.
Die Ionosphäre der Erde ist ein Teil der
hohen Atmosphäre, der durch Ionisation
gekennzeichnet ist, und in etwa 90 km
Höhe beginnt. Unter Ionisation versteht
man die Aufspaltung von Gasmolekülen
der Luft in Elektronen und Ionen durch die
Ultraviolettstrahlung der Sonne (Abb.1).
Die häufigsten Gasmoleküle der Luft sind
molekularer Stickstoff (N2) und mole-
kularer Sauerstoff (O2), oberhalb von 200
km atomarer Sauerstoff (O). Ab 600 km
Höhe besteht die Luft im wesentlichen nur
noch aus Wasserstoff (H) und Helium (He)
Die Wellenlängen der solaren Ultravio-
lettstrahlung, die die Ionisation bewirkt, lie-
gen bei etwa 10 bis 100 nm (milliardstel
Meter). Auch die solare Röntgenstrahlung
mit noch kürzeren Wellenlängen trägt zur
Ionisation bei.
Obwohl nur weniger als 1 % der Gasmo-
leküle ionisiert sind (Abb. 2), erhält die
Luft durch die elektrisch geladenen Teil-
chen (Ionen, Elektronen) eine völlig neue
Eigenschaft: sie wird elektrisch leitfähig.
Dadurch können in der Ionosphäre Ströme
fließen und Radiowellen werden reflek-
tiert, abgelenkt und gestreut. Das Gemisch
aus Elektronen, Ionen und Gasmolekülen
nennt man Plasma.
Der Name ’Ionosphäre’ wurde im Jahre
1926 von dem englischen Physiker Sir Ro-
bert Watson-Watt geprägt. Fast 100 Jahre
früher, im Jahre 1839 hatte aber der deut-
sche Mathematiker und Physiker Carl
Friedrich Gauß bereits Spekulationen über
eine elektrisch leitende Schicht in der ho-
hen Atmosphäre angestellt, um die von
ihm beobachteten Variation des Erdmag-
netfelds erkläre zu können.
Die Ionosphäre ist in Schichten ver-
schieden starker Ionisation unterteilt. Als
Maß für die Ionisation gilt die Elektronen-
dichte Ne, d.h. die Zahl der Elektronen in
einem Würfel von 1 Meter Kantenlänge.
Da die Zahl der Elektronen immer gleich
der Summe aller Ionen ist, genügt die
Angabe der Elektronenzahl. Abb. 3 zeigt
einen typischen Verlauf der Elektronen-
dichte mit der Höhe. Die wichtigsten Ionen
in der unteren Ionosphäre sind moleku-
larer Sauerstoff (O ) und Stickoxid (NO ),
im Bereich der F-Schicht atomarer
Sauerstoff (O ) und in der oberen Iono-
sphäre Wasserstoff (H ) und Helium (He ).
Die Elektronendichte unterliegt starken
tages- und jahreszeitlichen Schwankun-
gen. Außerdem wirkt sich die Sonnen-
aktivität stark auf die Ionisation aus. Die
Abb. 1 Ionisation eines neutralen Gasmoleküls durch UV-Strahlung,
Elektronen sind negativ, Ionen positiv geladen
Abb. 2 Schematische Darstellung des Plasmas inder Ionosphäre, bestehend aus wenig Elektronen (rot)und Ionen (blau) und vielen neutralen Gasmolekülen
(grün)
.
.
2
+ +
+
+ +
Einleitung
Aufbau der Ionosphäre
MAX-PLANCK-
INSTITUT
FÜR
AERONOMIE
Ionosphärenforschung
Forschungs-Info (8/98)
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UV-Strahlung
Gasmolekül
ElektronIon
Sonne weist einen Aktivitätszyklus von 11Jahren auf, der auch optisch durch dieZahl der Sonnenflecken beobachtbar ist.Im Aktivitätsmaximum (z.B. In den Jahren1989 und 2000) ist besonders dieRöntgenstrahlung von der Sonne erhöht,was eine Zunahme der Ionisation in derIonosphäre zur Folge hat.
Die Namensgebung der Schichten(Abb. 3) hat historische Gründe. GuglielmoMarconi hatte im Jahre 1901 mit seinenVersuchen zur Radiowellen-Übertragungzwischen Europa und Amerika bewiesen,daß es in etwa 100 km Höhe eine elek-trisch leitfähige Schicht geben muß. Derenglische Physiker Sir Edward Appleton,der sich besondere Verdienste um die Io-nosphärenforschung erwarb, und dafürauch den Nobelpreis erhielt, bezeichnetediese Schicht im Jahre 1927 daher alsE(lektrische)-Schicht. Später entdeckteman unter und über dieser E-Schicht nochweitere Schichten, die man dann dem Al-phabet entsprechend, D- und F-Schichtnannte.
Bei Tage spaltet sich die F-Schicht häu-fig in zwei Unterschichten auf, die F1- unddie F2-Schicht. Letzere ist auch in derNacht vorhanden, während der alle ande-ren Schichten verschwinden. Die einzel-
nen Schichten sind nicht nur eine Folgeder direkten Ionisation (Abb. 1) sondernauch ihres Umkehrprozesses, der Rekom-bination. Dabei schließen sich ein Elektro-nen und eines der verschiedenen Ionen(siehe Abb. 3) wieder zu einem neutralenGasatom oder Gasmolekül zusammen. Au-ßerdem spielen bei der Schichtbildung (be-sonders der F2- Schicht) auch Transport-prozesse (Diffusion, Winde) eine große Rol-le.
Die D-Schicht bildet keine deutlich sepa-rierte Schicht, sie erscheint nur als untererAnhang der E-Schicht (Abb. 3). Sie ist diekomplizierteste aller Schichten, zu ihrervollständigen Beschreibung braucht manmehr als 50 chemische Reaktionen zwi-schen Ionen, Elektronen und neutralenGasmolekülen. Außerdem können sichdort durch Anlagerung eines Elektrons anein Gasmolekül auch negative Ionen bil-den.
Im Bereich der D- und E-Schicht spieltauch die Ionisation durch Teilchen aus derMagnetosphäre oder von der Sonne eineRolle. Der Prozeß verläuft ähnlich wie inAbb. 1 dargestellt, nur daß die Rolle der so-laren UV-Strahlung durch ein solches(energiereiches) Teilchen übernommenwird.
Abb. 4 demonstriert die tageszeitlicheVariation in der Ionosphäre. Die Elektro-nendichte ist hier farbkodiert über der Ta-geszeit und der Höhe aufgetragen. RoteFarbtöne entsprechen einer hohen Elektro-nendichte, blaue einer niedrigen. NachSonnenaufgang (Pfeil SA) steigt die Elek-tronendichte an, erreicht kurz nach dem lo-kalen Mittag (der lokale Mittag liegt inTromsö bei etwa 10:45 Uhr Weltzeit) ihrMaximum und fällt dann zum Sonnenun-tergang (SU) hin wieder ab. Die in dieserAbbildung dargestellten Ergebnisse wur-den mit der Methode der sogenannten ‘in-kohärenten Rückstreu-ung’ (EISCAT, s.u.)gewonnen.
Eine räumliche Verteilung der Ionisationüber die ganze Erde, wie in Abb. 5 darge-stellt, kann man mit einer anderen Radio-methode ermitteln. Man benutzt hierzu Ra-diowellen, die zwischen einem Satelliten
Abb. 3 Elektronendichteverteilung, die wichtigsten Ionenund Ionosphärenschichten
Zeitliche und räumliche Variation
F-Schicht
E-Schicht
D-Schicht
1000 1000000
Elektronendichte (Elektronen pro m )3
100 km
400 km
Hö
he
700 km
H
He
+
+
O+
NO+
O2
+
und einer festen Bodenstation registriertwerden. Als Maß für die Ionisation gilt hierder Elektroneninhalt in einer Säule zwi-schen Satellit und der Bodenstation. Kom-biniert man die Daten von mehreren Satel-liten und Bodenstationen, kann man dieStärke der Ionisation über einem großenGebiet darstellen. Auf dem Bild ist sehr gutzu erkennen, daß der Elektronen-inhalt amMittag und frühen Nachmittag in der Nähedes Äquators am höchsten ist, weil dortdie solare Ultraviolettstrahlung am inten-sivsten ist. Zu den Polen hin und währendder Nacht ist der Elektroneninhalt nur ge-ring.
Während die Bedeutung der Ionosphärefür die Kurzwellenübertragung im Zeitalterder Satellitenkommunikation immer mehrin den Hintergrund tritt, steht heute die Rol-le der Ionosphäre in der Wirkungskette dersolar-terrestrischen Beziehungen unddem sogenannten ‘Weltraumwetter’ imVordergrund. In den folgenden Themen-kreisen wird nicht nur am MPAE, sondernauch weltweit geforscht:
Die Energieübertragung von derSonne auf die Ionosphäre ändert sich imLaufe des 11-jährigen Sonnenflecken-zyklus. Welche Prozesse sind hier ent-scheidend?
In der Ionosphäre zwischengespei-cherte Sonnenenergie wird schließlichauf die neutrale Atmosphäre übertra-gen. Von Bedeutung sind dabei Winde,atmosphärische Wellen und chemischeReaktionen. Welche Vorgänge laufen da-bei im einzelnen ab ?
Energiereiche Teilchen von der Son-ne und aus der Magnetosphäre übertra-gen ebenfalls Energie in die Ionosphäre,Abb. 4 Beispiel für die tageszeitliche Variation der
Elektronendichte in der Ionosphäre
Aktuelle Fragen der
Ionosphärenforschung
1.
2.
3.
Abb. 5 Beispiel für die globale Verteilung des Elektroneninhalts.(1TECU entspricht 10 Elektronen pro m ). AlsMeßsatelliten dienten hier die verschiedenen Untersatelliten des 'Global Positioning Systems' (GPS). Die roten Punkte
kennzeichen die benutzten Bodenstationen.
15 2
besonders im Bereich der Pole (Nord-und Südpol). Ein sichtbares Zeichen derWirkung dieser Teilchen sind die Polar-lichter. Wie wird diese Energie globalverteilt ?
Angestrebt wird eine Vorhersagedes Weltraumwetters und seine Aus-wirkungen auf die Erde. Wie reagiert dieIonosphäre auf ganz bestimmte Welt-raumwetterlagen ? Wie wirken sich die-se Bedingungen auf Kommunikationund Navigation aus ?
Die Ionosphäre bietet die Möglich-keit, sie als riesiges Plasmalabor zu be-nützen. Viele Plasmavorgänge lassensich in normalen Laboranlagen nurschlecht studieren, weil Wandeffekteund begrenzte Abmessungen der Gefä-ße, in die das Plasma eingeschlossenist, eine störende Rolle spielen. DieseEinschränkungen liegen in der Io-nosphäre nicht vor. Aktive Veränderun-gen der Ionosphäre können durch Ein-strahlung von Radiowellen hoher Lei-stung ausgelöst werden. Welche Ände-rungen spielen sich dabei im Plasmaab?
Zur Durchführung von Forschungspro-jekten im Rahmen dieser generellen Frage-stellungen stehen dem MPAE eine Reihevon Anlagen zur Verfügung:
EISCAT ( uropean ncoherent terAssociation) ist eine multinationale Groß-forschungseinrichtung, die 5 Radarstatio-nen in Nordskandinavien betreibt (Abb. 6).Es sind universelle Geräte zur Ionosphä-renforschung und liefern Elektronendich-te, Elektronentemperatur, Ionentempera-tur und Plasmageschwindigkeit in einemHöhenbereich zwischen 90 km und etwa2000 km. Studien zu den Themenkreisen1, 2, 3, 4 und 5 können damit unternom-men werden. Zu EISCAT gehört auch dieHEATING-Anlage zur Modifikation der Io-nosphäre (vgl. Themenkreis 5).
STARE ( candinavian win uroral a-dar xperiment) ist ebenfalls ein Radarge-rät, mit dem die Plasmageschwindigkeit inder Ionosphäre großräumig erfaßt werden
kann. Fragen zu den Themenkreisen 3 und4 können damit untersucht werden.
DASI ist eine digitale Kamera zum Pho-tographieren von Polarlichtern und zumStudium seiner Form und Dynamik (The-menkreis 4).
COSCAT und SESCAT sind Radargeräteähnlich wie STARE. Sie dienen hauptsäch-lich zum Studium von Plasmaprozessen(Themenkreis 5).
Ein Fabry-Perot Interferometer dient zumStudium der Windgeschwindigkeit undder Temperatur der neutralen Atmosphä-re. Diese Messungen sind besonders fürden Themenkreis 2 wichtig.
Kristian Schlegel
E I Scat
S T A RE
Internet-Seiten:I
Abb. 6 Antenne des EISCAT-Radars auf der InselSpitzbergen
4.
5.
Versuchsanlagen
http://www.kn.nz.dlr.de/WWW_nv_nz/ionos/index.htm
http://www.sel.noaa.gov/today.htmlhttp://www.eiscat.no/http://www.meteoros.de/
(TEC-Karten, vgl. Abb. 5)(Weltraumwetter)
(EISCAT)(Polarlichter u. mehr)
Max-Planck-Institut für Aeronomie, Max-Planck-Str. 2, D-37191 Katlenburg-Lindau,Tel. 05556-979468, email: [email protected], Internet: http://www.mpae.gwdg.de