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Franz Kafka3.7.1883-3.6.1924
„Ich bin nicht nur durch meine äußerlichen Verhältnisse, sondern noch viel
mehr durch mein eigentliches Wesen ein verschlossener, schweigsamer
ungeselliger unzufriedener Mensch, ohne dies aber für mich als ein
Unglück bezeichnen zu können, denn es ist nur der Widerschein meines
Zieles. Aus meiner Lebensweise, die ich zuhause führe, lassen sich doch
wenigstens Schlüsse ziehn. Nun ich lebe in meiner Familie, unter den
besten und liebevollsten Menschen, fremder als ein Fremder. Mit meiner
Mutter habe ich in den letzten Jahren durchschnittlich nicht zwanzig Worte
täglich gesprochen, mit meinem Vater kaum jemals mehr als Grußworte
gewechselt. Mit meinen verheirateten Schwestern und den Schwägern,
spreche ich gar nicht, ohne etwa mit ihnen böse zu sein. Der Grund
dessen ist einfach der, dass ich mit ihnen nicht das aller Geringste zu
sprechen habe. Alles was nicht Litteratur ist, langweilt mich und ich hasse
es, denn es stört mich oder hält mich auf, wenn auch nur vermeintlich. Für
Familienleben fehlt mir daher jeder Sinn außer der des Beobachters im
besten Fall. Verwandtengefühl habe ich keines, in Besuchen sehe ich
förmlich gegen mich gerichtete Bosheit.“ (TB, 21.8.1913)
http://home.arcor.de/eberhard.liss/erfindung+technik/information.htm
http://www.plani.ch/fddm.php
Franz Kafka
Der Mann
aus Wörtern,
dessen Haut
aus Text
besteht.„Da ich nichts anderes bin als
Literatur und nichts anderes sein
kann und will....“ (TB 21.8.1913)
„Heute früh zum erstenmal seit langer Zeit wieder
die Freude an der Vorstellung eines in meinem
Herzen gedrehten Messers.“ (TB, 2.11.1911)
Vom Allerprivatesten...
„Immerfort die Vorstellung eines breiten
Selchermessers das eiligst und mit mechanischer
Regelmäßigkeit von der Seite her in mich
hineinfährt und ganz dünne Querschnitte
losschneidet, die bei der schnellen Arbeit fast
eingerollt davonfliegen. (TB, 4.5.1913)
„Mein Leben ist das Zögern vor der Geburt.“
(TB,
24.1.1922)
... zur conditio humana„Wir sind, mit dem irdisch befleckten Auge gesehn,
in der Situation von Eisenbahnreisenden, die in
einem langen Tunnel verunglückt sind und zwar an
einer Stelle wo man das Licht des Anfangs nicht
mehr sieht, das Licht des Endes aber nur so
winzig, dass der Blick es immerfort suchen muss
und immerfort verliert wobei Anfang und Ende
nicht einmal sicher sind. Rings um uns aber haben
wir in der Verwirrung der Sinne oder in der
Höchstempfindlichkeit der Sinne lauter Ungeheuer
und ein je nach der Laune und Verwundung des
Einzelnen entzückendes oder ermüdendes
kaleidoskopisches Spiel.
Was soll ich tun? oder Wozu soll ich es tun? sind
keine Fragen dieser Gegenden.“ (Fragment, 20.10.1917)
Kafkas scheinbare Einfachheit
Die Bäume
Denn wir sind wie
Baumstämme im Schnee.
Scheinbar liegen sie glatt
auf, und mit kleinem
Anstoss sollte man sie
wegschieben können. Nein,
das kann man nicht, denn
sie sind fest mit dem Boden
verbunden. Aber sieh,
sogar das ist nur scheinbar.
Das verstörend Einfache
Kleine Fabel (Spätjahr 1920)
»Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird
enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so
breit, dass ich Angst hatte, ich lief
weiter und war glücklich, dass ich
endlich rechts und links in der Ferne
Mauern sah, aber diese langen Mauern
eilen so schnell aufeinander zu, dass
ich schon im letzten Zimmer bin, und
dort im Winkel steht die Falle, in die ich
laufe.« - »Du musst nur die
Laufrichtung ändern«, sagte die Katze
und frass sie.
Das unlösbar EinfacheGibs auf! (Spätjahr 1922)
Es war sehr früh am Morgen, die Strassen
rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich
eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah
ich, dass es schon viel später war, als ich
geglaubt hatte, ich musste mich sehr beeilen,
der Schrecken über diese Entdeckung liess
mich im Weg unsicher werden, ich kannte
mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus,
glücklicherweise war ein Schutzmann in der
Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos
nach dem Weg. Er lächelte und sagte: "Von
mir willst du den Weg erfahren?" "Ja", sagte
ich, "da ich ihn selbst nicht finden kann."
"Gibs auf, gibs auf", sagte er und wandte sich
mit einem grossen Schwunge ab, so wie
Leute, die mit ihrem Lachen allein sein
wollen.
Was fasziniert uns an Kafka?
Seine (Manuskript)handschrift?
Sein Horoskop?
http://www.astroschmid.ch/Horoskope/Krebs/kafka.htm
* 3.7.1883
Sein Verhältnis zu Frauen?
„Ich kann offenbar nur das lieben, was ich so hoch über
mich stellen kann, dass es mir unerreichbar wird.“
Seine Verlorenheit?
„Heute nachmittag kam
der Schmerz über meine
Verlassenheit so
durchdringend und straff
in mich, dass ich
merkte, auf diese Weise
verbrauche sich die
Kraft, die ich durch
dieses Schreiben
gewinne...“
(TB, 1.11.1911)
Sein Verhältnis zum Vater?
*1852
Seine Art zu zeichnen?
1905
Sein Verhältnis zur Mutter?
*1856
Seine Unbedingtheit, (Berufs)Leben
und Schreiben versöhnen zu wollen?
TB S. 33
Sein Blick?
Was fasziniert uns an Kafkas
Texten?
Die Personen und Geschichten?
Die Sprache?
„Jemand musste Josef K. verleumdet haben,
denn ohne dass er etwas Böses getan hätte,
wurde er eines Morgens verhaftet.“
• Eines Morgens wurde Josef K. verhaftet.
• Jemand hatte Josef K. verleumdet, denn er wurde eines Morgens
verhaftet.
• Jemand hatte Josef K. verleumdet, denn ohne dass er etwas Böses
getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet.
• Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas
Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet.
Die Sprache?
„Beim Einschlafen ein vertikal gehender Schmerz
im Kopf über der Nasenwurzel, wie von einer zu
scharf gepreßten Stirnfalte.“ (TB, 3.10.1911)
„Kunstloser Übergang von der gespannten Haut
der Glatze meines Chefs zu den zarten Falten
seiner Stirn. Eine offenbare, sehr leicht
nachzuahmende Schwäche der Natur, Banknoten
dürften nicht so gemacht sein.“ (TB, 13.10.1911)
Die Themen?
Die Abgründigkeit des Alltäglichen
Väter und Söhne
Wo ist Wahrheit?
Worin besteht meine Schuld?
Die Unmöglichkeit der Liebe
Wie weit ist es bis zu dir?
Das Gesetz
???
Überlagerung von Leben und Literatur
Literar. Texte
BriefeTagebuch
Struktur
• ApéroWas fasziniert uns an Kafka?
• VorspeiseWie und wann lebt und schreibt Kafka?
• Hauptspeise„Was will uns der Dichter sagen?“
• NachspeiseKafka und die Krankheit(en)
VorspeiseWie und wann lebt und schreibt Kafka?
http://www.kafka.org/picture/roland/1.jpg
Prag 1900
Prag 1900
Prag 1900
Wenzelsplatz
Karlsbrücke
Ca. 400‘000 Einwohner
Davon ~ 30‘000 Deutsche,
wovon viele Juden
Eckpunkte zur Zeit (1912-1924)
Der Blaue Reiter
Dada
1. Weltkrieg
Zwölftonmusik
Relativitätstheorien
Atommodelle
Kubismus
Erste Rundfunksendung
Bauhaus
Leica
Titanic 14.4.1912
Bewegliche Prothesen (Sauerbruch, 1916)
Spanische Grippe
Eckpunkte zur Zeit (1912-1924)
George
Proust
Trakl
Schnitzler
Rilke
Hofmannsthal
Kubismus
Klee
Chaplin
Thomas Mann
Klee
Freud
Picasso
Modigliani
C.G. Jung
Joyce
„Meine eigentlichen Blutsverwandten“
Grillparzer
FlaubertKleist
Dostojewski
Leben und Werk: Leben
• Leben: 40 Jahre und 11 Monate; Jude; Pensionierung mit 39; † Kehlkopftuberkulose
• 45 Tage im Ausland. Zeuge eines Weltkriegs
• Unverheiratet. Drei Verlobungen; Liebesbeziehungen zu weiteren 4 Frauen; 6 Monate in gemeinsamer Wohnung mit einer Frau; offiziell keine Nachkommen (evtl. ein Sohn (1914-1921); „entbehrt jeder Grundlage.“ Stach)
Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt
Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt
Leben und Werk: Leben
Hermann & Julie Kafka
Leben und Werk: Leben
Elli Valli Ottla
Leben und Werk: Leben
Felice Bauer
Dora Diamant
Julie Wohryzek
Milena Jesenská
„Ich kann offenbar nur das lieben, was ich so hoch über
mich stellen kann, dass es mir unerreichbar wird.“
Leben und Werk: Werk
• 40 vollendete Prosatexte.
• Kritische Ausgabe: 350 Druckseiten an von
Kafka als abgeschlossen betrachteten
Texten; 3400 Druckseiten TB und Fragmente
(darunter drei Romane)
• 1500 erhalten gebliebene Briefe
• Aufwand : Ertrag = bizarr (~ 10:1)
Leben und Werk
Karge Lebensbilanz kulturelle Aura
„Das einzige, was ich habe, sind irgendwelche
Kräfte, die sich in einer im normalen Zustand gar
nicht erkennbaren Tiefe zur Literatur koncentrieren.“
Wie kommt so etwas zustande?
Kafkas Tageslauf„Von 8 bis 2 oder 2 1/3 Bureau, bis 3 oder ½4 Mittagessen, von da ab
Schlafen im Bett (...) bis ½8, dann 10 Minuten Turnen, nackt bei offenem
Fenster, dann eine Stunde Spazierengehn allein oder mit Max oder mit noch
einem andern Freund, dann Nachtmahl innerhalb der Familie (ich habe 3
Schwestern, eine verheiratet, eine verlobt, die ledige ist mir, unbeschadet der
Liebe zu den andern, die bei weitem liebste) dann um ½11 (oft wird aber auch
sogar ½12) Niedersetzen zum Schreiben und dabeibleiben je nacht Kraft,
Lust und Glück bis 1, 2, 3 Uhr, einmal auch schon bis 6 Uhr früh. Dann wieder
Turnen, wie oben, nur natürlich mit Vermeidung jeder Anstrengung,
abwaschen und meist mit leichten Herzschmerzen und zuckender
Bauchmuskulatur ins Bett. Dann alle möglichen Versuche einzuschlafen, d.h.
Unmögliches zu erreichen, denn man kann nicht schlafen .... So besteht die
Nacht aus zwei Teilen, aus einem wachen und einem schlaflosen .... Natürlich
ist es dann kein besonderes Wunder, wenn ich im Bureau am Morgen gerade
knapp noch mit dem Ende meiner Kräfte zu arbeiten anfange.“
(Brief an Felice, 1.11.1912)
Kafkas Schreibtisch
„Jetzt habe ich meinen
Schreibtisch genauer
angeschaut und eingesehn,
dass auf ihm nichts Gutes
gemacht werden kann. Es
liegt hier so vieles herum und
bildet eine Unordnung ohne
Gleichmässigkeit und ohne
jede Verträglichkeit der
ungeordneten Dinge, die
sonst jede Unordnung
erträglich macht.“(TB, 24./25.12.1910)
Bedeutung des Schreibens
„Mein Glück, meine Fähigkeiten und jede
Möglichkeit, irgendwie zu nützen, liegen
seit jeher im Literarischen.“
(TB, 28.3.1911)
Wichtigkeit des Schreibens
„Ich habe inzwischen, nachdem ich durch Wahnsinnszeiten gepeitscht worden bin, zu schreiben angefangen und dieses Schreiben ist mir in einer für jeden Menschen um mich grausamsten (unerhört grausamen, davon rede ich gar nicht) Weise das Wichtigste auf Erden, wie etwa einem Irrsinnigen sein Wahn (wenn er Ihn verlieren würde, würde er "irrsinnig" werden) oder wie einer Frau ihre Schwangerschaft. Das hat mit dem Wert des Schreibens, wie ich auch hier wiederhole, gar nichts zu tun, den Wert erkenne ich ja übergenau, aber ebenso auch den Wert, den es für mich hat... Und darum halte ich das Schreiben in zitternder Angst vor jeder Störung umfangen und nicht nur das Schreiben, sondern auch das dazu gehörige Alleinsein.“
(An Klopstock, Ende März 1923)
Was heisst Schreiben?
Einer der ersten
TB-Einträge; 1910
TB S. 11
Schreiben: ein akrobatischer Akt
Was heisst Schreiben?
Einer der ersten
TB-Einträge; 1910
TB S. 11
Schreiben: ein akrobatischer Akt
Warum die Erzählungen?
„Von allem, was ich geschrieben habe,
gelten nur die Bücher: Urteil, Heizer,
Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt
und die Erzählung: Hungerkünstler.“(Brief an Brod, 29.11.1922 – „Letzter Wille“)
Hauptspeise„Was will uns der Dichter sagen?“
http://www.math-inf.uni-greifswald.de/mathematik+kunst/pic/computer/anatomie-800.jpg
„Eine gute Lektüre ist ein Dank an den Text.“
(George Steiner)
Das Urteil
(Abwesen-
der Freund)
Vater
(Frieda
Brandenfeld)
Sonntag-
vormittag
Frühling Georg
Bendemann
(Mutter)
„... Das besondere Korrespondenzverhältnis“
zum Freund in Petersburg
Der Brief mit der Verlobungsanzeige
Zimmer des Sohnes 1/3
Information des Vaters über den Brief
Schlechtes Gewissen des Sohnes
„Zudecken“ – Nein!
Outing des Vaters als Komödiant, der „die
Braut wegfegen wird“ und den Sohn zum
Tod durch Ertrinken verurteilt
Zimmer des Vaters 2/3
Lauf zur Brücke – der Fall
Oedipus-Komplex
Oedipus-Komplex
Überlagerung von Leben und Literatur
Leben und Werk
1883 192419141912 1915
Das Urteil
Die Verwandlung
Der Process
Felice BauerAugust 1912 – Dezember 1917
1917
Ein Landarzt
In der Strafkolonie
Die
Verwandlung
Schwester:
Grete (17)
Vater
Dienstmädchen
März
Winter
(ca. Nov.)Gregor Samsa
Mutter
Verwandlung I ca. 1h
Das Erwachen / Die Erkenntnis / Die
Reaktionen 15 Seiten
Verwandlung II ca. 1 Monat
Eingewöhnung / Tierwerdung / Gregors
Zimmer Familienmitglieder beginnen zu
arbeiten
„Schwere Verwundung“ Gregors 16 Seiten
Verwandlung III ca. 2-3 Monate
Gregors Zustand / Gregors Zimmer / Violinspiel /
Todesurteil durch Grete / „Gregor“ „er“ „es“
„das Zeug von nebenan“ / Die Familie
16 Seiten
Familie
Gregor
Autonomie
Zeit
Wohnung der Samsas Die Verwandlung
Leben und Werk
1883 192419191912 1915
Das Urteil
Die Verwandlung
Der Process
Der Vater
1917
Brief an den Vater
Der Brief an den Vater
Im Manuskript >100 Seiten
Schelesen
- Selbstanalyse
- Selbstanklage
- Paraphrase des URTEILS
- Selbstbiographie
Ein unterstrichenes Wort:
Schuld .
Brief an den Vater: Situation
• 1917: Blutsturz – 2. Entlobung
• 1918: Kafka hält sich vom Schreiben fern
• März 1919: Heirat von Felice B.
• Sommer 1919: Verlobung Ottlas
• Sommer 1919: 3. Verlobung (mit Julie Wohryzek): Die für die erste November-woche geplante Heirat scheitert am Widerstand des Vaters
• 10. November 1919: Beginn des „Briefs“
Kafka verliert
Vertraute
Brief an den Vater: Empfindung
„Dadurch wurde die Welt für mich in drei Teile geteilt, in einen, wo ich, der Sklave lebte, unter Gesetzen, die nur für mich erfunden waren und denen ich überdies, ich wußte nicht warum, niemals völlig entsprechen konnte, dann in eine zweite Welt, die unendlich von meiner entfernt war, in der Dulebtest, beschäftigt mit der Regierung, mit dem Ausgeben der Befehle und mit dem Ärger wegen deren Nichtbefolgung, und schließlich in eine dritte Welt, wo die übrigen Leute glücklichund frei von Befehlen und Gehorchen lebten. Ich war immerfort in Schande, entweder befolgte ich Deine Befehle, das war Schande, denn sie galten ja nur für mich; oder ich war trotzig, das war auch Schande, denn wie durfte ich Dir gegenüber trotzig sein, oder ich konnte nicht folgen, weil ich z. B. nicht Deine Kraft, nicht Deinen Appetit, nicht Deine Geschicklichkeit hatte, ...; das war allerdings die größte Schande.“
Brief an den Vater: Empfindung
„Manchmal stelle ich mir die Erdkarte
ausgespannt und Dich quer über sie hin
ausgestreckt vor. Und es ist mir dann, als kämen
für mein Leben nur die Gegenden in Betracht,
die Du entweder nicht bedeckst oder die nicht in
Deiner Reichweite liegen. Und das sind
entsprechend der Vorstellung, die ich von
Deiner Größe habe, nicht viele und nicht sehr
trostreiche Gegenden und besonders die Ehe ist
nicht darunter.“
Brief an den Vater: Empfindung
„Mein Schreiben handelte von Dir, ich
klagte dort ja nur, was ich an Deiner Brust
nicht klagen konnte. Es war ein absichtlich
in die Länge gezogener Abschied von Dir,
nur daß er zwar von Dir erzwungen war,
aber in der von mir bestimmten Richtung
verlief.“
Brief an den Vater: Themen
• Ursituation Vater – Sohn
• Macht und Ohnmacht
• Das 4. Gebot
• Misstrauen des Vaters Sohn: „Ich war
immerfort in Schuld.“
• Das Scheitern der Flucht vor dem Vater: Mutter /
Schreiben („Legs auf den Nachttisch!“) / Heiraten
• Selbstanklage
• Verlangen, eine Selbstbiographie zu schreiben
Kafka-Denkmal Prag
Brief an den Vater: Odyssee
FranzNovember 1919
Milena
Mutter
Vater
Die Illustration einer
„Kaiserlichen Botschaft“....
Eine kaiserliche
Botschaft
Vor dem
Gesetz
Struktur: Botschaft / Gesetz
Kaiserliche
Botschaft
Vor dem
Gesetz
Bote
VerBote
„Es genügt, dass die Pfeile genau in die Wunden
passen, die sie geschlagen haben.“ (TB, 20.1.1922)
NachspeiseKafka und die Krankheit(en)
http://purplefilm.wordpress.com/2007/04/
Ein
Landarzt
Ein Landarzt
Aus einem Interview 2008• Zeitung: Wenn Sie heute jemandem, der interessiert, aber sich,
sagen wir ruhig mal, an den Kafka noch nicht so richtig herantraut, irgendeinen Zugang empfehlen sollten, was würden Sie nennen, die Einstiegsdroge?
• Wagenbach: Sie treffen ins Herz. Natürlich den "Landarzt". "Der Landarzt", ich meine jetzt den Band "Landarzt", ein wunderbares Buch. Aber da sieht man, was mich natürlich auch berührt als Verleger, man sieht das Schicksal von Büchern. "Der Landarzt", meiner Meinung sein schönstes Buch zu Lebzeiten. Da sind alle diese vor dem Gesetz und Richter der Akademie und der Landarzt und die kaiserliche Bourgeoise, die sind da alle drin. Dieses Buch hat nicht eine einzige Rezension bekommen, das muss man sich mal vorstellen, 1920, nicht eine. Es wurden, weiß ich, 300 Exemplare verkauft. Das Buch war lieferbar bis in die Nazizeit, dann wurde es eingestampft.
Junger
Kranker
Rosa
(Magd)
Dorfbevölkerung
samt Schulchor
Ewiger
Winter?
Winter
Landarzt
Pferdeknecht
Der Ruf der Nachtglocke
„Man weiss nicht, was für Dinge man im
eigenen Haus vorrätig hat...“
Reise-Wunder: 10 Meilen im Flug
Der Krankenbesuch
Der gesunde Kranke /der Gesunde wider
Willen – die rosa Wunde
Aufgabe des Arztes / Heilmethodik
Rückreise: Niemals komme ich so nach Hause
„Nackt, dem Froste dieses unglückseligsten
Zeitalters ausgesetzt, mit irdischem Wagen,
unirdischen Pferden, treibe ich mich alter
Mann umher.“
TB, 9. Oktober 1911
„Sollte ich das 40te Lebensjahr erreichen, so werde ich wahrscheinlich ein altes Mädchen mit vorstehenden, etwas von der Oberlippe entblößten Oberzähnen heiraten. (...) Vierzig Jahre alt werde ich aber kaum werden, dagegen spricht z. B. die Spannung, die sich mir über die linke Schädelhälfte öfters legt, die sich wie ein innerer Aussatz anfühlt und die auf mich, wenn ich von den Unannehmlichkeiten absehe und nur betrachten will, den gleichen Eindruck macht wie der Anblick der Schädelquerschnitte in den Schullehrbüchern oder wie eine fast schmerzlose Sektion bei lebendem Leibe, wo das Messer ein wenig kühlend, vorsichtig, oft stehenbleibend und zurückkehrend, manchmal ruhig liegend blätterdünne Hüllen ganz nahe an arbeitenden Gehirnpartien noch weiter teilt.“
Kafkas Gebresten
• „neurovegetative Instabilität und
Überempfindlichkeit“:
– Gastrische Beschwerden
– Herzstörungen
– Chronische Schlaflosigkeit
– Quälende Kopfschmerzen
• Vasomotorische Störungen (Hautjucken, ...)
• Einsamkeit, Ängste, Depressionen,
Minderwertigkeitsgefühle, Erschöpfung
Die Tuberkulose
„Jedenfalls verhalte ich mich heute zu der Tuberkulose, wie
ein Kind zu den Rockfalten der Mutter, an die es sich hält.
Kommt die Krankheit von der Mutter, stimmt es noch
besser und die Mutter hätte mir in ihrer unendlichen
Sorgfalt, weit unter ihrem Verständnis der Sache, auch
noch diesen Dienst getan. Immerfort suche ich eine
Erklärung der Krankheit, denn selbst erjagt habe ich sie
doch nicht. Manchmal scheint es mir, Gehirn und Lunge
hätten sich ohne mein Wissen verständigt. "So geht es
nicht weiter" hat das Gehirn gesagt und nach 5 Jahren hat
sich die Lunge bereit erklärt, zu helfen.“
(an Brod, 13.9.1917)
Die Tuberkulose
„Es ist eben medizinisch, im Spaß und im Ernst, ein
aussichtsloser Fall. Willst Du eine Laiendiagnose? Die
körperliche Krankheit ist hier nur ein Aus-den-Ufern-Treten
der geistigen Krankheit; will man sie nun wieder in die Ufer
zurückdrängen, wehrt sich natürlich der Kopf, er hat ja
eben in seiner Not die Lungenkrankheit ausgeworfen und
nun will man sie ihm wieder aufdrängen, und zwar gerade
in einem Augenblick, wo er die größte Lust hat, noch
andere Krankheiten auszuwerfen. Und beim Kopf anfangen
und ihn heilen, dazu gehörte die Körperkraft eines
Möbelpackers, die ich mir eben aus dem obigen Grunde
niemals werde verschaffen können.“ (an Baum, Juni 1918)
Die Tuberkulose
„Ich bin geistig krank, die Lungenkrankheit ist nur ein Aus-
den-Ufern-treten der geistigen Krankheit. Ich bin so krank
seit den ersten vier, fünf Jahren meiner ersten zwei
Verlobungen.“ (an Milena, 1920)
Die Tuberkulose
„Es ist auch glaubwürdig, daß die Tuberkulose
eingeschränkt wird, jede Krankheit wird schließlich
eingeschränkt. Es ist damit so wie mit den Kriegen, jeder
wird beendet und keiner hört auf. Die Tuberkulose hat ihren
Sitz ebensowenig in der Lunge, wie z. B. der Weltkrieg
seine Ursache im Ultimatum. Es gibt nur eine Krankheit,
nicht mehr, und diese eine Krankheit wird von der Medizin
blindlings gejagt wie ein Tier durch endlose Wälder.“
(an Brod, April 1921)
Die Tuberkulose
„Sie fragen nach meiner Krankheit, so schlimm ist sie nicht,
wie sie vor der geschlossenen Tür des Krankenzimmers
aussieht, aber ein wenig brüchig ist das Gebäude, doch ist
es jetzt schon besser und war noch vor 2 Monaten sogar
recht gut. Es ist eben eine etwas verwirrte Kriegslage. Die
Krankheit selbst, als Kampftruppe angesehn, ist das
gehorsamste Geschöpf der Welt, ihre Augen sind nur auf
das Hauptquartier gerichtet, und was man dort befiehlt, das
tut sie, doch ist man oben oft unsicher in den Entschlüssen
und auch sonst gibt es Missverständnisse. Die Teilung
zwischen Hauptquartier und Truppe sollte aufhören.“
(an Minze Eisner, Herbst 1922)
Fazit
Die Krankheiten ermöglichen Kafka offensichtlich,
nicht gesund sein zu müssen.
Gesund sein hiesse: Heiraten, eine Familie
gründen, als Angestellter ordentlich arbeiten, also
ein kleinbürgerliches Dasein fristen.
Krank sein ermöglicht ihm zu schreiben, auch
wenn das Resultat eine körperliche Katastrophe
sein wird (wie im HUNGERKÜNSTLER) die
perfekte Kunst mündet in die Selbstauflösung.
Das letzte Bild: Oktober 1923
http://www.uni-saarland.de/verwalt/presse/campus/2005/1/26-kafka.html
Kafkas letzter Wille (29.11.1922)
Für diesen Fall also mein letzter Wille hinsichtlich alles von mir
Geschriebenen:
Von allem was ich geschrieben habe gelten nur die Bücher: Urteil,
Heizer, Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt und die Erzählung:
Hungerkünstler. ...
Dagegen ist alles, was sonst an Geschriebenem von mir vorliegt
(in Zeitschriften Gedrucktes, im Manuskript oder in
Briefen) ausnahmslos soweit es erreichbar oder durch Bitten von
den Adressaten zu erhalten ist - alles dieses ist ausnahmslos am
liebsten ungelesen (doch wehre ich Dir nicht hineinzuschauen,
am liebsten wäre es mir allerdings wenn Du es nicht tust,
jedenfalls aber darf niemand anderer hineinschauen) - alles
dieses ist ausnahmslos zu verbrennen und dies möglichst bald
zu tun bitte ich Dich Franz
Und wieder: Im Schnee...
http://www.volny.cz/koubap/Sterbliche
/obrazky/kafka.jpg
Dienstag, Beginn des
Monats Siwan 5684. Der
obengenannte, prachtvolle,
unvermählte Mann, unser
Lehrer und Meister
Anschel, seligen
Angedenkens, ist der Sohn
des hochverehrten
R. Henoch Kafka, sein
Licht möge leuchten. Der
Name seiner Mutter ist
Jettl. Seine Seele möge
eingebunden sein im Bund
des ewigen Lebens.
„Wer sucht, der findet
nicht – wer nicht sucht,
wird gefunden.“
http://www.drs2.ch/www/de/drs2/sendungen/hoerspiel-drs-2/2846.sh10033484.html
Quintessenz
Man kommt kaum je zum Ziel, hat
aber ein grossartiges
Leseabenteuer hinter sich.
Einen Buchstaben nur ändern, und
schon wird LESEN zu LEBEN.
Woher kommen Kafkas
Texte?