D I E Z U K U N F T D E R A R B E I T D E N K E N
April/Mai 2003
COMPACT
Ein aktuelles Forschungsprojekt unter der Leitung von IZA-Programmdirektor Dennis J. Snower vermittelt neue Einsichten in den Zu-sammenhang zwischen Inflation und Arbeits-losigkeit. Dabei wird die bisherige Annahmein Frage gestellt, dass die Arbeitslosigkeitlangfristig unabhängig von der Inflation ver-läuft. Die im Rahmen des Forschungsprojektsentwickelte Theorie zeigt auf, dass eine ex-pansive Geldpolitik sehr wohl einen langfristigverringernden Einfluss auf die Arbeitslosigkeitnehmen kann. Erste theoretische und empi-rische Ergebnisse des Forschungsprojekts fin-den sich in mehreren IZA Discussion Papers(No. 635, 636, 645, 646) von Liam Graham,(Birkbeck College, London); Marika Karanas-sou, (Queen Mary College, London) HectorSala und Dennis J. Snower (beide BirkbeckCollege, London).
Das Projekt beschäftigt sich mit den folgen-den Fragen:
Wie werden Sozialprodukt, Beschäftigungund Arbeitslosigkeit von der Geldpolitik be-einflusst?
Gibt es eine bestimmte Arbeitslosenquote– als NAIRU („Non-accelerating inflation rateof unemployment“) bezeichnet – bei der dieInflation konstant ist?
Fällt die Inflation unbegrenzt, wenn die Ar-beitslosenquote über der NAIRU liegt; undsteigt sie unbegrenzt, wenn sich die Arbeitslo-sigkeit unterhalb der NAIRU bewegt?
Welches Ziel sollte die Geldpolitik verfol-gen? Ist ihre Beschränkung auf das Erreicheneiner bestimmten Inflationsrate sinnvoll?
Bisherige Sichtweise
Der Tradeoff zwischen Inflation und Arbeits-losigkeit stellt eines der ältesten Probleme inder Makroökonomie dar und ist wahrschein-lich die wichtigste Beziehung in der Volkswirt-schaft. Viele Rezessionen der Nachkriegszeit
sind aufgetreten, als eine restriktive Geldpoli-tik eingeführt wurde, um die Inflation zu ver-ringern. Expansive Geldpolitik spielte eine be-deutende Rolle in der amerikanischen Hoch-konjunktur der neunziger Jahre. Ebenso lassendie Entscheidungen der europäischen Zentral-bank die Entwicklung der Arbeitslosigkeit inEuropa nicht unberührt. Es ist deshalb vonzentraler Wichtigkeit zu verstehen, wie Inflati-on mit Arbeitslosigkeit zusammenhängt undwie Geldpolitik diese Aktivitäten beeinflusst.
Seit Alban W. Phillips einen inversen Zusammen-hang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit inGroßbritannien im Zeitraum 1861-1957 fest-stellte, wird seine Phillips-Kurve als „Tatsacheauf der Suche nach einer Theorie” bezeichnet.Die Phillips-Kurve konnte die makroökonomi-schen Entwicklungen bis zum Ende der sechzi-ger Jahre durchaus treffend beschreiben. In denspäten sechziger Jahren stellten Edmund Phelpsund Milton Friedman diesen Tradeoff zwischenInflation und Arbeitslosigkeit jedoch grund-legend in Frage. Ihrer Argumentation zufolgesind nominale Löhne und Preise irrelevant fürdie ökonomischen Entscheidungen des Indivi-duums. Der Einzelne unterliegt keiner „Geldil-lusion”, besitzt also nicht die Vorstellung, dassdas absolute Lohn- und Preisniveau Einflussauf seine Entscheidung nimmt. Vielmehr hängtdie Nachfrage der Firmen nach Arbeitskräftenund das Arbeitskräfteangebot der Haushaltevom Lohnniveau relativ zum Preisniveau ab.Demzufolge dürfte der Inflationsrate keine Be-deutung für die Entwicklung der Arbeitslosig-keit zukommen. Da die Arbeitslosigkeit vonden realen Löhnen abhängt (Löhne im Verhält-nis zu Preisen), sollte eine gegebene Arbeitslo-senrate zu jeder Inflationsrate kompatibel sein.
Diese Theorie erscheint einleuchtend. So hatetwa die Einführung des Euro nicht zu starken
Inflation und Arbeitsmarkt – Geldpolitik kannBeitrag zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit leisten
Schwankungen der Arbeitslosigkeit in Europageführt, da die Recheneinheit, in der Löhneund Preise berechnet werden, letztlich für Un-ternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßenirrelevant ist. Entscheidende Bedeutungkommt vielmehr ihrer Kaufkraft zu. Analoghierzu kann argumentiert werden, dass Geld-politik keine Langzeitauswirkungen auf Ar-beitslosigkeit hat. Änderungen der Geldmengebedeuten gleichfalls lediglich eine Verände-rung in der Recheneinheit. So lange alle Löhneund Preise sich proportional zur Geldmengeentwickeln, sollte die Arbeitslosigkeit davonnicht betroffen sein.
Kurzfristig mögen die Erwartungen der Indivi-duen zwar von der realen Entwicklung abwei-chen. Wenn beispielsweise in Lohnverhand-lungen eine expansive Geldpolitik antizipiertwird, passen sich Löhne nicht umgehend an.Das kann dazu führen, dass die Löhne relativzu den Preisen fallen. Dies hat wiederum zurFolge, dass Unternehmen mehr Arbeitskräftenachfragen und die Arbeitslosigkeit sinkt.Doch solche Fehleinschätzungen haben nichtlange Bestand. Da Informationen zu Löhnen,Preisen und geldpolitischen Instrumenten ver-fügbar sind, wird eine systematische Fehlein-schätzung binnen kurzem korrigiert werden.Das gilt auch in Bezug auf die entstehendenKosten von Preisänderungen oder zeitlichgestaffelte Lohn-Preis-Verträge, die den anste-henden Angleichungsprozess wohl verzögern,aber nicht längerfristig aufhalten können.
Geldpolitik kann also – diesem Modell fol-gend – nur sehr kurzfristige Auswirkungen aufArbeitslosigkeit und andere volkswirtschaftli-che Größen entfalten und beeinflusst letztlichkaum mehr als die Inflation. Bei zu hoher In-flation ist es wichtig, dass die geldpolitischeInstitution glaubwürdig zur Reduzierung der
In dieser Ausgabe
Inflation und Arbeitslosigkeit 1IZA Prize in Labor Economics 2003 4Workfare in Deutschland? 5Arbeitslosigkeit in der Schweiz 6IZA Tower Talk mit Florian Gerster 8K. F. Zimmermann verlängert Vertrag als IZA-Direktor 9
IZA unterstützt Bonn Graduate School of Economics 9IZA-Personalien: Armin Falk / Christian Belzil 9Kurzberichte 10Discussion Papers / Gastwissenschaftler 11Meinung 12
2 IZA COMPACT April/Mai 2003
Inflation beiträgt, da sich die Erwartungender Menschen dann entsprechend schnell an-passen. Im Ergebnis kann die Inflation redu-ziert werden, ohne dass dabei die Arbeitslo-sigkeit anhaltend steigt.
Diese Interpretation setzte sich zunehmenddurch, als in den siebziger Jahren scheinbar derTradeoff zwischen Inflation und Arbeitslosig-keit nicht mehr gegeben war, sondern in vielenOECD-Staaten ansteigende Arbeitslosigkeitbei gleichzeitig wachsender Inflation zu beob-achten war. Abbildung 1 , in der die Arbeitslo-sen- und Inflationsrate zwischen 1961 undheute dargestellt ist, macht diesen Bruch sehrdeutlich: Lediglich im Verlauf der sechzigerJahre entwickelten sich Inflation und Arbeitslo-sigkeit in entgegen gesetzte Richtungen, verlie-fen dagegen im nächsten Jahrzehnt oft parallelzueinander. Vor diesem Hintergrund kamen diemeisten Ökonomen zu dem Schluss, dass zwi-schen Arbeitslosigkeit und Inflation kein Zu-sammenhang bestehe. Vielmehr gebe es einespezifische Arbeitslosenquote (die sogenannteNAIRU), bei der die Inflation unverändert blei-be. Gemäß dieser Deutung steigt die Inflationunaufhörlich, wenn die Arbeitslosigkeit unterdie NAIRU fällt; bei einem Anstieg der Arbeits-losigkeit über die NAIRU entsteht hingegen un-begrenzte Deflation. Dieser inverse Zusam-menhang zwischen Arbeitslosigkeit und derVeränderung der Inflation wurde zum Kon-sensansatz in der Makroökonomie. Er wird inAbbildung 2 für die USA dargestellt – dort ister zwar nicht sehr stark ausgeprägt, aber docherkennbar vorhanden.
Schwächen des Konsensansatzes
Über drei Jahrzehnte bildeten diese Überle-gungen das Fundament der wirtschaftswis-senschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet.Im Lichte neuer Einsichten und Erkenntnissemüssen sie heute jedoch mehr denn je in Fragegestellt werden.
So kollidiert die Perspektive, dass Geldpolitiklediglich die Inflation beeinflusse, unmittelbarmit der Denkweise und praktischen Erfahrungvon Banken und Politik (mit der Ausnahmesehr kurzer Zeiträume, in denen Erwartungen
unrealistisch sein können und die Kosten derAnpassung von Preisen und Löhnen oft signi-fikant sind). Andernfalls wäre Geldpolitikleicht zu betreiben, denn die Inflationszielewären durch Manipulation der Geldmengeerreichbar, ohne dass dies zu höherer Arbeits-losigkeit oder geringerer Produktion führte.
Ferner gelingt es kaum noch, anhand der vor-herrschenden Theorie den langfristigen Trade-off zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit zuerklären, so wie ihn A. W. Phillips und andereWissenschaftler für lange Zeiträume vor 1970dokumentiert hatten. Seitdem konnte immerhäufiger beobachtet werden, dass Länder, dieeinen starken und lang anhaltenden Inflations-rückgang erfahren, gleichzeitig einen Anstiegihrer NAIRU verzeichnen, mithin also einenlangfristig inversen Zusammenhang zwischenInflation und Arbeitslosigkeit aufweisen.
Dieser Zusammenhang wird in den Abbildun-gen 3a-d dargestellt: In Frankreich, Deutsch-land, Spanien und Großbritannien ver-schwand die inverse Relation zwischen Inflati-on und Arbeitslosigkeit zwar während dersiebziger Jahre, trat jedoch später erneut auf.Anders als in den USA, lässt sich in diesenLändern kaum ein Beleg dafür finden, dassder Inflation-Arbeitslosigkeit-Tradeoff durcheinen Tradeoff zwischen Arbeitslosigkeit undInflationsveränderungen ersetzt worden ist.
Ausgehend von der Annahme einer über dieZeit sehr stabilen NAIRU gibt es so gut wie keineAnzeichen dafür, dass die Inflation bei niedri-ger Arbeitslosigkeit unbegrenzt steigt und beihoher Arbeitslosigkeit unbegrenzt fällt. Unter-stellt man hingegen Veränderungen der NAIRUim Zeitverlauf – in Einklang mit der NAIRU-Theorie – müsste die NAIRU in Europawährend der siebziger Jahre, dem Großteil derachtziger und den frühen neunziger Jahren zu-genommen haben, da in dieser Zeit die Ar-beitslosigkeit bei gleichzeitig relativ stabiler In-flation gestiegen ist. Die Gründe für eine solcheEntwicklung in den siebziger Jahren scheinenauf der Hand zu liegen: In dieser Zeit erlebtenviele europäische Staaten massive demogra-phische Veränderungen (Eintritt von Frauen
und jungen Menschen in den Arbeitsmarkt),einen Anstieg des gewerkschaftlichen Organi-sierungsgrades, eine Ausweitung der Arbeitslo-senunterstützung und anderer Sozialleistun-gen sowie schärfere Gesetze zur Arbeitsplatzsi-cherung. Doch diese Trends fanden in denachtziger und neunziger Jahren ein Ende oderverkehrten sich in manchen europäischen Län-dern gar in ihr Gegenteil. Auch der angeblicheRückgang der NAIRU in den USA in der zweitenHälfte der neunziger Jahre – als die Arbeitslo-sigkeit bei unveränderter Inflation zurückging –kann schwer erklärt werden.
In der Rückschau lassen sich leicht immerneue Konstellationen ökonomischer Größenausfindig machen, die die NAIRU im Sinne derzugrundegelegten Theorie in die eine oder an-dere Richtung beeinflusst haben mögen.Doch dies lässt das Unbehagen gegenübereiner fragwürdig gewordenen ökonomischenTheorie nur noch wachsen.
Der neue Ansatz: Friktionales Wachstum
Die im Rahmen des IZA-Forschungsprojektsentwickelte Betrachtungsweise des Tradeoffszwischen Inflation und Arbeitslosigkeit basiertauf den folgenden vier Hauptgesichtspunkten:(1) Bei zeitlich überlappenden Lohn-Preis-Ver-trägen (durch die Löhne oder Preise über dieVertragsdauer fixiert werden) zeigt sich, dassdie gegenwärtigen Löhne abhängig von denLöhnen in der Vergangenheit und der Zukunftsind. (2) Aktuelle Löhne orientieren sich stär-ker an den Löhnen der Vergangenheit, soferndie bei der Lohnbildung zu berücksichtigendenRisiken der Zukunft erheblich sind. Da die Prei-se ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhangmit den Löhnen stehen, gilt auch hier, dass ak-tuelle Preise stärker von früheren als vonzukünftigen Preisen abhängen. Der Grund liegtauf der Hand: Die Preise, die in der Vergangen-heit festgesetzt wurden, sind gewiss und habenaktuelle Gültigkeit, wohingegen zukünftigeLöhne unsicher und noch nicht in Kraft sind.(3) Unter diesen Umständen reagiert die Infla-tion sehr zögerlich auf monetäre Schocks. Diesführt dazu, dass sich das Preisniveau bei stei-gender Geldmenge nach einer beweglichen
Quelle: OECD
Abb. 1: Inflation und Arbeitslosigkeit in den USA
in P
roze
nt
Jahr
Quelle: OECD
in P
roze
nt
Jahr
Abb. 2: Arbeitslosigkeit und Veränderung der Inflationsrate in den USA
IZA COMPACT April/Mai 2003 3
Zielgröße richtet. Diese Größe wird als „frikti-onsloses Preisniveau” bezeichnet; sie gibtdamit an, wie hoch das Preisniveau ohne no-minale Friktionen wäre.
(4) Wenn die Geldmenge bei angenommenerPreisträgheit steigt, passen sich die Preisanglei-chungen, die auf jede sukzessive Veränderungder Geldmenge erfolgen, nie völlig an. Wäh-rend das aktuelle Preisniveau noch auf den An-stieg der Geldmenge reagiert, wächst diese be-reits weiter. In der Folge kommt es zu einer er-neuten Preisanpassung, so dass das Preisni-veau dem steigenden Geldangebot stets „hin-terherhinkt”. Aufgrund des engen Zusammen-hangs zwischen aktuellem und vergangenemPreisniveau führt ein Anstieg des Geldangebo-tes schließlich zu einem noch weiteren Zurück-bleiben des Preisniveaus hinter seiner Ziel-größe. Während das friktionslose Preisniveauproportional zum Geldangebot steigt, wächstdas gegenwärtige Preisniveau unterproportio-nal. Damit fällt es noch weiter hinter das Geld-angebot zurück. In der Folge nimmt die Kauf-kraft der Konsumenten zu und führt daher zu
sinkender Arbeitslosigkeit. Somit ergibt sich einlangfristiger Tradeoff zwischen Inflation undArbeitslosigkeit.
Die vorstehenden Überlegungen verdeutlichen,dass die herkömmliche Argumentation falschist, Geldpolitik könne (aufgrund fehlender Geldillusion) die Arbeitslosigkeit langfristignicht beeinflussen. Existiert keine Geldillusion,hat eine proportionale Lohn- oder Preisände-rung keinerlei Einfluss auf die Entscheidungender Individuen. Doch unter dem Einfluss vonInflationsträgheit und Geldmengenwachstumentwickeln sich Löhne und Preise eben nichtproportional zur Geldmenge. Daher bedeutetdas Fehlen einer Geldillusion keineswegs, dassGeldpolitik langfristig keinen Einfluss auf Be-schäftigung und Arbeitslosigkeit nehmen kann.
Implikationen
Der hier vorgestellte wissenschaftliche Ansatzverlangt eine Neubeurteilung des Einflusses derGeldpolitik auf makroökonomische Vorgänge.Als Beispiel lässt sich die Entwicklung der ame-rikanischen Volkswirtschaft in den neunziger
Jahren anführen, in deren Verlauf die Inflationbei sinkender Arbeitslosigkeit gedämpft blieb,obwohl das Geldmengenwachstum stark aus-geprägt war. Die Bedeutung der Geldpolitik inden USA wird in den Abbildungen 4 a - c an-hand eines „friktionalen” Wachstumsmodellsillustriert: Abbildung 4a zeigt die Entwicklungder tatsächlichen Arbeitslosigkeit gegenübereiner möglichen Entwicklung unter der Annah-me eines seit 1993 konstanten Geldmengen-wachstums. Der Unterschied zwischen den bei-den Kurvenverläufen dokumentiert den sehrwohl erheblichen Einfluss des Geldmengen-wachstums auf die Arbeitslosigkeit. Abbildung4b veranschaulicht die tatsächliche Inflati-onsrate gegenüber einer simulierten Inflations-rate (wiederum bei Konstanz des Geldmengen-wachstums von 1993) und belegt somit den al-lein durch das Geldmengenwachstum erzieltenInflationseffekt. Aus Abbildung 4c , die dietatsächliche Inflationsrate im Gegensatz zur si-mulierten Inflationsrate (bei seit 1993 kon-stantem Produktivitätswachstum) angibt, gehtder durch das Produktivitätswachstum be-dingte Inflationseffekt unmittelbar hervor.
Quelle: OECD
Abb. 3a: Inflation und Arbeitslosigkeit in Frankreich
in P
roze
nt
Jahr
Quelle: OECD
Abb. 3b: Inflation und Arbeitslosigkeit in Deutschland
in P
roze
nt
Jahr
Quelle: OECD
Abb. 3c: Inflation und Arbeitslosigkeit in Spanien
in P
roze
nt
Jahr
Quelle: OECD
Abb. 3d: Inflation und Arbeitslosigkeit in Großbritannienin
Pro
zent
Jahr
IZA Prize in Labor Economics 2003 – Start des NominierungsverfahrensDas IZA lädt alle Research Fellows dazu ein, sich auch indiesem Jahr am Nominierungsverfahren für den IZAPrize in Labor Economics zu beteiligen. Der Preiswird für herausragende Leistungen auf dem Ge-biet der Arbeitsökonomie vergeben und ist mit50.000 Euro dotiert. Im vergangenen Jahr warJacob Mincer (Columbia University, New York)erster Preisträger.
Das IZA Prize-Auswahlkomitee versammeltmit George A. Akerlof (University of California,Berkeley), Gary S. Becker (University of Chicago)und James J. Heckman (University of Chicago) er-neut drei Gewinner des Nobelpreises für Wirt-schaftswissenschaften. Zudem sind IZA-DirektorKlaus F. Zimmermann und IZA-Forschungsdirektor GerardA. Pfann in dem Gremium vertreten.
Wie im vergangenen Jahr hat das IZA ein elektronisches Nomi-nierungsverfahren exklusiv für seine Research Fellows
eingerichtet. Unter www.iza-prize.org (bzw. unter der Rubrik „IZA Prize” auf der IZA-Homepage) besteht
die Möglichkeit, unmittelbar einen Vorschlag an dasAuswahlkomitee einzureichen. Fragen und Anre-gungen zum IZA Prize sind willkommen [email protected].
Das Nominierungsverfahren endet am 31. Mai2003. Im Anschluss trifft das Auswahlkomitee seine
Entscheidung. Die offizielle Preisverleihung wird am22. September 2003 in Berlin stattfinden. Zuvor wird
der diesjährige Preisträger durch das IZA öffentlich be-kanntgegeben. Alle IZA Research Fellows sind herzlich ein-
geladen, an der Preisverleihung in Berlin teilzunehmen. Nähe-res zu den Teilnahmemodalitäten teilt das IZA auf Anfrage mit.
IZA PRIZE
INLA
BO R EC O N O M
ICS
4 IZA COMPACT April/Mai 2003
Obwohl die hier aufbereitetenDaten noch kein vollständiges Bildergeben, lassen sie einige interes-sante Schlussfolgerungen zu: Dieplötzliche Zunahme des Geldmen-genwachstums in der zweiten Hälf-te der neunziger Jahre in den USAbegründet zwei Drittel des Rück-gangs der Arbeitslosigkeit in die-sem Zeitraum (Abb. 4a). Das ge-stiegene Geldmengenwachstumhätte zu einem Anstieg der Inflati-on geführt (Abb. 4b), hätte das an-steigende Produktivitätswachstumnicht eine entgegengesetzte Ten-denz aufgewiesen. Der Anstieg desProduktivitätswachstums wieder-um wurde durch die expansiveGeldpolitik und die damit verbun-dene Kapitalbildung angeregt.
Insgesamt stellt die Analyse vonfriktionalem Wachstum einen viel-versprechenden Ansatz zur Beurteilung vonGeldpolitik und ihren Implikationen dar. We-sentlich erscheinen dabei vor allem die folgen-den Aspekte:
Aufgrund fehlender Lohn- und Preisreaktio-nen muss eine expansive Geldpolitik nicht un-mittelbar mit einer plötzlich ansteigenden In-flation einhergehen.
Geldpolitik kann Arbeitslosigkeitverringern, ohne dabei einen un-kontrollierten Inflationsanstieg zuverursachen. Umgekehrt kann siedie Arbeitslosigkeit steigen lassen,ohne zu Deflation zu führen.
Der Langzeiteffekt von Geldpoli-tik auf die Arbeitslosigkeit lässteine Erweiterung des Aufgabenfel-des von Zentralbanken und Politikratsam erscheinen: Erstrebenswertist möglicherweise eine Geldpoli-tik, die sich nicht länger allein aufdie Bekämpfung der Inflation be-schränkt, sondern auch den Ar-beitsmarkt in den Blick nimmt.
Angesichts dessen ist eine „Renais-sance der Geldpolitik” angezeigt:Sie kann fraglos größeren undnachhaltigeren Einfluss auf ma-kroökonomische Vorgänge undinsbesondere auf die Arbeitslosig-
keit nehmen, als ihr dies die bisherige Sicht-weise zugetraut hat.
Quelle: IZA Discussion Paper No. 636
Abb. 4a: Geldmengenwachstum und Arbeitslosigkeit in den USA
in P
roze
nt
Jahr
Quelle: IZA Discussion Paper No. 636
Abb. 4b: Geldmengenwachstum und Inflation in den USA
in P
roze
nt
Jahr
Quelle: IZA Discussion Paper No. 636
Abb. 4c: Produktivitätswachstum und Inflation in den USA
in P
roze
nt
Jahr
IZA COMPACT April/Mai 2003 5
„Workfare“ auf dem deutschen Arbeitsmarkt?Noch scheint der Weg weit zu einer General-reform des deutschen Arbeitsmarktes, die die-sen wieder in die Erfolgsspur zurückbringt.Auch die jüngste Regierungserklärung desdeutschen Bundeskanzlers hat kein umfassen-des Reformkonzept für den Arbeitsmarkt er-kennen lassen, enthält aber zumindest docheinige Bausteine, die es nun unmittelbar um-zusetzen – und auszubauen – gilt. Insbesonde-re ist das Vorhaben zu begrüßen, fortan dieBezugsdauer von Arbeitslosengeld deutlich zureduzieren und zugleich die Arbeitslosen- undSozialhilfe zu einer neuen steuerfinanziertenExistenzsicherung zusammenzufassen. Derdamit verbundene Anreiz zur Arbeitsaufnah-me bzw. zur Beschäftigung von Arbeitslosenwird einen Beitrag zur Reduzierung der Ar-beitslosigkeit leisten. Allerdings bleiben dieseMaßnahmen auf halbem Wege stehen.
Gelegentlich wird eine darüber hinausgehendeReduzierung des Niveaus der staatlichen Exi-stenzsicherung gefordert, um einen wirksame-ren Arbeitsmarkteffekt zu erzielen. Dies begeg-net jedoch erheblichen Vorbehalten im Hin-blick auf das Sozialstaatsgebot des Grundge-setzes. Das IZA plädiert deshalb nachdrücklichdafür, die Gewährung der sozialen Existenzsi-cherung an die Bereitschaft zur Gegenleistungin Form der Annahme einer sozial nützlichenTätigkeit zu knüpfen. Erst durch die Verknüp-fung von korrigierten Bezugsansprüchen miteinem solchen „Workfare”-Prinzip wird es ge-lingen können, eine dauerhaft entlastende Ar-beitsmarktwirkung zu entfalten.
Der Hintergrund für diesen weitergehendenVorschlag ist in der besonders nachteiligen Ar-beitsmarktsituation von Geringqualifiziertenund Langzeitarbeitslosen zu sehen. In Deutsch-land hat die Arbeitslosigkeit von Geringqualifi-zierten ein prekäres Ausmaß angenommen.Der EU-weite Durchschnitt der Arbeitslosigkeitvon Geringqualifizierten unterschreitet dasdeutsche Niveau aktuellen OECD-Daten zufol-ge um mehr als 30%; in Deutschland machendie ca. 1,5 Millionen geringqualifizierten Ar-beitslosen fast 40% aller Arbeitslosen aus. Auchim Hinblick auf die Langzeitarbeitslosigkeitübertrifft Deutschland den ohnehin hohen eu-ropäischen Durchschnitt. Maßnahmen zurVerbesserung der Beschäftigungsperspektivendieser Gruppen sind deshalb vordringlich.
Zielgruppe von „Workfare“
Ausgangspunkt konkreter Überlegungen mussdie Frage nach dem prinzipiellen Umfang derZielgruppe von entsprechenden Arbeitsmarkt-programmen sein. Zieht man die amtliche Sta-tistik und die Informationen des Sozio-oeko-nomischen Panels (SOEP) heran, so dürfte al-lein unter den Beziehern von Sozialhilfe ein Po-tenzial von rund 750.000 arbeitsfähigen Lei-stungsempfängern vorhanden sein. Ein aktuel-ler Bericht des Statistischen Bundesamtes andie Bunderegierung schätzt diese Zahl sogarauf über eine Million. Bei dieser Kalkulationsind bereits die diversen einschränkenden Merk-male familiärer oder gesundheitlicher Naturberücksichtigt.
Hinzu kommen etwa 1,7 Millionen Arbeits-lose, darunter außer Ungelernten und Gering-qualifizierten auch Langzeitarbeitslose mit be-ruflicher Ausbildung. Selbst wenn eine großeSchnittmenge von Arbeitslosen und Sozial-hilfeempfängern berücksichtigt werden muss,ergibt sich auf diese Weise eine Größenord-nung von über 2 Millionen Personen, die alsZielgruppe von Maßnahmen im Niedriglohn-bereich in Betracht kommen.
Anreiz zur Aufnahme einer regulärenBeschäftigung
Die positiven Effekte der verschiedenen inDeutschland praktizierten oder diskutiertenKombilohnmodelle sind denkbar gering (siehedazu: H. Schneider/K.F. Zimmermann/H. Bonin/H. Brenke/J. Haisken-DeNew/W. Kempe, Be-schäftigungspotenziale einer dualen Förderungsstra-tegie im Niedriglohnbereich, IZA Research ReportNo. 5). Vor diesem Hintergrund drängt sichdie Realisierung eines Konzeptes auf, das dieGewährung der sozialen Existenzsicherung fürarbeitsfähige Transferempfänger nach demPrinzip von Leistung und Gegenleistung vonder Übernahme einer sozial nützlichen Tätig-keit abhängig macht (vgl. dazu zuletzt: K. F.Zimmermann, Beschäftigungspotenziale im Nied-riglohnsektor, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsfor-schung 72/2003, Heft 1, S. 11-24 sowie H. Bonin,W. Kempe, H. Schneider, Kombilohn oder Workfa-re? Zur Wirksamkeit zweier arbeitsmarktpolitischerStrategien, IZA Discussion Paper No. 587).
Jedem transferberechtigten und arbeitsfähi-gen Erwerbslosen wird gemäß diesem Prinzipseitens lokaler Dienststellen eine sozial nütz-liche, öffentliche (Vollzeit-)Beschäftigung an-geboten. Der dafür gezahlte Sozialhilfelohnwird wie bisher von der Familienzusammen-setzung abhängig gemacht. Dieser Lohn kon-kurriert im Kalkül des Einzelnen unmittelbar
mit dem Marktlohn bei Aufnahme einer re-gulären Beschäftigung, da beide Tätigkeitenden gleichen Zeiteinsatz erfordern.
Im Falle der Einführung eines solchen, zur Ar-beit aktivierenden Systems werden rationalhandelnde Individuen sich dafür entscheiden,den eingetretenen Nutzenverlust soweit wiemöglich zu verringern. Das führt sie folgerich-tig zu der Entscheidung auf Sozialhilfe zu ver-zichten, sobald sich eine reguläre Beschäfti-gungsmöglichkeit mit besseren Einkommens-aussichten bietet. Ein einfaches Rechenbei-spiel zeigt, dass die Sorge vor einem überbor-denden staatlichen Beschäftigungssystemnicht begründet ist: Das soziale Mindestein-kommen für einen Alleinstehenden ohne Kin-der entspräche bei Umrechnung auf eine sozi-al nützliche Vollzeitbeschäftigung einem im-pliziten Stundenlohn von rund 3,50 Euro. DerStaat wäre also nur in der Pflicht, für diejeni-gen Sozialhilfeempfänger sozial nützlicheTätigkeiten und Qualifizierung anzubieten,die selbst diese Nettolohnschwelle auf demregulären Arbeitsmarkt nicht übertreffen kön-nen. Das wäre IZA-Analysen zufolge ein mini-maler Prozentsatz, für den bundesweit nureine geringe Zahl sozial nützlicher Arbeits-plätze bereitgestellt werden müsste.
Konsequenterweise müsste öffentliche Be-schäftigung natürlich auch für die Dauer derSuche nach regulärer Beschäftigung ermög-licht werden. In der Einführungsphase von„Workfare” könnte dies in größerem Umfangnotwendig werden, da der erste ArbeitsmarktZeit benötigt, um auf die vermehrte Präsenzvon Geringverdienern mit dem Angebot ent-sprechender Arbeitsplätze zu reagieren. Mit-tel- und langfristig aber dürfte der Bedarf anöffentlich bereitzustellenden Arbeitsplätzendenkbar gering sein.
Quelle: Statistisches Jahrbuch, IZA-Berechnungen (Zahlen für 2000)
Potenzielle Zielgruppe von „Workfare“
6 IZA COMPACT April/Mai 2003
Die positiven Beschäftigungseffekte lassen sichnoch steigern, falls es beispielsweise gelingt,durch adäquate Kinderbetreuungseinrichtun-gen die Erwerbsfähigkeit von Sozialhilfeemp-fängern mit Kindern im Vorschulalter sicherzu-stellen und ihnen die Beschäftigungsaufnahmezumutbar zu machen. Dann könnten schät-zungsweise 100.000 Erwerbslose zusätzlich ak-tiviert werden. Auch bei Älteren ist nennens-wertes Aktivierungspotenzial wahrscheinlich,wenn sie dadurch die Alternative sozial nütz-licher Arbeit vermeiden können. Durch „Work-fare” können im Übrigen nach einer Über-gangsfrist massive Nettoeinsparungen erzieltwerden. Eine Modellrechnung des IZA ergibtein Einsparpotenzial von über 8 MillardenEuro, selbst wenn die Kriterien der Erwerbsun-fähigkeit weit gefasst werden.
Mut zu neuen Wegen
Die einfache Alternative, entweder eine sozialnützliche Arbeit als Gegenleistung für die so-ziale Existenzsicherung aus Steuermitteln zuübernehmen, oder auf dem regulären Arbeits-markt Beschäftigungschancen zu nutzen, er-schließt ein erhebliches Beschäftigungspoten-
zial. Für die weitaus meisten erwerbsfähigenTransferempfänger wird die Aufnahme einer re-gulären Beschäftigung lohnend, weil sie beigleicher Arbeitszeit ein höheres Nettoeinkom-men erzielen können. Auch wird eine klar defi-nierte Zielgruppe erreicht, so dass fiskalisch in-effiziente Mitnahmeeffekte vermieden werdenkönnen. Darüber hinaus umgeht der Mecha-nismus die „Teilzeitfalle”: Anders als bei einerdirekten Subvention niedriger Einkommen be-steht kein Anreiz zur Reduzierung des Arbeits-stundenangebots des Individuums. Nicht zu-letzt reduziert „Workfare” den potenziellenMissbrauch von Sozialhilfe und entkräftet zu-gleich den ungerechtfertigten Faulheitsvorwurfan die Adresse von Transferempfängern. Eineindämmender Effekt tritt im Bereich derSchwarzarbeit ein, da die Möglichkeit entfällt,schattenwirtschaftliche Aktivitäten mit einer In-anspruchnahme sozialer Sicherungsleistungenbei unverändertem Zeiteinsatz zu verbinden.
Trotz dieser Vorteile ist die bisher geringe Ak-zeptanz des Konzeptes, beispielsweise in Eng-land, nicht überraschend. Die aus dem Prinzipvon Leistung und Gegenleistung resultierendeVeränderung des Status Quo für erwerbsfähige
Sozialhilfehilfeempfänger liefert zweifellos ge-sellschaftspolitischen Sprengstoff. Zudem sinddie Interessen von Gewerkschaften und Ar-beitsplatzbesitzern unmittelbar berührt. Durcheine Aktivierung von Sozialhilfeempfängernentsteht ein Niedriglohnsektor, der die Ver-handlungsmacht der Arbeitnehmer beschränktund einen – allerdings marginalen – Lohndruckauf die Arbeitsmarkt-Insider ausübt.
Dennoch erfordert die dramatisch schlechteSituation auf dem deutschen ArbeitsmarktMaßnahmen, die in diese Richtung wirken.Deutschland könnte an dieser Stelle den Be-weis antreten, dass es dazu fähig ist, grundsätz-lich neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik zugehen, die zu einer dauerhaft wirksamen Redu-zierung der Arbeitslosigkeit beitragen können.Weder die bisherige Umsetzung des Hartz-Konzepts noch die jüngst vorgestellten arbeits-marktpolitischen Vorhaben der Bundesregie-rung allein werden ausreichen dieses Ziel zu er-reichen. Dazu ist mehr nötig – eine fundamen-tal greifende Aktivierung zur Arbeit durch„Workfare“.
Arbeitslosigkeit von Geringqualifizierten –Sonderfall Schweiz?Die Schweiz gilt als ein Land mit „traditionel-ler” Vollbeschäftigung. Zwar erfuhr auch diedortige Wirtschaft in den neunziger Jahreneinen bis dahin nicht gekannten Anstieg derArbeitslosigkeit, doch im Unterschied zu an-deren europäischen Staaten ist sie in derSchweiz nach 1997 relativ rasch wieder auf einniedriges Niveau gesunken (Abbildung 1 ).Eine kürzlich veröffentlichte IZA-Studie hatdie Situation gering qualifizierter Arbeitneh-mer – auch in der Schweiz die vom Risiko derArbeitslosigkeit am stärksten betroffeneGruppe – untersucht und festgestellt, dass of-fenbar die in der Schweiz anzutreffende Mi-schung aus einer am US-Vorbild orientiertenDeregulierung des Arbeitsmarkts und einesdem deutschen Modell vergleichbaren Ausbil-dungssystems ursächlich für den Erfolg desLandes bei der Bekämpfung der Arbeitslosig-keit ist (Patrick A. Puhani, The Rise and Fall ofSwiss Unemployment – Relative Demand Shocks,Wage Rigidities, and Temporary Immigrants, IZADiscussion Paper No. 684).
Deregulierter Arbeitsmarkt und dualeBerufsausbildung
Der Schweizer Arbeitsmarkt zeichnet sichdurch einige Besonderheiten aus. Die OECDstuft die Schweiz hinsichtlich ihres Arbeits-marktes, ähnlich wie die USA, als sehr deregu-lierte Volkswirtschaft ein. Darüber hinaus un-terliegt die Schweizer Wirtschaft in weit gerin-gerem Maße Flächentarifverträgen, als dies inDeutschland oder Frankreich nach wie vor derFall ist. Auch sind Tarifverhandlungen in derSchweiz im Vergleich zu Deutschland wesent-lich stärker dezentralisiert. So kann ein Tarif-abschluss für einen ganzen Wirtschaftszweiggelten, aber sich auch nur auf eine bestimmte
Region oder lediglich ein Unternehmen bezie-hen. Diese vergleichsweise flexible Arbeits-marktgesetzgebung nähert sich mehr der Si-tuation in den USA als europäischen „Stan-dards” an, wohingegen sich die Schweiz mitder Kombination sowohl betrieblicher alsauch schulischer Ausbildung in die „deutscheTradition” dualer Ausbildung stellt.
Angesichts des nur kurzen Zeitraums sehrhoher Arbeitslosigkeit in der Schweiz hat sichdie IZA-Studie mit der Frage beschäftigt, obdie Lohnstruktur in der Schweiz auf poten-zielle relative Nachfrageschocks entsprechend
flexibel reagiert und damit einen Wiederan-stieg der Beschäftigung bewirkt hat. Schonallein auf Grund der in vielem mit amerikani-schen Gegebenheiten vergleichbaren Schwei-zer Arbeitsmarktinstitutionen wäre dies plau-sibel. Zu berücksichtigen ist aber auch derstarke Einfluss der Arbeitsmigration auf Wirt-schafts- und Beschäftigungsentwicklung inder Schweiz – Immigranten stellen dort rund25 Prozent der Beschäftigten. Neben anderenArbeitsberechtigungen für Ausländer vergibtdie Schweiz auf ein Jahr begrenzte Arbeitsvi-sa. Das eröffnet die Möglichkeit einer partiel-len Steuerung des Arbeitskräfteangebots. Die
Quelle: Bundesamt für Statistik, Schweiz
Abb 1: Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote, Schweiz 1990-2001
2.55
4.66
5.2
3.86
2.72
1.9
4.23
4.72
1.08
0.59
2
4.5
65.3
64.3
63.8
62.5
63.3
64.7
6363.2
62.7
62.4
62.8
63.9
0
1
2
3
4
5
6
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
60
61
62
63
64
65
66
Arbeitslosenquote� Beschäftigungsquote�
Abb. 1: Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote, Schweiz 1990 – 2001
Arb
eits
lose
nquo
te in
%
Bes
chäf
tig
ung
squo
te in
%
IZA COMPACT April/Mai 2003 7
IZA-Studie hat deshalb auch analysiert, obdie Qualifikationsanforderungen an befristeteinreisende ausländische Arbeitsmigrantendem Nachfragerückgang angepasst wurden.Ingesamt lässt die Untersuchung die folgen-den Rückschlüsse zu:
(1) Kein Anstieg der Lohnungleichheit
Auch der Schweizer Arbeitsmarkt blieb in denneunziger Jahren nicht von einem negativenrelativen Netto-Nachfrageschock für geringqualifizierte Arbeitnehmer verschont. Betrof-fen waren davon jedoch allein Arbeitnehmerohne abgeschlossenen Ausbildungsberuf,während flexible Arbeitsmarktstrukturen inVerbindung mit erfolgreich absolvierter Aus-bildung andere geringer Qualifizierte offen-bar weitgehend vor Arbeitslosigkeit geschützthaben. Im Gegensatz zu den USA ist die Per-sonengruppe der Ungelernten in der Schweizwesentlich kleiner. Dort ist deshalb keinAnstieg der Lohnungleichheit feststellbar, wieer in den USA stattgefunden hat.
(2) Lohnrigidität bei Geringqualifizierten
Die relativen Löhne der am geringsten quali-fizierten Arbeitnehmer (ohne jegliche abge-schlossene Berufsausbildung) sind in derSchweiz trotz des negativen relativen Netto-Nachfrageschocks nicht gesunken. Obwohlder Einfluss der Gewerkschaften in derSchweiz deutlich geringer ausgeprägt ist alsetwa in Deutschland, sind die „Gesamtar-beitsvertraglichen Mindestlöhne” für nichtqualifizierte Arbeiternehmer zwischen 1999und 2001 um 7 Prozent gestiegen. Zum Ver-gleich: Die Löhne der qualifizierten und hochqualifizierten Arbeitnehmer verzeichneten imgleichen Zeitraum einen Zuwachs um nur 3Prozent. Dies deutet darauf hin, dass die Po-litik der Gewerkschaften in der Schweiz Lohn-rigiditäten für sehr gering qualifizierte Arbeit-nehmer nach sich gezogen hat. Diese un-flexiblen Löhne wiederum haben die Arbeits-losigkeit in dieser Gruppe ansteigen lassen.Angesichts der dezentralen Struktur desSchweizer Tarifverhandlungssystems ist diesesErgebnis zunächst verwunderlich, kann abernicht zuletzt auch mit der intensiven öffentli-chen Diskussion über Mindestlöhne insbe-sondere zum Ende der neunziger Jahre erklärtwerden. Ganz offenkundig vermögen öffentli-che Debatten auch in dezentralisierten Volks-wirtschaften Einfluss auf das Ergebnis vonLohnverhandlungen zu nehmen.
(3) Nur vorübergehende Anpassungder Arbeitsmigration
Die Schweiz hat den Anteil gering qualifizier-ter temporärer Arbeitsmigranten in der Phaseder höchsten Arbeitslosigkeit reduziert. Dochschon im Jahr 2001 ist dieser Anteil dann wie-derum angestiegen. Die Anpassung des „Qua-lifikationsmixes” bei Arbeitsmigranten auf-grund des Nachfragerückgangs bei geringqualifizierten Arbeitnehmern war demnachoffenkundig nur vorübergehender Natur. Da-gegen ist die Lohnrigidität und der Anstieg derrelativen Arbeitslosigkeit in der Gruppe der Ar-beitnehmer ohne Berufsausbildung konstantgeblieben.
Als Fazit läßt sich festhalten, dass in Zeitendes Technologiewandels, der sich besondersauf die benötigten Qualifikationen der Ar-beitnehmer auswirkt, die Vorteile des Systemsder dualen Berufsausbildung nach deutschemVorbild deutlich werden. In den USA erhältdie größte Gruppe der Geringqualifizierten(High School-Absolventen, Schulabbrecher)keine berufliche Ausbildung wie in Deutsch-land oder der Schweiz. Dies mag der Grunddafür sein, dass der Technologiewandel dieseGruppe auf dem amerikanischen Arbeits-markt in den letzten beiden Jahrzehnten mitrelativen und absoluten Einkommensein-
bußen konfrontiert hat. Umgekehrt gilt: DieDeregulierung der Schweizer Arbeitsmarkt-strukturen hätte für die Gruppe der beson-ders gering qualifizierten Arbeitnehmer auchLohnflexibilität nach angelsächsischem Vor-bild umfassen sollen, um in diesem SegmentBeschäftigung zu sichern oder neu zu schaf-fen. Statt dessen hat der öffentliche und ge-werkschaftliche Druck, das Lohnniveau dieserGruppe zu erhalten oder zu verbessern, sichzu Lasten der Betroffenen ausgewirkt: in an-steigender relativer Arbeitslosigkeit undNichtbeschäftigung der Geringqualifiziertenin der Schweiz.
Quelle: Schweizerische Arbeitskräfteerhebung
-0.2
-0.1
0
0.1
0.2
0.3
0.4
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Nichterwerbstätigkeit - Berufslehre Nichterwerbstätigkeit - Mindestschulbildung
Arbeitslosigkeit - Berufslehre Arbeitslosigkeit - Mindestschulbildung
* Referenz: Durchschnitt der Gesamtstichprobe 1991.
Abb. 3: Relative Häufigkeit von Arbeitslosigkeit und Nichterwerbstätigkeitnach Ausbildungsgrad*, 1991 – 2001
Ges
chät
zter
Par
amet
erw
ert
Abbildungen 2 und 3 beruhen auf Regressio-nen unter Berücksichtigung des Ausbildungs-grades. Ein negativer Parameterwert in Ab-bildung 2 zeigt an, dass der Lohn für die Mit-glieder einer Ausbildungsgruppe im Mittelunter dem Lohn für den Durchschnitt derGesamtstichprobe im Jahr 1991 liegt. Ent-sprechend besagt ein Anstieg des Parameter-werts, dass sich der Lohn für die betrachteteGruppe gegenüber dem Lohn für ein Indivi-duum mit durchschnittlichen Charakteris-tika verbessert hat. In Abbildung 3 bedeutet
ein positiver (negativer) Parameterwert, dassdie Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeitbzw. Nichterwerbstätigkeit für die Mitgliedereiner Ausbildungsgruppe im Mittel höher(niedriger) ist als die Wahrscheinlichkeit fürden Durchschnitt der Stichprobe von 1991.Ein Anstieg des Parameterwerts dokumen-tiert, dass sich die Wahrscheinlichkeit derBeschäftigung für die betrachtete Gruppegegenüber einem durchschnittlichen Indivi-duum verschlechtert hat.
Quelle: Schweizerische Arbeitskräfteerhebung
-0.30
-0.25
-0.20
-0.15
-0.10
-0.05
0.00
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Berufslehre Mindestschulbildung
* Referenz: Durchschnitt der Gesamtstichprobe 1991.
Abb. 2: Relativer Lohn nach Ausbildungsgrad*, 1991 – 2001G
esch
ätzt
er P
aram
eter
wer
t
8 IZA COMPACT April/Mai 2003
Mit dem hochkarätigen Premierengast FlorianGerster, Vorstandsvorsitzender der Bundesan-stalt für Arbeit (BA), startete am 29. Januar2003 die neue Veranstaltungsserie „IZATower Talk” im erst kürzlich eingeweihten„Post Tower” in Bonn. In seinem Gastvortragund der anschließenden Diskussion mitHilmar Schneider, IZA-Direktor für Arbeits-marktpolitik, prangerte Gerster Missständeam deutschen Arbeitsmarkt an und erläuter-te die Aufgaben seiner Institution bei derBekämpfung der Arbeitslosigkeit.
In seiner Begrüßungsansprache hob der Vor-standsvorsitzende der Deutsche Post World
Frühverrentung zum Stellenabbau” müsse ge-stoppt werden. Konkret schlug der Chef derNürnberger Bundesanstalt für Arbeit darüberhinaus eine Absenkung der Laufzeit desArbeitslosengeldes bei älteren Arbeitslosenvon 32 auf 18 Monate vor, um bestehendeFehlanreize zu korrigieren. (Diesen auch vomIZA befürworteten Vorschlag hat die Bundes-regierung unterdessen aufgegriffen – Anm. derRedaktion.)
Gerster kritisierte die „traditionelle Denkwei-se“ in der Rentenpolitik. Es könne nicht sein,dass das Rentenniveau als unveränderliche„fixe Variable” aufgefasst werde, während die
„IZA Tower Talk” erfolgreich gestartet –Chef der Bundesanstalt für Arbeit zu Gast in Bonn
mit deutlich mehr Optimismus entgegen alsnoch vor einem Jahr. Trotzdem sei die BAimmer noch durch eine „detailverliebte Rege-lungsdichte überfordert” und könne demIdeal eines „Mittlers zwischen Angebot undNachfrage am Arbeitsmarkt” deshalb kaumnachkommen.
Im anschließenden „Tower Talk” mit HilmarSchneider gab Gerster für das laufende Jahr2003 das Ziel vor, eine Verkürzung der durch-schnittlichen Arbeitslosigkeitsdauer um eineWoche zu erreichen. Allein diese Maßnahmewürde jährlich 100.000 Arbeitslose wenigerbedeuten. Gerster zeigte sich davon überzeugt,
Net und Präsident des IZA, Klaus Zumwinkel,das Bekenntnis seines Unternehmens zu um-fassenden ökonomischen Reformen inDeutschland hervor. IZA-Direktor Klaus F.Zimmermann appellierte an die Politik, jetztdie Kraft zur notwendigen Kurskorrektur aufdem Arbeitsmarkts zu finden, bevor sich dasZeitfenster für die erforderlichen Schritte wie-der schließe.
Florian Gerster stellte dem „kranken Mann”Deutschland zu Beginn seines Vortrags einschlechtes Zeugnis aus. Die prekäre Situationauf dem Arbeitsmarkt verlange nach einem„Überdenken sozialer Standards”. Rund 34%der derzeitigen Staatseinnahmen würdenheute für soziale Zwecke aufgewendet. Hinzukomme, dass die Lohnnebenkosten mit einerQuote von über 42% „den Arbeitsmarkt ab-würgen”, so Gerster. Der Vorstandsvorsitzen-de der Bundesanstalt für Arbeit identifiziertedeshalb die „Entlastung des Faktors Arbeitals Primärziel” der Politik und mahnte zur Ko-operation aller politisch verantwortlichenKräfte.
Parallel müssten auch „Veränderungen imAnreizsystem” vorgenommen werden. Gersterkritisierte, dass heutzutage nur jeder sechsteoder siebte durch Pensionierung frei gewor-dene Arbeitsplatz durch junge Arbeitskräfteneu besetzt werde. Dieser „Missbrauch der
Einnahmen aus den Sozialbeiträgen als „be-wegliche Variable” diese feststehenden An-sprüche abzusichern hätten. „Wieviel Sozial-staat in dieser Dimension kann sich eineVolkswirtschaft leisten?”, fragte Gerster.
Die Situation im eigenen Haus beschrieb erals schwierig. Man sehe der Zukunft jedoch
dass eine Mehrheit der deutschen Bevölke-rung bereit sei plausible Reformanstrengun-gen zu unterstützen.
Die „IZA Tower Talk”-Reihe thema-tisiert Entwicklungen auf dem Ar-beitsmarkt und Herausforderungenfür die Arbeitsmarktpolitik. Hoch-rangige Vertreter aus Politik, Wirt-schaft und Wissenschaft präsentie-ren geladenen Gästen ihren Stand-punkt und stellen sich der Diskus-sion. Erklärtes Ziel dieser neuen IZA-Initiative ist es, den Reformprozessam deutschen Arbeitsmarkt kreativzu unterstützen und voranzutreiben.Moderiert werden die IZA TowerTalks von Hilmar Schneider, IZA-Di-rektor für Arbeitsmarktpolitik. Ver-anstaltungsort ist der „Post Tower,die neue Konzernzentrale der Deut-sche Post World Net in Bonn.
Tower Talk: Florian Gerster und Hilmar Schneider von links: Klaus F. Zimmermann, Florian Gerster, Klaus Zumwinkel, Hilmar Schneider
IZA COMPACT April/Mai 2003 9
Klaus F. Zimmermann hat seinen Vertrag als Di-rektor des IZA verlängert. Mit der DeutschePost World Net, die das IZA im Rahmen ihrerSponsoringaktivitäten maßgeblich unterstützt,
erzielte er Einigkeit über einen neuen Fünfjah-reskontrakt als IZA-Chef. Damit leitet einer derprofiliertesten deutschen Ökonomen auchweiterhin diese in der deutschen Forschungs-landschaft einmalige Einrichtung.
Das IZA wurde 1998 auf Initiative der DeutschePost World Net gegründet. Das Engagementdes Unternehmens im Wissenschaftsbereich si-chert die Unabhängigkeit des IZA und versetztes in die Lage, eine kritisch-konstruktive Rollein Grundlagenforschung und Politikberatungzu spielen.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche PostWorld Net und Präsident des IZA, Klaus Zum-winkel, äußerte die Erwartung, dass das IZAunter Zimmermanns Führung „seine Erfolgsge-
schichte weiterschreiben und wie bisher einenaktiven Beitrag zur Bewältigung der drängen-den Fragen des Arbeitsmarktes in Deutschlandleisten” werde.
IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann, der zugleichauch Präsident des Deutschen Instituts fürWirtschaftsforschung (DIW Berlin) ist und inBonn wie Berlin Ökonomie lehrt, würdigte daskontinuierliche Engagement der DeutschenPost für die Arbeitsmarktforschung als weg-weisend für eine fruchtbare Partnerschaft vonWirtschaft und Wissenschaft in Zeiten einerangespannten öffentlichen Finanzlage. „DasIZA hat sich längst in der nationalen und inter-nationalen Arbeitsmarktforschung etabliertund wird seiner Stimme auch in Zukunft Ge-wicht verleihen”, so Zimmermann.
Klaus F. Zimmermann verlängert Vertragals IZA-Direktor
Deutsche Post und IZA engagieren sich weiter fürdie Bonn Graduate School of EconomicsEine Erfolgsgeschichte wird fortgeschrieben:Nach fünf Jahren hervorragender Zusammen-arbeit zwischen der Universität Bonn, demprivaten Forschungsinstitut zur Zukunft derArbeit (IZA) und der Deutsche Post-Stiftungwurde deren finanzielles Engagement für dieBonn Graduate School of Economics (BGSE)um weitere fünf Jahre verlängert.
Das gleichfalls von der Deutsche Post WorldNet geförderte IZA baut seine Unterstützungfür die BGSE systematisch aus. Mit Beginn desnächsten Semesters wird das ohnehin bereitsattraktive Lehrangebot des IZA im Rahmen der
BGSE durch zusätzlich mit Lehraufgaben be-traute IZA-Wissenschaftler noch erweitert ( ).Auch in Zukunft profitiert die Graduate Schoolzudem von dem weltweit geknüpften Fellow-Netzwerk des IZA: Zahlreiche renommierteÖkonomen aus aller Welt kommen auf Ein-ladung des IZA als Gastwissenschaftler nachBonn und erörtern im Rahmen der verschie-denen Seminarprogramme von Universität und IZA aktuelle Forschungsergebnisse und–methoden mit den Bonner Nachwuchswissen-schaftlern. Darüber hinaus ist das IZA in dieMaßnahmen zur Stärkung der Internationalitätder Graduate School eingebunden. Nicht zu-
letzt stellt das IZA ausgewählten Doktorandender BGSE auch weiterhin voll ausgestatteteArbeitsplätze sowie seine gesamte Forschungs-Infrastruktur zur Verfügung. Die bisherigen „Resident Research Affiliates” der BGSE am IZA haben mittlerweile unter der Betreuung vonIZA-Direktor Klaus F. Zimmermann erfolgreichihre Dissertationen abgeschlossen.
Die kontinuierliche Kooperation zwischen IZAund der Universität Bonn ist ein Beleg für diefruchtbare Zusammenarbeit staatlicher undprivat geförderter Forschungs- und Bildungs-einrichtungen.
Armin Falk wird IZA-Forschungs-direktor und Universitätsprofessor inBonn
Mit Wirkung zum 1. Oktober 2003 über-nimmt Armin Falk die Aufgabe des IZA-Forschungsdirektors und wird zugleich or-dentlicher Professor für Volkswirtschafts-lehre an der Universität Bonn. Das IZA ver-stärkt damit seine aktive Rolle in der uni-versitären Lehre und Forschung. ArminFalk studierte Wirtschaftswissenschaftenan der Universität Köln und promovierte1998 an der Universität in Zürich. Zur Zeitvertritt er den Lehrstuhl von Ernst Fehr ander Universität Zürich. Zu seinen For-schungsschwerpunkten gehören Verhal-
tens- und Arbeitsökonomie, Wirtschaftspsychologie und experimentelleÖkonomie. Er befasst sich intensiv mit der Psychologie von Anreizen, derBeschaffenheit unvollständiger Märkte, verschiedenen Phänomenen so-zialer Interaktion sowie Gründen für Lohnrigiditäten. Armin Falk hat inzahlreichen Fachzeitschriften publiziert (u. a. Journal of Political Eco-nomy, Scandinavian Journal of Economics, Economics Inquiry undEuropean Economic Review). IZA Compact wird in einer kommendenAusgabe ausführlich über Armin Falks neue Aufgaben als IZA-For-schungsdirektor berichten.
Christian Belzil verstärkt IZA-Teamund universitäres Lehrangebot
Ab Sommer 2003 wird Christian Belzildas IZA-Team auf Teilzeit-Basis verstär-ken und im Rahmen seiner Arbeit dieLehrtätigkeit des IZA an der UniversitätBonn und der Bonn Graduate Schoolof Economics intensivieren. ChristianBelzil absolvierte zunächst ein Master-studium an der Université de Montréalund promovierte 1990 an der CornellUniversity. Zur Zeit hat er einen Lehr-stuhl für Ökonomie an der ConcordiaUniversity in Montreal inne. Zu seinenVeröffentlichungen zählen Arbeiten zurÖkonomie von Bildung und Humankapital, zu den Auswirkungen derArbeitslosenversicherung auf den Arbeitsmarkt und zu den Unter-schieden in der Arbeitsplatzsuche von Arbeitslosen und Arbeitnehmernin einem festen Arbeitsverhältnis. Darüber hinaus beschäftigt sichChristian Belzil mit den Auswirkungen von Arbeitsplatzschaffung und–abbau auf die Lohnentwicklung. Seine Arbeiten wurden in zahl-reichen Fachzeitschriften veröffentlicht (u. a. Econometrica, Review of Economics and Statistics, Journal of Labor Economics und Journalof Applied Econometrics).
Chr
istia
n B
elzi
l
Armin Falk
K. F. Zimmermann K. Zumwinkel
10 IZA COMPACT April/Mai 2003
K U R Z B E R I C H T E+++ IZA lädt zur Bewerbung für die BonnGraduate School of Economics ein /Bewerbungsschluss 15. Mai 2003 +++
IZA und Bonn Graduate School of Economicsladen herausragende Studierende mit einemDiplom/Masterabschluss in Wirtschaftswis-senschaften oder verwandten Disziplinen wieMathematik, Statistik, Betriebswirtschaftsleh-re, Wirtschaftsprüfung und Finanzierung dazuein, sich um ein Doktorandenstudium an derBonn Graduate School of Economics (BGSE)zu bewerben. Die Bonn Graduate School ofEconomics bietet ein umfangreiches Studien-angebot im Bereich der Mikro- und Makro-ökonomie sowie in angewandter Ökonome-trie an. Das IZA spielt eine tragende Rolle imRahmen der Doktorandenausbildung an derBGSE. Ebenso beteiligt sich das IZA an derAuswahl und der Betreuung der Promotions-studenten. Regelmäßig bietet das Institutauch Vorlesungen und Seminare aus dem Be-reich der Ökonometrie und der Arbeitsökono-mie an. Eine begrenzte Zahl von BGSE-Stu-denten hat die Möglichkeit als Resident Re-search Affiliate am IZA zu arbeiten. Dernächst mögliche Einstiegstermin für die BonnGraduate School of Economics ist der 1. Ok-tober 2003. Bewerbungsschluss ist der 15.Mai. In begrenztem Umfang vergibt die BGSEFördergelder. Weitere Informationen unter:www.bgse.uni-bonn.de.
+++ „Empirische Arbeitsmarktanalyse“1.-12. September 2003 in Köln /Anmeldefrist 31. Juli +++
Ein vom Zentralarchiv für empirische Sozial-forschung und IZA gemeinsam veranstaltetesinternationales Seminar zur empirischen Ar-beitsmarktanalyse richtet sich an Postgradu-
ierte und Doktoranden, die sowohl ihr theo-retisches Wissen als auch ihre Erfahrung imUmgang mit Mikrodaten erweitern möchten.In der ersten Woche werden zunächstgrundsätzliche theoretische und methodischeAspekte bei der Analyse von Arbeitsmarktda-ten beleuchtet. Vertiefte Kenntnisse vermitteltdie zweite Seminarwoche, indem empirischeAnalysen ausgewählter Arbeitsmarktstatisti-ken vorgenommen werden. Das Seminar um-fasst sechs fünftägige Einheiten, die teils par-allel zur Auswahl stehen. Interessierte solltengrundlegende statistische und ökonometri-sche Kenntnisse mitbringen und über Erfah-rung im Umgang mit Statistik-Software verfü-gen. Anmeldung und weitere Informationenunter http://www. gesis.org/Veranstaltungen/ZA/CSS/index.htm. Als Ansprechpartner stehtRainer Metz (Tel.: +49-221-47694-36 e-mail:[email protected]) zur Verfügung.
+++ Erfolgreiche 6. IZA EuropeanSummer School in Labor Economics +++
Vom 7.-13. April fand die 6. IZA SummerSchool in Labor Economics im Management-Zentrum der Deutschen Post World Net inBuch am Ammersee statt. Erneut hatten aus-gewählte Doktoranden die Möglichkeit, ihreForschungsergebnisse mit renommierten Wis-senschaftlern aus verschiedenen wirtschafts-wissenschaftlichen Fachgebieten zu diskutie-ren. Jeffrey A. Smith (University of Marylandund IZA) referierte zum Thema „Evaluationof Active Labor Market Programs“. Anhandpraktischer Beispiele erläuterte er aktuelleEntwicklungen im Bereich der Statistik zurEvaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnah-men. Christopher A. Pissarides (London Schoolof Economics und IZA) erörterte „The Search
and Matching Approach to the Analysis ofLabor Markets“. Die vorgestellten For-schungsarbeiten der teilnehmenden Dokto-randen deckten ein breites Themengebiet derArbeitsökonomie ab. Unter anderem wurdenAnalysen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik inverschiedenen Ländern, zu Arbeitskräfteange-bot und geschlechtsspezifischen Unterschie-den auf dem Arbeitsmarkt sowie zur Wech-selwirkung von Humankapitalausstattungund Arbeitsmarkterfolg vorgestellt.
+++ IZA-Fellow Avi Weiss übernimmtAmt des Chefökonomen der israelischenKartellbehörde +++
IZA Research Fel-low Avi Weiss,Wirtschaftspro-fessor an derBar-Ilan Univer-sität in Ramat-Gan, Israel, hatim März 2003das Amt desChe fökonomsund stellvertre-tenden General-direktors der is-raelischen Kar-tellbehörde über-
nommen. Als Leiter eines Mitarbeiterstabesvon über einem Dutzend fachlich erfahrenenÖkonomen will Weiss seine Expertise auf demGebiet des Kartellwesens nutzen, um dieWettbewerbsfähigkeit der israelischen Wirt-schaft zu stärken. Weiss wird weiterhin in For-schung und Lehre aktiv sein und auch demIZA als Research Fellow eng verbunden blei-ben.
Avi
Wei
ss
IZA Affiliates Associates Uwe Sunde und Wendelin Schnedler erfolgreich promoviert
Uwe Sunde, seit zwei Jahren als Resident Rese-arch Affiliate am IZA tätig, hat im Februar2003 erfolgreich promoviert. Er setzt seinewissenschaftliche Arbeit nun als IZA ResearchAssociate fort. Zu seinen Forschungsinteres-sen zählen vor allem „Search and Matching“,Humankapitalbildung sowie Arbeitsmarktfle-xibilität. Darüber hinaus wird Uwe Sunde dieZusammenarbeit des IZA mit der UniversitätBonn koordinieren. Im Rahmen dieser Koope-ration bietet das IZA nicht nur Lehrveranstal-
tungen an, sondern stellt auch mehreren Dok-toranden der Bonn Graduate School of Eco-nomics die Räumlichkeiten und Ressourcendes Instituts zur Verfügung. Als Resident Rese-arch Affiliates haben sie so die Möglichkeit,sich aktiv an den Forschungsaktivitäten desInstituts zu beteiligen. Uwe Sunde behandeltein seiner Dissertation das Thema „AggregateReturns to Individual Decisions: Develop-ment, Income Inequality and Competition forJobs and Workers“. Betreut wurde seine Ar-beit von IZA-Direktor Klaus F. Zimmermann.Neben Zimmermann fungierten Zweitgutach-terin Monika Merz sowie Matthias Kräkel (beideUniversität Bonn und IZA) als mündlichePrüfer.
Auch Wendelin Schnedler, der bis September2002 als Resident Research Affiliate am IZAtätig war, überwand im Februar die letzteHürde auf dem Weg zum Doktortitel. SeineDissertation „The Value of Information inHidden Action Models“ wurde ebenfalls von
IZA-Direktor Zimmermann betreut. Schnedlerist derzeit als Research Fellow am LeverhulmeCentre for Market and Public Organisation(CMPO) der Universität Bristol beschäftigt.Zu den ersten Gratulanten zählten Urs Schwei-zer (Bonn Graduate School of Economics)sowie Matthias Kräkel, der als Zweitgutachterauftrat.
K. F. Zimmermann, U. Sunde, M. Merz
U. Schweizer, W. Schnedler, K. F. Zimmermann, M. Kräkel
IZA COMPACT April/Mai 2003 11
NEUE IZA DISCUSSION PAPERSBis April 2003 wurden unter anderem die folgenden IZA Discussion Papers veröffentlicht
(die IZA Homepage hält alle IZA Discussion Papers zum Download bereit):
John M. Abowd (Cornell University)
Xiaodong Gong(Australian National University)
Robert M. Hutchens(Cornell University)
Ashok Kaul(University Pompeu Fabra, Barcelona)
Bertrand Koebel(University of Magdeburg)
Astrid Kunze(Norwegian School of Economics and Business Administration)
Hartmut Lehmann(Heriot-Watt University, Edinburgh)
Claudio Lucifora(University Cattolica del Sacro Cuore)
Shelly Lundberg(University of Washington)
Erik Plug(University of Amsterdam)
Solomon Polachek(Binghamton University, New York)
Michael Polder(BIRC, Maastricht University)
Jonathan Pingle(University of North Carolina, Chapel Hill)
Pablo Ruiz Verdu(University Carlos III, Madrid)
Jan C. van Ours(Tilburg University)
Arthur van Soest(Tilburg University)
Joachim Wolff(University of Munich)
IZA-GASTWISSENSCHAFTLERVon Januar bis April 2003 konnte das IZA die nachfolgenden Ökonomen als Gäste
begrüßen und mit ihnen aktuelle Fragen der Arbeitsmarktforschung erörtern:
746 Andreas Ammermueller, Hans Heijke, Ludger Woessmann
Schooling Quality in Eastern Europe:Educational Production During Transition
745 Ludger Woessmann Educational Production in East Asia: TheImpact of Family Background and SchoolingPolicies on Student Performance
744 Martin R. West, Ludger Woessmann Which School Systems Sort Weaker Studentsinto Smaller Classes? International Evidence
743 Guido Heineck, Johannes SchwarzeSubstance Use and Earnings: The Case ofSmokers in Germany
742 Richard A. Easterlin Building a Better Theory of Well-Being
741 Barry T. Hirsch, David A. Macpherson Wages, Sorting on Skill, and the RacialComposition of Jobs
740 Barry T. Hirsch, Stephen L. Mehay Evaluating the Labor Market Performance ofVeterans Using a Matched Comparison GroupDesign
739 Michael FertigWho’s to Blame? The Determinants ofGerman Students’ Achievement in the PISA2000 Study
738 Volker Grossmann Managerial Job Assignment and ImperfectCompetition in Asymmetric Equilibrium
737 Alison Booth, Marco Francesconi, Gylfi Zoega
Unions, Work-Related Training, and Wages:Evidence for British Men
736 Iben Bolvig, Peter Jensen, Michael Rosholm
The Employment Effects of Active SocialPolicy
735 Raphaël Desmet, Alain Jousten, Sergio Perelman, Pierre Pestieau
Micro-Simulation of Social Security Reformsin Belgium
734 Stefan Wolter Sibling Rivalry: A Six Country Comparison
733 Stefan Wolter, Stefan Denzler Wage Elasticity of the Teacher Supply inSwitzerland
732 Armin Falk, Andrea Ichino Clean Evidence on Peer Pressure
731 Barry R. Chiswick, Noyna DebBurman Educational Attainment: Analysis byImmigrant Generation
730 Mariacristina Piva, Marco VivarelliInnovation and Employment: Evidence fromItalian Microdata
729 Alexandru Voicu, Hielke Buddelmeyer Children and Women’s ParticipationDynamics: Transitory and Long-Term Effects
728 Michael Lechner, Jeffrey A. Smith What is the Value Added by Caseworkers?
727 Martin Raiser, Mark Schaffer, Johannes Schuchhardt
Benchmarking Structural Change in Transition 726 Steffen Habermalz
Job Matching and the Returns to EducationalSignals
725 Steffen Habermalz An Examination of Sheepskin Effects OverTime
724 John T. Addison, Ralph Bailey, W. Stanley Siebert
The Impact of Deunionisation on EarningsDispersion Revisited
723 Melvyn Coles, Barbara Petrongolo A Test between Unemployment Theories UsingMatching Data
722 C. Katharina Spiess, Felix Büchel, Gert G. Wagner
Children’s School Placement in Germany:Does Kindergarten Attendance Matter?
721 Harminder Battu, McDonald Mwale, Yves Zenou
Do Oppositional Identities ReduceEmployment for Ethnic Minorities?
720 Tapio Palokangas Labour Market Regulation, Productivity-Improving R&D and Endogenous Growth
719 James W. Albrecht, Pieter Gautier, Susan Vroman
Equilibrium Directed Search with MultipleApplications
718 Ekkehart Schlicht Consistency in Organization
717 Alexander Hijzen, Holger Görg, Robert C. Hine
International Fragmentation and RelativeWages in the UK
716 Michael Rosholm, Lars Skipper Is Labour Market Training a Curse for theUnemployed? Evidence from a SocialExperiment
715 Ernst Fehr, Urs Fischbacher, Bernhard von Rosenbladt, Jürgen Schupp, Gert G. Wagner
A Nation-Wide Laboratory: Examining Trustand Trustworthiness by Integrating BehavioralExperiments into Representative Surveys
714 Michael Fertig Educational Production, Endogenous PeerGroup Formation and Class Composition –Evidence from the PISA 2000 Study
713 Ira N. Gang, John Landon-Lane, Myeong-Su Yun
Does the Glass Ceiling Exist? A Cross-National Perspective on Gender IncomeMobility
712 Ernst Fehr, Joseph Henrich Is Strong Reciprocity a Maladaptation? Onthe Evolutionary Foundations of HumanAltruism
711 Christopher J. Ruhm Healthy Living in Hard Times
710 Zvi Eckstein, Yoram Weiss On the Wage Growth of Immigrants: Israel,1990-2000
709 Leif Danziger, Shoshana NeumanDelays in Renewal of Labor Contracts:Theory and Evidence
708 Claus Schnabel, Joachim WagnerDeterminants of Trade Union Membershipin Western Germany: Evidence from MicroData, 1980-2000
707 Claus Schnabel, Joachim WagnerTrade Union Membership in Eastern andWestern Germany: Convergence orDivergence?
706 Sourafel Girma, Holger GörgBlessing or Curse? Domestic Plants’ Survivaland Employment Prospects after ForeignAcquisitions
705 Giorgio Brunello, Daniele Checchi School Quality and Family Background inItaly
704 Michael Ransom, Ronald L. Oaxaca Intrafirm Mobility and Sex Differences in Pay
703 William C. Horrace, Ronald L. Oaxaca
New Wine in Old Bottles: A SequentialEstimation Technique for the LPM
702 M. Ayhan Kose, Eswar Prasad, Marco E. Terrones
How Does Globalization Affect theSynchronization of Business Cycles?
701 Laszlo Goerke, Jakob B. Madsen Earnings-Related Unemployment Benefits ina Unionised Economy
700 Thomas Bauer Flexible Workplace Practices and LaborProductivity
699 David N. Margolis, Véronique Simonnet
Educational Track, Networks and LaborMarket Outcomes
698 Torben Andersen, Jan Rose Skaksen Product Market Integration, ComparativeAdvantages and Labour MarketPerformance
12 IZA COMPACT April/Mai 2003
Angesichts der Stagnations- und Strukturfalle,in der sich Deutschland gegenwärtig befindet,überrascht es nicht, dass die Arbeitslosigkeit indiesem Jahr auf durchschnittlich 4,5 MillionenMenschen anwachsen wird und 2004 miteinem weiteren Zuwachs gerechnet werdenmuss. Von Seiten der Makroökonomie kom-men derzeit keine Impulse, die eine Besserungerwarten lassen.
Da macht Mut, dass Bundeskanzler Schrödermit der Formulierung seiner „Agenda 2010“ of-fengelegt hat, wie er die Strukturkrise der deut-schen Wirtschaft bewältigen will. Erste Initiati-ven des Bundesministers für Wirtschaft und Ar-beit und die Empfehlungen einer Regierungs-kommission zur Reform der sozialen Siche-rungssysteme („Rürup-Kommission“) machendeutlich, wohin die Reise geht. Grundsätzlichist die Regierung damit auf dem richtigen Weg.Zu einem deutlichen Aufbruch gehört aber dierasche und konsequente Umsetzung der an-gekündigten Maßnahmen, zumal sie vielfachnur einen Einstieg in weitere Reformschrittedarstellen können. Es wäre fatal, wenn die Wi-derstände im eigenen sozialdemokratischenLager des Kanzlers und bei den Gewerkschaf-
M E I N U N G
Forschungsinstitutzur Zukunftder Arbeit
IMPRESSUMHerausgeber: Prof. Dr. Klaus F. ZimmermannRedaktion: Holger HinteIZA, Postfach 7240, D-53072 BonnTel. (02 28) 38 94 222, Fax (02 28) 38 94 180e-mail: [email protected]: www.iza.orgGrafiken/Fotos: IZALayout/Druck: Verlag Erik Dynowski, Köln
ten, aber im Detail auch im Unternehmerlager,zu inhaltlichen und zeitlichen Abstrichen andem Maßnahmenpaket führen würden.
Der so gern plakativ bekundete Reformeifer derUnternehmensverbände und ihre Kritik an derReformunfähigkeit der Gewerkschaften wer-den durch die pauschale Ablehnung der ge-planten Reform der Handwerksordnung nichtglaubwürdiger. Die vorgesehene Flexibilisie-rung des Meisterprivilegs, aufgrund dessen in94 Berufen nur Inhaber eines Meisterbriefeseinen Handwerksbetrieb führen dürfen, würdekünftig in 62 Berufen auch Gesellen sofort dieUnternehmensgründung ermöglichen. Damitist auch eine Anpassung an das Recht der Eu-ropäischen Union verbunden. In den anderen32 Berufen, von denen Gefahren für Gesund-heit und Leben Dritter ausgehen können, sollGesellen nach längerer Berufstätigkeit ermög-licht werden, sich selbständig zu machen.Diese und andere Neuregelungen der Hand-werksordnung werden mehr Wettbewerbschaffen und bieten die Voraussetzung füreinen Ausbau der Beschäftigung. Ungeachtetder strikten Ablehnung durch die Handwerks-verbände muss diese Reform deshalb zügig um-gesetzt werden. Sie ist nicht zuletzt auch einVorbild dafür, wie Verbesserungen des Wettbe-werbs die Dienstleistungsmärkte in Bewegungbringen können. Die Reformagenda des Kanzlershat im Bereich des Gesundheitswesens weiteresinnvolle Zielbereiche für Deregulierungen ge-nannt, die es ebenso konsequent anzupacken gilt.
Mutig und richtig sind auch die vorgesehenenRegelungen der Agenda 2010, das Arbeitslo-sengeld künftig auf in der Regel 12 Monate zubegrenzen, die Arbeitslosenhilfe mit der Sozial-hilfe auf dem einheitlichen Niveau der Sozial-hilfe zusammenzuführen und dem Arbeitsamtauch die Vermittlung der arbeitsfähigen Sozial-hilfeempfänger zu übertragen. Dies schafft Effi-zienzgewinne in der Verwaltung, entlastet dieGemeinden und erhöht den Druck auf die Ar-beitslosen, Arbeit anzunehmen. Naturgemäßsind diese Vorschläge politisch nicht leicht um-zusetzen. Ihre Realisierung würde aber den So-zialstaat im Arbeitsmarktbereich auf fairem Ni-veau sichern.
Die Finanzierung der sozialen Sicherungssyste-me ist aufgrund ihrer Koppelung an die immerkleiner werdende Zahl der Erwerbstätigen eineweitere gravierende Reformbaustelle der Agen-da 2010. Auch hier hat der Bundeskanzler ersteAkzente gesetzt – die inzwischen vorliegendenVorschläge der Rürup-Kommission weisen nunden Weg zu erheblichen Strukturreformen. Ins-besondere die Kosten des Gesundheitssystemsbereiten immer mehr Sorge. Die Kommissionhat als alternative Lösungskonzeptionen dieAusweitung der Krankenversicherung zu einerallgemeinen Erwerbstätigenversicherung oderdie Schaffung eines Systems einkommensun-abhängiger Gesundheitsprämien in Verbin-dung mit einem steuerfinanzierten sozialenAusgleich propagiert. Die Prämienlösung si-chert am ehesten die nötige Allokationseffizi-enz. Gesellschaftspolitische Leistungen solltensteuerfinanziert und das Kostenbewusstseinder Nachfrager nach Gesundheitsdienstlei-stungen durch vermehrte Eigenbeteiligung ge-stärkt werden.
Dagegen stehen weitere deutliche Veränderun-gen bei der Rentenversicherung noch aus. Wiedie Rürup-Kommission zu Recht feststellt, isteine Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre, eine Abkehr von der Politik der Früh-verrentung sowie eine Korrektur der Rentenfor-mel nötig, bei der das sich verschlechterndeVerhältnis von Beitragszahlern und RentnernBerücksichtigung findet. Das allein wird freilichnur den Anstieg der Beitragssätze begrenzen,aber nicht sicher stellen, dass die Belastungennachhaltig gesenkt werden.
Zwar gehen viele der Reformpläne noch nichtweit genug. Dennoch könnte das Gesamtpaketder jetzt diskutierten Maßnahmen einen be-achtlichen Schub in die richtige Richtung aus-lösen. Ihre Wirkungen auf Wachstum und Be-schäftigung werden dabei um so größer sein, jemehr darauf verzichtet wird, die derzeitige Kon-junkturkrise durch weitere fiskalische Einspar-maßnahmen zu verschärfen.
Agenda 2010 – Deutschland im Aufbruch