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EINLADUNG ZUM LEBENDIGEN GEBRAUCH VON KIRCHENGEBUDEN
KIRCHEN HUSER GOTTES FR DIE MENSCHEN
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EVANGELISCHE KIRCHEBerlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
hat sich diese Orientierungshilfe in ihrer Sitzung am 15. September 2006 zu eigen gemacht.
Sie bittet Gemeinden und Kirchenkreise, die dargelegten Leitlinien und Kriterien zu beach-
ten und ihren Entscheidungen zu Grunde zu legen.
EINLADUNG ZUM LEBENDIGEN GEBRAUCH VON KIRCHENGEBUDEN
KIRCHEN HUSER GOTTES FR DIE MENSCHEN
ABBILDUNG AUF DEM UMSCHLAG
ST. MARIEN-KIRCHE, BERLIN-MITTE
ORGEL VON JOACHIM WAGNER (1720/21)
St. Marien ist das lteste bis heute kirchlich
genutzte Gotteshaus der Stadt. Der Kern
datiert aus dem spten 13. Jahrhundert. Sie
birgt das Stadtgedchtnis: mittelalterliche
Wurzeln (Wandfresken: Totentanz, Schutz-
mantelmadonna, Epitaphien), den Glanz der
Stadt (Orgel, Altar und Kanzel aus dem Ba-
rock) und Wunden bis in die Gegenwart (Na-
gelkreuz von Coventry).
Als Brgerkirche Berlins und Predigtsttte
des Bischofs ist sie der Ort fr wichtige po-
litische, kulturelle und soziale Ereignisse:
z.B. Universitts- und Innungsgottesdiens-
te; Erffnung der Aktion Laib und Seele.
Die Kirchentr steht an allen Tagen der Wo-
che offen. Regelmige Sonntagsgottes-
dienste fi nden um 10:30 und 18:30 Uhr statt.
Der Sptgottesdienst wird in den Semester-
ferien als Stadtgebet gefeiert und greift
jeweils ein Thema besonderer Aktualitt auf.
Wochentags laden Andachten vor Kunstwer-
ken, Konzerte und Fhrungen ein, die Kirche,
Ihre Kunstwerke und Ausstattungsstcke als
Zeugnisse des Evangeliums zu erleben.
Alles Engagement der 13 hauptamtlichen
und etwa 150 ehrenamtlichen Ttigen und
alle behutsamen Vernderungen an dieser
Citykirche dienen einem Ziel: der Stadt in ih-
rer Mitte einen kirchlichen Ort zu bieten, der
die Freundlichkeit Gottes und die lebendige
Kraft seiner Botschaft erfahrbar macht.
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INHALTSVERZEICHNIS
Bischof Dr. Wolfgang Huber, Vorwort 4
Prpstin Friederike von Kirchbach, Einleitung 6
1. Tradition und Gegenwart
1. Bauwerke als Zeugnisse des Glaubens 11
2. Orte der Begegnung mit dem Heiligen 14
3. Orte der Erinnerung und Identitt 15
4. ffentliche Bauten offene Rume 16
5. Kirchliche Widmung staatliches Recht 17
6. Die Kirchengemeinde Hausherrin vor neuen Herausforderungen 18
2. Nutzungen heute und morgen
1. Kirchen Huser fr die Gemeinde 23
2. Kirchen offene Huser fr andere 26
a. Gesellschaftsdiakonische Nutzungen 26
b. Kulturelle Nutzungen 28
c. Andere ffentliche Nutzungen 30
d. Notwendige Abgrenzungen 31
3. Kirchen Nutzungen fr Geld? 33
4. Kirchen geteilte Verantwortung 35
3. Wenn die Kirchengebude zur Belastung werden
auerkirchliche Hilfe oder Entwidmung
1. Materielle Untersttzung 41
2. Erbbaurecht und Veruerung 43
3. Stilllegung und Abbruch 45
4. Entwidmung und Nachsorge 47
4. Anhang
A. Rangfolge der Nutzungen von Kirchen 51
B. Beispiele fr angemessene Nutzungen 52
C. Nicht angemessene Nutzungen 54
D. Beratung, Hilfe und Beteiligung 56
E. Vertragsmuster 58
F. Rechtsgrundlagen 58
G. Literatur, Verffentlichungen, Links 58
H. Ansprechpartner 59
Impressum 60
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4 5VORWORT
Was dabei zu beachten ist, beschftigt Gemeinden in unserer Landeskirche auf
vielfache Weise. Die dabei auftauchenden Fragen haben die Generalsuperinten-
denten und mich schon vor Jahren dazu veranlasst, die Initiative zu einer Orien-
tierungshilfe ber mgliche Nutzungen unserer Kirchengebude zu ergreifen.
Diese, in Zusammenarbeit mit dem Kirchlichen Bauamt erstellte Orientierungs-
hilfe wurde den Gemeinden 1999 zur Verfgung gestellt. Sie ist seitdem vielfach
genutzt worden; sie hat sich in ihren Grundzgen bewhrt und ist auch ber die
Grenzen unserer Landeskirche hinaus bekannt geworden.
Nach einigen Jahren war es an der Zeit, die mit der Orientierungshilfe von 1999
gesammelten Erfahrungen auszuwerten, neu aufgetretene Fragen einzubeziehen
und das Ganze mit einer grundstzlichen Verstndigung darber zu verbinden,
welche Bedeutung unsere Kirchengebude fr Glauben und kirchliches Leben
haben. Dieser Aufgabe hat sich eine Arbeitsgruppe angenommen, die unter der
Leitung von Prpstin Friederike von Kirchbach die nun vorliegende Handreich-
ung erarbeitet hat. Ich danke dieser Arbeitsgruppe herzlich fr ihren gehaltvollen
Text, der sich davon bin ich berzeugt in der Praxis bewhren wird.
Diese Handreichung ist vor der endgltigen Verffentlichung den Gemeinden
und Kirchenkreisen zur Stellungnahme vorgelegt und im Kreis der Superinten-
dentinnen und Superintendenten diskutiert worden. Die Kirchenleitung hat sich
diese Handreichung zu Eigen gemacht; sie bittet die Gemeinden und Kirchenkreise,
die hier dargelegten Leitlinien ihren Entscheidungen und ihrem praktischen Ver-
halten zu Grunde zu legen.
Meine Hoffnung ist, dass sich im Umgang mit unseren Kirchengebuden immer
wieder der Geist erneuert, den das Psalmwort zum Klingen bringt: Wie lieb sind
mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den
Vorhfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich an dem lebendigen Gott.
Bischof Dr. Wolfgang Huber
Im August 2006
VORWORT
Kirchengebude stehen im Zentrum des kirchlichen Auftrags. Sie verbinden Himmel
und Erde, in ihnen begegnen sich Gott und Welt. Sie sind der Ort fr Gottesdienste
und viele andere Aktivitten unserer Gemeinden. Sie verkrpern die Geschichte
des Glaubens ber viele Generationen hin. Sie sind Wahrzeichen eines Ortes,
eines Stadtteils und oft einer ganzen Region.
Kirchengebude sind zugleich eine groe Herausforderung. Oft drckt die Bau-
last umso mehr, als die Frsorge fr die Kirchengebude ber lange Jahrzehnte
auerordentlich erschwert war. Bei manchen Kirchengebuden wird gefragt, ob
Nutzung und Belastung in einem angemessenen Verhltnis zueinander stehen.
Wenn solche berlegungen auftauchen, ist es wichtig, sich die groe Orientie-
rungsbedeutung unserer Kirchengebude weit ber die engeren Grenzen der
Gemeinden hinaus vor Augen zu halten. Die groe Zahl von Frdervereinen, die
sich fr den Erhalt und die Wiederherstellung von Kirchengebuden einsetzen,
weist deutlich darauf hin: Die Kirche im Dorf ist vielen Menschen nicht nur
wichtig geblieben; sie wird ihnen auf neue Weise wichtig.
Auch in unserer evangelischen Kirche selbst wird die besondere Prgung wie die
Ausstrahlungskraft von Kirchengebuden neu gewrdigt. Unter dem Leitgedan-
ken, dass der evangelische Glaube keine heiligen Rume kenne, bestand in zu-
rckliegenden Jahrzehnten eine Neigung dazu, auch gottesdienstliche Rume vor
allem unter dem Gesichtspunkt ihrer praktischen Verwendbarkeit zu betrachten.
Doch inzwischen ist der Sinn fr die besondere Aura von Kirchenrumen wieder
gewachsen. Geheiligt werden sie durch ihren Gebrauch; aber es ist in ihnen zu
spren, dass sie durchbetete, dem Wort Gottes gewidmete Rume sind.
Wer sie erhalten will, muss beides tun: den Gottesdienst als Zentrum all dessen,
was in ihnen geschieht, lebendig machen und lebendig halten und zugleich
aufgeschlossen sein fr andere Nutzungen, die ihrerseits dem Erhalt der Gebu-
de zu Gute kommen knnen.
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6 7EINLEITUNG
Der in Kirchen gestaltgewordene Glaube unserer Vorfahren kann Menschen heu-
te zu berraschenden Entdeckungen eigener, manchmal verschtteter Glau-
benswurzeln fhren. Die Kirchen weisen uns auch darauf hin, dass unsere
abendlndische Kultur ihre Wurzeln im christlichen Glauben hat. Die Raumge-
staltung und die Auenansicht einer Kirche sowie die in ihr vorgesehenen Nut-
zungen mssen diese verschiedenen Gesichtspunkte sensibel bercksichtigen.
Der Einladung zur Kreativitt und zu mutigen Schritten auf ungewohnten Wegen
muss das Nachdenken ber Verbindlichkeiten und Grenzen der Nutzung ent-
sprechen.
Die vorliegende Broschre verbindet ein knappe historische Einfhrung zur Bau-
geschichte mit grundstzlichen Erwgungen zur Kirchennutzung in unserer
Landes kirche und ergnzt dies mit praktischen Hinweisen und Hilfen.
Prpstin Friederike von Kirchbach
Im August 2006
EINLEITUNG
Die vorliegende Broschre ldt zum lebendigen Gebrauch unserer Kirchen ein. In
unseren Kirchen suchen Menschen Stille und Trost. Sie kommen, um zu singen,
zu beten, das Abendmahl zu teilen, Gottes Wort zu hren. Kirchen sind und blei-
ben gottesdienstliche Rume.
Die Einladung zum lebendigen Gebrauch unserer Kirchen richtet sich darum an
erster Stelle an die Gemeinden selbst, sich dieses Schatzes bewusst zu bleiben.
Es gibt aber auch vielerlei andere Mglichkeiten, Kirchen mit Leben zu erfllen.
Daraus erwchst die Aufgabe, das Richtige und Angemessene zu fi nden. Und es
bedarf eines geschrften Blickes auf vorhandene und neu zu entdeckende Mg-
lichkeiten der Kirchennutzung. Solche erweiterte Nutzung schliet Kooperati-
onen mit anderen Partnern ein. Deshalb wendet sich diese Broschre auch an
die, die Kirchen fr kulturelle oder diakonische Zwecke nutzen mchten. Ihnen
wird hier ein verbindlicher Rahmen vorgestellt, innerhalb dessen Kirchennut-
zung mglich und sinnvoll ist. Dies gilt auch fr nichtkirchliche Trger, die eine
Kirche fr ihre Zwecke nutzen wollen.
Was immer auch in und mit Kirchen geschieht, in der ffentlichkeit werden sie
zunchst stets als Orte des christlichen Glaubens und Lebens wahrgenommen.
Von daher erwchst eine groe Verantwortung im Umgang mit ihnen, zugleich
ist damit aber auch eine groe Chance verbunden. Mit allen, auch mit skularen
Nutzungen, kann allein durch die Ausstrahlung des Raumes Aufmerksamkeit fr
spirituelle Dimensionen des Lebens geweckt werden.
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TRADITION UND GEGENWART
1STADTPFARRKIRCHE ST. MARIEN, MNCHEBERG, BIBLIOTHEK UND GEMEINDEZENTRUM
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11TRADITION UND GEGENWART
1. BAUWERKE ALS ZEUGNISSE DES GLAUBENS
Die ersten christlichen Gemeinden trafen sich in Wohnhusern, auf ffentlichen
Pltzen und schon bald an versteckten Orten, weil sie verfolgt wurden. Im 4. Jahr-
hundert, als das Christentum zur Staatsreligion im Rmischen Reich wurde,
zogen die Gemeinden mit ihren Gottesdiensten in bestehende Bauwerke ein:
Die Basilika, ein Markt- und Gerichtsgebude, wurde in zahlreichen Stdten des
Mittelmeerraums zur ersten festen Kirche.
Das Mittelalter, eingeleitet durch die christliche Mission des westlichen und
nrdlichen Europa, war die Zeit der grten und schnsten Kirchenbauwerke,
die das Abendland ber ein Jahrtausend prgen sollten. Ihre Grundform wurde
aus der antiken Basilika entwickelt. Die aus Westeuropa stammenden Bau- und
Kunststile der Romanik und Gotik breiteten sich vom 12. Jahrhundert an im Zuge
der Mission, der Besiedlung und kulturellen Entwicklung des mittel, nord- und
ostdeutschen Raumes aus.
In den Regionen unserer Landeskirche sind bis heute ber 600 dieser Zeugnisse
christlicher Mission aus der Zeit vor der Reformation erhalten geblieben. Neben
den zumeist prchtigeren und greren Grndungen der Klster wurden Stadt-
und Dorfkirchen errichtet. Dabei spielt die schlichte bersetzung der Grundform
der Basilika eine herausragende Rolle: Die sogenannte vollstndige Anlage einer
typischen hochmittelalterlichen Dorfkirche in Brandenburg besteht aus einem
halbkreisfrmigen Raum, der Apsis, fr den Altar, der nach Osten ausgerichtet ist,
sowie einem oft quadratischen Saal westlich davon, der den Geistlichen vorbe-
halten war. Daran schliet sich ein rechteckiger, breiterer Saal an, in dem sich
die Gemeinde versammelt und der bis zur Reformation meistens durch eine
Schranke, den Lettner, vom Chorquadrat der Geistlichen getrennt war. Im Westen
schliet ein etwa gleich breiter, oft mchtiger Turm das Bauwerk ab. Seine Ober-
geschosse wurden vielerorts nie fertiggestellt oder spter zerstrt. Sein Unterteil
bildet heute meistens die Basis fr einen schlankeren, oft hlzernen Turmaufsatz.
ABBILDUNGEN AUF DEN SEITEN 9 UND 10
STADTPFARRKIRCHE ST. MARIEN
MNCHEBERG
BIBLIOTHEK UND GEMEINDEZENTRUM
Die Stadtpfarrkirche St.Marien steht in
Mncheberg, ca. 30 km stlich von Berlin
auf dem Weg nach Frankfurt / Oder. Die Kir-
che ist eine Zisterziensergrndung aus dem
13. Jahrhundert. Sie wurde 1817 nach Pl-
nen von K.F.Schinkel umgebaut, 1945 bis
auf die Grundmauern zerstrt, 1992 wieder
aufgebaut und erhielt 1997/98 unter dem
Arbeitstitel Ruine unter Dach die Bestim-
mung, ber den reinen Gottesdienstraum
hinaus auch als Stadtbibliothek, Gemeinde-
und Kulturzentrum genutzt zu werden. Die
dafr notwendigen neuen Rume nimmt ein
als freistehende Skulptur gestaltetes, all-
seitig verglastes viergeschossiges Stahlre-
gal auf, welches zum Kircheninnenraum mit
Eschenholzlamellen bekleidet ist.
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12 13TRADITION UND GEGENWART
kehrten, ist seit 1817 die Ordnung des Gottesdienstraumes der Altpreuischen
Union grundlegend geblieben: Vor dem durch Bankreihen ausgerichteten Raum
der Gemeinde gibt es einen um eine oder mehr Stufen angehobenen Altarraum,
an dessen Seite im Vordergrund eine erhhte Kanzel steht. Der Altar steht mit
seinem Tisch, der Mensa, auf der Mittelachse des Raumes, und ist oft durch ein
Bild, das Retabel, geschmckt. Er ist, wie die Kanzel, fest an seinem Ort veran-
kert. Das Taufbecken wie Kanzel und Altar aus Stein oder Holz steht entwe-
der der Kanzel in etwa symmetrisch gegenber oder auf der Mittelachse vor
dem Altar, gelegentlich unterhalb der Stufen bei der Gemeinde oder sogar im
Vorraum der Kirche. ber dem Eingang spannt sich zumeist eine Empore, die
eine Orgel trgt und in greren Kirchen oft durch weitere Emporen rings um die
Kirche ergnzt ist.
Der Kirchenbau nach dem Ersten Weltkrieg war bestimmt durch die Zweckm-
igkeit sparsam und zugleich in schlichter Wrde gestalteter Bauwerke. Oft wur-
den Gesamtanlagen geschaffen, in denen der Kirchsaal um ein Gemeinde- und
Pfarrhaus ergnzt ist. Herausragende Bauwerke des Expressionismus wirken mit
der stdtebaulichen Qualitt hoher wuchtiger Trme Kirchenarchitektur im bes-
ten klassischen Sinn. Gemeindeheime der 1930er Jahre sind eher schlichte Funk-
tionsbauten, deren sakraler Gehalt erst auf den zweiten Blick erkennbar ist.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die meisten beschdigten Kirchen verein-
facht wieder aufgebaut. Neuer Kirchenbau dieser Zeit beschrnkt sich in unserer
Region auf wenige mehrfach nutzbare Gebude in der Tradition der Gemeinde-
heime der Vorkriegszeit, sowie in den 1950er Jahren auf neue Kirchen im West-
teil Berlins, die an das Neue Bauen der 1920er Jahre anknpfen. Zwischen 1960
und 1980 hat es dort dann allerdings einen kirchlichen Bauboom gegeben, der
die Zahl der evangelischen Gottesdienststtten Berlins fast verdoppelt hat. Da-
bei stehen die mehrfach nutzbaren zweckmigen Gemeindezentren im Vorder-
grund, die lediglich einen Saal bergen, der neben dem Gottesdienst allen ande-
ren gemeindlichen Nutzungen offensteht. Die aktuelle Entwicklung vieler
Gemeinden, die in solchen Zentren leben, fhrt zur Bevorzugung eindeutig und
stndig gottes dienstlich gestalteter Rume. Das bedeutet die Abkehr von der
Das Innere dieser alten Kirchen erinnert nur noch selten an seine ursprngliche
Gestalt. Nahezu alle in Mitteldeutschland vorhandenen Kirchbauten wurden im
16. Jahrhundert evangelisch. Damit vernderten sich die Funktionen der Kirchen:
Es gab keinen Klerus mehr, sondern eine Gemeinde, die sich versammelte, um
das Wort Gottes zu hren und die Sakramente zu feiern. Deshalb fi el die Lettner-
wand, Altre wurden in der Regel verndert, Ausmalungen bertncht. Die alten
Kirchen wurden mit festem Gesthl versehen, hufi g baute man Emporen ein.
Die zahlreichen geschmckten Kanzeln aus Renaissance und Barock sowie die
prchtigen Kanzelaltre des 18. und 19. Jahrhunderts sind Ausdruck der theolo-
gischen Hochschtzung von Wort und Sakrament.
Wo hierzulande in der frhen Zeit des Protestantismus neue Kirchen entstanden,
wurden einfache, rechteckige Saalkirchen, oft aus Fachwerk und mit kleinem,
aufgesetztem Turm errichtet. Nach dem Dreiigjhrigen Krieg gab es dann in den
Drfern und Stdten viele Wiederaufbauten zerstrter Kirchen und Neubauten,
die je nach Reprsentationslust des Orts- oder Landesherrn gestaltet wurden.
Der Preuische Barockstil ist schlicht und sparsam; die Kirchen dieser Zeit sind
gleichwohl durch ihre besondere Form als achteckiger oder quadratischer
Bau oder ihre besonders reiche Ausstattung bemerkenswert.
Im 19. Jahrhundert wurde die Berliner Schule zur prgenden Kraft fr die Bau-
gestaltung in Preuen. Sparsamkeit, Klarheit in der Gliederung, Zweckmigkeit
fr die Nutzung als Predigtraum bildeten das Ma fr den Kirchenbau. In dieser
Zeit wurden die bis dahin verschiedenen evangelischen Bekenntnisse in Preuen
zusammengefhrt: Lutherische oder reformierte Prgung in der Gestaltung von
Kirchenrumen trat hinter eine Raumgliederung zurck, die durch die liturgische
Ordnung in der Altpreuischen Union bestimmt war. Der Lettner, das trennende
Element zwischen dem Raum der Gemeinde und dem Altarraum, war zwar schon
zur Reformationszeit funktionslos geworden; die fr die Predigt in deutscher
Sprache meistens mitten in den Gemeinderaum gestellte Kanzel stand jedoch
seitdem bis zu Ende des 18. Jahrhunderts vom brigen liturgischen Geschehen
getrennt. Auch in den Kirchbauten des Historismus, an denen in Preuen nicht
nur die Gotik, sondern fast alle ehemaligen abendlndischen Baustile wieder-
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14 15TRADITION UND GEGENWART
Kirchenraum macht anschaulich, dass Gottesdienste nicht nur auf die Gegen-
wart bezogen sind, sondern immer eingebunden in die Vergangenheit und aus-
gerichtet auf die Zukunft gefeiert werden. Gleichwohl ist die besondere symbo-
lische Qualitt des Kirchenraumes nicht erst im Moment des Gottesdienstes
erlebbar. Kirchen sind umfriedete Rume, die in ihrer berlieferten Gestaltquali-
tt ein Speicher religiser Erfahrungen sind. Wer sie betritt, verlsst die Welt des
Alltags und gelangt in eine Atmosphre der Stille und Konzentration, die fr die
Begegnung mit Gott ffnet.
3. ORTE DER ERINNERUNG UND IDENTITT
In Kirchen versammelt sich die Gemeinde zum Hren auf das Wort Gottes, zum
Gebet und zur Feier der Sakramente. Dass in unseren Kirchen durch die Zeiten
hindurch Menschen zu Gott gebetet haben, macht sie zu Rumen, in denen
Schicksale und Lebenswege prsent sind. Das ist besonders deutlich an Grabma-
len und Tafeln zum Gefallenengedenken zu spren. Jede Taufe oder Trauung,
jede Bestattungsfeier macht erfahrbar, dass es bei allem, was in unseren Kir-
chen geschieht, um menschliches Leben im Angesicht Gottes geht. Menschen
erleben die Zuwendung Gottes und sie bekennen, dass Gott der tragende Grund
ihres Daseins ist.
Hufi g verbindet sich lebensgeschichtliche Erinnerung mit einer bestimmten Kir-
che. Menschen suchen die Kirche auf, in der sie selbst, Eltern oder Groeltern
getauft, konfi rmiert und getraut wurden. Zur Feier der Goldenen Konfi rmation
kehren in jedem Jahr auch Menschen in die Kirchen ihrer Kindheit und Jugend
zurck, die der Institution Kirche inzwischen distanziert gegenberstehen. So
stiften Kirchen Identitt innerhalb der individuellen Lebensgeschichte und ber
Generationengrenzen hinweg. Fr viele Menschen sind sie der einzig verblie-
bene authen tische Ort fr die Rekonstruktion der Familiengeschichte. Solche
Spurensuche kann durchaus zu der berraschenden Entdeckung fhren, dass der
christliche Glaube in Gestalt der lebensbegleitenden Kasualien ein tragfhiges Fun-
dament war und heute noch ist.
beliebigen Mehrfachnutzbarkeit mit ihrer provisorisch wirkenden Vernderbar-
keit: Der Raum, der dem Besonderen vorbehalten ist, ist gefragt alles andere,
was auer dem Besonderen, dem Gottesdienst, darin stattfi ndet, muss sich der
stndigen, unvernderlichen Gestalt des Gottesdienstraumes stellen.
2. ORTE DER BEGEGNUNG MIT DEM HEILIGEN
Kirchen haben symbolische Qualitt. Als Gebude mitten in einem Dorf oder
einem Stadtquartier verweisen sie auf die Gegenwart Gottes in unserer Welt und
zugleich auf die christliche Gemeinde und ihren Gottesdienst. Kirchen sind in
einer skularen Welt Zeugnis dafr, dass es eine Wirklichkeit gibt, die alles ber-
steigt. In ihrem Inneren ffnen sie einen Raum, der zur Unterbrechung des All-
tags einldt und zur Konzentration, zum Nachdenken und zum Gebet fhrt. ber
Jahrhunderte hinweg gibt es in den Kirchen lutherischer Prgung bei aller Ver-
schiedenheit ein bleibendes Zentrum: Altar, Kanzel und Taufbecken die Orte,
an denen in der Verkndigung und in der Feier der Sakramente die Gegenwart
Gottes erfahrbar und zeichenhaft sichtbar wird. Evangelische Kirchen reformier-
ter Prgung betonen mit der Kanzel als einzigem festem Ausstattungsstck das
Wort Gottes als Zentrum des Gottesdienstes.
Die Vielfalt der Gestaltungsmglichkeiten in unseren Kirchen ruft hufi g Staunen
und Bewunderung hervor. Doch das gleichbleibende und erkennbare Zentrum
lsst Menschen auch an einem fremden Ort schnell heimisch werden. Darum
weist eine einzelne Kirche immer ber sich selbst hinaus. Sie ist nie nur ein Ort
fr die darin beheimatete Gemeinde, sondern immer auch offen und einladend
fr die ganze Gemeinde Jesu Christi.
Kirchen sind ein Sprachinstrument des Glaubens. Sie sprechen nicht nur vielfl-
tig vom Glauben frherer Generationen, sondern fordern auch heute Menschen
heraus, sich Gott in Lob, Bitte und Klage zu ffnen. Die Raumgestaltung ist aus-
gerichtet auf die liturgische Feier. Die Erfahrung und Wirkung eines konkreten
Kirchen raumes beeinfl usst die Gestalt der darin gefeierten Gottesdienste. Der
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16 17TRADITION UND GEGENWART
Revolution zeigte, wie gemeinwesenhafte Nutzung unter kirchlicher Trgerschaft
in die Gesellschaft hinein strahlen kann. Dabei blieb die Kirche unverkennbar
Raum der Verkndigung.
Es ist bemerkenswert, dass zahlreiche Kirchengemeinden das Gemeinwesen ihrer
Region dadurch zu sttzen versuchen, dass sie Brgerinitiativen, Vereine, Insti-
tutionen der Bildung und Fortbildung und die Vertreter des Gemeinwesens selbst
in ihre Kirche einladen. Damit kann die Kirche ein Ort gesamtgesellschaftlichen,
vor allem aber gemeinntzigen Engagements zum Wohle aller werden.
5. KIRCHLICHE WIDMUNG STAATLICHES RECHT
Kirchen sind fr den Gottesdienst und das Gebet gewidmet, sie sind sogenannte
res sacrae, heilige Sachen im Sinne des kirchlichen Rechts. Auch nach dem
evange lischen Kirchenrecht ist die Widmung ein Rechtsakt. Die Widmung ist un-
abhngig von den Eigentumsverhltnissen; sie bleibt auch nach einer Eigentums-
bertragung grundstzlich bestehen. In der Regel wird sie mit einem Gottesdienst
vollzogen. Mit ihr wird die Kirche ein Ort, der dem Gottesdienst, der Spendung
der Sakramente und dem Gebet dient. Diese Veranstaltungen sind auch kraft
Widmung ffentlich. Jeder hat ein Anrecht, an der ffentlichen Veranstaltung
des Gottesdienstes teilzunehmen; jedes Kirchenmitglied darf an dem im Gottes-
dienst gespendeten Abendmahl teilhaben. Der Gottesdienst ist eine ffentliche
Angelegenheit; die Kirche ist ein ffentliches Gebude.
Auch das staatliche Recht schtzt die Kirche als ffentlichen, dem Gottesdienst
gewidmeten Raum. Der ffentliche Gottesdienst steht strafrechtlich unter einem
besonderen Schutz. Nach 167 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs macht sich
strafbar, wer den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung in einer im
Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in
grober Weise strt. Nach dem Denkmalschutzrecht mssen die zustndigen
staatlichen Behrden bei Entscheidungen ber Denkmale, die der Religionsaus-
bung dienen, die von den Kirchen und Religionsgemeinschaften festgestellten
Belange der Religionsausbung beachten.
ber das individuelle Erinnern hinaus sind Kirchen auch Orte des kollektiven Ge-
dchtnisses. Sie konnten zum Schutzraum in Notzeiten werden und spielen da-
her in der Geschichte mancher Drfer eine wichtige Rolle. In ihnen wird die Erin-
nerung an Kriege und die Leiden der Menschen bewahrt. Sie spiegeln in ihrer
Architektur und Ausstattung die Vernderungen wider, denen ein Gemeinwesen
im Laufe der Jahrhunderte unterworfen war.
4. FFENTLICHE BAUTEN OFFENE RUME
Kirchen waren zu allen Zeiten Foren des Gemeinwesens. Allein dadurch, dass
Kirchen alle Tage geffnet waren, boten sie Zufl ucht und Unterschlupf fr Be-
drngte und Hilfesuchende. Menschen kamen in ihnen zusammen, um Rat zu
suchen oder um zu beraten, ohne dass der Anlass fr diese Zusammenknfte
zwangslufi g mit dem Gottesdienst oder den Glaubensinhalten verknpft war.
Brgerversammlungen, denen hufi g keine eigenen Rume gewidmet waren,
fanden selbstverstndlich in den Kirchen statt. Die Patronatsherren der Drfer
und die Magistrate der Stdte pfl egten in der frhen Neuzeit vielfltige nicht-
gottesdienstliche Zusammenknfte auf unterschiedlichen Ebenen in den zu-
mindest in Norddeutschland inzwischen zumeist evangelischen Kirchen. Noch
im 19. Jahrhundert fanden gelegentlich Rats- und Stadtverordnetenversamm-
lungen in Berliner Innenstadtkirchen statt. In der Kaiserzeit wurden politische
und militrische Veranstaltungen durch ihre Abhaltung in Kirchen bewusst ber-
hht. Diese Sakralisierung weltlicher Macht im Gefolge der engen Verbindung
von Thron und Altar ist von heute aus gesehen ein Missbrauch der Kirchen. Die
mit der Weimarer Reichsverfassung erfolgte Trennung von Staat und Kirche
konnte nicht verhindern, dass in der Folgezeit, besonders ab 1933, Kirchen miss-
bruchlich genutzt wurden.
In den evangelischen Kirchen in Deutschland gibt es angesichts dieser Geschichte
nach wie vor eine groe Zurckhaltung, wenn es um die Zulassung ffentlicher,
gemeinwesenhafter Nutzungen geht, die auerhalb kirchlicher Inhalte liegen.
Die ffnung von Kirchen in Ostdeutschland im Zusammenhang mit der friedlichen
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18 19TRADITION UND GEGENWART
Die Widmung schliet nicht aus, dass die Kirche auch fr einen widmungsfrem-
den Zweck zur Verfgung gestellt wird. In keinem Fall darf die Kirche aber fr
einen Zweck verwendet werden, der der Widmung zuwider luft. Die staatliche
Wrdigung und die kirchenrechtliche Bedeutung der Widmung sollte keinesfalls
durch die Kirchengemeinden selbst unterboten werden. Bei der Vermietung oder
leihweisen berlassung von Kirchenrumen an nichtkirchliche Nutzer ist des-
halb sehr genau darauf zu achten, dass sich mit dieser Nutzung keine Gegensym-
bolik zum Widmungszweck des Raumes entfaltet. Kirchenrume sollen nicht fr
Veranstaltungen zur Verfgung gestellt werden, die der christlichen Tradition
und Verkndigung widersprechen oder Alternativangebote wie weltliche lebens-
begleitende Feiern darstellen.
Der Respekt vor dem Kirchenraum lsst sich auch bei zeitweiliger nichtkirchlicher
Nutzung leichter erhalten, wenn die Innengestaltung und vor allem der Altarraum
unverndert bleiben. Das Wegstellen des Altarkreuzes oder die Verhngung des
Altarraums kommen nicht in Betracht. Sie knnten als Einladung zu einem der
Wrde des Gebudes nicht entsprechenden Verhalten missverstanden werden.
Soll die Kirche dauerhaft nicht mehr zum Gottesdienst genutzt werden, ist das
Gebude zu entwidmen. Die Entwidmung ist in einer Kirchengemeinde und auch
im Ort eine einschneidende Manahme. Daher sieht das kirchliche Recht ein Ver-
fahren vor, dass die grndliche Prfung dieses Vorhabens und die Beteiligung
der Gemeinde sicherstellen soll. Auch die Entwidmung wird mit einer gottes-
dienstlichen Handlung vollzogen.
6. DIE KIRCHENGEMEINDE HAUSHERRIN VOR NEUEN HERAUSFORDERUNGEN
Kirchengemeinden werden durch ihre Kirchen geprgt. Die alteingesessene
Gemeinde, die oft seit Jahrhunderten mit einem Kirchengebude lebt, ist durch
die besonderen Gegebenheiten des Bauwerks und des Raumes geprgt. Ihr
Gottesdienst und ihr Gemeindeleben orientiert sich daran, oft fast unabhngig
von den jeweilig agierenden Menschen. ber diese prgende Kraft erzeugt ein
Kirchengebude eine starke Identifi kation.
Fr viele Gemeinden wird es in der Zukunft Vernderungen geben, die die
Identifi zierung mit dem Kirchengebude in Frage stellen knnen. Nach vollzo-
genen Gemeindefusionen ist zu beobachten, dass die starke Bindung an die ei-
gene Kirche die Beheimatung in neugebildeten Grogemeinden erschwert. Im
Prozess des Zusammenwachsens ist es darum unverzichtbar, sensibel auf die
Erwartungen der Gemeinde zu reagieren. Auch Kirchen, deren kirchliche Nut-
zung knftig mglicherweise aufgegeben werden muss, sollten, solange sie
noch zum Gebude bestand gehren, regelmig genutzt werden, gegebenen-
falls auch in greren Abstnden.
Viele Menschen der nchsten Nachbarschaft identifi zieren sich ebenfalls mit dem
Kirchengebude, auch ohne mit der Kirchengemeinde verbunden zu sein. Das
kann zu groem Engagement fr die Erhaltung und Belebung von Kirchen fhren,
vor allem dann, wenn ihr Bestand gefhrdet ist. Zahlreiche Frdervereine haben
so dazu beigetragen, Kirchen vor dem Verfall zu bewahren. Die Kirchen gemeinden
knnen mit Frdervereinen oder Kommunen Partnerschaften fr die Erhaltung
der Kirchen eingehen, die es ermglichen, sie auch unter wirtschaftlich schwie-
rigen Umstnden gemeinsam fr die Gemeinde zu erhalten. Dabei enthalten
selbst solche Vernderungen, die zu vertraglichen Verbindungen zwischen Kir-
chengemeinden und nichtkirchlichen Partnern oder die sogar zu Vernderungen
am Eigentum an der Kirche fhren, eine Option zu kirchlicher Nutzung.
Fr viele dieser Mglichkeiten gibt es bereits zahlreiche gute Beispiele, jedoch
keine Muster oder Rechtsnormen. Dennoch mssen sich auch ungewhnliche
kreative Anstze an den bestehenden Regeln orientieren. Je grer die Vernder-
ung, umso breiter muss der sie tragende Konsens sein.
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NUTZUNGEN HEUTE UND MORGEN
NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
2ELIASKIRCHE, BERLIN, KINDER & JUGEND MUSEUM
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23NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
1. KIRCHEN HUSER FR DIE GEMEINDE
Kirchen, gebaut zum Lobe Gottes, sind dem Gottesdienst und der persnlichen
Andacht gewidmet. Kirchengebude, Kirchenraum und die darin gefeierten Got-
tesdienste unterliegen einer Wechselwirkung. Sie prgen einander und sind
nicht unabhngig voneinander zu denken.
Kirchen und Kirchenrume bergen ein groes Gestaltungspotential in sich.
Dieses reicht vom liebevollen, zeitlich begrenzten Ausschmcken der Kirche bis
zur dauerhaften, knstlerisch und architektonisch qualittvollen Umgestaltung
des Innenraumes. Die meisten Kirchen stehen gleichwohl unter dem besonde-
ren Schutz des Staates; der Denkmalschutz soll auch Kirchen vor leichtfertiger
Vernderung bewahren. In jedem Fall bedarf es groer Sensibilitt im Umgang
mit dem Raum und seiner Ausstattung.
Viele Kirchen sind ein Spiegel lebendiger Gemeindearbeit. Kinderzeichnungen
und manches, was in Familiengottesdiensten Verwendung gefunden hat, zeigen
dies, wenn sie auch ber den aktuellen Anlass hinaus zeitlich begrenzt in der
Kirche bleiben. Auch hier stellt sich die Aufgabe einer bewussten Gestaltung des
Kirchenraums, mit der die Balance zwischen Lebendigkeit und Wrde im Kirchen-
raum gehalten werden kann. Ein schlichter Kirchenraum kann leicht berdeckt
werden von einem Zuviel an Gestaltung und Ausschmckung. Das beschdigt
nicht nur die Wirkung des Raumes, sondern beeintrchtigt auch seine Aufgabe,
in der Stille in die Begegnung mit Gott zu fhren.
Wird in einer Gemeinde die dauerhafte Um- oder Neugestaltung bzw. die Re-
konstruktion einer ehemaligen Gestaltung des Kirchenraumes gewnscht, so
mssen dafr die Beratungen durch das Kirchliche Bauamt und den Kunstbeauf-
tragten der EKBO in Anspruch genommen werden. Das betrifft auch Ergn-
zungen, wie etwa durch neues Altargert, Fenstergestaltungen oder Bilder. In
der Beratung knnen erfahrene Fachleute zur Planung und Umsetzung der an-
gestrebten Aufgabe vermittelt werden.
ABBILDUNGEN AUF DEN SEITEN 20 UND 21
ELIASKIRCHE, BERLIN
KINDER & JUGEND MUSEUM
IM PRENZLAUER BERG
Im Kinder- und Jugend Museum wird ge-
forscht, gedacht und erkundet. Dort verbin-
den sich Spielen und Lernen, und die Kinder
erfahren, dass eigenstndiges Denken und
Handeln zu berraschenden und guten Er-
gebnissen fhren. Der Entwurf fr den In-
nenausbau der umgenutzten Kirche trgt
diesem Programm Rechnung, indem er eine
Struktur vorhlt, die offen ist fr unter-
schiedlichste Beanspruchungen und Be-
drfnisse. Darberhinaus bernimmt er die
Aufgabe, zwischen neuer Nutzung und
denkmalgeschtztem Kirchenraum zu ver-
mitteln, indem er auf die berkommenen
besonderen rumlichen Situationen eingeht,
diese in ihrer Bedeutung respektiert und
verstrkt und sie fr den Benutzer auf eine
innovative Art erlebbar macht. So bleibt die
Kirche in ihrer Substanz erlebbar und erfhrt
allein durch die Bespielung der Kinder eine
neue lebendige Bedeutung.
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24 25NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
Bei der Suche nach erweiterten Nutzungsmglichkeiten ist es wnschenswert,
den Kirchenraum in seiner widmungsgemen Nutzung als Gottesdienstraum zu
strken. Hier sei an die Mglichkeit erinnert, Gottesdienste anlsslich einer
Bestattung in der Kirche stattfi nden zu lassen. Der Aufbahrung in einer Kirche
stehen keinerlei rechtliche Regelungen entgegen. In der Ordnung des kirchlichen
Lebens, Artikel 65, heit es: Die kirchliche Bestattung ist eine gottesdienstliche
Handlung, bei der die Gemeinde ihre verstorbenen Glieder zur letzten Ruhe
begleitet. In der Ordnung fr die kirchliche Bestattung (Agende) ist ergnzend
dazu ausgefhrt: Soweit die rtlichen Gegebenheiten dies zulassen und keine
sonstigen Bedenken bestehen, kann die Trauerfeier mit Sarg oder Urne auch im
Sterbehaus oder in einer geeigneten Kirche abgehalten werden. Ein Benutzungs-
zwang fr Friedhofskapellen/Trauerhallen oder von gewerblichen Bestattungs-
unternehmen vorgehaltene Feierhallen lsst sich rechtmig in der Regel nicht
begrnden. Zu bedenken ist hierbei jedoch, dass fr die Kirchennutzung aus
diesem Anlass keine Gebhren erhoben werden. Es knnen lediglich nach vorhe-
riger Vereinbarung tatschlich entstandene Kosten erstattet werden. Das
Friedhofs gesetz sieht den Trauergottesdienst in der Kirche nicht als Regelfall an.
In 26 Abs. 1 heit es, dass die Verpfl ichtung zur Benutzung der Friedhofskapel-
le dann entfllt, wenn aus besonderen Grnden ein Trauergottesdienst in einer
Kirche stattgefunden hat.
Auch andere, nichtgottesdienstliche Bereiche kirchengemeindlicher Arbeit las-
sen sich in der Kirche ansiedeln, sofern entsprechende rumliche Bedingungen
vorhanden sind oder geschaffen werden knnen. Im Zuge einer vorausschauen-
den Gebudeplanung und der Notwendigkeit zunehmender Konzentration fi nan-
zieller Mittel kann eine erweiterte gemeindliche Nutzung der Kirchen ein wich-
tiger Schritt sein, auch wenn damit zunchst bauliche Vernderungen der Kirche
verbunden sind.
Die typischen Winterkirchen unter Emporen, vor 1989 oft aus Mangel an anderen
Rumen als Tugend aus der Not entstanden, sind in manchen Fllen noch immer
ein inhaltlich tragfhiges Raumstrukturmodell. Nicht erst bei der Umsetzung
baulicher Vernderungen, sondern schon bei den ersten Ideen zu solchen Vorha-
ben ist fachkompetenter Rat vonnten. Die Bercksichtigung der im Kirchlichen
Bauamt dazu vorhandenen Erfahrungen sorgen fr eine gestalterisch und funkti-
onal angemessene Qualitt der Umsetzung. In der Regel wird das Bauamt fr die
Beauftragung eines qualifi zierten Architekten sorgen, dessen bisherige Leistun-
gen ihn fr die Aufgabe empfehlen. Kostengnstiges, aber dennoch qualitativ
hochwertiges Bauen ist auf diesem Weg ebenfalls eher zu erzielen, wie auch
gute Voraussetzungen fr niedrige laufende Unterhaltungs- und Betriebskosten.
Von zunehmender Bedeutung ist die Eigenwerbung der Kirchengemeinde, die
traditionell den Schaukasten und meist auch ein gedrucktes Gemeindeblatt
umfasst. Aufmerksame Beobachter fi nden fr beides gut gestaltete, einladende,
aber auch misslungene Beispiele. Ein geistliches Wort, Aktualitt, gute Lesbar-
keit und Informationen ber Kontaktmglichkeiten sollten fr jeden Schaukasten
selbstverstndlich sein. Erfahrung ist gefragt, wenn groe Plakate, Banner oder
andere optische Hinweise als Eigenwerbung an der Kirche oder in ihrer Nhe
angebracht werden sollen, damit sich das Gebude und die Werbung in ihrer
Wirkung nicht gegenseitig behindern. Konkrete Hinweise fr den Umgang mit
Schriften, Farben und dem Signet unserer Kirche fi nden sich in den Gestaltungs-
richtlinien zum Erscheinungsbild der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-
schlesische Oberlausitz.
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26 27NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
2. KIRCHEN OFFENE HUSER FR ANDERE
Es ist der Auftrag der Kirche, die Botschaft von der freien Gnade Gottes an alle
Menschen weiterzusagen. Darum ist die Kirche offen und einladend fr andere.
Diese Offenheit realisiert sich in einem weiten Spektrum von Mglichkeiten der
Kirchennutzung. Die Gemeinde selbst ldt ein zu Gottesdiensten, Konzerten und
vielem mehr und sie gewhrt als Gastgeberin anderen Raum. Weite und Offenheit
fi nden ihre Grenze da, wo der Botschaft direkt oder indirekt widersprochen wird.
Nutzer einer Kirche sind willkommene Gste, die gleichwohl bestimmten Regeln
unterliegen. Die Verantwortung fr das, was in einer Kirche geschieht, liegt beim
Gemeindekirchenrat. Dies gilt auch dann, wenn andere mit der Raumvergabe
beauftragt werden. Die letzte Verantwortung des Gemeindekirchenrates lsst
sich nicht delegieren, weil auch private Nutzungen von Kirchen ffentlich wahrge-
nommen und dem Handeln der Kirche zugerechnet werden.
a. Gesellschaftsdiakonische Nutzungen
Die Weltoffenheit der evangelischen Kirche schliet den Dienst an der Welt ein.
Konkret wird dies in der Zuwendung zu Menschen, die Rat und Hilfe brauchen
oder Interesse zeigen. Viele gesellschaftsdiakonische Angebote lassen sich in
Kirchen ansiedeln oder haben dort ihren natrlichen Ort.
Institutionalisierte kirchliche Beratung ist bei entsprechenden rumlichen Vor-
aussetzungen gut in einer Kirche anzubieten. Hufi g fllt es Menschen schwer,
Kontakt zur Kirchengemeinde aufzunehmen, obwohl sie ihn wnschen. Offene
Gesprchsangebote in viel besuchten Kirchen oder ein Caf in der Kirche, das von
gesprchs- und auskunftsfhigen Ehrenamtlichen betreut wird, kann Schwellen-
ngste berwinden helfen.
Wo Christen um Hilfe fr gefhrdete Menschen gebeten werden, haben sie das
Recht und die Pfl icht, auf der Grundlage mglichst sorgfltiger Information
zugunsten der Betroffenen zu intervenieren. Dies kann durch gottesdienstliche
Frbitte, ffentliche Frsprache, Vermittlung von Rechtsschutz, seelsorgerliche
und materielle Untersttzung oder durch das Gewhren von Obdach geschehen.
Gemeinden knnen in besonderen Notsituationen Zufl ucht gewhren (Kirchen-
asyl). Das Motiv fr solche Beistandsleistung ist, fr die Menschenrechte der
Betroffenen aus christlicher Verantwortung einzutreten. Der Beistand wendet
sich nicht gegen die staatliche Rechtsordnung und ist als solcher auch nicht
rechtswidrig. In den evangelischen Rechtsordnungen gibt es kein formales Recht
auf Kirchenasyl, wohl aber die Aufgabe des Dazwischentretens (Interzession),
wenn Menschenwrde und Menschenrechte bedroht sind. In solchen Fllen
kann es gerechtfertigt und geboten sein, Manahmen auch gegen den Willen
staatlicher Stellen zu ergreifen, um Menschen zu schtzen. Dabei mssen Chris-
ten, Gemeinden und die Kirche insgesamt das Risiko staatlicher Sanktionen
beachten und verantworten.
Einen anderen Blick auf Kirchengebude hat die Kirchenpdagogik. Sie sieht
Kirchengebude als Lernorte. Dabei geht es ihr sowohl darum, die Botschaften,
die eine Kirche enthlt, zu entschlsseln und zu vermitteln als auch darum, den
Teilnehmenden die Rume als Orte der Vergewisserung und Ermutigung fr sich
selbst zu erschlieen. In der Unterscheidung zu rein heimatkundlichen oder
baukundlichen Fhrungen gilt als kirchenpdagogisches Motto: Steine erzhlen
vom Glauben.
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28 29NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
Im Zusammenhang besonderer Anlsse wie Dorfjubilen, Goldene Konfi rmation,
Tag des offenen Denkmals, Nacht der Kirchen usw. bieten sich fr eine Ortsge-
meinde zahlreiche Mglichkeiten, kirchenpdagogische Angebote zu machen,
die die Kirchengebude nicht nur ffnen, sondern Christen und Nichtchristen
auch kulturelle und religise Bildung ermglichen, die wiederum zu missiona-
rischen Impulsen werden knnen.
In mehreren Grostdten sind in den vergangenen Jahren Citykirchen ausgewie-
sen worden. Diese meist tglich geffneten Sakralgebude liegen im urbanen
Kerngebiet der Stadt oder in einem unmittelbaren Bezug zu diesem. Die Citykir-
chen machen ganzjhrig Angebote, die sich in kumenischer Weite an Einzelne
und Gruppen unabhngig von deren religisen und sozialen Voraussetzungen
wenden. Gottesdienste und Andachten in unterschiedlichen Formen, Fhrungen
zur Entdeckung des Raum- und des Bildprogramms, Stille und Seelsorge gehren
ebenso zum Konzept vieler Citykirchen wie kirchenmusikalische und kulturelle
Angebote und nicht zuletzt auch bewusste Grenzberschreitungen in sthe-
tischer, religiser und sozialer Hinsicht.
b. Kulturelle Nutzungen
Die meisten Kirchen sind selbst Kunstwerke. Ihre Gestalt, ihr Raumschmuck und
ihre Ausstattung sind vielfach Anknpfungspunkt fr kulturhistorische und
touristische Aktivitten, die nicht von der Kirchengemeinde, sondern aus
interessierten Fachkreisen kommen. Auch kleine Dorfkirchengemeinden sollten
derartige Aktivitten nach Krften frdern. Kirchenferne Besucher, die auf
diesem Weg in das Gebude fi nden, fragen zunehmend auch nach den ideellen
Inhalten, nach dem Warum eine Mglichkeit, kirchliches Wirken durch das
Bauwerk missionarisch werden zu lassen.
Bildende Knstler, die dem christlichen Glauben nahestehen oder sich mit ihm
auseinandersetzen, knnen und sollen die Mglichkeit erhalten, ihr Werk in Kir-
chen auszustellen. Auch kann damit die individuelle Beschftigung des Ausstel-
lungsbesuchers mit seinem persnlichen Glauben oder seiner Frage nach Glau-
bensgrundlagen angeregt werden. Das innerkirchliche und das gesellschaftliche
Gesprch ber den Weg der Kirche kann oftmals durch die Impulse von Kunstaus-
stellungen in Kirchen leichter angeregt werden, als es an anderen Orten gelingt.
Sofern die Knstler dabei den Kirchenraum und seine Gestalt und Ausstattung
einbeziehen und Gesprche ber ihr Werk, die Kirche und ber weiter fhrende
Zusammenhnge anregen oder sich dazu anregen lassen, kann der Dialog der
Kirche und der Gemeinde mit den Knsten fr beide Seiten gewinnbringend sein.
Musik ist seit der Frhzeit des Christentums Bestandteil des Gottesdienstes. Sie
ist uerung christlichen Glaubens und dient der Ausbreitung des Evangeliums
und der Strkung, Erbauung und Ermahnung der Glaubenden. Diese Aufgaben
sind nicht auf gottesdienstliche Musik beschrnkt, sondern umgreifen seit dem
18. Jahr hundert auch Konzerte in Kirchen. Musikalische auch durch nichtkirch-
liche Veranstalter verantwortete Darbietungen stehen in dieser Tradition,
wenn sie auf die genannten Anliegen hin bezogen sind. Dabei ist es wnschens-
wert, wenn durch einfhrende Hinweise dieser Bezug der Auffhrung auf den
christlichen Glauben deutlich gemacht wird. Hinweise auf den Kirchenraum und
seine Ausstattung knnen das Verstndnis und das Erleben einer Auffhrung
vertiefen. Auch weltliche musikalische Werke knnen in einem Kirchenraum auf-
gefhrt werden, wenn sie dem christlichen Glauben nicht widersprechen. Mitun-
ter fordert weltliche Musik zu einem Dialog mit christlichen Vorstellungen her-
aus. Er kann durch einfhrende Texte und Begleitveranstaltungen angeregt und
vertieft werden. Die fr knstlerische Auffhrungen ntigen Umgestaltungen
der Kirche mssen von einem sensiblen Umgang mit den Besonderheiten des
jeweiligen Raumes und seiner zentralen Symbolik geleitet sein.
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30 31NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
Auch darstellende Kunst wie Theater, Laienspiel und Tanz hat seit Jahrhunderten
ihren Ort in der Kirche. Hier kann es zu einem anregenden Aufeinandertreffen
von knstlerischer Darbietung, Kirchenraum und geistlichem Inhalt kommen.
Alle genannten Knste knnen das Ihre dazu tun, den Reichtum unseres Glau-
bens, der alle Sinne einschliet, erlebbar zu machen.
Die Nutzung von Kirchen fr die Werke bildender und darstellender Kunst und
Musik hat auch Grenzen. Sie sind da zu ziehen, wo die Ideen und Inhalte der
Kunst oder die vom Knstler provozierte oder in Kauf genommene Reaktion des
Publikums nicht mehr mit der gewollten Auseinandersetzung der Kunst mit
Kirche, Gesellschaft oder Einzelnen erklrt werden knnen. Das ist vor allem
auch dann gegeben, wenn ein Kunstwerk die Substanz des christlichen Glaubens
anzugreifen droht. Fr die Moderation eines Konfl ikts, der wegen einer solchen
Anstigkeit der Kunst zwischen den Veranstaltern und den Betrachtern aus-
brechen kann, sowie dafr, gegebenenfalls die Beendigung der entsprechenden
Kunstprsentation zu betreiben, stehen der Beauftragte fr Kunstfragen, der
Landeskirchenmusikdirektor und das Konsistorium zur Verfgung. Solche knst-
lerischen Ausdrucksformen, die sich bewusst gegen die christliche Kirche und
ihre Glaubensinhalte wenden oder sich in offene Konkurrenz dazu begeben,
drfen keinesfalls in Kirchen prsentiert werden. Sofern auf derartige Prsenta-
tionen verzichtet wird, muss der Verzicht auch ffentlich begrndbar sein.
c. Andere ffentliche Nutzungen
Kirchen knnen auch ber den Widmungszweck hinaus ffentlich genutzt werden.
Veranstaltungen von Kommunen, Landkreisen und Bezirken sowie von Trgern
ffentlicher Interessen drfen in Kirchen stattfi nden. Mglich sind auch Veran-
staltungen gemeinntziger und brgerschaftlich engagierter Gruppen, Vereine
und Initiativen (vgl. Kapitel 4, Anhang, B). Eine inhaltliche Grenzziehung muss da
vorgenommen werden, wo es nicht mehr um einen auf Verstndigung gerichte-
ten Diskurs geht, sondern wo Ausgrenzungstendenzen den gesellschaftlichen
Frieden gefhrden.
Besonders zu bedenken ist die ffnung von Kirchen fr Veranstaltungen poli-
tischer Parteien und ihrer Stiftungen und Untergruppierungen. Unbestritten
dient das Engagement der demokratischen Parteien dem Gemeinwesen und ist
unverzichtbar fr die politische Willensbildung in der Gesellschaft. Insofern ist
ein grundstzlicher Ausschluss von der Nutzung kirchlicher Gebude fr Veran-
staltungen von Parteien schwer begrndbar, sofern sie die fr alle Nutzer gelten-
den Kriterien erfllen. Fr Kirchengemeinden muss jedoch der Grundsatz der
parteipolitischen Neutralitt strikt eingehalten werden. Von daher drfen Kirchen
in Zeiten eines Wahlkampfes auf keinen Fall einzelnen Parteien zur Nutzung
berlassen werden. Davon zu unterscheiden sind Veranstaltungen, zu denen
eine Kirchengemeinde Vertreter verschiedener Parteien einldt, um ihr Pro-
gramm zu erlutern.
d. Notwendige Abgrenzungen
Ein besonderes Problem der Kirchennutzung stellen die weltlichen lebensbeglei-
tenden Feiern dar. Sie werden in Konkurrenz zu einem bestehenden kirchlichen
Angebot von nichtkirchlicher Seite angeboten. Die Nhe zwischen weltlichen
und kirchlichen Feiern anlsslich von Bestattungen, Eheschlieungen und Ju-
gendfeiern ist so gro, dass die Gefahr der Verwechselbarkeit nahe liegt. Grund-
stzlich sind daher solche Feiern in einer Kirche nicht zulssig. Dennoch ist zu
differenzieren.
In manchen lndlichen Kirchengemeinden fi nden alle, also auch die weltlichen
Trauerfeiern in der Kirche statt, weil eine Friedhofskapelle nicht zur Verfgung
steht. Hier spiegelt sich noch volkskirchliche Sitte, die Kirche fr alle Bestattun-
gen zu nutzen. Mancherorts wurde der Brauch auch mangels Alternative
beibehalten, jedoch inhaltlich nicht mehr gefllt. Die Kirche wird zum bloen
Gebude, in dem nun auch weltliche Bestattungen stattfi nden. Eine Verweige-
rung der Kirchennutzung wrde bedeuten, Menschen, die in einem Ort verwur-
zelt sind, dort gelebt haben und gestorben sind, eine Trauerfeier auerhalb ihres
Lebenskreises zuzumuten. Von daher sollte es um der Menschen willen mglich
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32 33NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
sein, die Kirche fr weltliche Trauerfeiern zu ffnen. Sobald jedoch eine Alterna-
tive im Ort vorhanden ist, kann aus einem eventuell bisher gebten Gewohn-
heitsrecht zur Kirchennutzung kein Anspruch abgeleitet werden, die Kirche wei-
terhin fr diese Zwecke zu nutzen.
Sofern es unter diesen Magaben zu weltlichen Trauerfeiern in Kirchen kommt,
ist unbedingt darauf zu achten, dass die Ordnung des Raumes und die Zeichen
des christlichen Bekenntnisses nicht verndert oder verdeckt bzw. entfernt wer-
den. Sofern diese Vorgaben durch den Nutzer nicht akzeptiert werden, darf ihm
die Kirche nicht berlassen werden. Problematisch bleibt, dass die ffnung einer
Kirche fr weltliche Trauerfeiern unter den genannten Umstnden eine Einfl uss-
nahme auf die einzelne Trauerfeier praktisch unmglich macht. Vermutlich wird
seitens der Kirchengemeinde in den meisten Fllen nicht einmal wahrgenom-
men, was tatschlich in einer solchen Trauerfeier geschieht. Die Kirchengemein-
de hat gleichwohl das Recht, an jeder Veranstaltung in ihrer Kirche, also auch an
weltlichen Trauerfeiern, teilzunehmen und sollte dies auch nutzen. Bestattungs-
rednern, von denen bekannt ist, dass sie sich in Ansprachen bereits antikirchlich
geuert haben, muss der Zutritt verwehrt werden.
Standesamtliche Eheschlieungen drfen in gewidmeten Kirchen nicht stattfi n-
den. Es gibt allerdings Beispiele fr entwidmete Kirchen, die nach ihrer Entwid-
mung fr standesamtliche Eheschlieungen genutzt werden. Wenn der Eigen-
tumswechsel ohne Bedingungen erfolgt ist, wird dies nicht nachtrglich zu ndern
sein. Umso mehr ist darauf zu achten, dass bereits bei den Verhandlungen ber
die Veruerung einer Kirche dem Erwerber bestimmte Aufl agen hinsichtlich der
von ihm vorgesehenen Nutzungen gemacht werden. Sofern etwa eine Kommune
eine Kirche nur zu dem Zweck erwerben will, um darin ffentlich-rechtlich wirk-
same Handlungen wie Eheschlieungen durchzufhren oder dass der Erwerb von
einer solchen Nutzung abhngt, ist von dem Verkauf Abstand zu nehmen.
Veranstaltungen, die dem offenen Dialog mit anderen Religionen dienen, knnen
in Kirchen stattfi nden, sofern Vertreter der eigenen Kirche beteiligt sind. Bei der
berlassung von Kirchen fr Gottesdienste anderer christlicher Bekenntnisse
und Gemeinschaften ist unbedingt auf die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemein-
schaft christlicher Kirchen (AcK) zu achten.
Sofern andere Religionen oder Weltanschauungsgruppierungen sich auerhalb
dieses Dialogs selbst prsentieren wollen, drfen deren Veranstaltungen nicht in
Kirchen stattfi nden. Kirchen sind ffentlich, aber niemals neutral. Unter dem
Symbol des Kreuzes kann nicht fr andere Lebensentwrfe geworben werden.
Weil die Grenzen zwischen kultureller und religis werbender Veranstaltung im
Einzelfall durchaus fl ieend sind, drfen bei begrndeten Zweifeln keine Vertr-
ge zur berlassung der Kirche geschlossen werden. Es geht dabei nicht nur um
die einzelne Veranstaltung, sondern um eine Prfung des Anbieters.
3. KIRCHEN NUTZUNGEN FR GELD?
Unter bestimmten Voraussetzungen knnen in Kirchen Nutzungen stattfi nden,
die weltlichen Charakter haben und bei denen Einknfte erzielt werden. Zu-
nchst stehen derartige Zwecke grundstzlich unter dem Vorbehalt, dass sie
dazu dienen, Einnahmen fr die Erhaltung des Kirchengebudes zu erwirtschaf-
ten, die damit den eigentlichen Zweck des Gebudes absichern helfen. Einsei-
tiges gewerbliches Gewinnstreben, das die dem Kirchengebude innewoh-
nenden Qualitten allein zum Vorteil des weltlichen Nutzers verwendet, ist
ausgeschlossen. Gewerbliche Nutzungen sind durch vertragliche Regelungen als
Mittel zum Zweck der Erhaltung der Kirche gegen regelmige und angemes-
sene Mietzahlungen, Nutzungsentgelte oder Beteiligungen festzulegen. ber
den Inhalt der Vertrge bert das Konsistorium, bei dem zur Wirksamkeit nach
Abschluss die kirchenaufsichtliche Genehmigung beantragt werden muss.
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34 35NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
Die dabei abzuschlieenden Nutzungs-, Miet- oder sonstigen berlassungsver-
trge haben die gottesdienstliche Widmung des Gebudes und den Vorrang
kirchlicher Nutzungen im gebotenen Rahmen und in Abstimmung mit dem
gewerblichen Nutzer unmiverstndlich zu erklren. Ebenso wichtig sind Regel-
ungen, die die stndige und uneingeschrnkte materielle und ideelle Unversehrt-
heit der christlichen Symbole an und in der Kirche betreffen. Gewerbliche
Werbung, die dem entgegensteht, selbst wenn sie lediglich in den Medien mit
dem Gebude wirbt, ist deshalb generell unvereinbar.
Bestimmte Sponsoren beteiligen sich an der Finanzierung von Baumanahmen
an Kirchen, indem sie ihre Unternehmenswerbung an der Kirche anbringen oder
mit dem Gebude werben wollen. Derartige Vorhaben, mit denen ein Sponsor auf
sein Engagement zugunsten der Erhaltung der Kirche aufmerksam macht, knnen
ausschlaggebend fr die Realisierung von Baumanahmen sein. Sofern sie dem
Grundsatz der materiellen und ideellen Unversehrtheit der christlichen Symbole
an und in der Kirche entsprechen, sind solche Vorhaben denkbar. Dabei sollen in
der Regel nur diejenigen Gerstfl chen fr die Werbung in Anspruch genommen
werden, die fr die Durchfhrung der Baumanahmen aufgestellt werden.
Gelegentlich bieten Werbeunternehmen an, die Baustelleneinrichtungen an Kir-
chen auch fr die Produktwerbung zu vermarkten, um die Baumanahmen im
Gegenzug mit ihren Werbeeinnahmen zu fi nanzieren. Dabei gilt der Grundsatz
der Unversehrtheit der christlichen Symbole an und in der Kirche auch fr jedes
Produkt, fr das an oder mit dem Gebude geworben wird. Die entsprechenden
Vertrge mssen ein Einspruchsrecht der Kirchengemeinde fr jeden Einzelfall
von Produktwerbung enthalten im Idealfall, ohne dass der Werbeunternehmer
dadurch seine Leistungen mindert.
Vorrang unter gewerblichen oder anderweitigen Nutzungen von Kirchen, bei de-
nen Einknfte erzielt werden, haben solche, die dem Charakter der Kirche als
ffentlichem Bauwerk entsprechen. Dabei kommt allen Nutzungen, die dem
Wohle des Menschen gewidmet sind, besondere Bedeutung zu, wie z. B. Leistun-
gen des Gesundheitswesens und der Therapie, der Aus- und Fortbildung, der
profes sionellen Beratung in unterschiedlichsten Bereichen des privaten und des
Berufslebens und in der Moderation ffentlicher oder gemeinwesenhafter Anlie-
gen, wie etwa bei der professionellen fachlichen Untersttzung brgerschaft-
lichen Engagements, z.B. in der Bauleitplanung.
Rechtliche Probleme knnen auftreten, wenn fr nichtkirchliche Veranstaltun-
gen in Kirchen solche staatlichen Rechtsnormen zur Anwendung kommen, in
denen Ausnahmeregelungen fr kirchliche Nutzungen getroffen oder die grund-
stzlich fr bestimmte Nutzungen anzuwenden sind, ganz gleich, wo diese
durchgefhrt werden. So wird an erster Stelle die Versammlungsstttenverord-
nung wirksam, deren Regelungen vor allem den Schutz der sich versammelnden
Menschen vor Schaden betreffen. Aus ihrer Anwendung folgen mglicherweise
bauliche Aufl agen, die zu erheblichen Belastungen des Nutzers und zu unange-
messenen Vernderungen der Kirche fhren wrden. Auerdem sollten die steu-
errechtlichen Fragen, die sich aus den in und mit der Kirche erzielten Einnahmen
ergeben, vorrangig durch den Nutzer geklrt werden, der die Einnahmen erzie-
len will. Die Kirchengemeinde sollte aber ihrer Verantwortung entsprechend
selbst auch steuerrechtlichen Sachverstand hinzuziehen.
4. KIRCHEN GETEILTE VERANTWORTUNG
Die meisten der fr eine gewerbliche Nutzung wichtigen Grundstze gelten auch
fr Vereinbarungen zwischen den Kirchengemeinden und anderen Trgern, die
sich, ohne gewerbliche Ziele zu verfolgen, der Erhaltung und Nutzung des jeweil-
igen Kirchengebudes widmen, dafr Geld zur Verfgung stellen oder einwerben
und sich an der auergottesdienstlichen Nutzung beteiligen.
Die klassischen Trger, die sich auf diese Weise mit den Kirchengemeinden ver-
binden, sind Frdervereine, Kommunen und Institutionen des Bildungswesens
oder der Kultur, etwa Orchester, Theater, Kulturvereine, Literaturzirkel; aber
auch: berregionale Initiativen der Kulturfrderung, die an einer wiederkeh-
renden Nutzung, etwa fr Konzerte und Lesungen, interessiert sind.
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36 37NUTZUNG HEUTE UND MORGEN
hnlich den Vertrgen ber gewerbliche Nutzungen, bei denen in der Regel kon-
krete Nutzungsentgelte vereinbart werden, sind ber gemeinsame Trgerschaften
ebenfalls verbindliche Vereinbarungen schriftlich abzuschlieen. Fr die materielle
Leistung der mittragenden Institution wird als Gegenleistung der Kirchen gemeinde
zumeist eine Mitnutzung der Kirche durch den Mittrger vereinbart.
Die materielle Leistung kann von der tatkrftigen Hilfe bei der baulichen Siche-
rung und bei der Renovierung der Kirche, ber die Bereitstellung von Material,
aber vor allem von Spenden und anderen Eigenmitteln, bis hin zur Einwerbung
von Frdermitteln, die der Kirchengemeinde nicht offenstehen, und zur ber-
nahme von Brgschaften bei fremdfi nanzierten Investitionen gehen.
Die Gegenleistung kann bereits darin bestehen, dass ein Zusammenschluss von
Menschen, zu deren Umfeld das Kirchengebude gehrt, ohne dass sie not wen-
diger weise der Kirche angehren, dazu beitrgt, dass dieser fr sie wichtige
Faktor ihrer Identitt erhalten bleibt; ihr Lohn besteht bereits in diesem Erfolg.
In der Regel besteht aber ein Interesse an der Mitnutzung der Kirche; ein grund-
stzlich begrenswertes Anliegen, da die meisten evangelischen Kirchen wh-
rend der Woche meist geschlossen sind oder, sofern in ihnen neben dem Gottes-
dienst kirchengemeindliches Leben stattfi ndet, oft durchaus brachliegende Zeit-
und Raumanteile aktiviert werden knnten. Neben dem Prinzip der Leistung und
Gegenleistung ist damit die Chance verbunden, die Kirche auch auerhalb der
Zeiten, in denen die Kirchengemeinde sie nutzt, fr eine erweiterte ffentlich-
keit zu ffnen und ihr damit den zuvor beschriebenen Rang wieder einrumen,
den sie ber die kirchliche Nutzung hinaus fr das Gemeinwesen jahrhunderte-
lang besa.
Auch die Art und der Umfang der Gegenleistung, sofern sie in einer regelm-
igen Nutzung der Kirche besteht, bedrfen der vertraglichen Regelung. Dabei
ist der Vorrang der kirchlichen Nutzung, vor allem derjenigen des Gottesdiens-
tes, besonders wichtig. Empfehlenswerte Regelungen, etwa fr langfristige Pl-
ne der Vergabe, fr die Weitergabe der Nutzung an Dritte, ber die notwendigen
Versicherungen und Haftungen enthalten Mustervertrge, ber die das Konsis-
torium verhandelt und beraten hat und auf deren Grundlage die erforderliche
kirchenaufsichtliche Genehmigung erreicht werden kann.
Fr Werbung durch Mittrger und Mitnutzer gelten dieselben Regeln, wie fr die
Kirchengemeinden selbst und fr Sponsoren (vgl. Kapitel 2.1. und 2.3.). Werbung
an, in oder mit der Kirche durch Mitnutzer bedarf grundstzlich der besonderen
Zustimmung durch die Kirchengemeinde, sie ist nicht selbstverstndlicher
Bestandteil einer Mitnutzung.
Eines haben derartige Mischtrgerschaften fr Kirchen stets gemeinsam: die
zumeist grundbuchlich verbrieften und unbelasteten Eigentumsrechte, sowie
alle Befugnisse und Pfl ichten als Bauherr, der an seinem Eigentum Bauleistungen
planen lt, ihnen zustimmt, sie fi nanziert und schlielich ausfhren lt, kann
und darf die Kirchengemeinde nicht an einen an Baulast und Nutzung beteiligten
Mittrger abtreten.
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WENN DIE KIRCHENGEBUDE ZUR BELASTUNG WERDEN
AUSSERKIRCHLICHE HILFE ODER ENTWIDMUNG
3KIRCHE JACOBSHAGEN, UCKERMARK
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41AUSSERKIRCHLICHE HILFE ODER ENTWIDMUNG
1. MATERIELLE UNTERSTTZUNG
Als Bauunterhaltung an Kirchen in Brandenburg und dem Ostteil Berlins konnten
vor 1990 meistens nur Notreparaturen mit Eigenleistung durchgefhrt werden.
Ausnahmen waren wenige groe Manahmen, die staatlich gefrdert waren. Die
materielle Situation der Kirchengemeinden, dazu die staatliche Bewirtschaftung
von Baumaterial und von Facharbeitskraft verhinderte ber fnf Jahrzehnte die
meisten erforderlichen greren Manahmen zur Sicherung, Sanierung oder
Renovierung von Kirchen. Mit dem daraus entstandenen Stau unerledigter Bau-
unterhaltung 1992 mit geschtzten 1,5 Mrd. DM waren und sind die Kirchen-
gemeinden bei weitem berfordert. Sie sind es aber immer hufi ger auch schon
mit der laufenden Unterhaltung grerer, bereits instandgesetzter Kirchen,
selbst wenn sich der Kirchenkreis und die Landeskirche zum Bedarf an der Kir-
che und zu ihrem Fortbestand bekennen und fi nanzielle Hilfe leisten.
Immerhin ist es durch das gemeinsame Engagement von Kirchengemeinden,
Kirchenkreisen, Landeskirche, ffentlicher Hand und Stiftungen und mit vielen
Spenden gelungen, den fr die fast 2000 Kirchengebude in unserer Landes-
kirche genannten Nachholbedarf in den vergangenen 13 Jahren um etwa ein
Drittel zu verringern. Seit wenigen Jahren ist allerdings deutlich, dass die inner-
kirchlichen Ressourcen erschpft sind. Selbst die erforderlichen Eigenmittel-
anteile fr Frderprogramme knnen vielfach nicht mehr aufgebracht werden.
Auerkirchliche Frderungen werden immer wichtiger. Bis 2003 gab es das bis-
her grte staatliche Frderinstrument, das Bundesprogramm Dach und Fach.
Bedauerlicherweise ist dieser bis dahin fr zehn Jahre effektivste Teil ffent-
licher Frderung ersatzlos eingestellt worden. Andere staatliche Zuwendungen
gehen entsprechend den Landeshaushalten ebenfalls zurck. In dieser Situation
ist es beraus dankenswert, dass die Kirchengebude, fr deren Erhaltung staat-
liche Frderung beantragt wird, noch immer einen groen Anteil unter den f-
fentlich gefrderten Bau- und Kunstdenkmalen haben. Neben der fortlaufenden
Inanspruchnahme dieser Frderung ist das gesamtgesellschaftliche Bewusst-
sein ntig, um das Grundverstndnis wach zu halten, das dieses noch immer
ABBILDUNGEN AUF DEN SEITEN 38 UND 39
KIRCHE JACOBSHAGEN, UCKERMARK
SANIERUNG VON TURM UND KIRCHENSCHIFF
FFENTLICHE NUTZUNG
Das massive Untergeschoss des Westwerks
der sptmittelalterlichen Dorfkirche trgt
einen mehrfach abgetreppten Fachwerk-
turm mit Glockenstuhl und Laterne. Das
Tragwerk dieses Turmes war einsturz-
gefhrdet unterlassene Bauunterhaltung
hatte zu starken Durchfeuchtungen, zu ge-
lsten Konstruktionen und zu Befall mit
Hausschwamm gefhrt. Schlielich stand
der Turm deutlich erkennbar schief. Ge-
meinsames Engagement der sehr kleinen
Kirchengemeinde, des neben ihr wirkenden
Kultur- und Frdervereins, des Kirchen-
kreises, der Landeskirche, der Denkmalbe-
hrden, denkmalorientierter Stiftungen und
des Landes Brandenburg fhrte zur Finan-
zierbarkeit einer Baumanahme, mit der
dieser Turm gesichert wurde. Der Frder-
verein sorgt zusammen mit der Kirchenge-
meinde fr die Belebung der Kirche, die ne-
ben den Gottesdiensten vor allem in der
ffnung zu Ausstellungen und Konzerten
besteht, die berregionales Interesse ge-
nieen. Weitere Einknfte knnen so einge-
worben werden, um die anstehende Sanie-
rung des Kirchenschiffes voranzubringen.
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42 43AUSSERKIRCHLICHE HILFE ODER ENTWIDMUNG
Bei Trgergemeinschaften, die sich zur Erhaltung von Kirchen zusammenfi nden
und in denen die Kirchengemeinde weiterhin die Verantwortung als Eigentmer,
Bauherr und Betreiber des Gebudes innehat, sind Regelungen darber erforder-
lich, welche Leistungen der jeweilige Trger im Blick auf die Einwerbung, Zweck-
bestimmung und Verwendung, aber auch fr die Abrechnung und die Legung des
Verwendungsnachweises von Frdermitteln hat. Diese Verantwortung kann und
darf sich die Kirchengemeinde keinesfalls abnehmen lassen.
2. ERBBAURECHT ODER VERUSSERUNG
Die Bestellung eines Erbbaurechtes oder die Veruerung eines mit einer Kirche
bebauten Grundstckes ist sicherlich die einschneidendste Vernderung, die
eine Kirchengemeinde bei der Nutzung ihrer Kirche erfahren kann. Die Folgen
sind zwei kontrr zueinander stehende Seiten: Die Kirchengemeinde gibt recht-
lich und tatschlich die Verfgungsbefugnis ber das Gebude und das Grund-
stck bei der Bestellung eines Erbbaurechtes zumindest zeitweise an einen
Dritten ab; im Blick der ffentlichkeit bleibt das Kirchengebude jedoch auch
weiterhin eine Kirche. Dies stellt besondere Anforderungen an die Wahl des
Vertragspartners der Kirchengemeinde. Die Kirchengemeinde selbst sollte sich
zunchst Klarheit darber verschaffen, ob sie selbst zuknftig das Gebude auch
oder zumindest teilweise fr ihre Zwecke nutzen will. Wenn dies der Fall ist,
werden bereits bestimmte Nutzungen des Vertragspartners ausscheiden, da
eine Interessenkollision bei der zuknftigen Nutzung wahrscheinlich ist. Sofern
sich die Kirchengemeinde fr eine teilweise Nutzung entscheidet, empfi ehlt es
sich, diese auf einen Gebudeteil zu beschrnken. Dies hat z.B. Auswirkungen
bei den Zugangsmglichkeiten, der Verkehrssicherungspfl icht der Zugnge, ins-
besondere im Winter, und ganz praktischen Erwgungen wie der Reinigung der
Rume und Toiletten nach einer Veranstaltung. Bei Mischnutzungen bedarf es
einer hohen Bereitschaft der Vertragsparteien zur Einvernehmlichkeit, damit
Auseinandersetzungen langfristig vermieden werden knnen.
hohe Ma an ffentlicher Frderung von Kirchengebuden rechtfertigt: Kirchen
sind Orte und Gegenstnde, die fr das Gemeinwesen und die Gesellschaft un-
verzichtbar sind und zwar sowohl als Kulturdenkmale, als auch als Orientie-
rung fr die kollektive und die individuelle Identitt. Das Wissen um diesen Zu-
sammenhang ist Voraussetzung fr die Mitverantwortung von Staat und
Gesellschaft. An der Prsenz dieses Wissens kann jede Kirchengemeinde und
jeder Kirchennutzer mitwirken.
Ein wesentlicher Beweis fr die Effektivitt dieses Zusammenhangs ist auch der
Staatskirchenvertrag der EKBO mit dem Land Brandenburg, in dem fi nanzielle
Staatsleistungen zugunsten der Erhaltung brandenburgischer Kirchengebude
zugesichert sind. Die Vergabe auf Landesebene geschieht, wie zunehmend bei
allen anderen staatlichen Frderungen auch, in Abstimmung mit dem Konsisto-
rium. Dort ist das Kirchliche Bauamt mit der Aufgabe betraut, die verschiedenen
Frder wege und die Vor- und Nachrangigkeit der anstehenden Bauvorhaben
nach ihrer Notwendigkeit abzuwgen.
Darber hinaus gibt es seit den 1990er Jahren zahlreiche, teilweise groe
Stiftungen, die in Ergnzung von oder ersatzweise fr ffentliche Frderungen
Erhaltungsmanahmen an Kirchen untersttzen. Die Vergabekriterien und die
fr die Verwendung zu beachtenden Haushaltbedingungen sind denjenigen der
ffentlichen Hand hnlich.
Das sogenannte Sponsoring, die oft bedeutende Zuwendung einzelner Frder-
geber fr einen besonders genannten Zweck, gewinnt neben den klassischen
Frderungen durch den Staat und durch Stiftungen aktuell stark an Bedeutung.
Sofern es vor Ort gelingt, entsprechende Sponsoren fr ein kirchliches Bauvor-
haben zu gewinnen, obliegt die Pfl ege dieser sensiblen Verbindung ebenso wie
die Einhaltung von Frdervertrgen dem kirchlichen Bauherrn. Es kann ange-
zeigt sein, gerade fr diese Partnerschaften, die meistens durch persnliches
Engagement gekennzeichnet sind, professionelle Hilfe in der Form eines
Frder ungs- und Sponsorenmanagements einzurichten. Die dafr entstehenden
Kosten, die denjenigen fr eine Projektbetreuung gleichen, werden ber die
Sponsorenmittel bei weitem wieder erwirtschaftet.
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44 45AUSSERKIRCHLICHE HILFE ODER ENTWIDMUNG
Um die Einhaltung der Nutzungseinschrnkungen zu sichern, muss ein Versto
gegen die Einschrnkungen mit einer Sanktion verbunden werden. Dies kann
durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einen Anspruch auf Rckber-
tragung des Grundstckes mit Gebude erfolgen. Welche Sanktion im Einzelfall
angemessen ist, muss unter Bercksichtigung des jeweiligen Partners und im Zu-
sammenwirken mit dem Konsistorium entschieden werden. Eine Pauschalierung
ist aufgrund der differenzierten Umstnde des Einzelfalles nicht angemessen.
3. STILLLEGUNG UND ABBRUCH
Auf den vorbeschriebenen Wegen knnten mglicherweise Mischnutzungen,
gewerbliche Teilnutzungen, Erbbaurechtsvertrge oder Veruerungen von
Kirchen drohen, mit denen dem knftigen Mitnutzer, alleinigen Nutzer oder
Eigentmer ermglicht wird, eine dem kirchlichen Symbolwert des Gebudes
klar widersprechende Nutzung und Gestaltung umzusetzen. Derartig image-
schdigende Folgen durch Nachnutzung sind unbedingt zu vermeiden.
Unter diesen Umstnden sollte unter Inanspruchnahme verfgbarer Frde-
rungen versucht werden, die Kirche stillzulegen. Das bedeutet, dass einerseits
die fi nanzielle Grundlage fr eine Grundsicherung ohne Nutzung bei vielleicht
vernagelten Fenstern und Tren, abgetrenntem Hausanschluss, Sicherungszaun
und jhrlicher Begehung mit optionaler Notsicherung bei substanzgefhrdenden
Schden vorhanden sein muss. Das muss nicht zwangslufi g allein durch die
Kirchengemeinde nachgewiesen werden, wenngleich die Verpfl ichtung zur Si-
cherung zunchst allein bei der Kirchengemeinde liegt. Im Falle eines von dem
Gebude ausgehenden Personen- oder Sachschadens oder bei einer durch den
baulichen Zustand notwendig werdenden Nutzungsbeschrnkung des ffent-
lichen Straenlandes oder von Nachbargrundstcken haftet die Kirchengemein-
de auch dann, wenn ber die Stilllegung der Kirche Einvernehmen herrscht. An-
dererseits muss die Hoffnung bestehen, dass das Kirchengebude langfristig
wieder in Gebrauch genommen werden kann. Zumindest muss ggf. gemeinsam
Kern bei der Bestellung eines Erbbaurechtes ist die bertragung des Kirchen-
gebudes und des Grundstckes an einen Dritten fr eine vertraglich vereinbar-
te Zeitdauer. Der Vertragspartner der Kirchengemeinde ist damit auch fr die
Verkehrssicherung und den Gebudezustand verantwortlich. Bei der Ausgestal-
tung des Erbbaurechtsvertrages ist eine Vielzahl von Konstellationen denkbar
und auch rechtlich zulssig. Insbesondere sind die von beiden Seiten zu erbrin-
genden Leistungen und das Verfahren, das bei Beendigung des Erbbaurechtsver-
trages durch Zeitablauf durchgefhrt werden soll, zu nennen. Daher sollte frh-
zeitig mit dem Konsistorium Kontakt aufgenommen werden, wenn eine
Kirchengemeinde den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages beabsichtigt.
Der Abschluss eines Grundstckskaufvertrages bedeutet die vollstndige Eigen-
tumsbertragung an einen Vertragspartner. Im Gegensatz zur Bestellung eines
Erbbaurechtes, dessen Weiterveruerung der Zustimmung der Kirchengemein-
de bedarf, kann das Eigentum an einem Grundstck in der Regel ohne Zustim-
mung eines Dritten bertragen werden. Damit die Weiterveruerung des Kir-
chengrundstckes nicht ohne Einbeziehung der Kirchengemeinde erfolgen kann,
sollte in den Vertrag ein Vorkaufsrecht fr alle Verkaufsflle zugunsten der
Kirchen gemeinde aufgenommen werden. Die Kirchengemeinde kann dann in je-
dem Weiterverkaufsfall entscheiden, ob sie wieder Bedarf fr das Kirchengebu-
de hat und es selbst nutzen will oder ob sie das Gebude selbst erwirbt, um die
Weiterver uerung an einen Dritten zu verhindern. Allerdings muss die Kirchen-
gemeinde dann das Gebude und das Grundstck in dem Zustand bernehmen,
in dem es sich zum Zeitpunkt des Weiterverkaufes befi ndet. Darber hinaus
muss sie den Kaufpreis entrichten, den der bisherige Vertragspartner geboten
hat und vollstndig in den Weiterverkaufsvertrag eintreten.
In dem Kaufvertrag sind Nutzungsformen zu benennen und auszuschlieen, die
der bisherigen Nutzung des Gebudes als Kirche zuwider laufen. Grundstzlich
handelt es sich dabei um dieselben Nutzungen, die auch fr zeitlich begrenzte
Fremdnutzungen oder Mischnutzungen ausgeschlossen werden mssen (vgl.
Kapitel 4, Anhang).
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46 47AUSSERKIRCHLICHE HILFE ODER ENTWIDMUNG
4. ENTWIDMUNG UND NACHSORGE
Der zuvor beschriebene Widmungsakt, der in einer gottesdienstlichen Handlung
vollzogen wird, muss zu dem Zeitpunkt, zu dem die widmungsgeme Nutzung
einer Kirche aufgegeben wird, durch einen Entwidmungsakt aufgehoben wer-
den. Erst danach darf eine allumfassende Nachnutzung ermglicht werden. Das
betrifft ebenfalls die unbefristete Stilllegung und den Abbruch.
Die Entwidmung von Kirchen ist in der Kirchlichen Bauordnung geregelt. Dort
heit es in 27 Absatz 2, dass fr die Entwidmung einer Kirche im Eigentum einer
Kirchengemeinde zunchst ein Beschluss des Gemeindekirchenrates ber die
Absicht der Entwidmung zu fassen ist. Dieser Beschluss ist der Gemeinde auf
geeignete Weise (z.B. durch Abkndigung im Gottesdienst und durch gemeinde-
ffentlichen Aushang), dem Kreiskirchenrat, der Kirchenleitung und dem Konsis-
torium bekanntzugeben und zu begrnden. Frhestens fnf Monate nach
Bekanntgabe des Beschlusses ist zu einer Gemeindeversammlung mit einer Frist
von zwei Wochen einzuladen, in der die Gemeindeglieder ber die beabsichtigte
Entwidmung anzuhren sind. Dem Kreiskirchenrat, der Kirchenleitung und dem
Konsistorium ist das Ergebnis der Gemeindeversammlung zur Stellungnahme zu-
zuleiten. Der abschlieende Beschluss des Gemeindekirchenrates ber die Ent-
widmung der Kirche erfolgt nach Anhrung der Gemeindeversammlung, des
Kreiskirchenrates, der Kirchenleitung und des Konsistoriums. Er ist dem Konsisto-
rium zur kirchenaufsichtlichen Genehmigung vorzulegen. In Absatz 5 ist festge-
legt, dass die Entwidmung in einer gottesdienstlichen Handlung vollzogen wird.
Auch nach einer Entwidmung muss der Prozess der Nachsorge innerhalb der
Kirchengemeinde und im regionalen und politischen Umfeld nicht nur mit dem
Werben um Verstndnis fr die schwere Entscheidung und mit der Rechtferti-
gung der Handlungsweise fortgesetzt werden. Vielmehr ist eine zukunftswei-
sende innerkirchliche und in der ffentlichkeit wahrnehmbare Verarbeitung
eines derartigen Vorgangs ntig, mit der deutlich wird, dass der Abschied von
einem Kirchengebude nicht gleichzusetzen ist mit dem Rckzug der Kirche aus
ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.
mit den staatlichen Stellen Einvernehmen darber bestehen, dass sein ideeller
oder sein Kunstwert trotz des schlechten Zustandes oder trotz des mangelnden
Bedarfs an der Nutzung der Entscheidung und dem Zugriff knftiger Generati-
onen nicht entzogen werden darf.
Sofern auch das nicht gelingt, ist vor einer imageschdigenden Fremdnutzung,
die durch die Kirchengemeinde, den Kirchenkreis oder die Landeskirche nicht
mehr beeinfl usst oder verhindert werden kann, auch an einen Abbruch des Bau-
werks zu denken. Das Abtragen einer Kirche ist kein Sakrileg. Auch in den
vergangenen Jahrhunderten sind Kirchen abgebrochen worden. Oft entstand an
ihrer Stelle manchmal erst nach langer Zeit eine neue Kirche. Es kann auch
ein Zeichen fr die Vitalitt des Glaubens sein, wenn er Abschied nimmt und
Raum schafft fr andere, bisher ungewohnte Wege.
Die Folgen eines derartigen Schrittes sind weit ber die Sphre der Kirchen-
gemeinde und der Gesamtkirche hinaus in der Gesellschaft wirksam. Ihre Aus-
wirkungen mssen vor der entsprechenden schwerwiegenden Entscheidung
sorgfltig abgewogen und es muss Vorsorge getroffen werden, dass dem auf-
brechenden ffentlichen Protest angemessen begegnet wird. Das geschieht
grundstzlich durch die Landeskirche im Zusammenwirken mit den Mandats-
und Amtstrgern aus Politik und ffentlicher Verwaltung.
Fr diese Flle, aber auch fr alle anderen Entscheidungen ber eine einver-
nehmlich als imageangemessen bewertete Nachnutzung durch einen knftigen
vollverantwortlichen nichtkirchlichen Verfgungsberechtigten, etwa durch Erb-
baurecht oder Veruerung, gilt das nachfolgend beschriebene Verfahren zur
Entwidmung. Jede Kirche, die dauerhaft keinerlei gottesdienstliche Aufgabe
mehr hat, ist diesem Verfahren zu unterziehen.
-
ANHANG
4ST.JACOBI-KIRCHE, NAUEN
-
51ANHANG
A. RANGFOLGE DER NUTZUNGEN VON KIRCHEN
1. Die gottesdienstliche Nutzung geniet Vorrang vor allen anderen Nutzungs-
arten.
2. Kirchen dienen darber hinaus auch den vielfltigen nicht - gottesdienst-
lichen Arbeitsformen der Kirchen ge meinden.
3. Kirchen stehen vielfltigen gesellschaftsdiakonischen und kulturellen Nut-
zungen offen.
4. Vertrgliche, imageangemessene Fremdnutzung neben der gottesdienstlichen
Funktion kann helfen, diese dauerhaft zu erhalten. Das betrifft entgeltliche
Nutzungen ebenso wie Mischnutz ungen in Trgergemeinschaften.
5. Entwidmung und nachfolgende Ver uerung von Kirchen, einschlielich der
Vergabe von Erbbaurechten darf nur dann geschehen, wenn die Nachnut-
zung imageangemessen ist.
6. Entwidmung und nachfolgende Still legung von Kirchen ist zu erwgen, wenn
keinerlei imageangemessene Nachnutzung mglich ist, jedoch Einverneh-
men darber besteht, dass das Bauwerk knftigen Generationen zu erhalten
ist und es dazu die fi nanziellen Voraussetzungen gibt.
7. Entwidmung und nachfolgender Abbruch von Kirchen ist sorgfltig zu beglei-
ten und vor - sowie nachzubereiten, wenn keine der vorgenannten Optionen
greift und die Gefahr einer image schdigenden Nachnutzung oder sogar des
Missbrauchs (der Schndung) des jeweiligen Gebudes droht.
ABBILDUNGEN AUF DEN SEITEN 48 UND 49
ST.JACOBI-KIRCHE, NAUEN
INSTANDSETZUNG UND REKONSTRUKTION,
NEUGESTALTUNG DER EINGANGSHALLE
Die St. Jacobi-Kirche ist ein Backsteinbau
aus dem 13. und 14. Jahrhundert mit einem
Dachtragwerk aus dem 17. Jahrhundert.
Grundbruchgefahr am Schiff und Einsturz-
gefahr des hlzernen Dachtragwerkes des
Turms fhrten zu einer aufwendigen, zu
groen Teilen im Bestand realisierten In-
standsetzungsmanahme. Die abgedeckel-
te, enge, von Bretterverschlgen gesumte
Eingangssituation wurde durch Ausbau der
Zwischen decke und durch Wiedergewin-
nung des Westfensters zur lichten Eingangs-
halle mit Teekche und Sanitranlage aufge-
wertet. Die Steigerung der Nutzungsqualitt
fr die Kirchengemeinde ist augenfllig.
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52 53ANHANG
6. Zeitweise oder raumanteilige Ver miet ungen oder anderweitige Vergabe
gegen Entgelt an die Partner zu 5 und beispielsweise an folgende Nutzer:
Institutionen der Aus- und Fortbildung
Bildende Knstler, Musiker, Chre, Orchester, Musikvereinigungen
Theater, Ballettschulen, Filmschaffende
Arbeits- und Sozialberater
Freie und Heilberufe
Gewerbetreibende folgender Bereiche:
Bildungswesen, Gesundheitswesen, Buchhandel, Galerien
Diese Nutzer haben folgenden Grundstzen zu entsprechen:
Vereinbarkeit mit der allgemeinen Menschenwrde
Vermeidung von einseitig persnlichem Gewinn
Unversehrtheit der christlichen Sy m bole an und in der Kirche
keine politische, religise oder weltanschauliche oder ander weitige
Agi tation oder Manipulation von Besuchern bzw. Klienten und Kunden
keine Prsentation oder Werbung fr Produkte, Ideen oder Geschfte,
die den Zielen der Kirche wider sprechen.
7. Veruerung oder Vergabe eines Erbaurechts an die Partner bzw. Nutzer zu
5 und 6, vorrangig unter der Magabe einer u. U. geringen kirchlichen
Mitnutzungsmglichkeit
B. BEISPIELE FR ANGEMESSENE NUTZUNGEN
1. Kirchengemeindliche Nutzungen (Gemeindekreise, Konfi rmandenunterricht,
Christenlehre, Arbeitsgruppen, Feste usw., aber auch: gemeinsam mit ge-
sellschaftlichen Gruppen, die sich fr das Gemeinwohl engagieren, ein-
schlielich politischer Parteien)
2. bergemeindliche kirchliche Nutzungen (Schwerpunktbildung, z.B. fr
Kirchenmusik, altersbezogene Gruppenarbeit, kreiskirchliche Aufgaben,
diakonische Dienste und ffentlichkeitsarbeit in der Region)
3. Gesellschaftsdiakonische Nutzungen
4. Kulturelle Nutzungen
5. Dauerhafte, vertraglich geregelte Partnerschaft mit beispielsweise folgen-
den Partnern in Trgergemeinschaften:
Christliche Kirchen, die der AcK angehren und jdische Gemeinden
Frderverein zur Erhaltung und Nutzung der Kirche
Kommunale Verwaltungen oder Einrichtungen
Gemeinntzige Einrichtungen oder Vereine der Region
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54 55ANHANG
8. Nutzungen, die der Gewaltver herr lichung oder der potentiellen Gewaltaus-
bung, der Diskreditierung oder Infragestellung der Menschenwrde oder
der Ausgrenzung einzelner oder Gruppen von Menschen dienen
9. Zwecke von Nutzern, die einseitigen gewerblichen oder persnlichen Gewinn
anstreben, deren Leistungen nicht dem Wohle des Leistungsempfngers die-
nen und deren angestrebter Gewinn nicht zur Erhaltung des Kirchengebu-
des herangezogen wird (Beispiel: Spielcasino)
10. Parteipolitische Veranstaltungen unter bestimmten Voraussetzungen (vgl.
Kapitel 2.2.c)
C. NICHT ANGEMESSENE NUTZUNGEN
1. Nutzung durch nichtchristliche Religionen (Ausnahme nach B.5)
2. Nutzungen durch Gemeinschaften, die sich christlicher Symbole oder Be-
zeichnungen zum Zwecke der Verschleierung ihrer dem christlichen Glauben
zuwiderlaufenden Ziele bedienen
3. Alle Nutzungen durch Institutionen, Gruppen oder Personen, die eine nicht-
christliche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft vertreten oder
solchen nahe stehen (Beispiele: buddhistische oder islamische Kulturver-
eine, Fortbildungsinstitute der Scientologen, Seminare des Humanistischen
Verbandes)
4. Standesamtliche Trauungen
5. Jugendweiheveranstaltungen
6. Nichtkirchliche Trauerfeiern (Ausnahmen nach Kapitel 2.2.d)
7. Nutzungen, bei denen die Gefahr des Missbrauchs der
Symbolik des Raumes besteht
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56 57ANHANG
gebude fr diese Perspektive unverzichtbar sind deshalb dafr erhalten und fr
welche Kirchen andere Mglichkeiten gesucht werden mssen. Aus dieser Ent-
scheidung ergeben sich Mglichkeiten und Notwendigkeiten, die dargestellten
Modelle auergottesdienstlicher und nichtkirchlicher Nutzung von Kirchen zu
untersuchen.
Fr diese Untersuchungen und fr die vorhergehende Bewertung der Kirchen
sind professionelle, von den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen zu bewlti-
gende Methoden erforderlich. Die Projektgruppe Immobilien im Konsistorium
entwickelt solche Methoden. Damit ist eine baufachliche, standortanalytische
und wirtschaftliche Bewertung der Gebude mglich, um eine realistische Ein-
schtzung der Zukunftschancen fr das jeweilige Kirchengebude zu erzielen.
Fragen zur Widmung und Entwidmung von Kirchen, zu Nutzungsvertrgen, zur
Einwerbung von Frderungen und zum Sponsoring sind mit dem Konsistorium zu
be raten, wobei die entsprechenden Stellungnahmen und Genehmigungen im
Kirchlichen Bauamt bzw. zu Veruerungen und zu Erbbaurechtsvertrgen im
Grundstcks referat erteilt werden.
D. BERATUNG, HILFE UND BETEILIGUNG
Zur Beratung aller Fragen zur Gestaltung von Kirchen stehen das Kirchliche Bau-
amt und der Beauftragte fr Kunstfragen der EKBO zur Verfgung.
Fragen zu konkreten Bauvorhaben und zu Plnen zur gestalterischen, baulichen
und funktionalen Vernderung von Kirchen, zu entsprechenden Vorschriften und
Vertrgen, einschlielich des Denkmalschutzes und der Denkmalpfl ege, zur Pfl e-
ge, Bewertung und Erfassung des Kunstgutes, einschlielich der Prinzipalstcke
des Gottesdienstes (Altar, Kanzel, Taufbecken) und der Orgel mssen mit dem
Kirchlichen Bauamt beraten werden, weil diese Vorhaben der kirchenaufsicht-
lichen Genehmigungspfl icht unterliegen.
Fragen zu zeitgenssisc