Konsistenzprüfung bei der erwerbsbezogenen Leistungsdiagnostik mittels FCE Systemen
Geissler, N.1, Andreeva, E.2 Gutenbrunner, C.2
1 Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover 2 Medizinische Hochschule Hannover / KoReFo
Wozu Leistungsdiagnostik mit FCE?
• Körperliche Arbeit = Belastung des ganzen Menschen
• (Arbeits-)Leistung (ICF) = Ergebnis einer Aktivität unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren
• Funktionelle Fähigkeiten = durch medizinische Diagnosen unvollständig beschrieben, da die Strukturschädigung nicht linear mit Beeinträchtigungen und Partizipation (ICF) einhergeht
• Produktivitätsaspekt = Vergleich mit Vorgaben / anderen Arbeitnehmern)
FCE soll die funktionellen Fertigkeiten und Beeinträchtigungen eines Menschen objektivieren im Vergleich zu den Anforderungen eines Arbeitsplatzes oder des Arbeitsmarktes.
Konsistenzprüfung bei der erwerbsbezogenen Leistungsdiagnostik mittels FCE Systemen
Die Hauptkomponenten der Leistungsdiagnostik mit FCE Systemen
• Kraft (statisch und dynamisch)
• Beweglichkeit in verschiedenen Körperhaltungen
• Arbeitsgeschwindigkeit
• Ausdauer
Für das Testergebnis ist die sichere
Funktion und nicht der Schmerz
der entscheidende Parameter!
Datenerhebung bei der FCE Testung mit dem Sapphire System
• Messung (objektiv) : Kraft, Gewicht, Zeit, Pulsfrequenz
• Beobachtung (Tester): Bewegungsabläufe; Schmerzverhalten
• Angaben Testperson (subjektiv): Schmerz, Erschöpfung
• Kriteriumsorientierter Test der Gesamtkörperbeweglichkeit mit statischen/dynamischen Maximalkraftmessungen sowie definierten zeitabhängigen Bewegungsabläufen mit semiautomatisierter Befundauswertung in Bezug auf NIOSH / OWAS / DOT und MTM.
Vorher: standardisierter 6 min. Gehtest • Statische Handkraft: Greifen (R/L) • Statische Fingerkraft: 3-Punkte-Griff
(R/L) • Statische Fingerkraft: Lateraler Griff
(R/L) • Körperhaltungen: Vorwärts Reichen • Hand-Finger-Fähigkeit: Handfähigkeit
(R/L) • Hand-Finger-Fähigkeit: Fingerfähigkeit
(R/L) • Statische Kraft: Heben Höhe
Mittelhand • Statische Kraft: Heben Höhe
Sprunggelenk • Dynamische Kraft: Heben Höhe
Werkbank)
general demands
nach Miller 1991 und Isernhagen 1988
• walking
• sitting
• hand strength
• hand coordination
• reaching
• lifting
• carrying
Stellenwert der ärztlichen Voruntersuchung
Es ist nicht möglich, von der Schädigungsebene her sichere Aussagen zur Leistungsfähigkeit unter definierten Bedingungen zu machen, aber:
• Risikofaktoren?
• Medizinisch definierte Einschränkung der Belastbarkeit
• Erwartungsbereich des Testergebnisses
deshalb unser Vorgehen:
Erst nach ärztlicher Voruntersuchung einschließlich Ruhe-EKG mit Leistungsvermögen über 6 Stunden und Ausschluss von Kontraindikationen erfolgt die routinemäßige Sapphire Testung.
Konsistenz = Widerspruchsfreiheit der Messwerte
Sapphire Konsistenzprüfung (nach Herstellermanual)
Test-Retest Reliabilität: • Variationskoeffizient unter 10% bei isometrischen Krafttesten • Kraftanwendung kann bei Testwiederholung nicht zunehmen • Unterschied Maximal-/Dauerleistung im Test (5 sec.) <12% • Verlauf der Kraftkurve
Intra-Test Reliabilität: • Rechts/Links Unterschiede müssen gleich bleiben • gleiche kg-Leistung: statisches Heben Höhe Mittelhand- dynamisches Heben
Bankhöhe-Tragen • Kraftverhältnis kg-Leistung dynamisches Heben Bankhöhe (92,5 cm) zu Ablagenhöhe
(162,5 cm) ist 2:1
Inkonsistenzprüfung: Capacity = Performance ?
Voraussetzung für einen gültigen Test = Ausschöpfung der individuellen Leistungsreserven
Punkte Ja Nein
1. Inadäquater Anstieg der Herzfrequenz im Verhältnis zum Schweregrad der Arbeit (Hebe- u. Trageteste statisch u. dynamisch) Nicht beurteilbar wegen Betablocker
4 P.
2. Zeitüberschreitung bei Hand/Fingerfunktionstest (10 Minuten) 4 P. 3. Statische Kraft Heben Höhe Mittelhand kleiner Höhe Sprunggelenk 4 P. 4. Auffälliger Variationskoeffizient (>15% > 2 Teste) 4 P. 5. Fehlende Übereinstimmung zwischen klinischen Befunden und demonstrierter
Funktion 2 P.
6. Wechselnde Kraftunterschiede re./li. Hand bei statischer Greifkraftmessung und statischem Heben Höhe Mittelhand (>20%)
2 P.
7. Dynamische Kraft beim Heben Höhe Bank kleiner der statischen Kraft Heben Höhe Mittelhand (bei ungestörter LWS-Beweglichkeit)
2 P.
8. Fingerkraftmessung im Lateralgriff und 3-Punkte Griff nicht in gleicher oder unmittelbar angrenzenden Leistungskategorie
2 P.
9. Auffälliger Greifkraftunterschied dominante/nicht dominante Hand (>20%) 1 P. 10. Kraftmessungen bei statischem Heben und Greifen nicht in gleicher oder
unmittelbar angrenzender Leistungskategorie 1 P.
Studienergebnisse / Sapphiretestungen (1) Stichprobe (N=129): stationäre Rehabilitanden in Bad Pyrmont
70,6
17,6 11,8
72,1
16,4 11,5
71,3
17 11,6
p=0.979
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Pro
zent
männlich (n=68) weiblich (n=61) gesamt (n=129)
M40-54 Wirbelsäulenprobleme
M00-M25, M80-M94 Gelenkprobleme
M30-M36, M60-M79, M95-99 sonstige Erkrankungen
Sapphire Testungen n=129 stationäre orthopädische Rehabilitanden in Bad Pyrmont
Konsistenzbewertung nach Erwerbsstatus
37,8
50
19
36,4
27
18 14,3
19,4
35,1 32
66,7
44,2
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Arbeitsvertrag (n=37) Arbeitslos (n=50) Rente(nantrag)(n=42)
Gesamt (n=129)
konsistent
fragl. konsistent
inkonsistent
Sapphire Testungen n=129 stationäre orthopädische Rehabilitanden in Bad Pyrmont
Median: 4 Median: 3,5
Median: 8
p=0.001
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
Inko
nsis
tenz
scor
es
Arbeitsvertrag (n=37) Arbeitslos (n=50) Rente(nantrag) (n=42)
Boxplot-Diagramm: Inkonsistenzscore nach Erwerbsstatus
Sapphire Testungen UST Hannover
n= 76n= 98
n= 306
n= 266
2014/ 2015 2016 2017 G EVA 15 04.-11/2017
Sapphire Testungen
Konsistenzprüfung bei Rentenantragstellern
19%
6%
14,30%
19,10%
66,70%
74,90%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Rente(nantrag) (n=42) Bad Pyrmont Rente(nantrag) (n=215) UST Hannover
konsistent
fragl. konsistent
inkonsistent
20
30
146
70
Nicht durchgeführt
Leicht 5-9 kg
Mittelschwer 9-22,5 kg
Schwer 22,5-45 kg
Verteilung Kraftleistungen (DOT) dynamisches Heben n= 266
Vergleich Konsistenzbewertung: Score / subjektive Leistungseinschätzung ERGOS-Bediener n=50
12%
60%
28%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
ERGOS Score
konsistentinkonsistentfraglich konsistent
76%
2%
22%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
subjektive Einschätzung Ergospersonal
leistungsbereitnicht leistungsbereitfraglich leistungsbereit
ERGOS Testungen n=50, stationäre Rehabilitanden in Clausthal Zellerfeld
Schlussfolgerungen
• Die Leistungsbeurteilung beruht auf der Capacity und nicht der Performance
• Die Anwendung der strukturierten Inkonsistenzscores steigert die Objektivität und Transparenz der Leistungseinschätzung
• Negative Befundverzerrung bei Selbstlimitierung wird mittels Konsistenzanalyse zuverlässig nachvollziehbar
• Die Interpretation der Testdaten wird nachvollziehbar und gelingt unabhängig von der Erfahrung des Testers
• Die Mitarbeit bei den FCE Testen steht in Zusammenhang mit dem Erwerbsstatus der Probanden (Motivation als ICF Faktor)
• Die ungeprüfte Wiedergabe von FCE Testdaten führt zu falschen Schlüssen