Und da reden wir weder
über DEN Kunden noch DIE Agentur – sondern nur noch über
UNSERE Idee. //
BIS DIE IDEE UNS EINT
„So machen wir es jetzt!“
Weiterführende Links
Was zeichnet kreatives Arbeiten aus? Bestimmte Einstellungen und Herangehensweisen, so die FastCompany. Ideen und Inspirationen finden sich auch auf dem Blog http://www.fastcocreate.com/
Wer sich gerne blättern zurückzieht, mag einen Blick in diese Auswahl der Autoren werfen, zum Beispiel „Wenn Ideen Sex haben: Wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird“, als TEDVortrag auch hier.
Für die Methodikfreunde interessant ist „Creativity Today“, eine unterhaltsame Zusammenstellung verschiedener Kreativitätstechniken.
@Claudia Geidelist Senior Consultant Creativity mit Leidenschaft für kreative Ideen und das Entwickeln selbiger. Manchmal auch im Dunkeln. www.kpgblog.de/darkroom/.
@Kerstin Steglichleitet den Dresdner Standort und ist mit ihrem Team berüchtigt für verrückte Kampagnen mit Herz.
Juni 2013
Ketchum Pleon GmbHBahnstraße 2
40212 Düsseldorf
Konzept und Realisierung: Business Development
Schlussredaktion: Ulrich Nitsche, Thomas Fischer
Layout: Yasmine Cordes, Mario Föllmer
Illustration:
Yasmine Cordes
Produktion: Stefanie Strieker